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Weimar – Jena : Die große Stadt
6/3 (2013) S. 205–235
© Verlag Vopelius
http://www.verlagvopelius.eu
„Erzähler von europäischem Ruf“ und
„Zierde der Bibliothek“.
Die Thüringische Landesbibliothek Weimar
in der Amtszeit Robert Hohlbaums
von 1942 bis 1945 (Teil II)
Roland Bärwinkel
n diesem abschließenden Teil 1 erwarten den Leser Aussagen zu folgenden
Schwerpunkten: die im Mai 1945 erfolgte Rehabilitierung des in der NS-Zeit
entlassenen Bibliothekars Paul Ortlepp als Nachfolger des bisherigen Direktors
Robert Hohlbaum; der Beginn der Prüfung der Bestände auf NS-Raubgut durch
einen ehemaligen KZ-Häftling; die Untersuchung des Bestandes auf die Provenienz Hohlbaum sowie der Erwerbung von Werken prominenter Schriftsteller des
Dritten Reiches. In einem nachfolgenden Kapitel werden Biogramme von Schriftstellern vorgestellt, die im Umkreis von Hohlbaum und Propagandaminister Goebbels Teilnehmer der Dichtertreffen in Weimar waren. Eine Analyse der Leserstruktur im untersuchten Zeitraum schließt sich an. Hier finden sich Adolf Hitler-Schüler, Flakhelferinnen und Helferinnen beim Roten Kreuz. Besonders interessant
dürfte die Darstellung der Leser des Konzentrationslagers Buchenwald sein. Darunter befinden sich Wachmannschaften, die beiden SS-Ärzte Erwin-Oskar DingSchuler und Waldemar Hoven sowie befreite Häftlinge. Der Einfluss Hohlbaums
auf den Dichter Hanns Cibulka beendet die Studie.
I
Paul Ortlepp wird rehabilitiert
Einen Tag nach Hohlbaums Entlassung vom 11. Mai
1945 wurde der ehemalige Stellvertreter Werner Deetjens, Dr. Paul Ortlepp 2, rehabilitiert und zum Leiter der
Landesbibliothek ernannt. Der aus Erfurt stammende
und 1878 geborene Paul Ortlepp hatte als promovierter Literaturhistoriker nach seinem Dienst als Volontär
bereits 1905 an der damaligen Großherzoglichen
Bibliothek unter Paul von Bojanowski aufgenommen
und absolvierte parallel dazu eine dreimonatige Ausbildung als Bibliothekar, die von der Reinhold-KöhlerStiftung gefördert wurde. Zum Assistent wurde er ein
Abb. 1. Paul Ortlepp
Jahr danach ernannt, 1907 zum Bibliothekar. Ortlepp (1878–1945)
verantwortete die finanzielle Verwaltung und den Ver- (Sammlung Roland Bärwinkel, Weimar)
DOI10.2371/DgS6/3/2013/142
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kehr mit den Buchbindern, die Aufsicht im Lesezimmer, die Führung des
Zugangsbuches über eingehende Erwerbungen und begann die Katalogisierung
der Bibliothek des Großherzoglichen Museums für Kunst und Kunstgewerbe. Bei
der Wahl des Nachfolgers Bojanowskis im Jahr 1916 fiel die Entscheidung auf
Werner Deetjen. Dieser blieb bis zu Ortlepps erzwungener Beendigung seines
Arbeitsverhältnisses dessen Vorgesetzter und wusste ihn und seine Familie, das
belegen Dokumente, vielfach großzügig finanziell zu unterstützen, wobei er dabei
ein gewisses Risiko einging, wenn er im Voraus Gehalt auszahlte. Ortlepp war
offenkundig auf der Suche nach einer eigenständigeren Tätigkeit in einer anderen
kulturellen Umgebung, denn 1925 bewarb er sich, allerdings erfolglos, auf die
Stelle des Leiters der Stadtbücherei des Bezirksamtes Charlottenburg. Dienstlich
gestaltete sich das Arbeitsverhältnis zwischen seinem Vorgesetzten und ihm keineswegs konfliktfrei. So war Deetjen gezwungen, Ortlepp rechtliche Konsequenzen anzukündigen, da er nicht eingearbeitete Bestände ohne jeglichen Nachweis
zu sich nach Hause expediert hatte. Aktenvermerke listeten Ortlepps Verpflichtungen auf. Mitarbeiter hatten sich nicht zu Unrecht über den stellvertretenden Leiter
beschwert, Deetjen muss ausgesprochen besorgt gewesen sein über diese Missstände. Dieses Verhalten seines Mitstreiters mag er womöglich als Vertrauensbruch empfunden haben.
In einem Schreiben an den Thüringischen Ministerpräsidenten für Volksbildung
vom 22. Juni 1937 kündigt sich die Entscheidung der vorgesetzten Dienststellen
an, Paul Ortlepp in den Ruhestand zu versetzen. Aufgeführt werden dort die Gründe für die ungünstige politische Beurteilung Ortlepps, die hauptsächlich aus seiner
Mitgliedschaft als Freimaurer 3 resultieren sowie auf hier ausführlich vorgestellten
denunziatorischen Indizien aus Berichten von Nachbarn Ortlepps basieren. Das
Schreiben ist ein Musterbeispiel an moralisch-politischer und rassistischer Verleumdung unter Bewohnern einer Straße und zugleich Sinnbild für das politische
Klima Weimars vier Jahre nach der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur. Weshalb der Reichsstatthalter in Thüringen bisher davon absah, Goebbels vorzuschlagen, Paul Ortlepp in seiner Stelle an der Landesbibliothek Weimar zu belassen, liest sich so: „Anlaß dazu ist eine ungünstige politische Beurteilung über Ortlepp. Danach war dieser Mitglied der zum Verband der Großen Nationalmutterloge
‚Zu den drei Weltkugeln‘ gehörenden Johannisloge ‚Amalia‘ im Orient Weimar,
der er bis zu seiner Auflösung angehört hat. Seine Frau soll angeblich jungen Leuten Mal- und Bildhauerunterricht erteilen. Dabei fällt jedoch, wie berichtet wird,
auf, daß diese Leute oft nur eine Nacht im Haus verbleiben. Frau Ortlepp und die
im Haus verkehrenden jungen Leute haben sich im vergangenen Sommer nach
dem Bericht sehr oft in einer den Anstand verletzenden leichten Bekleidung in völlig offenen Hausrundstück vor den Nachbarn gezeigt. Dadurch haben sich die
Nachbarn moralisch abgestoßen gefühlt. Im vergangenen Sommer sollen bei der
Familie Ortlepp auch Juden ein- und ausgegangen sein. Den Gruß ‚Heil Hitler‘
kennt Ortlepp nach der Auskunft nicht, er grüßt erst seit kurzer Zeit mit ‚Heil‘. Der
Herr Reichsstatthalter bittet um Stellungnahme. Mit Rücksicht auf den Ablauf des
Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums bittet er um Beschleunigung. Die Akten sind gegen Rückgabe beigefügt. Im Auftrag: Dr. Oberländer“ 4
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Paul Ortlepp wird nach den geltenden Gesetzen fristgerecht als auch korrekt
drei Monate nach Aushändigung des entsprechenden Schreibens zum 1. Januar
1938 in den Ruhestand versetzt. Seine erwähnte Bitte, in die Schweiz gehen zu
dürfen, datiert vom 23. März 1939 und enthält im abschließenden Satz einen deutlichen Hinweis auf die akute Gefahr seiner Lage aufgrund der politischen Beurteilung als auch der jüdischen Abstammung seiner Frau: „Ich glaube zu der Annahme berechtigt zu sein, daß die Geheime Staats-Polizei meinen Entschluß fördert.
Heil Hitler! Dr. Paul Ortlepp Bibliotheksrat i. R.“ 5 Da ihm die Ausreise in die
Schweiz nicht verboten, die Erhöhung seiner Pension, die Auszahlung und Transferierung aber verweigert wird, bleiben Ortlepps am Ratstannenweg 21; ein halbes
Jahr später ergeht die Bitte um geeignete Verwendung in seiner ehemaligen
Arbeitsstelle.6 Die Akte enthält erst dreieinhalb Jahre später das nächste Schriftstück. Es ist ein Schreiben des Direktors der Bibliothek Dr. Hohlbaum, das als Stellungnahme an das Ministerium für Volksbildung zu gelten halt, ausgelöst durch ein
Auskunftsersuchen des Reichsstatthalters Thüringen. Es geht um die Frage, ob und
inwieweit Ortlepp an der Bibliothek eingesetzt werden könnte. Hohlbaum führt
zwei sachliche Gründe an, Ortlepps Bitte nicht stattgeben zu können Man benötige
für die Neuorganisation der Bibliothek jüngere Kräfte. Zudem würden die Bezüge
der Planstelle des zweiten Bibliothekars, aus der Ortlepp besoldet werden müßte,
zum Teil durch die auf Kriegsdauer angestellte Diplom-Bibliothekarin „KoehlerThein konsumiert, so daß eine Neueinstellung des genannten schon aus finanziellen Gründen unmöglich wäre.“ 7 Demaskiert hier das „schon“ einen tieferen Grund
für die Ablehnung? Das Blatt enthält im linken unteren Viertel handschriftliche mit
Bleistift vorgenommene Ergänzungen. Dort heißt es: „Die Ehefrau von Dr. O. ist
Jüdin. Deshalb ist Dr. O. in den Ruhestand versetzt worden. Zunächst also wäre zu
entscheiden, ob durch diesen Grund Einstellg. bei einer staatl. Behörde abzulehnen
ist. Im übrigen käme nur eine zeitlich zu begrenzende Beschäftigung als Aufsichtsangestellten in Frage. Mittel sind dafür vorhanden Kn.“ Das Ministerium sah von
einer Wiederbeschäftigung ab. Diese Entscheidung ging an alle vorgesetzten Stellen sowie an den Leiter des Thüringischen Ministeriums des Inneren und damit
auch an die Gestapo. Unabhängig davon ermöglichte ihm die Deutsche Shakespeare
Gesellschaft Weimar wohl unter dem Eindruck seiner langjährigen Tätigkeit für die
Gesellschaft, deren Bibliothek in der Landesbibliothek8 verwaltet wurde, die
Registerarbeit für das Jahrbuch 1942–1943 zu übernehmen.
Ortlepp verweigerte als „jüdisch versippter“ Staatsdiener sich der Trennung von
seiner jüdischen Frau Lucy, geborene Bock, die im Einwohnermeldeverzeichnis
mit dem verordneten und stigmatisierenden Vornahmen Sarah aufgeführt wurde.
Beide hatten 1908 geheiratet. Lucy Ortlepp wurde 1883 geboren und entstammte
einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie in Neubrandenburg. Als Talentierte hatte
sie früh und rechtzeitig Zeichenunterricht erhalten und erweiterte ihre Kenntnisse
als Kunstlehrerin und Künstlerin durch Studien, die sie in die Schweiz, nach
Italien und nach England geführt hatten.
Die Verhaftung und Deportation seiner Frau Lucy mit einem Sammeltransport
nach Auschwitz im Sommer 1943, wo sie bereits am 30. August d. J. verstarb, vermochte Paul Ortlepp nicht zu verhindern. Ortlepp war vielfältig in das kulturelle
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Leben noch des Großherzogtums eingebunden, das zeigt seine Tätigkeit als Journalist, als Redner und als Mitarbeiter an der weimarischen Sophien-Ausgabe von
Goethes Werken. Von ihm besitzt die Bibliothek Publikationen, angefangen bei seiner Dissertation „Sir Joshua Reynolds: ein Beitrag zur Geschichte der Ästhetik des
18. Jh. in England“, erschienen in Straßburg 1907 im Ergebnis seiner Promotion
1905, eine Arbeit über den einflussreichsten englischen Maler des Rokoko. Er hat
den Ausstellungskatalog „Dem Andenken der Herzogin Anna Amalia / die Großherzogliche Bibliothek“, von 1907 erarbeitet und bei der von Bojanowski verantworteten Publikation „Weimar und die Kaiserin Augusta“ den „Katalog der Kaiserin Augusta-Ausstellung in der Großherzoglichen Bibliothek 1911“ gemeinsam
mit Dr. Walter Heuschkel verfasst. Ortlepp schrieb das Vorwort zu dem 1912 vorgelegten Buch „Die Erinnerungen der Malerin Vigée-Lebrun“, von denen Martha
Behrend die erste Übertragung uns Deutsche geliefert hatte. Mit „Schillers Bibliothek: eine kurze geschichtliche Zusammenstellung der Werke, die der Dichter
besaß oder benutzte sowie Dichtungen“ aus dem Jahr 1914 hat er wohl seine
bedeutendste quellenbasierte Arbeit vorgelegt, die im Zusammenhang mit der
Bibliothek steht. Für die bibliophile Ausgabe „Dichtungen: Den am 24. und 25.
September 1927 zu Hamburg versammelten Mitgliedern der Gesellschaft der
Bibliophilen zugeeignet von Lothar Hempe“ von Johannes Schlaf, hat er das Nachwort zu den Texten des in Weimar lebenden Dichters geschrieben. Zudem hat sich
eine Sammlung an Presseartikeln 9 aus der Zeit 1908 bis 1909 erhalten, deren
gebundener Ausgabe er eine handschriftliche Widmung mit einem Goethe-Zitat 10
vorangestellt hat: „ ‚Aller Anfang ist schwer!‘ Meiner lieben Lucy. Weihnachten
1908“. Sie zeigen beispielhaft Ortlepps Interesse an Ereignissen in Weimar zu
Goethes Zeiten oder vermitteln neue Erkenntnisse über Bildwerke Martin Gottlieb
Klauers am weimarischen Musenhof. Dabei wird anhand ihrer Aufstellung in der
Großherzoglichen Bibliothek und der veränderten Standorte die neu vorgenommene
ikonographische Ausgestaltung des Rokokosaals erläutert, bei dessen Umsetzung
auch Bildwerke anders gehängt und bislang den Besuchern nicht zugängliche aus
Räumen der Bibliothek in den Saal aufgenommen worden waren.11
Dem rehabilitierten Bibliothekar Paul Ortlepp war nur eine kurze Dienstzeit im
Amt des Bibliotheksdirektors vergönnt. Am 23. Mai 1945 hatte er Frau Ilona
Kunisch geheiratet, am 23. Juni meldete er sich dienstunfähig. Strübing übermittelte diese Nachricht an das Ministerium. Am 24. Juli 1945 verstarb der frisch operierte Paul Ortlepp an den Folgen der Räumung des Sophien-Krankenhauses durch
die Rote Armee in Weimar. Sein städtisches Ehrengrab befindet sich auf dem
Historischen Friedhof.
