österreichischer ernährungsbericht 1998

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ÖSTERREICHISCHER
ERNÄHRUNGSBERICHT
1998
Herausgegeben von:
Institut für Ernährungswissenschaften
der Universität Wien
(o. Univ.-Prof. Dr. I. Elmadfa)
Im Auftrag von:
Bundesministerium für
Frauenangelegenheiten
und Verbraucherschutz
Bundesministerium für
Arbeit, Gesundheit und
Soziales
Dieser Ernährungsbericht wurde erstellt unter der Mitwirkung von:
Prof. Dr. Ibrahim Elmadfa
Mag. Petra Burger
Mag. Eva Derndorfer
Mag. Ingrid Kiefer
Prof. Dr. Michael Kunze
Dr. Jürgen König
Dr. Gertraud Leimüller
Prof. Dr. M. Manafi
HR Dr. Mecl
Mag. Victoria Papathanasiou
Dr. Petra Rust
HR Dr. Franz Vojir
Mag. Karl-Heinz Wagner
Dr. Brigitte Zarfl
Korrespondenz bitte an:
Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien
Althanstr. 14, A-1090 Wien
Tel.: +43 1 31336-8213
Fax.: +43 1 31337-773
e-mail: [email protected]
Internet: http://www.univie.ac.at/nutrition/
VORWORT
Die Vielfalt und Komplexität der Datenerhebung, Dokumentation und Interpretation auf dem Gebiet der Lebensmittelqualität, Gesundheitsförderung und der
Prävention ernährungsabhängiger Erkrankungen machen eine regelmäßige Bestandsaufnahme und Analyse relevanter vorhandener Informationen erforderlich. Solche Darstellung soll dem Gesundheitspolitiker und Entscheidungsträger
helfen, Probleme zu erkennen und kurz- und mittelfristige Maßnahmen und
Strategien zur Abhilfe zu entwickeln und einzuleiten.
Von der Notwendigkeit dieser grundsätzlichen Betrachtung und Zielsetzung der
Kontinuität der Dokumentation auf dem ernährungs- und gesundheitspolitischen Sektor gingen viele Länder/Staaten aus, indem sie offizielle und regelmäßige, in vier- bis fünfjährigen Zeitabständen erscheinende „Ernährungsberichte“
veröffentlichen.
Für Österreich ist nun die Zeit gekommen, den lange erwarteten und im europäischen bzw. internationalen Rahmen erforderlichen ÖSTERREICHISCHEN
ERNÄHRUNGSBERICHT herauszugeben.
Dieser Ernährungsbericht fußt hauptsächlich auf Daten von Studien und Projekten, die das Institut für Ernährungswissenschaften in Zusammenarbeit oder im
Auftrag vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst, dem Bundeskanzleramt, Sektion VI und Sektion VIII, der Gemeinde Wien (WHO-Projekt) und Instituten der Universität Wien durchgeführt hat. Er ist als Initiative des Instituts für
Ernährungswissenschaften und im Auftrag vom Bundesministerium für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz sowie dem Bundesministerium für
Arbeit, Gesundheit und Soziales zustande gekommen.
Der vorliegende Bericht enthält eine vergleichende Darstellung des LEBENSMITTELVERBRAUCHS hierzulande in der Zeit von 1947 bis 1997. Seine Schwerpunkte bilden Kapitel über den ERNÄHRUNGSZUSTAND der österreichischen Bevölkerung und über verschiedene Aspekte der LEBENSMITTELQUALITÄT und
GEMEINSCHAFTSVERPFLEGUNG. Ferner enthält er Information über die MORTALITÄT
AN ERNÄHRUNGSABHÄNGIGEN ERKRANKUNGEN von 1950 bis 1995 und einige Bereiche der GESUNDHEITSFÖRDERUNG/PRÄVENTION. Ein weiterer Schwerpunkt ist
EMPFEHLUNGEN bzw. RICHTLINIEN zur Optimierung der Ernährungssituation gewidmet.
Der ÖSTERREICHISCHE ERNÄHRUNGSBERICHT soll eine fundierte Grundlage für die
Arbeit gesundheitspolitisch verantwortlicher Instanzen und eine verläßliche
Informationsquelle für die Öffentlichkeit über verschiedene Dimensionen und
Aspekte der Ernährungssituation und Lebensmittelqualität sein.
Wien 1998
o. Univ.-Prof. Dr. I. Elmadfa
Inhaltsverzeichnis
I
Inhalt
Österreichischer Ernährungsbericht
Inhaltsverzeichnis
1 Entwicklung des Lebensmittelverbrauchs in Österreich
zwischen 1947 und 1997......................................................................... 1.1
1.1 Einleitung ........................................................................................ 1.1
1.2 Getreide .......................................................................................... 1.3
1.3 Kartoffeln, Hülsenfrüchte ................................................................. 1.7
1.4 Gemüse........................................................................................... 1.9
1.5 Obst .............................................................................................. 1.12
1.6 Milch............................................................................................. 1.14
1.7 Fleisch und Fleischwaren............................................................... 1.17
1.8 Fisch.............................................................................................. 1.19
1.9 Eier................................................................................................ 1.21
1.10 Pflanzliche Öle und Ölsaaten ........................................................ 1.22
1.11 Zucker, Honig, Kakao, Nüsse und Kastanien .................................. 1.23
1.12 Bier und Wein ............................................................................... 1.25
1.13 Aktuelle Trends im Lebensmittelverbrauch..................................... 1.27
Literatur ................................................................................................. 1.32
2 Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung .............................. 2.1
2.1 Kinder und Jugendliche...................................................................... 2.1
2.1.1 Aufnahme an Energie und Hauptnährstoffen............................ 2.2
2.1.2 Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen ....................... 2.10
2.2 Ernährungszustand von Erwachsenen............................................... 2.24
2.2.1 Allgemeines Ernährungsverhalten .......................................... 2.24
2.2.2 Energie- und Nährstoffversorgung Erwachsener...................... 2.26
2.2.3 Unterschiede zur Energie- und Nährstoffversorgung bei
verschiedenen Ernährungsformen .......................................... 2.33
2.3 Ernährungszustand älterer Menschen ............................................... 2.36
2.3.1 Aufnahme an Energie und Hauptnährstoffen.......................... 2.37
2.3.2 Versorgungszustand mit Vitaminen und Mineralstoffen.......... 2.41
2.3.3 Schlußfolgerungen ................................................................ 2.49
2.4 Ernährungszustand in der Schwangerschaft ...................................... 2.51
2.4.1 Aufnahme an Energie und Hauptnährstoffen in der
Schwangerschaft.................................................................... 2.51
2.4.2 Vitamin- und Mineralstoffaufnahme....................................... 2.53
2.4.3 Supplementierung in der Schwangerschaft............................. 2.54
2.4.4 Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen in der
Schwangerschaft.................................................................... 2.56
2.4.5 Schlußfolgerungen ................................................................ 2.63
II
Inhaltsverzeichnis
2.5 Ernährungssituation Stillender...........................................................2.64
2.5.1 Aufnahme an Energie und Hauptnährstoffen in der Stillzeit ....2.64
2.5.2 Versorgungslage mit Vitaminen und Mineralstoffen ................2.67
2.5.3 Status an Vitaminen und Mineralstoffen in der Stillzeit ...........2.71
Schlußfolgerungen..................................................................................2.72
Literatur ..................................................................................................2.73
3 Lebensmittelqualität ..................................................................................3.1
3.1 Lebensmittelüberwachung..................................................................3.1
3.1.1 Organisation ............................................................................3.1
3.1.2. Daten zur Lebensmittelkontrolle ..............................................3.5
3.1.3 Aktionen in den Jahren 1996 und 1997..................................3.11
3.1.4 Zusammenfassung .................................................................3.14
Literatur ..................................................................................................3.16
3.2 Trinkwasser ......................................................................................3.17
3.2.1 Einleitung ..............................................................................3.17
3.2.2 Trinkwasser in Österreich.......................................................3.17
3.2.3 Wasserverbrauch ...................................................................3.18
3.2.4 Anforderungen an die Qualität von Wasser für den
menschlichen Gebrauch ........................................................3.19
3.2.5 Rechtliche Situation ...............................................................3.20
3.2.6 Trinkwasser-Kontamination ....................................................3.21
3.2.7 Ausblick.................................................................................3.33
Zusammenfassung ..................................................................................3.33
Literatur ..................................................................................................3.35
3.3 Zusatzstoffe ......................................................................................3.36
3.3.1 Rechtliche Situation ...............................................................3.36
3.3.2 Beurteilung gesundheitlicher Risiken......................................3.37
3.3.3 Zusatzstoff-Monitoring ...........................................................3.38
3.3.4 Ausblick.................................................................................3.48
Zusammenfassung ..................................................................................3.49
Literatur ..................................................................................................3.50
3.4 Neuartige Lebensmittel.....................................................................3.52
3.4.1 Einleitung ..............................................................................3.52
3.4.2 Die Gruppen der neuartigen Lebensmittel..............................3.52
3.4.3 Die Sicherheitsbeurteilung neuartiger Lebensmittel ................3.55
3.4.4 Das Konzept der Substantiellen Äquivalenz ...........................3.56
3.4.5 Einstellung zu Gentechnologie und gentechnisch veränderten
Lebensmitteln in Österreich ..................................................3.58
3.4.6 Ausblick.................................................................................3.62
Zusammenfassung ..................................................................................3.63
Literatur ..................................................................................................3.64
3.5 Light-Produkte ..................................................................................3.66
3.5.1 Begriffsbestimmung, Abgrenzung und rechtliche Aspekte.......3.66
3.5.2 Möglichkeiten zur Energiereduktion.......................................3.67
3.5.3 Einfluß der Nahrungszusammensetzung auf die
Energieaufnahme ...................................................................3.69
3.5.4 Akzeptanz von Light-Produkten bei Erwachsenen ..................3.70
3.5.5 Ausblick.................................................................................3.79
Zusammenfassung ..................................................................................3.81
Inhaltsverzeichnis
III
Literatur ............................................................................................. 3.82
3.6 Qualität von Bioprodukten............................................................... 3.84
3.6.1 Einleitung.............................................................................. 3.84
3.6.2 Was bedeutet biologischer Landbau?..................................... 3.84
