22.09.2016/HZ VIA Kurier Nr. 4 / 2016 Der NewsLetter der VIA INTEGRATION gGmbH Gut Hebscheid Aachen Oktober 2016 Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde der VIA Die Themen Verborgenen. Obwohl es durch eine Pilze - eine Weltmacht im Verborgenen unüberschaubare Vielfalt verwirrt, sei ein Blick in das Reich der Pilze gewagt. S. 2 Landwirtschaft: Hätten Sie‘s gewusst? Zahlen zur Landwirtschaft S. 20 Aktualitäten - Themen und Termine S. 21 Hebscheid im Spätherbst S. 24 Impressum Mit den besten Empfehlungen VIA INTEGRATION gGmbH Der Herbst ist die Zeit der Kürbisse - auch auf Hebscheid Abb.: Robert Duncan - Mädchen bietet Kürbisse feil Der zeitgenössische Maler Robert Duncan wuchs auf dem Land auf. Er widmet seine Bilder der ländlichen Idylle seiner Heimat (Utah/ USA). Sein künstlerische Absicht umschrieb er mit den Worten: Wir alle brauchen ein Stück Natur in unserem Leben. Pilze - eine Weltmacht im Verborgenen W enn der Herbst kommt und Regenwolken über das Land ziehen, schießen die Pilze aus der Erde: Steinpilze, Butterpilze, Pfifferlinge, Maronen und noch manch andere geben sich ein Stelldichein in der Küche. Andere Pilze sind weniger appetitlich, dafür jedoch nützlich. Pilze sind Lebenskünstler mit artistischen Victor Hugo: Pilz (1850) Fähigkeiten, sie haben viel Funktionen und bergen noch manche Geheimnisse. Ihr verborgenes Dasein, ihre Lebensweise und die Art ihrer Vermehrung geben viele Fragen auf, die die Forschung bisher nicht beantworten konnte. Obwohl es durch eine unüberschaubare Vielfalt verwirrt, sei ein Blick in das Reich der Pilze gewagt. Pilze sind überall anzutreffen: Im Wald, auf Wiesen und Weiden, in Gärten, an Straßenrändern, ja sogar auf Trottoirs. In der Mehrzahl bleiben sie unserem Auge jedoch verborgen und sind nur unter dem Mikroskop zu sehen. Eine kleine Gruppe, die Speisepilze, sind als Lebensmittel für den Verzehr geeignet. Groß ist dagegen die Zahl jener Pilze, die auf andere Weise nützlich für den Menschen sind und mit unserem täglichen Leben zu tun haben. Bekannt sind die Hefepilze, die bei der Herstellung von Brot, Bier und Wein Bedeutung haben; Käse lässt sich ohne Pilze nicht produzieren und Infektionen werden mit Antibiotika, Pilzprodukten, behandelt. Wenn auch ihr Nutzen überwiegt, sind doch Pilze auch als Krankheitserreger bei Mensch, Tier und Pflanze bekannt. Wer hat nicht schon mit Hautpilzen am eigenen Leib, mit Schorf an Äpfeln und Birnen oder Rost und Mehltau an den Rosen gekämpft? Von den Tausenden bekannten Pilzarten können etwa 180 dem Menschen gefährlich werden. Die Biologie der Pilze (Fungi) ist nicht leicht zu verstehen. In der Klassifikation bilden sie neben den vielzelligen Tieren (Metazoa) und den Pflanzen (Plantae) ein eigenständiges Reich, zu dem sowohl Einzeller wie die Backhefe als auch Vielzeller wie die Schimmelpilze und die Ständerpilze gehören. Merkwürdiger Weise stehen sie den Tieren näher als den Pflanzen. Zum Einen ernähren sich Pilze wie Tiere von organischen Nährstoffen (heterotroph). Zum Anderen speichern beide, Pilz und Tier, Energie im Organismus in Form von Glykogen (Polysaccharid/ Vielfachzucker aus Glukose), während der Energie Reservestoff der Pflanzen die Stärke ist, ebenfalls ein Polysaccharid aus Glukose aber in einem anderen Aufbau des Moleküls. Auch im Bau der Zellwand unterscheiden sich Pilz und Pflanze und es sind wiederum die Polysaccharide, abermals in unterschiedlichen molekularen Strukturen, die den Unterschied ausmachen. Bei Pilzen besteht die Zellwand im Wesentlichen aus Pilze besiedeln in einer unüberschaubaren Vielfalt unsere Welt. 2 Hyphe und Mycel Pilze bestehen aus sehr feinen Zellfäden - Hyphen, welche den Boden - ähnlich wie Pflanzenwurzeln - als Fadengeflecht - Mycel - durchwachsen. Mit den Hyphen nehmen die Pilze Wasser und Nahrung auf. Außerdem erobert das Myzel auch ohne sexuelle Fortpflanzung neue Lebensräume indem es einfach fort und fort wächst. Im Unterschied zu den Pflanzenwurzeln müssen aber Pilzgeflechte keine Stützfunktion übernehmen, weshalb das ganze unterirdische Gewebe in einer sehr feinen Struktur ausgebildet wird. So erschließt das Pilzgeflecht bei geringer Masse eine große Oberfläche, was ihm bei der Ernährung zugute kommt. Chitin. Chitin kommt im Pflanzenreich nicht vor, es ist vielmehr die Zellulose, die der Zellwand der Pflanze im Verein mit Lignin ihre statische Festigkeit gibt. Ein weiterer Unterschied ist, dass die Pilze, ebenso wie die Tiere, nicht über das Blattgrün (Chlorophyll) verfügen, das es der Pflanze möglich macht, Lichtenergie zum Aufbau organischer Substanz zu nutzen. Pilze kommen daher ohne Tageslicht aus, sind aber nicht, wie die Pflanzen, zur Photosynthese fähig. Pflanzen bauen aus Kohlenstoffdioxid (CO2 ) und Wasser energiereiche organische Verbindungen (Kohlenhydrate) auf (Assimilation). Das hat bei den Pilzen zur Folge, dass sie in ihrer Ernährung auf die von anderen Lebewesen gebildeten organischen Stoffe angewiesen (Heterotrophie) sind. Mehr als 1 Mio. Pilz Arten gibt es schätzungsweise auf der Welt. Davon sind weit über 200.000 niedere und höhere Pilz Arten identifiziert. Das Panorama reicht von mikroskopisch kleinen Arten bis zu den leicht erkennbaren Großpilzen. Die Zahl der Großpilz-Arten in unseren Wäldern und Fluren - dazu rechnen die Speiseund Giftpilze - dürfte bei etwa 6.000 liegen, davon sind ungefähr 200 Pilz-Arten essbar und fast ebenso viele sind giftig. Das Wort Pilz (althochdeutsch buliz) ist aus lateinisch bōlētus entlehnt. Mit dem Wort Pilz bezeichnen wir üblicherweise nur den für uns sichtbaren Fruchtkörper, wie zum Beispiel bei einem Apfelbaum den Apfel. Solche Fruchtkörper haben einzig die Aufgabe, Sporen zu erzeugen, sie dienen also der Vermehrung. Dass sie für uns gleich- Pilze bilden nicht nur im Boden, sondern auch in Holz oder anderen organischen Substraten ihr Mycel aus. 3 Abb.: Mycel des Austernpilzes auf Kaffeesatz Pilze sind nicht an den Boden gebunden, sie gedeihen auf pflanzlichem Material aller Art. Abb.: Baumschwamm zeitig einen kulinarischen Wert besitzen, ist lediglich eine willkommene Nebenerscheinung. Allerdings bilden die meisten Pilze keinen Fruchtkörper aus Was für die Äpfel der Baum ist, ist für die Pilze das Fadengeflecht (Mycel) - der eigentliche Pilz, der unter der Erde im Verborgenen lebt. Er ist aus diesem Pilz Mycel aufgebaut, das den Boden durchzieht und eine Größe von über einem Quadratkilometer wie auch ein hohes Alter erreichen kann. Den Rekord hält der honey mushroom, ein Hallimasch (Armillaria ostoyae) im Malheur National Forest (USA). Gen-Analysen haben bewiesen, dass er 8,8 km² misst. Er wiegt schätzungsweise 600 t und soll 2.400 Jahre alt sein. Sofern das zutrifft, wäre er das älteste und vielleicht auch größte Lebewesen der Erde. Das Mycel ist aber nicht nur an den Boden gebunden. Es wächst auch auf einem Baumstrunk, auf Ästen oder Rinden und anderen organischen Substraten. Wenn im Herbst genügend Feuchtigkeit vorhanden ist, kann man an abgestorbenen Kräutern, Stängeln, Gräsern und Moosen Pilze finden. Pilze spielen im biologischen Kreislauf der Natur eine wichtige Rolle. Man