Anmerkungen zu Ernährung und Aggressionsverhalten Yon Mbunas Andreas Spreinat Seit etwa 30 Jahren zählen Malawisee-Cichliden zu den am häufigsten gepflegten Buntbarschen. Die farbenprächtigen, endemischen Arten dieses Sees, die sich nach jüngeren Erkenntnissen wahrscheinlich aus nur einer einzigen Stammart entwickelt haben (Meyer et al. 1990), lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Mbunas und NichtMbunas. Die NichrMbunas umfassen überwiegend die früher als ,,Haplochromis" angesprochenen Buntbarsche dieses Sees. Die Mbunas sind die eigentlichen ,,Felsencichliden". da sich die Mehrheit dieser Arten in besonderer Weise an ein Leben über und zwischen Felsen und Steinen angepaßt hat. Mit den nachfolgenden Ausführungen möchte ich auf einige Beobachtungen an Mbunas eingehen, die ich im Laufe der Zeit sowohl in Aquarien als auch in den natürlichen Lebensräumen machen konnte und die aus meiner Sicht für das Verständnis und somit für die erfolgreiche Pflege von Mbunas von Bedeutung sind. Verschiedene Beobachtungen und Schlußfolgerungen sind sicher auch auf Vertreter der Gruppe der NichtMbunas (und vielleicht auch auf andere Buntbarsche) übertragbar. Dennoch erscheint mir diese Gruppe aus ökologischer Sicht a1s zu heterogen, als daß ich meine Anmerkungen pauschal aufdiese Arten ausdehnen möchte. Demgegenüber handelt es sich bei den weitaus meisten Mbunas um Cichliden, die sich aufgrund ihrer aufwuchsfressenden und an felsige Untergründe gebundenen Lebensweise ökologisch sehr ähnlich sind. Die Tatsache, daß alle Arten Maulbrüter im weiblichen Geschlecht sind, dürfte in diesem Zusammenhang weniger von Bedeutung sein. Schließlich pflanzen sich viele andere Cichliden auch auf diese Weise fort und weisen dennoch eine oft sehr unterschiedliche Ökologie auf, die sich entsprechend im Verhalten der jeweiligen Art widerspiegelt. Ernährung Grundsätzlich gelten Mbunas als robuste und pflegeleichte Aquarienfische. Meines Erachtens gibt es in der Regel nur zwei Hauptprobleme, die es in den Griff zu bekommen gilt. Das erste betrifft die Fütterung. Es ist hinlänglich bekannt, daß die meisten Mbunas ,,Aufwuchsfresser" sind. Der Ausdruck ,,Aufwuchs" bezeichnet hierbei die Gesamtheit der auf Hartsubstraten angesiedelten Lebensgemeinschaft, in erster Linie also AIgen, Cyanobakterien und die mit ihnen vergesellschafteten Tiere, wie verschiedenste Einzeller, Schnecken, Muscheln, Würmer, Krebstierchen und Insektenlarven. Aufwuchs ist somit mehr als nur der Algenbewuchs auf Steinen. Ubrigens gibt es offenbar kein englisches Wort, das in treffender Weise den Aufwuchs beschreibt. ,,Algae mats" (Algenmatten) oder,,epilithic a1gae" (steingebundene Algen) kommen dem eigentlichen Sinn nicht nahe genug, so daß Mbunas auch im englischen Sprachgebrauch als ,,Aufwuchs-eaters" bezeichnet werden (vergleiche Fryer & Iles 1972: 66). Aufwuchs ist deshalb keine rein pflanzliche Nahrungsquelle. Trotzdem dürften die 93 pflanzlichen (bzw . bakteriellen) Bestandteile des Aufwuchses, die zwangsläufig beim Abweiden mit aufgenommen werden, schlecht verwertbar und dementsprechend ais Ballaststoffe einzustufen sind, einen großen Anteil an der natürlichen Nahrung ausmachen. Nach meinen Beobachtungen im See sind Mbunas fast ständig damit beschäftigt, den Aufwuchs in der jeweilig arttypischen Weise abzugrasen odet anderweitig nach Nahrung abzusuchen. Als Ergebnis sind im Felsbiotop große Mengen frisch abgesetzter, dicker Kotfäden zu finden, die übrigens eine ähnlich gelblichgraue Färbung haben wie der Aufwuchs selbst. Die nahezu ununterbrochene Freßtätigkeit läßt sich auch daran erkennen, daß die meisten Exemplare permanent mit einem ebensolchen gelblichgrauen Fortsatz versehen sind, was sich aufFotografien zwar nicht so schön ausnimmt. die betreffenden Tiere aber wohl kaum stören dürfte. Die Annahme, daß die meisten Bestandteile des Aufwuchses für Mbunas nicht verwertbar sind, läßt sich meiner Meinung nach nur durch Umkehrschluß begründen (solange jedenfalls entsprechende enzymatische Untersuchungen zur Leistungsfähigkeit des Verdauungssystems noch ausstehen). Würde man Mbunas mit mehr oder weniger vollständig verdaulicher Kost, zum Beispiel Mückenlarven oder Rinderherz, so reichlich und häufig füttern, daß sie ständig Kotfäden trügen, würden die betreffenden Exemplare vermutlich nach kürzester Zeit so rund und dick, daß sie nur noch entfernte Ahnlichkeit mit ihren wildlebenden Verwandten hätten. Ich habe vor einiger Zeit versucht, ein ballastreiches Kunstfutteryräparat herzustellen, das den Mbunas erlaubt, ständig zu fressen, ohne daß sie sich in unförmige Kugelfische verwandeln. Hintergrund der Überlegung war. verwertbare Nahrungsbestandteile in eine Matrix einzubinden, die (wie beim Aufwuchs) selbst nicht verdaulich ist. Hierzu zerrieb ich handelsübliche Forellenpellets, die als Alleinfutter