58-61 Wildobst

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Felsenbirnen (links unten),
Schwarze Johannisbeeren (oben),
Vogelkirschen (rechts)
Immer mehr Feinschmecker
geniessen die ausgeprägten
Aromen von Wildobst.
Ein Auflauf aus Wildkirschen
oder Essig aus Himbeeren
sind köstliche Überraschungen. Wieder in Mode kommt
die Vorratshaltung mit
Marmelade, Säften und
Alkoholika.
Text und Fotos: Brunhilde Bross-Burkhardt
I
m Frühsommer beginnt die Wildobstsaison: Holunderblüten und Walderdbeeren wachsen; etwas später reifen
Felsenbirnen, Wildkirschen und Waldhimbeeren. Die Wildobstsaison setzt sich
im Spätsommer und Herbst fort mit
Holunderbeeren, Brombeeren, Kornelkirschen, Hagebutten, Sanddornbeeren
und Schlehen.
Die Beeren und Früchte sammelt man
normalerweise von wild wachsenden
Sträuchern und Bäumen in der freien
Natur. Wildobstsammler nehmen Rücksicht auf Flora und Fauna: Sie sammeln
nicht zu viel Obst an einem Ort und lassen
den Tieren etwas übrig. Das lustvolle Sammeln lässt sich meist gut kombinieren mit
einer gemütlichen Velofahrt oder einem
schönen Spaziergang.
Wildobst aus dem Garten
Wildobststräucher und bäume kann man
aber auch im Garten anpflanzen – vorausgesetzt er ist gross genug dafür. In kleine
Gärten passen Walderdbeeren und Kulturheidelbeeren, vielleicht ist noch Platz für
einen Holunder oder eine Felsenbirne.
Ideal wäre eine frei wachsende Wildstrauchhecke mit Heckenrosen, Holunder,
Haselnuss, Sanddorn, Kornelkirsche und
Felsenbirne. Als kleine Hausbäume eignen sich Maulbeere, Eberesche, Quitte
oder Kirschpflaume. Wildkirsche, Speier58 Natürlich | 6-2005
Köstliches
ling und Esskastanie wachsen zu grossen
Bäumen heran; es sind Gehölze für sehr
grosse Grundstücke, etwa für Parkanlagen
und für die freie Landschaft.
Gemeine
und Kupfer-Felsenbirne
Weniger Platz braucht die Kupfer- oder
Kanadische Felsenbirne (Amelanchier lamarckii). Sie steht in vielen Vorgärten
und zieht im Frühjahr mit ihrem weissen
Blütenschmuck und im Herbst mit ihren
kupfern gefärbten Blättern die Blicke auf
sich. Die Gemeine Felsenbirne (Amelanchier ovalis) wächst auf sonnigen, warmen Fels- und Steinböden; die Felsenbirne ist eine der wenigen Gehölzarten,
die dauerhaft Felswände besiedeln kann.
Kaum bekannt ist, dass die Früchte
sowohl der Gemeinen wie auch der
Kupfer-Felsenbirne kleine Leckerbissen
sind; sie enthalten kaum Säure und
schmecken deshalb süsser als die meisten
anderen Wildfrüchte. Die tief blauvioletten Beeren reifen im Juni bis Juli. Sie
Ernährung GESUNDHEIT
sund: Sie helfen bei Durchfall, bei Magenund Darmerkrankungen, bei Appetitlosigkeit und Schwächezuständen. Und wegen
ihres hohen Gehaltes an Fruchtzucker
können auch Diabetiker Heidelbeeren geniessen.
Die Kulturheidelbeere (Vaccinium corymbosum), die aus Nordamerika stammt,
wächst als kleiner bis zu 1,5 Meter hoher
Strauch. Auch sie braucht einen leicht sauren Boden, am besten Moorbeeterde. Setzt
man mehrere Pflanzen, ist die Befruchtung
besser und die Sträucher bilden mehr
Früchte aus. Diese sind viel grösser als die
der heimischen Heidelbeere, dafür nicht
ganz so aromatisch. Von einem Strauch
kann man in guten Jahren bis zu 7 Pfund
Beeren ernten.
Vorsicht Fuchsbandwurm!
