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MIT
LUXEMBURG
EXKURSION
EINE KOOPERATIONSVERANSTALTUNG MIT DER HOCHSCHULE TRIER
18/20
JUNI
PROFESSORENTAGUNG 2010
TRIER
PROFESSOREN-TAGUNG 2010
18. - 20. Juni 2010 in Trier mit Luxemburgexkursion
Tagungsort: Hochschule Trier
Fachbereich Gestaltung
Am Paulusplatz, Trier
EINE KOOPERATIONSVERANSTALTUNG MIT DER HS TRIER HOCHSCHULE FÜR TECHNIK, WIRTSCHAFT UND GESTALTUNG
02
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
04
Tagungsprogramm vom 18.06.2010
05
Prof. Dr.-Ing. Matthias Sieveke, HS Trier
06
Trier - Weltkultur und Moderne
Prof. Dr.-Ing. Thomas Jocher, Universität Stuttgart
10
Haut - Wert und Nutzen der Gebäudehülle
Ausstellungseröffnung
12
Architekturpreis 2009
Architekturmodelle aus dem Studentenworkshop in Baden-Baden, Okt. 2009
Dipl.-Ing. Michael Pröll, Ziegel Zentrum Süd e.V.
14
Ziegelkonstruktionen heute
Prof. Dipl.-Ing. Georg Sahner, HS Augsburg
18
Systemstrukturen energieeffizienter Architektur
Prof. Dipl.-Ing. Rob Krier, Berlin
22
Wie bauen wir eine Stadt
Exkursionsprogramm vom 19. + 20.06.2010
26
Porta Nigra
27
Städtisches Museum Simeonstift
29
Bischofsstadt
30
Dom Liebfrauen
31
Diözesanmuseum
32
Thermenmuseum am Viehmarkt
33
Palastaula Basilika
34
Kaiserthermen mit Eingangsgebäude
36
St. Maximin
37
Amphitheater
38
Petrisberg, Wohnungsbau
39
Turm Luxemburg
40
Barbarathermen und Römerbrücke
41
Luxemburg
42
Belval/Esch, Cité Judiciaire, Villa Vauban, Philharmonie, Musée d‘Art Moderne, Europ. Gerichtshof
Teilnehmerliste
47
Impressum
48
04VORWORT
WALTRAUD VOGLER
6000 Jahre Ziegelarchitektur und noch kein Ende!
Konstrukteure und Wissenschaftler, die sich damit beschäftigen, neue Baustoffe zu entwickeln, die die
Aktivitäten der Menschen vom Hausbau bis zur Entwicklung von Raumstationen für Expeditionen ins All
vereinfachen sollen, wähnten das Bauen mit Ziegel längst am zwangsläufigen Endpunkt. Eingekeilt zwischen Energieeinsparverordnung und andere verschärfte Gesetze, die vermeintlich die Grenzen der Möglichkeiten dieses Jahrtausende alten Baustoffes erreicht hatten. Sie hatten nicht mit dem ungeheuren Innovationsdrang der Ziegelhersteller gerechnet, die sich in den letzten Jahren quasi selbst übertroffen haben.
Die Bandbreite von schweren, speicherfähigen, nahezu unverwüstlichen römischen Ziegelbauten, die wir
anlässlich der Professorentagung in Trier zu sehen bekommen, zu den filigranen, großformatigen hochwärmedämmenden Ziegelerzeugnissen des 21. Jahrhunderts, die als Teil einer Ausstellung am Rande der
Tagung zu sehen sind, dokumentieren den Erfindergeist und die Fachkenntnis der jungen Ziegelproduzenten und das Interesse der Lehrenden an den Hochschulen, die wissen, dass Innovationen sich nicht ausschließlich auf neu entwickelte Kunststoffe, ultrahochfeste Betone oder Metallgitter beziehen müssen. Althergebrachtes Wissen ist in Zeiten ökologischer Umwälzungen häufig Grundstock für neues Denken.
Nicht umsonst sind baubiologisch geschulte Architekten, nach Jahren des verpönten Daseins, heute die
gefragten Berater im Baubereich. Allergiegeplagte, gestresste Auftraggeber sehnen sich nach Ruhe, behaglichem Raumklima und Baustoffen, die die Gesundheit nicht gefährden. Auch dies sind Errungenschaften unserer Baukultur! So mancher Ziegelbau ist heute sogar unter „Weltkultur“ einzuordnen.
Prof. Dr. Matthias Sieveke spannt in seinem Vortrag den Bogen von den römischen Anfängen der Stadt
Trier wenige Jahre vor Christi Geburt über die noch eindrucksvoll erhaltenen, römischen Großbauten im
2. und 3. Jahrhundert n. Chr. zur Bischofsstadt und weiter bis zur Moderne. Noch heute ist der gewaltige
Ziegelbau der Palastaula als beeindruckendes Zeitzeugnis erlebbar. Demgegenüber hat sich der Einfluss
Heinrich Tessenows, der in Trier lehrte und baute, weniger auf Großbauten bezogen, sondern langfristig
das Bild des Einfamilienhauses per se geprägt.
Prof. Dr. Thomas Jocher nähert sich anlässlich dieser Tagung dem Wert und Nutzen von Gebäuden über
die Beschaffenheit der Hüllen, die sie umschließen. Er betrachtet die spezifische Leistungsfähigkeit der
„Haut“ im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit und „Schönheit“ und bringt dabei auch energetische Gesichtspunkte ins Spiel, die eng verknüpft sind mit dem technischen Betrieb von Gebäuden und damit auch
großen Einfluss auf langfristige Renditebetrachtungen haben.
Dipl.-Ing. Michael Pröll beschreibt die radikal gestiegenen Anforderungen beim Bauen – vor allem in
Bezug auf den Wärmeschutz. Er zeigt, wie einfache, langlebige Wandaufbauten zu qualitätvollen Lösungen führen können, die höchste energetische Ansprüche erfüllen können - und das bei niedrigen Gebäudelebenszykluskosten. Die Ausstellung zum Architekturpreis 2009 des Ziegel Zentrum Süd, die in 2010
durch acht Hochschulen wandert, zeigt aktuelle Beispiele bemerkenswerter Architektur in Ziegelbauweise.
Gleichzeitig werden die Arbeitsmodelle aus Lehm, Exponate des Studentenworkshops der Hochschulen
Augsburg und Trier vom Oktober 2009 in Baden-Baden, erstmals gezeigt.
Prof. Georg Sahner befasst sich seit Jahren mit den Systemstrukturen energieeffizienter Architektur. Ein Zusammenwirken aller Fachplaner unter Zugrundelegung aller relevanten Fachdaten bis hin zu demoskopischen Überlegungen und dem Ziel vielseitiger Nutzbarkeit von Raumstrukturen sind Kernpunkte seiner Arbeit, die vornehmlich im Wohnungsbau zum Tragen kommt. Energieeffizienz als Grundlage heutiger Planungen sind an der Hochschule Augsburg vor allem im Studiengang Energieeffizienzdesign verortet.
Prof. Rob Krier schreibt seit Jahrzehnten über die Grundprinzipien von Urbanität und Stadtgestalt. Wie
bauen wir eine Stadt, wird von ihm nicht als Frage behandelt, sondern vor dem Hintergrund seiner ebenso ausgeprägten Planungs- und Bauerfahrung gedeutet. Ein Architekt und Stadtplaner, der durch sein
Verständnis von „brauchbaren“ Stadtbausteinen in Architektenkreisen häufig kontrovers diskutiert wird,
demonstriert den Umgang mit den von ihm erkannten wesentlichen Elementen der „vielfältigen Stadt“.
PROGRAMM
Ort:
18.06.2010
TAGUNG
HS Trier Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung
Fachbereich Gestaltung, Am Paulusplatz, Aula
12.00 Uhr
Begrüßungskaffee und Imbiss
13.00 Uhr
Begrüßung Prof. Dr.-Ing. Jörg Wallmeier, Präsident der Hochschule Trier
13.15 Uhr
Einführung, Dipl.-Ing. Waltraud Vogler, Geschäftsführerin Ziegel Zentrum Süd
13.45 Uhr
Prof. Dr.-Ing. Matthias Sieveke, Hochschule Trier
Trier - Weltkultur und Moderne
14.30 Uhr
Prof. Dr.-Ing. Thomas Jocher, Universität Stuttgart
Haut - Wert und Nutzen der Gebäudehülle
15.15 Uhr
Ausstellungseröffnung Architekturpreis 2009 und Architekturmodelle aus dem
Studentenworkshop in Baden-Baden, HS Augsburg + HS Trier, Okt. 2009
Kaffee-Pause
16.00 Uhr
Dipl.-Ing. Michael Pröll, Ziegel Zentrum Süd
Ziegelkonstruktionen heute
16.30 Uhr
Prof. Dipl.-Ing. Georg Sahner, Hochschule Augsburg
Systemstrukturen energieeffizienter Architektur
17.15 Uhr
Prof. Dipl.-Ing. Rob Krier, Berlin
Wie bauen wir eine Stadt
18.00 Uhr
Diskussion und Zusammenfassung
18.30 Uhr
Ende der Tagung, Spaziergang zum Hotel
19.00 Uhr
Einchecken in das Hotel Park Plaza Trier
20.30 Uhr
Abendessen im Restaurant Schlemmereule
Teilnahmegebühr für die gesamte Tagung inkl. Abend- und Mittagessen 80,- EUR, zuzüglich 49,- EUR für eine Übernachtung mit Frühstück im Hotel Park Plaza Trier. Die Tagung wird zu einem erheblichen Teil aus Mitteln des Ziegel
Zentrum Süd finanziert. Tagung und Exkursion für ProfessorInnen der Fachbereiche Architektur und Bauingenieurwesen
aller Hochschulen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Die Kosten für die Anfahrt
nach Trier und die eintägige Luxemburg-Exkursion werden von den TeilnehmerInnen selbst übernommen.
06TRIER
Weltkultur und Moderne
PROF. DR.-ING. ARCHITEKT MATTHIAS SIEVEKE
HOCHSCHULE TRIER
SIEVEKE ARCHITEKTEN, MÜNCHEN
Eingegrenzt durch die Mosel auf der westlichen und
dem Petrisberg auf der östlichen Seite wird von Beginn an der Siedlungsraum der Treverer definiert.
Über Jahrhunderte war der enge Stadtkern einem
ständigen Wandel unterworfen. Neues wurde auf
Altes gebaut, das wiederum für nachfolgende Generationen als Steinbruch bzw. als Fundamentierung
für weitere Bauten genutzt wurde. Zum Beispiel dienten die Kaiserthermen im Laufe der Jahrhunderte
abwechselnd als Kaserne, Steinbruch oder Wohnanlage. Eine Kleingartenanlage steht heute da, wo sich
vor 1800 Jahren eine römischer Tempelbezirk
befand. Wenige Einzeldenkmäler wie z.B. die Igeler
Säule sind noch vollständig erhalten. Das oberirdisch
erhaltene 23 m hohe Pfeilerdenkmal in der Nähe
von Trier wurde mehrmals von Goethe besucht und in
der „Kampagne in Frankreich“ beschrieben. Schinkel
ließ das Denkmal, das an verstorbene Angehörige
erinnert, vermessen und untersuchen.
DIE RÖMER
Ausgehend von der ersten römischen Holzbrücke
über die Mosel, dendrochronologisch datiert in das
Jahr 18 / 17 v. Christus, hängen die Anfänge des
Straßennetzes und damit die Besiedelung der neuen
Römerstadt zusammen: ein rechtwinkliges Gitter
geschotteter Straßen mit eingefassten Bebauungen
(Insulae) östlich der Mosel. Aus topografischen
Gründen richtet sich das Raster an den verschiedenen Terrassenkanten des Moseltals aus, und wich
von der klassischen römischen Einteilung nach den
Hauptachsen cardo (Nord-Süd) und decumanus (OstWest) insofern ab, als sowohl die Nord-Süd Achse
als auch die West-Ost Achse in ihrem Verlauf
abknicken bzw. verspringen. Im geometrischen
Schwerpunkt wurde das Forum als 140m x 278m
großes politisches und wirtschaftliches Zentrum
errichtet. Die weitere Besiedelung von lat. Augusta
Treverorum (Kaiserstadt der Treverer) setzte dann
zunehmend unter der Regierungszeit des Augustus,
31 v. bis 14. n. Chr. ein. Das Straßenraster wurde
erweitert, die Straßen erreichten eine Breite von
17 bis 18 m , die durch den Einbau seitlicher Laubengänge auf ca. 11 bis 12 m verringert wurde. Sie
waren beidseitig von Kanalisationsgräben begleitet.
Plan des römischen Trier, 1. und 2. Jh.
Die Zugehörigkeit der Treverer zum römischen Reich
(bis zum Ende des 5. Jahrhunderts) führte zu einer
weitgehenden Romanisierung Triers und des Umlandes. Latein wurde die maßgebliche Sprache.
Im Verlauf des 2. und 3. Jahrhunderts wurden weitere
Großbauten realisiert. Die Thermenbauten, Barbara-,
Kaiser- und auch Viehmarktthemen, Amphitheater,
Circus und Porta Nigra (Nordtor der Stadtmauer)
sowie zum Ende des 2. Jahrhunderts die Palastaula/
Basilika als Empfangshalle und Mittelpunkt des
kaiserlichen Palastes. Die Stadt war von einer 6,5 km
langen Mauer umgeben, von deren Toren noch die
Porta Nigra als Zeugnis der römischen Architektur des
2. Jahrhunderts erhalten ist. Die Römerbauten und
die christlichen Nachfolgebauten wurden 1986 in die
Liste des Welterbes der UNESCO aufgenommen.
DER DOMBERING UND DAS MARKTRECHT
Die zunehmende Christianisierung und das Marktrecht im Jahre 958 führten zu einem Aufbrechen der
orthogonalen Straßenstruktur. Zwischen dem weltlichen Marktplatz und der Römerbrücke wurde der
direkte Weg gesucht. Das orthogonale Straßenraster
wurde abgetragen oder überbaut. Der Hauptmarkt
bildete das mittelalterliche Zentrum. Zur Abgrenzung
dessen bildete sich innerhalb dieser weltlichen eine
kirchliche, gekapselte bauliche Struktur zur Erneuerung des geistlichen Lebens, baulich abgegrenzt
durch einen umschließenden Mauerring, dem Domring.
Trier hat in seinem Dombering eine siedlungsgeschichtliche Merkwürdigkeit bewahrt, die ihresgleichen sucht. Aus dem Nebeneinander von Domkirche, Liebfrauen und den Kurien auf - wie immer
in Trier - engumfriedetem Raum wird in geradezu
glänzender Weise offenbar, wie Geschichte gebaut
werden kann, so Rudolf Brands in seiner Studie von
1942 über die „Trierer Domimmunität im Wandel der
Baukunst vom 11. bis 18. Jahrhundert“, eine „Stadt
in der Stadt“, die ihren Charakter als ein von der
Altstadt rings umschlossenes Viertel noch weitgehend
im heutigen Straßenbild bewahrt hat und das „baukünstlerische Schaffen mehrerer Jahrhunderte lebendig werden lässt“. Viele enge und verwinkelte Gassen, umgeben von hohen Mauern, hinter denen - wie
versteckt – die einzelnen Kurien mit ihren Gärten
liegen, werden über Toreinfahrten bzw. in der Mauer
eingelassene Portale oder Torgebäude erschlossen.
Die jeweils unterschiedlichen Architektursprachen von
der Romanik bis zum Klassizismus bilden in ihrer Gesamtkomposition eine unverwechselbare Kulisse. Eine
Stadt in der Stadt, die das baukünstlerische Schaffen
von acht bis neun Jahrhunderten wieder gibt. Die
ganze Anlage hat eine Größe von ca. 10 ha. Das
heutige Bestehende entwickelte sich aus den KernDomfreiheit und Kurien, heutige Situation
Dombering, Mauer – und Zugangsdetails
bauten älterer Anlagen. Zum Beispiel aus romanischen Turmhäusern und Kapellen auf den breiten,
mittelalterlichen Mauerzügen. Aus dieser Zeit sind
noch Kapellen und Mauerreste, aus der gotischen
Zeit einzelne Bauwerksteile wie Türstürze und Fassadenstücke erhalten. Geprägt wird das heutige Erscheinungsbild im wesentlichen durch den barockklassizistischen, großzügig angelegten Charakter der
Bauten des 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts verlor Trier allerdings
08
seine wirtschaftliche Kraft. Armut und Mangel kennzeichneten den Alltag Vieler. In diesem Zeitabschnitt
wurde Karl Marx 1818 als Sohn des ortsansässigen
Advokaten in den beengten Räumlichkeiten der Brükkenstraße in Trier geboren. Ein Jahr später siedelte
die Familie in die Simeonstraße in direkter Nachbarschaft zu Port Nigra über. Marx studierte Armut und
die Abhängigkeiten zu Herkunft und Lebensumständen unmittelbar und leitete hieraus teilweise seine
Theorien ab.
1944 wurde Trier durch Luftangriffe stark zerstört.
Aufgrund mangelnder wirtschaftlicher Kraft nicht sofort neu aufgebaut, sodass ein großer Bereich der Altstadt in späteren Jahren wieder revitalisiert werden
konnte. Das Ideal der autogerechten Stadt aus den
60er bzw. 70er Jahren des vergangenes Jahrhunderts
wurde zum Glück nur teilweise realisiert. Beeindrukkend schamlos allerdings gegenüber den römischen
Bauten ist die Verkehrsführung an den Kaiserthermen.
Durch Umnutzungen ehemaliger Kasernenflächen
wurden neue Stadtteile aufgetan, letztmalig auf dem
Petrisberg. Ehemalige Kasernenflächen wurden neuen
Funktionen - von Wohnen bis Dienstleistung und
Kultur - zugeführt, Grünanlagen und Freiflächen
integriert.
DIE MODERNE – EINFLÜSSE VON AUSSEN
Wird in Trier im klassischen Sinne von der Moderne
gesprochen, so sind hier schwerpunktmäßig Einflüsse
auswärtiger Architekten, die einige Jahre in Trier
wirkten, zu nennen. Jenseits der historisierenden und
kleinmaßstäblichen Formensprache wurden neue
Ansätze für die Entwicklung der Stadt definiert. Der
Architekt Heinrich Tessenow kam 1905 als Lehrer
der Baugewerkeabteilung, der heutigen Fachhochschule nach Trier. Während seiner Trierer Zeit bis
1909 verfasste er sein bedeutendes Werk „Der
Wohnhausbau“. Mit diesem Buch formulierte Tessenow ein neues Konzept der reinen Sachlichkeit.
Bauherr Proppe; Haus Trier Euren
Tessenow entwickelte eine abstrakte Form von Architektur, die in ihrer positiven Schlichtheit und ihrem
Purismus avantgardistisch genannt werden kann.
Die Architektur ist von jeglichen Schmuckelementen
befreit und zehn Jahre vor dem Bauhaus radikal neu.
Tessenow bekam die Gelegenheit, ein Wohnhaus
im sachlichen Stil der Vor-Moderne in Trier Euren zu
planen und errichten.
