- Busch

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MAGAZI N FÜ R BEWEGU NG I N DER ARCH ITEKTU R
Wohnen
puls 02 | 2013
Ein einzigartiger Platz.
Für zwei.
Kristallfassade am Rhein
von römer partner architektur
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Interview mit Stefan Marte
Wohnen im Mehrgenerationenhaus
Jenseits der Schwelle –
Architektur gegen die Gewohnheit
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Die Zukunft ist da.
02 | 2013
» Editorial
Vittorio Grassi war 9 Jahre lang Partner im Büro von Renzo Piano.
Seit 2005 leitet er sein eigenes Architekturbüro in Mailand.
Zur Sache: Wohnen und ewige Werte
puls im Gespräch mit Vittorio Grassi
Wir sind neugierig … wie wohnen Sie selbst?
Ich glaube gar nicht, dass die Lebensumstände
Welche Bedeutung werden ökologische Aspekte
Ich selbst lebe im Herzen Mailands in einem
einem so großen Wandel unterworfen sind.
zukünftig für den Wohnungsbau haben?
ausgebauten Dachgeschoss mit großzügiger
Wie in der Vergangenheit sehnen sich auch
Nachhaltigkeit kann nur funktionieren, wenn
Terrasse. Sonnenlicht ist das wesentliche
heute die Menschen nach Wärme, Zuneigung,
soziale, ökonomische und ökologische Parame-
Merkmal meiner Wohnung. Es scheint auf die
Freundschaft und Liebe. Architektur für Wohn-
ter gemeinsam betrachtet werden. Nirgendwo
Pflanzen und dringt durch die großen französi-
gebäude hat im Wesentlichen die Aufgabe, mit
sonst können Menschen so unmittelbar
schen Fenster und die Jalousien ins Innere. Ich
neuen technischen Lösungen auf diese tradi-
erreicht werden wie beim Wohnungsbau, des-
schätze offene Räume und die Freiheit, diese
tionellen Bedürfnisse einzugehen.
wegen kann hier umso mehr ein Umdenken in
Gang gesetzt werden, das der Gesundheit
schnell und unkompliziert zu verändern. Was
die Einrichtung angeht, ähnelt mein Zuhause
Was bedeutet dies in der Praxis?
einem unvollendeten Werk: stets offen für
Ich persönlich setze bei meinen Entwürfen auf
neue Ideen und Experimente – Work in Progress.
große und helle Empfangs- und Wohnbereiche,
Welche Rolle spielen hier Gebäudeautomations-
unseres Planeten zu Gute kommt.
hohe Decken und komfortable Möbel. Dies sind
techniken wie zum Beispiel KNX?
Waren Sie einmal bereits Ihr eigener Bauherr?
die Orte, an denen man viel Zeit mit Freunden
Gebäudeautomation ist für mich gleichbedeu-
Oh ja, als mein eigener Bauherr bin ich sehr
und Verwandten verbringt. Andererseits gehö-
tend mit mehr Komfort, mehr Sicherheit und
tolerant – besonders was den Zeitplan angeht.
ren für mich auch großzügige Schränke und
höherer Energieersparnis: Der Bedarf an
Das liegt daran, dass ich voller Leidenschaft noch
Abstellbereiche zu einer gelungenen Wohnum-
Gebäude-Management-Systemen wächst kon-
auf der Baustelle Verschiedenes ausprobiere.
gebung. Insbesondere da durch elektronische
tinuierlich. Diese Systeme sind wunderbar, sie
Hilfsmittel unsere Erinnerung so weit entmate-
sollten aber modular und so offen wie möglich
Das gesellschaftliche Leben ändert sich. Beein-
rialisiert wird, sollten jene geschätzten Objekte,
angelegt sein. Außerdem plädiere ich dafür,
flussen Entwicklungen wie die Patchwork-
mit denen sich wichtige persönliche Erinnerun-
dass die Einstellungen, die der Benutzer vor-
Familie oder das Home Office Ihre Architektur?
gen verbinden, mit Sorgfalt bewahrt werden.
nimmt, einfach und nah am Alltag sind.
02
puls 02 | 2013
Architektur gegen die Gewohnheit > S. 4 Wohnen
im Mehrgenerationenhaus > S. 8 Kristallfassade in
Köln > S. 16 Modernes Wohnquartier mit hohem
Aufenthaltswert > S. 22 Der „Mädchenturm“ und
andere Wohnbauten von Marte.Marte Architekten
> S. 32 Recycling-Ziegel – das Kunstmuseum
Ravensburg > S. 38 Der Architekt Hadi Teherani
und Busch-Wächter® MasterLINE > S. 40
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08
16
22
Titelbild: Jens Willebrand
Bildbearbeitung:
Raphael Pohland / Minister von Hammerstein
28
Macro
Jenseits der Schwelle
von Wilhelm Klauser
Micro
Architektur für Mehrgenerationenhäuser
von Insa Lüdtke
Praxis I
Stacheliger Kokon –
die K-Star Residence in Köln
Praxis II
Leben im Hof – das Wohnquartier
Hollerstauden in Ingolstadt
Visionen
Das Haus von morgen
32
38
40
42
43
Zu Besuch
Interview mit Stefan Marte über den
„Mädchenturm“ in Vorarlberg
Material
Lederer Ragnarsdóttir Oei
über Ziegel als Material
Einblicke
Busch Wächter MasterLINE – ein neues
Produkt aus dem Hause Busch-Jaeger
Denkanstoß
Die Preisfrage zum aktuellen Thema
Impressum
03
Iwan Baan
» Macro
Nur wenige Architekten stellen
so konsequent Wohngewohnheiten in Frage wie der japanische
Architekt Sou Fujimoto. Sein
nahezu vollends transparentes
„House NA“ ist in Tokio bereits zu
einem internationalen Pilgerort
für Architekten geworden (links).
Jenseits der Schwelle
Damit Wohnen nicht gleichbedeutend mit Gewohnheit ist – Architekten
und Bauherrn sollten Mut beweisen und an der bekannten Wohnstruktur
aus Küche, Bad, Wohn- und Schlafzimmer rütteln. Schließlich verändert
sich unsere Arbeits- und Lebenswelt so rasant, dass neue Ideen unentbehrlich sind. Interessante architektonische Lösungen sind jene, die individuelle
Wünsche konsequent im Entwurf umsetzen.
Von Wilhelm Klauser
„Unter einer Wohneinheit sind nach außen abgeschlosse-
Zur Wohnung gehören Werte
ne, zu Wohnzwecken bestimmte, in der Regel zusammen
Das Kind malt mit spitzem Stift den Grundriss: Blumen-
liegende Räume in Wohngebäuden und sonstigen Gebäu-
strauß in der Aufsicht, Teppich und Bett mit Wärmflasche.
den mit Wohnraum zu verstehen, die die Führung eines
Haustür. Flur. Garderobe. Toilette. Hände waschen, Wohn-
eigenen Haushalts ermöglichen.“ Das also ist die Wohnung,
zimmer. Aus den Augenwinkeln der Blick in die Küche.
wenn es nach der Statistik geht. 40,47 Millionen davon gab
Sofa. Lachen. Esstisch. Nachtisch. Fernsehen und dann ins
es in Deutschland im Jahr 2011, und die durchschnittliche
Bett. Vorher noch Badezimmer. Da fällt die Sorgfalt auf, mit
Wohnungsgröße je Person betrug 43 Quadratmeter.
der die Gegenstände vom Kind gemalt werden. Selbst das
Muster auf dem Teppich wird gezeichnet. Offensichtlich
Superlativ von Wohnen: Leben
hat Wohnen nichts mit Reduktion zu tun. Mit der eigenen
Haustür. Flur. Garderobe. Toilette. Hände waschen, Wohn-
Wohnung vermitteln sich stattdessen Werte – Wertvolles –
zimmer. Aus den Augenwinkeln der Blick in die Küche.
individuell Wertgeschätztes. Eingezeichnet werden vom
Sofa. Lachen. Esstisch. Nachtisch. Fernsehen und dann ins
Kind deshalb Bezugspersonen. Meist wird in solchen Zeich-
Bett. Vorher noch Badezimmer. Seltsam, wie verbissen sich
nungen auch eine sehr konkrete Vorstellung vom
manche Wohnvorstellungen halten. Bestimmte Raumkon-
Zusammenleben sichtbar: Eine Katze, ein Hund, die Oma …
stellationen tauchen immer wieder auf hinter der Haustür.
Wohnen ist in solchen Zeichnungen kein ästhetisches Kon-
Lebst Du schon – oder wohnst Du noch? Der Slogan des
zept, sondern sozialer Kontext. Wenn sich der Tagtraum der
großen Möbelhauses ist nicht schlecht, suggeriert er doch
eigenen Wohnung später realisieren lässt, wenn Architek-
die Einheit von Wohnen und Leben – besser noch: Der
ten und Investoren die ureigenen Wünsche transkribieren
Superlativ von Wohnen wäre also das Leben! Seltsam, wie
– Material, Oberflächen, Raumbezüge, Ausblicke – dann
bereitwillig die Idee des Öffentlichen und Sozialen, die Idee
erst wird häufig auf die Menschen verzichtet. Für Architek-
der Gemeinschaft aus der Vorstellung vom Leben ausge-
ten ist nicht die Planung der Wohnung eine Herausforde-
blendet wird. Das Leben ist privat.
rung. Herausforderung ist die Planung von Wohnen.
05
Vinesh Gandhi
George Dupin
Öffentliches und Privates überlagern sich
bung vom Wohnen? Richtig gemütlich wurde es erst im
Politisch kann solch eine Aufgabe sein, manifestieren sich
Biedermeier, mit der großbürgerlichen Familie. Die Woh-
doch in der Gestaltung des individuellen Raums Machtkon-
nung wird da zu einem Kokon, der alle Bewohner
stellationen, die nicht einfach aufzulösen sind. Für Ehefrau-
umschließt. Die Wohnung wird zur Gewohnheit, die zu
en zum Beispiel ist bis heute in den meisten industriellen
überwinden ist.
Planungen kein eigenes Zimmer vorgesehen. Es gibt ein
Kinderzimmer, ein Wohnzimmer, eine Küche … aber was
Individualität versus Gewohnheit
heißt das schon? Selten, dass in einer Familie nicht längst
Wer hätte sich zum Beispiel vor 15 Jahren vorgestellt, dass
beide Partner arbeiten. Elternzeit können beide beantra-
Wohnen auf Industriefußboden salonfähig wird, dass zum
gen, überkommene Rollenbilder werden abgelegt, was sich
Beispiel dort erzogen, gegessen und geliebt wird, wo einst
aber nicht unbedingt in den Wohnungen widerspiegelt.
die Maschinen tobten? Man schätzt den offenen Grund-
Individualität: „Maison L“ von
Christian Pottgießer ist durch
seine fünf Türme charakterisiert. (oben, r.).
Konsequent an den regionalen
Gegebenheiten orientieren
sich das indische „Courtyards
House“ des Architekten Sanja
Puri (oben, l.)
riss, setzt ihn gleich mit Freiheit und Unabhängigkeit:
Das Private bleibt und wird praktisch. Was sagt aber ein
Individueller Lebensstil statt Gewohnheit ist angesagt.
Begriff wie Home Office eigentlich genau aus? Soll man im
Das gelingt nicht immer, auch wenn die Küchenblock-
Büro wohnen – oder soll man zu Hause arbeiten? In jedem
nespresso-Lofts in der Innenstadt weggehen wie frisch
Fall eine enorme Herausforderung, denn das Wohnkonzept
geschnitten Brot.
vom individuellen Rückzugsraum wird in Frage gestellt.