3.6.3 Gesetzliche Bestimmungen und Kontrollorgane..................... 3.85
3.6.4 Österreich im Vergleich mit dem europäischen Ausland ........ 3.85
3.6.5 Vergleichende Qualitätsuntersuchungen von Produkten
biologischer und konventioneller Landwirtschaft ................... 3.86
3.6.6 Vergleich von Fleisch aus biologischer und konventioneller
Produktion in Österreich ....................................................... 3.89
3.6.7 Weitere Methoden der Qualitätsbeurteilung von biologischen
Lebensmitteln........................................................................ 3.92
3.6.8 Qualität aus der Sicht des Konsumenten ................................ 3.93
3.6.9 Schlußfolgerung .................................................................... 3.93
Zusammenfassung.................................................................................. 3.93
Literatur ................................................................................................. 3.95
3.7 Einfluß der Verarbeitung auf die Fettqualität: Die Problematik
der Trans-Fettsäuren......................................................................... 3.97
3.7.1 Allgemeines zum Begriff Qualität .......................................... 3.97
3.7.2 Entstehung von Trans-Fettsäuren (TFS) ................................... 3.98
3.7.3 TFS in Lebensmitteln und deren Aufnahme.......................... 3.100
3.7.4 Trans-Fettsäuren und diskutierte Gesundheitsrisiken ............ 3.102
3.7.5 Ausblick.............................................................................. 3.103
Zusammenfassung................................................................................ 3.103
Literatur ............................................................................................... 3.104
3.8 Anreicherung von Lebensmitteln mit Mikronährstoffen................... 3.105
3.8.1 Einleitung............................................................................ 3.105
3.8.2 Regulierung der Nährstoffanreicherung................................ 3.105
3.8.3 Aufnahme an Nährstoffen über angereicherte
Lebensmittel in Österreich................................................... 3.109
3.8.4 Schlußfolgerungen .............................................................. 3.113
Literatur ............................................................................................... 3.115
4 Gemeinschaftsverpflegung........................................................................ 4.1
4.1. Allgemeines....................................................................................... 4.1
4.1.1 Produktionsformen .................................................................. 4.2
4.1.2 Aktuelle Situation der Gemeinschaftsverpflegung in
Österreich ............................................................................... 4.4
4.1.3 Qualitätskriterien für die Gemeinschaftsverpflegung ................ 4.5
4.1.4 Richtlinien zur Speiseplangestaltung........................................ 4.7
4.2 Schulspeisungsprogramme............................................................... 4.10
4.2.1 Organisation und Typen der Schulspeisung ........................... 4.11
4.2.2 Ernährungsphysiologische Beurteilung des Energie- und
Nährstoffangebots der Schulspeisung..................................... 4.13
4.2.3 Ergebnisse der Menükomponentenanalyse............................. 4.20
4.2.4 Akzeptanz von Schulmenüs................................................... 4.22
4.3 Betriebsverpflegung ......................................................................... 4.24
4.3.1 Speiseplangestaltung, Nährstoffangebot ................................. 4.25
4.3.2 Betriebliche Gesundheitsförderung........................................ 4.28
4.4 Verpflegung älterer Menschen ......................................................... 4.29
IV
Inhaltsverzeichnis
4.4.1 Mobile Mahlzeitendienste......................................................4.29
4.4.2 Pensionistenheime .................................................................4.34
Literatur ..................................................................................................4.38
5 Mortalität an ernährungsabhängigen Erkrankungen...................................5.1
5.1 Mortalitätskennzahlen ........................................................................5.1
5.2 Lebenserwartung ................................................................................5.5
5.3 Gesamtmortalität ................................................................................5.7
5.4 Trends ................................................................................................5.9
5.4.1 Gesamtsterblichkeit .................................................................5.9
5.4.2 Herz/Kreislauf-Erkrankungen ..................................................5.12
5.4.3 Krebserkrankungen ................................................................5.12
5.4.4 Ernährungsabhängige Erkrankungen/Stoffwechselerkrankungen.........................................................................5.13
5.4.5 Chronische Lebererkrankungen und Leberzirrhose .................5.13
5.5 Internationale Vergleiche der Mortalität ............................................5.17
Literatur ..................................................................................................5.21
6 Public Health / Gesundheitsförderung / Prävention ...................................6.1
6.1 Stellenwert der Ernährung in Projekten zur Gesundheitsförderung
in Österreich ......................................................................................6.1
6.1.1 Allgemeines/Definitionen.........................................................6.1
6.1.2 Ziele und Strategien der Gesundheitsförderung ........................6.5
6.1.3 Qualitätssicherung und Evaluation in der
Gesundheitsförderung............................................................6.14
Literatur ..................................................................................................6.17
6.2 Rezeption der Ernährungsbotschaft in den Medien............................6.19
6.2.1 Datengrundlage/Methodik......................................................6.20
6.2.2 Umfang der Ernährungsbotschaft............................................6.20
6.2.3 Quantitatives Verhältnis Werbung zu redaktionell
verfaßten Beiträgen ................................................................6.21
6.2.4 Transportierte Inhalte .............................................................6.22
Literatur ..................................................................................................6.30
6.3 Ernährungswissen und Ernährungserziehungssysteme
in Österrreich ...................................................................................6.31
6.3.1 Ernährungswissen ..................................................................6.31
6.3.2 Ernährungserziehung .............................................................6.32
6.3.3 Ernährungswissen von Schülerinnen und Schülern .................6.35
6.3.4 Ernährungswissen von Erwachsenen.......................................6.37
6.3.5 Ernährungswissen von Senioren .............................................6.42
6.3.6 Ernährungswissen von Schwangeren ......................................6.44
Literatur ..................................................................................................6.46
7 Ausblick auf Richtlinien zur Optimierung des Ernährungsstatus in
Österreich ....................................................................................................7.1
7.1 Einleitung ...........................................................................................7.1
7.2 Möglichkeiten und Grenzen nährstoffbasierter Empfehlungen.............7.2
7.3 Lebensmittelbasierte Richtlinien und Empfehlungen ...........................7.5
7.4 Konsequenzen von lebensmittelbasierten Richtlinien..........................7.8
7.5 Schlußfolgerungen und Ausblick ......................................................7.15
Literatur ..................................................................................................7.16
Inhaltsverzeichnis
V
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1.1
Abb. 1.2
Abb. 1.3
Abb. 1.4
Abb. 1.5
Abb. 1.6
Abb. 1.7
Abb. 1.8
Abb. 1.9
Abb. 1.10
Abb. 1.11
Abb. 1.12
Abb. 1.13
Abb. 1.14
Abb. 1.15
Abb. 2.1.1
Abb. 2.1.2
Abb. 2.1.3
Abb. 2.2.1
Abb. 2.2.2
Abb. 2.2.3
Abb. 2.3.1
Abb. 2.3.2
Abb. 2.4.1
Abb. 2.4.2
Abb. 3.1.1
Verbrauch an Brotgetreide bzw. Weizen und
Roggen 1947/48-1996/97*)..................................................... 1.5
Verbrauch an Gerste, Hafer, Mais und
Reis 1947/48-1996/97 ............................................................. 1.6
Verbrauch an Kartoffeln und Hülsenfrüchten 1947/48-1996/97....................................................... 1.8
Verbrauch an Gemüse 1947/48-1996/97 ............................... 1.10
Verbrauch an Obst, Zitrusfrüchten und Fruchtsäften 1947/481996/97 ................................................................................ 1.12
Verbrauch an Trinkmilch 1947/48-1997 ................................ 1.15
Verbrauch an Milchprodukten 1947/48-1997 ........................ 1.16
Verbrauch an Rind-, Kalb-, Schweine- und Geflügelfleisch
1947/48-1997 ....................................................................... 1.18
Verbrauch an Fisch 1947/48-1997......................................... 1.20
Verbrauch an Eiern 1947/48-1997......................................... 1.21
Verbrauch an pflanzlichen Ölen 1947/48-1996/97 ................ 1.22
Verbrauch an Zucker und Zuckerwaren 1947/48-1996/97 ..... 1.24
Verbrauch an Nüssen und Kastanien, Honig und Kakao
1947/48-1996/97 .................................................................. 1.25
Verbrauch an Bier und Wein 1947/48-1996/971) in l/Kopf
und Jahr ................................................................................ 1.26
Veränderung im Verbrauch einzelner Lebensmittelgruppen
im Beobachtungszeitraum 1983/84 bis 1993/94 bzw.
bis nach dem EU-Beitritt........................................................ 1.29
Relative Anteile der Aufnahmen an Vitaminen an der
Empfehlung - nach Alter und Geschlecht getrennt.................. 2.12
Relative Anteile der Aufnahmen an Mineralstoffen an der
Empfehlung - nach Alter und Geschlecht getrennt.................. 2.13
Bewertung des laborchemischen Status an Vitaminen und
Mineralstoffen bei 6- bis 18jährigen....................................... 2.17
Ernährungsformen der erwerbstätigen Erwachsenen............... 2.25
Relative Anteile der Aufnahmen an Vitaminen an
der Empfehlung – Erwachsene nach Alter und Geschlecht
getrennt................................................................................. 2.31
Relative Anteile der Aufnahmen an Mineralstoffen an der
Empfehlung – Erwachsene nach Alter und
Geschlecht getrennt .............................................................. 2.32
Bewertung der Vitaminversorgung von Wiener Senioren
aufgrund laborchemischer Meßwerte..................................... 2.43
Bewertung der Versorgung mit Mineralstoffen bei Wiener
Senioren aufgrund laborchemischer Meßwerte ...................... 2.48
Überblick über die Verwendung von Supplementen
während der Schwangerschaft .............................................. 2.55
Bewertung des laborchemischen Status an Vitaminen und
Mineralstoffen in der Schwangerschaft................................... 2.57
Organisation der Lebensmittelkontrolle in Österreich .............. 3.2
VI
Abb. 3.1.2
Abb. 3.1.3
Abb. 3.1.4
Abb. 3.1.5
Abb. 3.1.6
Abb. 3.1.7
Abb. 3.1.8
Abb. 3.1.9
Abb. 3.2.1
Abb. 3.3.1
Abb. 3.4.1
Abb. 3.4.2
Abb. 3.4.3
Abb. 3.4.4
Abb. 3.5.1
Abb. 3.5.2
Abb. 3.5.3
Abb. 3.5.4
Abb. 3.5.5
Abb. 3.6.1
Abb. 3.6.2
Abb. 3.6.3
Abb. 3.6.4
Abb. 3.6.5
Abb. 3.7.1
Abb. 3.7.2
Abb. 3.7.3