Das “Haus Proppe” wurde vor 100 Jahren errichtet
und war zu seiner Entstehungszeit der Architektur
Triers um Jahre voraus. Dieses „Haus am Berg in der
Sonne“ wie es der Bauherr Proppe nennt, in schlichtem Weiß erstellt, hebt mit dem beherrschenden Satteldach von der dunklen Naturkulisse ab. Die Fenster
verteilen sich symmetrisch über die Fassade, an der
rechten Seite ist eine offene Laube mit Pfeilern angebaut. Um dieses Haus zu realisieren, bedurfte es
allerdings auch eines entsprechenden Bauherrn. Als
Lebensreformer und Anhänger Otoman Zar-Adusht
Ha’nish ist Proppe bekennender Mazdaznaner. Dabei
handelt es sich um eine Mischreligion mit zarathustrischen, christlichen und einigen hinduistischen Elementen. Er und seine Familie ernährten sich vegetarisch, frönten der Nacktkultur und stellten möglichst
alles selbst her. Als “Irrer von Euren” in dem beschaulichen Vorort von Trier bekannt, ist er gleichzeitig
Kunsthandwerker, der gutbürgerliche Möbel, Grabsteine und Büroeinrichtungen für Trierer Familien und
Unternehmen entwirft. Er selbst lebt in modernem
Design mit wenig Mobiliar in radikal zweckmäßigen
Formen wie praktischen Stapelbetten und hellen,
lichtdurchfluteten Räumen, die offen sind für Künstlerinnen und Künstler nicht nur aus seinem regionalen Umkreis.
Ein weiterer, wichtiger Protagonist der Moderne in
Trier war Alfons Leitl. Geboren und ausgebildet in
Berlin, war Leitl zunächst Architekturkritiker bei der
„Bauwelt“, Herausgeber der Zeitschrift „ Baukunst
und Werkforum“ bevor er 1949 Stadtbaurat in Trier
wird, um den Wiederaufbau der Stadt zu koordinieren. Er organisiert im gleichen Jahr zusammen mit
Schwippert und Eiermann die Ausstellung „Neues
Wohnen und neue deutsche Architektur nach 1945“.
Ab 1950 arbeitet Leitl als freier Architekt am Wiederaufbau bzw. an der Neuausrichtung der Stadt. Zu
seinen Hauptwerken zählen die neue Stadtbibliothek
am Weberbach, die neue Synagoge an der Kaiserstraße, die Erweiterung des Landratsamtes sowie
eine Anzahl von Kirchenbauten. Er interpretiert die
funktionalistische Architektur neu und entwickelt sie
weiter von der „Sachlichkeit zur Sachgemäßheit“,
„damit nicht das Moderne in Konformismus jegliche Differenzierung verliert und zur hohlen Form
herabsinkt“, wie er sich selbst einmal dazu äußert.
Als beispielhaft gilt die neue jüdische Synagoge.
Die Architektursprache der Synagoge thematisiert
historische, bauliche Fragmente und setzt zusätzlich
moderne Akzente durch die Verwendung und Visualisierung zeitgemäßer Materialien und Konstruktionen.
Das innerstädtische Gebäude nimmt die Flucht der
Nachbargebäude nicht auf, sondern setzt sich gegenüber der geschlossenen Blockstruktur zurück.
Ost/Westgerichtet weist es nach Jerusalem, der typischen Richtung des Synagogenbaus. Der Baukörper
mit den Abmessungen 27,0 x 10,0 m wurde als
streng geometrischer Quader ausgebildet. Das konstruktive Prinzip des Hauses besteht aus 60 cm dicken
Natursteinmauern sowie einer in Nord-/Südrichtung
verlaufenden, aussteifenden Innenwand. Eine geringe
Anzahl der Natursteine wurde aus der Vorgängersynagoge wiederverwendet.
Jahren auf. Das Museum ist also nicht nur ein Archiv
der Stadtgeschichte, sondern zugleich auch ein Zeugnis 2000-jähriger Stadtgeschichte. Umbau und Erweiterung haben ab 1994 durch den Gewinn eines
Wettbewerbs Baumewerd Architekten, Münster und
Köln, realisiert. Der Bau orientiert sich an der Kubatur
des Bestands, greift traditionelle Elemente, wie ein
einfaches Satteldach, eine Natursteinverkleidung und
das Prinzip der Lochfassade auf.
Oswald Matthias Ungers, aus der Eifel, genauer aus
dem Weiler Kaisersesch stammend, pflegte eine besondere Beziehung zu Trier. Im Studium der unterschiedlichen Bauepochen, angefangen bei den
Römern über das Mittelalter mit seinem Dombezirk,
hin zum Barock und Rokoko zur Klassik, stellten
unmittelbare Studienobjekte für Ungers dar. Selber
realisiert hat er die umstrittene Überbauung der
Viehmarktthermen, die Raum- und Platzbildung
westlich der Basilika, sowie sein letzter realisierter
Bau, das Zugangs- und Informationsgebäude der
Kaiserthermen.
Die qualitätvollen Einflüsse der Moderne von
Tessenow bis Ungers wirken nur zum Teil. Erfreuliche Ausnahmen bilden aber zum Beispiel der
Neubau der Domsingschule oder auch einige
Bauten auf dem Petrisberg. Ein Bewusstsein über die
qualitative Aufwertung historischer Bausubstanz hat
in den letzten Jahren zugenommen. Als Beispiel sind
hier die Revitalisierung des Palais Waldendorf mit
dem Turm Jerusalem oder auch der Frankenturm zu
nennen.
Kaiserthermen, Römisch - Moderne
Detail, Thermenbefeuerung von Außen
Neue Synagoge
Die Fassade in ihrer Materialität, bestehend aus Beton, wurde einheitlich gehalten. In der Außenwirkung
der Synagoge wird besonders der von Leitl beabsichtigte Gegensatz zwischen der traditionellen Bauweise
des hammergeschlagenen Natursteins und der Moderne in Form des Betons deutlich. Lichtbänder umlaufen die Südwest- und Ostseite des Gebäudes - sie
assoziieren in ihrer Dreiecksform den Davidstern.
Das Museum Simeonstift Trier, gegründet als stadtgeschichtliches Museum, benannt nach Simeon der
von Syrakus auf Sizilien kommend sich von 1030 bis
1035 im Ostturm der Porta Nigra einmauern ließ und
dort als Eremit lebte, starb und direkt nach seinem
Tode im Dezember 1035 heilig gesprochen wurde.
Das Gebäude des Stadtmuseums schließt an der
Westseite der Porta Nigra an. Es ist auf den Resten
einer römischen Befestigungsanlage erbaut, bezieht
Teile der mittelalterlichen Stadtmauer ein, weist aber
auch Flügel aus der Barockzeit und aus den 1930er
Quellen:
- Dietze, Peter; Trier Antike, Gegenwart, Zukunft
- Nebe, Johannes Michael; Der Trierer Dombereich
- Kuhnen, Hans Peter; Das römische Trier
- Rettet das archäologische Erbe in Trier
10HAUT
WERT UND NUTZEN DER GEBÄUDEHÜLLE
PROF. DR.-ING. ARCHITEKT THOMAS JOCHER
INSTITUT WOHNEN UND ENTWERFEN, UNIVERSITÄT STUTTGART
ARCHITEKTEN FINK + JOCHER, MÜNCHEN
TONGJI UNIVERSITY, SHANGHAI
Die Außenhaut, technisch gesehen nur eine thermische Hülle, ist eines der wichtigsten Themen in der
aktuellen Architekturdiskussion. Neue Ansprüche,
zum Beispiel veränderte Wohnformen, hohe Anforderungen zum Wärmeschutz, neue Bedingungen
aus der Nachhaltigkeit stellen die Haut vor neue
große Herausforderungen. Die Haut ist aber nicht
auf physische Eigenschaften zu reduzieren. Sie steht
für weitaus mehr, für Übergang und Verbindung. Die
Haut ist Schnittstelle zwischen Innen und Außen,
privaten Bedürfnissen und öffentlichen Ansprüchen.
Die Fassade, aus dem französischen „face“ abgeleitet, steht für eine besondere Verantwortung
gegenüber der Öffentlichkeit. Die Haut ist nicht nur
nützlich, sie ist wertvoll!
Wendepunkt Stoff und Energie
Energie
„Der Hauptschauplatz wird künftig die thermische
Hülle sein. In der Fassade werden nicht nur die
Forderungen nach hervorragendem Wärmeschutz
(Sommer und Winter) zu erfüllen sein, vielmehr ist
hier Energiegewinn statt Energieverlust zu fordern.
Der Nachweis, dass Häuser nicht passiv Energie
(Wärme) verlieren, sondern als aktive Kollektoren in
der Gesamtbilanz Energie „produzieren“, wird
bereits jetzt im Einzelfall geführt (Passivplus Haus).
Allerdings fehlt zurzeit eine fundierte Gesamtenergiebetrachtung, wie sie im Bürobau schon durchaus
üblich ist. Die Verknappung der Energie wird künftig
selbst im durchschnittlichen Wohnungsbau zu
„Produkten“ führen, die heute noch die Ausnahme
darstellen. Wenn wir in einer Klimazone überleben
wollen, deren Jahresdurchschnittstemperatur - trotz
Erderwärmung- noch immer mindestens 10 Grad
unterhalb einer komfortablen Raumtemperatur
von 20° liegt, sind allergrößte Anstrengungen
notwendig. Dies bezieht sich nicht alleine auf eine
gut gedämmte Außenhülle. Neben der Minimierung
von Wärmeverlusten erscheint mir die Abhängigkeit
von Energie zum technischen Betrieb von Gebäuden
immer wichtiger.
Die Entwicklung tiefer Grundrisse zugunsten
geringer kosten- und energieintensiver Hüllflächen
ergibt einen hohen Energiebedarf zur künstlichen
Belichtung. Besonders die attraktiven Hochhäuser
sind in Erstellung und Unterhalt sehr kosten- und
energieintensiv. Schon jetzt werden in einigen hohen
Gebäuden Einschränkungen zur Personenbeförderung
(Lift) überlegt, um Energiekosten (Strom) zu reduzieren. Das erscheint uns allen noch sehr übertrieben.
Aber die Gebäudeinfrastruktur benötigt viel Strom,
dessen Primärenergieaufwand sehr hoch ist und der
als Energieträger schon jetzt von neuen anderen
Konkurrenten (Elektroautos) umworben wird. Volle
Teller oder volle (Keller) Tanks ? – Das werden wir
uns auch im Zusammenhang bei Gebäuden fragen
lassen müssen.
Nicht alles technisch Machbare wird auch vom
Nutzer akzeptiert. Neben den technisch hoch
gerüsteten Gebäuden, die einen hohen Betriebsund Bedienungsaufwand erfordern, wird sich nach
meiner Einschätzung eine Nutzergruppe etablieren,
die versucht, die technische Abhängigkeit stark
durch natürliche Kreisläufe zu minimieren. Diese
einfachen -„Barfuß“- Häuser werden versuchen,
mit einfachen, unveredelten Baumaterialien, unter
Verzicht auf tagtäglichen Komfort, zum Beispiel durch
Reduzierung von energetisch konditionierten Flächen,
ebenfalls Energie zu sparen. Diese Gruppe kann
sich aber allenfalls in verdichteter Flachbauweise mit
maßvoller Bauhöhe durchsetzen.
Ressource
Materialien werden deutlich stärker auf ihre Energieeffizienz bewertet werden. Das bisherige Regulativ
„Marktpreis“ muss als untauglich erkannt werden
und durch eine neue ökologische Ordnung und
Wertigkeit ersetzt werden. Waren Baustoffe früher
eher beiläufige funktionale Erfüllungsgehilfen, so
werden Sie künftig stärker in einem ökologischen
Zusammenhang überprüft werden.
Recycling
oder downcycling steht oft im Widerspruch zum intelligenten Einsatz hocheffizienter Verbundstoffe, deren
Trennung schwierig ist. Die spezifische Leistungsfähigkeit (material input per unit of service, MIPS)
muss aber auf eine sehr lange Dauer, im besten
Sinne der Nachhaltigkeit, bewertet werden. Hier bin
ich selbst unentschieden: zum einen übt die technische Überlegenheit von Verbundstoffen eine große
bauliche Faszination aus, andererseits sind die
Risiken wie ein unkalkulierbarer, emissionshoher
Trennungsaufwand unübersehbar.
Wendepunkt Raum und Zeit
Die größte Nachhaltigkeit bieten dauerhaft genutzte,
langlebige Gebäude, selbst wenn sie eine größere
energetische Anfangsinvestition erfordern. Welche
Merkmale müssen diese Gebäude aufweisen, die
eine hohe „Halbwertszeit“ aufweisen? Sie müssen,
um den frühzeitigen Abriss zu vermeiden, vor allem
schön sein! Auch wenn die Fachwelt selbst unter-
einander - und mit der Nichtfachwelt - über diesen
Begriff streitet, aus meiner Sicht stellt er einen
Schlüssel dar, auch wenn die „Schönheit“ sich auf
keine Formel bringen lässt. Schönheit als Wert - diese
streitbare Forderung geht zugunsten kurzfristiger
Renditebetrachtungen meist unter. Die Erfahrung der
Vergangenheit lehrt uns doch, dass meist nur wertgeschätzte, schöne Gebäude dauerhaften „Erfolg“
haben. Dieser Erfolg muss kombiniert werden mit
einer belastungsfähigen Gebäudestruktur, die Veränderungen zulässt. Flexibilität im Wohnungsbau wird
zu einem der wichtigsten Ziele, um Anforderungen,
die sich jetzt noch nicht abzeichnen, auch in Zukunft
umsetzen zu können. Dies betrifft im Wesentlichen
die Wohnraumgröße und -organisation. Schon
heute zeichnet sich die zunehmende Einbettung
supplementärer Arbeitsflächen in der Wohnung ab.
Änderungen durch Abbruch sind in Zukunft weder
energetisch vertretbar noch finanzierbar... Die
Herausforderungen an den künftigen Wohnbau sind
enorm. Da wir schon heute die wesentlichen Inhalte
für die städtebaulichen Strukturen und Gebäude
bis zum Ende dieses Jahrhunderts legen, ist ein
Überdenken von Werten, die sich am derzeitigen
Überfluss einerseits und gesetzlichen Mindeststandards andererseits orientierten, unausweichlich.
Noch können wir mit den bestehenden geistigen
und materiellen Ressourcen die Wende zu einer
zukunftsfähigen Wohnbauarchitektur schaffen!“
Aus: „Wendepunkte im WohnBauen“
Thomas Jocher, Stuttgart, 2009
„Schillerstraße“ (Fernsehserie, seit 2004)
12 ARCHITEKTURPREIS 2009
Die Verfasser der prämierten Arbeiten demonstrieren den
gekonnten Umgang mit den vielfältigen Möglichkeiten
moderner Ziegelbauweise bei Projekten unterschiedlicher
Größe - vom Wohnhaus über Schul- und Gewerbebauten zum Sakralbau.
Eine wechselnde Anzahl der eingereichten Arbeiten
- Preisträger, Engere Wahl und zum Teil weitere - wird
in 2010 in Ausstellungen in Kooperationen mit einer
Reihe von Hochschulen in ganz Süddeutschland - in
Veranstaltungen mit ausgewählten Gastreferenten aus
dem Kreis der Preisträger, Sonderpreise + Anerkennungen - gezeigt (April HS Wiesbaden, Mai HS München,
Juni GSO-HS Nürnberg und HS Trier, Juli FH Frankfurt,
Oktober FHWS Würzburg, November SRH Heidelberg...)
Das Ziegel Zentrum Süd e.V. widmet sich vorrangig der
Hochschulförderung in den Fachbereichen Architektur
und Bauingenieurwesen in den Bundesländern Bayern,
Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Alle 2 Jahre schreibt es einen Architekturpreis aus.
Ausgezeichnet werden konzeptionell, konstruktiv und gestalterisch überzeugend realisierte Bauwerke, bei denen
der Baustoff Ziegel vor allem in Wandkonstruktionen verwendet wird. Es kann sich sowohl um verputzte oder verkleidete Konstruktionen oder auch Vormauerschalen aus
Sichtziegel handeln. Die Bauten sollen bereits nutzungsfähig, jedoch nicht älter als vier Jahre sein und ihren
Standort in Süddeutschland haben. Bei Standorten in
anderen Bundes-/Ländern ist Voraussetzung, dass die
Planung durch Architekten aus Süddeutschland erfolgte.
Jury:
____Prof. Anne Beer, HS Regensburg
____Prof. Peter Ebner, UCLA
____Prof. Ulrich Königs, Universität Wuppertal
____Prof. Hellmut Raff, HS RheinMain Wiesbaden
____Prof. Anne-Christin Scheiblauer, FH Frankfurt
____Dipl.-Ing. Arch. Waltraud Vogler, ZZS
ENTWURFSWORKSHOP
Raum Inter Aktionen 29.10. - 01.11.2009
Kloster Lichtenthal in Baden-Baden
Studierende der Architektur mit Prof. Georg Sahner, HS Augsburg
+ Prof. Matthias Sieveke und Prof. Oskar Spital-Frenking, HS Trier
Etwa 40 ArchitekturstudentInnen aus Augsburg und Trier
nahmen am 4-tägigen Entwurfsworkshop im Herbst
2009 in Baden-Baden teil. Die Entwurfsaufgabe beinhaltete eine kleine Kunstsammlung für einen privaten
Sammler mit einem Ausstellungsraum, einem Archiv,
einer kleinen Bibliothek und den entsprechenden Nebenräumen wie Windfang, WC und Garderobe. Neben
dem Entwerfen in Form von Zeichnungen waren Arbeitsmodelle aus Ton im M 1:33 zur räumlichen Entwicklung
der Aufgabe vorgegeben. Der Keramikmeister, Wolfgang
Sturm, leitete die Studierenden beim Bau der Modelle
an und unterstützte sie bei allen angedachten, zum
Teil relativ komplexen Bauformen. Nach Abschluss des
4-tägigen Workshops ließ das Ziegel Zentrum Süd die
Modelle brennen, damit sie langfristig in Ausstellungen
gezeigt werden können.
14ZIEGELKONSTRUKTIONEN HEUTE
DIPL.-ING. MICHAEL PRÖLL
ZIEGEL ZENTRUM SÜD E.V.
BEETHOVENSTRASSE 8
80336 MÜNCHEN
unverwüstlich und wertbeständig Ziegel ist. Allerdings
hat sich Ziegel über die Jahre hinweg verändert verstärkt durch immer strengere, politische Vorgaben.
Dabei werden Ziegel noch immer aus Ton oder tonhaltigen Stoffen, mit oder ohne Sand oder andere
Zusätze, bei einer ausreichend hohen Temperatur
gebrannt, um einen keramischen Verbund zu erzielen.
Was hat sich also an den Rahmenbedingungen
geändert und welche Entwicklungen haben dazu
geführt, dass Bauen mit Ziegel noch immer zu den
beliebtesten Bauweisen im Wohnungsbau zählt?
Stadthaus, Neu-Ulm, Fink + Jocher Architekten, München
Haus Poth + Liewer, Speicher/Eifel, Architekt Rainer Roth
In einer Zeit, in der von Gebäuden gefordert wird,
bestmöglich und darüber hinaus gedämmt zu sein,
steht die Frage sinnvoller Konstruktionen, gerade
im Bereich der Gebäudehülle, in einem besonderen
Focus. Umweltbewußtes Verhalten wird auch beim
Bauen mit zunehmendem Nachdruck politisch gefordert. Ursprünglich vom Idealismus Einzelner getragen, ist es nun zum internationalen Credo geworden.
