ö 1-klassiker 12138

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Ö 1-KLASSIKER
HÄNDEL + CORELLI + VIVALDI
MEDIENBEGLEITHEFT zur CD
Georg Friedrich Händel (1685-1759)
»Water Music« HWV 348-350, 54.13 Minuten
Arcangelo Corelli (1653-1713)
Concerto grosso g-moll op. 6 Nr. 8, 13.58 Minuten
Georg Friedrich Händel
»The Musick for the Royal Fireworks« HWV 351, 20.48 Minuten
Antonio Vivaldi (1678-1741)
»Le quattro stagioni« 37.56 Minuten
Bundesministerium für
Unterricht, Kunst und Kultur
12138
Ö 1-KLASSIKER:
HÄNDEL + CORELLI + VIVALDI
Das vorliegende Heft ist die weitgehend vollständige Kopie des Begleitheftes zur CD
Konzept der Zusammenstellung von
Dr. Haide Tenner, Dr. Bogdan Roscic, Lukas Barwinski
Executive Producer:
Lukas Barwinski
Musik Redaktion:
Dr. Gustav Danzinger, Dr. Robert Werba, Albert Hosp, Mag. Alfred Solder
Text:
Eleonore Kratochwil
Lektorat
Michael Blees
Grafikdesign:
vektorama.
Fotorecherche:
Österreichische Nationalbibliothek/ Mag. Eva Farnberger
Fotos:
ORF, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv
Herausgeber der CDs und der Begleithefte:
Universal Music GmbH, Austria 2007
Besonderen Dank an:
Prof. Alfred Treiber, Mag. Ruth Gotthardt, Dr. Johanna Rachinger,
Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek
Medieninhaber und Herausgeber des vorliegenden Heftes:
Medienservice des
Bundesministeriums für Bildung
Wissenschaft und Kultur
1014 Wien, Minoritenplatz 5
Bestellungen:
Tel. 01/982 13 22-310, Fax. 01/982 13 22-311
E-Mail: [email protected]
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Ö1-KLASSIKER, VOLUME 38
HÄNDELl + CORELLI + VIVALDI
GEORG FRIEDRICH HÄNDEL: »WATER MUSIC«
London um 1717: Eine Halbmillionenstadt, geschäftiges Treiben auf schmutzigen Straßen,
wo Menschen aneinander vorbeihasten, als ob, so meint ein Reisender, »der Büttel hinter
ihnen her sei«. Tagtäglich schaukeln Schiffe über die Themse, voll beladen mit Waren aus
Übersee, die dann in Droschken, Kutschen und einfacheren Gefährten über das holprige
Kopfsteinpflaster aus der Stadt gebracht werden. Neben den Lastkähnen sorgen Fischerboote und die Vergnügungsbarken reicher Aristokraten für ein Verkehrschaos zu Wasser.
Ab und zu aber, bei schönem Wetter, wird die Betriebsamkeit von einem erhabenen Schauspiel unterbrochen: Nicht nur die Fischer und Händler, das ganze Volk steht dann am
Flussufer und beobachtet die Fahrt der prunkvollen königlichen Barke, die umkreist wird
von einer stattlichen Flotte von Begleitschiffen.
Vom Wasser klingt herrliche Musik herüber. Es ist der Komponist selbst, der seine auf
verschiedene Boote verteilten Instrumentalisten anleitet. Diese »Wassermusik« hat er –
wie man überall munkelt – eigens zur Versöhnung mit seiner Majestät geschrieben. Und
der Hannoveraner Kurfürst, später König George I. von England, der seit 1714 in London
regiert, kann nach dieser Vorführung, die ihn so begeistert, dass er Wiederholungen
einzelner Stücke verlangt, nicht umhin, dem großen Komponisten seine Verfehlungen zu
verzeihen. Er wird ihm sogar sein Gehalt verdoppeln und ihn zum Musiklehrer der Prinzessinnen machen.