Wildobst
ähneln in Grösse und Geschmack den
Heidelbeeren. Die etwas mehligen Beeren
schmecken frisch oder getrocknet, im
Früchtejoghurt, im Müesli oder als Konfitüre mit Agar-Agar zubereitet. Da die
Früchte sehr gut gelieren, braucht man
keinen Gelierzucker.
Beeren für Diabetiker
In manchen Gegenden geht man traditionell «in die Heidelbeeren», also zum Heidelbeerpflücken in den Wald. Die Wald-
heidelbeere (Vaccinium myrtillus), ein
niedriges Sträuchlein, gedeiht nur dort,
wo der Boden sandig und sauer ist, oft
in der Nachbarschaft von Heidekraut.
Erntezeit für die blauschwarzen, etwa
erbsengrossen Früchte ist im Juli und
August. Heidelbeeren halten sich gekühlt
einige Tage lang frisch. Sie lassen sich gut
einfrieren und zu Saft oder Wein verarbeiten. Heidelbeerpfannkuchen oder Heidelbeerkuchen, serviert mit Schlagrahm, sind
eine Delikatesse. Heidelbeeren schmecken
nicht nur sehr gut, sie sind auch sehr ge-
Waldhimbeeren sind ein echter Genuss.
Und Beeren ernten ein schönes Sommervergnügen. Waldhimbeeren, auch Echte
Himbeeren (Rubus idaeus) genannt, findet man auf offenen Waldschlägen, auf
Windbruchflächen oder an besonnten
Wegrändern, aber auch in vielen Gärten.
Zum Sammeln eignet sich ein Körbchen oder eine Milchkanne; die kann
man mit einem Gürtel um den Bauch
schnallen – so bleiben beide Hände frei
zum Pflücken. Um eine Infektion mit den
Eiern des Fuchsbandwurmes zu vermeiden, sollte man jeweils nur die Früchte
vom oberen Teil der Pflanzen ernten.
Auch das Aufkochen der Beeren beugt
einer Infektion vor, denn bei Erhitzen
über 60 Grad Celsius werden die Eier des
Fuchsbandwurmes abgetötet; Einfrieren
und Einlegen in Alkohol oder Essig nützt
dagegen nichts.
Der Schwarze Holunder (Sambucus
nigra), auch Fliederbeere genannt, gedeiht seit Urzeiten um Haus und Hof,
aber auch in der freien Landschaft. An
nährstoffreichen Plätzen fühlt er sich
wohl. Vom Holunder lässt sich fast alles
verwerten: die Blüten, die Beeren und
auch die jungen Blätter. Holunder ist
reich an Vitamin C, A und B.
Sowohl Waldhimbeeren wie auch
Holunderbeeren lassen sich zu Saft, Sirup, Essig, Wein, Likör, Marmelade, Saucen und zu Gebäck verarbeiten. Himbeerblätter sind Bestandteil von Haustees; sie
haben positive Effekte bei Durchfall und
chronischen Hauterkrankungen.
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Walderdbeeren mit Ricotta
Holunderbowle
Mit Stiel gegen Durchfall
Schöne Desserts
Bei der Ernte der Wildkirschen (Prunus
avium), auch Vogelkirschen genannt,
muss man den Vögeln zuvorkommen.
Die Wildkirschen sind kleiner als die der
Kulturarten; zudem besitzen sie einen
grösseren Stein, sodass die Ausbeute an
Fruchtfleisch nicht so gross ist. Das
Fruchtfleisch löst sich bei reifen Früchten erstaunlich gut vom Stein. Eine Entsteinungstechnik für Rechtshänder: die
Kirsche in die rechte Hand nehmen, den
Stein herausdrücken, mit der linken
Hand auffangen und weglegen. Wer sich
die (geringe) Mühe des Entsteinens
sparen möchte, kocht die Kirschen zusammen mit etwas Wasser auf und passiert das Fruchtfleisch durch ein grobes
Sieb oder ein Passiergerät.
Sogar die Kirschenstiele lassen sich
verwerten: Als Teeaufguss zubereitet helfen sie gegen Durchfall. Sie enthalten
nämlich Gerbstoffe, wirken also zusammenziehend.