nennt sie Saprophyten oder Saprobionten (Fäulnispflanzen, Moderpflanzen). Sie sind von großer Bedeutung für den Kreislauf der Nährstoffe, denn gemeinsam mit den Bakterien besorgen sie den Abbau aller organischen Substanz wie etwa totes Holz, Stroh oder den Dung der Tier bis zu Fäkalien; dadurch machen sie die abgestorbene Biomassemachen wiederverwertbar. Daher lassen sich Pilzkulturen auf zersetztem organischem Material züchten. Pilze zersetzen mit der Zeit sogar Papier, Textilien, Erdölverbindungen und jede Art von organischem Müll. Geradezu spezialisiert sind sie auf die Verwertung von Holz. Nur wenige Lebewesen können das Lignin aus Holz nutzen, das selbst für Wiederkäuer unverdaulich ist. Die Pilze knacken mit Hilfe ihres besonderen Enzym Systems das Lignin in den verholzten Zellwänden. Leider verschonen sie dabei aber auch Gartenzäune, Sitzbänke und andere Holzkonstruktionen nicht. Zusammen mit Bakterien und tierischen Kleinstlebewesen lassen Pilze aus dem abgestorbenen organischen Material Humus, also organische Bodensubstanz werden. Ohne das Tun dieser Arbeitsgemeinschaft würden wir in Biomasse, Kadavern, Mist, Exkrementen und Müll ersticken. Der 4Zahn der Zeit … und die Pilze sind hier am Werk. Pilze sind Lebenskünstler mit artistischen Fähigkeiten: Von ihrem oberirdischen Fruchtkörper breiten sich feine Pilzfäden (Hyphen) in einem weitläufigen Netzwerk (Pilz Mycel) im Boden aus. Etwa 80% der Landpflanzen leben mit Pilzen in einer Gemeinschaft zum gegenseitigen Nutzen (Symbiose). Die Pilzfäden dringen in die Wurzelrinde der Wirtspflanze ein und bilden ein feines Geflecht (Mykorrhiza). Pilz und Wirts-Pflanze tauschen Nährsalze und Assimilate aus, die für die Ernährung der beiden Partner lebenswichtig sind. Pilze können sich mit ihrer Mykorrhiza auf Wirtspflanzen spezialisieren. So erklären sich Pilznamen wie Birkenpilz und Lärchenröhrling. Am fruchtbaren Oberboden, am Mutterboden, haben Pilze gewichtigen Anteil, auf 1 ha Mutterboden gedeihen viele Tonnen an Pilzmasse (Mycelien). Pilze gehen mit 80 % der Landpflanzen Lebensgemeinschaften (Symbiose) ein. Das Zusammenwirken zwischen Pilzen und Pflanzen gehört zu den großen Erfolgsgeschichten der Evolution. Der vorteilhafte Landgang der Pflanzen wäre ohne die Symbiose mit den Pilzen vermutlich nicht möglich gewesen. Nur Pilz und Pflanze in Symbiose gelingt die Besiedelung von nährstoffarmen Böden in extremen Lagen - Trockengebiete, Gebirgsregionen, Rohböden. In allen Erdteilen und quer durch alle Familien, Gattungen und Arten des Pflanzenreiches gibt es diese symbiotischen Partnerschaften. Der ökologische und ökonomische Wert der Pilze ist auch in der Landwirtschaft groß, denn die Symbiose zwischen Pilz und Nutzpflanze lässt die Erträge steigen. Mit ihren Pilzfäden (Hyphen) dringen sie in das Feinwurzel System der WirtsPflanze ein und bilden ein dichtes Geflecht (Mykorrhiza), über das Pilz und Pflanze Nährsalze und Stoffwechsel Produkte (Pilz → P, N, S / Pflanze → C-Assimilate) austauschen, die für die Ernährung des Partners lebenswichtig sind. Die mit Mykorrhizen kooperierende Pflanze erweitert auf diese Weise ihr Einzugsgebiet um etwa das Zehnfache. So fördert diese Symbiose die Nährstoffversorgung der Pflanze. Die Folgen sind besseres Wachstum, höherwertige Ernten und mehr Widerstandskraft der Pflanzen gegen Krankheiten. Aber nicht immer ist der Pilz ein nützlicher Partner der Pflanze, er kann ihr auch gefährlich werden. Am Beispiel des gigantischen Hallimasch aus Oregon lässt sich zeigen, was der Pilz treibt. Sein gewaltiger Körper unter der Erde reicht fast 1 m tief. Im Symbiose: Pilze können der Wirts-Pflanze nützen, können ihr aber auch schaden. 5 Abb.: Hallimasch auf Totholz Der Hallimasch sieht aus wie ein normaler Pilz, aber sein Wurzelsystem kann so groß werden wie hunderte Fußballfelder. Die asexuelle Vermehrung der Pilze durch Sporen / Konidien Abb.: Schema eines Konidien Trägers mit Konidiosporen Konidienträger mit Konidien von Aspergillus Lauf der Zeit treibt er Millimeter starke Mycel Stränge (Rhizomorphe) Kilometer weit von Baum zu Baum voran. Auf seinem Weg wird der Riese zum Killer. Sobald die Pilzfäden in einen Baum eingedrungen sind, entziehen sie der Wirts-Pflanze Wasser und Nährstoffe. Der Baum bildet Wundgewebe, um den Parasiten abzuwehren. Gelingt das nicht, stirbt der Baum. Sein Wirken kann sogar für den ganzen Waldbestand bedrohlich werden. Im Schweizerischen Nationalpark (Engadin) ist der Hallimasch zur Plage geworden, denn er tötet die Bergkiefern. Zu seiner Ehre sei jedoch gesagt, dass er nicht nur an lebenden Bäumen nagt, sondern dass er auch Totholz besiedelt und zersetzt. Der Fruchtkörper, den wir gemeinhin Pilz nennen, hat die Aufgabe, Sporen zu erzeugen, die der Vermehrung dienen. Die mikroskopisch kleinen, verschiedengeschlechtlichen Samenzellen werden in großer Zahl gebildet und durch Wind oder Wasser weiträumig verbreitet. Sporen sind außerordentlich widerstandsfähig; in einem unwirtlichen Umfeld drosseln sie ihren Stoffwechsel und sind dann weder auf Wasser noch auf Sauerstoff und Nährstoffe angewiesen. So können sie lange und unter extremen Bedingungen überleben. Pilze können sich ungeschlechtlich (asexuell, vegetativ) und geschlechtlich vermehren. In beiden Fällen geschieht das über Sporen. Im ersteren Fall sind es die Konidien, die durch Sprossung, Ausstülpungen und Abschnürung an der Spitze der Hyphen (Konidienträger, Konidiophor) entstehen. Diese Klasse der imperfekten Pilze (Fungi imperfecti) vermehren sich asexuell, die sexuelle Fortpflanzung ist ihnen verlorengegangen. Es gibt ca. 30.000 Arten, unter ihnen sind gefährliche Krankheitserreger für Mensch (Hautpilze), Tier und Pflanzen (Schimmel, Schorf) sowie Formen von großer wirtschaftlicher Bedeutung (z.B. Penicillium und Aspergillus). Eine weitere Form der ungeschlechtlichen Vermehrung ist die Ausbreitung der Pilze durch ihre langlebigen Myzelien (vegetative Ausbreitung). Auch die sexuelle Fortpflanzung läuft über (haploide) Sporen. Man nennt sie Plusund Minus-Spore, da man von außen nicht erkennen kann, ob es eine männliche oder weibliche Spore ist. Plus (männlich ♂) und Minus (weiblich ♀) Sporen treiben Der Fruchtkörper eines Ständerpilzes besteht aus dem Stiel und dem Hut. Der Stiel ist umgeben von einer Manschette (Ring). An der Unterseite trägt der Hut das Fruchtlager (Hymenophor), das als Röhren, Lamellen (Blätter), Leisten oder Poren ausgeformt ist. In diesen Ausformungen schwellen die Enden der fadenförmigen Zellen (Hyphen) zu kleinen Keulen, zu Basidien (Ständern) an. Hier werden die ♂ & ♀ Sporen für die sexuelle Vermehrung in enormer Zahl gebildet. Der Fruchtkörper eines Champignons kann bis zu 2 Mia. 6 Sporen entwickeln. Legt man den Hut eines frischen Ständerpilzes auf ein Blatt Papier, bildet sich nach einiger Zeit ein Muster des Sporenpulvers, das aus den Lamellen herausstäubt. Ständerpilze: Die Sporen werden in einem Fruchtlager (Hymenophor) gebildet, das an der geschützten Unterseite des Hutes platziert ist. Bei den Röhrlingen ist das Fruchtlager röhrenförmig – daher der Name. Bei den Lamellenpilzen ist es lamellenförmig