Königliche Bootsfahrt
Händel mit George I.
von England
König George I.
von England
Wann genau Händel die »Wassermusik« schrieb und an welchem Tag es tatsächlich
erstmals zur Aufführung dieses Werks bei einer der Lustfahrten des Königs gekommen
war, ist ungewiss. Auch die Verstimmtheit des Königs, weil Händel den Dienst durch seine
Reisen nach London vernachlässigt haben soll, ist wohl eher eine Legende: Händel hatte
bei der Annahme der Stelle einst vertraglich festhalten lassen, für längere Zeiträume vom
Hof abwesend sein zu dürfen, und hatte diese Klausel regelmäßig ausgenutzt. Mit der
Suiten-Sammlung für den König hatte Händel aber anscheinend doch genau den
Geschmack seines Herrn zu treffen versucht: eine höfische Musik, deren tänzerische
Rhythmen Körper und Seele zum Schwingen bringen. Händel hatte in den etwa zwanzig
Einzelsätzen, die er zu unterschiedlichen Zeiten komponierte, sehr verschiedene stilistische
Grundmuster verwendet und allesamt mit seiner eigenen, besonderen Handschrift versehen.
Die Einzelsätze sind drei Suiten unterschiedlichen Charakters zugeordnet, wobei Suite 2
und 3 – wie in der hier zu hörenden Aufnahme – manchmal auch zu einer zusammengefasst
werden.
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Suite Nr. 1 beginnt mit einer im französischen Stil komponierten Ouvertüre. Es folgen
heitere Tänze, die immer wieder durch langsame Sätze unterbrochen werden. Um ein besonders reizvolles Stück handelt es sich bei der so genannten »Hornpipe«, einem traditionellen englischen Tanzstück mit lebhaftem Tempo. Traditionell kommt es bei diesem
Tanz zu Taktwechseln innerhalb der einzelnen Stimmen, wobei die eine Stimme oder eine
Gruppe von Stimmen gegen den Rhythmus der anderen Stimme anspielt. Nur der Bass hält
hier an einem Metrum fest. Händel verwendete gelegentlich das Wort »alla hornpipe« auch
als Bezeichnung für das Tempo bzw. den Charakter eines Stücks, wie etwa in der zweiten
Suite, die im Gegensatz zur dritten Suite – bei der Traversflöte und Flauto piccolo im
Vordergrund stehen – durch den Einsatz von Trompeten und Hörnern ein besonderes
Klangergebnis erzielt.
Nicht bekannt ist, in welcher Reihenfolge King George die einzelnen Sätze der »WasserMusik-Suiten« zu hören bekam, und welche der Stücke ihm damals so gut gefielen, dass
er sie wieder hören wollte. Da Besetzung und Abfolge der Vortragsstücke vor allem in der
Instrumentalmusik der Barockzeit sehr frei gehandhabt wurde, konnten musikalische Einheiten je nach Anlass verschoben oder sogar ausgelassen werden. Doch einerlei in welcher
»Fassung« sie gespielt wird, so gibt die Musik stets die Atmosphäre der Zeit wieder, die
geprägt war durch jenen fundamentalen Gegensatz, der auch die lauschende Gesellschaft
dieser Freiluftmusik durchdrang, wo das Höfische, Grazile dem Tänzerisch-Rüpelhaften
unmittelbar gegenüber stand.
Fast 49 Jahre, also den größten Teil seines Lebens, hatte Georg Friedrich Händel mit
Unterbrechungen in London gelebt, gewirkt und – Karriere gemacht. Die Stadt an der
Themse war seine letzte Heimat gewesen. Die Menschen dort verehrten ihn, liebten ihn.