für Forellen eingesetzt werden, zu einem feinen Pulver, das ich, so gut es ging, in etwas Wasser auflöste. Dieser Brei wurde zur Verfestigung mit dem Bindemittel Agar versetzt. Agar ist ein kompJexes Polysaccharid, das aus Meeresalgen gewonnen wird. Meine Uberlegung war, daß Mbunas dieses ,,exotische" Polysaccharid nicht verwerten können, weil ihnen die dazu benötigten speziellen Verdauungsenzyme fehlen. Weiterhin ist Agar preiswert in Pulverform erhäItlich und Iäßt sich in Wasser erhitzt gut auflösen. Beim Abkühlen verfestigt sich die Agarlösung zu einer geleeartigen Konsistenz. Nach Zugabe von flüssiger, auf etwa 50 Grad Celsius abgekühlter Agarlösung erstarrte der Brei dementsprechend zu einem bräunlichen ,,Pudding". Den Pudding brauchte ich nun nur noch durch ein Sieb zu drücken und zu verfüttern. Nach einer kurzen Gewöhnungszeit fraßen a1le Mbunas gierig dieses Ersatzfutter. Die Rechnung ging auch insofern auf, als meine Mbunas ganz offensichtlich nicht in der Lage waren, Agar zu verwefien. Nach jeder Fütterung sammelten sich dicke, glasklare, aber relativ feste Kotfäden auf dem Bodengrund. Offenbar waren die aufgelösten Forellenpellet-Bestandteile während des Verdauungsvorgangs per Diffusion vom Fisch aufgenommen worden, während die reine Agarmasse unverdaut und darmanatomisch geformt den Fisch wieder verließ. (Im Gegensatz dazu sind Malawisee-Cichliden ganz offensichtlich in der Lage, Gelatine, ein überwiegend aus Aminosäuren zusammengesetztes Bindemittel, gut zu verdauen. Gelatine-gebundenes Ersatzfutter ergibt die gleiche Kotkonsistenz wie bei normaler Fütterung; vergleiche hierzu auch Spreinat 1981.) 91 Die erfreuliche Folge war, daß sämtliche Mbunas trotz häufiger Fütterung ständig hungrig waren und schlank blieben - wie im Freiland. Mein brauner Pudding war quasi eine Diätkost für Mbunas. Der Nährstoffgehalt war vergleichsweise niedrig, da man den Forellenstick-Brei nicht zu dick anrühren konnte, weil die Bindefähigkeit des Agars ansonsten verloren ging und keine Verfestigung mehr eintrat. Somit war das ursprüngliche Ziel erreicht. Trotzdem habe ich davon abgesehen, dieses Ersatzfutter weiter zu velwenden oder weiterzuentwickeln. Einerseits mußte ich viel häufiger füttern als sonst (die Zubereitung ist ebenfall s relativ aufwendig), andererseits sammelten sich bereits nach zwei Tagen Fütterung so große Mengen fester Agartotfäden auf dem Bodengrund an (wie im Freiland), daß ich sie allein aus optischen Gründen regelmäßig absaugen mußte. Dieser Mehraufwand schließlich war es, der mich zurück zu den ,,üb1ichen" Ersatzfuttersorten trieb. Aus den obigen Zeilen ergibt sich von selbst, daß Mbunas kein schieles Fleisch (zumindest nicht ausschließlich) oder andere leicht verdauliche Kost,' in großen Mengen erhalten so11ten. Obwohl in der aquaristischen Literatur häufig daraufhingewiesen wird. daß Mbunas mit ballastreichem Futter ernährt werden sollten. sterben immer noch viele Tiere aufgrund dieses relativ leicht zu vermeidenden Fehlers. Die Folgen einer zu leichlichen Fütterung mit leicht veldaulicher Kost sind meist schleichender Natur. Nach und nach schwillt del Leib an, bis er geradezu groteske Formen annimmt. In diesem Zustand stellen die meisten Exemplare das Fressen ein. Die Diagnose lautet dann: Bauchwassersucht. Schneidet man einen solchen Todeskandidaten auf, findet man in der Leibeshöhle eine wässrige bzw. schleimige Masse und häufig auch bereits in Zersetzung befindliche Organe. Mikroskopisch lassen sich viele Bakterien nachwe isen, die meines Erachtens aber nicht die Ursache, sondern die Folge des Versagens des Verdauungssystems sind. Dabei ist es gar nicht wichtig, ein ganz bestimmtes Futter oder etwa eine ganz bestimmte Futterkombination zu reichen. Die üblichen Frostfuttersorten (ausgewachsene Salinenkrebschen, kleine Garnelen, Wasserflöhe, Hüpferlinge, Mückenlarven u. ä.) sowie die verschiedenen, im Handel angebotenen Trockenfuttersorten sind nach meinen Erfahrungen vö1lig ausreichend, um Mbunas über Jahre gesund und fortpflanzungsfreudig zu erhalten. Entscheidend ist, daß nicht zuviel und vor a1lem abwechslungsreich gefüttert wird. Weiterhin sollte möglichst pflanzliche Beikost als Ballast gereicht werden. Zwei Aspekte sind der Vollständigkeit halber noch hier aufzuführen. Häufig werden Mbunas und Nicht-Mbunas gemeinsam gepflegt. Eine derartige Vergesellschaftung kann nur ein Kompromiß sein, da die Nahrungsansprüche der beiden Gruppen zu unterschiedlich sind. Nach meiner Erfahrung benötigen die meisten NichrMbunas kräftigere und weniger batlastreiche Nahrung als Mbunas. Überrrieben formuliert. *) Un MiJ3verständnisse zu vernreiclen, ist an dieser Stelle ein Hinweis nötig Im üblichen Sprachgebrauch s,ird äls Ieichte Kost oft ballastreiche Nahrung bezeichnet Ballastreich bedeLLtet aber nichts anders, als da13 die Nahrung