daher auch in diesem Fall der Name. Becherlinge haben einen becherförmigen Hut, Leistlinge eine leistenartig strukturierte Hut-Unterseite. Bezeichnend für den Porling ist die poren- oder wabenartige, weiße bis cremefarbene Hut-Unterseite. Abb. v.oben li. → unten re.:Röhren - Gemeiner Gallenröhrling / Lamellen - Fliegenpilz / Becher - Orangenbecherling / Leisten - Echter Pfifferling (Eierschwamm) / Poren - Schafporling / jeweils nach dem Keimen die bekannten fadenförmigen Hyphen im Boden aus, die sich zu einem primären Netzwerk (Mycel) verflechten, das geschlechtlich bestimmt ist. Dieses Mycel verbindet sich mit einem gegengeschlechtlichen primären Mycel. In einem komplizierten Vorgang verschmelzen die zwei verschiedengeschlechtlicher Zellen zu einem Paarkern Mycel. Nur aus der Verbindung von zwei primären Mycelien gegenteiligen Geschlechtes entsteht - oft erst nach mehreren Jahren ein sekundäres Mycel (Paarkern Mycel), also ein neuer (diploider) Pilzorganismus, der fähig ist, ein produktives Leben zu führen, d. h. sich zu ernähren, zu wachsen und sich zu vermehren, indem er aufs Neue Fruchtkörper hervorbringt, die wiederum Sporen bilden und auszusäen, um das Fortleben der Art sicherzustellen. Je nachdem, wo diese Sporen am Pilz reifen, unterscheidet man zwischen Ständerpilzen (Hutpilzen, Basidiomyceten) und Schlauchpilzen (Ascomyceten). Die meisten Speisepilze gehören zur Familie der Ständerpilze. Nur wenige Speisepilzarten zählen zu den Schlauchpilzen. Der wesentliche Unterschied zwischen Ständer– und Schlauchpilzen besteht im Aufbau der sporenbildenden Organe. Zu den Ständerpilzen zählen die weitverbreiten Röhrenpilze/ Röhrlinge/ (Steinpilz) und die Lamellenpilze/ Blätter-Pilze (Champignon). Sie werden so genannt, weil sie ihre Sporen an Auswüchsen (Sporenständer/ Basidie) des Fruchtkörpers bilden, die in einem röhrenförmigen oder lamellenförmigen Fruchtlager (Hymenophor) an der geschützten Unterseite des Hutes platziert sind. Leistlinge (Pfifferling) haben eine leistenartig strukturierten Hut-Unterseite. Bezeichnend für den Porling (Schafporling) ist die poren- oder wabenartige, weiße bis cremefarbene Hut-Unterseite. 7 Schlauchpilze: Ihre Fruchtkörper sind vielgestaltig; sie können sich wabenförmig (Morchel) oder becherförmig (Orangen Becherling) öffnen, nach außen offene Höhlungen bilden (Apfelschorf), kugelig (Trüffel) oder kegelartig (Holzkeule) geformt sein. Abb. v. oben li. → unten re.: Speise Morchel / Perigord Trüffel; die echten Trüffeln zählen zu den zu den teuersten Speisepilzen (< 3.500 €/ kg) / Apfelschorf, der Fruchtkörper (Perithecium) mit eng verflochtenen Zellfäden misst 90-160 µm (Model oben links) / Holzkeule, der geweihförmige Pilz ist im Laubwald anzutreffen / Orangen Becherling wächst im niedrigen Gras, an Wegrändern, Böschungen oder auf Brachen. Die Schlauchpilze sind unscheinbarer, oft nur Millimeter bis wenige Zentimeter groß. Die Familie ist allerdings mit über 30.000 Arten sehr formenreich. Bei den Schlauchpilzen reifen die Sporen in Schläuchen (Asci) heran, die durch ihre enge Verflechtungen einen Fruchtkörper (Perithecium) bilden. Die Fruchtkörper können sich becherförmig öffnen (Morchel), nach außen offene Höhlungen bilden (Apfelschorf) oder kugelig (Trüffel) bzw. kegelartig (Holzkeule) geformt sein. Pilze waren von jeher Weggefährten der Menschen. Sie dienen ihnen als Nahrungsquelle, sind Heilmittel, können Halluzinationen und Vergiftungen im Gefolge haben und helfen nicht selten, ungeliebte Zeitgenossen ins Jenseits zu befördern. Diese enge Beziehung bringt es mit sich, dass Pilze in Märchen und Mythen wie auch in der Kunst Beachtung finden. Schon in der Steinzeit wussten die Menschen um den Wert der Pilze als Lebensmittel. Sie machten sie haltbar durch Trocknen. Spuren von Pilzen fand man in menschlichen Behausungen, die etwa 100.000 Jahre alt sind (Salzgitter). Grabungen in Mecklenburg Vorpommern (Endingen) förderten 10.000 Jahre alte Zunderschwämme (Fomes fomentarius) zu Tage, Baumpilze, deren Fruchtfleisch (Trama) den Zunder lieferte, leicht brennbares Zünd Material, das die Funken aus dem Feuerstein oder dem Feuer Bohrer auffing und dann in Flammen aufging. Solche Zunder– oder Feuer-Schwämme fand man vielfach in den Pfahlbauten der Bronzezeit (D, CH, DK). Auch der Ötzi, die Gletscher Mumie aus Südtirol (4. Jt. v. Chr.), 8 Der Zunderschwamm (Fomes fomentarius) aus der Familie der Porlinge befällt geschwächte Laubbäume, vor allem Buchen und Birken. An den Stämmen bildet er dicke, konsolenförmige Fruchtkörper. Die Trama, das Fleisch des Fruchtkörpers, lieferte den Menschen in der Steinzeit den Zunder zum Feuermachen. trug Baumpilze bei sich. Pilze gelten bei den Aborigines, den Ureinwohnern Australiens, noch heute als das Brot des schwarzen Mannes. Auch in Europa nannten die Altvordern die Pilze das Brot oder Fleisch des Waldes. Ebenso ist bekannt, dass in China und Japan Pilze bereits vor tausenden von Jahren sehr geschätzt wurden. Keilschriften aus Mesopotamien (1.700 v. Chr.) listen u.a. Trüffel und Pilze bei den Gemüsen auf. Der griechische Philosoph Theophrastos von Eresos (3. Jh. v. Chr.) entwickelte eine Art wissenschaftlicher Systematik für Pflanzen. Pilze waren ihm wohl ein undurchschaubares Geheimnis, denn nach seiner Erkenntnis fehlten ihnen wichtige Organe - etwa die Wurzel. Der Universalgelehrte Aristoteles (4. Jh. v. Chr.) glaubte an die Urzeugung, d.h. kleinste Lebewesen, Pflanzen sowie Pilze können spontan aus unbelebter Materie hervorgehen. Vor allem aber bemühten sich die antiken Ärzte um die Unterscheidung zwischen essbaren und giftigen Pilzen - ein Hinweis darauf, dass Pilze eine beliebtes Gericht waren und das Vergiftungen vorkamen. Der Tragödiendichter Euripides (5. Jh. v. Chr.) schildert, dass er an einem Tag seine Frau, eine Tochter und zwei Söhne durch eine Pilzvergiftung verloren habe. Der griechische Arzt Pedanios Dioscurides (1. Jh. n. Chr.) verfasste ein umfassendes Werk über Heilpflanzen und Rezepte, das über 1.500 Jahre das einschlägige Standardlehrbuch für Ärzte und Apotheker war. Er teilt die Pilze in drei Sippen nach den Orten ein, an denen sie wachsen: Hutpilze (fungi) auf der Erde, Trüffeln (tubera) unter der Erde und Porlinge (agaricum) auf Bäumen. Ferner unterscheidet er zwischen ungiftig und giftig; er schrieb, dass es zwei Arten von Schwämmen gebe: Die einen sind zum Essen bequem, die anderen aber ein tödliches Gift. Er meint, die Giftigkeit sei durch den Standort bedingt: Pilze, die neben verrostetem Eisen, faulendem Tuch, Schlangenhöhlen oder Bäumen mit giftigen Früchten wachsen, seien alle miteinander giftig. Pilze die unter Feigen- und Nadelbäumen wachsen, wurden als essbar eingestuft. Pilzgerichte standen auch bei den Römern auf dem Speisezettel. Sie galten als Delikatesse. Der Dichter Martial (1. Jh. n. Chr.) schrieb: Gold und Silber, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten Es sind sogar römische Rezepte überliefert und zwar im Kochbuch des Caelius Apicius Über die Kochkunst (De re coquinaria, 3. Jh. n. Chr.). Wegen ihres feinen Geschmacks empfiehlt er Pilze für die Saucen-Küche. Wie