Abb. 3.8.1
Abb. 3.8.2
Inhaltsverzeichnis
Zuständigkeitsbereiche der staatlichen
Lebensmitteluntersuchungsanstalten.........................................3.4
Betriebsrevisionsstatistik 1996..................................................3.6
Beanstandungsgründe bei den Betriebsrevisionen 1996 ...........3.6
Probenzahlen nach Bundesländern 1994-1996 ........................3.7
Beanstandungsraten 1996 ........................................................3.9
Beanstandungsraten ausgewählter Warengruppen nach
Bundesländern im Jahr 1996 ..................................................3.10
Beanstandungsraten ausgewählter Warengruppen nach
Bundesländern im Jahr 1996 ..................................................3.11
Vergleich der Beanstandungen bei Geflügel 1994 - 1996 .......3.12
Potentielle Grundwasser-(GW-)Sanierungsgebiete für
Nitrat .....................................................................................3.31
Stufenweise Abschätzung der Zusatzstoffaufnahme ................3.39
Kaufbereitschaft für gentechnisch modifizierte Lebensmittel in
Österreich..............................................................................3.59
Kaufbereitschaft für gentechnisch veränderte, pflanzliche
Lebensmittel im Internationalen Vergleich..............................3.59
Unterschiedliche Akzeptanz der Gentechnologie in
Abhängigkeit vom Lebensmittel .............................................3.60
Anforderungen an die Kennzeichnung gentechnisch
veränderter Lebensmittel........................................................3.61
Verzehr von Light-Produkten mindestens einmal pro Woche..3.74
Unterschiede bei Schwierigkeiten im Eßverhalten –
Vielverwender und Nichtverwender von Light-Produkten ......3.75
Unterschiede in der Einstellung zum Körpergewicht –
Vielverwender und Nichtverwender von Light-Produkten.......3.76
Image von Light-Produkten ...................................................3.77
Kaufmotive für Light-Produkte ................................................3.79
Ergebnisse der sensorischen Beurteilung von Rindund Schweinefleischgerichten durch Bewohnerinnen und
Bewohner von Pensionistenwohnhäusern – allgemeine
Geschmacksbewertung ..........................................................3.90
Thiamingehalt in konventionell und biologisch produzierten
Fleischproben vor und nach der Zubereitung .........................3.90
Riboflavingehalt in konventionell und biologisch produzierten
Fleischproben vor und nach der Zubereitung .........................3.91
Retinolgehalt in konventionell und biologisch produzierten
Fleischproben vor und nach der Zubereitung .........................3.91
Tocopherolgehalt in konventionell und biologisch produzierten
Fleischproben vor und nach der Zubereitung .........................3.92
Tocopherolgehalte ausgewählter Pflanzenöle .........................3.98
Prozentueller Anteil der Fettsäuren im Fettanteil
von Pommes frites................................................................3.101
Prozentueller Gehalt an trans-Fettsäuren in Produkten einer
Schnellimbißkette in Gew.-% der Gesamtfettsäuren .............3.102
Beitrag an jodiertem Speisesalz zur Gesamtjodaufnahme
österreichischer Schulkinder ...............................................3.110
Beitrag an vitaminierten Fruchtsäften zur Gesamtaufnahme
an Nährstoffen bei österreichischen Schulkindern ................3.111
Inhaltsverzeichnis
Abb. 5.1
Abb. 5.2
Abb. 5.3
Abb. 5.4
Abb. 5.5
Abb. 5.6
Abb. 5.7
Abb. 5.8
Abb. 5.9
Abb. 5.10
Abb. 5.11
Abb. 5.12
Abb. 5.13
Abb. 5.14
Abb. 5.15
Abb. 5.16
Abb. 5.17
Abb. 5.18
Abb. 5.19
Abb. 5.20
Abb. 5.21
Abb. 5.22
Abb. 5.23
Abb. 5.24
Abb. 6.1.1
Abb. 6.1.2
Abb. 6.3.1
Abb. 6.3.2
Abb. 6.3.3
Abb. 6.3.4
Abb. 6.3.5
Abb. 6.3.6
Abb. 6.3.7
Abb. 7.1
Abb. 7.2
Abb. 7.3
VII
Entwicklung der Lebenserwartung in Österreich 1950-1996 .... 5.5
Todesursachen 1996 – Männer ............................................... 5.7
Todesursachen 1996 - Frauen.................................................. 5.7
Entwicklung der Sterblichkeit aller Erkrankungen................... 5.14
Entwicklung der Sterblichkeit an Krebserkrankungen ............. 5.14
Entwicklung der Sterblichkeit an Herz/KreislaufErkrankungen ........................................................................ 5.14
Entwicklung der Sterblichkeit an Hirngefäßerkrankungen ...... 5.14
Entwicklung der Sterblichkeit an Darmkrebs.......................... 5.15
Entwicklung der Sterblichkeit an Magenkrebs ........................ 5.15
Entwicklung der Sterblichkeit an Mastdarmkrebs ................... 5.15
Entwicklung der Sterblichkeit an Lungenkrebs ....................... 5.15
Entwicklung der Sterblichkeit an Brustkrebs-.......................... 5.16
Entwicklung der Sterblichkeit an Protatakrebs ........................ 5.16
Entwicklung der Sterblichlichkeit an Leberzirrhose ................ 5.16
Entwicklung der Sterblichkeit an Diabetes mellitus ................ 5.16
Mortalität an Herz/Kreislauferkrankungen (Männer) ............... 5.18
Mortalität an Herz/Kreislauferkrankungen (Frauen) ................ 5.18
Mortalität an Krebs-Erkrankungen (Männer) ........................... 5.18
Mortalität an Krebs-Erkrankungen (Frauen)............................. 5.18
Mortalität an Magenkrebserkrankungen (Männer) .................. 5.19
Mortalität an Magenkrebserkrankungen (Frauen).................... 5.19
Mortalität an Brustkrebserkrankungen ................................... 5.19
Mortalität an chronischen Lebererkrankungen und
Leberzirrhose (Männer) ......................................................... 5.20
Mortalität an chronischen Lebererkrankungen und
Leberzirrhose (Frauen)........................................................... 5.20
Themenschwerpunkte von Gesundheitsförderungsprogrammen in Österreich....................................................... 6.7
Themenschwerpunkte von Gesundheitsförderungsaktivitäten in österreichischen Schulen .................................... 6.9
Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Einschätzung
des Energiegehalts von Lebensmitteln (n=4736).................... 6.37
Vergleich des Wissens von Erwachsenen über die
Inhaltsstoffe verschiedener Lebensmittel (n=3278) ................ 6.38
Beurteilung der angebotenen Ernährungsinformation............. 6.42
Interesse an Ernährungsinformation bei Senioren (n=78) ....... 6.43
Wissen der Senioren um die Bedeutung der Ballaststoffe in
Milchprodukten .................................................................... 6.43
Ernährungswissen schwangerer Frauen (n=100) .................... 6.44
Ernährungswissen und Informationsquellen
schwangerer Frauen (n=100) ................................................ 6.45
Häufigkeitsverteilung des Nährstoffbedarfes einer Population
und darauf basierende Ermittlung der Nährstoffempfehlung ..... 7.2
Der Ernährungskreis ................................................................ 7.6
Durchschnittliche Aufnahmen an Obst und Gemüse (% der
Gesamtaufnahme an Lebensmitteln) von verschiedenen
Altersgruppen der österreichischen Bevölkerung.................... 7.11
VIII
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tab. 1.1
Tab. 1.2
Tab. 1.3
Tab. 1.4
Tab. 2.1.1
Korrekturfaktoren für die Abschätzung des
Nahrungsverzehrs aus Verbrauchsdaten der Ernährungsbzw. Versorgungsbilanzen .......................................................1.3
Verbrauch an Gemüsesorten in Österreich 1993/94 (letzte
Angaben vor EU-Beitritt) und 1996/97 (aktuellste
Verbrauchsdaten nach EU-Beitritt)..........................................1.11
Verbrauch an Obstsorten in Österreich 1993/94
(letzten Angaben vor EU-Beitritt) und 1996/97 (aktuellste
Verbrauchsdaten nach EU-Beitritt)..........................................1.13
Veränderungen im Verbrauch einzelner Lebensmittel
gruppen seit dem EU-Beitritt im Vergleich zur Periode
1983/84 – 1987/88.. ..............................................................1.29
Aufnahme an Energie (MJ/d), Ergebnisse der Geschlechtsund Altersgruppen ...................................................................2.2
Tab. 2.1.2
Aufnahme an energieliefernden Nährstoffen von
6- 18jährigen ...........................................................................2.3
Tab. 2.1.3
Anteil der Aufnahme an SFA, MUFA und PUFA an
der Gesamtfettaufnahme bei männlichen und
weiblichen 6- bis 18jährigen ....................................................2.4
Tab. 2.1.4
Aufnahme an Cholesterin bei Schülern und Schülerinnen ........2.4
Tab. 2.1.5
Tägliche Aufnahme von ω6- und ω3-Fettsäuren ........................2.5
Tab. 2.1.6
Aufnahme an Gesamteiweiß, tierischem und
pflanzlichem Eiweiß ................................................................2.6
Tab. 2.1.7
Kohlenhydrate und ihre Komponenten,
Aufnahme in Gruppen nach Alter und Geschlecht ...................2.8
Tab. 2.1.8
Aufnahme an Ballaststoffen und ihren Komponenten................2.9
Tab. 2.1.9
Relative Anteile (%) der Aufnahmen an Vitaminen und
Mineralstoffen an den Empfehlungen der DGE nach Geschlecht gruppiert .....................................................2.11
Tab. 2.1.10 Prozentsätze der Empfehlungen, die mit der Aufnahme
an Vitaminen und Mineralstoffen erreicht werden ..................2.14
Tab. 2.1.11 Vitaminstatus bei 6-18jährigen Schülerinnen und Schülern
(mw±sd) ...............................................................................2.15
Tab. 2.1.12 Mineralstoffstatus bei 6-18jährigen Schülerinnen und
Schülern (mw±sd) .................................................................2.16
Tab. 2.2.1
Charakteristik der Stichprobe .................................................2.24
Tab. 2.2.2
Aufnahme an Energie und Hauptnährstoffen sowie
an Alkohol, Cholesterin und Ballaststoffen erwachsener
Frauen und Männer nach Altersgruppen differenziert .............2.27
Tab. 2.2.3
Vitaminaufnahme Erwachsener, differenziert nach
Geschlecht und Altersgruppen ...............................................2.30
Tab. 2.2.4
Mineralstoffaufnahme Erwachsener, differenziert
nach Geschlecht und Altersgruppen.......................................2.32
Tab. 2.2.5
Aufnahmen von Energie und Hauptnährstoffen
sowie von Alkohol, Cholesterin und Ballaststoffen
Erwachsener, differenziert nach Ernährungsform ....................2.34
Inhaltsverzeichnis
Tab. 2.2.6
Tab. 2.3.1
Tab. 2.3.2
Tab. 2.3.3
Tab. 2.3.4
Tab. 2.4.1
Tab. 2.4.2
Tab. 2.4.3
Tab. 2.4.4
Tab. 2.4.5
Tab. 2.5.1
Tab. 2.5.2
Tab. 2.5.3
Tab. 2.5.4
Tab. 2.5.5
Tab. 2.5.5
Tab. 3.2.1
Tab. 3.2.2
Tab. 3.2.3
Tab. 3.3.1
Tab. 3.3.2
Tab. 3.3.3
Tab. 3.3.4
Tab. 3.3.5
Tab. 3.3.6
Tab. 3.3.7
IX
Vitamin- und Mineralstoffaufnahmen Erwachsener,
nach Ernährungsform differenziert ......................................... 2.35
Aufnahme an Energie und energieliefernden
Nährstoffen ........................................................................... 2.38
Referenzwerte für die Beurteilung des Status bei Senioren ..... 2.41
Aufnahme an Vitaminen bei Bewohnern Wiener
Pensionistenheime ................................................................ 2.42
Aufnahme an ausgewählten Mineralstoffen und
Bewertung............................................................................. 2.47
Aufnahme an Energie und Hauptnährstoffen
sowie an Ballaststoffen, Cholesterin, Alkohol
und Wasser in Studie A und Studie B..................................... 2.52
Mittlere Aufnahme an Vitaminen und
ausgewählten Mineralstoffen sowie Spurenelementen in der 21. – 23. und 34. – 37. SSW. ..................... 2.54
Überblick über die Supplementierungsgruppen
in der 20. und 34. SSW ......................................................... 2.55
Vitaminstatus in der Schwangerschaft .................................... 2.56
Status an Mineralstoffen und Spurenelementen in der
Schwangerschaft.................................................................... 2.57