In architektonischer Hinsicht überzeugen können jene Pro-
Öffentliches und Privates überlagern sich. Wohnen verän-
jekte, bei denen das Konzept breiter und langfristiger ange-
dert sich, wird weiter gefasst, wenn die antrainierten Zeit-
legt ist. Hier bedeutet Wohnen weit mehr als die berühmten
strukturen sich auflösen, wenn soziale Medien den Alltag
vier Wände, sondern beinhaltet den sozialen Kontext. Ein
strukturieren. Die Lektüre der alten Romane führt noch in
Wohnatelier, eine Senioren-WG, ein Studentenwohnheim –
großbürgerliche Salons, in denen die private Enklave auch
gemeinsames Essen, Austausch. Der starre Kokon wird
nicht existiert: Belle Etage – hier ist der Raum für den
durchbrochen, wenn neue Kräfte auftreten. Da ist auch der
repräsentativen Empfang. Der Rahmen für soziale Interak-
Architekt plötzlich unabhängig, kann Ungewöhnliches vor-
tion ist prächtig. Die Damen ziehen sich zurück, die Herren
schlagen – vorausgesetzt, sein Kunde kann sich artikulieren
rauchen, Zeit existiert nicht. Spricht man in dieser Umge-
und hat die Freiheit, seine Wünsche zu verwirklichen.
06
puls 02 | 2013
Adriano Pecchio
Klarheit, Reduktion und Eleganz: Beim Umbau der
toskanischen Villa Podere
Bedano setzt Vittorio Grassi
auf Raumkontinuen und
abwechslungsreiche Materialien (oben).
Leben im transparenten Setzkasten
betont selbst: „Ich sage auch nicht: Werft all eure Möbel
Die Bauherren, die bei dem japanischen Architekten Sou
weg! Ich möchte nur zeigen, dass es vielleicht auch andere
Fujimoto „House NA“ in Auftrag gaben, wollten in ihrem
Möglichkeiten gibt zu wohnen.“
Haus leben wie Nomaden. Fujimoto ist Spezialist für eine
solche Bauaufgabe und konsequent im Hinterfragen von
Der Mailänder Architekt Vittorio Grassi, der lange Zeit als
dem, was wir im Wohnen als selbstverständlich erachten.
Partner im Büro von Renzo Piano gearbeitet hatte, sollte in
Wenn Fujimoto entwirft, kehrt er zu den architektonischen
der Toskana die aus dem 18. Jahrhundert stammende Villa
Wurzeln zurück: Welche Funktion hat ein Zimmer, welche
Podere Bedano erhalten und doch für die Gegenwart fit
eine Wand. Kann ein Raum vielleicht auch ohne beides
machen. Er entschied sich für hochwertige Materialien –
auskommen? Sein „House NA“ hat daher auch nichts von
ausgewähltes Parkett, Steinböden in gedeckten Farben. Die
einem Rückzugsort, beim Anblick der voll transparenten
Ausblicke in auf die umliegenden Olivenhaine sind unbe-
Fassade könnte man auch an einen Setzkasten denken. In
dingt Teil des Konzepts. Das Ergebnis ist eine luxuriöse
den Innenräumen stößt der Besucher auf keine schweren
Umgebung, die nicht mit ihren Werten prahlt, sondern
Möbel. Ihre Aufgabe hat die Architektur selbst übernom-
langfristig und nachhaltig angelegt ist (der Energiebedarf
men: Treppenstufen werden zu Sitzgelegenheiten, Wand-
für Haus und Pool wird zu 70 Prozent von der eigenen
vertiefungen ersetzen Schränke. Vor- und Rücksprünge
Solaranlage und der Geothermieheizung gedeckt). Grassi
können als Balkone oder Dachterrassen genutzt werden. Im
gelingt das Kunststück einer zeitlosen Architektur, die
gesamten Haus gibt es so gut wie keine festgeschriebenen
gleichwohl technisch auf dem neuesten Stand ist. Einen
Funktionen. Die Bewohner selbst bestimmen, welche Funk-
japanischen Bezug gibt es auch hier: Grassi umschreibt die
tionen die gläsernen Kuben annehmen sollen. So ist es auch
Villa gerne mit einem Verweis auf die japanische Kultur:
gut möglich, den Arbeitsplatz gemäß dem Sonnenstand
Dort steht „wabi-sabi“ für eine Ästhetik, die Eleganz in der
mehrmals am Tag zu wechseln.
Einfachheit und nicht in der prahlerischen Geste sucht.
Wahrscheinlich kann das radikal reduzierte „House NA“
nur in Tokio stehen, wo auf engstem Raum Wohnkomfort
geboten wird. Dabei muss es aber auch nicht darum gehen,
das Wohnen fortwährend neu zu erfinden. Sou Fujimoto
Dr. Wilhelm Klauser ist Architekt, Stadtplaner und Architekturkritiker. Kürzlich
erschienen: „Baukultur Verkehr. Orte – Prozesse – Strategien“, eine Publikation
der Bundesstiftung Baukultur. Herausgeber: Michael Braun, Wilhelm Klauser.
256 Seiten, ParkBooks Zürich.
07
» Micro
Zuhause 2.0 – Mehrgenerationenwohnen in der Praxis
Die Alterung der Gesellschaft und der Zerfall klassischer Familienstrukturen
befördern die Idee des Mehrgenerationenhauses. Seit über zehn Jahren werden
immer wieder erfolgreich Projekte realisiert, die ein gemeinschaftliches Wohnen
mit Rückzugsmöglichkeiten kombinieren. Bei der Planung ist der Architekt
oftmals auch als Vermittler und Moderator gefragt, technische Innovationen wie
die Gebäudesteuerung bekommen dabei zusehends Bedeutung.
Text Insa Lüdtke
Leben im Generationenverbund ist historisch betrachtet eine
gen Umfeld im Sinne von Wahlverwandtschaften wächst
Selbstverständlichkeit. Dabei spielten weniger romantische
unabhängig von Alter und sozialem Status. Selten geht es
Vorstellungen einer trauten Großfamilienidylle eine Rolle als
dabei um das Konzept der klassischen Wohngemeinschaft
ganz pragmatische Gründe. Sinnbildlich steht das Altenteil
mit Putzplan, sondern um ein Zusammenleben in Gemein-
für Geben und Nehmen zwischen den Generationen. Mit der
schaft auf Distanz.
Übertragung des bäuerlichen Gutes an die junge Generation
sicherten sich die Alten den Lebensunterhalt (z. B. durch
Einer Lebensweise Raum geben
Naturalien), ein lebenslanges Wohnrecht auf dem Hof sowie
Eine Art Initialzündung auf diesem Feld gelang vor elf Jah-
Dienstleistungen oder laufende Geldleistungen.
ren dem Wiener Architekten Franz Sumnitsch, der mit sei-
Klassiker unter den Mehrgenerationenprojekten: „Miss
Sargfabrik“, initiiert vom Wiener Büro BKK-3, wurde 2001
eröffnet und ist heute Pilgerstätte für interessierte Architekten (rechts).
nem Büro BKK-3 in enger Abstimmung mit den zukünftiKlassische Familienstrukturen lösen sich in Zeiten wach-
gen Mietern eine ehemalige Sargfabrik zu einer modernen
sender Singularisierung und Individualisierung mehr und
Wohnanlage umbaute – im Sinne eines Quartiers der kur-
mehr auf. Nicht nur beruflich ist Flexibilität gefragt, was
zen Wege. Das Projekt „Miss Sargfabrik“ umfasst auf einer
ein Leben der verschiedenen Generationen an einem Ort –
Fläche von 3.000 Quadratmetern circa 40 Wohneinheiten.
selbst wenn gewünscht – selten möglich macht. Mit stei-
Räumliche Angebote für Kommunikation und nachbar-
gendem Lebensalter eröffnet sich für die wachsende Zahl
schaftliche Vernetzung wie z. B. eine Bibliothek und
älterer Menschen die Chance, mit dem Renteneintritt noch
Gemeinschaftsküche sollen eine „soziale Architektur“
einmal eine aktive Lebensphase zu beginnen. Was für die
schaffen, in der sich alle Generationen wohlfühlen können.
einen die Möglichkeit des freiwilligen sozialen Engage-
„Hier wurde kein Wohnhaus geschaffen, sondern einer
ments bedeutet, ist für andere schlichte Notwendigkeit –
Lebensweise Raum gegeben,“ betonte Sumnitsch vor vier
wenn etwa jemand keine Nachkommen hat. Der Wunsch
Jahren im Editorial dieses Magazins. „Viele Bewohner sind
nach einem selbstbestimmten Wohnen in einem lebendi-
eingezogen, weil sie nicht mehr anonym wohnen wollten,
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puls 02 | 2013
Hertha Hurnaus
archimage/Meike Hansen
sondern ihr Leben in einer Gemeinschaft verbringen möch-
tet, gemeinsam wird der Garten genutzt. Für Peter Weber
ten. Alleinerziehende Mütter oder Väter können zum Bei-
besteht die Kernidee des Projekts darin, „sich im Alltag
spiel vom Kindergarten über das Schwimmbad bis zum
gegenseitig zu unterstützen“. Als Vorstand der Genossen-
Veranstaltungssaal die volle Palette der Einrichtungen sehr
schaft koordinierte er den Prozess der Entscheidungsfin-
sinnvoll nutzen."
dung für die Bewohnergruppe.
Der Architekt als beratender Moderator
„Die Berliner haben Vieles richtig gemacht,“ ist sich Anne
„Miss Sargfabrik“ gilt bis heute als mustergültiges Mehr-
Dellgrün sicher. Gruppen müssten vor allem ein tragfähiges
generationenhaus, das Architekten aus ganz Europa und
Konzept mitbringen, am besten eines mit sozialem Belang.
interessierte Bewohner regelrecht als Pilgerstätte aufsu-
Die Kölner Sozialwissenschaftlerin befürwortet den Ansatz
chen. Das Projekt war zunächst Vorreiter und gilt nach wie
der Gruppenstruktur aus Jung und Alt, Krank und Gesund,
vor als Vorbild für generationenübergreifende Konzepte
Familien und Singles. Dellgrün begleitet Wohngruppen
auch in Deutschland: So leben seit fünf Jahren in einem
beratend bei der Konzept- und Projektentwicklung. Ein Mix
fünfgeschossigen ehemaligen Schulgebäude im Berliner
sei ein gutes Fundament, gerade wenn es darum gehe, bei
Vorort Karlshorst junge Familien Tür an Tür mit Alleinste-
Partnern wie Banken oder der Wohnungswirtschaft vorstel-
henden, behinderten Menschen und Älteren. Die Mieter-
lig zu werden. Eine Nachbarschaft des guten Willens reiche
genossenschaft SelbstBau e.G. ließ nach den Plänen des
aber nicht aus, warnt Dellgrün. Für ein erfolgreiches Gelin-
Berliner Büros Standort Architekten das denkmalge-
gen gilt es von Beginn an, Wünsche der künftigen Bewoh-
schützte Backsteingebäude aus dem Jahr 1899 zu einem
ner in die Plaungen einfließen zu lassen. Gerade hier muss
generationenübergreifenden, integrativen Wohnhaus
der Architekt seine Kompetenzen als Berater, Moderator
umgestalteten. Die Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen
und Organisator ausspielen. So muss er zunächst die unter-
sind zwischen 55 und 140 Quadratmeter groß, 16 der 21 Ein-
schiedlichen Wohnbedürfnisse und letztlich Lebensentwür-
heiten sind barrierearm, 5 sind rollstuhlgerecht ausgestat-
fe ermitteln und diese in eine Planung übersetzen. Etwa in
10
Die Wohnungen des von
Behnisch Architekten 2011
realisierten MehrgenerationenQuartiers in Ingolstadt-Hollerstauden gruppieren sich um ein
zentrales glasüberdachtes
Atrium (oben und rechts).
puls 02 | 2013
archimage/Meike Hansen
Form eines „neutralen“ Grundrisses, der mit ungefähr gleich-
fügung zu stellen. Dellgrüns Erfahrungen nach bildet sich
großen Räumen unterschiedliche Nutzungen zulässt oder als
immer eine Kerngruppe von 8 bis 14 Personen, die die
differenziertes Wohnungsangebot für die unterschiedlichen
Grundlagenarbeit macht. Rund 3 Jahre Zeit braucht es, um
Lebensphasen – letztlich stehen bei dieser Bauaufgabe soziale
ein Projekt vom Konzept bis zum Einzug umzusetzen.