Am 14. April 1759 verstarb er in seinem Haus in der Brook Street in London und wird
daher bis heute als einer der größten Komponisten des Landes gefeiert. Aber war Händel
wirklich Engländer? Viel von dem, das seinen kompositorischen Stil ausmacht, hatte er
sich in seiner ersten Wahlheimat, in Italien angeeignet. In London hatte Händel 35 Opern
auf italienische Libretti komponiert und galt als der führende Vertreter des italienischen
Opernstils. Offenbar hatte er in diesen Opern etwas ausleben müssen, das ihn zutiefst
beschäftigte, denn sobald dieser Lebensabschnitt im Jahr 1741 mit »Deidamia« abgeschlossen war, sollte Händel nie mehr eine italienische Oper schreiben. Man kann
vermuten, dass Händel diese Jahre gebraucht hatte, um den Italiener in ihm mit seiner
englischen Umgebung anzufreunden.
Am 23. Februar 1685 in Halle in Sachsen geboren, arbeitete Händel seit 1703 als Geiger
und Cembalist im Orchester der Hamburger Gänsemarktoper unter Reinhard Keiser. Die
Aufführung seiner ersten Oper »Almira« veranlasst den toskanischen Erbprinzen Ferdinand, der von dem jungen Komponisten hingerissenen war, Händel nach Florenz einzuladen. Nach anfänglich ablehnender Haltung – es war zu jener Zeit keineswegs mehr üblich
als deutscher Musiker in Italien zu lernen – trieben Ehrgeiz und Neugier Händel im Herbst
1706 schließlich doch dazu, der Einladung des Medici-Prinzen zu folgen. Florenz war zu
jener Zeit erfüllt von musikalischem Leben und bald schon fühlte sich Händel heimisch in
der Gesellschaft der kunstverwöhnten Italiener.
Händels Ruf als Cembalo- und Orgelvirtuose sowie als Komponist verbreitete sich zunächst allmählich, dann wie ein Lauffeuer in ganz Italien, bis nach Rom, wohin er im Jahre
1707 weiterreiste. Es dauerte nicht lang und schon verkehrte der 22-Jährige in den höchsten
Kreisen. Für Rom, wo Opernaufführungen durch den Papst verboten waren, schuf Händel
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wie seine großen italienischen Vorbilder jede Menge Kantaten, Duette und Szenen, aber
auch zwei Oratorien entstanden hier, wie das geistliche »La Resurrezione« und
»Il Trionfo del Tempo e del Disinganno«, das man wegen seines mehr allegorischen
Inhalts zunächst »Serenata« nannte. Bei der Aufführung dieses Werks, Ostern 1708, zu der
im Hause seines Gönners Kardinal Pamphili 1500 Personen geladen waren, hatte kein
geringerer als Arcangelo Corelli die musikalische Leitung des Ensembles übernommen.
Palazzo Doria
Pamphili
Kardinal
Pamphili
ARCANGELO CORELLI:
CONCERTO GROSSO G-MOLL OP. 6 NR. 8 »WEIHNACHTSKONZERT«
Arcangelo Corelli war zu jener Zeit auf der Höhe seines Ruhmes angelangt. Die größten
Mäzene Roms unterstützten ihn, machten ihn zu ihrem persönlichen Freund. Er bewohnte
seit 1687 einen Flügel des Palastes des Kardinals Pamphili, in dessen Diensten er war, und
führte dort das Leben eines Aristokraten. Trotz des Erfolges muss Corelli ein eher stiller
und bescheidener Mensch gewesen sein, der sich auch mit dem jungen deutschen Talent
gut verstand. Selbst dessen Temperament scheint ihn nicht ungeduldig gemacht zu haben,
denn, wie berichtet wird, soll Händel dem um 33 Jahre Älteren bei einer der Proben zu
»Il Trionfo« die Violine aus der Hand gerissen haben und ihm gezeigt haben, wie eine
bestimmte Passage zu spielen sei. Corelli reagierte gelassen auf die Belehrung durch den
jungen Kollegen, indem er meinte: »Ma, caro Sassone, questa Musica è nel Stylo Francese,
di ch'io non m'intendo«, was auf Deutsch so viel heißt wie: »Aber, mein lieber Sachse,
diese Musik ist im französischen Stil, und darauf versteh ich mich nicht.«
Der »caro Sassone« war ja, wie beide wussten, eigentlich derjenige gewesen, der von
Corelli die neuen musikalischen Formen, wie etwa die des Concerto Grosso, gelernt hatte.