Aufnahme an Energie und Hauptnährstoffen sowie an
Ballaststoffen, Cholesterin, Alkohol und Wasser in
der Stillzeit............................................................................ 2.65
Überblick über die Einnahme von Supplementen
in der Stillzeit........................................................................ 2.67
Aufnahme an Vitaminen in der Stillzeit auf
Lebensmittelbasis .................................................................. 2.68
Aufnahme an Mineralstoffen in der Stillzeit
auf Lebensmittelbasis............................................................ 2.70
Status an Vitaminen in der Stillzeit ........................................ 2.71
Status an Calcium, Magnesium und Eisen
in der Stillzeit........................................................................ 2.71
Täglicher Wasserverbrauch in Österreich............................... 3.18
Wichtigste durch Trinkwasser auf den Menschen
übertragbare Erreger .............................................................. 3.22
Nitrat-, Nitrit-, und Ammoniumwerte einiger
Wasserwerke......................................................................... 3.31
Risikoabschätzung der Aufnahme an Benzoesäure
anhand Stufe 1 ...................................................................... 3.40
Die CIAA-Lebensmittelgruppen ............................................. 3.42
Aufnahme an Aspartam (E 951)............................................. .3.44
Aufnahme an Bixin/Annatto (E 160b)..................................... 3.44
Aufnahme an Schwefeldioxid und Sulfiten,
Disulfiten, Hydrogensulfiten etc. (E 220 – 227)...................... 3.45
Aufnahme an Benzoesäure und Benzoaten
(E 210 – 213) ....................................................................... 3.46
Vergleich einiger zulässiger Höchstmengen
mit effektiv eingesetzten Mengen aufgrund von
Herstellerinformationen am Beispiel von E 160e.................... 3.47
X
Tab. 3.3.8
Tab. 3.3.9
Tab. 3.4.1
Tab. 3.4.2
Tab. 3.4.3
Tab. 3.4.4
Tab. 3.5.1
Tab. 3.5.2
Tab. 3.5.3
Tab. 3.6.1
Tab. 3.7.1
Tab. 3.7.2
Tab. 3.7.3
Tab. 3.8.1
Tab. 3.8.2
Tab. 3.8.3
Tab. 3.8.4
Tab. 4.1.1
Tab. 4.1.2
Tab. 4.1.3
Tab. 4.1.4
Tab. 4.2.1
Tab. 4.2.2
Inhaltsverzeichnis
Rohe, unkorrigierte Aufnahme an Beta-Apo-8’Carotinal (E 160e) ..................................................................3.48
Korrigierte Aufnahme an Beta-Apo-8’-Carotinal (E 160e).........3.48
Gruppen der neuartigen Lebensmittel ....................................3.53
Mögliche Anwendungsgebiete der Gentechnik im
Lebensmittelbereich...............................................................3.54
Parameter zur Beurteilung, inwieweit die
ernährungsphysiologische Qualität des zu testenden
Lebensmittels jener des Referenzlebensmittels
entspricht...............................................................................3.57
Gründe für die Akzeptanz bzw. Ablehnung gentechnisch
veränderter Lebensmittel........................................................3.61
Stichprobenumfang des Gesamtkollektivs bzw. der
Altersgruppen ........................................................................3.71
Stichprobenumfang und Geschlechterverteilung
in der Gruppe der Viel- bzw. Nichtverwender von
Light-Produkten .....................................................................3.72
Auftreten von Übergewicht bei Männern und Frauen beider
Altersgruppen sowie bei Viel- und Nichtverwendern..............3.75
Ländervergleich Betriebsstrukturen und hauptamtliche Bioberatungskräfte ...................................................3.86
Einteilung hydrierter Fette nach Hydrierungsgrad
und Anteil an TFS bezogen auf den Gesamtfettgehalt .............3.99
Trans-Fettsäuregehalte (TFA) und Gehalte an
gesättigten (SFA), einfach ungesättigten (MUFA)
und mehrfach ungesättigten (PUFA) Fettsäuren ausgewählter
Lebensmittel. .......................................................................3.100
TFS-Aufnahme nach Verzehr eines typischen
Fast Food Menüs..................................................................3.100
Zehn allgemeine Grundsätze zur Nährstoffanreicherung von
Lebensmitteln ......................................................................3.106
Grundsätze der gesetzlichen Regelungen zur
Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitaminen und
Mineralstoffen in Ländern der Europäischen Union ..............3.107
Nährstoffangereicherte Lebensmittel in Österreich................3.111
Vergleich von angegebenen Gehalten an Nährstoffen mit
analysierten Gehalten nährstoffangereicherter Lebensmittel
in Österreich........................................................................3.114
Formen der Gemeinschaftsverpflegung in Österreich................4.1
Küchentypen und deren Produktpaletten und Arbeitsprozesse..4.2
Anzahl der an der Gemeinschaftsverpflegung in wesentlichen
Versorgungsbereichen teilnehmenden Personen in Österreich..4.5
Richtwerte für die Speisenzusammensetzung des
Mittagessens in der Gemeinschaftsverpflegung .........................4.9
Nährstoff-Richtlinien für die Gemeinschaftsverpflegung
in Schulen .............................................................................4.15
Aufnahme an Energie, Hauptnährstoffen und
Ballaststoffen über die Mittagsmenüs der
Wiener Schulspeisung............................................................4.16
Inhaltsverzeichnis
Tab. 4.2.3
Tab. 4.2.4
Tab. 4.2.5
Tab. 4.2.6
Tab. 4.3.1
Tab. 4.3.2
Tab. 4.4.1
Tab. 4.4.2
Tab. 4.4.3
Tab. 5.1
Tab. 5.2
Tab. 5.3
Tab. 6.1.1
Tab. 6.1.2
Tab. 6.1.3
Tab. 6.2.1
Tab. 6.2.2
Tab. 6.2.3
Tab. 6.2.4
Tab. 6.2.5
Tab. 6.2.6
Tab. 6.3.1
Tab. 6.3.2
Tab. 7.1
Tab. 7.2
Tab. 7.3
Tab. 7.4
XI
Aufnahme an Vitaminen und Mineralstoffen
über die Mittagsmenüs der Wiener Schulspeisung ................. 4.17
Vitamindichten der angebotenen Schulmenüs ....................... 4.18
Mineralstoffdichten der angebotenen Schulmenüs ................. 4.19
Ergebnisse der Menükomponentenanalyse auf Basis der
Wochenpläne........................................................................ 4.21
Betriebsverpflegung nach Wirtschaftsbereichen 1994. ........... 4.24
Ergebnisse der Berechnung des Energie- und NährstoffAngebots bei der Betriebsverpflegung verglichen mit den
DGE-Empfehlungen............................................................... 4.27
Mobile Mahlzeitendienste (Essen auf Rädern) in Österreich ... 4.30
Suppenangebot der vier Kostformen bei „Essen auf
Rädern“ in Wien – Sommer- und Winterspeiseplan. .............. 4.31
Anzahl der täglich verpflegten Personen in Alten- und
Pflegeheimen ........................................................................ 4.34
Lebenserwartung 1996 bei der Geburt.
Internationale Vergleiche......................................................... 5.6
Mortalitätsstatistik in Österreich I 1996.................................. 5.10
Mortalitätsstatistik in Österreich II 1996................................. 5.11
Unterschiede zwischen den Konzepten der
Gesundheitsförderung und der Prävention............................... 6.2
Wesentliche Maßnahmen und Inhalte des
Projekts LENZESA ................................................................. 6.11
Prioritäre Bereiche des EU-Aktionsprogrammes 1998
in Zusammenhang mit Ernährung .......................................... 6.13
Lebensmittelwerbung im Fernsehen (ab 1990) ....................... 6.22
Informationen über Lebensmittel in Printmedien ................... 6.23
Umfang des Themas Gewichtsreduktion in % der gesamten
Ernährungsbotschaft .............................................................. 6.25
Propagierte Methoden der Gewichtsreduktion ....................... 6.26
Versprochene Gewichtsreduktion in Kilogramm pro Woche.. 6.27
Falschaussagen in verschiedenen Medientypen ..................... 6.28
Interesse an Ernährungsinformation bei erwerbstätigen
Erwachsenen ......................................................................... 6.40
Quellen der Ernährungsinformation bei Erwachsenen ............ 6.41
Prinzipielle Kriterien zur Formulierung von
lebensmittelbasierten Ernährungsempfehlungen....................... 7.5
Aufnahme an Fett, gesättigten Fettsäuren (SFA),
Obst und Gemüse verschiedener Altersgruppen der
österreichischen Bevölkerung ................................................ 7.10
Nährstoffaufnahme von Personen mit niedrigerer
Fettaufnahme (Fettaufnahme unter der 25. Perzentile)
und mit höherer Fettaufnahme (Fettaufnahme über der 75.
Perzentile)............................................................................. 7.13
Aufnahme an Lebensmitteln von Personen mit niedrigerer
Fettaufnahme (Fettaufnahme unter der 25. Perzentile)
und mit höherer Fettaufnahme (Fettaufnahme über der 75.
Perzentile)............................................................................. 7.14
Kapitel
1
Entwicklung des Lebensmittelverbrauchs
in Österreich zwischen 1947 und 1997
Zusammenfassung
Auf Basis von Nahrungs- bzw. Versorgungsbilanzen werden im
Rahmen von Agrarstatistiken alljährlich die verbrauchten Mengen an
Lebensmitteln in Österreich bestimmt. Sie ermöglichen die Darstellung der zeitlichen Entwicklung und Veränderungen des Verzehrsverhaltens sowie die Beurteilung und den Vergleich von Trends im
Lebensmittelkonsum, lassen aber weder geschlechts-, alters- oder
zielgruppenspezifische Auswertungen noch regionale Unterscheidungen zwischen den österreichischen Bundesländern zu. Da mit
dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union der statistische Erfassungsmodus für die meisten Lebensmittel umgestellt wurde, ist
die Bewertung der Entwicklungen vor allem zwischen den Jahren
1947 und 1994 zuverlässig. Aussagen zu Trends in den darauf folgenden Jahren sind nur mit großen Einschränkungen möglich. Anstelle dessen erfolgte eine Analyse des Lebensmittelverbrauchs in
den Jahren 1983/84 bis 1993/94, die zusätzliche Information für die
Beschreibung aktueller Tendenzen im Lebensmittelverbrauch liefert.
Angaben zum Nahrungsmittelverzehr in Österreich, die auf den
Verbrauchsdaten der Ernährungs- bzw. Versorgungsbilanzen beruhen und erfahrungsgemäß weit unter den verfügbaren Nahrungsmittelmengen liegen, können mittels Korrekturfaktoren abgeschätzt
werden.
Brotgetreide, Kartoffeln und Trinkmilch zeigen einen in den vergangenen 50 Jahren rückläufigen Verbrauch. Das über Agrarstatistiken
ermittelte Angebot der meisten anderen Lebensmittel und Lebensmittelgruppen ist mehr oder weniger gleichgeblieben bzw. angestiegen. Letzteres trifft insbesondere für Fleisch und Fleischwaren,
Obst/Gemüse und Milchprodukte (außer Trinkmilch) zu, wobei die
Entwicklungen sowohl positive als auch negative ernährungsphysiologische Aspekte mit sich bringen. Eine Interpretation, die Aufschluß
über die Versorgungslage einzelner Bevölkerungsgruppen und damit
Ansatzpunkte für die Planung und Realisierung präventiver bzw. gesundheitsfördernder Maßnahmen aufzeigt, ist nur zusammen mit Ergebnissen zum Ernährungsstatus der Österreicher (s. Kap. 2) sinnvoll.
1.1 Einleitung
1.1
Kapitel 1
Entwicklung des Lebensmittelverbrauchs
in Österreich zwischen 1947 und 1997
1.1 Einleitung
Chronologische Betrachtungen des Lebensmittelverbrauchs auf nationaler Ebene sind auf der Grundlage kontinuierlich über einen längeren Zeitraum erhobener Daten möglich. Für Österreich werden seit 1947 im Auftrag des
Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft am Österreichischen Statistischen Zentralamt (ÖSTAT) Agrar- und Produktionsstatistiken erhoben, die diese
zeitliche Entwicklung darstellen. Diese Zahlen lassen keine geschlechts-, altersoder zielgruppenspezifischen Auswertungen zu, sondern dienen allein zur Betrachtung der Veränderungen im Verzehrsverhalten und Warenangebot. Die
Datensammlung erlaubt keine regionalen Unterscheidungen zwischen den
österreichischen Bundesländern, ist aber für die Beurteilung und den Vergleich
nationaler und auch internationaler Trends notwendig.