Bestandleile enthält. die schwer oder car nicht verdaulich sind (zum Beispiel der besser als Füllstoff bezeichDete ,,Schlankmacher' PektiD beim tr4enschen) und sorit nur Ballast in der Nahrung darstellen Leicht lerdauliche Kost ist dagegen im verdauungstechnischen Sinne vollständig abbaublr rLnd macht schnell fett, weil ja a1les abgebaur uncl verwertet (verbraDnt oder in Fetlzellen umgervandelt) werden kann 9-5 Aufwuchsfressende Mbunas an der Ostküste Malawis bei Makanjila sind das Ergebnis einer solchen Vergesellschaftung bestenfails entweder hungerbrüstige NichrMbunas und schlanke Mbunas oder,,normale" Nicht-Mbunas und fettleibige Mbunas. Da aber alle Aquarianer, die ich kenne (meine eigene Person ausdrücklich eingeschlossen), nie zu viele Fische pflegen, sondern höchstens zu wenige Aquarien besitzen, dürfte auch zukünftig eine Vergesellschaftung der beiden Gruppen in vielen Fällen aquaristische Praxis bleiben. Deshalb ein Hinweis: In den Aquarien, in denen Arten aus beiden Gruppen vergesellschaftet sind, füttere ich die größeren Nichr Mbunas mit großen Brocken, die ich mit der Hand gezielt verabreiche. Auf diese Weise bekommen zum Beispiel meine NinDochromis ihre Fleischration, während die Mbuna-Bande mit pflanzlichem Trockenfutter vorliebnehmen muß. Daß es Mbunas auch unter natürlichen Bedingungen nach rein fleischlichen Genüssen gelüstet, bekam ich während eines Tauchgangs am Makokola-Riff im Süden des Sees eindrucksvoll demonstriert. Während wir mit Fotoaufnahmen der dortigen P.-greshakei-Population beschäftigt waren, zogen Fischer etwa 20 Meter über uns ihre Netze ein. Einige der gefangenen Cichliden fielen dabei zurück ins Wasser und taumelten arg demoliert vor uns nieder. Der Aufruhr im Felsriff war unbeschreiblich, als sich eine Horde von bestimmtmehrerenhundertP. greshakei miteindeutigkannibalischerAbsichtauf die noch zuckenden Kameraden stürzte, was mich unwillkür1ich an entfesselte Teenager während eines Rockkonzertes erinnerte. Der zweite Aspekt betrifft den Unterschied zwischen Wildfängen und Nachzuchten. Natürlich muß man immer vorsichtig sein, wenn Verallgemeinemngen formuliert wer- 96 Oben: Im natürlichen Lebensraum fressen (und koten) Mbunas fast ununterbrochen (Pseudotropheus xanstomachus). Unten: Felsbiotop bei Thumbi West Island 91 den. Trotzdem erscheint es mir so, daß Mbuna-Nachzuchten hinsichtlich der Fütterung wesentlich pflegeleichter sind und sich deshalb auch eher mit NichrMbunas vergesellschaften lassen aIs Wildfänge. Anscheinend adaptiert sich das Verdauungssystem der Jungtiere an die üb1iche, in der Regel ballastärmere Aquarienkost, so daß sich Fütterungsfehler weniger häufig bemerkbar machen bzw. von den Nachzuchten leichter verschmerzt werden können. Auch was die Ieichtere Vergesellschaftung betrifft (siehe weiter unten), sind Nachzuchten den Wildfängen vorzuziehen. Einschränkend muß hier aber erwähnt werden, daß systematische Untersuchungen bezüglich der Gründe Wildfängen, soweit mir bekannt, noch nicht durchgeführt worden sind. Demzufolge könnte das Symptom, aufgedunsener Leib (: Bauchwassersucht), auch auf andere Adaptionsschwierigkeiten der Wildfänge zurückführbar sein. des Ablebens von Aggressionsverhalten Neben der Ernährung steht bei der Pflege vieler Mbuna-Arten das Problem der innerund außerartlichen Aggressivität im Vordergrund. Viele Aquarianer klagen über Raufbolde, die die gesamte Aquarienbelegschaft im Griff haben und einige (oder alle) Mitinsassen heftig jagen und mitunter so stark malträtieren, daß die nur noch entfernt werden können, will man sich weiter an ihnen erfreuen. Je mehr ,,Opfer" man entfernt, desto heftiger beziehen die Verbliebenen Prügel. Man gewinnt den Eindruck, daß das Aggressionspotential des Aggressors nicht direkt, sondern umgekehrt proportional zur Anzahl der potentiellen Opfer ist. Doch auch wenn das Aggressionspotential gleich bleibt, es verteilt sich auf immer weniger Tiere, denen somit zwangsläufig mehr ,,Aufmerksamkeit" seitens des Rüpels zukommt. Entfernt man schließ1ich schweren Her- zens den zweifelsohne prächtig gefärbten und mit bester Gesundheit prahlenden Aggressor, dauert es nicht lange, und irgendein anderes Männchen, das bislang notgedrungen flossenklemmend die Unschuld gespielt hat, schwingt sich zum Alptraum aller Schwächeren auf und sucht seinen Vorgänger noch zu überlreffen. Zugegeben, die obige Darstellung ist etwas schwarz gemalt, doch wer kennt sie nicht, die aggressiven Mbuna-Männchen, deren Verhalten meist vornehm als ,,durchsetzungsfreudig" umschrieben wird? Dabei ist der Malawisee dafürbekanntundberühmt, daß insbesondere in felsigen und steinigen Bereichen, also dort, wo Mbunas die Hauptrolle spielen, sehr hohe Populationsdichten auftreten. Zu berücksichtigen ist natürlich, daß viele Arten nicht in,,Monokulturen" leben, sondern meist verschiedene Arten