Der Bibliotheksoberinspektor Eduard Strübing, der zu Ortlepps Beerdigung eine
Rede vorbereitet hatte, durfte sie auf Anweisung des neu organisierten Ministeriums für Volksbildung jedoch nicht mehr halten. Stattdessen war Oberbibliotheksrat Bruno Kaensche (1876–1962) damit beauftragt worden, am Grab zu sprechen
und einen Kranz, versehen mit einer roten Schleife, niederzulegen. Strübing,
der die Geschäfte der Bibliothek bis zur Ernennung des Juristen Maximilian von
Philipsborn12 zum Leiter der Bibliothek im November fortgeführt hatte, wurde am
1. Dezember 1945 durch das Landesamt für Volksbildung auf der Grundlage der
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thüringischen Entnazifizierungsgesetzgebung mit Wirkung zum 10. Dezember
1945 wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP entlassen. In der Entlassungsurkunde heißt es. „Wir entfernen Sie daher auf Grund § 6 des Gesetzes über die
Reinigung der öffentlichen Verwaltung von Nazi-Elementen […] aus dem öffentlichen Dienst.“ 13 Der neue Bibliotheksdirektor Maximilian von Philipsborn, Mitglied der im Juli 1945 gegründeten Liberaldemokratischen Partei (LPD), der die
Rückführung der ausgelagerten Bestände, die jahrelange Überprüfung des
Gesamtbestandes als auch der überwiesenen Bestände aus thüringischen Bibliotheken auf seit 1945 indiziertes Schrifttum sowie die notwendigen betrieblichen
Abläufe seitdem zu verantworten hatte, wurde am 6. Dezember 1948 mit sofortiger Wirkung von seinem Amt entbunden.14 Als Nachfolger im Amt (1948–1953)
bestimmte man Bruno Kaensche, der zuvor als Abteilungsleiter im Volksbildungsministerium des Landes Thüringen gearbeitet hatte.
Bewahrung und Rückgabe des Eigentums einer Jüdin
aus Weimar
Durch Ortlepps Courage und Solidarität konnten Wertsachen der in Weimar lebenden Anglistin Dr. Susanne Helene Türck, die als sogenannte Person „volljüdischer
Abstammung“ schon 1933 zur Flucht getrieben worden war, ab 1937 in der Bibliothek sicher aufbewahrt werden.15 Susanne Türck war in Göttingen 1928 promoviert
worden und hatte am Reformrealgymnasium für Mädchen, dem von Großherzogin
Sophie gegründeten Weimarer Sophienstift ihre Ausbildung erfolgreich abschließen können. Nach einer Beurlaubung nahm sie ihre Unterrichtstätigkeit an der
Frauenoberschule Weiß und der der Mathilde-Zimmer-Stiftung im Frühjahr 1931
auf. Frau Türck hatte sich am 20. März 1930 als Leserin in der Landesbibliothek
angemeldet; ihre Arbeit „Shakespeare und Montaigne. Ein Beitrag zur HamletFrage“ war im selben Jahr erschienen und wurde unter der Zugangsnummer 301 in
der Bibliothek inventarisiert. Ein zweites Exemplar kam mit einer „Sh“-Signatur
als Besitz der Bibliothek der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft ebenfalls unter
das Dach der Einrichtung, da das Haus diese Bibliothek beherbergte und verwaltete, deren Leiter Werner Deetjen sich im Vorstand der Gesellschaft für deren Belange auch während der NS-Zeit stark engagierte. Bei der Oberin Frau Dr. Magdalena Döring, der Leiterin der Frauenoberschule der Mathilde-Zimmer-Stiftung, hatte
Frau Türck Körbe und Kisten mit Büchern, Bildern, Porzellan und anderen Wertgegenständen hinterlassen. Vertrauensvoll wandte sich Frau Döring 1937 an die
Landesbibliothek und bat um Unterstellung des anzuvertrauenden Gutes, das bei
ihr nicht länger sicher war. Wahrscheinlich im Erdgeschoss des Südanbaus unter
der hölzernen Treppe überdauerten die Kisten und Körbe neben der Habe Maria
Pawlownas unbeschadet die Zeitläufte. Eine Ausgabe von Goethes „Faust“ und
eine von Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ zählten zu den Buchbeständen
neben philosophischen Schriften und Werken englischer Autoren, Ausgaben der
antiken Klassiker, deutsche Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, ergänzt durch
pädagogische Schriften und Unterrichtsmaterialien. Im Juli 1956 erklärte Frau
Türck schriftlich von Newcastle upon Tyne aus ihren Wunsch, diese Dinge an Frau
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Dorothea Geerds, Weimar, Am Horn 33 als ihre Treuhändlerin zur freien Verfügung zu stellen: „Ich bin sicher, dass die Regierung der Deutschen Demokratischen
Republik, die sich die Sorgen der Hitleropfer ganz besonders angedeihen lässt, diesem Wunsch stattgeben wird.“ Und so konnten diese Bestände der in England
lebenden Besitzerin durch Vermittlung der Regierung der DDR übersendet werden.
Gegenwärtig überprüft die Bibliothek Bücher aus der Provenienz des Vaters von
Susanne Türck, Hermann Türck (1856–1933), von dem die Bibliothek 1933
Bestände über die Weimarer Kunst- und Buchhandlung Thelemann antiquarisch
erworben hat, daraufhin, ob es sich dabei mit Sicherheit um „NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut“ handelt.16
Ein politischer KZ-Häftling
begegnet den Büchern der Verfolgten
Zwischen Räum- und Bergungsarbeiten, im Friedenschaos der Stadt, verunsichert
und vielleicht auch eingeschüchtert, überwacht und verantwortet Eduard Strübing,
der letzte aus der alten Garde der Führungskräfte im Dritten Reich, alle notwendigen Arbeiten der Bibliothek, auch die Umsetzung von Auflagen der amerikanischen Besatzer. Ins kulturpolitische Blickfeld der Auseinandersetzung mit dem
Nationalsozialismus vor Ort gerät offenbar schnell der Bestand an beschlagnahmter, an die Landesbibliothek überwiesener und hier behaltener Literatur. Dabei treffen mindestens zwei Interessen und Interessenten aufeinander: Das politische
Interesse der Besatzer und der eingesetzten neuen Leiter des Volksbildungsministeriums an der Entnazifizierung nämlich mit der Arbeitssuche eines ausgewiesen
politisch unverdächtigen Mannes, der sich vor und während des Krieges einen
eigenen Namen innerhalb der Sozialdemokratie neben dem seines berühmten
Vaters gemacht hatte und in seinen Jahren als KZ-Häftling seiner Überzeugung
treu geblieben war, was ihm den Kontakt mit Emil Carlebach und Hermann Brill,
beide Buchenwaldhäftlinge, eingebracht hatte.
Benedikt Kautsky (1894–1960) war ein führender Protagonist der österreichischen Sozialdemokratie. Sämtliche Tätigkeiten Kautskys fanden 1934 ein Ende
mit dem Verbot der Sozialdemokratischen Partei und der Freien Gewerkschaften
durch die Regierung von Kanzler Engelbert Dollfuß in Österreich. Da er dem
neuen Regime keine Konzessionen machte und auch nicht der Vaterländischen
Front beitrat, wurde seine Arbeit als Angestellter immer stärker von Einschränkungen betroffen. Sehr bald begann er seine illegale antifaschistische Tätigkeit, in dem
er der verbotenen Sozialdemokratie, der Partei der Revolutionären Sozialisten und
den illegalen Gewerkschaften Informationen und Agitationsmaterial lieferte. Am
12. März 1938 wurde Kautsky von den Nationalsozialisten, die Österreich besetzten, aus dem Dienst entlassen. Man verhaftete ihn am 27. Mai 1938 und deportierte ihn am 31. Mai nach Dachau. Von dort kam er am 23. September mit den Transporten nach Buchenwald und wurde am 18. Oktober 1942 nach Auschwitz (Buna)
verlegt, wo er im Lager Monowitz inhaftiert war und auf der Baustelle des I. G.
Farben-Werks Zwangsarbeit leisten musste. Am 18. Januar 1945 überstellte man
ihn wieder nach Buchenwald.
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Der Lehrer, Politiker und Reichstagsabgeordnete der SPD, Hermann Brill, als Ministerialdirektor unter dem 15. Juli 1927 als Leser
der Landesbibliothek verzeichnet, wurde im
Dezember 1943 in das KZ Buchenwald eingeliefert und war dort Vorsitzender des illegalen
Volksfrontkomitees. Seine Tätigkeit brachte
eine starke Belebung der sozialdemokratischen
Aktivitäten im Lager durch ein Zusammenwirken verschiedener politischer Richtungen unter
den Häftlingen. Brill strebte eine gemeinsame
politische Plattform der deutschen Nazigegner
im Lager für die Zeit nach der Befreiung an,
was ausdrücklich von den führenden Kommunisten unterstützt wurde. Hauptsächlich wurde
ein Programm für die Nachkriegszeit erörtert.
Nach der Befreiung des Lagers gründete er
gemeinsam mit Benedikt Kautsky am 13. April
1945 den Bund Demokratischer Sozialisten
und erarbeitete das Buchenwalder Manifest der
Demokratischen Sozialisten des ehemaligen Abb. 2. Benedikt Kautsky (1894–1960),
Aufnahme 1945 im befreiten
KZ Buchenwald, das an diesem Tag den deut- Konzentrationslager Buchenwald
schen und österreichischen Sozialdemokaten (Sammlung Roland Bärwinkel, Weimar)
und Sozialisten im Lager bei einer Versammlung vorgelegt wurde. Dieses programmatische Papier enthielt Grundsätze für die
zukünftige Entwicklung Deutschlands. Zur Überarbeitung des Textes unter dem
Titel „Buchenwalder Manifest für Frieden, Freiheit, Sozialismus“ bildete sich ein
Komitee, das aus fünf deutschen und zwei österreichischen Sozialdemokraten
bestand, darunter auch Benedikt Kautsky. Am 16. April wurde der ergänzte und
veränderte Entwurf nach Beratungen als „Aufruf und Programm der demokratischen Sozialisten in Buchenwald“ verabschiedet, unterzeichnet von 42 Sozialisten
aus acht Ländern. Benedikt Kautsky gehörte als Mitglied des Komitees zu diesen.
Die Programmschrift wurde in 2 000 Exemplaren gedruckt und ab Juli 1945 in
ganz Thüringen verbreitet. Es existiert ein Foto von Benedikt Kautsky – Haft-Nr.
121415 – im KZ-Buchenwald, das kurz nach der Befreiung von den Amerikanern
gemacht wurde. Dort ist er mit der erkennungsdienstlichen Nummer 42 abgebildet,
da er als potentieller Zeuge für einen späteren Prozess gegen die Lagerleitung fotografiert wurde.
Ein Schreiben des Thüringischen Volksbildungsministeriums vom 1. Juni 1945
gibt nähere Auskunft über Kautskys Situation: „In der Landesbibliothek in Weimar
wird vom 1. Juni 1945 an Dr. Benedikt Kautsky, wohnhaft in Weimar, KZ-Lager
Buchenwald, als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter beschäftigt. Wir weisen das Rentamt an, ihm auf die Dienstvergütung, die demnächst eingewiesen wird, alsbald
einen Vorschuß von dreihundert Reichsmark zu zahlen. […] In Vertretung Dr. Gerlach.“ 17
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Kautsky hatte bereits einen Lebenslauf und eine Aufstellung über seine literarische und Vortragstätigkeit beim Ministerium vorgelegt. Dies war Voraussetzung,
um nach einer Prüfung durch das Militärgouvernement eine Einstellung im öffentlichen Dienst zu erhalten. Das maschinenschriftliche Schreiben ist unterzeichnet
mit „Weimar, Buchenwald, den 27. Mai 1945“. 18 Dem Lebenslauf auf anderthalb
Seiten ist zu entnehmen, dass sein Vater, Karl Kautsky, bereits am 17. Oktober
1938 in Amsterdam verstorben, und seine Mutter Luise Ende Oktober 1944 im KZ
Birkenau/Auschwitz umgekommen war. Kautsky, österreichischer Staatsbürger,
gab an, dass er Vater zweier Töchter und mit Dr. Gerda, geb. Brunn verheiratet sei.
„Meine Familie befindet sich in Holland; ihre Adresse kann ich nicht angeben, da
sie seit zwei Jahren illegal leben musste.“ 19
Am 15. Juni 1945 schrieb das Ministerium an das Rentamt bezüglich der Zahlungsanweisung für Kautskys Dienstbezüge vom 1. bis 15. Juni 1945, „Wohnort:
KZ-Lager Buchenwald bei Weimar“, dass es sich um die Vergütungsgruppe III
handele, mit der Grundvergütung von 596 RM auf der freien Bibliothekarstelle.
Unterschrieben war das Dokument von Friedrich Stier, dem Ministerialrat im
Volksbildungsministeriums, der sich als Leiter der Abteilung Wissenschaft viele
Jahre um die Belange der Bibliothek gekümmert hatte. In Absprache zwischen
dem zum neuen Leiter der Bibliothek ernannten Paul Ortlepp, der Militäradministration und dem Volksbildungsministerium übertrug man Kautsky eine politisch
brisante Aufgabe. Er sollte erste Untersuchungen zu den von den Nationalsozialisten aus Gewerkschafts- und Parteibibliotheken der Sozialdemokraten und Kommunisten, aus Schulbibliotheken und Büchereien von Frauenbildungsinstituten des
Gaues Thüringen oder etwa denen der Zeugen Jehovas durch Beschlagnahmung
und Raub in die Landesbibliothek gekommenen Beständen unternehmen. Die Landesbibliothek Weimar hatte neben der Jenaer Universitätsbibliothek im Gau Thüringen als Sammelstelle für diese zu sekretierende Literatur fungiert und erhielt
nach bisheriger Erkenntnis Bestände dieser Provenienzen von 1934 an bis Ende
1944.20 Was sie für brauchbar hielt, verblieb; was sie nicht behalten wollte oder
konnte, wurde zur Vernichtung abgegeben.
