Felsenbirnen (links unten), Schwarze Johannisbeeren (oben), Vogelkirschen (rechts) Immer mehr Feinschmecker geniessen die ausgeprägten Aromen von Wildobst. Ein Auflauf aus Wildkirschen oder Essig aus Himbeeren sind köstliche Überraschungen. Wieder in Mode kommt die Vorratshaltung mit Marmelade, Säften und Alkoholika. Text und Fotos: Brunhilde Bross-Burkhardt I m Frühsommer beginnt die Wildobstsaison: Holunderblüten und Walderdbeeren wachsen; etwas später reifen Felsenbirnen, Wildkirschen und Waldhimbeeren. Die Wildobstsaison setzt sich im Spätsommer und Herbst fort mit Holunderbeeren, Brombeeren, Kornelkirschen, Hagebutten, Sanddornbeeren und Schlehen. Die Beeren und Früchte sammelt man normalerweise von wild wachsenden Sträuchern und Bäumen in der freien Natur. Wildobstsammler nehmen Rücksicht auf Flora und Fauna: Sie sammeln nicht zu viel Obst an einem Ort und lassen den Tieren etwas übrig. Das lustvolle Sammeln lässt sich meist gut kombinieren mit einer gemütlichen Velofahrt oder einem schönen Spaziergang. Wildobst aus dem Garten Wildobststräucher und bäume kann man aber auch im Garten anpflanzen – vorausgesetzt er ist gross genug dafür. In kleine Gärten passen Walderdbeeren und Kulturheidelbeeren, vielleicht ist noch Platz für einen Holunder oder eine Felsenbirne. Ideal wäre eine frei wachsende Wildstrauchhecke mit Heckenrosen, Holunder, Haselnuss, Sanddorn, Kornelkirsche und Felsenbirne. Als kleine Hausbäume eignen sich Maulbeere, Eberesche, Quitte oder Kirschpflaume. Wildkirsche, Speier58 Natürlich | 6-2005 Köstliches ling und Esskastanie wachsen zu grossen Bäumen heran; es sind Gehölze für sehr grosse Grundstücke, etwa für Parkanlagen und für die freie Landschaft. Gemeine und Kupfer-Felsenbirne Weniger Platz braucht die Kupfer- oder Kanadische Felsenbirne (Amelanchier lamarckii). Sie steht in vielen Vorgärten und zieht im Frühjahr mit ihrem weissen Blütenschmuck und im Herbst mit ihren kupfern gefärbten Blättern die Blicke auf sich. Die Gemeine Felsenbirne (Amelanchier ovalis) wächst auf sonnigen, warmen Fels- und Steinböden; die Felsenbirne ist eine der wenigen Gehölzarten, die dauerhaft Felswände besiedeln kann. Kaum bekannt ist, dass die Früchte sowohl der Gemeinen wie auch der Kupfer-Felsenbirne kleine Leckerbissen sind; sie enthalten kaum Säure und schmecken deshalb süsser als die meisten anderen Wildfrüchte. Die tief blauvioletten Beeren reifen im Juni bis Juli. Sie Ernährung GESUNDHEIT sund: Sie helfen bei Durchfall, bei Magenund Darmerkrankungen, bei Appetitlosigkeit und Schwächezuständen. Und wegen ihres hohen Gehaltes an Fruchtzucker können auch Diabetiker Heidelbeeren geniessen. Die Kulturheidelbeere (Vaccinium corymbosum), die aus Nordamerika stammt, wächst als kleiner bis zu 1,5 Meter hoher Strauch. Auch sie braucht einen leicht sauren Boden, am besten Moorbeeterde. Setzt man mehrere Pflanzen, ist die Befruchtung besser und die Sträucher bilden mehr Früchte aus. Diese sind viel grösser als die der heimischen Heidelbeere, dafür nicht ganz so aromatisch. Von einem Strauch kann man in guten Jahren bis zu 7 Pfund Beeren ernten. Vorsicht Fuchsbandwurm! Wildobst ähneln in Grösse und Geschmack den Heidelbeeren. Die etwas mehligen