es sich gehört, sollen die Kaiser eine besondere Vorliebe für den Kaiserling, den orangegelben Wulstling (Amanita caesarea), gehabt haben. Gekochte Pilze wurden in heißer Soße serviert, so dass der 9 Der Kaiserling (Amanita caesarea), der orangegelbe Wulstling, steht schon seit der Antike im Ruf, ein außergewöhnlich wohlschmeckender Speisepilz zu sein. Asterix belegt, dass die Römische Küche seinerzeit auch bei den Briten beliebt war (Asterix bei den Briten 1966). Der Häuptling Celtix wird seinen Gästen wohl ein köstlich Pilzgericht auftischen, dessen Rezept er dem Kochbuch des Caelius Apicius entnommen hat; seine Absicht tut er in der Sprechblase kund: Nun ist es Zeit zu kochen. Schlemmer den Schlund anschließend mit Schnee gekühlten Getränken löschen musste - so schreibt es Seneca, Philosoph und politischer Begleiter von Kaiser Nero (1. Jh. n. Chr.): Was kann ein vom heißen Essen schwieliger Schlund noch spüren? Wie ihm nichts kalt genug ist, so ist auch nichts warm genug, nein, sie schlingen heiße Pilze, die man in aller Eile in die Sauce warf, noch fast rauchend hinunter, um sie dann mit schneegekühlten Getränken zu löschen (Naturales Quaestiones). Diese Köstlichkeit wurde in goldenen, zumindest aber silbernen Pilzschüsseln (boletaria) aufgetragen und vorgelegt wurde mit einem kostbaren Bernsteinbesteck. Pilze waren zwar eine hoch geschätzte Köstlichkeit, aber die Unsicherheit über ihre Bekömmlichkeit war groß. Der römische Gelehrte Plinius d. Ä. (1. Jh. n. Chr.) befasst sich in seiner Naturgeschichte (Naturalis Historia, 37 Bd.) auch mit den Pilzen und versucht sich an einer Systematik; er kennt Hutpilze (fungus), den Lärchenporling (agaricum), den Steinpilz (suillus), die Trüffel (tuber) und den Kaiserling (boletus). Allerdings warnt er vor Speisepilzen, er nennt sie eine bedenkliche Nahrung (cibus anceps). Auch der Dichter Horaz (1. Jh. v. Chr.) rät zur Vorsicht: Von allen Schwämmen sind die aus den Wiesen von der besten Art, den anderen ist nicht immer recht zu trauen (Satiren). Ihrem Wert entsprechend wurde Pilze in kostbarem Tafelgeschirr serviert. Abb.: Schüssel mit Pilzen, römisches Mosaik, Aquileia (4. Jh. n. Chr.) In der Zeit der Völkerwanderung (4./ 6. Jh. n. Chr.) ging das vielfältige Wissen der Antike verloren - auch das über Pilze. Sie büßten ihre hohe Wertschätzung ein und galten als Kost für arme Leute. In den Quellen des frühen Mittelalters (vor 1.000) werden sie nur selten erwähnt, ausnahmsweise etwa in einem Speise– und Getränke-Segen (Benedictiones ad mensas) aus dem Kloster St. Gallen. Der Verfasser, der Mönch Ekkehart IV., weist warnend darauf hin, dass Pilze sicherheitshalber sieben mal gekocht werden sollten. Erst im hohen Mittelalter tauchen die Pilze häufiger im Schrifttum auf. Bedeutung haben die Abhandlungen der Äbtissin Hilde- Im Mittelalter sind Darstellungen von Pilzen selten. Abb.: Pilze im Kräuterbuch des Konrad von Megenberg (1350). Der Text beginnt: Fungi heisset swamme … . Drei Pilze sind auf einem Bodenstück dargestellt; die beiden äußeren mit Lamellen, der mittlere pinienförmig mit aufgesetzten Flecken. 10 gard von Bingen (11. Jh.). Ihre Beschreibungen sind sehr präzise, sind aber gleichzeitig vom christlich-religiösen Weltbild des Mittelalters geprägt. Schädliche Wirkung oder heilsamen Nutzen der Pilze sieht sie durch göttlichen Willen bestimmt. Zum Thema Nutzen und Gefahren meint sie, dass Pilze, welche auf Bäumen wachsen, für die Menschen hilfreich seien, während solche, die auf der Erde wachsen, als bedenklich einzustufen seien: Die Pilze, die auf gewissen Bäumen, stehenden oder liegenden, entstehen, sind einigermaßen gut zur Speise des Menschen ... und bisweilen taugen sie sogar zu Heilmitteln. Das Denken der Gelehrten des Mittelalters und der Neuzeit war von der medizinischen Lehre des griechischen Arztes Galen (2. Jh. n. Chr.) geprägt. Dem zufolge sind im Körper vier Säfte wirksam: Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle. Nur wenn die Säfte in einem ausgewogenen Verhältnis zu einander stehen, ist der Mensch gesund; Krankheit entsteht, wenn das Gleichgewicht gestört ist, wenn also zu wenig, zu viel oder verdorbene Säfte wirksam werden. Diese Säfte sind ihrem Wesen nach heiß oder kalt, nass oder trocken. Die Nahrungsmittel tragen die gleichen Eigenschaften in sich. Im Sinne dieser Lehre schreibt Hildegard von Bingen: Die Pilze, die über der Erde entstehen, welcher Art sie auch seien, sind wie Schaum und Erdschweiß, und dem Menschen, der sie isst, schaden sie etwas, weil sie Schleim und Schaum in ihm verursachen. Die mittelalterlichen Ärzte stimmen in diese Klage ein. Der Arzt und Naturforscher Adamus Lonicerus (16. Jh.) schreibt in seinem Kräuterbuch über die Pilze, dass es die Natur aller Schwämme sei, zu bedrängen; sie seien kalter, phlegmatischer, feuchter und roher Natur. Der gelehrte Albertus Magnus (13. Jh.) riet von Pilzen als Nahrungsmittel ab, da sie seiner Meinung nach im Körper des Menschen nichts Gutes bewirken könnten. Auch war er der Auffassung, dass Pilze durch Urzeugung (Spontanzeugung) aus Ausdünstungen und Fäulnis entstünden, da ihnen weder Samen, Zweige noch Blätter zu eigen seien (de Vegetabilius). Diese Vorstellung, die die Gelehrten von den antiken Schriftstellern bezogen, sollte sich bis ins 18. Jh. halten. Beispielsweise behauptete der Universalgelehrte Johan Baptista van Helmont (17.Jh.), dass aus Weizen und den Ausdünstungen schmutziger Hemden nach 21 Tagen spontan Leben (Mäuse) entstände. Im Allgemeinen blieb man also im Mittelalter auf Distanz zu den Pilzen. In der Renaissance wird das Wissen der Antike neu belebt; die Naturwissenschaften lösen sich jetzt von mittelalterlichen Vorstellungen. Jetzt will man durch direkte Naturbetrachtung Einblick in das Wesen der Natur gewinnen. Damit steigt auch wieder das Ansehen der Pilze. Nach der Erfindung des Buchdrucks (1450) bringen die Gelehrten Kräuterbücher heraus, in denen auch die Pilze beschrieben werden. Hieronymus Bock, Theologe und Arzt, verfasst 1539 das New Kreütterbuch, er berichtet von der krafft und würckung der Pilze; er beschreibt den Nutzen des Zunderschwamms, die Giftigkeit der Fliegenpilze und nennt das All- Trüffel - köstlich aber teuer und daher gelegentlich als Mittel der Diplomatie und wertvolles Geschenk zur Pflege von Beziehungen genutzt. Seit der Antike ranken sich Mythen und Legenden um die Trüffel. Lange waren sich die Gelehrten nicht sicher, ob die unterirdisch wachsenden Trüffel zu den Steinen oder Pflanzen zu zählen seien. Zeitweise 11 galt sie als Teufelszeug, in der Renaissance jedoch wurde die Edelknolle zum Inbegriff der luxuriösen höfischen Tafelfreuden. Die Nationalsozialisten sollen Trüffel als welsches Produkt verboten haben. Pilze als erdnahe Gewächse mit Schmetterlingen, die in ätherischer Leichtigkeit dahingaukeln, waren für die Still Leben Maler des Barock ein reizvolles Motiv. Der Gedanke, Pilze entstünden aus Fäulnis, ließ sie zum Symbol der Urzeugung werden, eine Lehre, die erklärte, dass Lebewesen aus unbelebter Materie entstehen können. Abb.: Otto Marseus van Schriek - Still Leben Champignon mit