In einem Brief am 8. Juni 1945 schreibt Kautsky unter der Adresse „WeimarBuchenwald, Konzentrationslager“ an Friedrich Adler: „Ich bin jetzt hier in der
Landesbibliothek beschäftigt und bemühe mich, die letzten Reste der s[einer]
Z[eit] beschlagnahmten sozialistischen Bibliotheken aufzutreiben. In ein paar
Wochen wird das wohl erledigt sein. Mir ist es sehr willkommen, auf diese verhältnismässig ruhige Weise wieder Anschluss an ein normales, vor allem an ein geistiges Leben zu gewinnen, denn wenn ich auch körperlich gut durchgekommen bin,
so bin ich innerlich natürlich noch lange nicht fertig mit all dem Furchtbaren, was
hinter mir liegt.“ 21 An diesem Tag schrieb Kautsky einen weiteren Brief nach New
York. Dieser ging an Paul Hertz. Auch dort schildert er kurz seine gegenwärtige
Tätigkeit in der Stadt: „Vorläufig habe ich hier eine ruhige Stellung an der Landesbibliothek mit dem Spezialauftrag, mich um die ehemals beschlagnahmten sozialistischen Bücher zu kümmern. […] Wie sich meine Zukunft weiter gestaltet,
mache ich davon abhängig, was mit Gerda […] ist; solange ich das nicht weiss, will
ich hier bleiben, damit sie weiss, wo sie mich findet.“ 22
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Im Ergebnis seiner ersten Beschäftigung mit diesen Beständen, die wir als NSRaubgut zu werten haben, kam Kautsky zu dem Schluss, dass „da kaum noch etwas
zu holen“ sei. Bei längerer Überprüfung des Bestandes hätte er Werke seines Vaters
Karl Kautsky entdecken können. Dessen Bücher waren wie Benedikt Kautskys
eigene Publikationen auf den Schwarzen Listen in der Rubrik „Politik und Wirtschaft“ sämtlich verboten und zu sekretieren gewesen. In einem Verzeichnis auszusondernder Literatur aus der aufgelösten Bibliothek der SPD-Ortsgruppe Berka a.d.
Werra vom Oktober 1934 finden sich von Karl Kautsky die Werke „Die soziale
Revolution“, „Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie“ sowie „Friedrich
Engels Leben“. Bücher der sozialistischen und marxistischen Theoretiker Ferdinand
Lassalle, Josef Diezgen, Friedrich Engels, Wilhelm Liebknecht und Karl Marx führt
diese Liste weiter auf, dazu Werke der Weltliteratur von B. Traven „Das Totenschiff“
und „Der Schatz der Sieramadre“, zudem „Man nennt mich Zimmermann“ des
Schriftstellers Upton Sinclair sowie sein Buch „Jimmie Higgens“ als auch Erzählungen von Iwan Turgeniew und Maxim Gorkis „Die Mutter“.23 Dies sind einige
Autoren von einer einzigen der Listen, die über Jahre in der Zeit des Nationalsozialismus die Kisten begleiteten, die an die Thüringische Landesbibliothek Weimar verschickt worden sind. Diese übersandten Bücher wurden mit den beigelegten
Frachtscheinen, also den Inhaltsverzeichnissen und den bereits vorhandenen
Beständen abgeglichen, fehlendes behalten, „das Übrige wurde eingestampft.“24
Von Karl Kautsky finden sich im Zugangsbuch für 1934 weitere Publikationen wie
„Der Ursprung des Christentums“ oder „Die Klassengegensätze im Zeitalter der
Abb. 3. Titelkarte aus dem Alpabetischen Zettelkatalog. Sie enthält alle wichtigen Informationen mit
dem Datum der Inventarisierung unten links, der Benutzungseinschränkung mittels Stempel und der
Bibliothekssignatur.
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französischen Revolution“. Diese gelangten, deklariert als Geschenk, als NS-Raubgut an die Thüringische Landesbibliothek Weimar. Bereits am 14. Juni bat Benedikt
Kautsky das Ministerium um Gewährung eines unbefristeten Urlaubs ohne Fortzahlung der Dienstvergütung, „um nach 7jähriger Trennung in der Schweiz mit meiner
Familie in Verbindung treten zu können. gez. Dr. Benedikt Kautsky, z. Zeit wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in der LB Weimar.“25 Über Hermann Brill hatte Benedikt
Kautsky bereits am 15. Mai 1945 in einem Brief geurteilt: „So sind wir ohne Fühlungnahme mit der Internationale in einem Moment, wo wir ihrer am dringendsten
bedurft hätten. […] Jedenfalls bitte ich Sie, alles zu tun, um möglichst bald Verbindungen herzustellen. Von den deutschen Genossen nenne ich Ihnen vor allem Gen.
Hermann Brill, Weimar, als den geeignetsten.“ 26
Provenienz Hohlbaum
Von Robert Hohlbaum sind verschiedene Buchgeschenke an die Bibliothek überliefert. Werke aus der Privatbibliothek; Bücher, die ihm zugesandt worden waren.
Dazu gehört ein schmales Werk von Wilhelm Kohlhaas, „Zwischen Tauber und
Bodensee“, das 1944 in der Feldpostreihe „Meine Heimat“ als 4. Band im Verlag
Stollberg, Berlin erschien. Ein Zusatz unterstreicht seine Bedeutung für einen größer angedachten Kontext, denn es heißt: „Entnommen dem in Vorbereitung befindlichen Werke Deutsche Kulturlandschaft“, herausgegeben von keinem geringeren
als Hanns Johst.
Unter der Provenienz „Hohlbaum“ erfasst das Zugangsbuch im April und im
Oktober 1945 größere Bestände an Veröffentlichungen. Die Registratur in der Landesbibliothek ist jedenfalls am 23. und 24. April 1945, den beiden ersten Tagen der
Wiedereröffnung der Landesbibliothek, hauptsächlich damit beschäftigt, Bestände
aus seinem Besitz zu inventarisieren und sie je nach Inhalt ordnungsgemäß auf alte
Signaturgruppen zu verteilen. Wenn die Datumsangabe korrekt ist, wurde in der
Erwerbungsabteilung bis zum 29. März, am 10. April und dann wieder ab dem
20. April gearbeitet; also unabhängig von den offiziellen Schließungszeiten durch
die amerikanische Besatzungsmacht.
Die Nummern 3516 bis 3554 im Zugangsjournal sind mit Werken aus dem
Besitz von „Dir. Dr. Hohlbaum“ belegt. Dabei handelt es sich um einen homogenen Bestand. Auf diese Weise erfahren wir etwas über den Leser, Sammler bzw.
Buchbesitzer Hohlbaum. Bei Publikationen zur Entwicklung Österreichs nach
dem Ersten Weltkrieg, zu Deutschösterreich, Böhmen und dem Sudetenland ist
eine unmittelbare Nähe zu Hohlbaums Herkunft und Weltanschauung unverkennbar. Schon ihre Titel signalisieren Entsprechendes: „Kampflieder aus der Ostmark“, „Deutschösterreichs Wanderschaft“, „Kampf in Böhmen“, „Rechtskampf
der sudetendeutschen Hochschulen“, „Reichsstadt Wien“ und „Tagebuch-Notizen
aus der Nachkriegszeit“. In anderen Werken dominiert der Themenkomplex
Nationalsozialismus und Deutsches Reich. „Vom neuen Glauben“, „Volkhafte
Dichtung der Zeit“, „Parole: das Reich“, „Deutsches Schauen“ oder „Wir alle helfen dem Führer“ heißen die Titel. Ein wichtiges frühes Dokument des Treueeides
von Dichtern gegenüber Adolf Hitler ist das 1933 erschienene „Einhundert DichWeimar – Jena : Die große Stadt 6/3 (2013)
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ter. Glückwunsch und Bekenntnis von 1933“. Standardwerke wie Rosenbergs
„Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ und Hitlers „Mein Kampf“ in der Ausgabe
von 1938 überraschen. Vielleicht handelte es sich um Dubletten, so auch bei Baldur von Schirachs „Wille und Macht“, das sich ebenfalls nicht im Bestand erhalten hat. Einige Werke der Heimatdichtung und Epigonales komplettieren diesen
Zugang.
Die Landesbibliothek hatte auch vor Hohlbaums Arbeitsantritt Werke des Autors
erworben. Darunter Auswahlbände mit Texten von Heinrich Heine und Aufsätze
wie etwa zu Schiller, der in der Beilage der Literarischen Welt 1934 abgedruckt
worden war. Hier gehaltene Zeitschriften und Reihen und Sammelbände enthalten
Buchbesprechungen und Aufsätze Hohlbaums. Wenn auch häufig in geringem
Umfang, so erscheinen doch in jedem seiner Dienstjahre an der Landesbibliothek
ein oder mehrere eigene Werke und zahlreiche Nachauflagen. Mit Beginn seiner
Tätigkeit in Weimar haben sich sechs Werke im Bestand erhalten, die im Zugangsjahr 1942 aufgeführt sind. Der laufenden Nummer nach sind dies die Novelle
„Heroische Rheinreise“ von 1941, die Gedichtauswahl „Helles Abendlied“ von
1941, die Romantrilogie „Frühlingssturm. Charfreitag, der Gang nach Emmaus.
Pfingsten in Weimar. Die Geschichte einer deutschen Familie in 2 Jahrhunderten“
von 1940, die Novellen „Sänger und Könige“ von 1929, die Künstlernovellen „Die
Stunde der Sterne“ von 1942 sowie eine Feldpostausgabe seiner Novellensammlung „Symphonie in drei Sätzen“ von 1943. Im Zugangsbuch sind für 1943 zwei
Werke nachgewiesen. Zwei unter dem Titel „Der Herbst des Grafen von Avricourt“
1943 veröffentlichte Erzählungen als auch „Die Königsparade“ von 1942, die im
Schlesien-Verlag Breslau in die Reihe „Schlesische Dichter sprechen zur Front“
Aufnahme gefunden hatte. „Prinz Eugen“ aus dem Jahr 1943, der Roman „Die
stumme Schlacht“ von 1944 sowie die Novellen „Von deutscher Kunst“ von 1933
folgen im Zugangsbuch für 1944. Seinen Abschluss bilden zwei noch vorhandene
Veröffentlichungen: Der Roman „Das klingende Gift“ von 1930 sowie das aus dem
Besitz der Bibliothek des Deutschen Nationaltheaters Weimar stammende Bühnenmanuskript der Tragödie „Patroklos“ von 1943. Auf dessen Entstehungs- und Aufführungsgeschichte in Weimar ist bereits in Teil I eingegangen worden.27
Die Signatur Dd 3 : 1270 (s) für das Manuskript seines Stückes zeigt an, dass
von den allein hierunter versammelten Werken Hohlbaums etliche nach 1945 aus
dem Bestand entfernt worden sein müssen, da die Signaturvergabe nach der Zahl
mit (a) begonnen haben wird. Ganz unabhängig von den Verlusten durch den
Bibliotheksbrand im September 2004. Im Zuge der durch die Alliierten befehligten Aussonderungen war die Bibliothek verpflichtet, die Nachweise in den Zettelkatalogen zu vernichten. 1945 hatte der Alliierte Rat Werke Robert Hohlbaums
gesperrt.28 Auch in den „Amtlichen Richtlinien über die Ausmerzung des nationalsozialistischen, des militaristischen und des imperialistischen Schrifttums“, vom
Land Thüringen 1945 herausgegeben29, findet sich unter den Romanen mit „nationalsozialistischer und imperialistischer Tendenz” von dem einst viel gelesenen
Autor das Werk „Zweikampf um Deutschland“. In den „Listen der auszusondernden Literatur“ mit ihren Nachträgen bis 1952 tauchen auch Werke Hohlbaums auf.
Angezeigt sind in der ersten von 1946 gleich vier Werke: „Die Ahnen des BolscheWeimar – Jena : Die große Stadt 6/3 (2013)
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Abb. 4.
wismus“, Herrsching 1937;
Hans Friedrich Blunck
„Front der Herzen“, Berlin
(1888–1961),
1944; „Das letzte Gefecht“,
erster Präsident der
ReichsschrifttumsMünchen 1943 und „Heldikammer 1933–1935
sche Prosa“, Leipzig 1934.
(Reproduktion aus:
Der zweite Nachtrag von
Dichter schreiben über sich
selbst. Jena 1940, S. 17)
1948 enthält „Der Held von
Kolberg“, Stuttgart 1935,
im dritten Nachtrag von
1952 ist „Zukunft“ in der
Ausgabe Leipzig 1922 registriert.
Zeitgleich mit der „Entnazifizierung“ der Bestände arbeitete die Landesbibliothek Weimar ab dem
8. Oktober 1945 im Zugangsbuch Bücher unter der Provenienz „Dr. Hohlbaum, Weimar“ ein. Zu den Verfassern gehörten außer Hohlbaum selbst die nationalsozialistischen Autoren Bruno
Brehm und Hans Friedrich Blunck. Als in der Benutzung eingeschränkte Zensurexemplare blieben einige seiner Werke im Bestand, erhielten jedoch andere Signaturen.