miteinander vergesellschaftet vorkommen. Manche Mbunas sind vergleichsweise selten (zum Beispiel der beliebte Labidochromis,,Yellow") und treten einzeln auf, so daß es kaum möglich ist, das innerartliche Aggressionsverhalten unter natürlichen Bedingungen zu beobachten. Andere Arten (zum BeispielPseudotropheus Tebra) sind so häufig, daß sie an manchen Stellen die Unterwasserlandschaft geradezu prägen. Unabhängig davon sind tauchende oder schnorchelnde Aquarianer immer wieder beeindruckt von dem Fischreichtum, der an vielen Stellen des Felsbiotops anzutreffen ist. Fryer & Iles haben schon vor langer Zeit auf die bemerkenswerte Fisch- und Artendichte hingewiesen (Fryer & lles 1972: 214; frei übersetzt: ,,Die Fische sind extrem zahlreich [ . . . ] dichte Ansammlungen von Fischen unterschiedlicher Arten t. . . l"). Die genannten Wissenschaftler fanden sechs bis sieben Exemplare pro Quadratmeter. Meines Erachtens ist diese Zahl tatsächlich sogar noch höher, vor allem, wenn man die zwischen den 98 Steinen mehr oder weniger versteckt lebenden halbwüchsigen oder weiblichen Exemplare hinzurechnet, die von einem Betrachter in der Regel gar nicht wahrgenommen werden. Trotzdem sollte man sich nicht täuschen lassen. Selbst wenn man von einer Individuendichte von zehn pro Quadratmeter ausgeht, heißt dies. daß ein relativ großes Aquarium mit den Maßen von 200 x 50 x 50 Zentimetern, das immerhin 500 Liter Inhalt hat. mit nur zehn Mbunas besetzt werden kann. um den natürlichen VerhäItnissen nahe zu bekommen. Vor diesem Hintergrund dürften fast alle Mbuna-Aquarien hoffnungslos überbesetzt sein. In der Regel liegen die Aquarienfischdichten etwa um den Faktor zwei bis drei höher. Dennoch, vermutlich ist ein derartiger Überbesatz gar nicht so schlecht, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben könnte. Doch dazu weiter unten mehr. Die oben erwähnten, im Freiland ermittelten Fischdichten können nur grobe Anhaltspunkte bzw. tendenzielle Angaben sein. Nach eigenen Beobachtungen weisen die Bereiche, in denen sich revierbesitzende Männchen aufhalten. deutlich geringere Fischdichten auf. Letztlich geht es dem Aquarianer aber darum, Männchen zu pflegen, die ,,Farbe zeigen". Und nur dominante, sprich in der Regel revierverteidigende oder anderweitig aggressive Männchen weisen die ,,Prachtfärbung" auf. Die Ausbildung der Prachtfärbung erfolgt in der Regel in zwei Situationen. Entweder wird ein Weibchen angebalzt, oder ein artfremder ,,Gegner" wird bekärrpft. Auch die Balz um ein Weibchen enthält aggressive Elemente, und nicht selten werden die Weibchen heftig gejagt oder auch gebissen. In jedem Fall ist die Ausbildung der Prachtfärbung mit Dominanz- bzw. aggressivem Verhalten verknüpft. Revierverhalten im natürlichen Lebensraum Im natürlichen Lebensraum liegen die Reviergrößen auch bei relativ kleinen Mbunas (Gesamtlängen acht bis zehn Zentimeter) nicht selten bei einem Quadratmeter oder' mehr. Konkrete Beobachtungen hierzu konnte ich an P. J7a,-us, P. 7ebra, P. barlowi, P. ,,Membe Deep", P. lombardoi und P. ,,Tiny" machen. die hier nur beispielhaft genannt seien. Eine kleine Höhle zwischen Steinen oder auch nur eine Felsoberfläche bilden das Revierzentrum. Die umliegende Fläche, die gegen andere Fische verteidigt wird, läßt sich relativ einfach abschätzen. Andere Fische, die sich dem Revier nähern, werden angegriffen, sobald sie eine imaginäre Linie überschwimmen. Sofern sich der Eindringling abwendet und die Flucht ergreift, wird er jedoch meist weit über die erste imaginäre Grenze hinaus vertrieben. Die imaginäre Linie. deren Überschreitung das Aggressionsverhalten auslöst. kann a1s Reviergrenze definiert werden. Viele MbunaMännchen greifen Eindringlinge an, bevor sie sich weniger als 50 Zentimeter dem Revielzentrum genähert haben. Damit ergibt sich ein Revier-Durchmesser von etwa einem Meter. Rechnet man einen Bereich von 80 Zent.imetern hinzu. der oberhalb des Untergrundes bzw. des Revierzentrums gegen Eindlinglinge verteidigt wird, die sich von oben nähern, kommt man leicht auf sehr große Vo.lumina (Durchmesser ein Meter, Höhe 80 Zentimeter: 600 Liter). Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, daß die meisten Arten artfremde Exemplare nicht so heftig vertreiben wie artgleiche Tiere. Es liegt auf der Hand, daß artgleiche Männchen am intensivsten bekämpft werden. Die obigen Angaben zu den Reviergrößen dürften auf Aquarianer eher frustrierend wirken und die Aussicht auf eine den natürlichen Verhältnissen angepaßte Pflege in 99 Auch kleine Mbunas, wie Pseudotropheus ,,Variable Tanzania", sind oft in der Lage, ihr Revier von anderen Fischen frei zu halten weite Ferne schwinden lassen. Wer kann schon ein Aquarium aufstellen, das drei Qua- dratmeter Grundfläche aufweist, damit drei Mbuna-Männchen mit den jeweiligen Weibchen biotopgerecht gehalten werden können? Dabei sind Reviergrößen von einem Quadratmeter unter den VerhäItnissen im See gar nicht als gloß, sondern eher als klein zu bewerten. Wahre,,Großgrundbesitzer" sind die größten Mbunas, die Petrotilapia-Arten.WissenschaftlicheUntersuchungen(Marshetal. t98l)habenhier zutage gefördert, daß Männchen von P. tridentiger ]und P. genalutea gegen gleichgeschlechtige Afigenossen Reviere von etwa 20 Quadratmetern verteidigen. Bei P. nigra, der mit etwa 14 bis 16 Zentimeter Gesamtlänge kleinsten Art, beträgt die Reviergröße immer noch etwa sieben Quadratmeter; Größenordnungen also, die sich in Zimmeraquarien nicht darstellen lassen. Ein anderes Beispiel: Bei Chewere. einem kleinen Ort an der Nordwestküste nördlich von Chilumba, beobachteten wir P. ,,Tropheops Weed". Diese Art lebt über gemischten, vorwiegend sandigen und mit Vallisnerien besetzten Bereichen (eng1. weed : Kraut). Der Untergrund bestand bei Chewere in etwa drei bis fünf Meter Tiefe überwiegend aus weiten Sandflächen, die nur mit vereinzelten, kleinen bis mittelgroßen Steinen (bis etwa 0,5 Meter Durchmesser) durchsetzt waren. Zentrum eines Reviers war immer ein solcher ,,Steinhaufen", den die Männchen hauptsächlich gegen Artgenossen intensiv verteidigten. Die beanspruchten Reviere waren dabei etwa drei mal drei Meter groß. Eindringlinge wurden weit über die Reviergrenzen hinaus vertrieben, wobei die Männchen teilweise fünf bis zehn Meter über reinem Sanduntergrund r00 10t Von Bedeutung war hier, daß die Populationsdichte insgesamt sehr' niedrig war. Weiterhin boten die Sandflächen anderen Fischen keinen Sichtschutz gegen die Revierinhaber. Folglich wurden die nur wenigen potentiellen Revierverletschvr'ammen. zer von weitem ausgemacht und konnten gezielt bekämpft werden. .A1s Gegenbeispiel hierzu könnte P. ,,Tropheops Chilumba" angeführt werden. Diese Art beobachteten wir bei Chitendi Island, einer kleinen Insel bei Chilumba. Der Untergrund ist hier überwiegend felsig bzw. steinig. Die Männchen von P. ,,Tropheops Chilumba" leben ebenfalls strikt revierorientiert und verteidigen ihre Reviere mit Vehemenz gegen andere Cichliden. Trotzdem war die Reviergröße nicht einmal halb so groß wie bei Chewere. Die Populationsdichte ist an dieser Stelle aber viel größer als bei Chewere über gemischtem Untergrund. Unwillkürlich entsteht der Eindruck, daß die Reviere deshalb kleiner sind, weil es den Revierinhabern nicht möglich ist, ein großes Revier zu verteidigen. Es sind einfach zu viele potentielle Konkurrenten bzw. andere Reviereindringlinge vorhanden. Revierverhalten im Aquarium Die obigen Beobachtungen in den natürlichen Lebensräumen lassen entsprechende Rückschlüsse für die Aquarienhaltung zu. Umgekehrt, Beobachtungen aus der Aquarienhaltung ergänzen und bestätigen die aus Freilandbeobachtungen erhaltenen Kenntnisse. Aus meiner Sicht sind zunächst zwei Faktoren hinsichtlich der Revierverteidigung und des damit verbundenen Aggressionsverhaltens von wesentlicher Bedeutung: die Fischdichte und die ,,Struktur" des Lebensraumes. Im Aquarium ist die Fischdichte meist sehr groß. Die Folge ist, daß die MännchenReviere schrumpfen. Die Männchen sind nur noch in der Lage, einen kleinen Bereich zum Beispiel vor einer Höhle frei zu halten. Daß hierbei artspezifische Unterschiede eine Rolle spielen, liegt auf der Hand, kann aber im Rahmen der aquarienpraxisorien- tierten Betrachtung zunächst vernachlässigt werden. Konsequent weitergedacht, bricht das Revierverhalten ab e.inem bestimmten Punkt völlig zusammen. Das 1äßt sich trefflich in Hälterungsanlagen bei Händlern beobachten. die diesen Effekt auch gezielt ausnutzen. Werden nur fünf Mbunas in einem zumeist kärglich eingerichteten 100Liter-Händleraquarium gehalten, führt das fast immer zu Reibereien. häufig auch zu Verlusten. Permanenter Uberbesatz Iäßt dagegen Revierstreitigkeiten gar nicht erst aulkommen. Da das Aggressionspotential bei vielen Männchen nicht einfach ,,ausgeschaltet" werden kann, sind trotzdem immer kleine Händel zu beobachten. In einem überbesetzten Becken (zum Beispiel 50 ausgewachsene Melanochromis atratus rn einem 200-Liter-Becken ohne Einrichtung) finden zwzLr Drohgebärden statt, und auch kurze Jagereien lassen sich beobachten, trotzdem treten in der Regel keine schwerwiegenden Verletzungen auf. Es sind zu viele Fische, als daß ein aggressives Exemplar gezielt einen bestimmten Mitinsassen schädigen könnte. Die Kehrseite eines überbesetzten Mbuna-Aquariums darf an dieser Stelle nicht verschwiegen werden. Starker Uberbesatz fördert bzw. bewirkt Streß bei Mbunas. Das natürliche Revierverhalten wird weitgehend aufgehoben. Manche Männchen verlieren ihre schönen Farben und sind nur noch grau in grau gezeichnet. Streß wiederum ist für das Ausbrechen von Erkrankungen verantwortlich. Es ist zu vermuten, daß in jedem Aquarium Krankheitserreger