Schmetterling (1670) heilmittel Agaricum (Lärchenschwamm Laricifomes officinalis), dessen Wirkung auf eine gewisse antibiotische Wirkung zurückzuführen ist. Sein Kollege Adam Lonitzer folgt ihm 1557 mit einem weiteren, berühmten Kreüterbuch, in dem erstmals das Mutterkorn (Claviceps) dargestellt wird, ein Giftpilz, der auf Getreideähren wächst. Bald erscheinen Werke, die sich sogar ausschließlich mit Pilzen befassen. Aber es dauert noch an die 150 Jahre, bis die Pilz Sporen und ihre Funktion in der Fortpflanzung mit Hilfe des Mikroskops entdeckt werden. Wie in der Antike werden Pilze wieder zur Delikatesse. Trüffel sind kostbare Geschenke für hochgestellte Persönlichkeiten. Bezeugt sind solche Präsente für Lucretia Borgia (1501)und Papst Julius II. (1506). In Deutschland schätzt man Morcheln und Pfifferlinge. Auch im Frankreich des Barock werden Pilze zur Delikatesse. Der französische Hof unter Ludwig XIV (17. Jh.) wird tonangebend in der feinen Lebensart. Um 1650 legt man erstmals in Frankreich Champignon Kulturen an, daher auch der Name Pariser Pilz. Zunächst kultivierte man diese Pilze im Freiland; dem folgte der Anbau in den alten Stollen von Paris (18. Jh.), nachdem man feststellte, dass Champignons gut im Dunkeln gedeihen, denn für die Fruchtbildung brauchen sie kein Licht. 100 Jahre später kommt der Champignon in die Niederlande und wird in den Mergelgrotten in Limburg in größeren Mengen gezüchtet. Der Pilz war ein derart elitäres Produkt, dass er erst im 20. Jh. beim Verbraucher allgemein bekannt wird. Heute ist China Marktführer in der Erzeugung von Zucht -Pilzen, es folgen die USA und die Niederlande. Der Weltmarkt lag 2002 bei 3,4 Mio.t und die Produktion steigt kräftig weiter von Jahr zu Jahr. Der Champignon (Agaricus bisporus) ist unter seinen Pilz Kollegen der weltweit bekannteste und beliebteste Speisepilz; er gilt als der Popstar unter den Pilzen … und im Übrigen wäre die feine Küche ohne Speisepilze heute unvorstellbar. Der Nährwert der Pilze ist, verglichen mit anderen Lebensmitteln, an sich gering. Pilze bestehen vor allem aus Wasser, sind kalorienarm und enthalten kein Champignon Zucht 12 Um 1650 legt man in Frankreich erste Champignon Kulturen an. Über Holland kommt die ChampignonProduktion Mitte des 19. Jh. nach Deutschland Damals baute man den braunen Champignon an. Der weiße Champignon ist eine Mutation des braunen Pilzes (20. Jh.). Abb.: Champignonzucht, Holzstich (1888) Der Maskierte oder Lilastiel-Rötelritterling (Lepista saeva) ist der Pilz des Jahres 2016 Der Pilz ist in ganz Europa verbreitet, er wächst auf grasigen Standorten. Der Hut ist blassgrau, ockergrau, blassbräunlich und alt graubraun gefärbt. Auf der Unterseite des Hutes befinden sich die eng stehenden, cremefarbenen bis hellbraunen oder -grauen Lamellen. Der Pilz wird gemeinhin als essbar angesehen. DIE DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR MYKOLOGIE wählt seit 1994 den Pilz des Jahres, um auf gefährdete heimischer Pilze aufmerksam zu machen Fett. Zwar liefern Pilze Vitamine; allerdings werden die meisten Wirkstoffe bei der Zubereitung durch die Hitze zerstört. Den vollen Vitamingehalt kann man also nur bei Pilzen nutzen, die roh genossen werden (z. B. Champignons). Pilze liefern wertvolle Mineralstoffe, speichern aber auch Schwermetalle wie Kadmium, Blei und Quecksilber. Das trifft insbesondere für Wildpilze zu. Aus diesem Grund empfiehlt die WHO, nicht mehr als 250 g Wildpilze pro Woche zu essen. Zuchtpilze sind dagegen kein Problem; sie enthalten weniger Schadstoffe. Der Verwertung im Organismus steht das unverdauliche Chitin im Wege, das Polysaccharid (Vielfachzucker), aus dem die Zellwände der Pilze gebaut sind. Diesem Chitin ist es zu verdanken, dass den Menschen die Pilzmahlzeit gelegentlich schwer im Magen liegt, vor allem, wenn man in der Eile das Kauen vergessen hat. Aber das ist nichts Neues; der griechische Arzt Dioscurides warnte schon vor 2.000 Jahren … dass übermäßige Pilz Kost den Menschen würgen und ersticken ließe. Andererseits ist Chitin ein nützlicher Ballaststoff, der die Darmtätigkeit anregt. Gut kauen lautet auf jeden Fall die Regel bei Pilzmahlzeiten. Pilze sind nicht nur ein Gaumenschmaus, sie haben auch heilende Kräfte. In der Naturheilkunde werden Pilze als Medizin eingesetzt. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) haben sich Behandlungsmethoden mit Pilzen schon seit Jahrtausenden bewährt. In Europa werden Heilpilze für die medizinische Anwendung bereits in den Kräuterbüchern des 16. Jh. beschrieben. Die Verfasser, Ärzte und Naturforscher, empfahlen beispielsweise die Stinkmorchel (Phallus impudicus) gegen die Gicht. Der Echte Zunderschwamm (Fomes fomentarius) wurde zur Blutstillung und der Hallimasch (Armillaria mellea) als Abführmittel verschrieben. Das Übersicht: Nährwert von Pilzen im Vergleich mit anderen Lebensmitteln Quelle: Edmund Garnweider: Pilze, Gräfe und Unzer 1997 Pilz / Wasser Eiweiß Fett Kohlehydrate Rohfaser % % % % % Lebensmittel (frische Ware) Steinpilz Mineralien Energie % Kcal/ 100g 87 5,4 0,4 5,2 1,0 1,0 34 Champignon 90,0 4,8 0,2 3,5 0,8 0,8 28 Pfifferling 91,5 2,6 0,8 3,5 1,0 0,7 23 Kartoffel 74,9 2,0 0,1 20,9 1,0 1,1 91 Apfel 84,8 0,4 0,2 13 12,9 1,5 0,5 58 Roggenbrot 42,3 6,1 0,4 49,3 0,5 1,5 227 Das Judasohr oder auch Holunderschwamm wurde schon vor 400 Jahren in den Heilkräuterbüchern erwähnt. Die Legende erzählt, dass sich der Verräter Judas Ischariot an einem Holunderbaum erhängt habe, an dem diese ohrmuschelförmigen Pilze gewachsen seien - daher der merkwürdige Name. Judasohr (Auricularia auriculajudae), in Rosenwasser oder Wein eingeweicht, sollte heiße Geschwülste niederdrücken und den Blutfluss fördern. Die Myko-Therapie, also das Heilen mit Pilzen, gewinnt inzwischen auch außerhalb der TCM bei Schamanen, Heilpraktikern und naturheilkundigen Ärzten an Boden, denn Heilpilze bieten nach Einschätzung prominenter Pharmakologen ein ähnlich weites Feld für die Therapie wie die pflanzlichen Arzneimitteln (PhytoTherapie). Vielfältige Wirkungen werden beschrieben: Stärkung der Widerstandskraft, Hemmung des Tumorwachstums, Senken des Cholesterin Spiegels, Wirkung gegen Karies und Osteoporose, Stärkung bei Erschöpfungszuständen sowie entgiftende Wirkung. An erster Stelle ist hier der Lackporlin oder Reishi (Ganoderma lucidum) zu nennen, der in China als Pilz des ewigen Lebens bezeichnet wird. Die Liste der traditionellen Pilz-Heilmittel und ihrer Anwendungen ist lang und wächst ständig. Allerdings sind Heilmittel, die als Extrakte oder Lösungen aus dem Fruchtkörper von Groß-Pilzen hergestellt werden, in Deutschland als Arzneimittel nicht zugelassen. Solche Pilz Zubereitungen aus Groß-Pilzen sind jedoch nicht zu verwechseln mit den Antibiotika, den Stoffwechselprodukten von KleinPilzen und Bakterien, die sich seit den 1930er Jahren in einzigartiger Weise als segensreich für die Menschen erwiesen haben. Zubereitungen aus dem Fruchtkörper von Pilzen werden zwar als Mittel zur Nahrungsergänzung angeboten, die Frage nach dem medizinischen Nutzen bleibt jedoch unbeantwortet - trotz aller vollmundigen