Den folgenden Ergebnissen zur Entwicklung des Lebensmittelverbrauches liegen zunächst die Ernährungsbilanzen aus dem Zeitraum 1947/48 bis 1993/94
bzw. ab 1994/95 die Versorgungsbilanzen des Österreichischen Statistischen
Zentralamtes zugrunde. Ferner wurden die Jahresberichte des Fachverbandes
der Nahrungs- und Genußmittelindustrie als erläuternde Informationen verwendet.
Im allgemeinen geben Ernährungs- und Versorgungsbilanzen Auskunft über
Herkunft und Verbrauch von Nahrungsmitteln für ganz Österreich. Sie liefern
Informationen auf der Basis von Agrarstatistiken, bei denen es sich um Verbrauchs- und nicht um Verzehrsangaben handelt. Die Verbrauchsangaben umfassen ausschließlich das Angebot an Nahrungsmitteln. Das Angebot ergibt sich
aus der Produktion und den Lagerbeständen und berücksichtigt Exporte und
Importe.
Bei den Ernährungsbilanzen wurden bei der Berechnung der Produktionsmengen nur Güter berücksichtigt, die von Betrieben mittlerer Größe geliefert werden. Das Ausmaß der Eigenversorgung bzw. der Lebensmittelproduktion von
Kleinstbetrieben wird nicht erhoben. Der Anteil der für Futter, Saatgut und in
der industriellen Fertigung im “Non Food Bereich” (z.B. Textil-, Optik-, Kosmetikindustie) benötigten Nahrungsmittel wird allerdings abgezogen. Bei der Veröffentlichung der Ernährungsbilanzen wurden danach keine weiteren Korrekturen vorgenommen. Diese sind jedoch zur Schätzung der denkbaren Aufnahme
notwendig.
Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ab 1. 1. 1995 erfolgte eine völlige Neugestaltung des Statistikbereiches, um sich den Bestimmungen
des Binnenmarktes anzupassen und damit in der Europäischen Union die ein-
1.2
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
zelnen Segmente untereinander vergleichbar zu machen sowie um dem nationalen Bedürfnis nach Aussagefähigkeit entsprechen zu können. Der Begriff der
Innenhandelsstatistik (Intrastat) umfaßt seither die Statistik des Außenhandels
innerhalb der EU, die Außenhandelsstatistik (Extrastat) beschreibt den Außenhandel mit den Nicht-EU-Ländern. Die vor dem EU-Beitritt übliche Meldung
des Warenverkehrs durch die Zollämter wurde durch eine neue Vorgangsweise
abgelöst, da innerhalb der EU keinerlei Grenzkontrollen mehr durchgeführt
werden. Das neue System besteht in einer Meldung durch jene Unternehmen
bzw. deren Spediteure, die am Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft teilhaben. Monatlich meldepflichtig sind alle Firmen, deren Haupttätigkeit die
Produktion von Lebensmitteln, Getränken bzw. Genußmitteln ist und deren
Beschäftigtenzahl zehn oder mehr beträgt.
Mit dem EU-Beitritt wurde es ferner notwendig, das System der österreichischen Ernährungsbilanz auf das System von Versorgungsbilanzen umzustellen.
Auch Versorgungsbilanzen geben Aufschluß über das Aufkommen und die
Verwendung von landwirtschaftlichen Produkten, die Auflistung beinhaltet
aber auch Daten aus der Berechnung des Selbstversorgungsgrads. Für tierische
Produkte gilt in den Versorgungsbilanzen das Kalenderjahr (1. Jänner bis
31. Dezember), für pflanzliche Produkte das Wirtschaftsjahr (1. Juli bis
30. Juni). In die Versorgungsbilanzen gehen nunmehr auch die zweiten Verarbeitungsstufen der Lebensmittel als Äquivalente mit ein. So sind seit dem EUBeitritt beispielsweise in den Getreidebilanzen auch Back-, Teigwaren etc. enthalten, davor fanden lediglich Rohstoffanteile in Verarbeitungsprodukten erster
Stufe (z.B. Mehle) Berücksichtigung. Bei Säften sind auch die Verarbeitungsprodukte „Saftkonzentrate“ in Form der entsprechenden Saftäquivalente Teil
der Bilanz. Am Tiersektor gibt es zusätzlich eine Einberechnung der Lebendzuchttierexporte. Bei der Berechnung der Zuckerbilanz werden nunmehr auch
zuckerhaltige Produkte wie z.B. Limonaden, Schokolade, Milchprodukte usw.
mitberücksichtigt. Aufgrund der beschriebenen Umstellung der Erfassung bzw.
der Statistik seit dem EU-Beitritt ist ein Vergleich mit den Verbrauchsdaten der
Vorjahre großteils nicht mehr möglich.
Die folgenden Abschnitte stellen daher in erster Linie die Veränderungen im
österreichischen Lebensmittelverbrauch (pro Kopf und Jahr) für den Zeitraum
1947 bis 1994 und die Entwicklung der Verbrauchsdaten seit dem Beitritt
Österreichs zur Europäischen Union dar. Der ab diesem Zeitpunkt geänderte
Erhebungsmodus läßt nur einen sehr eingeschränkten Vergleich mit den Ergebnissen der früheren Berichtsperioden zu. Ferner wird der derzeitige Selbstversorgungsgrad einzelner Produkte, der seit dem EU-Beitritt ermittelt wird,
angeführt. Dieser gibt an, in welchem Ausmaß die Erzeugung der heimischen
Landwirtschaft den Bedarf (Gesamtverbrauch) decken kann, oder um welchen
Prozentsatz die Produktion den inländischen Bedarf unterschreitet bzw. übersteigt.
1.2 Getreide
1.3
Agrarstatistiken liefern Verbrauchswerte, die nicht den effektiven Verzehr widerspiegeln können. Letzterer liegt in der Regel stets unter den via Verbrauchsstatistiken ermittelten Mengen. Deshalb wurden aus den Pro-Kopf-Verbrauchsmengen mittels Korrekturfaktoren (Tab. 1.1) Pro-Kopf-Verzehrsmengen ermittelt, die durchschnittliche Verluste durch Verderb, küchentechnische Verarbeitung (z.B. Schälverluste), Verfütterung an Haustiere, nicht verzehrte
Lebensmittel und ähnliches berücksichtigen, um eine realistischere Größenordnung in Hinblick auf den österreichischen Konsum zu gewährleisten (Erard
et al. 1986, ÖSTAT 1995). Auf Grundlage dieser abgeschätzten Mengen konnte
für Österreich ein Verzehr von rund 3600 kcal (15,1 MJ) pro Person und Tag
errechnet werden (Elmadfa und Zarfl 1996). Daß anhand dieser ersten geschätzten Verzehrsmengen keine effektive Bewertung der Ernährungssituation
einzelner Gruppen erfolgen kann, liegt auf der Hand.
Tab. 1.1: Korrekturfaktoren für die Abschätzung des Nahrungsverzehrs aus
Verbrauchsdaten der Ernährungs- bzw. Versorgungsbilanzen
Reduktion des Verbrauchs an …
Käse
Butter
Öle und Fette
Schweinefleisch
Rindfleisch
Kalbfleisch
Geflügel
sonstige Fleischsorten
Früchte
alle Lebensmittel
im ersten Schritt um ….
-3%
- 30 %
- 31 %
- 29.5 %
- 33 %
- 35.5 %
- 40.5 %
- 32.5 %
- 27 %
im zweiten Schritt um …
- 15 %
Die Struktur der ersten Abschnitte dieses Kapitels sieht vor, daß der Verbrauch
geordnet nach einzelnen Lebensmittelgruppen innerhalb der vergangenen 50
Jahre beschrieben wird. Die geschätzten Verzehrsmengen sind in Fußnoten bei
den entsprechenden Lebensmittelgruppen nachzulesen. Am Ende des Kapitels
erfolgt eine zusammenfassende Übersicht der Trends im Lebensmittelverbrauch
seit 1983/84. Damit sollen die aktuellen Entwicklungen stärker ins Zentrum gerückt werden.
1.2 Getreide
Seit Jahrtausenden sind Getreide und die daraus gewonnenen Produkte für einen großen Teil der Menschheit die wichtigste Nahrungsgrundlage. Gerste und
Hafer sind die beiden ältesten Kulturpflanzen, die bereits die Germanen verwendeten. Nach Einführung des Weizens gesellte sich wahrscheinlich erst im
1.4
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
Mittelalter der Roggen, mit Beginn des 16. Jahrhunderts Mais und Anfang des
18. Jahrhunderts Reis hinzu. Die typische „bäuerliche Getreideküche“ bestand
aus Sterz (Mais, Weizen, Gerste oder Buchweizen), Knödel und Nudelgerichten als Hauptkomponenten der Mahlzeiten. Ähnliche Kostzusammenstellungen
waren bis Ende des 19. Jahrhunderts auch für andere Bevölkerungsgruppen typisch. Gerichte auf Getreidebasis bildeten über Jahrhunderte die Hauptbestandteile der Ernährung. In einigen Gebieten unserer Erde ist dies heute noch der
Fall. Ab der Zwischenkriegszeit war Zucker für breitere Bevölkerungsgruppen
verfügbar und die Palette der Getreidegerichte konnte durch die vielfältigen
Mehlspeisen als Hauptkomponenten der Mahlzeiten erweitert werden. Fleisch
war über Jahrhunderte hinweg ein Luxuslebensmittel. Diese kulturhistorische
Entwicklung bedingt auch die z.T. noch heute maßgebliche, geringe Wertschätzung für Getreidegerichte.
Heute sind von der Vielzahl an Getreidesorten, die ursprünglich für die Ernährung von großer Wichtigkeit waren, nur mehr Weizen und Roggen bezüglich
Verzehr nennenswert. Der Verbrauch an Brotgetreide (Qualitäts-, Mahl- und
Durumweizen, Mahlroggen) in Österreich unterliegt einem stark rückläufigen
Trend. 1947/48 lag der Pro-Kopf-Verbrauch bei 126.1 kg/Jahr, 1993/94 nur
mehr bei 59.6 kg/Jahr1. Erst seit Anfang der 80er Jahre hat sich die Dynamik im
Verbrauchsrückgang verlangsamt (vgl. Abb. 1.1). Gründe für die Rückläufigkeit
sind im insgesamt veränderten Ernährungsverhalten zu suchen.
Besonders ausgeprägt ist der Rückgang beim Konsum an Roggen: 1993/94
wurden mit 12 kg/Kopf und Jahr um etwa 60 % weniger verbraucht als Ende
der 60er Jahre (29 kg/Kopf und Jahr). Beim Weizen ist der Rückgang weniger
dramatisch, da der Verbrauch 1993/94 (47 kg/Kopf und Jahr) nur etwa 20 %
unter dem Wert von 1967/68 liegt. Der Verbrauch an Weizen ist seit 1977
recht stabil.
Diese Entwicklung ist Ausdruck der Gewohnheiten bei der Wahl von Brot- und
Backwaren, da der Hauptteil (etwa 50 % der Brotsorten) aus Weizenmehlen
bzw. Mehlmischungen mit hohem Weizenanteil besteht (Elmadfa et al. 1994).