Der ökologische Anspruch beim Bauen ist zur Pflicht
geworden, dokumentiert durch immer strengere
Anforderungen wie die Energieeinsparverordnung
(EnEV) und den im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) geforderten Einsatz regenerativer
Energien. Diskutiert werden aber auch wesentlich
weitreichendere Ansätze. In der Nachhaltigkeitsdebatte ist Ökologie nur ein Abschnitt in einem umfassenden Kriterienkatalog, der auch ökonomische,
soziokulturelle, technische und prozessabhängige
Aspekte beinhaltet und dabei den gesamten Gebäudelebenszyklus betrachtet. Ziegel ist seit jeher dafür
bekannt, als ökologischer Baustoff ein breites Spektrum an Aufgaben sehr gut zu bewältigen. Seine
technischen Vorzüge wie ausgezeichneter Wärmeschutz bei hoher Tragfähigkeit sind ebenso geschätzt
wie seine Formstabilität und das angenehme Raumklima, das er ermöglicht. Doch Ziegel schafft auch
soziokulturelle Werte. Baukultur und Umfeld wurden
über diverse Epochen und Kulturkreise hinweg von
ihm geprägt. Daneben bekundet die große Vielzahl
jahrtausende alter Bauwerke im Weltkulturerbe wie
Treibende Kraft war insbesondere der bauordnungsrechtlich geforderte Wärmeschutz. Die 1952 eingeführte und in den Folgejahren mehrmals überarbeitete DIN 4108 für den Wärmeschutz im Hochbau wurde ab 1977 durch Wärmeschutzverordnungen und
seit 2002 durch Energieeinsparverordnungen ergänzt. Ziel war und ist es, den durch das Bauen und
Betreiben von Gebäuden verursachten Energieverbrauch sukzessive zu reduzieren. Dies hatte zur Folge,
dass sich Konstruktionsweisen für Außenwände und
damit einhergehend auch die Anforderungen an Baustoffe für Außenbauteile geändert haben. Während
vor dieser Zeit einschalige Außenwände sehr häufig
aus kleinformatigen Vollziegeln oder Lochziegeln von
hoher Rohdichte erstellt wurden, ist das heute aufgrund des erforderlichen Wärmeschutzes nicht mehr
möglich. Stattdessen haben Klinker angesichts ihrer
Robustheit und Ausdrucksstärke durch eine schier
endlose Vielfalt an Formen, Farben und Strukturen
ihren Platz in Verblendschalen vor wärmegedämmtem
Tragwerk gefunden, das übrigens auch (Ziegel-)
Mauerwerk sein kann. Dagegen haben sich Ziegel für
einschalige, tragende Außenwände, als Hintermauerziegel bezeichnet, in den letzten Jahrzehnten in einem
wahrhaften Innovationsmarathon zu echten HightechProdukten gewandelt. Die aufgrund immer kürzerer
Innovationszyklen gängige Praxis der bauaufsichtlichen Regelung solcher Produkte ist mit der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung bei einer Gültigkeit
von 5 Jahren ab Erteilung der Regelfall. Sie beinhaltet nicht nur die Beschreibung dieser Ziegel neuester
Generation - großformatige, meist in den Lagerflächen im Toleranzbereich von unter 1 mm eben geschliffene Planziegel mit einer Steinhöhe von 24,9cm.
Es sind dort ebenso alle weiteren zulässigen Komponenten wie Mörtel, Mörtelwalze und andere erläutert.
Daneben auch technische Kennwerte und Verarbeitungsweise. Planziegel werden im Dünnbettverfahren
verarbeitet, bei dem die Lagerfugendicke von nur
noch 1 - 3 mm die Tragfähigkeit des Mauerwerks erhöht und gleichzeitig Wärmebrückeneffekte durch die
Verringerung des schlecht dämmenden Mörtelanteils
reduziert. Vermörtelte Stoßfugen sind beinahe ganz
verschwunden. Stattdessen werden Ziegel „knirsch“
(zulässige unvermörtelte Stoßfugenbreite ≤ 5 mm)
versetzt. Durch die Ausführung in einem solchen Anwendungssystem kann eine höhere Qualitätssicherheit
bei gleichzeitiger Arbeitszeitersparnis erreicht werden.
Schlecht wärmedämmende Wandbaustoffe wie Beton
oder Kalksandstein sind schon aufgrund des Mindestwärmeschutz auf eine zusätzliche Funktionsebene, an
der Außenoberfläche der Gebäudehülle angebrachte
Wärmedämmung, meist aus Kunststoffen wie Polysty-
rol, angewiesen. Ziegel dagegen wurden hinsichtlich
ihrer Baustoffeigenschaften verfeinert. Durch Zugabe
von Porosierungsmitteln wie Sägemehl, Papierfangstoff oder recycletem Polystyrol, die beim Brennprozess rückstandslos verbrennen und Luftporen hinterlassen, konnte die Rohdichte weiter reduziert werden.
Ausgeklügelte Lochbilder bieten dem abfließenden
Wärmestrom im eingebauten Zustand einen möglichst hohen Widerstand. Beide Maßnahmen waren
Voraussetzung für enorme Verbesserungen in der
Wärmeleitfähigkeit moderner Hochlochziegel. Lagen
Anfang der 1950er Jahre die Bemessungswerte der
Wärmeleitfähigkeit für Hochlochziegel noch bei
λR = 0,46 W/mK, konnten sie bis zum Jahr 2000 bis
auf λR = 0,09 W/mK optimiert werden. Weitere
Innovationen wie das Füllen des Lochanteils mit rein
mineralischen Wärmedämmstoffen (Perlite, Mineralwolle oder Mineralgranulat) brachten weitere Verbesserungen auf λR = 0,07 W/mK.
Diese hochwärmedämmenden Ziegel reduzieren bei
Wanddicken von 42,5 bzw. 49 cm den Heizwärmebedarf so weit, dass selbst hochenergieeffiziente Bauweisen wie Sonnen- oder Passivhäuser möglich sind.
Gebäude dieser Art benötigen derart geringe Heizlasten, dass statt fossiler Brennstoffe vornehmlich
regenerative Energien zum Einsatz kommen.
Förderungsfähige KfW-Effizienzhäuser sind bei einschaligen Ziegelaußenwänden von 36,5 cm Dicke
schon ab λR ≤ 0,11 W/mK (30 cm; λR ≤ 0,09 W/mK)
möglich. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)
hat zum 01. Juli 2010 neue Förderprogramme angekündigt, wie Nr.153 für energieeffizienten Wohnungsneubau. Vergeben werden zinsvergünstigte Darlehen
in Höhe von max. 50.000 EUR pro Wohneinheit,
bei besonders energieeffizienten Gebäuden (KfWEffizienzhäuser 55 + 40) sogar mit Tilgungszuschuss.
Wohnanlage, 62 WE, Garching, KfW-Haus 40+60, KfW-Effizienzhaus 55, einsch. Außenwände d = 30 - 36,5 cm, Röpke Arch., München
16
Fenster
Dach
Uref = 0,20 W/(m2K)
Außenwand
Uref = 0,28
Im Bereich mehrgeschossiger Gebäude werden neben dem obligatorischen, energiesparenden Wärmeschutz höhere Anforderungen an Tragfähigkeit,
Schallschutz und Brandschutz gestellt. Hierfür wurden
Ziegel mit besonderen Eigenschaften entwickelt.
Sie erfüllen alle bauordnungsrechtlichen Kriterien in
einem Produkt, so dass auch mehrstöckige Bauten
weiterhin in einfacher altbewährter Bauweise als einschalige, beiderseits verputzte Ziegelaußenwände
möglich sind, die langlebige Wandkonstruktionen
und hohe Wertbeständigkeit garantieren. Für diesen
Anwendungsbereich liegen die technischen Kennwerte
von Hintermauerziegeln neuester Generation bei:
- Wärmeleitfähigkeit:
λR = 0,10 - 0,09 W/mK
- Schalldämm-Maß:
Rw = 52 - 50 dB
- zulässige Druckspannung: σ0 = 1,9 - 1,2 MN/mm²
Damit sind in einschaliger Bauweise, bei Wanddicken
von 36,5 cm, fünf- bis sechsgeschossige Gebäude
möglich, die ohne zusätzliche, außen aufgebrachte
Wärmedämmplatten auskommen und dabei, bei
gutem Schallschutz, zu förderungsfähigen KfWEffizienzhäusern verhelfen.
Die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die
energetische Qualität von Gebäuden liefert seit
2002 die Energieeinsparverordnung (EnEV). Wurden
in der EnEV 2007 die Höchstwerte des Jahresprimärenergiebedarfs Q‘‘p und der spezifischen, auf die
Gebäudehüllfläche bezogenen Transmissionswärmeverluste H‘T noch durch den Kompaktheitsgrad des
Gebäudes bestimmt, also dem Verhältnis aus wärmetauschender Hüllfläche zu beheiztem Gebäudevolumen, kurz A/V, gelten in der EnEV 2009 neue
Ansätze. Der maximal zulässige Jahresprimärenergiebedarf wird nun im sogenannten Referenzgebäudeverfahren ermittelt. Dabei darf Q‘‘p des geplanten
Gebäudes nicht größer sein als Q‘‘p des Referenzgebäudes. Dieses stellt eine Kopie des geplanten
Gebäudes dar und wird zur Ermittlung des höchst-
W/(m2K)
Wärmebrücken
'UWB = 0,05 W/(m2K)
Uref = 1,3 W/(m2K)
gref = 0,6
SolarkollektorUnterstützung
Warmwasserbedarf
Abluftanlage
Kellerwand
Uref = 0,35 W/(m2K)
Bodenplatte/Kellerdecke
Uref = 0,35 W/(m2K)
Heizung u.
Warmwasser
Ref. Brennwerttechnik
55/45 °C
Referenzgebäude nach EnEV 2009, www.ibp-fraunhofer.de
zulässigen Q‘‘p in den Bauteilen und der Haustechnik
mit Referenzwerten und Referenzkomponenten versehen. Als Nebenanforderung für den Wohnungsneubau werden in der EnEV 2009 höchstzulässige Hüllflächenverluste H‘T für vier unterschiedliche Gebäudesituationen vorgegeben. Der referenzierte Wärmedurchgangskoeffizient für außenseitig luftberührte
Außenwände wird nach der EnEV 2009 mit
U = 0,28 W/(m²K) für den Neubau und
U = 0,24 W/(m²K) für Ersatz und Erneuerung hinterlegt. Die jeweiligen Referenzwerte/-komponenten
stellen keine Grenzwerte oder einzig zulässige Ausstattung dar. Für ein Gelingen des Gesamtnachweises
sind weiterhin verschiedene Stellschrauben möglich.
Schlechter dämmende Bauteile als die referenzierten
können durch besser dämmende ausgeglichen werden. Ähnliches gilt für die Effizienz der Gebäudetechnik. Eine tatsächlich durchgeführte Luftdichtheitsprüfung, die gleichzeitig Qualitätsprüfung verschiedener Gewerke ist, wird im EnEV-Nachweis ebenso
mit einem rechnerischen Bonus honoriert wie ein
detaillierter Wärmebrücken-Nachweis. Die beiden
letzten Maßnahmen können bei den derzeitigen
Dämmstandards im EnEV-Nachweis durchaus
Verbesserungen von jeweils 5 - 15 % bewirken. Der
oben beschriebene Referenzwert für die Außenwand
läßt auch die Wahl der Bauweise und des Wandaufbaus offen. Energieeffiziente Außenwände aus Ziegelmauerwerk sind einschalig wie mehrschalig vom KfWEffizienzhaus 70 bis hin zum Passivhaus möglich.
Selbst für eine dauerhafte, energetische Sanierung
Höchstwerte des spezifischen, auf die wärmeübertragende Umfassungsfläche bezogenen Transmissionswärmeverlusts H‘T nach EnEV 2009,
Quelle: Dipl.-Ing. M. Gierga, Arbeitsgemeinschaft Mauerziegel
Gebäude freistehend
AN ≤ 350 m2
Gebäude freistehend
AN > 350 m2
0,4 W/(m2K)
0,5 W/(m2K)
Doppelhaushälfte bzw.
Reihenhaus angebaut
0,45 W/(m2K)
Reihenmittelhaus bzw.
Baulücke bzw. Erweiterungen
0,65 W/(m2K)
von Gebäudehüllen stehen eine Reihe von Ziegelprodukten zur Verfügung. Neben den altbekannten
Ausführungsvarianten einer zusätzlichen Dämmebene, die dann mit einer wartungsfreien Klinkerverblendschale oder vorgehängten Fassade aus
Tonhohlplatten verkleidet wird, gibt es seit Anfang
2009 auch die Wärmedämmfassade (WDF).
Sie besteht aus hochwärmedämmenden, perlitegefüllten Ziegeln (λR = 0,065 W/mK). Diese werden
als Vorsatzschale aus Planziegelmauerwerk mit 2 cm
Rohbau KfW40-Haus, Bucher + Hüttinger Architekten
auch die Mörtelindustrie inzwischen reagiert und vor
einigen Jahren spezielle Leichtputze (Typ I und Typ II)
entwickelt. Diese bieten mit geringeren Rohdichten,
günstigeren Schwindwerten und begrenzten Festigkeiten im Vergleich zu Normalputzen größere Sicherheit
gegenüber Rissbildung und gewährleisten eine hochwertige, witterungsbeständige Oberfläche. Herkömmliche Normalputze dagegen sind für hochwärmedämmende Ziegel (Rohdichteklasse ≤ 0,8) nicht geeignet.
Energetische Sanierung Rathaus Laaber, keramische
Wärmedämmfassade WDF, Architekt Uwe Krabler
Schalenfuge vor der Bestandswand aufgemauert.
Die Konstruktion wird durch (Edelstahl-) Konsolen
abgefangen, verdübelt und verputzt.
Das Verputzen von hochwärmedämmendem, einschaligem (Ziegel-) Mauerwerk mit Leichtputz ist seit Jahren allgemein anerkannte Regel der Technik. Auf die
immer besser wärmedämmenden Wandbaustoffe hat
Bauen mit Ziegel ist in vielen Variationen möglich,
vom klassischen Einfamilienhaus bis zum mehrgeschossigen (Wohn-) Gebäude in Passivhausbauweise,
von profan bis sakral, von monolithisch bis mehrschalig. Durch einen einfachen Wandaufbau und
sichere Detaillösungen sind langlebige, energieeffiziente Gebäudehüllen in hoher Qualität ausführbar. Planer schätzen die vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten und das breite Eigenschaftsspektrum
von Ziegel, Nutzer den hohen Wohnkomfort, Gebäudebetreiber die niedrigen Gebäudelebenszykluskosten
energieeffizienter, wartungsarmer Ziegelwände.
Der Nachwelt bleibt baukulturelle Wertschöpfung aus
Ziegel lange erhalten.
Ziegel für hochwärmedämmende Außenwände (Auswahl)
Perlitefüllung
λR = 0,07 W/mK
Mineralwollefüllung
λR = 0,07 W/mK
Mineralgranulatfüllung
λR = 0,07 W/mK
Mineralwollefüllung
λR = 0,07 W/mK
ungefüllt
λR = 0,08 W/mK
Ziegel für hochwärmedämmende Außenwände mit höheren Anforderungen an Tragfähigkeit und Schallschutz (Auswahl)
λR = 0,10 W/mK
Rsitu,w = 52 dB (bei 36,5 cm)
σ0 = 1,4 MN/m² (bei SFK 10)
λR = 0,10 W/mK
Rsitu,w = 51 dB (bei 36,5 cm)
σ0 = 1,15 MN/m² (bei SFK 12)
λR = 0,10 W/mK
Rw, Bau, ref = 52 dB (bei 36,5 cm)
σ0 = 1,9 MN/m² (bei SFK 12)
λR = 0,09 W/mK
Rsitu,w = 50 dB (bei 36,5 cm)
σ0 = 1,2 MN/m² (bei SFK 8)
λR = 0,13 W/mK
Rsitu,w = 49 dB (bei 36,5 cm)
σ0 = 1,5 MN/m² (bei SFK 12)
18SYSTEMSTRUKTUREN
ENERGIEEFFIZIENTER ARCHITEKTUR
PROF. DIPL.-ING. GEORG SAHNER
HOCHSCHULE AUGSBURG
-FACHBEREICH ARCHITEKTUR
-STUDIENGANG ENERGIEEFFIZIENZDESIGN
G.A.S. - planen-bauen-forschen, STUTTGART
WICHTUNG
DER KRITERIEN
KRITERIEN
SENSITIVITÄTSANALYSE
In der Architekturgeschichte regionaler anonymer
Architektur spielten die zur Verfügung stehenden
Ressourcen aus der Region eine große Rolle bei der
Strukturierung der Gebäudekonzeptionen. Erst die
Verbilligung der Energie initiierte eine grundsätzliche
Wandlung in der Betrachtung der Architektur. Hieraus
entstand eine regionale Unabhängigkeit von den vorhandenen Ressourcen, da nun mittels Technik die sich
aus der Gebäudestruktur ergebenden Anforderungen
erfüllt werden konnten. Die Gebäude wurden rein aus
dem Gestaltungswillen des Entwerfers entwickelt und
mittels Technik brauchbar gemacht. Darüber hinaus
konnten preiswert andere Materialien aus entfernten
Ländern herantransportiert werden.
A
B
C
D
E
F
VARIANTEN
1
WERTUNG DER
EINZELVARIANTEN
EINES KRITERIUMS
++
2
+
+-
+
-
QUALITÄT
DER ZIELERREICHUNG
-
++
+
3
-
-
4
++
--
5
+++
6
I
II
III
ALTERNATIVEN
+ WERTUNG
ENTSCHEIDUNGS- UND WERTUNGSMATRIX
Kybernetische Planungsprozesse
Die Planungsprozesse einer energieeffizenten Architektur und Stadtplanung sind nicht mehr geprägt vom
narzisstischen Gestaltungswillen Einzelner. Daraus
entstand in der Vergangenheit ein eher linearer Planungsprozess, der die Gestaltung in den Vordergrund
rückte und die Lösungen der Aufgabenstellungen in
einen späteren Zeitpunkt des Planungsprozesses mit
den Fachplanern gelegt hat.
Bei einem kybernetischen Planungsprozess werden
alle an der Planung Beteiligten gleich in einen Iterationsprozess eingebunden, der immer wieder die Ergebnisse des Planungsprozesses mit den formulierten
Zielen vergleicht und daraus strukturale Änderungen
in den Planungsprozess implementiert. Der Vorteil
solcher Planungsprozesse liegt in der Bewältigung
komplexer Zusammenhänge durch das gleichzeitige
Einbeziehen aller Fachplaner in die Kreativphase.
Die Bedeutung der Klimadaten für die
Energieeffizienz
Grundsätzlich kann es nicht Ziel der Effizienz von
nachhaltigen Gebäuden sein, dass die Effizienz
durch die Anwendung von vermehrter Versorgungstechnik hergestellt wird. Gerade bei den DecathlonWettbewerben wird bei vielen Teilnehmern der Einunten: Bedeutung unterschiedlicher Klimadaten für die Gebäudekonzeption innerhalb einer Klimaregion Bayerns
MÜNCHEN 515 m
Graphik oben zum Planungsprozess mit sensitiver Kriterienbeurteilung
und Zielerfüllungsbewertung bei kybernetischen Planungsprozessen
Energie steht fast überall auf der Welt in weit ausreichenden Mengen zur Verfügung. Nur ca. 14% der
globalen Strahlung bezogen auf die bebaute Fläche
wird benötigt, um den Gesamtenergiebedarf einer
europäischen Großstadt zu decken.