Fragen und Kompetenzen im Fokus. Später muss er den künftigen Bewohnern womöglich auch unangenehme Entscheidun-
„Im Quartiersbezug erkenne ich einen sinnvollen Ansatz,
gen verkaufen, um das Projekt nicht zu gefährden.
was das Mehrgenerationenwohnen betrifft,“ sagt Dr. MarieTherese Krings-Heckemeier, Vorstandsvorsitzende der
Enge Bindung zu den späteren Bewohnern
empirica AG. Das Forschungs- und Beratungsinstitut für die
Generationenübergreifende Projekte entstehen von verschie-
Wohn- und Immobilienwirtschaft war mit der Begleitung
denen Seiten aus: Interessensgruppen finden sich lokal
des Quartiersprojektes „St. Leonards Garten“ beauftragt, das
zusammen („bottom up“), häufig handelt es sich hierbei um
im Rahmen des ExWoSt-Programms (Experimenteller Woh-
Wohneigentum. Immer mehr setzt sich auch im Mietwoh-
nungs- und Städtebau) realisiert wurde. Durch die enge Ein-
nungsbau die Erkenntnis nach dem Bedarf für gemeinschaft-
bindung der späteren Bewohner von „St. Leonards Garten“
liches Wohnen durch („top down“). Dellgrün berät neben Bau-
konnten bei dem neuen Wohnquartier mit rund 100 Wohn-
gruppen auch die Wohnungswirtschaft bei der Quartiersent-
einheiten und 50 Stadthäusern, das zwischen 2009 und
wicklung. Hier können gemeinschaftliche Projekte einen
2012 auf einem ehemaligen Stadtbahndepot im Zentrum
wichtigen Beitrag leisten und einen echten Mehrwert für das
von Braunschweig entstanden ist, viele Nutzerwünsche von
Umfeld bieten, wenn sie z. B. Räumlichkeiten für ein Café,
vornherein in den Entwurfsprozess einbezogen werden.
einen Service-Stützpunkt oder eine Tagespflege einplanen
Hierdurch sollte das Zusammenleben der Generationen von
und damit auf das Umfeld ausstrahlen. Das wiederum kann
Beginn an gefördert und der Generationenwechsel, der sich
ein Argument für die Wohnungswirtschaft sein, so einem Pro-
mit den Jahren vollziehen wird, in den architektonischen
jekt ein günstiges und zentral gelegenes Grundstück zur Ver-
Planungen Berücksichtigung finden.
11
Jens Masmann
Julia Knop
Inmitten einer bestehenden
Blockrandbebauung entsteht
in München-Neuhausen bis
2016 unter dem Namen „Drei
Höfe“ eine genossenschaftliche Wohnanlage, die Singles,
Paare, Familien und Wohngemeinschaften offen steht.
Generationengerechtes und nachhaltiges Wohnen
Selbst das drittgrößte deutsche Wohnungsunternehmen
Nachhaltigkeit sei jenseits energetischer Anforderungen
Vivawest Wohnen GmbH setzt mit den „Johanniskirch-
auch im sozialen Sinne das richtige Stichwort bei Mehrge-
gärten“ in Essen auf ein Mehrgenerationen-Quartier. Seit
nerationen-Wohnprojekten, weiß Alexander Grünenwald.
2007 entstanden auf einer Gesamtfläche von rund 30.000
Schon vor 20 Jahren hatte der Architekt (Grünenwald +
Quadratmetern im gewachsenen Umfeld des Essener
Heyl) für die städtische Wohnungsgesellschaft Sozialbau
Stadtteils Altenessen durch Modernisierung und Neubau
Kempten das Projekt „Integriertes Wohnen Kempten“ ent-
rund 210 Mietwohnungen, die zum Teil als Maisonette
wickelt: „Das Quartierscafé belebt noch heute ganze Teile
oder im Loftstil gestaltet sind. Darüber hinaus sind elf
der Altstadt, auch der Gemeinschaftsraum funktioniert
Eigenheime in der Planung. Breite Laubengänge bieten
hervorragend.“ Für die städtische Wohnungsgenossen-
Raum für Begegnung und Gemeinschaft. Jung und Alt,
schaft Ulmer Heimstädte war das Architekturbüro mit
Familien und Singles, Menschen mit und ohne Behinde-
der Planung eines Mehrgenerationen-Wohnprojekts
rung sollen hier Wohnraum finden, der nicht hinter vier
beauftragt, das 2011 bezogen wurde. Im Niedrigenergiest-
Wänden endet. Die Wohnungen sind überwiegend barrie-
andard kfw 55 entstanden 35 barrierefreie Mietwohnun-
refrei. Sie haben bodengleiche Duschen, verbreiterte
gen mit 1,5 – 4 Zimmern zwischen 50 und 105 Quadratme-
Türen und schwellenlose Zugänge zu den Balkonen. Ein
tern, ein zentraler Gemeinschaftsraum mit Küche am Ein-
Mietertreff und das Kundencenter des Wohnungsanbie-
gangsbereich, gemeinschaftliche Frei- und Grünbereiche,
ters mit Concierge sind integraler Bestandteil.
Kinderspielplatz, Fahrradabstellhäuser und Tiefgarage.
Derzeit entsteht der „Generationengarten“, der den
Bewohnern einen gemeinschaftlichen Freiraumbereich
Von der Arbeitsgemeinschaft Baden-Württemberger Bau-
mit Platz für nachbarschaftliche Aktivitäten bieten soll.
sparkassen erhielt das Projekt den Preis der Initiative 2012
Ein umweltfreundliches Regenwasserkonzept sorgt für
und den Sonderpreis des Landeswettbewerbs „So wollen
ein gesundes Mikroklima in der gesamten Siedlung.
wir wohnen – generationengerecht, integriert, nachhaltig".
13
Jens Masmann
Technische Assistenzsysteme
Einrichtungen im Quartier. Dazu wurden im Jahr 2008
Bei der Konzeption von generationenübergreifenden
barrierefreie, anpassungsfähige Wohnungen im Bestand
Wohnprojekten können technische Lösungen sinnvoll ein-
geschaffen, sowie ein Pflegedienstleister in das Quartier
fließen. So unterstützt der KNX-Standard seit 20 Jahren
eingebunden. Im Bereich der sozialen Infrastruktur sind
Aspekte von Komfort und Sicherheit in den eigenen vier
somit professionelle Hilfeleistungen, Alltagshilfen und
Wänden. Die damit verbundene Gebäudeautomation
Beratungsangebote direkt vor Ort abrufbar, ergänzt um
kommt allen Generationen zugute, die in einem Haus
Infrastrukturangebote für Jung und Alt. Zur Aktivierung
zusammen leben. Zusätzlich zum Stromnetz nutzt der
der Bewohner und der Kommunikation im Stadtviertel tra-
KNX-Standard eine Niedervoltleitung, so kommunizieren
gen der Gemeinschaftsraum, ein Concierge und das Netz-
die einzelnen Steuer- und Bedienelemente, Sensoren und
werkerbüro sowie die Internetplattform
Aktoren miteinander. Farbiges Orientierungslicht im Flur-
www.pfingstweide.de bei.
Jedem Bewohner seine individuelle Wohlfühlumgebung
geben: mit technischen Assistenzsystemen oder speziellem
Raum für Begegnung. So entsteht in den „Johanniskirchgärten“ in Essen derzeit der
„Generationengarten“ (rechts).
bereich, die Leseleuchte im Wohnzimmer oder die Küchenbeleuchtung können geschaltet werden. Außerdem kön-
Generationenübergreifendes Netzwerk
nen die Stereoanlage oder der Fernseher eingeschaltet wer-
Damit in Zeiten wachsender Pluralisierung selbstbestimm-
den, um dem Bewohner „seine“ individuelle Wohlfühlsum-
tes Wohnen – ob als Familie oder Single und unabhängig
gebung nach Bedarf zu bieten. Gerade aufgrund der intuiti-
vom Alter – gelingen kann, braucht es zuallererst Anre-
ven und selbsterklärenden Funktionen bewertet die ältere
gung und Austausch. Nicht von ungefähr trug deshalb
Generation KNX zunehmend positiv.
wohl auch in diesem Jahr eine viel beachtete Ausstellung
im Deutschen Architekturmuseum den Titel „Netzwerk
Auch die Vernetzung eines ganzen Wohnquartiers über
Wohnen – Architektur für Generationen“. Die Schau in
eine Internetplattform kann eine generationenübergrei-
Frankfurt verwies auf 35 internationale Projekte, die die
fende Nachbarschaft und Gemeinschaft fördern. Im Rah-
Bedeutung eines generationenübergreifenden sozialen
men des ExWoSt-Bundesmodellprogramms mit dem The-
Netzwerks belegen. Dies bedingt einen individuellen, aber
menschwerpunkt „Innovationen für familien- und altenge-
eben auch einen kollektiven Bewusstseinsprozess, der
rechte Stadtquartiere“ wurde von der BauWohnberatung
nicht früh genug beginnen kann.
Karlsruhe im Auftrag der LUWOGE für den Ludwigshafener
Stadtteil Pfingstweide ein Wohnkonzept erarbeitet, das
allen Generationen gerecht wird. Neben der Realisierung
neuer Wohnformen ging es um den Aufbau von Service-
14
Insa Lüdtke ist Architektin und freie Journalistin. Mit ihrem Beratungsunternehmen „Cocon Concept“ hat sie sich auf „Wohnen im Wandel“ spezialisiert.
Gemeinsam mit Eckhard Feddersen ist Insa Lüdtke Herausgeberin des Entwurfsatlas Wohnen im Alter (2009, Birkhäuser, Basel).
puls 02 | 2013
Adrian Bedoy – VIVAWEST
» Praxis
Kunstgriff wider die Monotonie:
Die Balkone sind bei der K-Star
Residence etagenweise versetzt. So entsteht das eigenwillige geometrische Linienspiel, das dem Gebäude
Charakter verleiht (links) .
Stacheliger Kokon
Auf Sichtweite zum Kölner Dom ist mit der K-Star Residence eine neue luxuriöse
Wohnumgebung entstanden, die sowohl kleine Appartements als auch großzügige
Penthouse-Wohnungen bietet. Mit der plastisch-kristallinen Fassadenstruktur
gaben die Kölner Archtitekturbüros gatermann + schossig und römer partner
architektur dem Gebäude ein Alleinstellungsmerkmal, das mit der besonderen
innerstädtischen Wohnsituation korrespondiert.
