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Lebendige Vergangenheit
Nino Piccaluga
Der eigentliche Vorname Piccalugas lautete Filippo, der auch auf einigen seiner Platten aufscheint. Sein Debüt erfolgte ziemlich spät, im Jahre 1918 am Teatro Coccia in Novara. Gleich zu
Beginn seiner Karriere wurde der Komponist Zandonai auf den Sänger aufmerksam, der dann
auch weiterhin sein bevorzugter Tenor blieb. Bereits 1919 sang er in Parma in „Francesca da
Rimini“, zusammen mit Elena Rakowska, der Frau von Tullio Serafin. Nach einer Saison am
Teatro Carlo Felice in Genua heiratete er 1919 die Sopranistin Augusta Concato, mit der er in
den nächsten Jahren häufig zusammen auftrat. So 1920 in Bologna in Alfanos „Leggenda di
Sakuntala“ und in Catalanis „Dejanice“, 1921 am Teatro Costanzi in Rom in „Manon Lescaut“
und am Teatro Dal Verme in Mailand wiederum in „Francesca da Rimini“. Ebenfalls 1921 kreierte
er in Triest die Oper „In Alto“ von Gallignani. Sein Debüt an der Mailänder Scala erfolgte am
29. Januar 1922 als Luigi in Puccinis ,,Il Tabarro“ (natürlich mit seiner Frau und mit Giuseppe
Noto als Michele). Einen Monat später sang er den Dimitri in „Boris Godunoff“ unter Arturo
Toscanini, sowie den Hagenbach in „La Wally“ (mit Margaret Sheridan). Während der Saison
1923–24 sang er wieder an der Scala unter Toscanini in „Manon Lescaut“ (diesmal jedoch mit
Gilda Dalla Rizza), sodann in der dortigen Erstaufführung von Alfanos „Leggenda di Sakuntala“
(unter Vittorio Gui, mit Concato). Im Turandot-Jahr 1926 kreierte er den Kalaf für Bergamo (mit
Maria Llacer und Augusta Oltrabella), ebenso auch am Teatro Massimo in Palermo (mit Barrigar).
Den Sommer von 1928 verbrachte er in Buenos Aires, wo er am Teatro Colon in Catalanis
„Loreley“ sang (mit Claudia Muzio, Benvenuto Franci und Tancredi Pasero). Am 19. Juni 1928
sang er in der Uraufführung der Oper „Frenos“ von Espoile (mit Bianca Scacciati, Gino Vanelli
und Pasero). Die ersten Monate des Jahres 1930 war er in Nordamerika als Startenor der kurzlebigen Columbia Grand Opera Company von Bevani. Diese Gesellschaft sollte eine ausgedehnte
coast-to-coast Tournee machen, spielte aber nur in San Francisco und Los Angeles und ging dann
pleite. Dennoch hatte Piccaluga in der kurzen Zeit in Kalifornien in den Opern „Carmen“,
„Andrea Chenier“, „La Forza deI Destino“, ,,Il Trovatore“ und „I Pagliacci“ gesungen. Andere
Mitglieder der Truppe waren Myrne Sharlow, Claudia Frigero, Enrico Spada und Carlo Scattola.
1931 sang Piccaluga wieder in Palermo in „Tosca“ (mit Campigna und Viglione-Borghese). Die
Ehe mit Augusta Concato war inzwischen geschieden worden. 1931–32 gastierte er an der
Italienischen Oper in Holland als Andrea Chenier, Don José, Canio und als Riccardo in „Un Ballo
in Maschera“ (mit Stani Zawaska, Attilia Archi, Lucia Abbrescia und Antenore Reali). Es war
dies der erste „Maskenball“ in Holland seit mindestens zwanzig Jahren und galt beinahe als eine
Premiere. Anschließend sang Piccaluga an der Mailänder Scala in der Uraufführung von Zandonais
„Una Partita“ (mit Rosa Raisa). Zuletzt sang er an der Scala den Avito in Montemezzis „L’ Amore
dei tre Re“ und 1933 in Mussorgskis „Khovantchina“ (unter Gui, mit Nini Giani, Wesselowsky,
Rossi-Morelli und Sdanowsky). Im Sommer 1934 unternahm er eine Konzerttournee durch
Holland mit der Italienischen Oper, die immer im August derartige Konzerte veranstaltete, um
die neuverpflichteten Künstler der nächsten Saison vorzustellen. Mit ihm waren damals Olga
Brancucci, Saturno Meletti, Edmea Limberti u. a. unterwegs. Seine Stimme hatte damals auffallend gelitten, und er erregte einiges Aufsehen durch seine Krawatte. Obwohl er sonst korrekt
gekleidet war, umhüllte er seinen Hals wie etwa Cavaradossi. Es schien, als ob er dort etwas zu
verbergen suchte. Tatsächlich erkrankte er bald darauf und dies bedeutete das Ende seiner Karriere.