Nur leider können wir ohne erhebliche Umweltbelastung diese Potenziale nicht erschließen. Daraus
entsteht in unserem Zeitalter die Notwendigkeit eines
umweltschonenden Umgangs mit den Ressourcen
Rohstoffe, Wasser und Energie.
WÜRZBURG 260 m
°C
mm
20
300
15
250
10
200
5
150
0
100
-5
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J F M A M J J A S O N D
OBERSDORF 810 m
J F M A M J J A S O N D
KLIMADATEN BAYERISCHER STÄDTE - LUFTTEMPERATUR [°C] UND NIEDERSCHLÄGE [mm]
oben: Wohnanlage in Würzburg aus Recyclingmaterial - Wettbewerbsentwurf, Prof. Georg Sahner, 2009
satz außergewöhnlicher Technik immer wieder praktiziert. Ziel sollte aber sein, die Gebäudestrukturen
derart zu konzipieren, dass sie aus ihrer Struktur
heraus bereits ein hohes Maß an Zielerfüllung erreichen. Dafür ist es aber notwendig, dass die klimatischen Bedingungen vorort sowohl in der städtebaulichen wie auch in der Gebäudestruktur konzeptionell
berücksichtigt werden.
unten: Gewinne / Verluste im Jahresverlauf eines Wohngebäudes
Bei der Betrachtung der Gewinne (Quellen) und der
Verluste (Senken) bei der Bilanzierung von Gebäuden
im Verlauf eines Kalenderjahres entstehen im Verlauf
Schnittstellen, an denen sich grundsätzliche Eigenschaften von Gebäudestrukturen auf die Qualität des
Raumklimas auswirken.
Energieeffizienzplaner versuchen natürlich die
Gleichheit von Verlusten und Gewinnen zeitlich möglichst weit auszudehnen und die Perioden Heizen und
Kühlen möglichst zu minimieren. Der Einsatz von Versorgungstechnik sollte möglichst kleingehalten werden. Daher stellen die Schnittstellen einen wichtigen
Beitrag bei der terminlichen Ablösung unterschiedlicher technischer Komponenten dar. So z.B. muss
die Solare Warmwasserversorgung exakt an dem Tag
funktionieren, an dem die Heizung nicht mehr
benötigt wird. Sie ist auf diesen Zeitpunkt hin zu
dimensionieren.
Für die Entwurfskonzeption energieeffizienter Gebäude spielen daher viele Aspekte eine sehr große Rolle:
Speicherkapazität / Fensterflächenanteile nach Himmelsrichtung / Verschattungsfreiheit / Systemgrenze
des beheizten Volumens / Zonierung unterschiedlicher Nutzungsbereiche / Einsatz von Sonderelementen der natürlichen Belichtung und Belüftung.
Sich selbst regulierende Systeme
Grundsätzlich unterscheiden sich die „sich selbst regulierenden Systeme“ von konventionellen Systemen
durch ihren Verzicht auf eine aktive Technologie, die
den Einsatz von zusätzlicher Betriebsenergie verursacht. Solche Elemente gibt es inzwischen in größerer Anzahl: Lichtlenksysteme / Lichtkamine / Entlüftungskamine mit thermischem Auftrieb / PCM in Fassadenelementen und Verkleidungsplatten für den Innenraum / Transparente Wärmedämmung / usw. Ziel
ist es, bei den Projekten mit Einsatz von sich selbst
regulierenden Systemen, dass der Einsatz von Versorgungstechnik, die Betriebskosten verursacht, auf das
Notwendigste reduziert wird. Dadurch entstehen
unten: Anteil der Solaren Energiegewinne zu den Transmissionswärmeverlusten eines Wohngebäudes mit Südorientierung und einer
Kompaktheit von A/Ve = 0,7
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äußerst nachhaltige Gebäudekonzepte, die durch
geringe Folgekosten sowohl durch ihren Verbrauch
wie auch durch Wartung, Instandhaltung und Ersatz
von Technik sich von dem konventionellen Gebäude
abheben. Dies betrifft auch den reduzierten Einsatz
von übermäßigen Wärmedämmmaßnahmen.
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oben: Ermittlung passiver solarer Wärmeenergie in einer
dynamischen Simulation bei einem Projekt in Neu-Ulm
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15
unten: Reese Kaserne - Energetische Überarbeitung einer
Innenentwicklung, Prof. Georg Sahner, 2008
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16
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O, 90°
8
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W, 270°
21.09./ 21.03.
6
70°
1
18
60°
50°
19
5
Uhrzeit MEZ
40°
30°
21.06. 20
2
20°
10°
N, 0°
20
nen Lebenszyklus hinaus gerechnet niedrig darstellt.
Innenentwicklungsstrategien im Städtebau, Recycling
vorhandener Baustoffe und Bauelemente, vielseitige
Nutzbarkeit von Raumstrukturen sind wichtige Bausteine auf dem Weg einer Baukultur, die schonend
mit den vorhandenen Ressourcen umgeht.
Am Beispiel Augsburg Reese-Kaserne wurde eine
Planung einer Konversionsfläche unter energetischen
Aspekten sich gegenseitig verschattender
Gebäudestrukturen untersucht.
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unten: Programm für die Entwicklung eines Haussystems für die
Wienerberger GmbH, Prof. Georg Sahner, 2010
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Die Nachhaltigkeit von Architektur im Zeitalter des
demographischen Wandels bemisst sich an der Nutzungsneutralität von Räumen. Die Gebrauchstauglichkeit sollte möglichst lange andauern, damit sich
die Gesamtenergiebilanz eines Gebäudes über sei-
D
Nachhaltige Architektur im Zeitalter des
demographischen Wandels
F
*UHQ]VWU
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Abb. 7.11 Heizwärmebedarf Qh` im optimierten Entwurf
62 - 63
kWh/m²
60 - 61
kWh/m²
58 - 59
kWh/m²
56 - 57
kWh/m²
54 - 55
kWh/m²
52 - 53
kWh/m²
50 - 51
kWh/m²
48 - 49
kWh/m²
46 - 47
kWh/m²
44 - 45
kWh/m²
42 - 43
kWh/m²
Verbesserungsvorschläge für die Stellung von
Gebäudemassen und veränderte Kubaturdefinitionen
haben dazu geführt, dass innerhalb der geplanten
Nachverdichtung eine Verbesserung der passiven
solaren Energiegewinne von bis zu 25% möglich
wurde.
Vielfach wird immer noch auf der Basis von Daten
des Zuwachses der Quoten der Senioren ein
erheblicher Zuwachs bei den Altersimmobilien
prognostiziert.
Zu bedenken ist hier, dass die Senioren in der Regel
bereits eine Immobilie besitzen und meistens nicht
beabsichtigen, diese altersbedingt zu verlassen.
Darüber hinaus ist der überwiegende Teil der
Senioren nicht in der Lage, durch das eigene
Einkommen den Eigenanteil für den Aufenthalt im
Pflegeheim selber zu tragen.
Für viele Familien wird dies bedeuten, dass die
Pflege in den eigenen Räumen stattfinden wird und
keine finanzielle Grundlage vorhanden ist, diese
entsprechend umzubauen.
Künftige Gebäudestrukturen müssen neben den
energetischen Anforderungen die Anforderung einer
flexiblen Benutzbarkeit baulicher Strukturen in den
Vordergrund stellen. Für die Nachhaltigkeitsdiskussion stellt diese Anforderung neben der ökonomisch notwendigen Energieeffizienz die Heraus-
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7DJ
forderung unserer Zeit dar.
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Quellen:
Alle Graphiken und Bilder © Prof. Georg Sahner
6RPPHU
rechts: Unterschiedliche Konzepte der passiven solaren Energienutzung durch (von oben):
1. Speicherung
2. Trombesystem unbeheizter Vorraum
3. Transparente Wärmedämmung mit Prismenverglasung
4. hybrides System, passive solare Energiegewinnung + Luftvorerwärmung
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unten: Haussystem der Wienerberger GmbH, Prof. Sahner, 2010
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ZUR STADTKOMPOSITION
22THESEN
oder: Wie bauen wir eine Stadt
PROF. DIPL.-ING. ROB KRIER
ROB KRIER . CHRISTOPH KOHL
ARCHITEKTEN
MOMMSENSTRASSE 5
10629 BERLIN
Mit dem 20. Jahrhundert ist ein Jahrhundert der
städtebaulichen Experimente zu Ende gegangen, die
in Bezug auf ihr Ausmaß und ihre eindeutige Favorisierung von kühler und befremdender Abstraktheit
in der Architekturgeschichte einmalig sind. Trotz der
zahlreichen architektonischen Utopien ist es im 20.
Jahrhundert nicht gelungen, eine überzeugende und
verbindliche Vorstellung von der brauchbaren “Stadt
der Gegenwart” oder “Stadt der Zukunft” zu schaffen.
Es ist auffällig, dass sämtliche Stadtvisionen der letzten hundert Jahre auf abstrakt-intellektuellen Theorien
vom Funktionieren des städtischen Gefüges basieren.
Eines ist diesen vielfältigen Stadtkonzepten aber ex
negativo gemeinsam: ihre dezidierte Abweichung von
der traditionellen europäischen Stadt. Jener Stadt,
die als Wohn- oder Arbeitsadresse zusehends stärker
begehrt wird und Touristen magnetisch anzieht.
Vertraute Städte und Ortschaften
All diese vertrauten Städte und Ortschaften stammen
nicht aus dem 20. Jahrhundert, sind keine “Kopfgeburten” oder Ergebnis einer abstrakten Idee. Sie stellen vielmehr das Resultat eines durchgängigen städtebaulichen Grundprinzips, der Block(rand)bebauung, dar. Diese Bebauungsart ergibt sich aus ähnlichen, aneinandergereihten Einzelhäusern auf Grundstücksparzellen mit ruhigen Höfen und geschäftigen
Straßen.
Marktplatz, Citadel Broekpolder, Niederlande
Die Methode der Landaufteilungen zwischen vier
Straßenkreuzungen ist quer über alle Kontinente bis
zu den Anfängen der menschlichen Siedlungsgeschichte zurückzuverfolgen. Das Haus selbst ist dabei je nach Lebensgewohnheit, Klima und natürlichem Angebot von Baumaterial unendlich vielfältig
interpretiert worden. Wobei städtebauliche Überlegungen von den geologischen Vorraussetzungen des
Bebauungslandes ebenso geleitet wurden, wie von
der Ordnung der Parzellen, ihrer Widmung zu bestimmten Funktionen und der Abgrenzung des privaten von öffentlichem Grund. Die Qualität der in Europa so abwechslungsreichen baulichen Ensembles
verdanken wir gerade der Respektierung dieser
Grundprinzipien. Deshalb vertreten wir die Ansicht,
dass die Kunst des Städtebaus nicht nur aus Büchern
zu erlernen ist, sondern durch die Beobachtung der
gebauten Wirklichkeit, die unsere Kulturgeschichte
in Form der komplexen Gesamtkunstwerke zum
menschlichen Zusammenleben hervorgebracht hat.
Die Ödnis unserer Städte
Aus diesem Grund leiten wir die Kriterien unserer
Planung bewusst aus Erfahrungen ab, die uns die gelungenen Städte Europas vermitteln. Städte, die sowohl in ihrer Struktur und Anlage, als auch durch ihre Gebäude und Häuser, über Jahrhunderte hinweg
Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, Attraktivität und
Wertbeständigkeit unter Beweis stellen. Demgegenüber vermögen Bauten der Nachkriegszeit kaum eine
Generation zu überdauern und weichen neuen,
“marktgerechten” - und darum ebenso zur Kurzlebigkeit verurteilten - Konstruktionen, ohne dass man ihr
Verschwinden bemerkt oder gar bedauert. Natürlich
verbirgt sich hinter diesen Gedanken kein verklärtnostalgischer Blick auf ästhetische Stadtraum-Qualitäten, sondern die Überzeugung, dass auch soziale
Probleme unserer Zeit durch den Verlust oder die
Missachtung dieser Stadtbaukunst mitverursacht worden sind. Es ist wohl nicht zu bestreiten, dass die
aus den Fugen geratenen Modelle zeitgenössischer
Urbanistik mit den Zerfallserscheinungen der moder-
nen Gesellschaft in eindeutigem Zusammenhang stehen. Ausgangspunkt unserer Planungsmethodik ist
also die Gestalt der Stadt, ihr bauliches Gefüge,
sowie ihre räumliche und funktionale Organisation.
So versuchen wir, die Voraussetzung für die Entstehung einer Urbanität zu schaffen, die Ausgangspunkt
ist für ein harmonisches Zusammenleben der Menschen.
Fassaden, Gildenkwartier Amersfoort, Niederlande
„De Veste“ Brandevoort, Helmond, Niederlande
noch beteiligt ist. Selbstverständlich ist uns bewusst,
dass unsere Idealvorstellungen zum Teil an die Grenzen dessen stoßen, was Planer, politisch Verantwortliche, Investoren, Bauträger und Kaufleute zu vertreten gewohnt sind. Eine Stadt mit Lebensqualität kann
aber nur dort entstehen, wo die am Bauprozess Beteiligten sich über dieses Konzept und dessen “inneren
Sinn” verständigt haben.
22 Prinzipien zur Stadtgestaltung:
Wie bauen wir eine Stadt
Das Modell zur schönen Stadt
Das Modell für eine brauchbare Stadt bietet uns die
Baugeschichte in Form der klassischen europäischen
Stadt. Oft wird die Meinung vertreten, diese Städte
mitsamt ihren anerkannten Qualitäten seien “organisch gewachsen”, und taugten somit nicht mehr als
Vorbild für den heutigen Städtebau. Eine merkwürdige Behauptung, die impliziert, dass die Städte unserer
Vorfahren Produkte des Zufalls waren und nicht Ergebnis bewussten künstlerischen und politischen
Handelns. Tatsache ist sehr wohl, dass das Städtische
dort im wesentlichen durch die Vielzahl der einzelnen
Familien, aus dem Adel, dem Groß- und Kleinbürgertum und der Handwerkerschicht getragen wurde und
jedes einzelne Gebäude ganz bewusster Ausdruck
eines Bauherrn war. So spiegeln die vielfältigen Fassaden beispielsweise den Drang nach Selbstdarstellung, den Ehrgeiz einer Familie, ein Streben nach
dem Schönen und auch gesundes Konkurrenzbewusstsein. Ohne ein übergeordnetes städtebauliches
Konzept, das im einzelnen ausgeführt, abgewandelt,
bereichert und besonderen Situationen angepasst
wurde, sind die genannten Leistungen aber nicht vorstellbar. Die beiden wesentlichen Funktionen des
traditionellen Städtebaus - Stadtplanung und Architektur - müssen heute ganz bewusst durch die sogenannten Planungsbeteiligten erfüllt werden, da der
einzelne private Bauherr am Baugeschehen kaum
Wir werden im folgenden Abschnitt versuchen, unsere
wichtigsten Begriffe zu klären und das Bild einer Stadt
auszubreiten, die wir wiedergewinnen möchten:
- Eine Ortschaft unterscheidet sich klar von der sie
umgebenden Landschaft. Der Übergang von “Land”schaft zu “Ort”-schaft erfolgt also nicht fließend,
sondern ist durch die Gebäude der Randlage klar
begrenzt.
- Hauptbaustein jeder Ortschaft ist das Haus. Die
Gruppierung von einzelnen Häusern zu Baublöcken
ergibt kleinere Nachbarschaften, die wiederum als
zusammenhängendes System ein Wohnviertel bilden.
- Jedes Viertel weist einen zentralen Platz auf, den
Brennpunkt der öffentlichen Räume.
- Jedes Haus wird mit seiner Fassade samt Dach als
autarke ästhetische Einheit verstanden.
- Für alle Bauteile, die öffentliche Räume bilden,
gibt es verbindliche Normen der Gestaltung. Dazu
gehören vordergründig die Materialisierung der
Fassade, die Proportion der Öffnungen und die
Dachform.
- Die Addition der einzelnen Häuser entlang einer
Blockkante erzeugt im Vis-à-Vis den Straßenraum.
Dieser öffentliche Straßenraum soll physisch möglichst intensiv erlebbar gemacht werden.
- Straßenräume sollen durch die flankierenden Häuser, so es geht, “umschlossen” sein. Besondere Bedeutung kommt hierbei dem Eck-Haus oder dem
24
Hausensemble an der Blockecke zu.
- Straßenräume sollen den engstmöglichen Querschnitt aufweisen. Demnach gilt es, die Straße als
reinen Verkehrsträger zu entmonopolisieren und sie
als Vereinigung aller Lebensbereiche einer Ortschaft
neu zu beleben.
- Der öffentliche Straßenraum muss sich deutlich von
den privaten Bereichen unterscheiden.
- Raumästhetische wie funktionelle Bedeutung erfährt
der öffentliche Straßenraum als Platz. Die einen
Platz begrenzende Bebauung soll die größtmögliche
Vielfalt an Nutzungen beinhalten.
- Es ist eine Verknüpfung der verschiedensten Lebensund Tätigkeitsbereiche anzustreben. Je enger Wohnungen, Arbeitsstätten und Kultureinrichtungen in
räumlichen Zusammenhang gebracht werden, desto
positiver ist der Einfluss auf die allgemeine Lebensqualität.
- Jede Chance, an einem öffentlichen Platz Arbeitsstätten, Büros, Labors, Läden, kommunale und öffentliche Funktionen, Freizeiteinrichtungen und Gaststätten anzusiedeln, muss genutzt werden. Dafür sollen
Gebäudeteile an logistisch prädestinierten Stellen
baulich so vorbereitet sein, dass derartige Nutzungen
auch zu einem durchaus sehr viel späteren Zeitpunkt
erfolgen können.
- Größere zusammenhängende Ladenflächen und
Einkaufsmöglichkeiten werden als Ladenzeile oder
Markthalle organisiert. Spezialabteilungen innerhalb
einer Supermarkteinheit sollen in ihrer räumlichen
Organisation aus der nach innen gerichteten Struktur
herausgelöst und als attraktive Einzelläden zum
öffentlichen Raum hin orientiert werden.
- Jede Straße oder jeder Platz soll eine individuelle,
unverwechselbare raumgeometrische Identität erhalten. Denn diese Stadträume sind nicht bloß Reste der
von den Baublöcken nicht beanspruchten Fläche,
sondern Räume mit eigener Qualität.
- Während Plätze auch ausschließlich in Stein angelegt sein können, sind Straßenräume in der Regel
beidseitig mit Bäumen zu bepflanzen.
- Straßen und Plätze, die Stadträume also, sind nach
dem Grundsatz anzulegen, Geschlossenheit und Offenheit zugleich zu vermitteln. Um dies zu erreichen,
werden die Ausgänge aus den Straßen mittels Verdeckungen, Verschränkungen und Krümmungen
räumlich so angeordnet, dass der Charakter der
“Umschließung” gewahrt bleibt.
- Jede Nachbarschaft hat neben dem architektonisch
markant gestalteten Hauptzugang auch noch weitere
Zugänge. So ist die Offenheit des Raumkontinuums
gewährleistet. Im Gesamtsystem der Straßen führt
dies zu einem abwechslungsreichen Angebot an
alternativen Wegen.
- Straßen werden grundsätzlich in beide Richtungen
befahren. Einbahnstraßensysteme führen zu längeren
Verkehrswegen und verschlechtern die Orientierung
der Verkehrsteilnehmer.