Beeren schmecken frisch oder getrocknet, im Früchtejoghurt, im Müesli oder als Konfitüre mit Agar-Agar zubereitet. Da die Früchte sehr gut gelieren, braucht man keinen Gelierzucker. Beeren für Diabetiker In manchen Gegenden geht man traditionell «in die Heidelbeeren», also zum Heidelbeerpflücken in den Wald. Die Wald- heidelbeere (Vaccinium myrtillus), ein niedriges Sträuchlein, gedeiht nur dort, wo der Boden sandig und sauer ist, oft in der Nachbarschaft von Heidekraut. Erntezeit für die blauschwarzen, etwa erbsengrossen Früchte ist im Juli und August. Heidelbeeren halten sich gekühlt einige Tage lang frisch. Sie lassen sich gut einfrieren und zu Saft oder Wein verarbeiten. Heidelbeerpfannkuchen oder Heidelbeerkuchen, serviert mit Schlagrahm, sind eine Delikatesse. Heidelbeeren schmecken nicht nur sehr gut, sie sind auch sehr ge- Waldhimbeeren sind ein echter Genuss. Und Beeren ernten ein schönes Sommervergnügen. Waldhimbeeren, auch Echte Himbeeren (Rubus idaeus) genannt, findet man auf offenen Waldschlägen, auf Windbruchflächen oder an besonnten Wegrändern, aber auch in vielen Gärten. Zum Sammeln eignet sich ein Körbchen oder eine Milchkanne; die kann man mit einem Gürtel um den Bauch schnallen – so bleiben beide Hände frei zum Pflücken. Um eine Infektion mit den Eiern des Fuchsbandwurmes zu vermeiden, sollte man jeweils nur die Früchte vom oberen Teil der Pflanzen ernten. Auch das Aufkochen der Beeren beugt einer Infektion vor, denn bei Erhitzen über 60 Grad Celsius werden die Eier des Fuchsbandwurmes abgetötet; Einfrieren und Einlegen in Alkohol oder Essig nützt dagegen nichts. Der Schwarze Holunder (Sambucus nigra), auch Fliederbeere genannt, gedeiht seit Urzeiten um Haus und Hof, aber auch in der freien Landschaft. An nährstoffreichen Plätzen fühlt er sich wohl. Vom Holunder lässt sich fast alles verwerten: die Blüten, die Beeren und auch die jungen Blätter. Holunder ist reich an Vitamin C, A und B. Sowohl Waldhimbeeren wie auch Holunderbeeren lassen sich zu Saft, Sirup, Essig, Wein, Likör, Marmelade, Saucen und zu Gebäck verarbeiten. Himbeerblätter sind Bestandteil von Haustees; sie haben positive Effekte bei Durchfall und chronischen Hauterkrankungen. Natürlich | 6-2005 59 Walderdbeeren mit Ricotta Holunderbowle Mit Stiel gegen Durchfall Schöne Desserts Bei der Ernte der Wildkirschen (Prunus avium), auch Vogelkirschen genannt, muss man den Vögeln zuvorkommen. Die Wildkirschen sind kleiner als die der Kulturarten; zudem besitzen sie einen grösseren Stein, sodass die Ausbeute an Fruchtfleisch nicht so gross ist. Das Fruchtfleisch löst sich bei reifen Früchten erstaunlich gut vom Stein. Eine Entsteinungstechnik für Rechtshänder: die Kirsche in die rechte Hand nehmen, den Stein herausdrücken, mit der linken Hand auffangen und weglegen. Wer sich die (geringe) Mühe des Entsteinens sparen möchte, kocht die Kirschen zusammen mit etwas Wasser auf und passiert das Fruchtfleisch durch ein grobes Sieb oder ein Passiergerät. Sogar die Kirschenstiele lassen sich verwerten: Als Teeaufguss zubereitet helfen sie gegen Durchfall. Sie enthalten nämlich Gerbstoffe, wirken also zusammenziehend. Vogelkirschbäume sind in der freien Natur verbreitet. Besonders an