Nur etwa ein Drittel der Backwaren werden aus dunklen Mehlen mit höherem
Roggenanteil zubereitet. Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist dies ungünstig, da Weizenmehle einen deutlich niedrigeren Ballaststoffanteil besitzen als
entsprechende Roggenmehle. Der an sich schon sehr geringe Anteil der Kohlenhydrate an der Energieaufnahme ist, unter diesem Aspekt betrachtet, einmal
mehr verbesserungswürdig.
Verglichen mit anderen europäischen Ländern ist der österreichische Verbrauch an Brot- und Backwaren wie folgt zu charakterisieren: Vergleichbare
Mengen werden in den Niederlanden und Frankreich verbraucht (etwa
1
Umgelegt auf Mengen pro Tag entspricht dies den folgenden Werten, wobei die ersten Zahlen dem pro-Kopf-Verbrauch, die Zahlen in Klammern dem unter Berücksichtigung von Korrekturfaktoren (Erard et al. 1986, ÖSTAT 1995) abschätzbaren Verzehr, auch bei den
folgenden Fußnoten bzw. Lebensmitteln entsprechen: 1993/94: Brotgetreide 163 g/d (139 g/d).
1.2 Getreide
1.5
60 kg/Kopf und Jahr), deutlich höhere Mengen (80-100 kg) in Deutschland, Polen und Italien. Das Schlußlicht stellt mit etwa 45 kg/Kopf und Jahr Großbritannien dar (Elmadfa et al. 1994).
Abb. 1.1: Verbrauch an Brotgetreide bzw. Weizen und Roggen 1947/481996/97*)
*) Die getrennte Darstellung des Weizen- und Roggenverbrauchs kann in dieser Abbildung erst
ab 1968/69 erfolgen, da vor dieser Zeit keine detaillierten Daten zum Verbrauch an Brotgetreide erhoben wurden.
**) Bedingt durch den EU-Beitritt Österreichs am 1.1.1995 kam es zu einer Angleichung an
den EU-üblichen Erfassungsmodus durch Einbeziehung der Rohstoffanteile in Verarbeitungsprodukte zweiter Stufe; ein Vergleich mit früheren Berichtsperioden ist nur sehr eingeschränkt
möglich.
Nach dem EU-Beitritt blieb der abnehmende Trend im Weizen- und Roggenverbrauch bis 1995/96 unverändert, um danach wieder leicht anzusteigen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß diese Veränderung in erster Linie auf
den verstärkten Import zurückzuführen ist bzw. darauf, daß die Außenhandelsdaten in den ersten Jahren nach der Umstellung auf das neue System leichte
Schwächen aufwiesen. Es kann insgesamt ein in etwa gleichbleibender Verbrauch erwartet werden. Um genauere Aussagen treffen zu können, muß die
Entwicklung der kommenden Jahre abgewartet werden. Der Pro-KopfVerbrauch an Brotgetreide lag 1996/97 bei 63.4 kg/Jahr2, der an Weizen bei
53.1 kg/Jahr und der an Roggen bei 10.3 kg/Jahr. Demnach wird derzeit nur
etwa die Hälfte der Brotgetreidemenge von vor 40 Jahren verbraucht, wobei zu
2
1996/97: Pro-Kopf-Verbrauch Brotgetreide 174 g/d (Verzehr 148 g/d).
1.6
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
berücksichtigen bleibt, daß aufgrund des veränderten Erhebungsmodus seit
1995 der Vergleich der Zahlen nur sehr eingeschränkt möglich ist. Der Selbstversorgungsgrad an Weichweizen und Roggen lag bei etwa 130 % - die Produktion übersteigt somit den inländischen Bedarf - der an Hartweizen bei
76 %.
Aus Sicht der Ernährungswissenschaft wäre eine Zunahme des Verbrauchs an
Vollkornprodukten wünschenswert. Über diesen Weg könnte die Versorgung
mit verschiedenen Vitaminen und Mineralstoffen, vor allem aber mit Ballaststoffen verbessert werden (Elmadfa et al. 1994). Optimierungen in der Produktpalette durch neue Rezepturen, aber auch durch verstärkte Marketingaktivitäten
für Vollkornbackwaren, sollten Anreize für die Lebensmittelindustrie darstellen.
Für den Verbrauch an Gerste, Hafer und Körnermais läßt sich ein völlig anderer Verlauf als beim Brotgetreideverbrauch feststellen (vgl. Abb. 1.2).
Abb. 1.2: Verbrauch an Gerste, Hafer, Mais und Reis 1947/48-1996/97
*) Bedingt durch den EU-Beitritt Österreichs kam es zu einer Angleichung an den EU-üblichen
Erfassungsmodus durch Einbeziehung der Rohstoffanteile in Verarbeitungsprodukte zweiter
Stufe. Ein Vergleich mit früheren Berichtsperioden ist nur sehr eingeschränkt möglich.
Der sehr hohe Ausgangswert im Verbrauch an Mais, Gerste und Hafer in den
Jahren 1947/48 dürfte auf die schlechte Versorgungssituation mit Brotgetreiden
(v.a. Weizen) in den Nachkriegsjahren zurückzuführen sein. Danach waren bis
Ende der 60er Jahre deutliche Verbrauchsrückgänge zu beobachten. Während
der 70er und 80er Jahre wurde ein gleichbleibendes - sehr niedriges - Verbrauchsniveau gehalten. Seit Ende der 80er Jahre sind jedoch deutliche Zu-
1.3 Kartoffeln, Hülsenfrüchte
1.7
wächse, vor allem was den Körnermais betrifft, zu beobachten. Mit 2.8 kg/Kopf
und Jahr nahm der Körnermais 1993/94 den Hauptteil in dieser Gruppe ein.
Hafer (0.6 kg/Kopf und Jahr) und Gerste (0.3 kg/Kopf und Jahr) spielten nur eine untergeordnete Rolle3. Die Erhebung der Versorgungsbilanzen ab 1994/95
zeigt einen Anstieg im Pro-Kopf-Verbrauch an Gerste, Hafer und Mais seit dem
EU-Beiritt. Dieses Ergebnis ist in erster Linie auf die höheren MaisVerbrauchsdaten zurückzuführen. Im Jahr 1996/97 lag der Pro-Kopf-Verbrauch
an Körnermais bei 6.3 kg/Jahr, der an Hafer bei 0.8 kg/Jahr und der an Gerste
bei 0.2 kg/Jahr4. Der gestiegene Verbrauch ist in erster Linie auf die Angleichung an den EU-üblichen Erhebungsmodus zurückzuführen. Der Selbstversorgungsgrad an Gerste liegt bei 113 % und übersteigt folglich den
Inlandsbedarf, der an Hafer bei 92 % und der an Körnermais bei 86 %.
Verglichen mit den Brotgetreiden ist die Rolle dieser Getreidesorten nach wie
vor für die menschliche Ernährung von geringerer Bedeutung, wohl aber indirekt als Futtermittel zur Fleischproduktion.
Der Reisverbrauch zeigt in den vergangenen 50 Jahren einen recht stabilen
Verlauf. Seit Ende der 80er Jahre können Zunahmetendenzen beobachtet werden (vgl. Abb. 1.2). Mit 5.3 kg Reis pro Kopf und Jahr5 lagen die österreichischen Verbraucher 1993/94 nach Italien (dem Hauptreiserzeuger der EU) an
der Spitze im europäischen Vergleich (Elmadfa et al. 1994). Auch seit dem Beitritt Österreichs zur EU zeigt der Reisverbrauch einen eher konstanten Verlauf
in vergleichbarer Größenordnung wie die Verbrauchsdaten davor (1996/97:
4.5 kg pro Kopf und Jahr6). Umgerechnet auf verzehrbare Portionsgrößen steht
Reis (als Beilage mit einer Portionsgröße von 50 g Trockengewicht, entspricht
etwa einem Schöpfer) doch immerhin ein- bis zweimal wöchentlich auf dem
österreichischen Speiseplan. Da Reis ausschließlich importiert wird, liegt der
Selbstversorgungsgrad bei 0 %.
1.3 Kartoffeln, Hülsenfrüchte
Noch bis unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg gehörten Kartoffeln zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln. Über 300 g Kartoffeln wurden damals durchschnittlich pro Kopf und Tag verbraucht (113 kg/Kopf und Jahr). Seitdem sank
der Verbrauch stetig und befindet sich seit 20 Jahren auf einem Niveau, das
etwa der Hälfte des Nachkriegskonsums entspricht. 1993/94 lag der Verbrauch
an Kartoffeln bei 60.5 kg/Kopf und Jahr (vgl. Abb. 1.3)7.
3
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Körnermais 7.7 g/d (Verzehr 6.5 g/d), Gerste 0.8 g/d (Verzehr
0.7 g/d), Hafer 1.6 g/d (Verzehr 1.4 g/d).
4
1996/97: Pro-Kopf-Verbrauch Körnermais 17.3 g/d (Verzehr 14.7 g/d), Gerste 0.6 g/d (Verzehr
0.5 g/d), Hafer 2.2 g/d (Verzehr 1.9 g/d).
5
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Reis 15 g/d (Verzehr 12 g/d).
6
1996/97: Pro-Kopf-Verbrauch Reis 12 g/d (Verzehr 11 g/d).
7
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Kartoffeln 166 g/d (Verzehr 141 g/d).
1.8
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
Aufgrund der veränderten Erfassungsmethodik seit 1994/95 (EU-Beitritt) können
die Kartoffelverbrauchszahlen mit denen der Perioden davor nur schwer verglichen werden. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß der tatsächliche
Pro-Kopf-Verbrauch unverändert blieb. Der Verbrauch an Kartoffeln lag
1996/97 bei 55.9 kg/Kopf und Jahr8, der Selbstversorgungsgrad betrug 95 %.
Abb. 1.3: Verbrauch an Kartoffeln und Hülsenfrüchten 1947/48-1996/97
*) bedingt durch den EU-Beitritt Österreichs kam es zu einer Angleichung an den EU-üblichen
Erfassungsmodus durch Einbeziehung der Rohstoffanteile in Verarbeitungsprodukte zweiter
Stufe; ein Vergleich mit früheren Berichtsperioden ist nur sehr eingeschränkt möglich.
Von der als Verbrauch angegebenen Menge an Kartoffeln wird nur ein Teil in
Form des unbearbeiteten Nahrungsmittels verwendet. Ein großer Teil der Kartoffeln dient der Herstellung von Fritierwaren, Stärke, Glucose, Alkohol und
Trockenerzeugnissen. Wie groß der Anteil an Speisekartoffeln bzw. Convenience-Produkten am Gesamtkartoffelverbrauch konkret ist, geht aus den Ernährungsbilanzen nicht hervor (in den Versorgungsbilanzen wird zumindest der
Stärkeverbrauch erfaßt). Durch den hohen Verzehr an Kartoffelerzeugnissen
wird ein beträchtlicher Anteil an bei der Herstellung zugegebenem Fett konsumiert, der die Gesamtfettaufnahme auf einem hohen Niveau hält.
Der Verbrauch an Hülsenfrüchten war unmittelbar nach dem Krieg am höchsten. Er betrug damals 5.7 kg pro Kopf und Jahr, danach sank er rapide ab und
bewegt sich seither auf einem relativ niedrigen Niveau (vgl. Abb. 1.3). Zu Beginn der 90er Jahre zeichnete sich ein recht starker Zuwachs ab, der jedoch
8
1996/97: Pro-Kopf-Verbrauch Kartoffeln 153 g/d (Verzehr 130 g/d).