- Der zentrale Platz bleibt grundsätzlich dem Fußgänger vorbehalten.
- Um den Schilderwald im öffentlichen Raum möglichst klein zu halten, soll das Verkehrsverhalten in
den Straßen vorwiegend durch die stadträumliche
Ausformung bestimmt werden. So wird etwa die Verkehrsgeschwindigkeit primär durch Raumgeometrien
Vogelperspektive, Citadel Broekpolder, Niederlande
Fassaden, Gildenkwartier Amersfoort, Niederlande
und durch die Oberflächengestaltung der Verkehrswege beeinflusst.
- Das Parken im öffentlichen Raum soll möglichst reduziert werden, und großflächiges Parken im Stadtraum ist grundsätzlich nicht erwünscht. Größere private Parkflächen liegen in üppig begrünten Hofbereichen, so dass die Fahrzeuge schwer einsehbar
sind. Die Zufahrt zu den Parkflächen erfolgt durch
Torgebäude oder architektonisch gestaltete Tore.
- Die für Stellplätze vorgesehenen Hofflächen werden so gestaltet, dass sie tagsüber den Kindern als
“Spielplatz” zur Verfügung stehen. Das abenteuerliche “Spielen auf der Straße” ist lehrreicher als die
Beschäftigung mit zumeist infantilem Spielgerät.
Stadt und Urbanität
Die Begriffe “Stadt” und “urbaner Charakter” sind
nicht zu verwechseln mit Schlagworten wie: City,
Dienstleistungszentrum, Galeria, Plaza, Shoppingmall
und dergleichen. Vielmehr wird der besagte Charakter durch eine relativ kleine Parzellierung und eine
möglichst große Vielfalt an verschiedenen Nutzungen
garantiert. Das schließt die Vorstellung der Straßen
als Aufenthaltsort für die Bewohner ebenso ein wie
die Möglichkeit, vom obersten Geschoss aus noch
den direkten Rufkontakt zur Straße zu haben.
Fast alle traditionellen Kleinstädte und selbst Dörfer
besitzen mehr Urbanität und spannendere städtische
Dichte, als wir dies in zeitgenössischen Stadtzentren
zu spüren vermögen. Urbanität ist also nicht per se
eine Frage von “Metropole”, von “steinerner Stadt”
oder von “Traufhöhen”. Urbanität ist für uns ein positiv besetzter Begriff, unter dem wir den baulichen
Rahmen verstehen, der uns durch seinen menschlichen Maßstab unbewusst anspricht und ein stadträumliches Wohlbefinden auslöst. Natürlich läuft unsere Philosophie nicht darauf hinaus, die Stadt der
Vergangenheit schlichtweg zu kopieren. Aber wir sind
davon überzeugt, dass das Bewusstsein für den öffentlichen Raum bei der Schaffung neuer Ortschaften, Siedlungen und Städte wiederbelebt werden muss
und dass dabei auf das Modell der traditionellen
Stadt nicht verzichtet werden kann. Entscheidend in
diesem “Prozess der Sensibilisierung” ist es, das vorgefundene Modell erst verstehen zu lernen, um es
dann in zeitgemäße Bedingungen zu übersetzen. Im
Interesse des Grundgedankens müssen wir an den
bewährten Leitideen ansetzen und sie entsprechend
den Anforderungen der heutigen Gesellschaft übertragen.
Die vielfältige Stadt
Neben der kaufmännischen Anstrengung, eine möglichst große Vielfalt von unterschiedlichen Nutzungen
im öffentlichen Raum anzubieten, gehört die Verwirklichung der größtmöglichen architektonischen Vielfalt
zu den vorrangigen Aufgaben unserer Planung. Die
von uns praktizierte Methode, ein derartig lebendiges
Bild zu erreichen (Ritterstr., Rauchstr., Berlin; Consuls
De Mer, Montpellier; De Resident, Den Haag; Kostverlorenvaart, Noorderhof, Amsterdam; Brandevoort,
Helmond), besteht vor allem in der Miteinbeziehung
mehrerer Architekten an der Verwirklichung der einzelnen Bauten innerhalb eines fixierten, städtebaulichen Planes. Bei diesem Verfahren werden die
einzelnen Entwurfsaufgaben im Wechsel rund um
einen Block an die beteiligten Architekten vergeben.
Cité Judiciaire, Luxemburg
So entwerfen unterschiedliche kreative Persönlichkeiten “in Baulücken” und liefern damit die Basis für
ein abwechslungreiches Straßenbild. Da unsere
Architekturschulen und der gängige Beauftragungsmodus von Architekten zunehmend auf das spezialisierte Arbeiten im Team, aber nicht mehr auf das
Bauen im Ensemble ausgerichtet ist, bedarf es im
Planungsprozess einer besonderen Verfahrensweise.
Ein Aspekt ist dabei zunächst die Auswahl der Architekten, ein weiterer der Entwurfsprozess selbst. Diese
Entwurfspraxis lässt uns wieder anknüpfen an die
Stadtgrundrisse der traditionellen europäischen
Stadt, die durch das viele Male aneinandergereihte
Haus, seinen Wechsel mit herausragenden Sondergebäuden und seiner gestaltbildenden Funktion bei
der Schaffung der Straßen- und Platzräume geprägt
ist. Die einzelnen Gebäude sind vom ersten Entwurf
an wie Individuen zu behandeln. Sie gehorchen bestimmten gemeinsamen Gestaltungsregeln. Dadurch
wird der öffentliche Raum ein relativ neutraler, aber
vielgestaltiger und nicht ein von dominierenden Einzelbauten oder Großstrukturen beherrschter Ort.
Der in unserem Jahrhundert geschaffene “Mythos der
Isolierung” muss grundlegend hinterfragt werden.
Längst ist eine kritische Auseinandersetzung fällig
mit der äußerst fragwürdigen Anpreisung einer Architektur, die in letzter Konsequenz die Auslöschung der
Stadt als Lebensumfeld mitzuverantworten hat. Eine
Planungstendenz übrigens, die durch einen modischen Architekturjournalismus noch verstärkt wird, der
konsequent gerade solche Projekte favorisiert, die das
isolierte Produkt im quasi “menschenleeren Raum”
am radikalsten verwirklichen. Das über Jahrhunderte
bewährte Modell des öffentlichen Raums und seiner
Hauptelemente - Haus, Straße, Platz / Wohnen,
Arbeiten, Freizeit - muss wiederentdeckt werden,
damit das “Projekt Stadt” weiterentwickelt werden
kann.
aus: Krier, Rob / Christoph Kohl.
Potsdam Kirchsteigfeld. Eine Stadt entsteht, Bensheim
(awf-Verlag) 1997 / Berlin (Verlagshaus Braun) 1997.
26
PROGRAMM
19.06.2010 - EXKURSION TRIER/LUXEMBURG
08.00 Uhr
Frühstück und Auschecken mit Gepäckaufbewahrung
09.15 Uhr
Spaziergang durch das römische Trier bis zu den Bauten von O. M. Ungers
Porta Nigra, Städtisches Museum Simeonstift, Bischofsstadt, Dom Liebfrauen,
Diözesanmuseum, Thermenmuseum am Viehmarkt, Palastaula „Basilika“,
Kaiserthermen mit Eingangsgebäude
Führung: Prof. Oskar Spital-Frenking, HS Trier
11.30 Uhr
Busfahrt zum Petrisberg vorbei am Amphitheater
Besichtigung Stadtteil Petrisberg, Experimenteller Wohnungs- und Städtebau,
Reihenhäuser am Wasserband, Landesgartenschau 2004, Luxemburg-Turm
Führung: Dipl.-Ing. Axel Christmann, Hermann & Valentiny + P., Luxemburg
12.45 Uhr
Rückfahrt zum Frankenturm, vorbei an Barbarathermen und Römerbrücke
13.00 Uhr
Gemeinsames Mittagessen im Frankenturm
14.30 Uhr
Rückkehr zum Hotel, Gepäckabholung
15.00 Uhr
Busfahrt nach Luxemburg Esch-sur-Alzette
16.00 Uhr
Besichtigung in Esch-Belval, Führung: Prof. Rolo Fütterer
17.30 Uhr
Weiterfahrt nach Luxemburg Stadt zum Melia Hotel auf dem Kirchbergplateau
18.15 Uhr
Einchecken im Melia Hotel
19.15 Uhr
Spaziergang zu Bauten auf dem Kirchberg-Plateau:
Philharmonie (Portzamparc), Musée d‘Art Moderne Grand Duc Jean (Pei)
Europäischer Gerichtshof (Perrault) u.a.
20.00 Uhr
Spaziergang in die Altstadt zum gem. Abendessen mit Erläuterungen am Weg
20.06.2010 - EXKURSION LUXEMBURG
08.00 Uhr
Frühstück und Auschecken mit Gepäckaufbewahrung
09.00 Uhr
Busfahrt zur Cité Judiciaire, Heiliggeist-Plateau
09.30 Uhr
Besichtigung Cité Judiciaire, Führung: Prof. Rob Krier
10.30 Uhr
Busfahrt zum Musée Villa Vauban, Avenue Emile Reuter
11.00 Uhr
Besichtigung Musée Villa Vauban, Führung: Arch. Philippe Schmit
12.00 Uhr
Busfahrt zum Kirchberg-Plateau
12.30 Uhr
Besichtigung der Philharmonie u.a. ggf. mit Führung
13.30 Uhr
Gepäckabholung und Mittagsimbiss im Melia Hotel
14.00 Uhr
Busrückfahrt nach Trier
15.00 Uhr
Ankunft Trier am Hauptbahnhof, individuelle Rückreise
PORTA NIGRA
NORDALLEE/SIMEONSTRASSE
54290 TRIER
Quelle:
Das Stadttor wurde um 180 n. Chr. als nördlicher
Zugang zur Stadt Augusta Treverorum (AugustusStadt im Land der Treverer), dem heutigen Trier, erbaut. In der Literatur findet man teils noch immer
eine Datierung auf das 3. oder gar 4. Jh., doch hat
sich die Annahme, das Tor sei ebenso wie die übrige
römische Stadtmauer im späten 2. Jh. erbaut worden,
allgemein durchgesetzt. Der seit dem Mittelalter bezeugte Name Porta Nigra ist wohl von der dunklen
Färbung abgeleitet, die durch die Verwitterung des
Sandsteins entstand. Sowohl der Name Porta Nigra
als auch der Name Porta Martis werden erstmals in
einem Werk aus dem 12. Jahrhundert, den Gesta
Treverorum, erwähnt. Der übersetzte Abschnitt lautet:
„Sie (die Treverer) nannten es Marstor nach Mars,
den sie als Gott des Krieges ansahen; wenn sie auszogen zum Krieg, marschierten sie zu diesem Tor
hinaus. Schwarzes Tor aber wurde es genannt wegen der Trauer, in der sie, wenn sie aus dem Feld
flohen, durch es zurückkehrten.“ Dabei ging der
mittelalterliche Autor davon aus, dass Trier im Jahr
2003 v. Chr. von den Treverern erbaut worden sei,
obwohl die Stadt tatsächlich erst ca. 16 v. Chr. von
den Römern gegründet wurde. Die Begründung für
den Namen, die der mittelalterliche Autor liefert,
entspringt aller Wahrscheinlichkeit nur der Phantasie.
Bei genauerem Hinsehen fallen an den verschiedensten Stellen in die Steine eingemeißelte Zeichen auf.
Sinnvoll lassen sich diese Zeichen nur als Produktionsmarken der Steinmetze deuten, womit sich der
28
Bau des Tores rekonstruieren lässt. In diesem Zusammenhang finden sich die wertvollsten Funde im Westturm, bei denen diese Marken eine Datumsangabe
enthalten. Dabei fehlt aber eine Jahresangabe, so
dass eine absolute Datierung der Porta Nigra auf
diese Weise nicht möglich ist. Über die Marken lässt
sich aber die Zeit, die der Bau des Tores beanspruchte, gut abschätzen, da hier mehrere durchlaufende
und übereinander liegende Quader gekennzeichnet
wurden. Rechnet man diese Zeitangaben auf das gesamte Bauwerk hoch, berücksichtigt dabei eine sinnvolle Unterteilung in Baulose und schließt den Winter
als Bauzeit aus, so wäre die Porta Nigra innerhalb
von 2 - 4 Jahren als Rohbau fertiggestellt worden.
Eine endgültige Fertigstellung hat das Tor nie erlebt.
Auch für das ungeübte Auge macht die Porta einen
unfertigen Eindruck, zum Beispiel sind die auf der
Fassade der Landseite vorgelagerten Halbsäulen in
völlig rohem Zustand belassen worden. Ging man
früher oft davon aus, dass die Porta Nigra ebenso
wie die römische Stadtmauer errichtet worden sei,
als das nördliche Gallien im 3. Jh. zunehmend durch
germanische Angriffe bedroht war, ist die Mehrheit
der Forscher heute der Ansicht, der Bau sei im Gegenteil ein repräsentatives Großprojekt gewesen,
das nicht primär Verteidigungszwecken dienen sollte,
unter Kaiser Mark Aurel begonnen worden und dann
aufgrund finanzieller Engpässe unvollendet geblieben
sei.
In der Größe entspricht die Porta Nigra trotz ihrer
gewaltigen Ausmaße der Norm bei römischen Stadttoren. Der gesamte Bau ist 36 m breit und bei den
Türmen 21,50 m tief. Der fast vollständig erhaltene
Westturm ist noch knapp 30 m hoch. Im Fundament
besaß die Porta Nigra eine Stärke von vier Metern.
Die eigentliche Mauer war 3,40 m dick, der Laufgang
lag 6,20 m über dem Straßenniveau der Stadt. Als
Baumaterial diente der weiße Sandstein, der in der
Nähe von Trier im Kylltal gebrochen wurde. In der
Entstehungszeit des Tores errichteten die Römer
öffentliche Gebäude gerne aus großen Quadern.
Die größten wiegen hier sechs Tonnen. Die Sandsteinquader wurden von mühlengetriebenen Bronzesägen zurechtgeschnitten, was Sägespuren belegen.
Sie wurden anschließend so präzise behauen, dass
sie ohne Mörtel aufeinander gesetzt werden konnten. Als Halterung verband man jedoch je 2 Steine
horizontal durch Eisenklammern, die in Blei ausgegossen wurden. Eine solche Klammer ist noch im
Inneren des Tores nahe der östlichen Wendeltreppe
sichtbar; Rostspuren vieler ehemaliger Klammern sind
außen zu finden.
Architektonisch ist die Porta Nigra eine Doppeltoranlage, die symmetrisch um einen Innenhof errichtet
wurde. Dieser Zwinger sollte das Eindringen ungewollter Besucher in die Stadt verhindern: Landseitig
konnte die Doppeltoranlage mit Fallgattern verschlossen werden. Stadtseitig waren große Flügeltore
geplant, die jedoch nie eingesetzt wurden. Hätte ein
möglicher Feind die Fallgatter überwunden, wäre von
den Galerien der beiden Stockwerke aus Beschuss
von allen Seiten möglich gewesen.
Die Porta Nigra ist das einzige Tor, das den Abbruch
der Trierer Stadtbefestigung im Mittelalter überlebte.
Schon seit Beginn der fränkischen Zeit meißelten
Metallräuber tiefe Löcher in das Mauerwerk, um an
das begehrte Metall der Steinklammern zu gelangen.
Die Abbrucharbeiten endeten 1030, als die Porta eine
interessante Umnutzung erfuhr.
Der Pilgerführer und griechische Mönch Simeon war
1030 von einer Reise ins Heilige Land zurückgekehrt
und hatte sich im Ostturm der Porta Nigra eine Eremitenklause einrichten lassen. Dort schloss er sich ein
und lebte in extremer Askese „wie ein Verstorbener“,
berichtete der mittelalterliche Biograf. Nach Simeons
Tod 1035 ereigneten sich zahlreiche Wunder, so dass
der Asket bald heilig gesprochen wurde. Kurz darauf
ließ der Bischof ihm zu Ehren die Porta zwischen
1036 und 1042 zu einer doppelgeschossigen Stiftskirche, der Simeonkirche, umbauen. Im Erdgeschoss
wurde Simeon bestattet, später fand hier auch der
Erzbischof selbst seine letzte Ruhe.
STÄDTISCHES MUSEUM SIMEONSTIFT
SIMEONSTRASSE 55
54290 TRIER
Die Verbindung zwischen antiker und christlicher
Architektur zu einer Doppelkirche schuf einen einmaligen Baukomplex, wie er in keiner anderen Stadt
anzutreffen war. Im 1. OG entstand eine Volkskirche,
das 2. OG war den Stiftsklerikern vorbehalten. Um
1060 wurden daneben die Stiftsgebäude klosterähnlich im Geviert angelegt – eines der seltenen Beispiele eines zweigeschossigen Quadrums. Der dazu
gehörige Kreuzgang – der älteste Deutschlands –
lag nicht im EG, sondern in Höhe der Unterkirche
und wurde von Arkaden getragen.
Auf dem Westturm des Stadttores stand der Glockenturm der romanischen Kirche. Das Mittelschiff der
Oberkirche erhob sich über die Mauerkrone des
Zwingers. Der Eingang zu dieser oberen Kirche mit
Treppe und Vordach war an ein zum Eingang erweitertes Fenster im dritten Geschoss des Westturms angebaut. Die Bögen der Porta Nigra waren im EG zugeschüttet; man gelangte über eine Freitreppe direkt
in das 1. OG des Gebäudes. Die Funktion des Stadttores übernahm im Mittelalter das Simeontor, das
direkt im Osten an die Porta Nigra anschloss. Dieses vergleichsweise kleine Tor wurde durch den 1389
erbauten, so genannten Ramsdonkturm, geschützt.
Die Kirche und das Stift ließ Napoleon 1802 aufheben und bei seinem Besuch in Trier 1804 verfügte er
den Rückbau der kirchlichen Anbauten. Von 1804
- 09 wurde das Gebäude ausgekernt. Die Preußen
vollendeten ab 1815 die Abbrucharbeiten, so dass
nun wieder das römische Tor zu sehen ist.
In dem ehemaligen Stiftsgebäude mit dem malerischen Innenhof und dem zweigeschossigen Kreuzgang befindet sich jetzt das Städtische Museum.
Am großflächigen Stadtmodell, das den Zustand
Triers um 1800 zeigt, vermittelt eine audiovisuelle
Führungsanlage einen sehr guten Überblick über
Struktur und Entwicklung der Stadt.
30BISCHOFSSTADT
DOMFREIHOF
MITTELALTERLICHE STADT IN DER STADT
Quelle: 2000 Jahre Stadtgeschichte Trier
Die alten Römerstädte an Rhein, Mosel und Donau
waren mit dem Untergang des römischen Imperiums
verfallen. In einigen dieser Städte hatten schon während der römischen Besatzung Bischofssitze bestanden, die ihre Tradition ins Frühe Mittelalter fortsetzen
konnten (so Köln, Trier, Mainz, Speyer, Worms,
Regensburg, Straßburg). Nach kanonischem Recht
konnte ein Bischof nur in einer civitas (Stadt) regieren, was zur Folge haben konnte, dass während des
Frühen Mittelalters eine Bischofsresidenz zur civitas
wurde. Bischofsstädte bildeten mit Bischofskirche,
Bischofshof, Kurien, Klöstern und landwirtschaftlichen
Gütern die Keimzelle neuer Urbanität. Da die frühmittelalterlichen Bischöfe nicht nur Kirchenfürsten
waren, sondern auch weltliche Macht im Auftrag
des Königs ausübten, waren Bischofssitze stets auch
Verwaltungszentren. Durch großzügige Stiftungen der
Könige wurden sie wirtschaftlich selbständig gemacht.