Waldrändern, in Heckenstreifen oder in Streuobstbeständen fallen sie zur Blütezeit von April bis Mai als leuchtende Flecken in der noch kahlen Landschaft auf. Sie siedeln sich auch von alleine in Gärten an. Ausser den Vogelkirschen gibt es noch andere wild wachsende Kirschenarten mit essbaren Früchten, zum Beispiel die Felsenkirsche, auch Steinweichsel oder Weichselkirsche genannt (Prunus mahaleb) oder die Traubenkirsche (Prunus padus). Walderdbeeren (Fragaria vesca) blühen und reifen von April bis in den Spätsommer hinein. Man findet sie an trockenen Böschungen am Waldrand, auf Waldschlägen und an Hecken. Die kleinen aromatischen Walderdbeerchen galten früher gemeinhin als Delikatesse. Heute werden sie kaum noch gesammelt, weil sie im Wald am Boden wachsen und viele Menschen fürchten, dass sie sich beim Sammeln und Essen der Beeren mit Fuchsbandwurmeiern infizieren könnten. Um dieser Gefahr zu entgehen, kann man Walderdbeeren auch im Garten ansiedeln. Mit ihren oberirdischen Ausläufern breiten sie sich schnell aus, werden aber nie lästig, weil sie schnell wieder entfernt sind, sollten sie später stören. Die Beeren eignen sich als Süssigkeit einfach so zwischendurch gegessen oder zur Dekoration von Pfannkuchen, süssem Quark und Desserts. Auch die jungen Blätter lassen sich für einen wohlschmeckenden Tee verwenden. 60 Natürlich | 6-2005 Walderdbeeren mit Ricotta Zutaten für 4 bis 6 Portionen: 1 RicottaFrischkäse (etwa 300 g), 1 Pfund Walderdbeeren (ersatzweise normale Erdbeeren), etwas Zucker, wenig Zitronenmelisseblätter Zubereitung: Die Erdbeeren mit der Gabel zerdrücken oder im Mixer pürieren. Einige Beeren zur Dekoration zurück- behalten. Je nach Geschmack mit wenig Zucker süssen. Das Fruchtpüree auf flachen Tellern anrichten. Jeweils zwei Scheiben Ricotta auf die Fruchtsauce legen. Mit einigen schönen Walderdbeeren und mit ein paar Zitronenmelisseblättern dekorieren. Himbeeressig Zutaten: Himbeeren, Apfelessig oder Weinessig (die Menge richtet sich nach der Grösse des Gefässes) Zubereitung: Himbeeren in ein (Schraub)Glas mit weiter Öffnung geben; mit Apfelessig übergiessen, sodass die Früchte ganz bedeckt sind. Das Glas muss abgedeckt oder locker zugeschraubt sein, sodass keine Essigfliegen hineinkommen. 2 bis 4 Wochen lang im Dunkeln ziehen lassen; in dieser Zeit nimmt der Essig die Farbe der Himbeeren an. Dann kann man den Essig abgiessen und die Früchte auspressen; die Früchte kann man aber auch im Essig lassen und mit zum Salat geben. Heidelbeerpfannkuchen Zutaten für 2 dicke Pfannkuchen: 100g Mehl, 1 Tasse Milch, 3 Eier, 1 Prise Salz, etwäs Öl oder Butter für die Pfanne Zubereitung: Etwa ein Viertel der Teigmenge in die gefettete, angewärmte Pfanne geben und bei ganz niedriger Ernährung GESUNDHEIT Wildkirschenauflauf Temperatur mehr ziehen lassen als braten (Man braucht so sehr wenig fett). Etwa 4 EL voll Heidelbeeren auf der Oberfläche verteilen. Ein weiteres Viertel der Teigmenge darüber träufeln. Deckel über die Pfanne stülpen. Der Pfannkuchen geht dann voll auf. Schmeckt ungezuckert oder mit ZimtZucker bestreut als Dessert oder zusammen mit einer Quarksahne als süsses Hauptgericht. Holundersekt Zutaten: 12 Holunderblüten, 8 bis 10 