Hier in Rom stand Corelli als einem der ersten auch das dafür notwendige große Orchester
zur Seite, eine bei manchen Aufführungen bis zu 80 Musiker zählende Instrumentalistengruppe, die nur von so reichen Mäzenen, wie Pamphili oder auch der Kardinal Ottoboni es
waren, bezahlt werden konnte. Dieser gewaltige Klangkörper erst machte es möglich, dass
ein so genanntes »Concertino«, also jene kleine, beweglichere Solistengruppe – meist ein
Trio aus zwei Violinen und einem Violoncello –, alternierend zur großen Streichermasse
spielen und dadurch ein wirkliches »Concertare«, ein klanglicher Wettstreit entstehen
konnte.
Während Corelli seine zwölf »Sonate da camera« durchaus auch dem musikalischen
Kardinal widmen durfte, musste er sich bei den Kompositionen für den öffentlichen Raum
den Bedingungen der Kirche beugen und »Concerti da chiesa«, also sakrale Musik schaffen. Das berühmte achte Konzert der zwölf Concerti grossi op. 6, das »Weihnachtskonzert« – »fatto per la notte di Natale« –, ist ein solches Concerto da chiesa. Hinter dem
»heiligen« Thema verbirgt sich ein leidenschaftliches musikalisches Frage-Antwortspiel:
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Aggressive Passagen wechseln mit poetisch-pastoralen, schmerzhaft-dissonante Sätze mit
friedvollen. Die sehr schnellen, gehetzten Partien werden urplötzlich von langsam
schreitenden Teilen unterbrochen. Trotz aller virtuosen Ornamentik bleibt die für Corelli
typische, beseelte Streichermelodie stets vorherrschend.
Dieser Reichtum hinsichtlich Satzfolge, Dynamik und Melodie machte Schule. Wer sich
unter den Violin- oder Kompositionsstudenten der damaligen Zeit künstlerisch vervollkommnen wollte, scheute den weiten Weg nicht, um sich nach Rom zu Corelli zu begeben.
Seine Schüler, wie die berühmten Geminiani und Locatelli, aber auch solche Künstler, die
bereits anderswo gelernt hatten, den Maestro aber bewunderten, wie Veracini oder Tartini,
halfen einer raschen Verbreitung der von Corelli geschaffenen neuen Instrumentalmusikformen, die in ganz Europa als Vorbilder wirkten. Corelli selbst erlebte diese Entwicklung
nicht mehr. Im Januar 1713 stirbt er in Rom, während die letzte seiner sechs Kompositionssammlungen noch auf die Gesamtpublikation wartet.
GEORG FRIEDRICH HÄNDEL:
»THE MUSICK FOR THE ROYAL FIREWORKS«
Dass Händel den großen Meister noch gehört hatte und von ihm lernen konnte, hatte ihn zu
dem gemacht, als der er schließlich in England gefeiert wurde. Doch Händel hat in Italien
nicht nur das musikalische Handwerk gelernt – er hatte von den Italienern auch gelernt,
dass man mit Kunst auch Geschäft machen kann. So entsteht mit finanzieller Unterstützung
des Königs und diverser Gönner am Haymarket eine Operngesellschaft, die »Royal
Academy of Music«, die unter anderem durch Aktienkäufe erhalten werden soll. Hier kann
die italienische Oper in London nun voll Fuß fassen.