1.4 Gemüse
1.9
großen Schwankungen unterlag. 1993/94 betrug der Verbrauch an Erbsen,
Bohnen, Linsen etc. 0.9 kg/Kopf und Jahr9.
1996/97 lag der Hülsenfrüchte-Verbrauch bei 0.7 kg/Kopf und Jahr10 und damit
trotz veränderter Erfassungsmethodik in vergleichbarer Größenordnung wie die
Verzehrsdaten kurz vor dem Beitritt Österreichs zur EU. Das bedeutet, daß in
Österreich bei einer durchschnittlichen Portionsgröße von etwa 75 g nur einmal im Monat Hülsenfrüchte (Leguminosen) gegessen werden. Dieser aktuelle
Wert entspricht in etwa dem Verbrauch der 60er Jahre. Der derzeitige Selbstversorgungsgrad beträgt 87 %.
Hülsenfrüchte gelten im allgemeinen als schwer verdaulich und zeitraubend in
der Zubereitung. Das mag der Grund sein, warum sie für die Ernährung der
Österreicher eine so untergeordnete Rolle spielen. Dabei weist diese Lebensmittelgruppe einen ausgesprochen hohen Nährwert auf. Die biologische Wertigkeit des Proteins ist zwar geringer als die von Fleisch oder Kartoffeln, durch
die Kombination von Hülsenfrüchten mit Getreide können jedoch Mahlzeiten
hoher Proteinqualität zusammengestellt werden. Neben dem Proteingehalt ist
auch der Gehalt an B-Vitaminen beachtlich. Der niedrige Verbrauch an Hülsenfrüchten in Österreich ist daher bedauerlich, eine häufigere Verwendung,
insbesondere der einheimischen Sorten wie Linsen und Bohnen, wünschenswert.
1.4 Gemüse
Sowohl der Obst- als auch der Gemüseanbau sind in hohem Maße von den
Klimaverhältnissen abhängig. Schlechte Ernten wirken sich durch Preissteigerungen direkt auf das Konsumverhalten aus. Dies ist die Begründung für einige
Schwankungen der Verbrauchszahlen. 1984 wurde außerdem der Erhebungsmodus umgestellt, wodurch ein scheinbarer Verbrauchsrückgang in den Statistiken entstand. Trotzdem ist ein stetiger Verbrauchszuwachs sichtbar (vgl.
Abb. 1.4). Die Daten der Ernährungsbilanz 1993/94 wiesen einen Gemüseverbrauch von 79.8 kg pro Kopf und Jahr aus11.
Auch seit dem EU-Beitritt sind jährliche Schwankungen des Gemüseverbrauchs
zu beobachten, Vergleiche mit den Verbrauchszahlen der Perioden davor sind
nicht möglich. 1996/97 lag der Verbrauch an Gemüse bei 90.3 kg/Kopf und
Jahr12. Im internationalen Vergleich gehört Österreich zu den Ländern mit mäßigem Gemüseverbrauch.
9
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Leguminosen 2.5 g/d (Verzehr 2.1 g/d). In den Agrarstatistiken
werden Sojabohnen nicht als Hülsenfrüchte erfaßt, sondern der Gruppe “Ölsaaten" zugerechnet.
10
1996/97: Pro-Kopf-Verbrauch Leguminosen 1.9 g/d (Verzehr 1.6 g/d).
11
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Gemüse 220 g/d (Verzehr 186 g/d).
12
1996/97: Pro-Kopf-Verbrauch Gemüse 247 g/d (Verzehr 210 g/d).
1.10
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
Äußert sich der steigende Wohlstand bei anderen Lebensmitteln in einem Verbrauchsrückgang, so zeigt sich beim Gemüse der gegensätzliche Trend. Ferner
sind die in den letzten Jahren verbesserten Konservierungs- und Frischhaltemöglichkeiten und das durch den internationalen Handel und die neuen Produktionsformen ermöglichte Angebot während des ganzen Jahres von großem
Einfluß für den Konsum an Gemüse. Saisonale Unterschiede in der Gemüsewahl beschränken sich auf eine begrenzte Anzahl von Sorten, eine Vielzahl
von Produkten wird das ganze Jahr über angeboten.
Abb. 1.4: Verbrauch an Gemüse 1947/48-1996/97
*) Veränderte Erfassungsmethodik ab 1983/84
**) Bedingt durch den EU-Beitritt Österreichs kam es zu einer Angleichung an den
EU-üblichen Erfassungsmodus durch Einbeziehung der Rohstoffanteile in Verarbeitungsprodukte zweiter Stufe; ein Vergleich mit früheren Berichtsperioden ist nur sehr eingeschränkt möglich.
Aus den Ernährungsbilanzen von 1993/94 (vor dem EU-Beitritt) und den Versorgungsbilanzen von 1996/97 (aktuellste Daten nach dem EU-Beitritt) wird die
Verteilung der in Österreich verbrauchten Gemüsesorten ersichtlich (siehe Tab.
1.2).
Besonders beim Gemüse kommt der häuslichen Produktion große Bedeutung
zu, da sie schätzungsweise etwa 10 - 15 % des gesamten pro Jahr verbrauchten
Gemüses ausmacht. Bezogen auf die einzelnen Sorten dominieren Tomaten,
wobei diese zu mehr als 80 % importiert werden. Auch bei Paprika, Spargel
und Champignons ist die heimische Produktion von geringer Bedeutung. Der
1.4 Gemüse
1.11
österreichische Selbstversorgungsgrad an Gemüse insgesamt liegt derzeit bei
59 %.
Tab. 1.2: Verbrauch an Gemüsesorten in Österreich 1993/94 (letzte Angaben
vor EU-Beitritt) und 1996/97 (aktuellste Verbrauchsdaten nach EU-Beitritt)
Gemüsesorten
Tomaten
andere Gemüse1
Gemüse aus Hausgärten2
Salat3
Zwiebel
Rot-, Weißkraut
Karotten4
Kohl, Chinakohl u.a.
Gurken (Salat)
Paprika, Pfefferoni
Champignons5
Erbsen
Gurken (Cornichons)
Karfiol
Melonen
Fisolen
Sellerie
Rettich, Radieschen
Salat (Sonstige)
Rote Rüben
Spinat
Zucchini
Spargel
Gesamt
1993/94
1996/97
Verbrauch prozentueller Verbrauch prozentueller
kg/Kopf und Anteil am Ge- kg/Kopf und Anteil am
Jahr
samtJahr
Gesamtverbrauch
verbrauch
9.5
14.6
12.4
4.4
6.5
5.8
3.0
4.5
5.1
2.9
1.6
1.8
k. A.
1.9
k. A.
2.1
1.0
1.9
k. A.
k. A.
0.6
k. A.
0.2
79.8
11.9
18.3
15.5
5.5
8.1
7.3
3.8
5.6
6.4
3.6
2.0
2.3
2.4
2.6
1.3
2.4
0.8
0.3
100
16.5
11.7
9.3
7.7
7.2
5.8
5
4.6
4.2
3.6
1.9
1.8
1.7
1.7
1.6
k. A.
1.3
k. A.
1.4
1.4
0.9
0.6
0.4
90.3
18.3
13.0
10.3
8.5
8.0
6.4
5.5
5.1
4.7
4.0
2.1
2.0
1.9
1.9
1.8
1.4
1.6
1.6
1.0
0.7
0.4
100
1
incl. Gemüsesäfte und Trockengemüse; 2 Schätzung; 3 nur Kopfsalat; 4 inkl. Rüben etc.; 5 und
andere Pilze
Gemüse ist ernährungsphysiologisch als Quelle für Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe besonders wertvoll, es weist einen bedeutenden Nährstoffgehalt bei
gleichzeitig niedrigem Energiewert auf, woraus sich eine sehr günstige Nährstoffdichte errechnen läßt. Der Gehalt einzelner Nährstoffe ist bei der großen
Vielfalt der heimischen Gemüse sehr unterschiedlich. An dieser Stelle soll lediglich beispielhaft auf den Nährstoffgehalt ausgewählter Sorten hingewiesen
werden: „grüne“ Blattgemüse (Feldsalat, Mangold, Spinat) sind wichtige Quellen für Folsäure und außerdem gemeinsam mit den „rot-gelben“ Gemüsesorten
(Tomaten, Karotten, Kürbis) reich an β-Carotin (Provitamin A); Paprika und
1.12
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
sämtliche Kohlarten sind gute Vitamin C-, Feldsalat, Schwarzwurzeln und Porree sind wertvolle Vitamin B1-Quellen.
Eine weitere Steigerung des Gemüseverzehrs in Österreich auf mehr als 250 g
Gemüse pro Tag und eine stärkere Einbeziehung von Gemüse als Hauptgerichte in den Speiseplan ist erstrebenswert.
1.5 Obst
Das Marktangebot wird ebenso wie beim Gemüse stark von der Ernte im Inland
und vom regionalen Angebot beeinflußt, wobei in den letzten Jahrzehnten der
Import von Frischobst ständig an Bedeutung und Umfang zugenommen hat.
Der Verbrauch an Früchten (exkl. Zitrusfrüchten) betrug 1993/94 77.9 kg/Kopf
und Jahr, der von Trockenobst 1.4 kg/Kopf und Jahr. Der Verbrauch an Zitrusfrüchten betrug 1993/94 17.2 kg/Kopf und Jahr13 (vgl. Abb. 1.5). Im Zusammenhang mit der Entwicklung im Obstverbrauch muß auf die verbesserten
Technologien bei Lagerung und Transport hingewiesen werden, die eine mehr
oder weniger saisonunabhängige Versorgung gewährleisten.
13
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Frischobst (exkl. Zitrusfrüchte) 213 g/d (Verzehr 132 g/d); Zitrusfrüchte 47 g/d (Verzehr 29 g/d).
1.5 Obst
1.13
Abb. 1.5: Verbrauch an Obst, Zitrusfrüchten und Fruchtsäften 1947/481996/97
*) Bedingt durch den EU-Beitritt Österreichs kam es zu einer Angleichung an den EU-üblichen
Erfassungsmodus durch Einbeziehung der Rohstoffanteile in Verarbeitungsprodukte zweiter
Stufe (Marmeladen, Mus etc., aber exkl. Säfte); ein Vergleich mit früheren Berichtsperioden ist
nur sehr eingeschränkt möglich.
1996/97 lag der Pro-Kopf-Verbrauch an Frischobst (ohne Zitrusfrüchte) bei
70.2 kg/Jahr, der an Trockenobst bei 1.5 kg und der an Zitrusfrüchten bei
14.4 kg/Jahr14. Aufgrund der statistischen Neuordnung seit 1994/95 kann kein
Vergleich mit den Verbrauchszahlen der Perioden vor dem EU-Beitritt Österreichs getroffen werden, da die Entwicklung einen Rückgang im Obstkonsum
vermuten ließe.
Die Ernährungsbilanzen von 1993/94 (letzte Erhebung vor dem EU-Beitritt) und
die Versorgungsbilanzen von 1996/97 (aktuellste Verbrauchsdaten nach dem
EU-Beitritt) erlauben eine Aufgliederung der verbrauchten Obstsorten, wobei
über Schätzungen auch die häusliche Produktion mit berücksichtigt werden
kann (siehe Tab. 1.3).