Erwerbungen unter Hohlbaums Leitung
Im Folgenden können zum Thema nur erste Ergebnisse vorgestellt werden, da nicht
sämtliche Quellen bekannt noch ausgewertet sind. Momentan prüft die Bibliothek
im Zuge der Ermittlungen zu NS-Raubgut den Anfangsverdacht, dass die Zugangsbücher bereinigt worden sind.30
Unter den Erwerbungen belletristischer Literatur von Autoren, die Hohlbaums
Milieu zuzuordnen wären, mag sich manches Buch befinden, das als Geschenk an
die Landesbibliothek gekommen ist. Ein beträchtlicher Teil aus bestimmten Signaturgruppen (z. B. Dd 4) ist als Brandverlust anzusehen. Darunter zählen auch einige der hier im Kapitel aufgeführten Werke. Weitere ehemals vorhandene Bestände,
insbesondere von jenen Autoren, die als Kollaborateure und Aktivisten zu gelten
haben, sind durch von den Besatzern veranlasste Aussonderungen nach 1945 und in
Fortsetzung bis in die 1950er Jahre aus dem Bestand entfernt worden. Ihre Werke
wurden an die Militäradministration abgeliefert oder zur Vernichtung übergeben.
Ein Teil dieser Werke ist jedoch nach Überprüfung, insbesondere in den Jahren
1948/50, im Bestand der Bibliothek verblieben, häufig als Zensurexemplar.31 Unter
dem unbearbeiteten Bestand können weitere Erwerbungen vermutet werden.
Von Bedeutung im Zusammenhang mit Hohlbaums Amtieren in der Landesbibliothek sind deshalb solche Schriftsteller untersucht worden, die als Österreicher 32, aus der Tschechoslowakei stammend, als politische Verbündete des NSRegimes wahrgenommen werden konnten. Ein Teil von ihnen wurde mit zentralen
Funktionen im Kulturapparat des Reiches33 als „Schwerter des Geistes“ beauftragt
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und erhielt, wenn auch auf unterschiedliche Weise, eine frühzeitige wie großzügige
Förderung als Dichter und als Kulturpolitiker durch den NS-Staat. Dazu zählen die
Vergabe von Stipendien, die Aufnahme in die Liste der besonders zu fördernden
Autoren bis hin zur sogenannten „Gottbegnadetenliste“ Adolf Hitlers. Preisvergaben, Teilnahmen an propagandistisch intendierten Schriftstellertreffen, an Lesereisen an die Front in den besetzten Gebieten, geschahen unter ihrer Mitwirkung.
Genehmigte Freistellungen von Dienstpflichten, um auch im Sinne des Auftraggebers Werke zu verfassen, gehörten zu den begehrtesten Weihen, insbesondere
während des Krieges. Mithin Privilegien, erteilt von den mächtigen Herrschern an
jene, die von dieser Macht nicht nur partizipierten, sondern aktiv zum Erhalt
dieser Herrscher und ihrer Macht beitrugen.
Das Spektrum der zeitgenössischen Literatur, die in Hohlbaums Amtszeit Einzug in die Landesbibliothek hielt, korrespondiert sinnfällig mit dem kulturpolitischen, ideologischen und literaturstrategischen Netzwerk, das Hohlbaum erst von
Österreich und dann von Duisburg aus auf- und schließlich in Weimar ausbaute,
bzw. in das er eingebunden war. Wegbereiter und treue Vasallen der schreibenden
Zunft des Dritten Reiches, die nach 1933 mit führenden Funktionen in der NSKulturpolitik belohnt wurden, waren sie allesamt: Hans Friedrich Blunck, völkischer Autor und von 1933 bis 1935 als Präsident der Reichsschrifttumskammer
unmittelbar am Ausschluss und an der Verfolgung von Berufskollegen beteiligt,
der schon erwähnte Bruno Brehm und ganz besonders Mirko Jelusich. Ihn und
Hohlbaum verband eine lebenslange Freundschaft, die auch auf gemeinsamen politischen Idealen basierte. Mirko Jelusich gründete den „Kampfbund für deutsche
Kultur“ und leitete nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 für kurze Zeit kommissarisch das Wiener Burgtheater.34
Zur besonderen Geschichte der heutigen Herzogin Anna Amalia Bibliothek
gehört, dass nach 1945 Bestände an regimetreuer bis nationalsozialistischer Literatur mit den Aussonderungslisten zunächst abgeglichen worden sind, der Bestand ist
nachweislich mehrfach überprüft worden. Werke dieser Autoren, die im Bestand
verblieben, hat man als sogenannte „Zensurexemplare“ mit einem entsprechenden
Vermerk auf der Titelkarte, mit einem Kürzel im und mit einem Kennzeichen auf
dem Buch für eine erteilte Benutzungseinschränkung belegt. Zugleich sind dadurch
nicht wenige Werke der Bibliothek erhalten geblieben, wenngleich die Zeiten vorbei waren, nach denen man, wie heute noch üblich in Österreich, sämtliche Werke
eines Hohlbaum und anderer Mitgestalter des Systems frei zu entleihen sind.
Teilnehmer an den Schriftstellertreffen in Weimar
und aus dem Umkreis von Hohlbaum
Die Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen, das ist durch vielfache Studien
belegt, wird den Autoren vielfältige Chancen zur Förderung und Veröffentlichung
eröffnet haben, wo es sich um Ausländer handelte, zur Übersetzung ins Deutsche
und damit zu Veröffentlichungen im Dritten Reich, dem Land mit dem stärksten
Buchmarkt und dem größten Einfluss auf das Verlagswesen von halb Europa. Die
vorgestellten Autoren und ihre Vitae sind auch ein Abbild der sich radikalisierenWeimar – Jena : Die große Stadt 6/3 (2013)
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Abb. 5. Gründungsurkunde der Europäischen Schriftsteller-Vereinigung
(Reproduktion aus: Europäische Literatur 1(1942) 2, S. 12)
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den Gesellschaft, in der es einen vielgestaltigen Alltag, die Stillen, die Verstummten, die Mitläufer und Konjunkturritter, die äußerlich Angepassten, die Bluthunde
und die Hetzer unter den Menschen und also auch Schriftstellern gab; die Gewöhnung, die Gewohnheiten und das Gewöhnliche.
Die meisten Autoren erhielten in der Landesbibliothek die damals übliche
Grundsignatur „Dd 4“, von einigen, unter anderem betrifft dies Werke von Karl
Heinz Strobl, sind auch Veröffentlichungen unter anderen Signaturgruppen erfasst.
Dies könnte darauf deuten, dass man erst ab einem bestimmten Zeitpunkt mit
„Dd 4“ begonnen hat oder ältere, nach Wissensgebieten geordnete Signaturgruppen fortsetzte. Reduzierungen im Bestand der Bibliothek können zwei wesentliche
Ursachen haben, in der zweiten führt die Bibliothek den Nachweis in der Datenbank Brandverluste. Die erste dürfte darin zu suchen sein, dass die Bibliothek nach
1945 ihre Bestände zu bereinigen hatte. Da Nachweise darüber bislang nur in einigen Aufsätzen des Verfassers geführt sind und die Zugangsbücher keinen entsprechenden Vermerk enthalten, bleiben die Erkenntnisse zu diesem Vorgang eingeschränkt. Wenn noch dazu Teilbestände gar nicht erst inventarisiert worden sind
sondern gleich ausgesondert wurden, bleibt auch hier in der Betrachtungsmöglichkeit ein toter Winkel. Einiges an zum Brandverlust gehörenden Werken ist mittlerweile wiederbeschafft worden oder als Schenkung, als Ersatzexemplar an unsere
Bibliothek gelangt.
Die Gründungs-Urkunde der Europäischen Schriftsteller-Vereinigung (ESV) in
Weimar enthält die Unterschriften von Autoren aus fünfzehn Nationen. Sie alle sind
heute nahezu vergessen. Aber das war damals nicht vorauszusehen, im Gegenteil.
Deshalb ist es wichtig, zu erwähnen, dass das einzige in dieser Zeit auf Deutsch
erschienene Buch des Dänen Svend Borberg (1888–1947), die bei Hoffmann und
Campe verlegte Tragödie „Sünder und Heiliger“ ein Jahr nach ihrem Erscheinen im
Zugangsbuch 1943 eingearbeitet wurde. Svend Borberg engagierte sich bis 1945
kulturell für Nazideutschland. Im März 1942 war er der Unterzeichner der Stiftungsurkunde der Europäischen Schriftstellervereinigung für Dänemark, die durch
Goebbels als Konkurrenz zum PEN-Club aufgebaut werden sollte. Innerhalb der
ESV fungierte Svend Borberg als Sprecher Dänemarks. Gleichzeitig sah er sich in
den 1940er Jahren als Mittler zwischen Nazideutschland und Dänemark und wurde
bereits 1940 für Verdienste um die deutsch-dänischen Beziehungen mit der Humboldt-Medaille der Deutschen Akademie in München ausgezeichnet.
Das Werk „Europäische Dichterreise durch Deutschland : Reiseeindrücke eines
finnischen Schriftstellers in Deutschland“ des Autors Arvi Kivimaa (1904–1984),
der ebenfalls dem ESV beigetreten war, veröffentlichte ein Berliner Verlag 1944;
ein Exemplar befindet sich im Besitz der Bibliothek. Kivimaa berichtete 1942 über
seine Teilnahme an einer Dichterreise durch Deutschland zum Treffen in Weimar
in seinem Artikel „Finnische Betrachtung“.35 Leben und Werk dieses Dichters nach
dem Krieg zeigen, um wie viel stärker sein Wirken und sein Interesse durch seine
lange Tätigkeit als Vermittler zwischen der finnischen und der deutschen Kultur,
die sich nie auf das Dritte Reich einschränken ließ, geprägt war.
In Biogrammen werden hier einige der Autoren vorgestellt und Werke, die sich
im Besitz der Bibliothek befinden bzw. befanden; ergänzt durch Hinweise auf
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Beschlüsse der Alliierten zur Aussonderung von Literatur aus den Bibliotheken ab
1945, die eben auch Werke der hier vorgestellten Autoren betrafen.
Svend Fleuron (1874–1966)
1941 nahm der dänische Autor am Weimarer Dichtertreffen teil und schrieb in der
Zeitschrift „Europäische Literatur“ der dort gegründeten Europäischen Schriftsteller-Vereinigung „begeistert über den Krieg“.36 Von diesem dänischen Autor sind
mindestens vier seiner ab 1942 ins Deutsche übertragenen Bücher in Hohlbaums
Amtszeit angeschafft worden. Nachgewiesen ist, dass zehn Publikationen von ihm,
in der Hauptsache handelt es sich dabei um bei Diederichs in Jena ins deutsche
übertragene Tierbücher, zu den Verlusten durch den Brand gehören.
Fani Popova-Mutafowa37 (1902–1977)
Die bulgarische Autorin war Teilnehmerin am Weimarer Dichtertreffen und Mitglied der in Deutschland initiierten Europäischen Schriftsteller Vereinigung (ESV).
Deswegen wurde ihr nach dem Krieg eine faschistische Einstellung vorgeworfen
und sie wurde zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Ihr historischer
Roman in deutscher Übersetzung „Der letzte der Assenows“, der 1942 erschien,
kam 1943 ins Haus und gilt als Brandverlust. Für ihr Werk „Legende“ wurde sie
1942 von der Stadt Weimar mit einem Ehrengeschenk ausgezeichnet.38 Eine weitere Übersetzung erschien unter dem Titel „Joan Assens Ruhm und glückliche Zeit:
Historischer Roman“, übersetzt von Boschana Blagoewa und Karl Seeliger im Karl
H. Bischoff Verlag Berlin 1944.
Ernest Claes (1885–1968)
Der flämische Autor gehört in Flandern zu den meistgelesenen Autoren. Claes stellte sich hinter die nationalistische Einheitsbewegung Flanderns (VNV), die nationalsozialistische Verbindungen unterhielt. Von drei nach 1942 erschienenen Werken
sind zwei in deutscher Übertragung 1944 für die Bibliothek angeschafft worden.
Zum einen die Autobiographie „Jugend“ von 1943, zum anderen „Bruder Jacobus“.
Ein weiteres Werk, das im Insel-Verlag Leipzig 1943 erschienene „Black, die
Geschichte eines Hundes“, gelangte aus der Privatbibliothek von Rilkes Lektor im
Insel-Verlag Fritz Adolf Hünich (1885-1964) als Schenkung nach 1945 an die
Bibliothek. Hünich machte sich im Umfeld des Dritten Reiches verdient um die
Stefan Zweig-Bibliographie und galt unter anderem als Goethe-Forscher.
Die von Ernest Claes’ Landsmann Wies Moens (1898–1982) herausgegebene
zweisprachige Sammlung „Das flämische Kampfgedicht“ bei Eugen Diederichs
Jena , bei dem zur selben Zeit das Gesamtwerk von Agnes Miegel erschien, hat sich
im Bestand seit seiner Inventarisierung 1942 erhalten. Moens war nach 1947 in
Abwesenheit als Kollaborateur zum Tode verurteilt worden und starb im Exil.
Felix Timmermans (1886–1947)
1941 nahm er am Weimarer Dichtertreffen teil, wo von den kollaborationswilligen
europäischen Schriftstellern die Europäische Schriftsteller-Vereinigung gegründet
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wurde. Der flämische Autor und Maler war mehrfach für den Nobelpreis vorgeschlagen. Von ihm
wurden zwischen 1942 und 1945 mehrere Publikationen eingearbeitet. Im Erscheinungsjahr 1942
verzeichnet das Zugangsbuch den Titel „Pallieter.
Mit Zeichnungen des Dichters“ sowie 1943 den in
diesem Jahr erschienenen Roman „Die Familie
Hernat“. Das Erwerbungsjahr 1944 bildet den
Schwerpunkt. „Sankt Nikolaus in Not und andere
Erzählungen“, aus dem Flämischen übertragen
von Anna Valeton-Hoos, von 1940, kam 1944 ins
Haus wie das 1941 veröffentlichte „Die Elfenbeinflöte. Seltsame Geschichten aus dem Beginenhof“. Dazu kam aus demselben Jahr „Die sehr
schönen Stunden von Jungfer Symforosa, dem
Beginchen“ als auch „Die Märchen“ von Philipp Abb. 6. Felix Timmermans
Otto Runge, 1943 publiziert mit Bildern von Felix (1886–1947)
(Reproduktion aus: Europäische Literatur 1
(1942) 7, S. 16)
Timmermans.