Text Lasse Ole Hempel Fotos Jens Willebrand
„Unser Hauptthema ist zurzeit das Wohnen in der Stadt“,
nutzt wurde. Gegenwärtig wird der langgestreckte Bau
betont Bernd Römer. Seit über 20 Jahren leitet er in Köln
entkernt, hinter der mit Säulen durchsetzten Fassade ent-
sein eigenes Büro – 2007 gründete er gemeinsam mit
stehen neue Büroflächen. Das Baugrundstück der K-Star
Stephan Kögeler römer partner architektur. Nicht nur in
Residence ist eine umgewandelte Bundesimmobilie. Die
der Rheinregion hat sich das Büro mit vielen erfolgreichen
Adresse „Altes Ufer“ weist darauf hin, dass der Rhein vor
Projekten einen guten Namen erarbeitet. Im Kölner Rhein-
gar nicht langer Zeit bis hierhin reichte. Entsprechend
auhaufen haben sie gleich mit mehreren Bauten dazu bei-
schwierig war der Untergrund, der dazu mit seinem leich-
getragen, dass das Areal weit über die Grenzen der Stadt
ten Gefälle noch als „Hanggrundstück“ eingeordnet wur-
als Beispiel moderner Quartiersentwicklung bekannt wer-
de. Diese Voraussetzungen und die besondere urbane
den konnte. Hier wäre etwa die exklusive, modular struk-
Struktur der Nachbarschaft machten für die Architekten
turierte Wohnwerft zu nennen, die mit ihrer eigenwilligen
das Projekt zu einer Herausforderung. „Die Macro-Lage ist
Fassade das Rheinufer prägt, oder das moderne Büroge-
erstklassig“, betont Stephan Kögeler. „Aber die Micro-Lage
bäude Pier 15 (siehe Praxisbericht in puls Ausgabe 2/2009).
ist speziell, weil wir es mit einem klassischen Gewerbeort
zu tun haben. Uns wurde schnell klar, dass es schwierig
Wohnen in gewerblich geprägtem Umfeld
sein würde, hier Wohnraum zu etablieren.“
Die Genese ihres aktuellen Wohnungsprojekts konnten
die Architekten quasi von den Fenstern des eigenen Büros
Ein Teil des Gebäudes wendet sich in Richtung eines Park-
aus verfolgen: Die K-Star Residence liegt im Kunibertsvier-
hauses. Gleich in der Nähe befindet sich die Anlieferung
tel und damit in bester innerstädtischer Lage, nur einen
des in der Nachbarschaft befindlichen mariott Hotels. „So
Steinwurf von Hauptbahnhof, Oper und Dom entfernt. In
hat sich ergeben, dass die K-Star Residence im Grunde auf
unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich die Bahndirek-
sich selbst gerichtet ist“, betonen die Architekten. „Eine
tion, ein klassizistisches Gebäude, das vor seinem Umbau
Anlehnung an die Nachbarschaft schloss sich für uns von
unter anderem von der Kölner Kunstmesse zwischenge-
vorne herein aus. Das Gebäude hat daher eine sehr indivi-
17
duelle Ausstrahlung – ein Solitär, wenn man so will.“ So
Alleinstellungsmerkmal erhält. Da es nur einen Treppen-
erklärt sich auch die leicht abwehrende Geste, die von der
kern mit Aufzug gibt, um den sich in den unteren Etagen
Fassade ausgeht und das Leben im Inneren – wie bei
pro Stockwerk 7 bis 8 Wohnungen gruppieren, ergaben sich
einem Kokon – zu schützen scheint. Das siebenstöckige
sehr tiefe, loftartige Räume. Eine möglichst hohe Versor-
Gebäude bietet eine luxuriöse Wohnumgebung auf zum
gung mit Tageslicht gewährleisten im fertigen Gebäude die
Teil klein dimensionierten Grundrissen. Die kleinsten
bodentiefen Fenster, die mit Aluminiumrahmen kombi-
Wohneinheiten sind 47 Quadratmeter groß, die luxuriöse
niert sind. Die Architekten sprechen gerne von einem
Penthouse-Wohnung auf dem Dach erstreckt sich über
leicht „technoiden Charakter“, der sich wunderbar mit dem
300 Quadratmeter.
hohen technischen Komfort im Inneren verbindet. Eng
damit verknüpft ist das anspruchsvolle Klima- und Ener-
Die eigene Wohnung über das Smartphone steuern
giekonzept. So kommt in der K-Star Residence eine Heiz-
Die ungemein plastische Fassade, die von den Beteiligten
und Kühldecke zum Einsatz – eine Technik, die ursprüng-
abwechselnd als „Federkleid“ oder „Kristall“ beschrieben
lich aus dem Gewerbebereich stammt und gegenüber einer
wird, verleiht dem Gebäude seinen Charakter. Die Alumini-
Fußbodenheizung den entscheidenden Vorteil hat, dass sie
umpaneele nehmen im Abendlicht unterschiedliche Far-
weniger träge ist.
ben an, wenn beim Anbrechen der Dunkelheit in den Wohnungen die ersten Lichter angehen, beginnt die Fassade
Von Beginn stand fest, dass ein Mix aus temporärem und
leicht zu funkeln. Dabei ist der architektonische Entwurf
dauerhaftem Wohnen die K-Star Residence prägen sollte.
auch der Vorgabe geschuldet, dass möglichst alle Wohnun-
Gemeinsam mit dem Bauherrn, der Lebenstraum Gesell-
gen über einen Austritt verfügen sollten. Um einen mono-
schaft für modernes Wohnen mbH, hat man eine Klientel
tonen Charakter zu vermeiden, entschieden sich die Archi-
ins Auge gefasst, das zwar in Köln arbeitet, aber nicht
tekten, Balkone und Erker etagenweise zu versetzen. In der
zwingend in der Stadt wohnt. Da insbesondere die Bewoh-
Gesamtheit entsteht eine expressive Fassade, die durch ihre
ner der Appartements in den unteren Etagen Manager
Faltung und den Wechsel von Balkonen und Erkern ihr
seien, die ihre Wohnungen nur eine begrenzte Dauer am
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puls 02 | 2013
Sinn fürs Detail: Die Treppenläufe sind aus Eichenholz.
Jede Wohnung ist dazu mit
der neusten Serie des Busch
ComfortPanel® ausgestattet
– für eine individuelle Raumsteuerung (oben).
Tag nutzen würden, entschied man sich für diese Lösung,
tungen, die man aus der Hotelbranche kennt, werden auch
die bei Bedarf einen schnellen Kühl- oder Heizvorgang
innerhalb eines Wohnhauses angeboten. Dazu gehört
garantiert. Entsprechend kommen alle Wohnungen ohne
etwa der Concierge, der von den frühen Morgenstunden
Heizkörper aus, was den Spielraum für die Gestaltung der
bis spät abends im Erdgeschoss für die Besucher ansprech-
Innenräume erhöht. Funktionen wie Heizung, Kühlung,
bar ist. Hier kann man beispielsweise seinen Anzug in die
Licht und Beschattung lassen sich in allen Wohneinheiten
Reinigung geben, ein Taxi bestellen oder Tipps für einen
über ein ComfortPanel® von Busch-Jaeger steuern. Über die
Restaurantbesuch erhalten.
KNX-Technik und die entsprechenden Schnittstellen ist es
Hinter dem Treppenhausaufgang schließt sich der Spa-
möglich, auch mittels Smartphone die Funktionen in der
Bereich an. Da jeder Käufer einer Wohnung auch gleichzei-
Wohnung zu regeln oder zu programmieren. So kann man
tig das Betreiberkonzept erwirbt (In der K-Star Residence
beispielsweise Lichtszenarien oder den innenliegenden
gibt es ausschließlich Eigentumswohnungen), kann er
Sonnenschutz einstellen, noch bevor man den Raum betritt.
diese Dienste in Anspruch nehmen. Anders verhält es sich
mit dem Kameha-Möblierungskonzept, das als Option
Boarding-Konzept mit Concierge und Spa
gegen Aufpreis angeboten wird. Zu den verschiedenen
Um das Projekt noch besser auf die Zielgruppe abzustim-
Ausstattungsoptionen gehört beispielsweise das Schalter-
men, gingen Bauherr und Architekten einen Betreiberver-
progrogramm future® linear von Busch-Jaeger, aber auch
trag mit der LH&E Group ein, die Luxushotelerie anbietet.
speziell für das K-Star-Konzept entworfene Sonderanferti-
2011 hat das Unternehmen das „Kameha Grand Bonn“
gungen. Der dunkle, edle Parkettboden ist dagegen in
eröffnet, das im selben Jahr als „Hotel des Jahres“ ausge-
allen Wohnungen selbstverständlich.
zeichnet wurde. Mit K-Star hat LH&E eine neue junge
Designmarke ins Leben gerufen, der das erfolgreiche
Umlaufende Ringterrassen
Hotelkonzept auf das Wohnen im Appartementhaus über-
Die Appartements in den unteren 4 Etagen sind als offene
trägt. Durch diese Kooperation wurde Realität, was die
Grundrisse angelegt und zwischen 50 und 60 Quadratme-
Architekten als „Boarding-Prinzip“ bezeichnen: Dienstleis-
tern groß. Ab der 5. Etage erreichen die Grundflächen der
19
» Praxis
Grundrisse 6. Etage (Penthouse-Wohnungen)
Ansicht Altes Ufer
Schützende Geste: Da die
Nachbarschaft der K-Star
Residence gewerblich geprägt
ist, entschieden sich die
Architekten gegen den Bezug
zur Umgebung und für einen
expressiven Solitär (links).
Wohnungen bis zu 100 Quadratmetern. Ab diesem Stockwerk ist dann auch der in Köln so hoch geschätzte Domblick garantiert. Ab dem 6. Stock zieht sich die Fassade
leicht zurück, so entstehen umlaufende Ringterrassen und
Projektbeteiligte
Penthouse-Wohnungen mit bis zu 300 Quadratmetern Fläche. Von hier aus kann der Blick bis weit zu Hadi Teheranis
Kranhäusern im Rheinauhafen schweifen.
„In Frankfurt oder München mit einem relativ hohen
Projektentwickler und Bauträger
Anteil an Unternehmensberatern und Bankern wäre ein
Lebenstraum Gesellschaft für modernes Wohnen mbH
Projekt wie die K-Star Residence sicherlich alltäglicher als
hier in Köln“, führt Michael Müller aus, Geschäftsführer der
Architekten (Arbeitsgemeinschaft)
Lebenstraum Gesellschaft für modernes Wohnen mbH.
gatermann + schossig, Köln
„Köln ist vom Standort her noch etwas anders. Das Projekt
römer partner architektur, Köln
musste sich erst bewähren.“ Und das tat es in ökonomischer
Hinsicht auf ganzer Linie. Im Schnitt kostet in der K-Star
Bruttogeschossfläche (BGF)
Residence der Quadratmeter 5.000 Euro, die Bauherren und
5712 Quadratmeter
Architekten freuen sich, dass noch vor der Fertigstellung
des Gebäudes alle Wohnungen verkauft sind. Schon im
Integrierte Produkte von Busch-Jaeger
Frühjahr 2013 kehrt mit den ersten Bewohnern Leben in das
KNX-System
Haus ein: Möbelwagen stehen vor der Tür, und die ersten
Busch-priOn® Bedienelemente; Busch ComfortPanel®;
Balkone sind bereits bepflanzt. Wenn wie geplant ins Erd-
Busch-Welcome® Türkommunikation;
geschoss bald ein Restaurant einzieht, wird hier im Herzen
Schalterprogramm future® linear
Kölns das feine, neue Wohnrefugium komplettiert.