vorhanden sind, die erst dann den Ausbruch einer akuten r02 Erkrankung bewirken, wenn die Fische durch Streß oder mangelhafte Ernährung geschwächt sind. In überbesetzten Aquarien findet jeder Parasit leicht einen Wirt, die Wege von Fisch zu Fisch sind sehr kurz. Im Vergleich zu den Verhältnissen im See sind unsere Aquarien geradezu ein Parasiten-Paradies. Empfindsame Aften verweigern den Laichakt insofern, als daß die Weibchen gar keinen Laich ansetzen. Überführt man diese Cichliden in ein separates Becken, findet das Ablaichen oft nur wenige Wochen später spontan statt. Das Fazit aus meinen Erfahrungen ist, daß nur ein leichter Überbesatz sinnvoll und anzustreben ist. Wohlgemerkt, ein Patentrezept gibt es nicht. Das vielzitierte Fingerspitzengefühl muß auch ich hier bemühen. Vielleicht ist ein Beispiel sinnvoll. ZtrZert pflege ich eine Gruppe von Mbunas in einem 50O-Liter-Becken mit den Maßen 200 x 50 x 50 Zentimeter. Das entspricht einer Grundfläche von nur einem Quadratmeter. Der Besatz besteht aus ausgewachsenen Exemplaren (etwa sieben bis zwölf Zentimeter Gesamtlänge) der folgenden Arlen: Pseudotropheus ,,Zebra Red Dorsal" (drei Männchen/fünf Weibchen; von Nakanthenga Island), P. ,,Elongatus Ornatus" (2/5), P. ,,Acei" (214) , P . ,,Variable Tanzania" (112) , Clneyilopia afi'a (212), Labidochromis caerulews (214)md L.,,Red Top Mbamba Bay" (2/0). Somit leben 36 Mbunas auf eng- stem Raum - verglichen mit den natürlichen Verhältnissen. Bis auf die ztletzt genannte Labidochromis-Art, von der ich leider kein Weibchen besitze, haben alle Arten bereits abgelaicht. Die tragenden Weibchen fange ich nicht heraus, so daß eine Anzahl von Jungfischen hinzukommt, die ohne weiteres Zutun aufwachsen. Die Einrichtung besteht aus Lavagestein, mit dem ich die Rück- und die beiden Seitenwände vollständig,,zugebaut" habe (deshalb kriege ich auch die Weibchen ohne größere Ausräumaktionen nicht heraus). In der Mitte des Beckens ist der Steinaufbau bis fast an die Frontscheibe vorgezogen, so daß das Becken in eine linke und eine rechte ,,Steinbucht" gegliedert wird. Die vorgezogenen Steine dienen a1s Sichtschutz, so daß ein Männchen, das in der rechten Steinbucht ein Revier bezogen hat, sein Weibchen nicht ständig sehen kann, wenn es sich in der linken Steinbucht aufl.rält. Jedes der oben angeführten Männchen nimmt einen bestimmten Bereich für sich in Anspruch. den es mehr oder weniger intensiv gegen andere Fische verteidigt. Am eindrucksvollsten zeigt sich die Aufteilung des Beckens bei dendrei P.-,,Zebra-Red-Dorsa1"-Männchen, die alle der orangeroten O-Moryhe dieser Art angehören. Die drei Männchen sind last gleich groß (zehn bis elf Zentimeter) . Männchen 1 ,,wohnt" links, Männchen 2 im vorgezogenen Steinaufbau und Männchen 3 in der rechten Ecke. Diese drei Reviere sind jetzt seit etwa zwei Jahren stabil. Eines darf hier nicht verschwiegen werden. Alle Mbunas sind als Jungtiere oder halbwüchsige Nachzuchten eingesetzt worden. Das ,,Gefüge" ist somit langsam gewachsen. Ich glaube nicht, daß es mög1ich ist, drei Wildfang-Männchen des besagten P. ,,Zebra Red Dorsal" in ein Aquarium dieser Größenordnung einzusetzen, ohne daß das stärkste Männchen die anderen Männchen unterdrückt. Sprich, es dürfte aller Voraussicht nach nicht zu einem ausgewogenen Revier-verhältnis kornmen. Ich führe das ,,Funktionieren" der Gemeinschaft darauf zurück, daß erstens ein leichter Uberbesatz gegeben ist. zweitens ausreichend Versteckmöglichkeiten und Nischen für Revierzentren vorhanden sind sowie drittens die Aquariengemeinschaft Gelegenheit hatte ,,zusammenzuwachsen". Der letzte Punkt erscheint mir besonders wichtig. Eine Gemeinschaft aus verschiedenen, ausgewachse- r03 nen Wildfängen zusammenzustellen, ist nach meiner Erfahrung (andere Erfahrungen möchte ich keineswegs ausschließen) wesentlich schwieriger. Die besten Ergebnisse konnte ich immer dann erzielen, wenn eine Gruppe Jungtiere in ein großes Becken eingesetzt wurde und dann langsam heranwachsen konnte. Einrichtung und Form des Aquariums Was die oben erwähnte ,,Struktur" des Lebensraumes betrifft, ist allgemein bekannt, daß Versteckmöglichkeiten im Aquarium eine wichtige Rolle spielen. Wichtig ist aber auch die Strukturierung des Aquariums in der Form, daß Sichtblenden entstehen. Ziel hierbei ist, Nischen zu schaffen, in die sich Männchen wie Weibchen zurückziehen können. Auch sollte erreicht werden, daß besonders aggressive Männchen nicht das gesamte Becken überschauen können. Andernfalls kann es vorkommen, daß ein Männchen eine Zwei-Meter-Felsrückwand als sein Revier betrachtet und das Weibchen dann an keiner Stel1e im Aquarium Ruhe vor dem Männchen hat und sich ständig versteckt halten muß. Ich möchte den Begriff ,,Struktur" auch auf die Form des Aquariums ausdehnen. Mittlerweile ist man ja davon abgekommen, Aquarien flach wie