Anpreisungen. Allerdings steht es jedem frei, die traditionelle Mykotherapie in Form eigener Zubereitungen anwenden. Ein weites Feld ist auch die Giftigkeit der Pilze. Es liegt auf der Hand, dass die Unterscheidung zwischen Giftpilzen und genießbaren Speisepilzen besonders für Pilzsammler wichtig ist. Giftpilze sind meist Arten mit Hut und Stiel, sie zählen zu den Groß-Pilzen. In Europa sind von den rund 5.000 Groß-Pilzen etwa 180 Pilzarten giftig, aber nur wenige Arten werden als hoch giftig eingestuft. Der bekannteste Giftpilz ist der Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides), der gelegentlich auch als Mordwaffe eingesetzt wird. Der Aufsehen erregende Fall eines Gattenmordes durch den Presssaft aus Knollenblätter Pilzen ist nicht ein Gruselgeschichte aus der Feder eines Krimi Schreibers, sondern ereignete sich tatsächlich 1993 in Uerikon (CH). Dem römischen Kaiser Claudius (54 n. Chr.) ging es nicht besser. Sein Gattin Agrippina ließ ihn vergiften, um den Weg freizumachen für ihrem Sohn Nero. Der Vorkoster soll dem Kaiser den Saft von Knollenblätterpilzen in dessen Leibgericht - Kaiserlinge - geträufelt haben. Ironisch merkt der Dichter Juvenal (1. Jh. n. Chr.) in seinen Satiren dazu an: Niederen Freunden bestimmt sind hier nur verdächtige Schwämme, aber dem Herrn (ist) ein Pilz von der Art (bestimmt), wie ihn Claudius speiste ... den ihm die Gattin gereicht … denn danach speiste er nicht mehr. Eine weitere Art hat es in historischer Zeit zu trauriger Berühmtheit gebracht, das Mutterkorn, die reife Überwinterungsform des Pilzes Claviceps purpurea, der auf Gräsern und Getreide parasi14 Der Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) hat einige Prominente auf dem Gewissen. Die Alkaloide des Mutterkorns verengen die Blutgefäße so, dass mit der Zeit die Gliedmaßen absterben. Diese Erkrankung ist äußerst schmerzhaft; daher sprach man vom heiligen Feuer oder Antonius Feuer. Abb.: Hieronymus Bosch: Das Jüngste Gericht (1500) Hieronymus Bosch hat in einem Altarbild die Folgen der Mutterkorn Vergiftung dargestellt: Ein Krüppel präsentiert auf einem hellen Tuch seinen Fuß, der durch das Antonius Feuer schwarz geworden und abgefallenen ist. Für den Transport hat er ein Rohr als Griff eingesetzt. Neben dem Fuß liegen einige Münzen, die mitleidige Menschen dem Bettler zugeworfen haben. tiert. Mutterkorn enthält hochgiftige Alkaloide, die Massenvergiftungen (Ergotismus) verursachten, wenn sie über verpilztes Getreide und Mehl in das Brot gerieten. Bereits in frühesten Kulturen wurden Pilze mit den Göttern in Verbindung gebracht, sie galten als Symbol für langes Leben und Unsterblichkeit. Das wundersame plötzliche Auftauchen der Pilze und ihr ebenso unvermitteltes Verschwinden und Vergehen stand im Gegensatz zum Entstehen und Vergehen der Vegetation im Lauf der Jahreszeiten, gab über lange Zeit Rätsel auf und regte zu teilweise absonderlichen Spekulationen an. Über Jahrhunderte hinweg nannte man die Pilze Kinder Gottes. Der Legende nach wuchsen sie dort, wo Jesus auf seinem Weg Brotkrumen fallen ließ. Die Mythen der Germanen erzählten, dass sie aus dem Speichel der wild über die Erde jagenden Pferde Wotans sprossten, dass sie bei Blitz und Donner emporschossen oder nach nächtlichen Hexentänzen aus dem Erdreich krochen. Die Slaven brachten die Pilze mit ihrem Kriegsgott Svantevit in Zusammenhang; aus dem schäumenden Geifer seines weißen Streitrosses keimten die Pilze. Im ALLGEMEINES POLYGLOTTEN-LEXICON DER NATUR-GESCHICHTE des Philipp Andreas Nemnich (1793) findet sich die eigenartige Erklärung, dass die Stinkmorchel nach der Einbildung der Jäger aus dem entfallenen Samen der Hirsche erzeugt werde. Viele Kulturen kennen Zauberpilze, psychoaktive Pilze, die Halluzinationen und Wahnvorstellungen, Trance und Rauschzustände auslösen. Die Wirkstoffe sind Psilocybin und Psilocin, die ähnlich der Droge LSD wirken. Psychoaktive Pilze sind weltweit verbreitet, die meisten finden sich in der Gattung der Kahlköpfe. Psychoaktive Pilze wurden vor Zeiten bei religiösen Ritualen genutzt, um die Menschen in Trance zu versetzen. In Guatemala hat man Pilzsteine ausgegraben, die das Bildnis eines Gottes tragen. Sie werden der frühen Maja Kultur zugeordnet (1.000 v. Chr.) und sind Zeugnisse eines Pilzkultes. Auch die Azteken bedienten sich der psychoaktiven Pilze. In den Berichten der spanischen Eroberer (16. Jh.) kann man über die Wirkung des Teonanacatl (Kubanische Kahlkopf, Psilocybe cubensis) nachlesen. Die Azteken nannten ihn das Fleisch der Götter, durch das sie sich berauschen ließen: Abb. : links - der Spitzkegelige Kahlkopf (Psilocybe semilanceata) ist ein Blätterpilz, der das psycho-aktive Psilocybin enthält. Er ist in den gemäßigten Zonen der Erde weit verbreitet und wächst bevorzugt auf Weiden im Dung der Weidetiere. 15 der religiösen Bedeutung rechts - Pilzstein der Maya, Zeuge der Zauberpilze, Guatemala Pilze sind Statisten in Romanen und Krimis, in Märchen und Volksliedern, aber auch im Nähkästchen der Großmutter. Bei der festlichen Zusammenkunft … aßen sie Pilze. Sie nahmen keine andere Nahrung ein … als die Pilze zu wirken begannen, wurde getanzt und geweint … einige (hatten) … Visionen … Die Schamanen einiger sibirischer Völker nutzten den Fliegenpilz (Amanita muscaria) seit Jahrtausenden als Rauschmittel. Durch seine Ekstase auslösende Wirkung sollten die Menschen mit der Welt der Götter und Geister zusammenführt werden. Auch die Druiden der keltischen Völker bedienten sich der psychoaktiven Pilze bei ihren Ritualen. Es wurde sogar die Vermutung ausgesprochen, dass die altnordischen Berserker, im Rausch kämpfende Menschen, Fliegenpilze eingenommen hätten, um in ihre sprichwörtliche Raserei zu verfallen: Er wütet wie ein Berserker. Das Thema psychoaktive Pilze ist nach wie vor bei Jugendlichen aktuell: In Europa haben bis zu 10 % der Heranwachsenden zumindest einmal in ihrem Leben Erfahrungen mit psychoaktiven Pilze gemacht. Allerdings werden diese Drogen als wenig gefährlich eingestuft, denn Pilze machen weder physisch noch psychisch abhängig; auch sind Entzugserscheinungen nicht bekannt. Nach der Bewertung der CENTERS FOR DISEASE CONTROL AND PREVENTION (USA) ist Psilocybin weniger toxisch als Aspirin, das von der WHO auf die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel gesetzt wurde. Nicht nur Schamanen und Druiden haben sich der Pilze bedient, bedingt durch ihren hohen Symbolwert finden sie auch Beachtung in Literatur und Kunst. In Reiseberichten wird gerne das geheimnisumwitterte Sammeln von Trüffeln ausgemalt, Romane machen Stimmung mit einer makabren Mykologie wie etwa der Krimi Schwarzer Trüffel von Michael Dibdin (1998) … und wer kennt nicht das reizende Kinderlied von Heinrich Hoffmann von Fallersleben Ein Männlein steht im Walde (1843), das sich wohl auf den Fliegenpilz bezieht. In Zeiten, in denen man noch Strümpfe stopfte, gehörte der Stopfpilz zur Ausrüstung des Nähkästchens. Die Darstellungen von Pilzen beginnt mit der Felsenmalerei; Funde sind aus Algerien (3.500 v. Chr.) und Ostsibirierin bekannt. Auf Fliesen in Herculane- Die Darstellungen von Pilzen in