Sein letztes Auftreten erfolgte im Februar 1935 in Neapel als Don José zu der Carmen von Nini
Giani. Obwohl er seine Krankheit schließlich überwunden hatte und noch fast vierzig Jahre lebte,
war seine Karriere schon mit fünfundvierzig Jahren beendet.
Piccaluga war ein bildschöner Mann, sehr romantisch und dabei ein leidenschaftlicher Schauspieler. Für einen Italiener war er sehr groß, schlank, und wurde von den Frauen vergöttert (was
auch sein Verhängnis gewesen sein soll). Er hatte eine sehr große und laute Stimme, auffallend
hell timbriert, ziemlich weiß gefärbt und sehr offen im Klang. Sie konnte sehr faszinierend sein,
und wäre es noch mehr gewesen, wenn er gelernt hätte, sie zu färben. Er war ein richtiger
Verismo-Interpret mit allen guten und schlechten Eigenschaften, wie etwa die Übertreibung des
Pathos; verzeihlich wohl bei Giordano und Zandonai, jedoch weniger erfreulich bei Verdi. Er
sang ja auch in erster Linie veristische Rollen und war Zandonais großer Favorit. Rollen wie Don
José, Canio und Chenier sang und spielte er mit Leidenschaft und Überzeugung. In älteren Opern
sang er selten. „Il Trovatore„ anscheinend nur in Kalifornien, „Un Ballo in Maschera“ nur in
Holland.
Piccaluga hat eine stattliche Reihe von Aufnahmen hinterlassen. Zuerst akustische für Columbia
und Fonotipia, wobei er bei der zweiten Gesellschaft zusammen mit Lauri Volpi als Star-Tenor
galt, und seine ersten Aufnahmen dort zuerst einseitig erschienen, was eine besondere Ausnahme
bei Fonotipia war. Erst später wurden diese Platten auch doppelseitig herausgegeben. Elektrische
Aufnahmen machte er für Pathé, Homocord, Fonotipia und Columbia. Später folgten noch Aufnahmen für Parlophon, die vorwiegend für den italienischen Markt bestimmt, in Berlin produziert wurden. Merkwürdig ist es, dass seine Platten viele Arien aus Opern umfassen, die er kaum
je sang. Von seinen eigentlichen Rollen in den Werken von Zandonai, Alfano und Montemezzi
existieren jedoch keine Aufnahmen. Als einzige Ausnahme steht uns eine Platte aus der Wolf-
Ferrari Oper „Sly“ zur Verfügung, in der er an mehreren italienischen Theatern als erster zu
hören war. Es ist daher nicht möglich, der Nachwelt ein ganz richtiges Bild dieses Künstlers zu
vermitteln, der überdies zu jenen zählte, deren visuelle Wirkung ebenso wichtig war wie die
stimmliche.
Leo Riemens
Nino Piccaluga’s real forename was Filippo, which is also found on some of his records. He
made his debut at a relatively late date: in 1918 at Novara’s Teatro Coccia. The composer Riccardo
Zandonai became aware of the singer early in his career, and Piccaluga remained his preferred
tenor. In 1919 he sang in a production in Parma of Francesca da Rimini with Elena Rakowska,
the wife of Tullio Serafin. Following a season at Genoa’s Teatro Carlo Felice, he married the
soprano Augusta Concato in 1919, and in the years that followed they often appeared together: in
1920 in Bologna in Alfano’s La leggenda di Sakuntala and in Catalani’s Dejanice, in 1921 at
Rome’s Teatro Costanzi in Manon Lescaut and at Milan’s Teatro dal Verme again in Francesca
da Rimini. In 1921 he also performed in the première of the Gallignani opera In alto in Trieste. His
debut at Milan’s La Scala took place on 29 January 1922 as Luigi in Puccini’s Il tabarro (with
his wife, of course, and with Giuseppe Noto as Michele). A month later he sang Dimitri in Boris
Godunov under Arturo Toscanini as well as the role of Hagenbach in La Wally (with Margaret
Sheridan). During the 1923-24 season he was back at La Scala in Manon Lescaut under Toscanini
(this time, however, with Gilda Dalla Rizza), and then in the first performance there of Alfano’s
La Leggenda di Sakuntala (under Vittorio Gui, with Concato). In the Turandot year of 1926 he
created the role of Kalaf for Bergamo (with Maria Llacer and Augusta Oltrabella) and at Palermo’s
Teatro Massimo (with Barrigar). He spent the summer of 1928 in Buenos Aires, where he sang in
Catalani’s Loreley (with Claudia Muzio, Benvenuto Franci and Tancredi Pasero) at the Teatro Colón.