Wandbilder zu bauen. Es spricht sich auch immer mehr herum, daß die Tiefe eines Beckens in den meisten FäIten wichtiger ist als die Höhe. Trotzdem sind die meisten Aquarien relativ langgezogen wie zum Beispiel mein oben erwähntes Zwei-MeterBecken. Eine langgestreckte Aquarienform und die damit mehr oder weniger vorgegebenen Einrichtungsmöglichkeiten sind bei der Pflege von Mbunas aber nachteilig. Üblicherweise werden der Rückraum und die Seitenwände mit Steinen zugestellt. Diese Einrichtung kommt einem revierverteidigenden Männchen sehr entgegen. Ich meine, die Tiere lernen sehr schnell, daß ihnen aus Richtung der Rück-, Front- und Seitenwand keine Gefahr droht bzw . daß sie diese Seiten bei der Revierverteidigung vöIlig außer acht lassen dürfen. Ein Männchen, daß sich zum Beispiel die rechte Ecke eines Beckens als Revierzentrum auserkoren hat. kann sich nun allein daraufkonzentrieren, nur eine Reviergrenze zu verteidigen, nämlich die in Richtung Beckenlängsseite. Von oben ist ohnehin nichts zu erwarten, außer Futter natürlich, und schließ1ich ist es für ein gestandenes Mbuna-Männchen kein Problem. eine Wassersäule von 50 bis 60 Zentimetern zu überwachen. Auf diese Weise ist zum Beispieleirr Pseudotropheus-lombardoi-Männchen leicht in der Lage, ein Revier mit einer (Becken-)Seitenlänge von 1,5 Metern zu verteidigen, so daß sich der Rest der Belegschaft in wenigen Litern Wasser zusammengezwängt sieht. Wenn oben davon die Rede war. daß die Fischdichte einen entscheidenden Einfluß auf die Reviergröße hat, so ist das für die Aquarienhaltung entsprechend zu ergänzen. Natürlich macht es einen Unterschied, ob vier potentielle Revierstörer (bei gleicher Wassersäule) über eine (kontinuierliche) Linie von 50 Zentimeter Beckenbreite abgewehrt werden müssen oder aber den Revierstörern zwei oder besser noch vier Seiten zum Revier hin offenstehen. Im zuletzt genannten FaIl muß der Aktionsradius des Revierbesitzers zwangsläufig kleiner werden, da er 200 Zentimeter Reviergrenze (4 x 50 Zentimeter Reviergrenze) , und die noch dazu in unterschiedliche Richtungen, verteidigen muß. Wählt man ein Becken mit einer Tiefe von 80 Zentimetern, wird man feststellen, daß viele Reviere, bezogen auf die Kantenlänge des Beckens, kleiner werden und oftmals gar nicht mehr von der Rückwand bis zur Frontscheibe reichen. Folg- 104 Oben: Cynotilapia afra von Lundo Island, Tansania Unten: Mbunas bei Thumbi West Island über nackten Felsoberflächen 05 lich können sich andere Fische vor den Revieren frei an der Frontscheibe bewegen. Besonders deutlich wird dieser Zusammenhang, wenn man eine Gruppe von Mbunas in einem Aquarium beobachtet, das 200 x 100 x 100 Zentimeter groß ist. Hier ist eindeutig festzustellen, daß bei vergleichbarer Besetzung die Männchen-Reviere kleiner werden, da mehr Reviergrenzen zu verteidi-uen sind. Fazit: 30 Zentimeter mehr Tiefe sind wesentlich sinnvoller als 30 Zentirr-reter mehr Länge. Es ist vollkommen klar. daß die daraus resultierende Forderung nach tiefen Becken (im Idealfa1l mit zwei mal ein Meter Crundfläche) ftir die Pflege von Mbunas nicht von jedermann umgesetzt werden kann. Und ftir denjenigen, der sich im häuslichen Wohnzimmer gerade eine Ecke von 1,2 x 0,4 Metern sichern konnte. dürften die Erkenntnisse zum Revierverhalten wenig mehr als ein müdes Achselzucken wert sein. Trotzdem denke ich, daß derjenige. der ein neues Becken aufstellt. diese Aspekte, so gut es geht. berücksichtigen sollte. In einem 60 oder sogar 80 Zentimetertiefen Becken lassen sich schon schöne Steinaufbauten auch in der Mitte des Beckens arrangieren, so daß unseren kleinen Prachtkerlen eine Vier-Fronten-Verteidigung aufgezwungen wird. Grundsätzlich ist festzuhalten - und das ist keine neue Erkenntnis -. daß mit steigendemRaumangebot die Probleme, die mit aggressivem Verhalten einhergehen, oftmals gar nicht erst auftreten. Das klingt banal, ist aber immer wieder beeindruckend zu sehen. Je größer das Becken. desto weniger Sorgfalt ist auch bei seiner Einrichtung erforderlich. Bei der kleinen Insel Thumbi West, die im Süden des Malawisees im Unterwassernationalpark bei Cape Maclear liegt, gibt es einen Unterwasserbereich, der ,,Aquarium" genannt wird. Die Bezeichnung spielt auf die immens hohe Fischdichte an diesem Standort an. Mbunas machen darunter den größten Anteil aus. Interessanterweise besteht der Untergrund hier aus riesigen, zum Teil viele Kubikmeter umfassenden Felsen. Die Mbunas leben in Gruppen auf den Felsoberflächen. Versteckmöglichkeiten sind auf den kahlen, glatten und mehrere Quadratmeter grol3en Felsoberflächen gar nicht vorhanden. Zwar jagen sich manche Tiere untereinander. doch da jederzeit die Möglichkeit des Ausweichens gegeben ist, erscheint diese Gemeinschaft insgesamt sehr friedlich. Je nach Planktonaufkommen ,,stehen" Mbunas fast wie in dichten Wolken zwei