Vogelkirschbäume sind in der freien
Natur verbreitet. Besonders an Waldrändern, in Heckenstreifen oder in Streuobstbeständen fallen sie zur Blütezeit von April
bis Mai als leuchtende Flecken in der noch
kahlen Landschaft auf. Sie siedeln sich
auch von alleine in Gärten an. Ausser den
Vogelkirschen gibt es noch andere wild
wachsende Kirschenarten mit essbaren
Früchten, zum Beispiel die Felsenkirsche,
auch Steinweichsel oder Weichselkirsche
genannt (Prunus mahaleb) oder die Traubenkirsche (Prunus padus).
Walderdbeeren (Fragaria vesca) blühen
und reifen von April bis in den Spätsommer hinein. Man findet sie an trockenen Böschungen am Waldrand, auf Waldschlägen und an Hecken. Die kleinen
aromatischen Walderdbeerchen galten
früher gemeinhin als Delikatesse. Heute
werden sie kaum noch gesammelt, weil
sie im Wald am Boden wachsen und viele
Menschen fürchten, dass sie sich beim
Sammeln und Essen der Beeren mit
Fuchsbandwurmeiern infizieren könnten. Um dieser Gefahr zu entgehen, kann
man Walderdbeeren auch im Garten ansiedeln. Mit ihren oberirdischen Ausläufern breiten sie sich schnell aus, werden aber nie lästig, weil sie schnell wieder
entfernt sind, sollten sie später stören.
Die Beeren eignen sich als Süssigkeit einfach so zwischendurch gegessen oder zur
Dekoration von Pfannkuchen, süssem
Quark und Desserts. Auch die jungen
Blätter lassen sich für einen wohlschmeckenden Tee verwenden.
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Walderdbeeren mit Ricotta
Zutaten für 4 bis 6 Portionen: 1 RicottaFrischkäse (etwa 300 g), 1 Pfund Walderdbeeren (ersatzweise normale Erdbeeren), etwas Zucker, wenig Zitronenmelisseblätter
Zubereitung: Die Erdbeeren mit der Gabel zerdrücken oder im Mixer pürieren.
Einige Beeren zur Dekoration zurück-
behalten. Je nach Geschmack mit wenig
Zucker süssen. Das Fruchtpüree auf flachen Tellern anrichten. Jeweils zwei
Scheiben Ricotta auf die Fruchtsauce legen. Mit einigen schönen Walderdbeeren
und mit ein paar Zitronenmelisseblättern
dekorieren.
Himbeeressig
Zutaten: Himbeeren, Apfelessig oder Weinessig (die Menge richtet sich nach der
Grösse des Gefässes)
Zubereitung: Himbeeren in ein (Schraub)Glas mit weiter Öffnung geben; mit
Apfelessig übergiessen, sodass die
Früchte ganz bedeckt sind. Das Glas
muss abgedeckt oder locker zugeschraubt sein, sodass keine Essigfliegen
hineinkommen. 2 bis 4 Wochen lang im
Dunkeln ziehen lassen; in dieser Zeit
nimmt der Essig die Farbe der Himbeeren
an. Dann kann man den Essig abgiessen
und die Früchte auspressen; die Früchte
kann man aber auch im Essig lassen und
mit zum Salat geben.
Heidelbeerpfannkuchen
Zutaten für 2 dicke Pfannkuchen:
100g Mehl, 1 Tasse Milch, 3 Eier, 1 Prise
Salz, etwäs Öl oder Butter für die Pfanne
Zubereitung: Etwa ein Viertel der Teigmenge in die gefettete, angewärmte
Pfanne geben und bei ganz niedriger
Ernährung GESUNDHEIT
Wildkirschenauflauf
Temperatur mehr ziehen lassen als braten
(Man braucht so sehr wenig fett). Etwa
4 EL voll Heidelbeeren auf der Oberfläche
verteilen. Ein weiteres Viertel der Teigmenge darüber träufeln. Deckel über die
Pfanne stülpen. Der Pfannkuchen geht
dann voll auf.
Schmeckt ungezuckert oder mit ZimtZucker bestreut als Dessert oder zusammen mit einer Quarksahne als süsses
Hauptgericht.