21
» Praxis
Leben im Hof
Bei energieoptimierten Gebäuden wird an vielen
Stellschrauben gedreht, und oft besteht bei
begrenzten Budgets die Gefahr, dass der gestalterische Anspruch dadurch zurückstecken muss.
Anders beim neuen Wohnquartier Hollerstauden
in Ingolstadt. Bogevischs buero entwickelten im
Rahmen eines Pilotprojekts gute und bezahlbare
Lösungen für ein nachhaltiges Wohngebäude.
Text Franziska Bettac Fotos Julia Knop
Mit dem Modellvorhaben „e% – Energieeffizienter Wohnungsbau“ lobte der bayrische Staat ein Programm aus,
das auf ein Neues versucht, die verschiedenen Parameter
energieeffizienter Architektur auszuloten und Beispielprojekte zu schaffen, bei denen analog zu Vitruvs Trias von
Firmitas, Utilitas und Venustas, so könnte man sagen, nun
Ökologie, Ökonomie und Ästhetik ein harmonisches
Gleichgewicht bilden sollen.
Insgesamt 10 Wohnungsbauten wurden als Forschungsbauvorhaben subventioniert und begleitend untersucht. Das
Quartier Hollerstauden ist ein solches Pilotprojekt, das unter
dem e%-Label die Anforderungen der zu Planungsbeginn
gültigen EnEV 2009 um 40–60 Prozent unterschreiten sollte, ohne den Kostenrahmen des geförderten Wohnungsbaus
über Gebühr auszudehnen. Die soziale Akzeptanz und
ansprechenden Gestaltung der Neubauten sollten – auch im
Sinne der Nachhaltigkeit – eine ebenso große Rolle spielen.
Ein lebendiges Quartier mit gestaltetem Freiraum
Das Baufeld am westlichen Stadtrand von Ingolstadt verfügte bereits über eine Seniorenwohnanlage aus den
1990er-Jahren als Teilbebauung. Die hochwertige Residenz
22
Im Gesamtlageplan (links) sind
das U-förmige Wohngebäude
von Tobias Brand (blau), das
Atriumhaus von Behnisch
Architekten (violett) und die
Laubenganghäuser von
bogevischs buero (grün)
ablesbar. Mittig der Bestand
aus den 1990er-Jahren.
24
puls 02 | 2013
Gemeinschaftliches Grün,
Sandkasten und Spielflächen
sollen die soziale Akzeptanz
der verdichteten Wohnbebauung erhöhen. Durch die große
Tiefgarage entstand viel Platz,
der nicht von Autos beansprucht
werden kann (oben).
wurde damals von Günter Behnisch realisiert und war Aus-
haltsqualität. Der aufwendig gestaltete Grünraum mit teil-
gangspunkt einer Weiterentwicklung des Bebauungsplans.
weise neu geformter Topografie über den unterirdischen
Das St-Gundekar-Werk, Bauherr und Grundstückbesitzer,
Parkflächen schafft maßstäblich angemessene öffentliche
lobte 2008 ein Plangutachten aus, aus dem die Münchner
und leicht angehobene private Freibereiche innerhalb des
Architekten bogevischs buero als Sieger hervorgingen. Das
neuen Quartiers.
Grundstück wurde in drei Abschnitte aufgeteilt und bogevischs buero sowohl für den Masterplan als auch mit dem
Drei unterschiedliche Entwurfsansätze
Hochbau der ersten Teilfläche, den Laubenganghäusern,
Zum Modellprojekt gehört auch der Ansatz, die drei Bauab-
beauftragt. Für die beiden weiteren, westlich gelegenen
schnitte, die sich in ihrer Konstruktion und Bewohnerstruk-
Grundstücke wurden die zweit- und drittplazierten Büros
tur unterscheiden, über einen längeren Zeitraum zu beob-
verpflichtet. Behnisch Architekten entwarfen ein Atrium-
achten und zu bewerten. Während die Wohnungen der Lau-
haus für generationenübergreifendes Wohnen, und das
benganghäuser in vorgefertigter Holzbauweise mit privaten
Ingolstädter Büro Tobias Brand realisierte ein Innenhofhaus
Terrassen und Gemeinschaftshöfen konzipiert sind, bildet
mit überwiegend Maisonettewohnungen. So entstanden im
das in Holz und Beton konstruierte Atriumhaus eine große
Quartier Hollerstauden 142 Wohneinheiten in verdichteter
Gemeinschaftszone im überdachten Innengarten. Hier wur-
Bauweise, jedoch ohne die Anmutung einer seriellen Groß-
de auf eine generationenübergreifende Mieterstruktur
siedlungen. Im Gegenteil, durch eine differenzierte und
besonderen Wert gelegt. Im Innenhofhaus des in Massiv-
durchdachte Grünraumgestaltung erhielt Ingolstadt ein
bauweise errichteten dritten Bauteils schließlich sind die
ausgewogenes, neues Wohnensemble mit hoher Aufent-
Gärten und Terrasse sichtgeschützter angelegt.
25
Solaranlage mit Pufferspeicher
lagerte Sichtbetontreppe sind an den Längsseiten mit Holzla-
Viel Anerkennung der Fachwelt ernteten die Laubengang-
mellen, die jeweils in einer unterschiedlichen Dichte ange-
häuser von bogevischs buero, die im Lageplan zwei parallele
bracht sind, zu einer optischen Einheit zusammengefügt. Von
und einen keilförmigen Hof ausbilden. Dieser mittlere Hof
den kurzen Südseiten über das Dach bis hinunter zur Nord-
dient mit seinen Sitzbänken, Tischen und dem Spielplatz als
seite werden die Wohnriegel von einem mit grauem Faserze-
Gemeinschaftsfläche. Insgesamt 81 größtenteils öffentlich
ment verkleideten Bügel gefasst, aus dessen Oberseite wie
geförderte Wohneinheiten finden in den 4, von einem über-
kleine Segel die Solarpaneele hervorragen. In die Häuser inte-
dachten Querweg unterbrochenen, Riegeln Platz. An eine in
griert sind zwei haushohe, 250.000 Liter fassende Stahltanks,
Sichtbeton und verzinktem Blech ausgeführte Treppenkon-
die mit dem Schwerlastkran von oben in die Gebäude einge-
struktion docken die hochgedämmten kompakten Holzbau-
lassen wurden. In diesen Pufferspeichern lagert das durch
ten an, die einen jährlichen Heizenergiebedarf von unter 20
kWh/m2 haben, – dies ist insbesondere einer sorgfältigen
die große Solaranlage erwärmte Wasser. Über ein Verteiler-
Konstruktion ohne jede Wärmebrücke zur massiven Lauben-
metauschern für Heizung und Frischwasser bedarfsgerecht
gangtreppe zu verdanken. Die Grundrisse der Ost-West aus-
nutzbar gemacht. Fernwärme deckt den darüber hinaus ver-
gerichteten Zeilen verfügen über barrierefrei zugängliche
bleibenden Wärmebedarf. Dass dieser in der Wohnanlage
Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen, teilweise als Maisonet-
Hollerstauden so gering ist, ist auch dem kontrollierten
ten im einzigen zweigeschossigen Riegel, und jeweils mit
Raumluftwechsel zu verdanken – dabei ist die Technik der
eigener Terrasse oder mit Balkon. Die mit braun lasierten Lär-
Lüftungsanlage zentral in einem wetterfesten Lüftungsgerät
chenholzpaneelen verkleideten Wohnkuben sowie die vorge-
auf dem Dach installiert.
26
Die abwechslungsreich gestalteten Laubengänge der Wohnbebauung schaffen kommunikative Zonen. Auch für Fahrräder,
Pflanzkästen und Kinderwagen
bleibt genügend Platz (oben).
netz wird die Wärme in den Wohnungen mit kleinen Wär-
puls 02 | 2013
» Praxis
Gesamtschnitt
Grundriss Erdgeschoss
Fassadendetails Ansicht
Ausgewogenes Nachhaltigkeitskonzept
Auch wenn die Bausumme der Wohnungen in Ingolstadt
Projektbeteiligte
etwas über den Durchschnittspreisen im sozialen Wohnungsbau liegt, stellt das Quartier Hollerstauden in punkto Haustechnik, Konstruktion und Kosten eine sehr ausgewogene Lösung dar, die im geförderten Wohnungsbau
Schule machen könnte – und sollte. Die Planer hatten
Bauherr
beim Bau die Energiebilanz sowie die Kosten des gesam-
St. Gundekar-Werk Eichstätt, Schwabach
ten Lebenszyklus des Gebäudes, von einer langlebigen
Gestaltung bis zum Abbruch und zur Entsorgung, im
Architekt
Blick – Faktoren, die den Begriff „Nachhaltigkeit“ eigent-
bogevischs buero, München
lich immer bestimmen müssen.
Dass sich die gewählte Strategie der integrierten und doch
Energiekonzept
abwägenden Fachplanung ausgezahlt hat, beweist auch
TB Stampfer, Salzburg
der Gewinn des europäischen Architekturpreises „Energie
+ Architektur“, den der Bund Deutscher Architekten (BDA)
Integrierte Produkte von Busch-Jaeger
und der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZSHK) aus-
Schalterprogramm Reflex SI
lobte – und im Januar 2013 an das Projekt Laubenganghäuser Hollerstauden von bogevischs buero vergab.
27
Sou Fujimoto architects
Das Haus der Zukunft
Ein Ferienhaus, das angelegt ist wie ein Klettergerüst, eine Gründerzeitvilla im Patchwork-Look und
eine offene Pyramide für New York – Wohnbauten, bei denen traditionelle Muster umschifft wurden
und die Ausdruck gesellschaftlicher Veränderungen und neuer Ansprüche sind.
Sou Fujimoto:„Solo Houses – Geometric Forest“,Cretas,Spanien
Transparenz und die Schaffung kommunikativer Raumkontinuen sind das Spezialgebiet des japanischen Architekten Sou Fujimoto, der seit 2000 in
Tokio sein Büro Sou Fujimoto Architects betreibt und jüngst mit der Gestaltung des nächsten Pavillons der Serpentine Gallery in London beauftragt
wurde. Sein Ferienhaus „Geometric Forest“ ist sein erstes Wohnhausprojekt in Europa und steht wie das viel besprochene, 2010 in Tokio vollendete
rundumverglaste Wohndomizil „House NA“ ganz im Zeichen von Fujimotos Begeisterung für ein höchst flexibles Wohnen, bei dem wie in einem
Baum von einem Bereich in den anderen gesprungen werden kann. Das Ferienhaus „Geometric Forest“ kommt fast ohne Wände aus. Nur im inneren
Kern sind wenige blickdichte Räume wie Schlaf- und Badezimmer verborgen. An die Stelle einer Fassade tritt ein dreidimensionales, archaisch
anmutendes Gitterwerk aus unbehandelten Holzstämmen. Eine großzügige Terrasse bildet den Übergang vom Wohnraum zur umgebenden Natur
und gibt den Blick frei auf die „spanische Toskana“. Eine frische Brise zirkuliert permanent durch die offene Bauweise, während die baulichen Elemente wertvollen Schatten spenden. In die Wege geleitet wurde das Projekt vom Architekturliebhaber Christian Bourdais, der im Süden der spanischen Provinz Aragonien mehreren internationalen Architekten die Möglichkeit gibt, sich weitgehend frei zu entfalten. Die Experimentierfreude
wird lediglich durch ein einheitliches Kostenlimit gedrosselt, das den Beweis erbringen soll, dass zeitgemäße und gute Architektur zu einem vernünftigen Preis realisierbar ist. Die 10 Ferienhäuser, die höchst individuell ausfallen werden, können gekauft oder gemietet werden.