Ihre Befestigungsanlagen boten den Bewohnern des
Umlandes in kriegerischen Zeiten Schutz. Aus der
Verwaltungshoheit der Grafen konnten sich die dem
Bischof unterstehenden Stadtbezirke lösen, indem sie
vom König in den Stand der Immunität versetzt wurden. Als unabhängiger Stadtherr musste der Bischof
sich zunächst nur noch mit dem Vogt auseinandersetzen. Später haben sich die Bürger der Bischofsstädte immer häufiger gegen den Stadtherrn aufgelehnt und die Selbstverwaltung erkämpft.
Domfreihof
Mittelalterliche Stadt in der Stadt
Nach den Zerstörungen der antiken Stadt im Zuge
der Völkerwanderung und nach dem Zusammenbruch der antiken Verwaltung war es vor allem der
Bischof, der in Trier die geschichtliche Kontinuität
wahrte. Schon bald bildete sich um den Bischofssitz
ein neuer Siedlungskern, der im Laufe der Zeit auch
mit einer Befestigung umgeben wurde. Wenn auch
die schriftlichen Quellen die feste Umgrenzung der
Domimmunität mit eigenem Gerichtsbezirk erst für
das Jahr 1000 berichten, als Bischof Ludolf die sogenannte Helenenmauer errichten ließ, ist eine
ältere Abgrenzung aufgrund neuerer Untersuchungen
durchaus möglich. Zentrum der kreisförmigen Domstadt war und ist der Dom mit der Liebfrauenkirche
und dem Domkreuzgang. Der vor einigen Jahren
neu gestaltete Domfreihof lässt die Domfassade
eindrucksvoll zur Wirkung kommen. Noch heute
ist der Dombereich von engen Gassen umgeben;
hohe Mauern umgrenzen die Wohnhäuser (Kurien)
der Domkapitulare. Die Trierer Domstadt ist eine
städtebauliche Kostbarkeit, denn gerade im Hinblick
auf den entstandenen großen Verlust an alter Bausubstanz im Zweiten Weltkrieg ist hier noch ein Stück
mittelalterlicher Stadtstruktur erhalten.
Prof Dr. Winfried Weber,
Bischöfl. Dom- und Diözesanmuseum Trier
Der Dombezirk. Im Mittelalter umgab ihn eine schützende
Mauer, deren Verlauf auch heute noch anhand der
Häuserzeilen gut nachzuvollziehen ist.
DOM LIEBFRAUEN
DOMFREIHOF
54290 TRIER
Quelle: 2000 Jahre Stadtgeschichte Trier
Der Trierer Dom ist die älteste Kirche Deutschlands,
die fast ununterbrochen seit 1700 Jahren Ort der
Versammlung der christlichen Gemeinde ist, Ort des
Gottesdienstes und Sitz des Bischofs von Trier. In ihm
sind alle Epochen der europäischen Kunst- und Baugeschichte vereint. Noch heute ist der Kern des Trierer Doms ein spätantikes Gebäude, dessen Mauern
unverkennbar die römischen Baumeister verraten.
Jahrzehntelange archäologische Forschungen haben
immer wieder neue Erkenntnisse über diese einzigartige frühchristliche Kirchenanlage erbracht, die im
Laufe des 4. Jhs. imperiale Größe erreichte. Nachdem Kaiser Konstantin I. 313 den Christen die Religionsfreiheit gewährt hatte, entstand auch in Trier ein
Kirchenbau in Form einer Basilika westlich der heutigen Liebfrauenkirche. Doch schon im 4. Jh. wurde
dieser Kirchenbau wesentlich vergrößert und zu einer aus 4 Basiliken bestehenden Kirchenanlage ausgebaut. In der 2. Hälfte des 4. Jhs. wurde anstelle
der Nordostbasilika ein quadratischer Bau mit Vierungsturm errichtet. Nach Zerstörungen im 9. Jh.
wurde im 11. Jh. der Westteil mit seiner bedeutenden
Fassade gebaut. Die wichtigste Baumassnahme des
13. Jhs. war der Neubau des mehrgeschossigen Zentralbaues der Liebfrauenkirche, einem Juwel mittelalterlicher Baukunst und frühes Zeugnis des Einflusses
der französichen Gotik, und des Domkreuzganges.
Wegen seiner herausragenden Bedeutung für die
Menschheit wurde der Dom 1986 in die Liste des
UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.
32DIÖZESANMUSEUM
ALOIS PEITZ, DIÖZESAN-ARCHITEKT
1982-88
WINDSTRASSE 6
54290 TRIER
Das Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum Trier ist
eine gemeinsame Einrichtung der Hohen Domkirche und
des Bischöflichen Stuhls. Es hat die Aufgabe, Zeugnisse
der Kunst-, Kultur- und Frömmigkeitsgeschichte des
Bistums Trier bzw. des früheren Erzbistums Trier zu
sammeln, zu bewahren, zu erforschen und der Öffentlichkeit zu vermitteln sowie den Dialog mit der zeitgenössischen Kunst zu pflegen.
Als weitere Aufgabe wurde dem Museum die archäologische Erforschung der spätantiken Vorgängerbauten
der ältesten deutschen Bischofskirche, des Trierer
Domes, übertragen. Daraus resultiert eine Sammlung
archäologischer Funde, die die Ursprünge des
Christentums in Trier auf einzigartige Weise veranschaulicht. Das Museum betreut die entsprechenden archäologischen Grabungsstätten zum frühen Christentum in
Trier.
In der Gegenüberstellung von Werken alter und zeitgenössischer Kunst möchte das Museum den Betrachter
zum Dialog einladen und zum Nachdenken anregen. Es
ist ein Ort der Begegnung und Auseinandersetzung mit
zeitgenössischer Kunst und ihrer Sicht der Wirklichkeit
der Welt und des Menschen.
Das Museum dokumentiert somit auf einzigartige Weise
die vom 4. Jahrhundert bis heute bestehende Kontinuität
der Trierischen Kirche.
Geschichte
um 1530 - Dompropst Johann von Metzenhausen (von
1531-40 Erzbischof von Trier) baut die Kurie Hünerberg
im Renaissancestil um
1829 - Abriss der sog. Kurie Metzenhausen
1832/33 - Neubau der „Königlich preußischen
Haftanstalt“ nach Entwurf des Trierer Baumeisters und
Schinkelschülers Johann Georg Wolff
Um 1850 - Erste Überlegungen des Domkapitulars
Johann Nikolaus von Wilmowsky zur Einrichtung eines
„Christlichen Museums“ im Dombereich
3. Oktober 1904 - Eröffnung des „Diözesan-Museums“
in den Nebenräumen des Domkreuzganges
1933 - 45 - das Gefängnis wird Durchgangsstation für
Juden und Regimegegner, die aus Belgien und Luxemburg über Trier in die deutschen Konzentrationslager
deportiert wurden
1943 - Beginn der Ausgrabungen auf dem Domfreihof
und im Innern des Domes (1946)
1944 - Teilweise Zerstörung des Domkreuzganges durch
Fliegerbomben; ein Großteil der nicht ausgelagerten
Bestände wird beschädigt.
1948 - Einrichtung einer „Abteilung für Archäologie und
Bauforschung“ im Bischöflichen Generalvikariat; nach
dem Kriege Umzug des Museums in das ehem. Pensionatsgebäude der Ursulinen Ecke Banthus-/Mustorstraße
28. September 1952 - Eröffnung des nunmehr
„Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums“, das durch
die Zusammenlegung des Diözesan-Museums mit der
„Abteilung für Archäologie und Bauforschung“ entsteht
1977 - Freiwerden des Gebäudes durch Verlegung der
Justizvollzugsanstalt in einen Neubau in Trier-Euren
1982 - 1988 - Planung und Ausführung des Um- und
Erweiterungsbaues durch den Trierer Diözesanarchitekten
Alois Peitz: aus dem Gefängnis wird ein Museum
1982 - Entscheidung zur Verlegung des Museums
in das Gebäude der ehemaligen Haftanstalt in der
Windstraße durch Bischof Dr. Hermann Josef Spital
10. Juni 1988 - Neueröffnung des Museums
THERMENMUSEUM AM VIEHMARKT
OSWALD M. UNGERS, KÖLN, 1993 - 98
TRIER MITTE-GARTENFELD
VIEHMARKTPLATZ
menanlage in Trier hatten sie nicht gerechnet. Damit
stand fest, dass Trier neben Rom, das auch drei Thermen
besaß, die bedeutendste Stadt des römischen Reiches
war. An einer der Hauptstraßen gelegen, traf man sich
vermutlich bereits um das Jahr 80 in dieser ersten öffentlichen Badeanstalt Triers zum Planschen und Saunen.
www.baunetz.de: 11.06.1998
Die Thermen am Viehmarkt sind seit Juni 1998 für Besucher geöffnet. Sie können unter dem Pflaster des Viehmarktplatzes einen Blick in die Trierer Stadtgeschichte
werfen: Zu besichtigen sind die mächtigen Fundamente
eines römischen Bades, mittelalterliche Abfallgruben und
Kellerräume des barocken Kapuzinerklosters. Die Geschichte des Viehmarktplatzes beginnt in einer Zeit, als
es ihn noch nicht gab. Auf ein römisches Wohnviertel des
1. Jh. n. Chr. folgt ein Großbau, in dem Bewohner der
Kaiserresidenz Augusta Treverorum im 3. und 4. Jh. die
Annehmlichkeiten römischer Badekultur genießen. Nur
im Untergrund kommen die Klostermauern mit den römischen Fundamenten in Berührung. Mit der Aufhebung
des Klosters 1802 entsteht der Viehmarktplatz, zunächst
für Märkte, schließlich zum Parken genutzt. Bisweilen
durch Baumaßnahmen gestört, endet der Tiefschlaf der
alten Mauern erst 1987 mit dem Baubeginn für eine
Tiefgarage. Bis 1994 wird das gesamte Areal durch das
Rheinische Landesmuseum Trier ausgegraben. Danach
öffnen die Architektur des Schutzbaus und die Platzanlage mit der Projektion der römischen Straßen von Oswald
M. Ungers ein Fenster in die Stadtgeschichte. Die Archäologen waren auf einiges gefasst, als 1987 am Viehmarktplatz gebuddelt wurde, doch mit einer dritten Ther-
Thermenmuseum von O. M. Ungers in Trier fertiggestellt
Die Stadt Trier und das Rheinische Landesmuseum haben
am 10. Juni 1998 mit der Schlüsselübergabe zu den
„Thermen am Viehmarkt“ einen neuen Museumstyp erhalten: ein Grabungsmuseum, das wie ein mächtiges
„Fenster“ die Stadtgeschichte zeigt. Überreste der römischen Thermenanlagen werden als Großexponat konserviert und an Ort und Stelle in die museale Präsentation
integriert. Sie sind geschützt und überdacht von einem
Glaskubus von 30 mal 12 Metern Seitenlänge, der sich
auf Stahlsäulen über dem Platz erhebt. Gebaut hat den
Glaskasten Oswald M. Ungers zwischen 1993-1998
– Kostenpunkt 22,2 Mio DM. Wie die Pressestelle des
Museums mitteilt, handle es sich hier um den „bundesweit aufwendigsten Schutzbau über archäologischen Resten der Römerzeit“... O. M. Ungers warnte beim Festakt
vor einer Überfüllung seiner Glas-Vitrine...
34PALASTAULA
“BASILIKA“
KONSTANTINPLATZ
54290 Trier
www.treveris.com/konstantinbasilika
Die Basilika im römischen Palastbezirk Triers - seit
293 n. Chr. Kaiserresidenz und Zentrum römischer
Politik - diente zu Beginn des 4. Jhd. als kaiserlicher
Prunksaal, eine Palastaula zu repräsentativen
Zwecken. Leider ist nicht bekannt, wann genau die
Palastaula gebaut wurde, ob schon zu Zeiten des
baueifrigen Gaius Valerius Diocles (Diocletian, Kaiser
von 284 - 305) oder erst später zu konstantinischer
Zeit. Auf eine Erbauung zu Zeiten Kaiser Gaius
Flavius Valerius Constantinus, Konstantin d.Gr. 306
– 337, weisen folgende Indizien hin:
•Für den Bau verwendeter Ziegel, die den Stempel
einer Ziegelei tragen, die auch die Baustelle Kastel
Deutz belieferte, welche nachweislich auf 310 n.Chr.
datierbar ist.
•Eine im Mauerwerk der Vorhalle der Palastaula
verborgene Bronzemünze aus dem Jahr 305 n.Chr.,
die bei Grabungen entdeckt wurde.
•Die Lobrede des Eumenius von Autun auf Kaiser
Constantinus, gehalten 310 n.Chr.
Den Namen „Basilika“ erhielt das Bauwerk vom
Heimatforscher Johannes Steiner im 19. Jhd in Bezugname auf die überlieferte Lobrede des Eumenius
von Autun, verlesen im Beisein des Kaisers Constantinus. In Begeisterung des Aufblühens der Trierischen
Kaiserresidenz „sieht“ der Festredner „die Basiliken
mit dem Forum , königliche Bauwerke“ (vgl. Panegyr.
VI 22 ed. Baehrens). Aber auch evangelische
Kirchenbauten werden als „Basiliken“ bezeichnet;
daher soll dieser Bau im Weiteren korrekter Palastaula (aula palatina, palatium) genannt werden, der
Bezeichnung für römische Profanbauten.
Das von Süden nach Norden ausgerichtete, rechteckige, säulenlose Gebäude der heute erhaltenen
Palastaula gilt mit seinen Ausmaßen (L=67 m, B=
27,5 m, H=30 m) als einzigartiges römisches Bauwerk nördlich der Alpen. Die Umfassungsmauern bestehen ganz aus Ziegeln und Mörtel und haben mit
Pfeilervorsprung eine Stärke von 2,7 m am Sockel
sowie an der Mauerkrone - in 30 m Höhe! - von
3,4 m. Das Mauerwerk ruht auf einem 4 m breiten
und 4-6 m tiefen Fundament aus Gussbeton. Die
Palastaula versetzt bis heute die Statiker mit seinen
beachtlichen Dimensionen in Erstaunen.
Die Römer setzten opus caementitium = Beton (opus
=Bauwerk, caementum=Bruchstein), eine Mischung
aus gebranntem Kalk, Wasser, Sand (mortar=Mörtel)
und Bruchstein, immer häufiger für ihre Bauwerke
ein, wegen seiner Eigenschaften als sehr druckfestes
und beliebig formbares Konglomeratgestein. Die
Verwendung von Mörtel zur Befestigung von Ziegelsteinen geht auf die jüngere Altsteinzeit zurück und
wurde durch die Zugabe vulkanischen Gesteins durch
die Phönizier verbessert, sodass der Beton auch unter Wasser aushärtet. Durch die Griechen in das
römische Reich gebracht, legte dieser flexibel einsetzbare Baustoff das Fundament der römisch-kaiserlichen Architektur, so für Aquädukte (vgl. Pont du
Gard, Südfrankreich), Thermen (vgl. Kaiserthermen,
Trier), Tempel (vgl. Pantheon, Rom), Abwasserkanäle
und Hafenanlagen.
Die an der Nordseite gelegene Apsis (griech. Wölbung), einem halbrunden nischenartigen Anbau von
18 m Durchmesser, wird außen flankiert von zwei
Treppentürmen, mit spindelförmig angeordneten
Stiegen aus Ziegelplatten. Von den Eingängen an der
Außenseite der Nordwand führen die Wendeltreppen
zu den Galerien in Höhe der beiden Fensterreihen
der Längswände und zur Mauerkrone.
Die Galerien waren im Querschnitt dreieckige Holzkonstruktionen, die an der Außenseite der Apsis und
Längswände jeweils unterhalb der zwei Fensterreihen
der Palastaula angebracht waren. Sie dienten dem
Öffnen, Schliessen und Warten der Fenster und vermittelten durch ihre Außenverkleidung den Eindruck
eines massiven Gesims, der den Bau vertikal strukturierte. Der ehemals, die gesamte Palastaula bedekkende weiß-graue Kalkmörtelverputz war in Höhe
der Galerien ausgespart, wodurch nach Verfall
der Galerien im Laufe der Jahrhunderte der Stein
schwarz verwitterte. Daher ist heute, trotz mittlerweile
abgeblätterten Verputzes, der Verlauf der Galerien an
der westlichen Längswand am horizontalen dunklen
Band unterhalb der Fenster gut zu erkennen.
Dem Südeingang war ein Portikus als Eingangshalle
vorgebaut, und außerdem gab es Anbauten an der
Westseite. Innen gab es prächtige Stuck- und Marmorverkleidungen, Mosaiken sowie Bemalung. In der
Apsis befand sich ein prachtvoller Baldachin mit dem
Kaiserthron. Bei Ausgrabungen fand man Reste einer
Hypokausten- und Tubulusheizung.
Nach der fränkischen Eroberung teilte die Palastaula
das Schicksal vieler römischer Bauwerke, nämlich das
des Verfalls. Wir wissen, daß irgendwann die Decke
einstürzte, woraufhin die Bewohner in das Gebäude
selbst kleine Wohnungen und Nutzräume setzten. Wie
bereits erwähnt, stellten die Erzbischöfe ab der Mitte
des 12. Jhs. die ruinöse Anlage wieder her, und zwar
als befestigten Wohnsitz. Beim Neubau des Palais
unter Lothar von Metternich, 1614, wurde die Aula
als westlicher Flügel einbezogen. Hierzu riß man die
östliche und Teile der südlichen Mauer ein. Diese
wurden im 19. Jahrhundert rekonstruiert.
36KAISERTHERMEN MIT EINGANGSGEBÄUDE
OSWALD M. UNGERS, KÖLN, 2005 - 07
WEBERBACH/KAISERSTRASSE
54290 TRIER
Nach knapp zweijähriger Bauzeit wurde das neue
Eingangsgebäude für die Kaiserthermen in Trier am
27. April 2007 eröffnet. Der Entwurf des Neubaus
stammt von Architekt Oswald M. Ungers aus Köln,
der damit das dritte Großprojekt in Trier verwirklichen konnte. Der zusammen mit dem Landschaftsarchitekten Bernhard Korte ausgearbeitete Plan war
von einer Wettbewerbsjury einstimmig ausgewählt
worden.
Die Anlage dient vor allem der Verbesserung der
Besucherinfrastruktur und macht die Dimensionen
des ursprünglichen römischen Gebäudekomplexes
(250x145 Meter) wieder erlebbar. Der rote Ziegelstein als vorwiegendes Baumaterial passt sich an das
historische Vorbild an. Geschlossene Gebäudeteile,
die auch für Veranstaltungen genutzt werden können,
wechseln sich mit offenen, begrünten Pergolen ab.
Ein Turm, dessen Plattform auch für Rollstuhlfahrer
und Gehbehinderte zugänglich ist, eröffnet neue
Ausblicke auf die Kaiserthermen. Die Blickachse
vom Palastgarten auf das Caldarium mit den
Rundbögenfenstern bleibt erhalten.
Die Landesregierung investierte 5,2 Millionen Euro
in den Neubau und die Herrichtung der Palästra.