Schlag auf Schlag entstehen Dutzende neue Werke aus Händels Hand: »Radamisto«,
»Crispo«, »Griselda«, »Ottone«, »Giulio Cesare« und wie die neuen-alten Helden alle
heißen. Die größten Sängerinnen und Sänger werden »eingekauft«. Ein Erfolg folgt auf den
nächsten. Das Unternehmen floriert. Da stirbt George I. und es ist nicht sicher, ob des
Königs Sohn Georg August, der mit dem Vater vor dessen Tod im Streit lag, Händel
weiterhin unterstützen wird. Doch der Komponist bekommt sogleich den Auftrag, vier neue
Hymnen für die Krönungsfeier Georges II. am 4. Oktober 1727 in Westminster Abbey zu
schreiben.
Trotz des Hasses auf den Vater, der die Mutter, Königin Sophie Dorothea, 32 Jahre
gefangen hielt, gab es viele Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Herrschern. Wie sein
Vater war auch George II. ein vorzüglicher Soldat, der sich nicht nur in den Jahren des
österreichischen Erbfolgekrieges, in den auch England verwickelt gewesen war, bewähren
musste. Jeder politische Sieg wurde unter anderem musikalisch gefeiert: So beauftragte der
junge König Händel zum Zeitpunkt des Aachener Friedens im Jahre 1748 mit einer Komposition, die besonders festlich sein sollte. Ein spektakuläres Feuerwerk würde die Musik
begleiten. Diese »Feuerwerksmusik« sollte aber – das die Bedingung Seiner Majestät –
»keine Fiedeln« dabei haben, sondern ähnlich einer Militärkapelle aus einem gewaltigen
Bläserensemble bestehen.
Vor der Uraufführung hielt der Komponist eine öffentliche Generalprobe ab, zu der so
viele Menschen strömten, dass es in London zu einem riesigen Verkehrschaos kam.
Obwohl Händel versucht hatte, den König davon zu überzeugen, das Orchester in
ausgewogenem Maße auch mit Streichern zu besetzen, erklang bei der Uraufführung dann
die von George II. angeordnete Version: Das Orchester bestand aus mindestens hundertzwölf Mitwirkenden, darunter vierzig Trompeten und zwanzig Hörner. Die heute populäre
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wenn auch nicht unbedingt kompositorisch wertvollere Fassung ist jene, die Händel für
Bläser und Streicher schrieb und die auch für ein »normales« Orchester zu verwenden ist
und sich daher seit der ersten Aufführung stets besser verkaufte – eine Qualität, die Händel
durchaus schätzte.
Solche Auseinandersetzungen wie dieser Besetzungsstreit zwischen dem Komponisten und
dem König waren Händel vor dem Dienst im Herrscherhaus erspart geblieben. Auch wenn
er sich im Vertrag Freiheiten erhandelt hatte, so war der Posten des Kapellmeisters doch
mit Kompromissen verbunden. Durch die fixe Anstellung war Händels Lebensunterhalt
andererseits bis auf weiteres gesichert und er konnte auch in größerem Stil leben, als er es
zuvor gewohnt gewesen war. Außerdem ermöglichte ihm der gute Verdienst die vielen
Reisen.
Der Ruf nach Hannover zum Kurfürsten hatte ihn einst in Venedig erreicht, derjenigen
Stadt, die Händels letzte Station in Italien werden sollte. Nach Florenz und Rom war
Händel zunächst nach Neapel und 1709 schließlich nach Venedig gekommen. Durch seinen
neapolitanischen Gönner Vincenzo Grimani verkehrte er bald in den vornehmsten und
reichsten Familien der Lagunenstadt. Die Grimanis selbst unterhielten damals drei eigene
Operntheater, darunter auch jenes, das nach dem Patron des Stadtviertels benannt war: das
Teatro San Giovanni Crisostomo. Hier war zu jener Zeit ein gewisser Gianbattista Vivaldi
als Geiger tätig, dessen Sohn Antonio, der zunächst als Kaplan gearbeitet hatte, als Musiker
immer größeren Ruhm erlangte. 1709 entsprach seine Bekanntheit bereits derjenigen Händels. Eine persönliche Begegnung zwischen den beiden Künstlern ist jedoch nicht bezeugt.