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» Visionen
BIG-Bjarke Ingels Group: West 57th, New York, USA
Selbst in New York dürfte dieses Gebäude der dänischen Architektengruppe BIG die Blicke auf sich ziehen. In Manhattans
57th Street, direkt am Hudson River gelegen, vereint der spektakuläre Hybrid die Kompaktheit eines Atriumhauses mit der
Imposanz eines Wolkenkratzers und lässt somit amerikanische und europäische Bautradition miteinander verschmelzen. Je nach Betrachterstandort erscheint das Gebäude als
geöffnete Pyramide mit grünem Innenleben oder als keilförmig in den Himmel ragender Glasturm. Von den vier Gebäudeecken des Grundrisses streckt sich lediglich eine weit in den
Himmel. Die daraus entstehende Neigung stellt eine Verbindung zu der flach bebauten Umgebung der Südseite und den
hohen Wohnhaustürmen der West- und Nordseite dar.
Das Gebäude soll Wohnungen unterschiedlicher Größe beherbergen. Für die unteren beiden Geschosse sind kulturelle und
Shopping-Angebote vorgesehen. Durch die Öffnung des
Atriums in Richtung des Hudson River gelangt Tageslicht bis
tief in den Gebäudekomplex, während die Begrünung des
nahegelegenen Hudson River Park mit dem offenen Gebäudeeinschnitt korrespondiert. Passanten können zwar von außen
in den Innenhof einsehen, die Nutzung dieser Ruheoase bleibt
jedoch ausschließlich den Bewohnern vorbehalten. Zusätzlich
ins Auge fällt das die unregelmäßige Perforation der Fassade,
die auf die individuell ausgeformten Balkone zurückgeht, die
alle nach Süden ausgerichtet sind. Geometrische Muster bestimmen die Grundrisse und sind auch an der Fassade deutlich
sichtbar. Die spitz zulaufenden Fenstervorsprünge sind jeweils
denen der Nachbarwohnung zugewandt und sollen insgesamt
BIG-Bjarke Ingels Group
die Kommunikation zwischen den Bewohnern erleichtern.
29
Henning Larsen Architects
Henning Larsen Architects: Villas in the Sky, Riad, Saudi-Arabien
Auch Henning Larsen Architects reihen sich ein in die Riege europäischer Baumeister, die im arabischen Raum imposante Landmarken für die neuen, prosperierenden
Metropolen entwerfen. Der Wohnturm „Villas in the Sky“ ist auserkoren, zum neuen Orientierungspunkt im King Abdullah Financial District von Riad zu werden. Das
markante Gebäude soll sich über 34 Stockwerke erstrecken und sowohl privat als auch gewerblich genutzt werden. In einer Durchgangszone, nahe einem öffentlichen
Platz gelegen, erschließen sich die Geschäfte der unteren 3 Etagen durch Fußgängerbrücken – den sogenannten „Sky Walks“ –, die eine Verbindung zu den umliegenden
Gebäuden bilden. Auf weiteren 14 Stockwerken sollen Büroflächen und auf den obersten 12 Etagen des Gebäudes insgesamt 22 Wohnungen entstehen. Ein schlichter
quadratischer Grundriss bildet die Basis des Turmes. Im oberen Bereich verschiebt sich diese Grundfläche im Wechsel zu zwei Seiten hin, wodurch sich der Turm fast in
den Himmel zu schrauben scheint. Die besondere Konstruktion der Fassade birgt einen integrierten Schutz vor Sonneneinstrahlung: Im Schnitt betrachtet, bildet die
Außenhaut eine Zickzacklinie, deren nach oben gerichteten Elemente zur Beschattung mit hellen Paneelen belegt sind. Die nach unten gerichteten Flächen erhalten für
eine uneingeschränkte Sicht nach außen eine Verglasung. Die exzentrische Fassade soll mit dafür sorgen, den Energieverbrauch des Gebäudes zu senken. Schließlich
streben die Architekten mit „Villas in the Sky“ eine LEED-Zertifizierung an.
O3 Architekten: Wohnen am Innsbrucker Ring, München
Einige Unternehmen versuchen, durch gezielte Neu- und Umbauten den in den Großstädten neuen und bezahlbaren Wohnraum
zu schaffen und so der aktuellen Preisspirale entgegenzuwirken.
Die Vermietergesellschaft Gewofag lobte einen Wettbewerb aus,
bei dem ein Wohnquartier im Münchener Stadtteil Berg am Lain
entstehen sollte. Gewünscht war dabei auch, durch den kompakten Neubau die Lärmbelastung, die der stark befahrene Innsbrucker Ring hier verursacht, zu mindern. Das junge, ortsansässige
Büro O3 Architekten überzeugte die Jury mit seinem Entwurf
eines mehrmals geknickten fünf- bis achtgeschossigen Riegelbaus, den die Architekten an den Rand des Grundstücks schoben.
Es ergibt sich eine Platzsituation, die den wertvollen, alten Baumbestand erhält. Mit einer zweiten Gebäudehülle wurde dem
©estudio obra/03 Arch
Schallschutz Rechnung getragen. Ein an einen Turm erinnerndes
30
Gebäude markiert im Inneren den visuellen Ankerpunkt für die
übergreifenden Nutzungseinheiten Einzelhandel, Kinderkrippe
und Quartiersgarage. Besonderes Augenmerk gilt den verschiebbaren Lochblech-Elementen, die von den Bewohnern individuell
variiert werden können und das Fassadenbild bestimmen.
puls 02 | 2013
» Visionen
Werner Aisslinger: Home of the Future, Berlin
Seit 2007 steht Werner Aisslingers mobile Wohneinheit
„Loftcube“ im Garten der kleinen, feinen Berliner Ausstellungsinstitution „Haus am Waldsee“. In diesem Frühjahr hatte der Berliner Designer die Ehre, das Haupthaus in ein
„Home of the Future“ umzuwandeln. Dafür kleidete er die
Fassade der Gründerzeitvilla mit einem Patchwork-Wollstoff
ein und befreite das Haus so aus seinem historischen
Zusammenhang, Davor parkt er ein mit der gleichen
Ummantelung versehener Sportwagen aus den siebziger
Jahren, womit Aisslinger das bürgerliche Status-Mantra
„Mein Haus, mein Auto ...“ erfolgreich parodiert.
Im Inneren umkreist Aisslinger auf zwei Ebenen anhand zahlreicher Möbel- und Objektbeispiele die Frage, wie wir morgen
leben werden. Für ihn zeichnen sich durch die die Auflösung
der traditionellen Familienstruktur und die Zunahme der
Patchwork-Familien entscheidende Veränderungen für das
Stauräume, ein Küchenlabor und Ausruhstationen sowie
nachwachsende Möbel. Seit jeher spielen biologische Strukturen und Nachhaltigkeit im Wirken des Designers eine zentrale
Rolle. „Upcycling“ nennt Aisslinger seine Vorgehensweise, die
eine Symbiose von innovativer Technik und Natur anstrebt. So
benutzte er für den Freischwinger Hemp Chair, der in der Ausstellung zu sehen ist, ein voll abbaubares Kompostmaterial.
An anderer Stelle nutzt er Badezimmerdampf zur Pflanzenbewässerung. Die Ausstellung endete am 9. Juni.
Mirjam Fruscella, Danielle Manducio; Bernd Borchardt
Wohnen ab. Aisslinger präsentiert modulare Bausysteme als
31
» Zu Besuch
„Wenn nötig, ignorieren
wir alle Zwänge“
Berhard und Stefan Marte sind im österreichischen Vorarlberg aufgewachsen und
lernten von Kindesbeinen an die Feinheiten des Bauens. Als Marte.Marte Architekten
setzen sie auf Beton, Cortenstahl und Holz. Ihre Gebäude sind kompromisslos,
wirken aber niemals deplaziert. puls traf Stefan Marte zu einem Gespräch über
Originalität und die besondere Dynamik des Entwurfsprozesses.
Interview Lasse Ole Hempel Fotos Anne Gabriel-Jürgens und Marc Lins
Herr Marte, Anfang des Jahres hat die Erweiterung Ihres
ser Ausgangslage hat sich dann der eigenständige Charak-
eigenen Wohnhauses durch den sogenannten „Mädchen-
ter des Anbaus quasi von selbst ergeben. Denn wenn wir
turm“ sehr viel Anerkennung in der Fachwelt erhalten. Das
schon zum bestehenden Haus eine weitere Einheit hinzu-
Projekt wurde auch bereits prämiert. Hat Sie dieser Erfolg
fügen, dann soll diese schon mehr leisten als drei, vier Kin-
am Ende auch etwas überrascht?
derzimmer, vielmehr sollte etwas Eigenständiges entste-
Ja, es war schon überraschend. Anders als bei anderen Pro-
hen. Eine zweite Wohneinheit, die dann über die nächsten
jekten, die durchaus eine breitere Öffentlichkeit interessie-
Generationen unserer Familie in welcher Form auch immer
ren könnten, haben wir es hier mit einer pragmatischen
sehr dienlich sein kann. Egal, ob dann eine unserer Töchter
Anforderung an die Lebenssituation meiner Familie zu tun.
das gesamte Wohnensemble bewohnen will oder sich zwei
Im Jahreswechsel 1999 auf 2000 haben wir ja unser Wohn-
oder drei zusammentun und in enger Nachbarschaft zu-
haus fertiggestellt, das international durchaus Anerken-
sammenleben. Da bieten sich nun viele Möglichkeiten an.
Das Rapunzel-Motiv in Vorarlberg: Mit seinen großen Fensterflächen orientiert sich der
Mädchenturm zum Haupthaus.
Die drei übereinander gestapelten Kinderzimmer können
auch als autarke Wohneinheit
genutzt werden (rechts).
nung gefunden hat. Dort habe ich einige Jahre sehr gut mit
meiner Familie gewohnt. Mittlerweile haben wir fünf
Haben Sie es genossen, ausnahmsweise Ihr eigener
Töchter, somit wurde schlussendlich diese Erweiterung
Bauherr zu sein?
unumgänglich.
Schon beim Haupthaus war es für mich eine schreckliche
Erfahrung, Architekt und Bauherr in einem zu sein. Man
Gelobt wird immer wieder, dass mit dem Mädchenturm
entwickelt sich als Architekt stetig weiter, doch das Haus,
ein eigenständiges Element entstanden ist, das autark
das man selbst entworfen hat und jeden Tag betritt, ver-
genutzt werden kann und doch mit dem Haupthaus ver-
bleibt unveränderbar. Daher war jede Entscheidung für
bunden ist.
mich unvorstellbar schwierig. Beim ersten Haus war es
Das ist eine der Raffinessen des Projektes. Mir fiel es ein-
schon so, dass wir so spät die Pläne herausgegeben haben,
fach schwer, ein Haus, das erst vor wenigen Jahren reali-
dass der Polier angerufen hat und damit drohte, das Scha-
siert wurde, in welcher Form auch immer zu erweitern.
lungsbild selber zu machen. Unsere Häuser sind für uns
Zumal das Haus in sich schon abgeschlossen war. Mit die-
wie Kinder, da hängt unser ganzes Herzblut dran.