Das Projekt sei ein herausragendes Beispiel für
die Philosophie, das kulturelle Erbe nicht nur als
totes Gestein zu bewahren, sondern ständig neu
zu beleben, betonte Kulturstaatssekretär Joachim
Hofmann-Göttig.
Mit dem Bau der Thermenanlage wurde um 293
n. Chr. begonnen. Sie wurde zunächst jedoch
nicht fertig gestellt, ehe der Komplex unter Kaiser
Valentinian als Kasernenanlage genutzt wurde.
1986 wurden die von der Landesdirektion „Burgen,
Schlösser, Altertümer“ verwalteten Kaiserthermen
in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes
aufgenommen.
Das neue Eingangsgebäude ist nach dem BasilikaVorplatz und der Therme am Viehmarkt das dritte
Großprojekt, das der Architekt Oswald M. Ungers in
Trier umsetzt.
ST. MAXIMIN
GOTTFRIED BÖHM, KÖLN, 1979 - 1995
MAXIMINSTRASSE
54292 TRIER
www.bistum-trier.de/museum
Die Reichsabtei St. Maximin war das größte und einflussreichste der vier früheren Benediktinerklöster in Trier
und eines der ältesten Klöster Westeuropas. Erhalten
sind von der Bausubstanz noch das Eingangsportal
des Klosters und die Kirche aus dem 17. Jahrh., die
heute als Sporthalle einer katholischen Privatschule
und als Konzertraum genutzt wird. Unter der Kirche ist
für Gruppenführungen ein antikes Gräberfeld mit über
1000 Sarkophagen zugänglich.
Das Kloster wurde der Legende nach durch den Bischof
Maximin von Trier im 4. Jahrhundert gegründet.
Nachdem Bischof Maximin während einer Reise von
Konstantinopel nach Poitiers 346 starb, wurden 353
durch seinen Nachfolger seine Gebeine nach Trier
überführt. Als gesichert gilt, dass im 4. Jahrhundert auf
dem nördlichen Gräberfeld des römischen Trier ein
christliches Grabgebäude erbaut wurde. An der
Grabstätte wurde im 6. Jahrhundert eine Benediktinerabtei gegründet, die später zur Reichsabtei wurde. Das
Kloster wurde 882 durch die Normannen zerstört. 899
zog sich Regino von Prüm, vorher Abt des Klosters Prüm,
in das Kloster St. Maximin in Trier zurück. 909 wurde
Eberhard von Franken Laienabt des Klosters.
Im 13. Jahrhundert erfolgte nach einem Brand der
Wiederaufbau nach dem alten Grundriss. Die Reichsunmittelbarkeit des Klosters war lange umstritten und wurde
durch Kurtrier (das politische Herrschaftsgebiet des
Erzbischofs von Trier) angefochten. 1669 unterwarfen
sich Abt und Konvent endgültig unter Verzicht auf die
Reichsunmittelbarkeit der kurtrierischen Landeshoheit.
1674 wurde das Kloster von französischen Truppen
wiederum völlig zerstört. Unter Abt Alexander Henn
wurde es von 1680 bis 1684 vom Baumeister Hans N.
Kuckeisen unter Erhalt gotischer Formen ein weiteres Mal
neu aufgebaut.
Nach der Säkularisierung des Klosters 1802 wurde der
Bau umgestaltet und als Kaserne, Garnisonskirche, Gefängnis und Schule genutzt. Im 2. Weltkrieg wurden die
Abteibauten zerstört.
1979 bis 1995 wurde die Kirche St. Maximin zu einer
Turn- und Festhalle umgestaltet; nach Plänen von
Gottfried Böhm wurden Stahlkonstruktionen mit Netzen
als bewegliche Raumteiler eingezogen, der ursprüngliche
Sakralraum in seinen Formen jedoch belassen. Der
entstandene Konzertraum mit ca. 1200 Plätzen, in dem
in unregelmäßigem Turnus Konzerte stattfinden, ist für
seine hervorragende Akustik bekannt. Die Halle ist
außerdem bei schlechtem Wetter Ausweich-Spielort der
Antikenfestspiele.
Seit mehreren Jahren kann das unter St. Maximin
entdeckte Gräberfeld besichtigt werden: Über 1000,
meist schlichte Sarkophage liegen hier, die ältesten
stammen aus dem 2. Jahrhundert. Eine kleine Anzahl
der Sarkophage steht unter den Grundmauern der
heutigen Kirche und stützt damit seit Jahrhunderten den
aktuellen Bau. In einigen Sarkophagen wurden Schmuck
und zum Teil auch menschliche Reste gefunden; manche
von ihnen werden noch heute von Restauratoren und
unter Zuhilfenahme moderner Technik ausgewertet.
Gruppenführungen durch das Gräberfeld werden auf
Anfrage vom Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum
durchgeführt.
38AMPHITHEATER
OLEWIGERSTRASSE 25
54295 TRIER
www.amphitheater-trier.de
Die Stadt Colonia Augusta Treverorum, das heutige
Trier, wurde 16 v. Chr. gegründet und allmählich zu
einem Hochzentrum römischer Kultur ausgebaut.
Bereits im 1. Jh. n. Chr. erfuhr die Stadt eine so
große Bedeutung als Verwaltungszentrum, Etappenund Handelsort, dass ein Mindestmaß an Unterhaltungsangeboten geschaffen werden musste. Aus
dieser Notwendigkeit heraus wurde das Amphitheater
am Petrisberg in mehreren Bauphasen errichtet. Die
Reste des Amphitheaters, die der Besucher heute vorfindet, stammen aus dem letzten Drittel des 2. Jh.
n. Chr. Jedoch handelt es sich dabei eigentlich um
die Überreste des zweiten Theaters der Treverer. Das
Vorgängermodell war eine Holzkonstruktion aus der
2. Hälfte des 1. Jh. n. Chr., dessen Überreste der
Besucher am nördlichen Hauptzugang der Arena
heute noch besichtigen kann. Durch den Bau des
Amphitheaters wollten die Römer ein Unterhaltungsprogramm für die Stadtbewohner schaffen, das
überwiegend aus Kämpfen zwischen Menschen und
Tieren bestand.
Um einen Eindruck der einstigen Größe des Amphitheaters zu bekommen, stellt sich der Besucher am
besten in die Mitte der Arena, wo zu römischen Zeiten die zum größten Teil blutrünstigen Spiele ausgetragen wurden. Die Zuschauerränge, deren Sitzreihen der Besucher noch erahnen kann, erstreckten
sich auf einer Höhe von 22 m und boten bis zu
18 000 Zuschauern Platz. Die wenigen noch vorhandenen Sitzstufen haben Inschriften, die im
römischen Trier als Platzkarten galten.
Die 2710 m² umfassende Arena wird von einer
4 m hohen elypsenförmigen Mauer umgeben, die
zum einen im Osten und Westen Rückhaltemauer
gegen das aufwallende Erdreich war, zum anderen
aber auch Schutz- und Brüstungsmauer der Zuschauerränge war. In diese Mauer sind insgesamt 15 Türen
eingelassen, hinter denen sich früher die Käfige der
Tiere und kellerartige Räume verbargen. Die zum Teil
erhaltenen bzw. wieder errichteten Räume können
ebenfalls besichtigt werden.
PETRISBERG
EXPERIMENTELLER WOHNUNGS- UND STÄDTEBAU
REIHENHÄUSER AM WASSERBAND
www.petrisberg.de
Der Petrisberg mit einer Größe von ca. 44 ha gehört
zum Gelände der Landesgartenschau 2004 in Trier.
Er wurde lange als Kasernengelände der Franzosen
genutzt, anschließend entstand im Rahmen der Landesgartenschau ein multifunktionales Stadtquartier.
Außerdem wurde dort ein Wissenschaftspark eingerichtet. Eines der Wohngebiete stand im Zusammenhang mit dem Modellvorhaben „Exemplarisches Wohnen auf dem Petrisberg“. Ziel war es, in enger Kooperation von privaten Bauherren, Architekten, Bauunternehmern und Behörden qualitätsvolle, individuelle Wohnbauten zu planen und in einem städtebaulichen Rahmen zu verwirklichen. Zunächst wurden die
Bauherren für die umfassende Aufgabenstellung und
die unterschiedlichen Facetten der Baukultur sensibilisiert. Je nach der individuellen Lebenssituation und
Bedürfnissen der Bauherren wurden unterschiedliche
Schwerpunkte in den Bereichen Ökologie, ÖkonoEntwicklungsmaßnahme
Petrisberg Trier
Max-
Planck-
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M 1:7500
Stand: August 2009
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Universität
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Universität
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mie, soziale Nachhaltigkeit und Ästhetik gesetzt.
Architekten konnten sich bei dem Gestaltungsbeirat
für die Aufnahme in den Architektenpool bewerben.
Dieses Gremium setzte sich aus Fachleuten und Vertretern der Projektbeteiligten zusammen. Die jeweiligen Bauherren wählten aus dem Architektenpool
einen Architekten, mit dem sie ihr Bauvorhaben realisieren wollten. Während der Planungs- und Realisierungsphase erhielten Bauherren und Architekten intensive und individuelle Beratungen. Auf der Grundlage der städtebaulichen Vorgaben erarbeiteten sie
Entwürfe für ihr gewünschtes Wohnhaus. Der Gestaltungsbeirat begutachtete die Entwürfe und gab sie
frei. Die freigegebenen Entwürfe wurden Bestandteil
des Kaufvertrags für das jeweilige Grundstück.
Im neu entstehenden Wohngebiet am Petrisberg gibt
es drei unterschiedliche Bebauungsvarianten:
- Entlang des zentral gelegenen Wasserbeckens
entstehen an der Wasserkante Hofhäuser in Reihenhausbauweise.
- An der Magistrale sind drei- bis viergeschossig
gestapelte Maisonettetypen und Stadtvillen geplant.
- Auf den Flächen, die dem „Wohnen mit der Landschaft“ zugeordnet sind, können freistehende Einfamilienhäuser realisiert werden. Die Grundstücke sind
an Stichstraßen angeordnet, um störenden Durchgangsverkehr auszuschließen. Schmale Gartenwege
sollen die Grundstücke untereinander verbinden und
das nachbarschaftliche Miteinander begünstigen.
40LUXEMBURGTURM
LANDESGARTENSCHAU 2004
HERMANN & VALENTINY UND PARTNER, LUXEMBURG
PETRISBERG
54296 TRIER
www.perspektive-petrisberg.de
Stählernes Symbol der Freundschaft
Fast bedrohlich wirkt er in seiner rostroten Verkleidung und extremen Schräglage: Der „Turm der Träume und Sehnsüchte“ war ein Geschenk der Stadt
Luxemburg an ihre Nachbarstadt Trier anlässlich der
Landesgartenschau 2004. Die begehbare Skulptur
aus Stahl ist ein Weg nach oben, der sich in der Richtung ständig ändert und zum Träumen anregen soll.
Der renommierte Architekt François Valentiny aus
dem luxemburgischen Remerschen hat im Auftrag der
Stadt Luxemburg diesen Turm entworfen, der auf
einem 5 m hohen, künstlich angelegten Kiesbett
steht. Die markante Stahlkonstruktion in der Nähe
des Geozentrums der Universität Trier versteht der
Künstler Valentiny als einen „Weg zum Genuss,
eine Art Treppe, die beim Ersteigen Empfindungen
vermittelt“.
Das dreigeschossige 20 m hohe und 25 m breite
Bauwerk „bricht sich in verschiedene Himmelsrichtungen“, auf den Sichtachsen sind die europäischen
Städtenamen Paris, Lissabon, Belfast, Warschau und
Athen angebracht. „Beim Lesen dieser Orte soll beim
Besucher ein bestimmter Kontext mitschwingen“,
sagt der Architekt. Wenn man die Skulptur etwa
im Sommer begehe, den Stadtnamen Lissabon
lese und sich auf der Aussichtsplattform Richtung
Süden befinde, wecke dies nach der Vorstellung des
Architekten „Assoziationen bei jedem Einzelnen“. Auf
der obersten Plattform blickt der Besucher von einem
seitlich geschlossenen, überdachten Raum Richtung
Luxemburg Stadt.
Der mit Blech verkleidete Stahlriese erinnert an eine
gewaltige, gezackte Haifischflosse, die bedrohlich
aus dem Wasser ragt. Trotz seiner voluminösen Erscheinung und archaischen Wirkung ist der fantasievolle Turm harmonisch in die Landschaft eingebettet
und strebt zielbewusst auf der angeschütteten Landmarke gen Himmel. Das Architekturbüro „Hermann
& Valentiny und Partner“ mit Sitz im luxemburgischen
Remerschen und in Wien hat unter anderem zahlreiche Wohnhäuser, Verwaltungsgebäude und Seniorenresidenzen entworfen. Es war auch beim Bau des
Konzerthauses im norwegischen Stavanger und bei
der Entwicklung der alten Eisenhütte im saarländischen Völklingen zum Unesco-Weltkulturerbe beteiligt. Der monumentale, visionäre Freundschaftsbeweis
kostete die Stadt Luxemburg rund 280 000 EUR. Der
Bau des schon angerosteten Stahl-Kolosses dauerte
von Juni 2003 bis April 2004.
BARBARATHERMEN
RÖMERBRÜCKE
FRIEDRICH-WILHELM-STRASSE/SÜDALLEE
RÖMERBRÜCKE IN VERLÄNGERUNG MARXSTRASSE
Quelle: Dr.
Klaus-Peter Goethert, Universität Trier
aus „Trier, 2000 Jahre Stadtgeschichte“
BARBARATHERMEN
RÖMERBRÜCKE
Nahe der Mosel liegt der heute nur zu einem Drittel
begehbare Komplex der Barbarathermen. Ihren
Namen verdankt diese römische Badeanlage aus
dem 2. Jh. einem heute verschwundenen alten Trierer
Vorort, dessen Patronin die hl. Barbara war. Noch
bis 1611 standen einige Reste der Anlage; dann
ging man an deren planmäßige Abtragung, um mit
dem gewonnenen Material das Jesuitenkolleg zu
errichten. Die Thermenanlage hatte ursprünglich
eine Ausdehnung von 172 x 240 m. Der eigentliche
Badetrakt misst immerhin 172 x 96 m. Er enthält
die typische Abfolge römischer Badeanlagen:
ein aus wärmetechnischen Gründen genau nach
Süden ausgerichtetes Caldarium (35,50 x 20 m),
ein nördlich folgendes Tepidarium (22 x 21m) und
ein Frigidarium (80 x 22 m). Allein dieser Saal
ist also größer als die Paulinskirche. Rechts und
links schlossen sich beiderseits symmetrisch die für
die römischen Thermen obligatorischen Schwitz-,
Massage- und Aufenthaltsräume an. Die keltische
Vorliebe für das warme Baden fand auch hier ihren
Niederschlag. Sie enthält in symmetrischer Form die
einzigen bekannten beheizten Schwimmbecken (11 x
20 m) im ganzen Imperium Romanum.
Gleichzeitig mit der Gründung der Stadt wurde
in der Nähe eines alten Flussübergangs eine
erste Holzbrücke über die Mosel geschlagen
(Pfahljochbrücke). Von dieser Brücke blieben nur
wenige Holzpfähle erhalten. Weniger spärlich
sind die Reste der Vorgängerin der heute noch
bestehenden Brücke. Nur 8 m flussabwärts von
dieser erkennt man bei niedrigem Wasserstand der
Mosel mächtige Pfahlstellungen, die als Fundament
dieser neuen Brücke dienten. Dendrochronologische
Untersuchungen ergaben, dass diese Holzroste,
auf denen Rotsandsteinquader als Brückenpfeiler
aufgeschichtet waren, um das Jahr 71 eingerammt
wurden. Im Jahr 144 errichtete man wiederum eine
neue Brücke. Die Arbeiten an diesem Bauwerk waren
um 157 mit der Herstellung der Uferbefestigung
abgeschlossen. Für ihre Erbauung wurden
kastenförmige Spundwände errichtet, zwischen ihnen
das Wasser abgepumpt und die Pfeiler direkt im
Flussbett gegründet. Diese Pfeiler stehen noch heute.
Sie sind als die ältesten Überreste einer Flussbrücke
nördlich der Alpen bekannt. Die Basaltpfeiler trugen
eine hölzerne Fahrbahnkonstruktion. Erst 1347
wurden diese durch steinerne Brückenbögen ersetzt.
LUXEMBURG-EXKURSION (FAKULTATIV)
42BELVAL
ESCH-SUR-ALZETTE
JO COENEN & CO
PROF. ROLO FUETTERER, 2000 - 09
AMSTERDAM/MAASTRICHT/MAILAND
www.jocoenen.com
www.comenius-lge.blogspot.com
Die Industriebrachländer erstrecken sich über rund
640 ha, von denen 500 zu Luxemburg - die restlichen zu Frankreich - gehören. Sie verteilen sich auf
10 verschiedene Standorte, unter anderem den von
Belval-West. Das Brachland in Belval dehnt sich auf
einer Fläche von 122.7 ha aus und befindet sich im
Süden des Großherzogtums Luxemburg, am Rand der
französischen Grenze auf den Gebieten der Gemeinden Esch/Alzette und Sanem. Der Standort ist 17 km
von der Hauptstadt entfernt. Bis in die 1970er Jahre
war die Eisenindustrie der wichtigste luxemburgische
Wirtschaftszweig. Mit der Stahlkrise spielte die
Schwerindustrie keine vorherrschende Rolle mehr,
während sich der Dienstleistungssektor in Luxemburg
entwickelte. Das Hüttenwerk in Belval wurde von
1909-12 gebaut und war eines der modernsten Werke Europas. Es umfasste eine Fläche von 200 ha und
6 Hochöfen. In den Walzwerken des Hüttenwerkes
stellte man Gerüste, Schienen, profilierte Metalle und
Eisendrähte her. Über 2.000 Arbeiter waren 1912
im Werk tätig. Durch den Übergang zum elektrischen
Ziehwerk wurde der Betrieb der Hochöfen eingestellt,
der letzte 1995. Das Projekt kann bis zu 7,000 Einwohner und über 20,000 Arbeitnehmer/Besucher
aufnehmen. In seiner Gesamtheit dehnt sich das Projekt auf einer Fläche von fast 1,3 Millionen m² aus.
Grünanlagen und öffentliche Plätze machen 30%
der Fläche aus. Das Projekt Jo Coenen & Co soll die
sinnbildlichen Elemente, die den Standort fast ein
Jahrhundert lang geprägt haben, einbeziehen.
Die Hochöfen, die Gebläsehalle (mit einem Volumen
von 380.000 m³), die Kühlbecken, die Ziegelkamine
und der Stahlhof werden ein Zeichen der Erinnerung
sein.
oben: Masterplan, Jo Coenen
Foto unten: Agora
Das Projekt hat mehrere Funktionen:
- Hochschulbildung und Forschung
- Sekundarschulbildung
- Wohnungsbau für Studenten
- Start-Up-Unternehmen
Das Projekt besteht aus vier Teilen/Stadtvierteln mit
besonderen Eigenschaften:
1. Die Terrasse der Hochöfen, die Rockhalle und
die Stadt der Wissenschaften hat eine Gesamtfläche von 27.6 ha und bietet eine Gesamtentwicklungskapazität von 560,000 m². Um die zwei
Hochöfen (Höhe bis zu 80 m) entsteht ein nationales
Zentrum der industriellen Kultur.
2. „Square Mile“, Fläche: 20 ha, ermöglicht eine
Entwicklung auf 500.000 m² bebaubarer Fläche.