der Renaissance Abb.: Hieronymus Bosch - Der Heuwagen (1490) Auf dem phantastischen Bild drängen sich Papst, Kaiser, Bürger, Bauer und Bettelmann um den mit goldenem Heu beladenen Wagen, um Reichtum und Ruhm, um die ganze goldene Nichtigkeit der Welt. Trug und Wahrheit, Heil und Hölle mischen sich in gro16 tesker Weise. Der stilisierter Hutpilz (Pfeil) ist möglicherweise ein psychoaktiver Pilz (Fliegenpilz?), ein Symbol für Rausch, Zauberei, Hexerei und die Macht des Bösen. Pilze - Darstellungen mit erotischem Flair und auf Grußkarten Abb.: links - Günter Grass - Pilze und meine Pfeife (2002), rechts - Grußpostkarte um 1900 um bei Pompeji (70 n. Chr.) sind Edel-Reizker (Lactarius deliciosus) abgebildet. Ansonsten sind Abbildungen von Pilzen bis in die Zeit der Renaissance selten. Aber auch jetzt fristen sie nur ein unscheinbares Dasein am Rand oder in dunklen Nischen der Bilder. Teils sind sie so naturgetreu dargestellt, dass sie bestimmbar sind; teils findet man sie in stilisierter Form. In der Zeit des Barock kommen die Pilze in bunten Farben ins Bild. Die naturgetreuen Stillleben sind gewissermaßen biologische Bilderbücher (Abb. S. 12). Als die Pilze zu Beginn des 17. Jh. zur Handelsware werden, tauchen sie in den Genrebildern der flämischen Maler auf, die Markt– und Küchen-Szenen zeigen. Mit der Zeit rücken die Pilze wieder an den Rand - und das im wörtlichen Sinne. Die Gemälde der Romantik (19. Jh.) weisen den Pilzen ein bescheidenes Dasein an Baumstümpfen oder Wegrändern zu. Essbare Pilze werden in die Pilzbücher verbannt. Im 20. Jh. wenden sich dann einige Künstler dem mythischen, surrealistischen oder erotischen Flair der Pilze zu. Um die Wende zum 20. Jh. kommen Grußkarten mit Pilz Motiven in Mode, besonders der Fliegenpilz ist beliebt. In den älteren Märchensammlungen - Grimm, Andersen, Bechstein - spielen Pilze keine Rolle. Erst zum Ende des 19. Jh. finden sie ihren Weg in die Märchenbü- Hexenringe galten als Tanzplatz der Hexen und des Teufels. Es sind halbrunde oder runde Wuchsbilder von PilzFruchtkörpern, die bisweilen sogar über Nacht entstehen. Abb.: links - Hexenring / rechts - Hexen tanzen (wie Pilze) im Kreis um den Teufel, Titelblatt aus dem Volksbuch 17 (R. G., seine närrischen Possen und ergötzlichen GaukeRobin Goodfellow, his mad prankes and mery jests leien, 1628) Robin Goodfellow ist identisch mit Puck, dem Hofnarren des Elfenkönigs Oberon. cher. Meist sind es rote Pilze, Fliegenpilze, die den geheimnisvollen Wald mit ihrem Zauber beleben. Auch im Volksglauben sind die Pilze umgeben vom Schein des Geheimnisvollen. Durch ihre eigenartigen Formen und Farben werden sie mit der Welt der Gnomen und Zwerge in Verbindung gebracht. Auch stehen sie seit ältesten Zeiten im Verdacht, das Werkzeug von Hexen und Zauberern zu sein. Als Beweis ihrer magischen Kräfte galten die Hexenringe oder Feenringe, halbrunde oder runde Wuchsbilder von Pilz-Fruchtkörpern, die entstehen - bisweilen sogar über Nacht - wenn das Mycel eines Pilzes in alle Richtungen gleich schnell wächst. Im Allgemeinen haben Hexenringe Durchmesser von einigen Metern. In Europa können mehr als 60 der bekannten Pilzarten zu solche Ringstrukturen auswachsen. Hexenringe galten als Versammlungsort und Tanzplatz von Teufeln, Hexen oder Feen, die magisch geschützt waren und denen man besser fern blieb. Einen besonderen Ruf genoss die Stinkmorchel. Ihr aasartiger Geruch lässt an den Tod denken. Der Pilz wächst nicht selten auf Grabhügeln. Daran knüpft sich der Volksglauben, dass hier ein Toter liege, der ein ungesühntes Verbrechen auf der Seele habe und mit Hilfe des Pilzes vor einem ähnlichen Schicksal warnen wolle. So erklärt sich sein Beiname Leichenfinger. Ein eigenes Kapitel ist die erotisierende Wirkung, die der Morchel zugeschrieben wurde, und die sie ihrer eigenartigen Form (Signatur) verdankt. Hier ist der Sympathie Zauber (Analogie Zauber) im Spiel, dem die Vorstellung zugrunde liegt, dass zwischen äußerlich ähnlichen Dingen eine Verbindung besteht, die sich magisch oder medizinisch nutzen lässt. Das Prinzip der Ähnlichkeit beim Analogie Zauber war es wohl auch, das dem Gründer der Homöopathie, Samuel Hahnemann (1796), den Gedanken eingab, auf dieser Basis eine eigene Heilkunde zu entwickeln. Ihre Gestalt hat die Stinkmorchel den eindeutigen botanischen Namen Phallus impudicus (schamloser Phallus) und sinnverwandte Beinamen wie schamloser 18 Pilze finden erst spät den Weg in die Märchenbücher. Es ist vor allem der Fliegenpilz, der die geheimnisvolle Märchenwelt in ihrem Zauber belebt. Abb. Alice im Wunderland von Lewis Carroll, ein Klassiker der Märchen Literatur (1865). Stinkmorchel - Hexeneier, das Jugendstadium des Fruchtkörpers (links), und ein reifes Exemplar (rechts). Schwamm, Brunstkugel u.ä. eingebracht. Letztere Etikettierung spielt auf das Hexenei an, das Jugendstadium des Fruchtkörpers. Zu allen Zeiten braute man aus dem Pilz Liebbestränke. Im Kräuterbuch des Pietro Andrea Mattioli (1563) heißt es: Er hat eine Kraft, damit er die unkeuschen Glieder und Venushandel stärkt. Natürlich war man im prüden 19. Jh. bemüht, die reifere Jungend vor dem Anblick einer solchen Obszönität zu schützen, in dem man die Pilze vernichtete, wenn immer sie beim Lustwandeln ins Bild kamen. Die von Geheimnissen umwitterten Pilze haben zu allen Zeiten Schreiber und Maler fasziniert. Ein eigener Zauber geht von den Werken der Salon Maler des 19. Jh. aus: Im fahlen Licht des Mondes lassen sie die Feen und Elfen im Kreis weben und schweben oder auf Pilzen ruhen. Für den Pilz Sammler ist die Bestimmung seiner Funde eine heikle Sache. Zu empfehlen ist, die Beratung der DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR MYKOLOGIE e.V. (DGfM) in Anspruch zu nehmen und seine Ernte den Fachleuten zur Bestimmung vorzulegen, bevor man sich dem Genuss einer Pilz Mahlzeit hingibt. Bedenken Sie: Man kann alle Pilze essen, einige allerdings nur einmal. Kontaktdaten zu Beratungsstellen finden Sie unter www.dgfm-ev.de. Sie können sich natürlich auch der traditionelle Methode bedienen und die Schwammerl Heiligen um Beistand anrufen. Als solche gelten die Heiligen Petrus, Antonius der Einsiedler und Vitus/ Veit; es hieß: Wenn es an Vitus regnet, dann regnet es Pilze. Auch gilt nach alter Überlieferung, dass man viele essbare Pilze findet, wenn man sich ungewaschen und in alten, abgetragenen Kleidern auf die Suche macht! 19 Der Tanz der Feen und Elfen ist ein beliebtes Motiv der Salon Maler des 19. Jh. Abb.: August Malmström - Tanz der Feen (1866) Zahlen zur Landwirtschaft: Hätten Sie‘s gewusst? Kaufkraft: Die Deutschen müssen heute für 250 g Markenbutter etwa 5 Minuten arbeiten - 1960 waren es noch 38 Minuten. Wirkungsgrad: Ein Landwirt ernährt heute 142 Menschen - 1950 waren es nur 10. Beschäftigung: Rund 1,5 % der 42,6 Mio. Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten heute in der Landwirtschaft - 1950 waren es noch 24,6 %. Bio Anbau: 25.000 Betriebe in Deutschland bewirtschaften heute mehr als 1 Mio. ha Fläche ökologisch - das entspricht 6,4 % der Landwirtschaftlichen Nutzfläche 1996 waren es noch 2,1 %. Gemüse: Die Möhre oder Karotte ist der Champion, sie steht beim Anbau in Deutschland auf Platz 1; es folgen Zwiebeln auf Platz 2 und Weißkohl auf Platz 3. 