John Knittel (1891–1970)
Der schweizerische Autor, Mitglied des PEN-Clubs England vor 1920, schrieb
seine Werke in englischer Sprache. 1944 setzte er sich vergeblich für die verurteilten Freunde seiner Tochter ein, die zum Widerstandskreis der Weißen Rose gehörten. Er trat 1945 aus dem Schriftstellerverband der Schweiz aus, da man ihn als
„Nazifreund“ beschimpfte. 1944 kamen zwei seiner 1944 erschienenen Bücher ins
Haus: „Abd-el-Kader. Roman aus dem marokkanischen Atlas“ und der Roman
„Amadeus“, beide gelten heute als Brandverluste.
József Nyirő (1889–1953)
Die in Siebenbürgen spielenden Romane des Ungarn sind außer ins Deutsche ins
Holländische, Italienische und in andere Sprachen übersetzt worden. In seinem
Bericht „Blick auf das kämpfende Deutschland“ 39 schildert er seine Eindrücke
von einer Fahrt zum 1942er Dichtertreffen in Weimar und bemerkt die große und
stolze Opferbereitschaft eines Volkes, das „seinen Kampf der ganzen Welt gegenüber siegreich“ bestehen wird. Über die Toten dieses Krieges sagt er: Sie „sind
keine Opfer, sie sind die gesegneten des Vaterlandes.“ Seine Impressionen aus
Weimar hören sich so an: Ich „wartete in Weimar gespannt auf das Essen, das der
Minister zu Ehren der ausländischen Schriftsteller gab. Und mein Kinnladen fiel
herunter, als ich sah, daß der Ober die Marken des Ministers ebenso abschnitt wie
die meinen.“ Von ihm kam „Der Uz : Roman aus den Schneebergen Siebenbürgens“, ein Buch von 1937, 1942 an die Bibliothek; 1944 dann die beiden 1941
veröffentlichten Werke „Denn keiner trägt das Leben allein“ sowie „Die Totenpfähle : ein Buch aus Siebenbürgen“. Diese Werke müssen als Brandverluste
angesehen werden.
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Franz Spunda (1890–1963)
Der Autor stammt aus Olmütz, war Mitglied im Bund deutscher Schriftsteller
Österreichs und nach dem „Anschluss“ 1938 Landesleiter des Reichsverbandes.
Zwischen 1942 und 1944 gelangten verschiedene Werke an die Bibliothek. Mit
zwei seiner Bücher über Griechenland ist Spunda bereits vor Hohlbaums Amtszeit
in der Bibliothek vertreten. Seine Romane „Romulus“, „Der Herr vom Hradschin“
über Kaiser Karl IV. und „Minos oder die Geburt Europas“ sowie die Sachbücher
„Das Weltbild des Paracelsus“ und „Geschichte der Medici“ erwarb die Bibliothek
unter Hohlbaum. Als Brandverlust haben die Werke „Minos“, „Romulus“ und „Der
Herr vom Hradschin“ zu gelten.
Karl Heinz Strobl (1877–1946)
Dieser sudetendeutsche Autor avancierte nach dem „Anschluss“ zum Landesleiter
der Reichsschrifttumskammer Österreich. In dieser Funktion agierte er zugleich
als Repräsentant der Berliner Zentrale mit der höchsten Machtbefugnis innerhalb
des literaturpolitischen Herrschaftsapparates des NS-Regimes.40 Von diesem Autor
sind schon vor 1933 Publikationen in die Bibliothek gelangt und dort auch nachgewiesen. Bühnenmanuskripte finden sich in der entsprechenden Signaturgruppe
„Bm“, Werke zu Bismarck unter der entsprechenden Signaturgruppe „Bism“.
Rückwirkend eingearbeitet wurden in Hohlbaums Amtszeit Werke aus den 1930er
Jahren, dann jeweils seine aktuellen Publikationen zwischen 1942 und 1945. Von
„Die Fackel des Hus“, 1942 bis zu „Die Runen und das Marterholz“, 1936, Zugang
1945. Sechs der ehemals vorhandenen Bücher des Autors, fünf davon erschienen
zwischen 1933 und 1945, sind als Brandverlust verzeichnet.
Mirko Jelusich (eigentlich Vojmir Jelusich, 1886–1969)
Dieser österreichische Autor verfasste „historische Romane mit ‚totalitärer Ideologie‘ und wurde als zuverlässiger PG nach dem Anschluss oder sogar sofort am selben Tag zum Intendant des Burgtheaters gemacht.“ 41 In internen Streitigkeiten zwischen den Ministerien verlor er diesen Posten schnell. Von diesem Schriftsteller
und Freund Hohlbaums wurden an der Bibliothek die zwischen 1942 und 1943
erschienenen Werke hauptsächlich 1943 in den Bestand aufgenommen. Womöglich
ist er nur ein Beispiel für den Fall, dass befreundete Dichterkameraden ihre Werke
als Geschenke austauschten. Die beiden ehemals vorhandenen Bücher über Heinrich den Löwen, „Der Löwe“, bei Eher 1942 erschienen, und „Der Ritter“ über
Franz von Sickingen von 1943 sind zu den Brandverlusten zu zählen. Schon im
ersten Nachtrag zu den „Listen der auszusondernden Literatur“ von 1947 sind fünf
seiner Werke aufgeführt.
Bruno Brehm (1892–1974)
Unter den österreichischen Schriftstellern und „Nazirenegaten“, nennt ihn Carl
Zuckmayer als Verfasser von „nationalistisch eingestellten, im großdeutschen Sinn
gehaltenen Romanen über die Historie der letzten Habsburger – schon vor dem
‚Anschluss‘ mit den Nazis liebäugelnd ohne sich offen zu deklarieren – einen
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willigen ‚Heimkehrer ins Reich‘ und ‚Ostmärkler‘.“ 42 Von 1934 bis 1944 wurden
seine Bücher unter eine eigene Signaturgruppe gestellt, frühere Werke sind mit
höheren Buchstaben versehen. Daraus lässt sich schließen, dass die Bände entweder nicht chronologisch erworben wurden oder dass man sie nachträglich dieser
Signaturgruppe zugeordnet hat. Weitere Werke wurden in anderen Signaturgruppen erfasst. Neun Bücher des Autors zählt die erste „Liste der auszusondernden
Literatur“ von 1946 auf.
Franz Nabl (1883–1974)
Der in Böhmen geborene österreichische Autor gilt als ein Exponent im nationalsozialistischen Lager der deutschen Schriftsteller der Tschechoslowakei in Österreich, neben „Rudolf Haas, Albert Jantsch von Streerbach, Mirko Jelusich, Franz
Nabl, Josef Nadler, Franz Spunda, Karl Heinz Strobl und Hans Deißinger.“ 43 Von
ihm sind für 1942/43 Veröffentlichungen im Zugangsbuch nachgewiesen. Drei seiner zwischen 1942 und 1943 erschienenen Werke sind in der Datenbank der Bibliothek unter den Brandverlusten verzeichnet. Dabei befindet sich das bereits 1911
veröffentlichte und unter dem Einfluss von Darwin und Nietzsche stehende Hauptwerk, der Roman „Ödhof“ in der Ausgabe von 1943.
Josef Magnus Wehner (1891–1973)
Sein Roman „Sieben vor Verdun“, 1930 publiziert und als „deutschfreundliche“
Replik auf Remarques Antikriegsbuch „Im Westen nichts Neues“ geschrieben,
wurde ein Erfolg. Im Mai 1933 berief man ihn in die Preußische Akademie der
Künste. Er gehörte zu den Unterzeichnern des Gelöbnisses treuester Gefolgschaft
für Adolf Hitler im Oktober des Jahres. Ein Bekenntnis uneingeschränkten Vertrauens lieferten damit Autoren und Dichter, nachdem durch Hitler der Austritt aus
dem Völkerbund veranlasst worden war und es zu einer Gleichschaltung der gesamten deutschen Presse kam, bei der 1 300 Journalisten ihre Arbeit verloren. Von
Goebbels erhielt der Autor eine jährliche Pension. Als Redner propagierte er die
Ideologie der NS im Krieg. Für 1944 sind mit „Das Land ohne Schatten“ von 1943
und dem Aufsatzband „Vom Glanz und Leben deutscher Bühne“, von 1944 zwei
Zugänge nachgewiesen. Ob frühere Werke, v. a. sein Roman im Bestand gewesen
sind, lässt sich gegenwärtig nicht zweifelsfrei rekonstruieren. Mehrere seiner
Werke wurden in der SBZ und in der DDR auf die Aussonderungslisten gesetzt.
Zwei Bücher von ihm, „Geschichten aus der Rhön“ und der 1944 erschienene
Band „Vom Glanz und Leben deutscher Bühne: eine Münchner Dramaturgie“ werden als Brandverluste ausgewiesen. Der zweite Nachtrag zu den „Listen der auszusondernden Literatur“ von 1948 vermerkt fünf seiner Werke.
Rudolf Haas (1877–1943)
Der aus Mies/Böhmen stammende österreichische Autor veröffentlichte mit seinem Roman „Mutter Berta“ ein der Blut- und Boden-Literatur zugerechnetes Werk
im NS-parteieigenen Eher-Verlag, das in hohen Auflagen Verbreitung fand. Das
einzige im relevanten Zeitraum erschienene Werk, „Der Bergadler. Die GeschichWeimar – Jena : Die große Stadt 6/3 (2013)
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te vom Bergführer Friedel Inwinkler“ von 1943, ist auch 1943 ins Haus gekommen, gilt jedoch als Brandverlust. In der ersten und vorläufigen „Liste der auszusondernden Literatur“ von 1946 sind drei seiner Werke aufgeführt, darunter sein
Roman „Mutter Berta“.
Josef Weinheber (1892–1945)
Der Wiener Lyriker wurde 1942 zum Ehrendoktor der Philosophischen Fakultät
der Universität Wien ernannt und erhielt in diesem Jahr neben zahlreichen anderen
Ehrungen eine Ehrengabe des Reichsministers Goebbels. Werke von ihm kamen ab
1942 an die Bibliothek. Von den drei zum Brandverlust zu zählenden Werken
erschienen 1943 „Götter und Dämonen. 40 Oden“ und der Band „Dokumente des
Herzens“, der eine Auswahl an Gedichten enthält, 1944. Das Werk „Blut und Stahl.
Drei Oden“ aus dem Jahr 1941 steht auf der ersten und vorläufigen Liste der auszusondernden Literatur“ von 1946.
Franz Karl Ginzkey (1871–1963)
Der österreich-ungarische Offizier, Dichter und Schriftsteller Ginzkey war von
1934 bis 1938 Mitglied des Österreichischen Staatsrates in Wien. Mit Stefan
Zweig und Carl Zuckmayer befreundet, kannte er zugleich die sudetendeutsche
Dichterkolonie aus der Verlegerheimat Staackmann. Dort publizierten neben ihm
u. a. Robert Haas, Hohlbaum und Hans Watzlik. Dem „Ehrenring der Stadt Wien“,
verliehen 1941, folgten ab 1954 die österreichischen Literatur-, Staats- und Ehrenpreise. Nach 1931 findet sich erst wieder ein Werk ab 1941 im Zugangsbuch. Insgesamt betrifft es fünf bis 1943 erschienene, die zwischen 1942 und 1944 ins Haus
gelangten.
Franz Tumler (1912–1998)
Der bei Bozen geborene österreichische Autor erhielt 1940 den Preis der Reichshauptstadt Berlin sowie den Sudetendeutschen Schrifttumspreis 1942. Als Mitglied
der NSDAP und der SA gehörte er aufgrund seiner Einstellung zu den von den
Nationalsozialisten bestgeförderten Autoren. Nach dem Krieg wurde er korrespondierendes Mitglied des PEN-Zentrums der BRD, in Österreich hat man ihn mehrfach mit hohen Ehrungen bedacht. Von ihm sind vier Werke aus dem Erscheinungszeitraum von 1940 bis 1943, bis auf das letzte (1944), alle 1943 im Zugangsbuch
aufgeführt. Drei im Untersuchungszeitraum erworbene Werke, davon zwei, die in
dieser Zeit auch veröffentlicht wurden, gelten als Brandverlust: Der Gedichtband
„Anruf“ aus dem Jahr 1942 sowie die Erzählung „Auf der Flucht“ von 1943.
Hans Watzlik (1879–1948)
Ein deutsch-böhmischer Autor, der die völkische Zeitschrift „Der Ackermann aus
Böhmen“ herausgab. 1939 empfing er den Joseph-Freiherr-von-Eichendorff-Preis,
zu dessen Kuratorium Bruno Brehm und Hanns Johst zählten als auch die vom
deutschen Staatsoberhaupt Adolf Hitler verliehene Goethe-Medaille für Kunst und
Wissenschaft. Im Zusammenhang mit dem Dichtertreffen in Weimar steht ein EinWeimar – Jena : Die große Stadt 6/3 (2013)
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trag des Autors im Ausleihbuch der Bibliothek.44 Am 29. Juni 1942 ist darin vermerkt, dass Watzlik sich für volkskundliche Literatur interessiere. Zur Traditionspflege gehört offenbar, dass bis heute in niederbayerischen Orten Straßen und
Plätze den Namen dieses tief in den Nationalsozialismus verstrickten Autors
tragen. Das bayerische Nationalparkzentrum Falkenstein/Ludwigstal wirbt auf
seinem Internetportal mit dem Urwalderlebnisweg im Hans-Watzlik-Hain. Das
Böhmerwaldmuseum Passau pflegt das Andenken an diesen Schriftsteller.
Dementgegen sind nach ihm benannte Straßen sehr früh in der SBZ/DDR umbenannt worden. Neun zwischen 1941 und 1944 veröffentlichte Werke wurden
zwischen 1942 und 1944 eingearbeitet. Der Signaturgruppe ist zu entnehmen, dass
aus diesem Bestand einige Werke ausgesondert wurden. Acht von zehn unter der
Signaturgruppe Dd 4 : 1368 (a–h) verzeichneten Bücher, erschienen zwischen
1941 und 1942, sind in der Brandverlustdatenbank erfasst. Zwei Werke, die in Böhmen angesiedelt sind, finden sich auf der ersten und vorläufigen „Liste der auszusondernden Literatur“ von 1946.