Holundersekt
Zutaten: 12 Holunderblüten, 8 bis 10 Liter
Wasser, 1 kg Zucker, 1 ⁄ 8 l Weinessig,
1 Zitrone, in Scheiben geschnitten
alternativ: 16 Holunderblütendolden,
1,5 kg Zucker, 4 l Wasser, 4 Zitronen,
50 g Zitronensäure
Zubereitung: Alle Zutaten zusammen in
einen grossen Topf oder einen Eimer
(kein Plastik!) geben. Den Ansatz drei
bis vier Tage an einen kühlen Ort (kalter
Keller, Kühlschrank) stellen und gären
lassen. Täglich umrühren. Dann durch
ein Sieb in stabile Sektflaschen abfüllen
und mit Korken verschliessen. Den Korken mit Drahtgeflecht befestigen oder
mit einer Schnur mittels Apothekerknoten festbinden. Die Flaschen im Keller stehend aufbewahren. Nach etwa zwei
bis sechs Wochen ist der Sekt fertig. Vorsicht beim Öffnen! Die Flaschen können
unter starkem Druck stehen. Am besten
damit ins Freie gehen.
Felsenbirnendessert
Holunderblütengelee
Zutaten: 25 Holunderblüten, 1 l Wasser,
Saft einer halben Zitrone, 1 kg Gelierzucker
Zubereitung: Die Holunderblüten entstielen und mit Wasser und Zucker aufkochen.
Einen Grossteil der Blüten wieder herausnehmen. Einige zur Zierde im Gelee lassen.
Zitronensaft hinzufügen und noch heiss in
(Schraub)- Gläser füllen.
Holunderbowle
Zubereitung: Holunderblüten werden in
einem Glasgefäss mit Weisswein übergossen. Man lässt den Ansatz ein paar
Stunden lang stehen und giesst zum Servieren mit Sekt oder mit sprudelndem
Mineralwasser auf. Weitere Zutaten können Zitronenschale und Zucker oder
Honig sein.
Felsenbirnendessert
Zutaten für 4 Personen: ca. 250g Felsenbirnenfrüchte, ca. 100ml Wasser, etwas
Zucker oder anderes Süssungsmittel, 2ml
Bindino (oder ein anderes pflanzliches Bindemittel nach Herstellerangaben)
Früchte waschen, Stiele entfernen, im
Mixer oder mit dem Zauberstab pürieren.
Zur Not geht es auch mit einer langzinkigen Gabel. Wasser und etwas Zucker
(nach Geschmack) zugeben. Bindino
über die kalte Fruchtmasse stäuben und
unterrühren. In weite Förmchen oder
Teetassen füllen, kühl stellen. Die Masse
stockt sehr gut. Die Geleehütchen auf
Desserteller stürzen und mit Vanillesauce
oder Schlagsahne servieren.
Wildkirschenauflauf
Zutaten für 4 Portionen: etwa 500 g
entsteinte Wildkirschen, 4 altbackene
Brötchen oder ein halbes trockenes
Weissbrot, 1 ⁄ 2 Liter Milch, 2 Eier,
2 EL flüssiger Honig, 2 EL gemahlener
Zimt, 1 Prise gemahlene Nelken
Zubereitung: Eine grosse, flache Auflaufform fetten, die Brötchen bzw. das Weissbrot in Scheiben schneiden und damit dicht
die Auflaufform belegen. Die entsteinten
Kirschen darauf verteilen. Die Milch mit
den Eiern und den Gewürzen kräftig verrühren und über Brot und Kirschen giessen. Im Backofen bei etwa 200 °C etwa 25
Minuten backen. Wer es mag, streut Zimtzucker darüber. Ist zusammen mit einem
Salat ein sättigendes Hauptgericht.
■
Literaturhinweis:
– Mehr Informationen über das Verarbeiten der
Wildfrüchte und noch mehr Rezepte stehen im
Buch «Wildobst & Wildbeeren» von Brunhilde
Bross-Burkhardt, Neuer Umschau Buchverlag,
Neustadt/Weinstrasse, 2003,
ISBN 3-8295-6426-0, Fr. 25.80
– Enzyklopädie der essbaren Wildpflanzen,
Steffen Guido Fleischhauer, AT Verlag, 2003,
ISBN 3-85502-889-3, Fr. 78.–
– Helmut Pirc, «Wildobst im eigenen Garten»,
Leopold Stocker Verlag, ISBN 3-7020-0956-6,
Fr. 28.30
Natürlich | 6-2005 61
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