On 19 June 1928 he sang in the première of the opera Frenos by Espoile (with Bianca Scacciati,
Gino Vanelli and Pasero). In the first months of 1930 he was in North America as the star tenor
of Bevani’s short-lived Columbia Grand Opera Company. This ensemble was supposed to make
an extended coast-to-coast tour but appeared only in San Francisco and Los Angeles before
going bankrupt. In his short time in California, however, Piccaluga sang in the operas Carmen,
Andrea Chenier, La forza del destino, Il trovatore and Pagliacci. Other members of the company
were Myme Sharlow, Claudia Frigero, Enrico Spada and Carlo Scattola. In 1931 Piccaluga again
appeared in Palermo in Tosca (with Campigna and Viglione-Borghese). Meanwhile, his marriage
to Augusta Concato had ended in divorce. In 1931-32 he made guest appearances with the
Compagnia d’Opera Italiana in Holland as Andrea Chenier, Don José, Canio and as Riccardo in
Un ballo in maschera (with Stani Zawaska, Attilia Archi, Lucia Abbrescia and Antenore Reali).
It was the first Masked Ball in Holland for at least 20 years and was almost considered a première.
Afterwards Piccaluga sang at La Scala in the first performance of Zandonai’s Una partita (with
Rosa Raisa). His last performances at La Scala were as Avito in Montemezzi’s L’amore dei tre
Re and in 1933 in Mussorgsky’s Khovanshchina (under Gui, with Nini Giani, Wesselowski,
Rossi-Morelli and Sdanowsky). In the summer of 1934 he made a concert tour in Holland with
the Italian Opera, which always staged such concerts in August in order to present the newly
hired artists for the coming season. Also in the company at the time were Olga Brancucci, Saturno
Meletti and Edmea Limberti. By this time his voice had noticeably suffered, and he caused a
certain sensation with his necktie. Although he was otherwise always correctly dressed, he
always wrapped his neck in the style of Cavaradossi, as though he were trying to hide something.
In fact, he actually did fall ill a short time later, and that brought his career to an end. He made
his final appearance in February 1935 as Don José to Nini Giani’s Carmen in Naples. Although
he was able to overcome his illness and lived for almost 40 more years, his career ended when he
was only 45.
Piccaluga was a strikingly handsome man, very romantic and a passionate actor. For an Italian he
was very tall and slender, and women adored him (which is also said to have been his undoing).
He had a very big, loud and open voice with a noticeably bright timbre and fairly white colouration.
It could be highly fascinating at times and would have been even more so had he learned to
colour it. His interpretations were in the true style of verismo with all its good and bad characteristics, such as exaggerated emotionalism; this was pardonable in the works of Giordano and
Zandonai but less satisfactory in Verdi. For the most part he sang the roles of verismo and was a
great favourite of Zandonai. He performed such roles as Don José, Canio and Chenier with passion
and conviction but rarely sang in older operas, apparently appearing in Il trovatore only in
California and in Un ballo in maschera only in Holland.
Piccaluga left behind an impressive legacy of records. His first were acoustical recordings for
Columbia and Fonotipia, and with the latter he was considered to be, along with Lauri Volpi, the
star tenor. His first recordings for Fonotipia were on a single side, which was quite exceptional
for the label. Only later were these recordings re-released on two sides. He made electrical recor-
dings for Pathé, Homocord, Fonotipia and Columbia. These were followed by recordings for
Parlophon, produced in Berlin primarily for the Italian market. It is remarkable that his records
feature many arias from operas that he almost never sang, and there are no extant recordings of
the roles he actually performed in the works of Zandonai, Alfano and Montemezzi. The only
exception is a record from the Wolf-Ferrari opera Sly, which he was the first to sing at several
Italian theatres. Thus it is impossible to convey an accurate picture of this artist to later generations.
In addition, he was one of those performers whose appearance was just as important as his voice.
Leo Riemens
MONO 89700
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