32
puls 02 | 2013
Anne Gabriel-Jürgens
Marc Lins
Hat Ihnen die Realisation des Mädchenturms auch
Wir arbeiten generell, wenn es irgendwie geht, mit
wichtige Erkenntnisse beschert?
ursprünglichen und rohen Materialien. Daher setzen wir
Der Mädchenturm steht heute als eigenständige Corten-
beim Außenbereich auf Beton und Stahl – mitunter auch
stahl-Skulptur neben dem Haupthaus. Bereits zu Beginn war
auf Holz. Dabei ist Beton schon unser absolutes Lieblings-
klar, dass wir ein skulpturales und homogenes Konzept
material, da er komplexe Raumkompositionen zulässt, bei
umsetzen wollten. Dies ging letztlich nur mit Cortenstahl,
denen wir nicht Stütze für Stütze bedenken müssen. Und
und dabei haben wir das Modell nahezu 1:1 umgesetzt. Wie-
im Inneren folgt dann eine weiche, hölzerne Schale. Unsere
der einmal hat sich bewiesen, dass meistens der erste Gedan-
bevorzugte Kombination ist Sichtbeton außen und Birke
ke der richtige ist. Aus Kostengründen haben wir zunächst
innen. Birkenholz überzeugt immer wieder durch seinen
nach Alternativen zum Cortenstahl gesucht, allerdings kann
Wohlfühlcharakter, durch seine Weichheit ist es aber auch
nur dieses Material all das leisten, was wir wollten.
ein sehr empfindliches Material.
... ein Material, das in Ihrer Gunst ganz oben steht.
Hat sich der Wohnungsbau von Beginn an als Ihre Lieb-
Cortenstahl trotzt allen Witterungen und ist quasi überall
lingsdisziplin herauskristallisiert?
anwendbar. Wir haben es beim Turm und bei den Einschnit-
Vorarlberg ist eine kleine, nicht sehr bevölkerungsreiche
ten in den Seiten eingesetzt. Auch der Innenhof ist mit Cor-
Region und dementsprechend sind auch die Bauprojekte
tenstahl belegt. Selbst Klappen und kleine Elemente – ob
überschaubar. Das hat den Vorteil, dass man als junger
drehbar oder starr – konnten ungemein filigran ausgeführt
Architekt mit privaten Wohnhäusern startet, weil der
und messerscharf eingefügt werden. Diese Schlankheit in
Markt dafür da ist. Es gibt hier auch ein großes, über lange
der Gesamtkonstruktion ging nur mit Cortenstrahl. Mit
Zeit gewachsenes Verständnis für Architektur.
Rauer Charme: Der Mädchenturm erscheint durch seine
Haut aus Cortenstahl skulptural und homogen. Durch seine
Position verleiht er dem Zuhause der Familie Marte einen
neuen Charakter und schafft
einen intimen Innenhof (oben).
Holz wären wir gescheitert, und auch mit Beton wäre die
Ausführung vieler Details so nicht möglich gewesen.
Die Region Vorarlberg steht aber auch für Hightech und
eine hohe Lebensqualität.
Kann man sagen, dass zu Ihrer Architektur eine raue,
Durchaus. Wir haben sehr gut ausgebildete Handwerker,
robuste und monolithische Schale gehört, die im Kontrast
hochwertige Industrieproduktionen. Denkt man aber an
zu sanften, wohnlichen Innenräumen steht?
Weltstädte wie München, Mailand und Zürich, die uns
34
puls 02 | 2013
» Zu Besuch
umgeben, ist hier alles in kleinerem Maßstab gehalten. Wir
haben uns in den letzten Jahren über die Wettbewerbserfolge in Österreich positioniert. Natürlich interessieren wir
uns auch sehr für die Wettbewerbe in Deutschland.
… wo im letzten Jahr Ihr Entwurf für das Berliner Museum
der Stiftung „Flucht, Vertreibung und Versöhnung“ den
Wettbewerb entscheiden konnte.
Ja, ein schöner Erfolg für uns. Doch nehmen wir an solchen
Wettbewerben nicht um des internationalen Werbens
willen teil, sondern weil die Projekte so reizvoll sind. Wir
hoffen, dass das Berliner Museum Anklang finden wird
und uns in Europa die Tür zu ähnlichen Projekten öffnet.
Wie funktioniert die Büroarbeit mit Ihrem Bruder Bernhard?
Wir ziehen in die gleiche Richtung, sind im Einklang in dem,
was wir ästhetisch wollen, aber auf dem Weg dorthin sind
wir eigentlich nie einer Meinung. Immer wenn wir ein Projekt starten, kommen wir aus unterschiedlichen Richtungen.
Dabei haben Sie bereits Ihre Ausbildungsjahre gemeinsam verbracht.
Lehranstalt besucht und eine fünfjährige Ausbildung
erhalten. Dort wurden wir zu reinen Bautechnikern ausgebildet. Im Grunde waren wir danach bereits für die Baubranche gewappnet. Was jedoch Gestaltung und Entwurf
Anne Gabriel-Jürgens
Wir haben beide vor dem Studium die Höhere Technische
betraf, hatten wir nur sehr wenig gelernt. Im Gegensatz zu
Panoramablick: Durch den Neubau entsteht ein attraktiver Innenhof, der auch den Pool neu zur
Geltung bringt (oben). Bernhard und Stefan Marte (Mitte) arbeiten seit 1993 gemeinsam in
ihrem eigens gegründeten Büro Marte.Marte Architekten. Mit xy Mitarbeitern residieren sie im
„Rheintalhaus“ ihrer Kindheit in Weiler, Österreich. Wohnbauten gehören bis heute zu ihren liebsten Projekten. Ihrer Heimat, dem Vorarlberg, fühlen sie sich stark verbunden, gleichwohl konnten
sie in Deutschland den Wettbewerb für das neue Museum der Stiftung „Flucht, Vertreibung und
Versöhnung“ gewinnen. Für den Standtort unweit des Anhalter Bahnhofs in Berlin konzipieren
Marte.Marte Architekten den zweigeschossigen Neubau, in den die Dauerausstellung einziehen
wird (unten).
denen, die vom Gymnasium kamen, um zu lernen, sind wir
in die Uni gegangen, um zu vergessen. Und um entwurfstechnisch offen für alles zu werden. Diese doppelte Ausbildung bringt uns am Ende viele Vorteile.
Bei unserer Arbeit ignorieren wir am Anfang alle vorgegebenen Zwänge, damit wir Ideen und Innovationen Raum
geben. Die Rahmenbedingungen werden zwar zur Kenntnis genommen, wir tendieren aber durchaus dazu, diese
auszuloten, wenn es nötig erscheint. Unsere Herangehensweise ist möglichst unvoreingenommen und offen.
Zwei Söhne, die fast parallel Bautechniker werden. Hat
die Nähe zum Bauen in Ihrer Familie Tradition?
Unser Vater war Holzbodenleger und hatte eine eigene
Firma für Althaussanierungen. Insofern war er wenig
angetan davon, dass wir Architektur studierten, sondern
antreten. Aber so waren wir der Holzbearbeitung und dem
Handwerk immer sehr nahe und haben unsere Kindheit
und frühere Jugend auf Baustellen verbracht. Wir kennen
die ganze Problematik des Bauens von der Baustelle her.
Marte.Marte Architekten
hat sich vielmehr gewünscht, dass wir einmal sein Erbe
35
Marc Lins
Neben Ihrem Respekt vor guter handwerklicher Arbeit
„Hobbitdorf“ vor: Mehrere Kuben, die in der Wiese stehen
scheint auch die gelebte Auseinandersetzung mit Ihrem
und über ein unterirdisches Zugangssystem verbunden
Bruder ein Schlüssel zum Erfolg zu sein.
sind. Indem wir in unseren Überlegungen einfach alles zu-
In den letzten Jahren sind die spannendsten Konzepte
gelassen haben – egal ob vernünftig oder unvernünftig –,
eigentlich durch Missverständnisse zwischen Bernhard
sind wir über fast skurrile Ansätze auf vier Kuben gekom-
und mir entstanden. Wenn wir mit unseren Entwürfen
men, die schön aneinander gereiht neben dem Haus ste-
nicht weiter kommen, entwerfen wir, indem wir über das
hen. Von den Kuben sind dann drei weggefallen, und ein
Problem nur diskutieren. Dann hat der eine eine Idee, und
hoher Kubus ist geblieben, der zum Turm wurde.
Sensible Materialwahl: Die
Außenhülle der 2011 vollendeten Schutzhütte im Laternsertal ließen marte.marte architekten aus gespritztem Beton
fertigen (rechts). Im Inneren
verbinden sich rohe Betonoberflächen und massives
Eichenholz zu einem interessanten Materialgefüge (oben).
der andere meint, dass er sich das gut vorstellen könnte.
Dann beginnen wir beide wieder mit dem Zeichnen, und
Als Dreingabe bekommen Sie durch diesen Anbau auch
oft stellt sich heraus, dass das, was wir im Konsens
einen schönen Innenhof.
beschlossen hatten, völlig konträr aufgefasst wurde.
Bereits am Modell hat man gesehen, dass die Konstellation
der Bauvolumen harmonierte und stimmig war. Der Turm
Können Sie dies mit einem Beispiel aus dem Entstehungs-
ist genau mit seiner Mittelachse auf die Vorderkante des
prozess des „Mädchenturms“ illustrieren?
bestehenden Haus ausgerichtet. Durch eine Aneinanderrei-
Das bestehende, erste Wohnhaus wird von zwei Hauptebe-
hung von Zufällen und nach vielen Entwürfen wurde deut-
nen dominiert. Dabei ist das Gebäude der Topographie und
lich, dass der Turm so goldrichtig steht. Als wir dann mit
der Hanglage angepasst. Deshalb war meine ursprüngliche
dem Rohbau begonnen haben und der Innenhof baulich
Überlegung: Wenn wir für die Mädchen etwas anbauen
schon formuliert war, war die Innenhofsituation zu erah-
müssen, dann großzügig und auf einer Ebene – wie ein
nen, konkretisierte sich aber erst, als der Turm aufgestellt
Glashaus im Park beispielsweise, etwas ganz Undramati-
wurde, der aus drei übereinander gestapelten Holzboxen
sches, Loftartiges, das über der Landschaft thront. Doch in
besteht. Am Ende habe ich mir gesagt: Halleluja, jetzt hat's
die Richtung ging halt nichts. Deshalb mussten wir uns
was. Ich denke, dass es uns mit dem Mädchenturm gelun-
gedanklich von der großzügigen Ebene verabschieden und
gen ist, eine bestehende Situation weiterzudenken und in
begannen querzudenken. Eine Zeit lang schwebte uns ein
ihrer Position zu stärken.
36
puls 02 | 2013
Marc Lins
» Material
Ziegel
Materialien sind die Seele der Architektur. Sie geben
Gebäuden Charakter und Räumen Atmosphäre. Doch
was denken Architekten über „Materialklassiker“
heute? puls hat sie zu ihren Ansichten befragt.
Antworten von LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart
Inwieweit verband sich Ihre Intention, mit dem Kunstmuseum
Ravensburg ein Haus „auf den zweiten Blick“ zu schaffen, mit
dem Material Ziegel?
Ziegel ist uns im Bild der historisch geprägten Stadt vertraut und
fügt sich somit wie selbstverständlich in die Umgebung. Erst auf den
zweiten Blick wird deutlich, dass es sich beim Kunstmuseum Ravensburg um ein neu entworfenes Gebäude handelt. Viele kleine Steine
ergeben ein großes Ganzes. Diese Maßstäblichkeit stellt einen klaren
Bezug zur Stadt dar.
Bietet sich das Material also besonders für zeitlose Architektur an?