Friedrich Schreyvogl (1899–1976)
Der österreichische Autor, der ebenfalls 1933 aus dem PEN ausgetreten war, galt
mit seinen frühen Werken unter den wahren Nationalsozialisten als „unsicherer
Kantonist […] ja als Verräter“.45 Hohlbaum und Jelusich lehnten ihn als Führer des
österreichischen Nationalverbandes der deutschen Autoren ab. Schreyvogl versprach in der Rolle des Informanten 1936 dem Literaturmachthaber H. F. Blunck
Listen mit „Einwandfreien“, „Nichtariern“ und Anhängern des italienischen
Faschismus anzufertigen. Er wurde belohnt und Schatzmeister des Bundes der
deutschen Schriftsteller Österreichs und im „Anschlussjahr“ Dramaturg und Drehbauchautor der „Wien-Film“. Nach dem Krieg bezeichnete sich der Autor als
Widerstandskämpfer, seine Werke kamen 1946 auf die „Liste der gesperrten Bücher
und Autoren“; ab 1947 waren bereits wieder erste Titel lieferbar. Von diesem Autor
gelangten im Untersuchungszeitraum Werke in die Bibliothek, seine 1944 bei
Reclam erschienene Novelle „Der man in den Wolken“ zählt zu den Brandverlusten. Sein 1925 veröffentlichtes Werk „Österreich, das deutsche Problem“ ist im
zweiten Nachtrag von 1948 zur „Liste der auszusondernden Literatur“ vermerkt.
Karl Heinrich Waggerl (1897–1973)
Der österreichische Autor entwickelte sich mit seinen Bauernromanen zu einem
Vorzeigeautor der Ständestaatzeit. Seine Sympathien für den Austrofaschismus
und dann den Nationalsozialismus, seine Zivilisationskritik als auch seine antisemitische Einstellung beförderten seinen schriftstellerischen Werdegang. Von
1940 bis 1942 stand er seiner Heimatgemeinde Wagrein als Bürgermeister vor.
Trotz dezidierter öffentlicher Vorwürfe wegen Mitschuld konnte er nach dem Krieg
nahtlos an seine Erfolge anknüpfen. Von diesem Autor sind im elektronischen
Katalog der Bibliothek 33 Bücher nachgewiesen, die z. T. aus dem Besitz der
Bibliothek der Staatlichen Kunstsammlungen Weimars (jetzt Teil der Klassik Stiftung Weimar), aus der Bibliothek von Hünich46, im Einzelfall von Privatpersonen
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bzw. von Institutionen als Geschenk/Ersatzexemplar für Brandverlust an unsere
Bibliothek gelangten. Als Feldpostheft erschien 1943 „Aus der Heimat“; das älteste
im Bestand vorhandene Werk, das keiner dieser Provenienzen zuzuordnen wäre, ist
„Das Wagrainer Tagebuch“ von 1939, das 1942 inventarisiert wurde.
Moritz Jahn (1884–1979)
Dieser Autor gehört zu den Unterzeichnern der Gründungsurkunde der ESV in
Weimar. Als Verlust durch Brand gelten die Werke „Die Gleichen“ aus dem Jahr
1939 sowie die drei 1943 veröffentlichten „Unkepunz: ein deutsches Gesicht“, eine
Feldpostausgabe von „Die Geschichte von den Leuten an der Außenforde“ und
„Frangula oder die himmlischen Weiber im Wald“.
Wilhelm Ihde
Der in Lüttich geborene Autor war Geschäftsführer der Reichsschrifttumskammer
und Mitarbeiter des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. Ihde
war Mitglied der SA und in Zusammenarbeit mit Blunck beteiligt an der Denunziation von Autoren. Er unterschrieb den Beschluss, Gottfried Benn aus der RSK
auszuschließen, was einem Publikationsverbot gleichkam. Von Johst wurde Ihde
wegen nicht SS-mäßigen Verhaltens und Nicht-Kirchenaustritt beim SS-Personalamt denunziert, doch offensichtlich ohne einschneidende Konsequenzen. Ihde
arbeitete nach 1945 als Lektor und Übersetzer in Göttingen für den Jugendbuchverlag W. Fischer und schrieb weiterhin unter Pseudonym Jugend- und Sachbücher.
Seine Werke blieben der Bibliothek erhalten, da sie, anderen Signaturgruppen
zugeordnet, nicht bei den Beständen magaziniert waren, die Opfer des Brandes
geworden sind. In der ersten und vorläufigen „Liste der auszusondernden Literatur“ sind neun seiner Werke aufgeführt.
Ines Widmann (1904–?)
Bei der neunten Berliner Dichterwoche im April 1938 wurde die Kärntner Autorin
unter dem Motto „Deutschösterreichische Dichtung der Zeit“ als Nachwuchstalent gemeinsam mit Franz Tumler vorgestellt neben arrivierten Autoren wie
Franz Nabl und Karl Heinz Strobl. 1941 gewann sie, von der im Völkischen Beobachter mehrere Fortsetzungswerke abgedruckt wurden, das erste Roman-Preisausschreiben des Völkischen Beobachters. Von ihren Werken sind nur zwei nachgewiesen, beide erschienen 1942 und wurden 1943 eingearbeitet.
Hanns Johst (1890–1978)
Der Autor veröffentlichte seine ersten Beiträge in Franz Pfempferts „Aktion“, den
angestrebten Durchbruch als Theaterschriftsteller erlangte er mit seinem expressionistischen Stück „Der Einsame“ von 1917 über den Dramatiker Christian Dietrich
Grabbe. Dieses Werk diente 1918 als Vorlage zu Bertolt Brechts dramatischem
Gegenentwurf „Baal“. Johst orientierte sich nach dem Ersten Weltkrieg an völWeimar – Jena : Die große Stadt 6/3 (2013)
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kisch-antidemokratischen Positionen und entwickelte sich zu einem „markanten
Schriftsteller der politischen Rechten“ in der Weimarer Zeit. Sein NS-Kultdrama
„Schlageter“, das erste Schauspiel, in dem sich das Dritte Reich selbst feierte,
wurde aus Anlass von Adolf Hitlers Geburtstag am 20. April 1933 in dessen
Gegenwart uraufgeführt. In seiner Funktion als Präsident der Reichsschrifttumskammer (1935 bis zum Ende des Dritten Reiches) wie auch in weiteren Funktionen hatte er immensen Einfluss auf den Literatur- und Kulturbetrieb des nationalsozialistischen Staates. 1937 wurde er in die SS-Generalität durch seinen Freund
Heinrich Himmler befördert. Er war einer von sechs Autoren, die auf der Sonderliste der „Unersetzlichen Schriftsteller“, einer Zusatzliste zur „Gottbegnadetenliste“ Hitlers auftauchen und vom Wehrdienst bis Ende 1944 frei gestellt worden
waren.47
Blunck, Brehm, Weinheber und Heinrich Zillich sind namentlich benannt als
„Gottbegnadete“, die wohl im „Künstlerkriegseinsatz“ standen, nicht aber im
Fronteinsatz als Angehöriger der militärischen Gliederungen. Als Anknüpfung zu
diesem Thema ist geplant, Autoren, die ab 1933 verboten und verfolgt worden sind
und deren Bücherschicksale in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in einem späteren Artikel vorzustellen.
Leserstrukturen
Dieses Thema ist bislang von der Forschung wenig beachtet worden. Das überrascht, denn wie im Falle Weimars kommt dem Leserjournal/Leihkartenjournal
eine besondere Rolle zu als ein unvergleichliches Zeitdokument. Der strukturelle
Wandel, den die Stadt der deutschen Klassik und Gauhauptstadt des „neuen Reiches” sukzessive vollzog, spiegelt sich auch im Leserjournal der Landesbibliothek
aus dieser Zeit. Zu den Lesern gehörten in diesem Zeitraum vorrangig Angestellte
der Behörden und ortsansässigen Ministerien, Intellektuelle sowie Autoren, die
dem frühzeitig geförderten Spektrum antisemitischer und völkisch-nationaler Literatur zuzurechnen sind und die durch ihr aktives Eintreten für die „nationale Bewegung“ den geistigen Klimawechsel in der Weimarer Republik von Weimar aus mit
prägten. Zu nennen sind hier, wenn auch deutlicher zu differenzieren wäre wie im
Fall Ernst Ludwig Schellenberg, Hans Severus Ziegler, Artur Dinter oder Franz
Kaibel.
Zu den Schriftstellerinnen aus der Gruppe der „Heimatkunst“, die hier als Leserinnen agierten, gehörten Toni Schwabe, bekannt durch ihre Romane über Goethes
Familie und Personen aus seinem näheren Umfeld; Gabriele Reuter und Elisabeth
Gnade, deren Werke mit Widmungen versehen, in den Besitz von Elisabeth FörsterNietzsche gelangten, von denen etliche in der heutigen Herzogin Anna Amalia
Bibliothek aufbewahrt werden.
1927 ist das Jahr, da sich unter den Lesern Dr. Georg Haar und Ministerialdirektor i.[m] W.[artestand] Hermann Brill befinden. Beider Lebenslauf neben denen
aufstrebender Protagonisten des Reichs zu betrachten, zeigt die Fallhöhen dieser
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Stadt. Haar, Rechtsanwalt, Kaufmann und Bibliophiler, wird kurz nach dem Ende
des Krieges gemeinsam mit seiner Frau in den Tod gehen und vorab seine bibliophile Büchersammlung dieser Bibliothek per Testament vermachen.48 Hermann
Brill, Jahre der Internierung im Konzentrationslager vor sich, wird eine führende
Rolle im Widerstand innerhalb des Lagers Buchenwald übernehmen und in seinem
Regierungsamt in der Zeit der amerikanischen Besatzung Paul Ortlepp zum neuen
Leiter der Landesbibliothek ernennen.
An der Landesbibliothek ist auch in Hohlbaums Amtszeit eine gewisse Konstanz
innerhalb der Leserschaft festzustellen: Schüler, Studenten, Beamte, Pädagogen,
Witwen und Pensionäre als auch Maler, Schauspieler, Schriftsteller und Vertreter
des riesigen Verwaltungsapparates der Gauhauptstadt. Mitarbeiter und Angestellte
der Verlage und Kulturinstitute. Intellektuelle. Ausnahmen bilden andere Berufe
wie etwa Pfarrer, Apotheker und Hebammen. Um jedoch die Veränderungen in den
Kriegsjahren zu begreifen, muss man die spärlichen Informationen des Leserjournals genau studieren. Dann lässt sich erfassen, wie sich in der Leserschaft der
Bibliothek die politische und die Sozialstruktur des Repressionsapparates im Dritten Reich abbilden. So finden sich letztlich Einträge von Lesern, deren Herkunftsorte nunmehr zu den im Kriegsverlauf „geräumten“ oder evakuierten Gebieten
gehören oder die diese fluchtartig verlassen hatten, wie das Beispiel des Lehrers
Georg Tillep aus „Kattowitz, Sedanstr. 6“ zeigen mag, der sich selbst im Februar
1945 als „Flüchtling“ bezeichnet hat.
Für Weimar gilt, was in anderen Zusammenhängen bislang bereits gut erforscht
und dokumentiert worden ist, dass die an den entstehenden Behörden, Einrichtungen und Instituten im Mustergau Thüringen arbeitenden unmittelbaren Funktionsträger der Reichsstatthalterei die Landesbibliothek als eine Bildungseinrichtung
aufsuchen und nutzen. Angehörige der Heeresstreitkräfte vor Ort und von Dienststellen in Nohra, Angehörige der Staatspolizeistelle Weimar, der Gestapo, der
Sicherheitspolizei sowie des SD, Mitarbeiter der politischen Untergliederungen,
von HJ und BDM werden in diesen Jahren Leser der Bibliothek.
Adolf-Hitler-Schüler und ein Kriegsgefangener
Sogenannte Adolf-Hitler-Schüler, die im Internat der nationalsozialistischen Eliteschule und Erziehungsanstalt in Weimar, der einzigen im Gau, unterrichtet und auf
eine künftige herausgehobene Stelle im Staats- und Parteiapparat vorbereitet wurden, sind im Leihkartenverzeichnis festgehalten.
Mindestens in einem nachgewiesenen Fall handelt es sich bei einem Leser um
einen Zwangsarbeiter. Als einem Arbeitskommando zugeteilter Kriegsgefangener,
meldet sich der russische Oberleutnant Sergej Dimitrijew 1943 am Geburtstag
Goethes als Leser an. Benötigt er Fachliteratur? Ist er im Auftrag unterwegs? Darf
er ausnahmsweise Werke russischer Autoren entleihen, von denen diese Bibliothek
zahlreiche besitzt? Man wüsste diesbezüglich gerne mehr, so aber bleibt es eine
verwehte Spur, der man kaum mehr nachgehen können wird, weil die Zeit, die sich
diese Frage nicht stellte, längst darüber hin gegangen ist.
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Flakhelferinnen und Frauen beim Roten Kreuz
In den Monaten bis zum Einrücken der amerikanischen Streitkräfte verändert sich
ganz offensichtlich auch das Leben vieler junger Frauen. Ablesbar wird auch dies
an den Anmeldungen als Nutzerinnen. Längst sind sie zu paramilitärischen oder
Wehrmachtsaufgaben herangezogen, längst sind sie dienstverpflichtet und arbeiten
mit bei der Aufrechterhaltung des Alltags sowie der Waffenproduktion. Dazu werden auch aus dem Umland junge Frauen rekrutiert und abkommandiert. Abiturientinnen agieren als Rote-Kreuz-Helferinnen oder werden als Nachrichtenhelferinnen in der Flakkaserne Weimar zum Einsatz verpflichtet, stehen im Kriegshilfsdienst oder sind als Wehrmachtsangehörige verzeichnet. Unter diesen Funktionen
haben sie ihre Angaben als Leserinnen im Feld „Beruf“ gemacht.