Dieses Viertel mit gemischtem Charakter ist in erster
Linie dem Dienstleistungssektor vorbehalten.
20% der Fläche sind für Wohnungen reserviert.
3. Der Park Belval, 33 ha, ist der natürliche Übergang zwischen den Vierteln - städtisch, mit hoher
Dichte. Dort sind auch das neue technische Gymnasium und ein regionales Sportzentrum geplant.
4. Das Viertel Belval ist ein 25 ha großes Wohnviertel.
CITÉ JUDICIAIRE
PROF. DIPL.-ING. ROB KRIER, 1991 - 2008
1991 - 1996 LÉON UND ROB KRIER
SEIT 1998 MIT CHRISTOPH KOHL UND JEAN HERR
PLATEAU DU ST. ESPRIT
LUXEMBURG
„Cité Judiciaire Luxembourg 1991 - 2008“
Verlag Axel Menges (ISBN 978-3-936681-37-6)
Auf dem Plateau du St. Esprit am Rande der Luxemburger Altstadt wurden die Justizstellen des Landes
und der Stadt zusammengefasst. Dazu ist - nach
einem zusammen mit Léon Krier als CITÉ JUDICIAIRE
entwickelten Konzept - ein neues Stadtviertel mit für
jedermann zugänglichen Straßen, Gassen und Plätzen entstanden, das sich städtebaulich und architektonisch in die historische Silhouette einfügt. Durch die
Aufteilung der verschiedenen Gerichtsbarkeiten auf
einzelne Gebäude soll ein menschlicheres, offeneres
und freundlicheres Bild des Justizapparates vermittelt
werden.
Foto: Johannes Vogt
Farbtöne, die sich den Häusern der Altstadt anpassen. Auch der Gestaltungskodex der historischen
Stadt fand hier Anwendung. Alle Gebäude wurden
mit steilen Schieferdächern eingedeckt und alle Fenster mit weißen Sprossen versehen. Bei den Fassadenkompositionen hielt ich mich an die Regeln der klassischen Architektur mit der Ausbildung von Sockel,
Mittelfeld und Attikazone in der horizontalen Schichtung der Geschosse. Diese wurden in den verschiedenen Gebäuden fein differenziert und mit individuellen
Gesimsausbildungen voneinander abgesetzt. Das
letzte Geschoss mit dem Dachansatz wurde immer
sehr deutlich hervorgehoben. Den Ecklösungen der
Gebäude und den Baublocks wurde besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Der Eingang zu jedem Gebäude wird durch eine eigene Portalarchitektur
markiert...“
Foto: Herve Montaigu Editpress Luxembourg
Foto: Andi Albert
Rob Krier, 2009, zu Grundkonzept, Bautyp...
„...Für die architektonische Lösung traf das Bautenministerium mit unserer Beauftragung eine deutliche
Wahl. Unser Fachrenommee basiert auf der Propagierung einer klassisch traditionellen Bauphilosophie.
Der Einklang mit der historischen Substanz der Stadt,
in Typologie und architektonischer Kleinteiligkeit, wurde zum staatlichen Programm erklärt. Die verschiedenen Funktionseinheiten sollten sich in ihrer architektonischen Gestaltung voneinander unterscheiden,
ohne das einheitliche Erscheinungsbild zu gefährden.
So haben die Außenfassaden etwas unterschiedliche
LUXEMBURG-EXKURSION (FAKULTATIV)
44VILLA VAUBAN
PHILIPPE SCHMIT
DIANE HEIREND & PHILIPPE SCHMIT ARCH.
MUSÉE D’ART DE LA VILLE DE LUXEMBOURG
18, AVENUE EMILE REUTER
L-2420 LUXEMBOURG
www.villavauban.lu
Die Architektur des neuen Museums spiegelt den historischen Charakter seiner Gemäldesammlungen, die
im 18. und 19. Jahrhundert von Privatleuten zusammengestellt wurden. Die repräsentative Stadtvilla von
1873 ist renoviert und um einen Neubau des Architekten Philippe Schmit vom Luxemburger Büro Diane
Heirend & Philippe Schmit architectes erweitert worden, der in einen spannenden Dialog mit der vorgefundenen Bausubstanz tritt.
Der Architekt erläutert (Interview Baunetz 30.04.10):
„Die Herausforderung bei diesem Bauprojekt bestand
darin, bei gleichzeitiger Wahrung der historischen
Elemente (Wallmauer 1739, bürgerliche Villa 187173, Gartengestaltung und öffentliche Parkanlage
1871-78) die Ausstellungsfläche zu maximieren.
Eine angemessene Einpassung konnte gelingen, da
der Anbau zur Hälfte unterirdisch liegt und seine
changierende Lochblechfassade die Parkumgebung
reflektiert und nicht dominiert. Das neue Ensemble ist
sowohl vom straßenseitigen Hauptportal als auch von
der Parkseite, die durch einen neuen Zugang angebunden wurde, als öffentliches Haus identifizierbar.
Die in stumpfen Winkeln aufgefaltete Fassade und
Dachfläche des Anbaus, der sich wie ein Riegel eingeschossig hinter der Villa erstreckt, hat eine stark
haptische Qualität und vermittelt Leichtigkeit und
Eingebundenheit. Die perspektivisch gekippten
Fluchtlinien wirken wie abstrahierte Geländelinien
und sind ein Echo auf die leicht hügelige Parklandschaft. Gerahmte Ausblicke, die die Fassadenvorblendung durchbrechen, erlauben dem Museumsbesucher eine Orientierung im Gelände und machen
die Kunstbetrachter vom Park aus sichtbar. Alle Ausstellungsräume liegen auf einem Rundparcours; ein
großzügiges Foyer bildet das Verbindungsstück zwischen beiden Häusern.
Wichtigstes Baumaterial im Inneren ist Beton. Die
nicht verkleideten Wände weisen eine besondere
Oberflächenbehandlung des Sichtbetons auf: Alle
Flächen wurden mit dem Stockhammer aufgeraut, so
dass flächendeckend verstreut kleine helle Quarze
aufscheinen. Die Betonelemente scheinen wie aus
einem großen Volumen herausgearbeitet.
Die Oberlichtsäle des Anbaus verlaufen als Raumfluchten übereinander in den beiden Geschossen, jedoch in den Längsachsen leicht versetzt, so dass
Rücksprung bzw. Überkragung im Grundriss Freiraum
für spezielle Funktionen bieten: Skulpturengalerie,
untere Galeriepassage, Kinderatelier, Loggia mit
Parkausblick, Kabinett mit halber Deckenhöhe sowie
einen dramatischen Treppenabgang ins Untergeschoss. Diese Elemente gestalten die Choreographie
der Wegeführung; sie verlangsamen die Geschwindigkeit der Besucher und geben die Möglichkeit,
Ausblicke zu genießen und Architekturdetails zu
entdecken.“
.
PHILHARMONIE
KIRCHBERG - PLATEAU
LUXEMBURG
CHRISTIAN DE PORTZAMPARC, PARIS
Nur einen Steinwurf von Luxemburgs Innenstadt entfernt liegt der junge Stadtteil Kirchberg. Er ist gleichermassen Sammelbecken für banale Bürobauten
und Tummelplatz international tätiger Architekten wie
Gottfried Böhm, Richard Meier - oder Ieoh Ming Pei.
Aber schon jetzt ist Kirchberg um ein Monument reicher: die Philharmonie von Christian de Portzamparc.
Der von schlanken, weissen Pfeilern umspannte Baukörper über tropfenförmigem Grundriss erhebt sich
im Zentrum des Europaplatzes, der von Ricardo Bofill im Geiste italienischer Renaissance-Plätze geschaffen wurde. In dieser architektonischen Skulptur
kommen Massstab, Rhythmus und Licht zum Tragen
- Themen, welche das Werk des in Paris tätigen Pritzkerpreisträgers seit je auszeichnen. Der grosse Konzertsaal bietet 1307 Plätze. Er befindet sich im Kern
des Neubaus und wird schützend von zwei Raumschichten umhüllt. Gleich einer Partitur sind an der
Fassade 823 überschlanke Rundpfeiler von 20 m
Höhe und nur 30 cm Durchmesser nach einem mathematischen Rhythmus angeordnet. Dahinter weitet
sich zwischen Aussenhülle und dem zentralen Kern
des Auditoriums die endlose Wandelhalle des Foyers.
Der Luxemburger Konzertsaal ist rechteckig wie ein
Schuhkarton mit stirnseitiger Bühne. An den Neubau
ist ein muschelförmiger, mit weissen Aluminium-Paneelen gedeckter Kammermusiksaal angedockt.
Neue Zürcher Zeitung, 09.07.2005
MUSÉE
D‘ART MODERNE
IEOH MING PEI
In Luxemburg wurde 2006 das neue „Musée d’Art
Moderne“ eröffnet. Dessen Architekt Ieoh Ming Pei
wurde für sein Werk am 3. Juli 2006 der „Orientund Okzident“-Preis der Erwin-Wickert-Stiftung verliehen. Das neue, MUDAM genannte Museum steht auf
den Mauern, die einst das pfeilförmige Fort Thüngen
von 1732 umgaben und die für drei Jahrhunderte
Luxemburger Militärgeschichte stehen.
Das 88 Mio Euro teure Museum wurde zum langwierigsten Projekt in Peis langer Karriere: Die Fertigstellung hat sich mehrmals verzögert, weil gegen den
Wunsch des Architekten das Fort nicht mit dem Kunstmuseum verbunden wurde und der Architekt deshalb
den Haupteingang auf die andere Seite verlegen
musste. Auch um den teuren Kalkstein aus dem Burgund, mit dem die Wände des Museums innen und
außen verkleidet wurden und der für die Wirkung von
Peis Räumen wesentlich ist, gab es jahrelangen Streit.
Die introvertierte Form des benachbarten Forts findet
sich auch im Neubau: Pei hat einen umschlossenen
Zentralraum entworfen, wie er der chinesischen Bautradition entspricht. Der strenge Neubau wirkt in seiner Geometrie wie eine Fortsetzung des Forts und
seiner asymmetrischen V-Form. Die Nordfassade hat
nur minimale Öffnungen, während die gläsernen
Südfassaden Blicke auf die Silhouette der Altstadt
bieten. Skulpturale Treppenhäuser locken die Besucher vom Foyer in die Obergeschosse. Die Architektur
dominiert nicht die Kunst, sondern will ihr einen Rahmen bieten, der sich selbst als bildhauerisches Werk
versteht. Von der „Grand Hall“, dem 33 m hohen
Zentrum des Baus, das von einem viereckigen Glasturm überragt wird, fällt der Blick auf die „Drei
Eicheln“ des Fort Thüngens. Tageslicht fällt über von
außen nicht sichtbare Sheddächer in die Ausstellungsräume im ersten Stock. Eichenparkett, gegipste
Wände und Architekturbeton, der die Maserung
des Douglastanne als Verschalung zeigt, geben den
Räumen eine angenehme, kontemplative Wirkung.
baunetz.de 04.07.2006
LUXEMBURG-EXKURSION (FAKULTATIV)
46KIRCHBERG - PLATEAU
LUXEMBURG
EUROPÄISCHER
GERICHTSHOF
DOMINIQUE PERRAULT
Goldenes Herzstück
Inzwischen ist die Europäische Union auf 27 Länder
angewachsen, in deren Landessprachen die Juristen
die europäische Rechtsprechung jeweils zu übertragen haben. Diese Übersetzungsarbeit findet in den
beiden wunderbar schlanken neuen Türmen von
Perrault statt. Gerade einmal 22 Stockwerke sind sie
hoch. Doch dank ihren kurzen Schmalseiten gewinnen sie eine eigentümlich monumentale Note, die sie
weitaus höher wirken lässt, als sie tatsächlich sind.
Ergänzt wird diese besondere Note durch die goldschimmernde Aluminiumfassade. Ein Material, das
bereits bei den Erweiterungsbauten des Gerichtshofs
aus den 1980er Jahren Verwendung fand. Es ergänzt
die Repräsentativität der beiden Türme mit ihrem unregelmässigen Muster aus Sonnenschutzlamellen um
eine freundlich warme Note. Doch Perrault hat nicht
nur die beiden Türme mit ihren grosszügig bemessenen Mittelgängen verwirklicht. Genauso komplex wie
die europäische Rechtsprechung sind auch seine Eingriffe in den «Altbau» des Gerichtshofes. So hat er
das Palais aus den 1970er Jahren komplett umgewandelt. Bedingt durch die Topografie des Geländes
stand es ursprünglich frei auf einer weiten Terrasse.
Auf ihr hat Perrault einen aufgeständerten kubischen
Ringbau verwirklicht, der das alte Palais nun einfasst.
In dem durch Brücken mit dem Kernbau verbundenen Neubau sind die Büroräume für die europäischen Richter und Staatsanwälte entstanden. Gewöhnungsbedürftig sind die orangegoldenen Paneele, die Perrault der dunklen Glas-Metall-Fassade seines Ringbaus vorgeblendet hat. Sie schaffen die farbliche Anbindung an die beiden Hochhaustürme –
aber auch an den in sanften Postmodernismen
schwelgenden Erweiterungsbau aus den 1980er
Jahren, der mit seiner roten Granitfassade und eingelegten goldenen Quadraten zu Füssen des neuen
Rings liegt. Eine neue Galerie von kathedralenhafter
Länge schiebt sich im Inneren des Komplexes als Bindeglied zwischen die beiden Bauteile. Mit ihrer Glasdecke, den weissen Wänden und schwarzen Fenstern
sowie dem goldfarbenen Gitterwerk erzeugt die hohe
Halle der Galerie jene ambivalente Stimmung aus
Repräsentation und technischer Kühle, die charakteristisch für Perraults Architektur ist.
Ihren Höhepunkt findet diese anspruchsvolle Architektursprache in dem umgebauten Palais. Als Herzstück des Gerichtshofes bietet es eine ganz eigene,
überaus kraftvolle Definition moderner europäischer
Repräsentationsarchitektur. Das beginnt bereits bei
dem dunklen Foyer, das durch einen mächtigen, betont niedrig hängenden Ringleuchter ausgezeichnet
wird.
Keine Frage: Perraults Entwurf erweist sich als architektonischer Goldbarren unter den neuen Preziosen
des Kirchberg-Plateaus. Er fügt sich ein in ein bedeutendes Ensemble moderner Architektur, das im unmittelbaren Umfeld des Europäischen Gerichtshofes mit
der neuen Philharmonie und dem vor zwei Jahren eröffneten Musée d‘Art Moderne Grand-Duc Jean.
Noch sind Perraults Umbauten am Gerichtshof nicht
bis ins letzte Detail abgeschlossen, steht angesichts
des stetig wachsenden Raumbedarfs bereits Perraults
nächster Turmbau an. Immerhin ist es mit Perraults
neuer Visitenkarte im Grossherzogtum gelungen,
dass Europa dank seiner Architektur tatsächlich sogar
einmal über sich selbst hinauswächst.
Jürgen Tietz, Neue Zürcher Zeitung 2. Feb. 2009
TEILNEHMER/INNEN
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Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr. rer. nat.
Prof. Dipl.-Ing
Prof. Dipl.-Ing.
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Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
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Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Konrad
Heinz
Lothar
Rolo
Gerd
Gerhard
Friedrich
Dunja
Kazuhisa
Klaus
Nikolaus
Ingrid
Roland
Jürgen
Heinrich
Josef
Michael
Richard
Friedo
Heinz
Nikolaus
Peter
Anne Christin
Kuno-Mauritius
Oskar
Horst
Heinz J.
Dorothea
Norbert
Martin
Deffner
Fischer
Forkert
Fütterer
Gassmann
Hemmerlein
Heyder
Karcher
Kawamura
Klever
Kränzle
Krau
Krippner
Krug
Lauer
Lenz
Maas
Meier
Mosler
Nelskamp
Neuleitner
Richter
Scheiblauer
Schneider
Spital-Frenking
Thomas
Vetter
Voitländer
Zenner
Zoll
Bauingenieurwesen
Architektur
Bauingenieurwesen
Architektur/Führung
Architektur
Architektur
Werkstofftechnik
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur
Bauingenieurwesen
Architektur
Architektur
Architektur
Bauingenieurwesen
Bauingenieurwesen
Bauingenieurwesen
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur/Führung
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur
HS Deggendorf
HS München
GSO-HS Nürnberg
FH Kaiserslautern
HfT Stuttgart
FHWS Würzburg
FH Koblenz
HS München
FH Mainz
HS Trier
FH Frankfurt
TU München
GSO-HS Nürnberg
FH Rosenheim
HS Augsburg
HTWG Konstanz
HS Trier
SRH HS Heidelberg
GSO HS Nürnberg
HS Biberach
HS Regensburg
Uni Karlsruhe
FH Frankfurt
FH Frankfurt
HS Trier
GSO HS Nürnberg
HS Darmstadt
FHWS Würzburg
FH Kaiserslautern
HS München
REFERENTEN / BEGRÜSSUNG / MODERATION
Nr.
Titel
Vorname
Name
Bereich
FH/TU/ Sonstige
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Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Dipl.-Ing.
Dipl.-Ing. Arch.
Jörg
Thomas
Rob
Georg
Matthias
Michael
Waltraud
Wallmeier
Jocher
Krier
Sahner
Sieveke
Pröll
Vogler
Begrüßung
Referent
Referent/Führung
Referent
Referent
Referent
Einführung/Moderation
Präsident HS Trier
Universität Stuttgart
Berlin
HS Augsburg
HS Trier
Ziegel Zentrum Süd
Ziegel Zentrum Süd
48IMPRESSUM
Herausgeber
© Ziegel Zentrum Süd e.V.
Konzeption, Graphik, Recherche
Waltraud Vogler, Dipl.-Ing. Architektin
Michael Pröll, Dipl.-Ing.
Tagungsvorbereitung
Waltraud Vogler, Dipl.-Ing. Architektin
Michael Pröll, Dipl.-Ing.
Margret Kaiser
AnsprechpartnerInnen:
Geschäftsführung und Architektur
Waltraud Vogler, Dipl.-Ing. Architektin
FB Bauingenieurwesen
Michael Pröll, Dipl.-Ing. Bauingenieur
Sekretariat
Margret Kaiser
Ziegel Zentrum Süd e.V.
fon 089 74 66 16-11
Beethovenstrasse 8
fax 089 74 66 16-60
80336 München
[email protected]
Das Ziegel Zentrum Süd hat die Aufgabe, Lehrende und Studierende der Architektur und des Bauingenieurwesens in
ihrer Arbeit an den Hochschulen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zu unterstützen. Veranstaltungen werden vom Ziegel Zentrum Süd organisiert, weitestgehend finanziert und vor Ort betreut und
begleitet. Die Professoren-Tagung des Ziegel Zentrum Süd ist einzigartig in der Hochschullandschaft in Deutschland.
Wir danken allen Referenten für die Unterstützung in der Vorbereitung der Tagung und der Entstehung der Tagungsbroschüre. Besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Matthias Sieveke, der außerdem aktiv die Kooperation mit der Hochschule
Trier bewerkstelligte, Einiges an Logistik in Trier in die Hand nahm und die Vorbereitung der fakultativen LuxemburgExkursion durch steten Informationsaustausch und engagierten Einsatz vorantrieb.
Wir freuen uns über den regen Zuspruch, den das Angebot des fakultativen Exkursionsteils in Luxemburg bei fast allen
TeilnehmerInnen erfuhr.
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