20 Aktualitäten - Themen und Termine Theaterluft: DAS DA THEATER an der Liebigstraße in Aachen besteht seit 28 Jahren - mit Erfolg, denn es ist inzwischen zum größten professionellen Freien Theater der Städte Region Aachen herangewachsen. Auf dem Spielplan stehen zeitgenössische Stücke, Klassiker und musikalische Werke, die sich mit Themen und Befindlichkeiten auseinandersetzen, die unsere Gesellschaft heute bewegen. Die Fest Scheune auf Gut Hebscheid ist eine neue Spielstätte hier präsentiert DAS DA THEATER von November 2016 bis JanuDinner. ar 2017 ein Theater Dinner Programm Programm: Theater: Der Boss von Moritz Netenjakob Es ist die Geschichte von Daniel, der von seinen 68er-Eltern zur Toleranz gegenüber fremden Kulturen erzogen wurde. Gänge--Menü aus der Küche von Hebscheid Fünf--Gänge Dinner: Fünf Dinner Termine 2016 November 18. | 19. | 25. | 26. Dezember 02. | 03. | 10. Termine 2017 21 Januar 06. | 07. | 20. | 21. | 27. | 28. Karten ab 05. Juli 2016 für Vorstellung & Dinner im Theaterbüro (Tel: 0241 16 16 88) und im Buchladen Pontstraße 39 (Tel. 0241 - 28 00 8), Preis für Vorstellung & Dinner (ohne Getränke) 63, 63,-- Euro —————————————————————————————————- Gemüseanbau: Besuch auf dem Vetter-Hof, Lustenau/ Vorarlberg (A) Mark Twain meinte vor mehr als 100 Jahren: Jeder schimpft auf das Wetter, aber keiner tut etwas dagegen … und in diesem Jahr gab es wahrlich Grund, über das Wetter unglücklich zu sein. Hitzewellen und endlose Regengüsse wechselten einander ab. Auf Hebscheid fiel die Gemüseente auf dem Freiland buchstäblich ins Wasser. Da war guter Rat teuer - so heißt es stets im Märchen - und so stellten sich auch die Gartenbauer auf dem Hof die Frage: Mit welchen Anbau Methoden kann man die Wetter Kapriolen abfangen und die Ernte sichern. Die Antwort lautet Damm Kulturen. Das Grundprinzip dieser Art der Bodenbearbeitung ist, den Boden zu Dämmen zu formen. Die Kulturen stehen auf der Dammkrone. - und das bringt Vorteile: • • • Belüftung: Bei Nässe ertrinken die Pflanzen nicht, sondern die Wurzel werden auch bei Dauerregen - wie er in Aachen keine Seltenheit ist - ausreichend mit Luft versorgt. Wassereinsparung: Die Pflanzen wurzeln tief und gehen so bei Trockenheit mit der Bodenfeuchtigkeit ökonomischer um. Zusätzlich wird die Dammflanke durch Bearbeitung locker gehalten, was den kapillaren Aufstieg des Wassers einschränkt und damit die unproduktive Verdunstung hemmt. Pflege: Das Hacken im Bestand, das der ökologisch korrekten Unkrautbekämpfung sowie der Lockerung der Krume und der Belüftung des Wurzelraums dient, wird erleichtert. Soweit die Theorie, aber … grau ist alle Theorie - also wo findet man Gartenbaubetriebe, die mit dieser Methode Erfahrung haben? Die Landwirtschaftliche Zeitung gab den entscheidenden Hinweis: Der Vetter-Hof in Lustenau, Bundesland Vorarlberg/ Österreich, liegt in einem Gebiet mit hohen Niederschlägen und betreibt ökologischen Gemüsebau auf Damm Kulturen. Da könnte ein Gespräch unter Gärtner Kollegen wohl nützlich sein. Barbara Plessmann, Gartenbau Meisterin und Leiterin des Gartenbaus auf Hebscheid, reist im August zum Vetter-Hof und sieht einen Betrieb wie im Bilderbuch. Auf dem Vetter-Hof hat man die zu erwartenden Erfahrung gemacht. Die Damm Kulturen bringen tatsächlich die beschriebenen Vorteile: Sie trotzen der Nässe und sind deutlich ertragreicher. Allerdings ist die Umstellung der Anbaumethode kostspielig; der Aufwand für die Anschaffung der notwendigen Maschinen und Geräte ist hoch. Also gilt es abzuwägen, ob man auch auf Hebscheid diesen Weg gehen kann? Damm Kultur: Für nahezu alle Nutzpflanzen ist es von Vorteil, wenn sie auf Dämmen, Hügeln oder Häufeln wachsen können. Im Bild links: Gemüse Damm Kultur auf dem Vetter-Hof. 22 Noch ein kurzer Blick auf das Anwesen und seine Verfassung sei gestattet. Seit mehr als 300 Jahren ist die Familie Vetter hier ansässig. Die Landwirtschaft im Vorarlberger Rheintal ist eigentlich eine Stadtlandwirtschaft. Die Felder liegen in einem dicht besiedelten Gebiet Österreichs. Nicht nur in Bezug auf das Klima sondern auch in Hinsicht auf die Lage gleichen sich die beiden Bertriebe - der VetterHof und Hebscheid - Zersiedelung sowie der Lärm von Autobahn und Schnellstraße bedrohen den Bestand. Das bringt viele Probleme mit sich, ist aber auch eine Chance für die Weiterentwicklung der Landwirtschaft. Die Familie Vetter befreite sich und ihre Tiere in den 1990er Jahren aus der engen Siedlungslage und baute einen neuen Hof mitten in den Acker in der Riedlandschaft zwischen Dornbirn und Lustenau. Er sollte offen für die Zukunft sein - das war der Auftrag an den Architekten. Es entstand ein moderner Gebäude Komplex für Mensch und Tier, für Wohnen und Arbeiten, der so bemerkenswert ist, dass er nicht nur bei den Landwirten und Gemüse Bauern, sondern auch bei den Baukünstlern Aufmerksamkeit erregte. Breit gelagert und glatt eingefügt in die weite Ebene steht der Vetter-Hof da, ein Vorbild für modernes, naturverbundenes Bauen, den Gedanken und Entwicklungen unserer Zeit aufgeschlossen, dabei bodenständig und ehrlich wie ein altes Bauernhaus und so gleichsam ein Leitbild für die moderne Landwirtschaft in einer Zeit, da die Landwirtschaft ein heiß diskutiertes Thema geworden ist: Massentierhaltung, Monokultur, Artenverlust, Gentechnik, Glyphosat sind Schlagworte, die die öffentliche Debatte prägen. Dahinter steckt weniger eine Anerkennung der Leistung der Bauern, sondern eher Misstrauen und Geringschätzung der Öffentlichkeit. Der Vetter-Hof ist die leibhaftige Widerlegung all dieser oft unsachgemäßen Vorstellungen und emotional bestimmten Argumentationen. Menschen, Nutzpflanzen und Tiere leben auf dem Vetter-Hof in natürlicher Eintracht. Hier wird nicht ein weltabgewandte Idylle von gestern gepflegt, sondern naturgemäß tatkräftig und erfolgreich gewirtschaftet, wie es unserer Zeit erfordert. 23 Hebscheid im Spätherbst In der traditionellen Weidewirtschaft wurden die Tiere bis zum ersten Schnee auf der Weide gehalten. Gerd Schönberger, Aquarell 1988 Impressum——————————————————————————————————————————— © VIA INTEGRATION gGmbH, alle Rechte vorbehalten VIA INTEGRATION gGmbH, Grüne Eiche 45, D-52076 Aachen www.via-aachen.de Tel.: 0241/ 60007-0, Fax: 0241/ 60007-17 Geschäftsführung Geschäftsführung: Alois Poquett Handelsregister beim Amtsgericht Aachen, Handelsregister-Nummer: HRB 8845 Redaktion VIA KURIER: Herbert Zintzen ([email protected]) Frühere Ausgaben des NewsLetters VIA KURIER finden Sie unter www.via-aachen.de / Mediathek Über Hebscheid und seine Geschichte können Sie nachlesen unter https://de.wikipedia.org/wiki/Gut_Hebscheid Titelvignette Titelvignette: Gemälde von Alfred Holler - Eupener Landschaft (20. Jh.) & VIA Logo Rechte-Inhaber bitten wir höflich, etwaige Ansprüche an die Geschäftsführung zu richten. ————————————————————————————————————————–—Sie wollen den VIA KURIER/ NewsLetter abbestellen abbestellen? 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