Leser des Konzentrationslagers Buchenwald von der Waffen-SS
Als Zeugen für das enge Beziehungsgeflecht zwischen Buchenwald und Weimar
finden sich in den Leserjournalen ab 1938 Dienstgrade der dort stationierten Einheiten und Mannschaften der Waffen-SS: Schütze, Führer, Rottenführer, Untersturmführer und Obersturmführer. Ihr Dienstort ist im Journal festgehalten: Konzentrationslager Buchenwald.
KZ-Ärzte: Erwin-Oskar Ding-Schuler
Zu den namhaften Verantwortlichen für die Verbrechen im KZ Buchenwald gehört
SS-Sturmbannführer Dr. med. Erwin-Oskar Ding-Schuler, den das Leihkartenverzeichnis der Landesbibliothek unter der laufenden Nummer 4687 am 27. November 1943, in der Wilhelmsallee 39 wohnend, registriert. Ding-Schuler fungierte als
erster Lagerarzt und war zudem ab Herbst 1941 Leiter der Fleckfieberversuchsabteilung des Hygieneinstituts der Waffen-SS im KZ Buchenwald. Seit Dezember
1941 unterhielt das Hygiene-Institut der Waffen-SS in Kooperation mit den Marburger Behring-Werken, Teil der IG Farben und dem Berliner Robert-Koch-Institut
ein Versuchslabor zur Serumforschung, insbesondere der Fleckfieberforschung im
Isolierblock 46 des KZ Buchenwald. Diese wurden bis zur Befreiung des Lagers
fortgesetzt. In amerikanischer Kriegsgefangenschaft verübte er am 11. August 1945
Suizid.
Waldemar Hoven49
Als Standortarzt der Waffen-SS des Konzentrationslagers Buchenwald ist Waldemar Hoven50 am 10. August 1942 unter der Nummer 4404 als Leser verzeichnet.
Ihm hat die Bibliothek nach Aktenlage zwischen November 1942 und Juni 1943
medizinische und rassenkundliche Fachliteratur aus anderen Einrichtungen besorgt
und zur Verfügung gestellt.51 Nach heutiger Kenntnis von möglicher Absicht und
vom Zweck der Verwendung dieser Publikationen durch Hoven sowie von den historischen Zusammenhängen, kann dieser Moment zwischen der Bibliothek und
diesem Nutzer uns verdeutlichen, was für Konsequenzen möglich sind, wenn eine
Bibliothek ihrer gesetzlichen Aufgabe nachkommt, ihren Lesern die gewünschte
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Literatur zur Verfügung zu stellen. Gleichwohl kann sie nicht, so die Ansicht des
Verfassers, dafür verantwortlich gemacht werden, zu welchen möglichen Zwecken
diese Literatur verwendet wird, zumal, wenn nach dem Gesetz kein Verbot oder
keine Benutzungseinschränkung für das betreffende Werk vorliegen.52 Hoven war
nach seiner medizinischen Notprüfung im Oktober 1939 bis September 1943
Lager- und Truppenarzt in Buchenwald und beteiligt an medizinischen Experimenten, Krankentötungen und Aussonderungen zur Vernichtung. Über die vom Reichsführer SS Heinrich Himmler veranlasste „Aktion Sonderbehandlung 14f13“,
einem der Euthanasieaktion „T4“ vergleichbaren Tötungsprogramm Unschuldiger,
hat Hoven eidesstattlich erklärt, dass der Lagerkommandant Koch im Sommer
1941 alle SS-Führer des Lagers zusammen gerufen habe, um ihnen bekannt zu
machen, „dass er von Himmler einen Geheimbefehl erhalten habe, dass alle
schwachsinnigen und verkrüppelten Häftlinge des Lagers getötet werden sollten.
Der Lagerkommandant erklärte, dass auf Befehl der vorgesetzten Dienststellen in
Berlin alle jüdische Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald mit diesem
Ausrottungsprogramm einbegriffen werden sollten.“ 53 Der amerikanische Militärgerichtshof I in Nürnberg verurteilte ihn beim Ärzteprozess 1947 wegen seiner
führenden Rolle und Beteiligung an den bewusst den Tod in Kauf genommenen
Menschenversuchen zum Tod durch den Strang. Am 2. Juni 1948 wurde Dr. med.
Hoven in Landsberg/Lech hingerichtet.
KZ-Häftlinge
Der Buchenwaldhäftling Mordechai Szwer ist am 25. Mai 1945 im Leserjournal
als polnischer Elektriker unter der laufenden Nummer 5091 registriert worden. Mit
Bleistift ist vom Bibliotheksmitarbeiter vermerkt: „kostenlos“, was sich auf die
Anmeldung/Benutzung bezieht, die sonst einer Gebühr unterlag. Dies gilt auch für
Dr. Mengering, „Buchenwald, Block 49“, der sich am 30. Mai 1945 einträgt und
Bücher zum Thema Geschichte wünscht.
Herbert Sandberg
Am 11. Mai 1945 erfolgte mit dem Eintrag eines Lesers unter der laufenden Nummer 5073 eine Zäsur, die wie keine andere den radikalen Bruch, der die Gauhauptstadt seit dem Einzug der amerikanischen Besatzungsmacht und dem Ende des
Zweiten Weltkrieges ergreift, verdeutlicht. Eine Zäsur, wie sie die Bibliothek in
ihrer Geschichte weder zuvor noch danach erlebt haben dürfte: “Sandberg, Herbert
– Zeichner – Benutzung: kostenlos – Buchenwald, Block 5” Für den ehemaligen
Häftling ist „Buchenwald, Block 5“ in der Spalte für den derzeitigen Wohnsitz vermerkt. Der Widerstandskämpfer, Zeichner und Karikaturist Herbert Sandberg war
seit 1934 inhaftiert und ab August 1938 Häftling im KZ Buchenwald neben Emil
Carlebach einer der ersten inhaftierten „politischen Juden”. Während seiner langen
KZ-Haft hatte Sandberg auch als Maurer in den Gustloff-Werken arbeiten müssen
und war zu diesem Zweck täglich mit anderen auf einem offenen Lastwagen in
Häftlingskleidung transportiert worden. Sandberg erinnerte sich in Bezug auf diese
Transporte später: „Als ich nach der Entlassung nach Weimar kam, haben alle
Leute gesagt: Wir haben davon nichts gewusst!“ 54
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Robert Hohlbaum und Hanns Cibulka –
zwei Dichter und Bibliothekare aus Jägerndorf
Kommen wir kurz noch einmal wie im Teil I des Aufsatzes ausgeführt auf die
Anfänge Hohlbaums als kulturpolitischer Akteur der Ausschaltung und nationalsozialistischen Neuordnung des wichtigsten Gremiums deutscher Schriftsteller im
Jahr 1933 zu sprechen. In dem Artikel „Schriftsteller des Dritten Reiches“ von
Hans Günther vom Juni 1933 findet sich eine sehr frühe Analyse zur Gleichschaltung der Dichterakademie, bei der bereits am 11. März 1933 der Schutzverband
deutscher Schriftsteller, die größte Berufsorganisation deutscher Autoren, als deren
letzter Präsident Arnold Zweig amtierte, von Hanns Heinz Ewers im Auftrag Goebbels aufgelöst worden war. In diesem Artikel wird Hohlbaum aus einem Beitrag in
der „Berliner Börsen-Zeitung“ vom 7. Mai 1933 zitiert, in dem er sich über Autoren aus dem SDS äußerte: „Dichter wie Casimir Edschmid, der plötzlich ein ‚flammendes Bekenntnis‘ für Deutschland ablegt und es in einem Verlage verlegt, der
noch vor wenigen Monaten Heinrich Mann und Frau Colette als seine Hauptautoren anpries, sind unbedingt abzulehnen.“ 55
Im bereits gedruckt vorliegenden ersten Teil dieses Aufsatzes war auf das Phänomen der Doppelfunktion eingegangen worden, das in einzelnen Fällen Schriftsteller betraf, die leitende Stellungen im Bibliothekswesen einnahmen und als Autoren
Funktionen im Literaturbetrieb des Dritten Reiches mittelbar oder unmittelbar ausübten. Selten aber finden sich wirkliche Doppelbegabungen unter diesen, denken
wir an Leibniz, Lessing oder Goethe. Im Dritten Reich betraf es Erhart Kästner
(1904-1974), der als Bibliothekar in der Nachfolge Lessings in Wolfenbüttel Maßstäbe zu setzen wusste. Kästner hatte auf eigenen Wunsch von der deutschen Militärführung in Athen den Auftrag erhalten, Bücher über Griechenland für die kämpfende Truppe zu verfassen. „Während des Zweiten Weltkriegs war Kästner Besatzungssoldat in Griechenland. Einen zeitlebens ausgeprägten Hang zum Nonkonformismus machte er hier gleichsam zum Programm. […] Er brachte es fertig, bis Mai
1945 Soldat zu sein, ohne ein einziges Mal seine Waffe gegen Menschen richten zu
müssen“, heißt es in einem Grundlagenwerk über Kästner.56 Fest steht, der ausgebildete Bibliothekar begleitete als „Dichter im Waffenrock“ den Feldzug der deutschen Wehrmacht in Griechenland, auf Kreta und auf anderen Inseln und verfasste
dabei ein kulturgeschichtlich höchst kenntnisreiches Werk, ohne an irgendeiner
Stelle auf das barbarische Vorgehen der Besatzungskräfte einzugehen.
Diese Momente seines Lebens ähneln oder gleichen auffällig denen einiger der
in beiden Teilen des Aufsatzes vorgestellten Autoren; auch denen Hohlbaums.
„Griechenland: ein Buch aus dem Kriege“, als Erlebnisbericht der Ereignisse von
1941 deklariert, erschien 1943 und befindet sich im Bestand der Bibliothek. Kästners Buch über Kreta und die griechischen Inseln fasst seine Reise aus der Zeit
zwischen 1943 und 1944, zu der er vom Ministerium frei gestellt worden war.
Kästner kann als ein Mitläufer betrachtet werden, ein Mann, der sich selbst auch
als Teil einer geistigen Elite betrachtete und der wider besseres Wissen über die
Nationalsozialisten und den Krieg57, die er ablehnte bzw. durchaus kritisch wahrnahm, geschickt sein Heil in der Flucht nach vorn, was von der Frontlage in Griechenland ziemlich wörtlich zu verstehen ist, suchte. Seinen Wunsch, seinen VorWeimar – Jena : Die große Stadt 6/3 (2013)
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stellungen von Griechenland als Gründungsmythos europäischer Kultur die Begegnung mit ihr folgen zu lassen, erfüllte ihm die deutsche Wehrmacht mit literarischen
Sonderaufträgen. So erhielt er die Möglichkeit als Unteroffizier im Krieg über eine
lange Zeit schriftstellerisch tätig zu sein. Diese herausgehobene Position „verdankte Kästner wesentlich dem Mäzenatentum verschiedener kulturbeflissener Generale der Luftwaffe“.58 Publizistisch kann er nun als Berichterstatter und Kulturvermittler für die deutsche Presse und für die Truppe arbeiten und in Büchern weit über den
Krieg hinaus sein Lebensthema Griechenland ausformulieren. Bedeutsam an Werk
und Haltung bleibt, dass er sich bei den Nachauflagen bis zu seinem Tod im Jahr
1974 mit keinem Wort über sein Ausblenden der Kriegsgreuel, der Täuschung und
Selbsttäuschung eines deutschen Bildungsbürgers erklärt hat.59
Robert Hohlbaum gehörte zu den Autoren, die einen gewissen Einfluss auf das
Schaffen des ebenfalls aus Jägerndorf stammenden Schriftstellers und Bibliothekars Hanns Cibulka (1920–2004) ausübten. In einzelnen Werken der beiden, so in
frühen Gedichten Cibulkas, zeigt sich eine tiefe, hier nicht näher zu wertende Heimatverbundenheit. Der Verlust dieser Herkunftslandschaft in Folge des Zweiten
Weltkrieges ist insbesondere Cibulkas Denken und lange Zeit unveröffentlichten
Texten eingeschrieben, erst ab 1989 hat er diesen Aspekt seines Lebens als Heimatvertriebener öffentlich machen können.60 In Gedanken-, Traum- und Erinnerungsskizzen, in Gedichten und Tagebuchaufzeichnungen wie dem 2004 erschienenen
„Späte Jahre“ finden sich Texte, die das mährisch-schlesische Altvatergebirge, die
Dörfer seiner Kindheit, das zweisprachige Leben heraufbeschwören wie auch die
trügerischen Verheißungen seines Jahrhunderts und die Vertreibung thematisieren.
An einer Stelle heißt es von seiner Heimatliebe und Heimatsehnsucht: „Ich wäre
gern in meiner Heimat alt geworden, nun bleibt mir nichts anderes übrig, als Nägel
in die Nebelwand zu schlagen und die Bilder daran aufzuhängen …“ 61 Herkunft
und Ankunft sind ihm zu Lebensschwestern geworden: „Thüringen – ich liebe diesen Landstrich, weil er mir erlaubt, das Leben nach meinen eigenen Vorstellungen
zu leben […] Im Alter wird das Heimweh stärker […]“ 62 Es sind Reisen in die
eigene Vergangenheit, die Jugend, die verlorene Zeit. In der Poesie rettet Cibulka
die verlorene Heimat durch Beschwörung, Erinnerung und holt sie damit in unser
schriftliches Gedächtnis zugleich als Angebot an seine Leser.
Nach dem Ende des Krieges und dreijähriger Gefangenschaft auf Sizilien lebte
Cibulka ab 1948 in Thüringen und war zunächst in der Thüringischen Landesstelle
für Bibliothekswesen in Jena tätig, studierte dann zwischen 1949 und 1951 an der
Bibliotheksschule in Ostberlin. 1953 bot man ihm die Leitung der Zentralbibliothek der deutschen Klassik an, der neu zu schaffenden Institutsbibliothek der gerade gegründeten Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar (Vorgängereinrichtung der Klassik Stiftung Weimar).