bis drei Meter und mehr oberhalb der Felsen im freien Wasser. Wollte man diesen Lebensraum nachgestalten, so hätte man nichts anderes zu tun, als ein 200 x 100 x 100 Zentimeter großes Becken mit einem festen Untergrund aus flachen Felsplatten auszustatten. Eine weitere Einrichtung würde sich erübrigen. Ein vergleichbar strukturiertes Becken konnte ich vor etwa sechs Jahren in Tiefensee bei Berlin, seinerzeit noch in der DDR, bewundern. Der Besitzer, Wulf Rother, hatte in seinem Aquarienkeller eine etwa 2,5 Meter breite Wand komplett zur Rückseite eines großen Aquariums umgebaut, inderr-r er mit einer etwa 50 Zentimeter hohen, gemauerten Wand einfach den gesamten Raum im Abstand von etwa 1,5 Metern von del oben angeführten Rückwand abtrennte. Auf dieser Mauer befand sich eine 50 Zentimeter hohe Glasscheibe, so daß man schräg von oben in das insgesamt einen Meter hohe und 1,5 Meter tiefe Aquarium blicken konnte. Die Einrichtung bestand im wesentlichen nur aus wenigen Steinen, die hinten zu einer Felsrückwand aufgebaut waren. Den Fischbesatz bildeten zum großen Teil verschiedene Mbunas, die sich überwiegend im Wasser vor der Frontscheibe aufhielten, in der Erwartung, der Betrachter würde endlich zur Futterdose greifen. Einige Männchen standen dicht an den Steinen vol der 106 Rückwand und hatten dort ihle Reviere gegründet. Wie im See schwammen die Männchen aufwärts zu den Weibchen, balzten sie an und versuchten. sie zum Revierzentrum zu locken. Aggressives Verhalten war in diesem Becken kein Thema. Ebenfalls spartanische Becken-Einrichtungen haben sich auch die meisten professionellen Züchter zugelegt. Typische Anlagen bestehen aus einel Anzahl von etwa 1 .5 bi s 2MeterlangenBecken(300bis600Liter), indenenjeweilsnureineoderwenigeArten gehalten werden. Häutig werden nur ein oder zwei Steinaufbauten, bestehend aus zwei Ecksteinen und einer großen Abdeckplatte. in die linke und rechte Ecke des Beckens eingebracht. Schließiich gilt es, die tragenden Weibchen möglichst leicht herausfangen zu können. Vergesellschaftet werden dann ein Männchen und eine Horde von 20 bis 30 Weibchen. Das Männchen betrachtet den Steinaufbau als Revierzentrum. Die Weibchen stehen meistens im Pulk neben dem Männchen oder in der anderen Ecke des Aquariums. Aggressive Handlungen unter den Weibchen, wie sie häufig in normalen Becken auftreten, weil auch Weibchen mitunter bestimmte Plätze als Revier beanspruchen oder sich einfach ,,nur" untereinander aggressiv verhalten, werden dur.ch die spartanische Einrichtung und die große Anzahl der Weibchen unterbunden. Aufgrund der zahlreichen Weibchen hat das Männchen genug mit den laichbereiten Weibchen zu tun, und es herrscht kein Aggressionsdruck auf einzelnen Tieren. Die meisten Liebhaber ziehen jedoch gemischte und unter ästhetischen Gesichtspunkten liebevoller ein- gerichtete Gesellschaftsaquarien vor, so daß dieser Beckentyp auch zukünftig auf Aquarianer beschränkt bleiben wird. bei denen der kommerzielle Aspekt im Vordergrund steht. Abschließend noch ein Wort zu den artspezifischeu Unterschieden. Selbstverständlich gibt es mehr und weniger aggressive Mbunas. Meines Erachtens wäre es jedoch der falsche Ansatz, würde man versuchen, nur die weniger aggressiven Mbunas für eine Aquarienhaltung zu empfehlen, und zwar aus zweierlei Gründen: Einmal ist die Anzahl der wirklich ,,fiiedfertigen" Arten verschwindend gering. Nur ganz wenige Arten weisen keine oder nur eine sehr schwach ausgeprägte innerartliche Aggressivität auf (zum Beispiel PseLdotropheus oder Melanochromis ,.Leptdophage"). Zum 'Acei" anderen ist eine Bewerlung von Arten bezüglich ihres Aggressionsverhaltens im Aquarium sowohl maßgeblich von der Größe der betreffenden Art als auch von den anderen Mitinsassen abhängig. Eine solche Bewertung kann nur für die Umstände gelten. unter denen sie zustande gekommen ist. Viele Labidochromis werden von uns nur deshalb als gering aggressiv beschrieben, weil die innerartliche Aggressivität aufgrund der geringeren Körpergröße im Aquarium weniger zum Ausdruck kommt. Umgekehrt erscheint ein großer Mbuna, der dasselbe Aggressionspotential aufweist wie andere, kleinere Arten, allein aufgrund seiner Größe aggressiver als die kleineren Arten in einem gleich großen Becken. Und was die Mitinsassen betrifft, so beurteilt ein Aquarianer schwächere Arten. die sich nicht gegen ,.durchsetzungsfreudige" behaupten können. zwangsläufig aIs friedlicher bzw. wenigel aggressiv. Pflegt man dann aber die im ersten Fall schwächere Art mit anderen. noch weniger dulchsetzungsfreudigen Arten, sind letztere wiederum die ,,friedfertigen", und die erste Art gilt unter den neuen Umständen als besonders aggressiv. Somit gibt es kein Schwarz und Weiß, kein Gut und Böse. Wir bewegen uns auf einer Skala mit vielen verschiedenen Grauschattierungen - wie im richtigen Leben. 107