Das Material Ziegel verfügt über eine hohe Qualität. Es ist haptisch,
langlebig, pflegeleicht, robust und ökonomisch. Dazu spiegelt es keine modischen Trends wider, wodurch sich Tradition und Fortschritt
wie selbstverständlich miteinander verbinden lassen. Der bewusste
Umgang mit der Fuge, wodurch das Ziegelmauerwerk seine ästhetische Wirkung erhält, ermöglicht das präzise Eingehen auf die Situation des jeweiligen Ortes.
Warum favorisierten Sie in Ravensburg Recycling-Ziegel?
Beim Thema Nachhaltigkeit lohnt es sich, über die Verwertung nachzudenken, anstatt ständig neu produzieren zu lassen. Warum nicht
Materialien zum Bauen einsetzen, die sich seit hundert oder zweihundert Jahren bewährt haben und deren Haltbarkeit noch einmal
mindestens doppelt so lange währt?
Welches Potenziale steckt im Material Ziegel?
Der Ziegelstein ist durch seine Maßstäblichkeit ein Material, das auf
den Menschen zugeschnitten ist. So entsteht aus dem kleinen praktischen Modul eine Wand, ein Haus oder eine ganze Stadt.
Roland Halbe
Kunstmuseum Ravensburg
Busch-Wächter® MasterLINE – technische Innovation in
konsequent reduziertem Design von Hadi Teherani
Nach der innovativen Schalterlösung Busch-iceLight
Zeitloses, modernes Design
präsentiert Busch-Jaeger ein neues Produkt aus der
Die von Teherani entworfenen Bewegungsmelder der
Zusammenarbeit mit dem Architekten und Designer
Serie Busch-Wächter® MasterLINE demonstrieren ein har-
Hadi Teherani. Einmal mehr beweist Teherani, der in sei-
monisches Zusammenspiel zwischen Architektur und
nen ersten Jahren als Architekt parallel auch als Mode-
Sicherheit – und die erfolgreiche Reduktion aufs Wesent-
schöpfer arbeitete, seinen ganzheitlichen Ansatz und
liche. Bei der Gestaltung der Serie Busch-Wächter®
Sinn für Eleganz. Wenn man die „menschlichen Sinne
MasterLINE gelang Teherani ein zeitloses modernes
zum wesentlichen Kriterium der Raumerfindung“ macht,
Design. Der flache Korpus der neuen Bewegungsmelder
so Teherani 2011 in einem Interview mit puls, wird der
wirkt dezent und angenehm zurückgenommen. Passend
architektonische Anspruch „umfassender“ und „schließt
zur jeweiligen Fassade sind die Geräte in Weiß, Braun,
das Design mit ein.“ Teherani betont, Architektur und
Anthrazit und Silber Metallic verfügbar. Die strukturierte
Design zu einer schlüssigen Synthese zusammenführen
Oberfläche der Linse ist halbtransparent – die perfekte
zu wollen. Als kreativer Kopf seines Design-Teams „Hadi
Harmonie mit jeder Art von Material und Flächen. Die
Teherani AG“ entwirft er seit 2003 erfolgreich unter
Modellpalette wurde von Busch-Jaeger auf die unter-
anderem Büromöbel, Sanitärobjekte und Bodenbeläge.
schiedlichsten Anforderungen abgestimmt.
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puls 02 | 2013
» Einblicke
Hochwertiges Erfassungssystem
Lebensqualität braucht Sicherheit – ob im Privathaus oder
im gewerblichen Bereich. Die Busch-Wächter® Bewegungsmelder schalten das Licht ein, weisen den Weg und sorgen
im Außen- und Innenbereich für Sicherheit. Ihr hochwertiges Erfassungssystem garantiert eine lückenlose Überwachung in jedem Bereich. Durch automatisches Ein- und Ausschalten des Lichts können sie dazu Anwesenheit simulieren. Funktionen wie Heizung und Klimaanlage lassen sich
intelligent und zuverlässig in die Steuerung integrieren.
Präzise Reaktion
Busch-Wächter® 70 und Busch-Wächter® 110 MasterLINE
sind flache Bewegungsmelder für die Wand. Durch ihre
optisch dezente Anmutung eignen sie sich ideal für kleinere Flächen – beispielsweise in Reihenhäusern. Der
Busch-Wächter® 70 MasterLINE erfasst in einem engen
Winkel, 12 Meter nach vorne und 4 Meter zu jeder Seite.
Durch mechanisches Verstellen des optischen Sensors
kann dieser Bereich verkleinert werden. Auch bei frontaler Annäherung ist eine präzise Reaktion garantiert. So
kann mit der integrierten Nahfeldüberwachung auch
beim Heraustreten aus der Tür Licht eingeschaltet werden. Der Busch-Wächter® 110 MasterLINE bietet Extras
wie etwa die Steuerung per Fernbedienung. Damit lassen
sich Funktionen wie Dauer-Aus oder Anwesenheitssimulationen einfach und bequem aktivieren.
Hat ein Auge auf alles: Der Busch-Wächter® 220/280 MasterLINE
ist ein Bewegungsmelder mit besonders hohem Erfassungsbereich
Die scheibenförmigen Bewegungsmelder Busch-Wächter®
und auch für anspruchsvolle Architektur eine exzellente Wahl (oben)
220/280 MasterLINE zeichnen sich durch lückenloses
Der Busch-Wächter® 70/110 MasterLINE eignet sich aufgrund sei-
Erfassen aus – von 16 Metern zu allen Seiten. Der Erfas-
nes reduzierten Erfassungsbereiches hervorragend für den Einsatz
sungswinkel beträgt 220, in der größeren Variante
bei Reihenhäusern (Mitte). Vier Erfassungsebenen sorgen selbst
280 Grad. Es sind verschiedene Varianten für individuelle
bei frontaler Annäherung für eine präzise Wahrnehmung.
Anforderungen erhältlich – mit oder ohne KNX. Alle
Über eine Fernbedienung lassen sich viele Funktionen wie Dauerlicht
Modelle sind fernbedienbar. Die Helligkeitsschaltschwel-
oder Anwesenheitssimulationen bequem steuern (unten).
le ist über die Fernbedienung regelbar.
Unproblematische Montage auf unebenen Flächen
Mit seinem klaren Design ist der neue Busch-Wächter®
220 MasterLINE auch für anspruchsvolle Architektur eine
exzellente Wahl. Durch ein sich dem Untergrund anpassendes Element kann die Wandanschlussdose auch problemlos auf unebenen Flächen montiert werden. Neu ist
der zusätzliche Diebstahlschutz, der verhindert, dass das
Gerät direkt demontiert werden kann. Bisherige BuschWächter® Modelle lassen sich leicht gegen die neuen
Busch-Wächter® 220 MasterLINE Modelle austauschen, da
die Befestigungslöcher kompatibel sind. Mittels eines
Sensors sind die KNX-Versionen der neuen Serie in der
Lage, auch die Temperatur zu erfassen – für mehr Komfort
und Energieeffizienz.
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» Denkanstoß
Wie viele Wohneinheiten bieten
die Laubenganghäuser im
Quartier Hollerstauden?
Julia Knop
puls stellt in jeder neuen Ausgabe eine
Preisfrage. Die Gewinner können sich über
einen Buchpreis freuen.
Ihre Antwort schicken Sie bitte per E-Mail
an [email protected]
Für Busch-Jaeger
weltweit unterwegs
Vorschau puls 3/2013:
Büro und Verwaltung
Trendforscher sind überzeugt: Kommunikation
Busch-Jaeger intensiviert den
kommt in der Arbeitswelt der Zukunft eine Schlüs-
Austausch mit Architekten
selrolle zu. Architektonische Ideen sind gefragt.
und Designern. In diesem
Sinne ist Katrin Förster (Foto)
seit Anfang 2013 als International Key Account Manager für
Busch-Jaeger weltweit unterwegs, um die Schnittstellen
zwischen der Architekturszene
und Busch-Jaeger zu vertiefen.
Im September kann man die Kommunikatorin bei der „100 % design“ in London
treffen. Im Oktober besucht sie zunächst das World Architecture Festival in Singapur, um anschließend nach Berlin zur LEAF International (16. – 18. 10.) weiterzureisen: Bei dem internationalen Zusammentreffen zwischen führenden internationalen Architekten, Unternehmen und Designanbietern wird unter anderem
der LEAF Interior Design Awards verliehen werden. Fest in ihrem Terminkalender
vermerkt hat Katrin Förster auch die wichtige Hotelmesse SLEEP (20. – 21. 11. in
London). Berichte über diese und andere Aktivitäten, bei denen Busch-Jaeger
und Architekten zum direkten Austausch zusammenkommen, folgen in den
nächsten Ausgaben von puls.
Mit ihrem kosmopolitischen Hintergrund ist Katrin Förster für ihre neue Auf-
Impressum
gabe prädestiniert. Nach einer Hotelfachlehre im berühmten Brenners Park
Hotel in Baden-Baden studierte sie Betriebswirtschaftslehre. Die gebürtige
Münsteranerin lebte und arbeitete ein Jahr in den USA. Paris und Rio de Janeiro
waren weitere Auslandsstationen. Zuletzt hat sie als Sales Manager für ein
weltweit tätiges Sicherheitsunternehmen gearbeitet. Die kompetente internationale Ansprechpartnerin für Architekten und Designer freut sich über
E-Mails an [email protected]
Zu gewinnen:
Unter allen richtigen Einsendungen zur Preisfrage (links) verlost
Busch-Jaeger je ein Exemplar der
Bücher Architecture Now! Houses.
Vol. 3, erschienen im Taschen Verlag, sowie das deutsche Architektur
puls
Zeitschrift für Bewegung in der Architektur
Herausgeber:
Busch-Jaeger Elektro GmbH
Freisenbergstr. 2
58513 Lüdenscheid
www.busch-jaeger.de
Verlag:
Gesellschaft für Knowhow-Transfer
in Architektur und Bauwesen mbH
70771 Leinfelden-Echterdingen
www.gkt-publishing.de
Redaktionsteam Busch-Jaeger:
Katrin Förster, Andreas Jeide, Dieter Lautz,
Tobias Schlitzer, Christiane Schulte, Mirko Simon
Redaktion Gesellschaft für Knowhow-Transfer:
Lasse Ole Hempel, Marina Schiemenz
Printed in Germany – Imprimé en Allemagne
Jahrbuch 2013/14, Prestel Verlag.
Einsendeschluss: 2. September 2013.
Gewinner des letzten Preisrätsels:
Horst Fritsche aus Lammersheim und
Jürgen Welbrink aus Königswinter.
© by Busch-Jaeger
Alle Rechte vorbehalten. Insbesondere das Recht auf Verbreitung, Nachdruck von Text und Bild, Übersetzung in
Fremdsprachen sowie Vervielfältigung jeder Art durch
Fotokopien, Mikrofilm, Funk- und Fernsehsendung für alle
veröffentlichten Beiträge einschließlich aller Abbildungen.
Änderungen und Irrtümer vorbehalten.
MAGAZI N FÜ R BEWEGU NG I N DER ARCH ITEKTU R
Wohnen
puls 02 | 2013
Ein einzigartiger Platz.
Für zwei.
Kristallfassade am Rhein
von roemer partner architektur
SCHUKO®-/USB-Steckdose.
Die Kombination aus bewährter Unterputz SCHUKO®-Steckdose
und USB-Netzteil. Mit Busch-Jaeger Patent. Für Smartphones,
Tablets, Foto apparate oder MP3-Player. Erleben Sie Komfort neu
auf www.BUSCH-JAEGER.de
Interview mit Stefan Marte
Wohnen im Mehrgenerationenhaus
Jenseits der Schwelle –
Architektur gegen die Gewohnheit
www.BUSCH-JAEGER.de
Die Zukunft ist da.
02 | 2013
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