Mit ihr wurde 1969 die Thüringische Landesbibliothek zwangsfusioniert und als
Zentralbibliothek der deutschen Klassik fortgeführt, bevor daraus die heutige Herzogin Anna Amalia Bibliothek hervorging. Cibulka ging jedoch nach Gotha und
leitete dort seit 1953 bis 1985 die Stadt- und Kreisbibliothek „Heinrich Heine“.
Für sein literarisches Werk erhielt er seit 1973 zahlreiche Auszeichnungen. 1991
wurde ihm der Sudetendeutsche Kulturpreis überreicht. Bereits 1988 hatte ihm die
Florida State University (USA) eine Ehrenprofessur verliehen.
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Anmerkungen und Quellennachweis
21
Der erste Teil der Studie erschien im Heft 2-2013, S. 114–142.
Ausführlicher dazu Roland Bärwinkel, Dass diese Bibliothek „bald von ihrer Sandbank weg in freiere
Gewässer“ geführt wird. Die Thüringische Landesbibliothek Weimar im Dritten Reich. In: Justus
H. Ulbricht (Hrsg.), Klassikerstadt und Nationalsozialismus. Weimar 2002, S. 100–117.
23
Ortlepp hatte diese Mitgliedschaft im Fragebogen von 1933 angegeben.
24
ThHStAW / Thür. MfVb / PA Dr. Paul Ortlepp 22476, Bl. 75.
25
Ebd., 3 Bl, Zitat Bl. 94.
26
Ebd., Bl. 96.
27
Ebd., Bl. 97, Schreiben vom 18. Mai 1943.
28
Näheres dazu bei Roland Bärwinkel, Ein Mann von „ungewöhnlicher Begabung“. Die Thüringische
Landesbibliothek Weimar in der Zeit Hermann Blumenthals 1939-1941. In. Michael Knoche; Wolfgang Schmitz (Hrsg.), Wissenschaftliche Bibliothekare im Nationalsozialismus. Wiesbaden 2011,
S. 91–111, hier S. 92–93.
29
Unter dem Titel „Presse-Aufsätze“ im Bestand der Bibliothek.
10
Das vollständige Zitat lautet: „Aller Anfang ist schwer, am schwersten der Anfang der Wirthschaft.“
Aus: Goethe: Hermann und Dorothea, Gesang 2: Terpsichore, WA I, Bd. 50, S. 204.
11
Siehe Anm. 9. Artikel aus dem Berliner Tageblatt vom 24. April 1909.
12
Zu Philipsborn siehe Roland Bärwinkel, Die Thüringische Landesbibliothek Weimar 1919–1968. In:
Michael Knoche (Hrsg.), Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Kulturgeschichte einer Sammlung.
München 1999, S. 159–200, hier S. 184–187.
13
Näheres darüber siehe Anm. 2, S. 116–117.
14
Zum Wirken von Philipsborn an der Bibliothek ausführlich Roland Bärwinkel, Der Rote Punkt.
Benutzungseinschränkungen in der Weimarer Bibliothek seit 1945. Weimar 1993, S. 1–22, hier
S. 6–13.
15
Siehe Anm. 12, S. 104.
16
Nähere Angaben im Online-Katalog NS-Raubgut in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek.
17
Goethe- und Schiller-Archiv Weimar GSA 150/B 446, Bl. 1.
18
Ebd., Bl. 2.
19
Ebd., Bl. 3.
20
Im Zugangsbuch findet sich unter dem Datum 14. Oktober 1944 zum Werk „Kausale Morphologie.
Grundlagen zur kausalen Anatomie“ von Erich Blechschmidt als Provenienz/Lieferant die Preußische Staatsbibliothek Berlin / Reichstauschstelle. Von dort gelangte NS-Raubgut an die Bibliothek.
21
Brief an Genossen Friedrich Adler in New York. In: Benedikt Kautsky [u. a.], Luise Kautsky zum
Gedenken. Nachrufe von Friedrich Adler […] Briefe aus und über Buchenwald von Benedikt
Kautsky. New York 1945. 40 S. Hier S. 30.
22
Brief an Paul Hertz in New York vom Juni 1945. Ebd., S. 33.
23
Siehe Anm 2, S. 106. Dort ist ein Auszug dieses Verzeichnisses erstmals abgedruckt.
24
Ebd., S. 105.
25
Siehe Anm. 17, Bl. 7.
26
Brief an Oscar Pollak in London. Siehe Anm. 21, S. 24.
27
Weimar-Jena : Die große Stadt 6/2 (2013), S. 136.
28
Vgl. Dieter Stiefel, Entnazifizierung in Österreich. Wien 1981.
29
Amtliche Richtlinien über die Ausmerzung des nationalsozialistischen, des militaristischen und des
imperialistischen Schrifttums. Hrsg. vom Land Thüringen, Landesamt für Volksbildung. Jena 1945.
Zu den Vorgängen an der Landesbibliothek Weimar siehe Roland Bärwinkel, Der rote Punkt (wie
Anm. 9), ders., Die Thüringische Landesbibliothek Weimar 1919–1968 (wie Anm. 7) sowie ders.,
Ordnung durch Selektion. Die Weimarer Bibliothek. In: Gert Theile (Hrsg.), Das Archiv der Goethezeit. Ordnung – Macht – Matrix. München 2001. S. 117–129.
30
Ich danke Herrn Rüdiger Haufe für diesen Hinweis.
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AUFSÄTZE UND MISZELLEN
Ausführlicher dazu siehe Anm. 2, Anm. 14 wie auch Anm. 27.
Hierzu auch Peter Becher u. Ingeborg Fiala-Fürst (Hrsg.), Literatur unter dem Hakenkreuz : Böhmen
und Mähren 1938–1945. Vitalis 2005.
Informationen dazu geben u. a. Ralf Schnell, Dichtung in finsteren Zeiten. Deutsche Literatur und
Faschismus. Reinbek bei Hamburg 1998; Günter Hartung, Literatur und Ästhetik des deutschen
Faschismus : drei Studien. Berlin 1983; Stein Ugelvik Larsen, Beatrice Sandberg u. Ronald Speirs
(Hrsg.), Fascism and European literature = Faschismus und europäische Literatur. Bern 1991; FrankRutger Hausmann, „Dichte, Dichter, tage nicht!“ : die Europäische Schriftsteller-Vereinigung in Weimar 1941 – 1948. Frankfurt am Main 2004; Literatur unterm Faschismus. München 2009 sowie JanPieter Barbian, Literaturpolitik im NS-Staat : von der „Gleichschaltung“ bis zum Ruin. Frankfurt am
Main 2010.
Die historisch-biographischen Romane Jelusichs verzichten auf eine historische Treue zugunsten
einer Interpretation, in der Persönlichkeiten und Ereignisse der Geschichte im Geiste nationaler und
nationalsozialistischer Ideen erscheinen und umgedeutet werden. Einzelne Werke propagieren das
ideologische Leitmotiv eines Großdeutschen Reiches und verherrlichen den nationalsozialistischen
Führerkult.
Arvi Kivimaa-Helsinki, Finnische Betrachtung. In: Europäische Literatur 1 (1942) 4, S. 7–8.
Svend Fleuron, Ich sah Deutschland. In: Europäische Literatur 1 (1942) 1, S. 2.
Nach dem Urteil des bulgarischen Dichters Kiril Christow war Fani Popowa-Mutafowa die größte
bulgarische Schriftstellerin und ihre historischen Romane zählten zu den besten der Weltliteratur.
Notiz in: Europäische Literatur 1 (1942) 8, S. 25.
Josef Nyirö: Blick auf das kämpfende Deutschland. In: Europäische Literatur. 1 (1942) 2, S. 2–3.
Näheres bei Karin Gradwohl-Schlacher, Der Schriftsteller als Funktionär. Karl Hans Strobl und die
Reichsschrifttumskammer. In: Peer Becher und Ingeborg Fiala-Fürst (Hrsg.): Literatur unter dem
Hakenkreuz. (wie Anm. 25), S. 224–253.
Carl Zuckmayer, Geheimreport. 2. Aufl. Göttingen 2002. S. 87.
Ebd., S. 86.
Uwe Baur, Institutionelle Aspekte der literarischen Beziehungen zwischen Österreich und den böhmischen Ländern während des Dritten Reichs (1933–45). In: Peter Becher u. Ingeborg Fiala-Fürst
(Hrsg.): Literatur unter dem Hakenkreuz (wie Anm. 25), S. 18–33, hier S. 24.
Goethe- und Schiller-Archiv Weimar GSA 150/B 673, Bl. 10. Eintrag vom 29. Juni 1942.
Klaus Amann, Der „Anschluß“ der österreichischen Schriftsteller an das Dritte Reich. Frankfurt am
Main 1988, S. 36.
Ich danke Frau Ingrid Arnhold für diesen Hinweis.
Hierzu ausführlich bei Carl Zuckmayer, Geheimreport (wie Anm. 34), S. 234–236.
Roland Bärwinkel, Die Büchersammlung Georg Haars in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. In:
Lebendiges Erbe. Die Stiftung „Dr. Georg Haar“. Weimar 2011. S. 30–37.
Zu Hoven als Leser siehe Anm. 2, S. 108.
Waldemar Hoven (1903-1948) wurde im Herbst 1943 im Rahmen des Korruptionsprozesses gegen
den ehemaligen Lagerkommandanten Koch von der SS verhaftet. Doch nachdem im März 1945 das
SS-Verfahren ausgesetzt und Hoven entlassen wurde, nahm er erneut seine Tätigkeit in Buchenwald
auf mit dem letzten Dienstrang eines SS-Hauptsturmführers (Hauptmann).
Goethe- und Schiller-Archiv Weimar GSA 150/B 709, Allgemeine Auskünfte; enthält Schreiben von
Waldemar Hoven an die Landesbibliothek von November 1942 bis Juni 1943 über entsprechende
Fernleihersuchen.
„In einer Mitteilung vom 17. April 1943 an „Herrn SS. Hauptsturmführer Dr. Hoven, Weimar,
Buchenwald“ weist die Bibliothek darauf hin, dass Fernleihen den Nachweis erforderten, „daß es
sich um unaufschiebbare wissenschaftliche oder kriegswichtige Arbeiten handelt. Wir setzen die wissenschaftliche Notwendigkeit bei Ihren Bestellungen voraus und werden versuchen wenigstens etwas
von den bestellten Sachen für Sie zu beschaffen.“ Außerdem wurde Hoven darum gebeten, dass der
Bote, der die Literatur für ihn regelmäßig abholte, die „bekannten Leihzeiten“ beachten möge: „Nur
dann kann eine geordnete Abwicklung der Leihgeschäfte stattfinden.“ Begleitend hatte die Landesbibliothek mit der Erwerbung von medizinischer Spezialliteratur begonnen, z. B. Aschenbrenner,
Epidemisches Fleckfieber (1944). Auszug aus einer Information durch Dr. Jürgen Weber von der AG
NS-Raubgut der Klassik Stiftung Weimar vom 4. Juni 2013.
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Zitiert nach Eckart, Die Aktion „Sonderbehandlung 14f13“, S. 143–145, hier S. 143. Waldemar
Hoven, Eidesstattliche Erklärung beim Nürnberger Ärzteprozess, Doc. Nr. 429, Auszug.
Herbert Sandberg, Spiegel eines Lebens. Berlin 1988, S. 46.
Hans Günther, Schriftsteller des Dritten Reiches. In: Hans Günther, Der Herren eigener Geist. Ausgewählte Schriften. Berlin und Weimar 1981, S. 530-533. Erstabdruck in Deutsche Zentral-Zeitung,
Moskau, Nr. 131 vom 9. Juni 1933.
Julia Freifrau Hiller von Gaertringen, „Diese Bibliothek ist zu nichts verpflichtet außer zu sich
selbst“: Erhart Kästner als Direktor der Herzog August Bibliothek 1950–1968. Wiesbaden 2009, hier
S. 22.
Ebd. Kästner hat mehrfach in Briefen über die kriegsbedingten furchtbaren Hungersnöte in Griechenland berichtet.
Julia Freifrau Hiller von Gaertringen „Meine Liebe zu Griechenland stammt aus dem Krieg“: Studien zum literarischen Werk Erhart Kästners. Wiesbaden 1994. Hier S. 124.
Siehe dazu Arn Strohmeyer, Dichter im Waffenrock. Erhart Kästner in Griechenland und auf Kreta
1941 bis 1945. Mähringen 2006 sowie Willi Winkler, Schicksal unter flüsternden Hainen. Der
Griechenlandfahrer Erhart Kästner – Humanist, Bibliothekar und „Dichter im Waffenrock. In. Süddeutsche Zeitung 196 (2006), S. 16.
Die Anthologie „‚Ich habe nichts als das Wort‘. Beiträge zum Werk Hanns Cibulkas“, Radebeul 2010
vereint literarische und publizistische Beiträge.
Hanns Cibulka, Späte Jahre. Tagebuchaufzeichnungen. Leipzig 2004, S. 21.
Ebd., S. 62.
Kontakt:
Roland Bärwinkel
c/o Klassik Stiftung Weimar
Herzogin Anna Amalia Bibliothek
Platz der Demokratie 1
99423 Weimar
E-Mail: [email protected]
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AUTOREN / VORSCHAU
Autoren von Heft 3 (2013)
Roland Bärwinkel (Weimar)
Hendrik Kalvelage (Göttingen)
Axel Stefek (Weimar)
Vorschau auf Heft 4 (2013)
Johann Dürr (1600–1663). Der [unbekannte] sächsisch-thüringische Kupferstecher
Frank Boblenz
„… behalte mich lieb und schribe mir maich mahl ein freuliches vort“.
Die Briefe der Christiane Vulpius
Anja Stehfest
Edvard Munch (1863–1944) in Weimar und Jena.
Zum 150. Geburtstag des norwegischen Malers.
Volker Wahl
FORUM
Zur kulturhistorischen Bedeutung des Schießhauses in Weimar.
Ergebnisse neuerer Forschungen
Weimar – Jena : Die große Stadt 6/3 (2013)
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