Liter Wasser, 1 kg Zucker, 1 ⁄ 8 l Weinessig, 1 Zitrone, in Scheiben geschnitten alternativ: 16 Holunderblütendolden, 1,5 kg Zucker, 4 l Wasser, 4 Zitronen, 50 g Zitronensäure Zubereitung: Alle Zutaten zusammen in einen grossen Topf oder einen Eimer (kein Plastik!) geben. Den Ansatz drei bis vier Tage an einen kühlen Ort (kalter Keller, Kühlschrank) stellen und gären lassen. Täglich umrühren. Dann durch ein Sieb in stabile Sektflaschen abfüllen und mit Korken verschliessen. Den Korken mit Drahtgeflecht befestigen oder mit einer Schnur mittels Apothekerknoten festbinden. Die Flaschen im Keller stehend aufbewahren. Nach etwa zwei bis sechs Wochen ist der Sekt fertig. Vorsicht beim Öffnen! Die Flaschen können unter starkem Druck stehen. Am besten damit ins Freie gehen. Felsenbirnendessert Holunderblütengelee Zutaten: 25 Holunderblüten, 1 l Wasser, Saft einer halben Zitrone, 1 kg Gelierzucker Zubereitung: Die Holunderblüten entstielen und mit Wasser und Zucker aufkochen. Einen Grossteil der Blüten wieder herausnehmen. Einige zur Zierde im Gelee lassen. Zitronensaft hinzufügen und noch heiss in (Schraub)- Gläser füllen. Holunderbowle Zubereitung: Holunderblüten werden in einem Glasgefäss mit Weisswein übergossen. Man lässt den Ansatz ein paar Stunden lang stehen und giesst zum Servieren mit Sekt oder mit sprudelndem Mineralwasser auf. Weitere Zutaten können Zitronenschale und Zucker oder Honig sein. Felsenbirnendessert Zutaten für 4 Personen: ca. 250g Felsenbirnenfrüchte, ca. 100ml Wasser, etwas Zucker oder anderes Süssungsmittel, 2ml Bindino (oder ein anderes pflanzliches Bindemittel nach Herstellerangaben) Früchte waschen, Stiele entfernen, im Mixer oder mit dem Zauberstab pürieren. Zur Not geht es auch mit einer langzinkigen Gabel. Wasser und etwas Zucker (nach Geschmack) zugeben. Bindino über die kalte Fruchtmasse stäuben und unterrühren. In weite Förmchen oder Teetassen füllen, kühl stellen. Die Masse stockt sehr gut. Die Geleehütchen auf Desserteller stürzen und mit Vanillesauce oder Schlagsahne servieren. Wildkirschenauflauf Zutaten für 4 Portionen: etwa 500 g entsteinte Wildkirschen, 4 altbackene Brötchen oder ein halbes trockenes Weissbrot, 1 ⁄ 2 Liter Milch, 2 Eier, 2 EL flüssiger Honig, 2 EL gemahlener Zimt, 1 Prise gemahlene Nelken Zubereitung: Eine grosse, flache Auflaufform fetten, die Brötchen bzw. das Weissbrot in Scheiben schneiden und damit dicht die Auflaufform belegen. Die entsteinten Kirschen darauf verteilen. Die Milch mit den Eiern und den Gewürzen kräftig verrühren und über Brot und Kirschen giessen. Im Backofen bei etwa 200 °C etwa 25 Minuten backen. Wer es mag, streut Zimtzucker darüber. Ist zusammen mit einem Salat ein sättigendes Hauptgericht. ■ Literaturhinweis: – Mehr Informationen über das Verarbeiten der Wildfrüchte und noch mehr Rezepte stehen im Buch «Wildobst & Wildbeeren» von Brunhilde Bross-Burkhardt, Neuer Umschau Buchverlag, Neustadt/Weinstrasse, 2003, ISBN 3-8295-6426-0, Fr. 25.80 – Enzyklopädie der essbaren Wildpflanzen, Steffen Guido Fleischhauer, AT Verlag, 2003, ISBN 3-85502-889-3, Fr. 78.– – Helmut Pirc, «Wildobst im eigenen Garten», Leopold Stocker Verlag, ISBN 3-7020-0956-6, Fr. 28.30 Natürlich | 6-2005 61