ANTONIO VIVALDI: »LE QUATTRO STAGIONI«
Vivaldi hatte schon zwölf Triosonaten und zwölf Violinsonaten als Opus 1 und 2 veröffentlicht. Mit Opus 3 – »L'Estro armonico« – sollte er schließlich zu einer europäischen
Berühmtheit werden. Bis 1729 erschienen insgesamt zwölf Sammlungen, darunter auch die
zwölf Konzerte op. 8 »Il cimento dell'armonia e dell'inventione«, was in etwa so viel wie
»Der Wettstreit zwischen der Harmonie und der Eingebung« heißt. Einzelne Konzerte
daraus waren schon ein paar Jahre lang im Manuskript im Umlauf gewesen. In der
Widmung des Druckes an den böhmischen Grafen Wenzel von Morzin gibt Vivaldi das für
die vier am Anfang stehenden Konzerte für Solovioline, Streicher und Basso Continuo
auch zu. Sie tragen den Titel »Le quattro stagioni«.
In der neuen Gesamtpublikation Opus 8 von 1725 sind diesen vier Konzerten so genannte
»erklärende Sonette« vorangestellt, die »die Musik leichter erklären« sollen, wie Vivaldi in
seiner Widmung schreibt. »Der Frühling ist gekommen und freudig/ begrüßen ihn die
Vögel mit ihrem frohen Lied/ während die Quellen unter Zephirs Atem/ mit süßem
Rauschen dahinfließen [...]«, heißt es da zum Beispiel im ersten Sonett. Gleich mit dem
ersten Einsatz der Solovioline kann man auch schon den im Sonett angesprochenen Gesang
der Vögel vernehmen, während die zweite Sologruppe das »süße Murmeln« der Quellen
zum Erklingen bringt. Diese Art von Tonmalerei bei der vor allem Tierstimmen und
Naturphänomene nachgezeichnet wurden, war typisch für die Vokal- und Instrumentalmusik jener Epoche. Aber nicht nur in den »Vier Jahreszeiten« bediente sich Vivaldi
dieser Tradition, die dem Zyklus zu so großem Erfolg verhalf; die Sammlung enthielt noch
zwei weitere Konzerte programmatischen Inhalts, nämlich »La tempesta di mare« und
»La caccia«. Vivaldi war auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt. Während seine
Musik aber, bedingt durch einen allmählichen Stilwandel des Komponisten vom »Barock«
zum »Style galant«, ab 1730 mehr und mehr an internationaler Bedeutung verlor, wurde
Händels Musik immer beliebter. Dennoch hatte auch er mit Schwierigkeiten zu kämpfen.
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Im Dezember 1733 war in London neben der »Royal Academy« eine zweite Operngesellschaft gebildet worden, die »Opera of the Nobility«, deren Komponist Nicolo Porpora
äußerst erfolgreich arbeitete. Da es in London keinen Markt für zwei konkurrierende
Opernhäuser gab, kam es zu einem ruinösen Wettbewerb. 1737 ging Händels Covent
Garden Theatre, in das er gezogen war, Bankrott. Händel erlitt einen Schlaganfall mit
Lähmungserscheinungen. Zwar erholte er sich wieder für einige Jahre und feierte auch
mehrere Erfolge, doch begannen 1751 Probleme mit seinen Augen, die ab 1752 zur völligen Erblindung führten. Zu seiner Beerdigung in der Westminster Abbey am 20. April
1759 kamen an die 3.000 Londoner Bürger, die sich gemeinsam mit den größten Chören
der Stadt von »ihrem« großen Meister verabschiedeten – eine Ehre, die nur den größten
englischen Persönlichkeiten zuteil wurde.
Händel-Denkmal in der
Westminster Abbey
Antonio Vivaldi,
zeitgenössische
Zeichnung
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