Tab. 1.3: Verbrauch an Obstsorten in Österreich 1993/94 (letzten Angaben
vor EU-Beitritt) und 1996/97 (aktuellste Verbrauchsdaten nach EU-Beitritt)
Obstsorten
1993/94
1996/971
Verbrauch prozentueller Verbrauch prozentueller
kg/Kopf und Anteil am Ge- kg/Kopf und Anteil am
Jahr
samtJahr
Gesamtverbrauch
verbrauch
Äpfel
Bananen
Orangen
Pfirsich und Nektarinen
Birnen
Zwetschken, Pflaumen
sonstige Beeren
Mandarinen
Tafeltrauben
Marillen
Erdbeeren
Kirschen und Weichsel
Zitronen
Ananas
sonstiges Obst
sonstige Zitrusfrüchte
Grapefruits
21.7
13.3
8.3
6.2
6.4
5.3
5.2
4.9
4.6
3.6
3.4
3.4
3.4
1.9
2.6
0.1
0.7
22.8
14.0
8.7
6.5
6.7
5.6
5.5
5.2
4.8
3.8
3.6
3.6
3.6
2.0
2.7
0.1
0.7
Gesamt
95.1
100
1
23.3
9.9
6.9
6.4
5.5
5.2
4.6
4.2
3.8
3.3
2.9
2.5
2.2
1.6
1.2
0.6
0.5
84.6
27.5
11.7
8.2
7.6
6.5
6.1
5.4
5.0
4.5
3.9
3.4
3.0
2.6
1.9
1.4
0.7
0.6
100
inkl. importierter Marmeladen und konserviertem Obst
14
1996/97: Pro-Kopf-Verbrauch Frischobst (exkl. Zitrusfrüchte) 192 g/d (Verzehr 119 g/d); Zitrusfrüchte 40 g/d (Verzehr 25 g/d).
1.14
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
Den Hauptanteil an konsumiertem Obst machen Äpfel, Bananen und Orangen
aus. Erwähnenswert ist außerdem, daß nicht nur bei Zitrus- und Südfrüchten
sondern auch bei Tafeltrauben ausschließlich importierte Waren verbraucht
werden. Folglich liegt der österreichische Selbstversorgungsgrad für die Lebensmittelgruppe Obst mit insgesamt 42 % relativ niedrig.
Fruchtsäfte (einschließlich Süßmoste) werden erst seit 1954/55 getrennt erhoben. Bis dahin wurden sie dem Frischobst zugerechnet. Die Verbrauchszahlen
der letzten Jahre zeigen einen relativ starken Anstieg, der in Zusammenhang
mit dem verbesserten Angebot stehen dürfte. Eine Überinterpretation dieser
Daten ist aber nicht zulässig, da besonders die Ermittlung des Fruchtsaftverbrauchs relativ groben Schätzungen unterliegt und die Berechnung der Importbzw. Exportstatistiken aufgrund des Handels mit Fruchtsaftkonzentraten (unterschiedliche Verdünnung) problematisch ist. 1993/94 wurden 22.5 l Fruchtsäfte
pro Kopf und Jahr getrunken15.
Die Entwicklung der Verbrauchszahlen an Fruchtsäften seit dem Beitritt Österreichs
zur EU blieb nahezu konstant und liegt derzeit bei 25.3 l/Kopf und Jahr16. Aus dem
Jahresbericht des Fachverbandes der Nahrungs- und Genußmittelindustrie für 1995
geht hervor, daß 60 % der verbrauchten Fruchtsäfte als reiner Fruchtsaft (Saftanteil
100 %), 11 % als Fruchtsaftgetränk und 29 % als Fruchtnektar verbraucht werden
(Fachverband der Nahrungs- und Genußmittelindustrie 1995).
Obst leistet einen wichtigen Beitrag zur Versorgung mit zahlreichen Nährstoffen, wobei vor allem die Versorgung mit Vitamin C (hier sind in erster Linie bestimmte Apfelsorten, Erdbeeren und schwarze Johannisbeeren hervorzuheben),
ß-Carotin (vor allem die rot-orange gefärbten Sorten) und Kalium zu nennen ist.
Auch die Ballaststoffaufnahme über Obst ist bedeutsam. Der Nährwert der
Fruchtsäfte ist sehr unterschiedlich und muß von Fall zu Fall beurteilt werden,
wobei Zucker- und Fruchtanteil der Säfte entscheidend sind. Darüber hinaus ist
ein Großteil der Getränke mit unterschiedlichen Vitaminen angereichert (Elmadfa et al. 1994).
1.6 Milch
Im Vergleich zur Nachkriegszeit ist der Konsum von Kuhmilch (Frischmilch) in
Österreich, wie in allen westlichen Industrieländern, stark zurückgegangen.
Dem steht sowohl in Österreich als auch in Deutschland ein höherer Konsum
an Milchprodukten gegenüber. Daten für Joghurt, Sauermilch- und Buttermilchprodukte scheinen in den Ernährungsbilanzen nicht gesondert auf, der
tendenziell höhere Konsum gilt hier wahrscheinlich ebenso wie für andere
Milchprodukte. Die Abbildungen 1.6 und 1.7 stellen den Verbrauchsverlauf für
15
16
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Fruchtsäfte 61 g/d (Verzehr 52 g/d).
1996/97: Pro-Kopf-Verbrauch Fruchtsäfte 69 g/d (Verzehr 59 g/d).
1.6 Milch
1.15
Milch und Milchprodukte in Österreich dar. So stieg der Frischmilchverbrauch
zwischen 1947/48 und 1950/52 stark an, um danach stetig zurückzugehen.
Leider ergibt sich aufgrund der Änderung des Berechnungsmodells der österreichischen Milch-Verbrauchsdaten im Jahr 1988 eine Diskontinuität im Verlauf ab 1984/85, da die Revision nachträglich bis zu diesem Jahr durchgeführt
wurde. Der bis zu Beginn der 80er Jahre festgestellte Trend zur Abnahme des
Verbrauchs ist in den darauffolgenden 13 Jahren nicht zu beobachten. Durch
eine weitere Umstellung der statistischen Erfassung für Milch und Milchprodukte ab 1994/95 mit dem EU-Beitritt ist ein effektiver Vergleich der Verbrauchsdaten nur schwer möglich. 1993/94 lag der Verbrauch an Kuhmilch bei 102.9
l/Kopf und Jahr17.
Die aktuellsten Verbrauchszahlen nach dem EU-Beitritt stammen aus den Versorgungsbilanzen von 1997. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Trinkmilch (Rohmilch
und Konsummilch) betrug damals 95.1 l/Kopf und Jahr18. Der Selbstversorgungsgrad für Konsummilch liegt bei 101 %, die Produktion kann somit den inländischen Bedarf decken.
Abb. 1.6.: Verbrauch an Trinkmilch 1947/48-1997 in Litern pro Kopf und Jahr
* Veränderte Erfassungsmethodik ab 1988/89, wobei nachträglich bis 1984/85 revidiert wurde.
**) Bedingt durch den EU-Beitritt Österreichs kam es zu einer Angleichung an den
EU-üblichen Erfassungsmodus durch Einbeziehung der Rohstoffanteile in Verarbeitungsprodukte zweiter Stufe, für tierische Lebensmittel gilt seit dem EU-Beitritt die Kalenderjahresbilanz;
ein Vergleich mit früheren Berichtsperioden ist nur sehr eingeschränkt möglich.
17
18
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Trinkmilch 281 g/d (Verzehr 240 g/d).
1997: Pro-Kopf-Verbrauch Trinkmilch 261 g/d (Verzehr 222 g/d).
1.16
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
Den deutlichsten Verbrauchszuwachs kann man bei Käse beobachten, der laut
Ernährungsbilanzen der letzten Jahre vor dem EU-Beitritt im Ausmaß von über
8 bzw. - unter Einbeziehung des Topfens als „Frischkäse“- über 11 kg/Kopf und
Jahr verbraucht wurde. Topfen zeigt in seinem Verbrauch ebenfalls deutliche
Zuwächse, die Tendenz ist weiter steigend19.
Seit 1995 erfolgt mit Anpassung an den EU-Erhebungsmodus keine getrennte
Erhebung des Topfenverbrauchs, dieser wird in die Rubrik Käse inkludiert.
1997 lag der Käseverbrauch (inkl. Topfen) bei 15.5 kg/Kopf und Jahr und um
fast 10 % höher als im Jahr davor, der Selbstversorgungsgrad bei 84%20. Leider
ist den statistischen Daten nicht zu entnehmen, ob tendenziell fettreichere oder
fettärmere Käsesorten bevorzugt werden.
Der Verbrauch an Butter ist bis Ende der 70er Jahre ständig gestiegen, seit dieser Zeit jedoch relativ stabil bei etwa 5 kg/Kopf und Jahr (1997: 5.2 kg/Kopf
und Jahr)20.
Abb. 1.7: Verbrauch an Milchprodukten 1947/48-1997
*) Der Pro-Kopf-Verbrauch an Topfen wird seit 1994/95 nicht mehr getrennt erhoben sondern
ist in der Rubrik „Käse“ enthalten.
**) bedingt durch den EU-Beitritt Österreichs kam es zu einer Angleichung an den EU-üblichen
Erfassungsmodus durch Einbeziehung der Rohstoffanteile in Verarbeitungsprodukte zweiter
Stufe, für tierische Lebensmittel gilt seit dem EU-Beitritt die Kalenderjahresbilanz; ein Vergleich mit früheren Berichtsperioden ist nur sehr eingeschränkt möglich.
19
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Käse (exkl. Topfen) 25 g/d (Verzehr 20 g/d); Topfen 8.2 g/d
(Verzehr 7.0 g/d), Butter 14 g/d (Verzehr 8 g/d), Obers und Rahm 15 g/d (Verzehr 13 g/d).
20
1997: Pro-Kopf-Verbrauch Käse (inkl. Topfen) 43 g/d (Verzehr 35 g/d), Butter 14 g/d (Verzehr
8 g/d), Obers und Rahm 18 g/d (Verzehr 16 g/d)
1.7 Fleisch und Fleischwaren
1.17
Annähernd linear steigt der Verbrauch an Obers und Rahm bis zum Beginn der
90er Jahre an. In den letzten Jahren vor dem EU-Beitritt stagnierte er bei etwa
5.5 kg/Kopf und Jahr. Die aktuellsten Bilanzen nach dem EU-Beitritt zeigen einen deutlich höheren Obers/Rahm-Verbrauch von 6.7 kg/Kopf und Jahr20. Die
geänderte statistische Erfassungsmethodik läßt jedoch keine Aussagen über diese Entwicklung zu.
Bezogen auf die Nährstoffdichte, den Gehalt eines Nährstoffs pro Energieeinheit (z. B. Mega-Joule), ist der Beitrag der Milch und ihrer Produkte insbesondere hinsichtlich ihres Gehalts an verschiedenen Mineralstoffen und Vitaminen
von großer Bedeutung. Milch ist der wichtigste Calcium-Lieferant in der
menschlichen Ernährung. Laut Verzehrsschätzungen stammen rund 70 % der
Calciumaufnahme aus Milch und Milchprodukten. Eine Deckung des Calciumbedarfs unter Verzicht auf Milch scheint kaum möglich (Elmadfa et al. 1994).
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Vielzahl essentieller Nährstoffe
eine uneingeschränkte Empfehlung dieser Lebensmittelgruppe erlaubt.
1.7 Fleisch und Fleischwaren
Die wirtschaftlichen Veränderungen nach dem zweiten Weltkrieg (im speziellen die dadurch ausgelöste Einkommenssteigerung), die erhöhte landwirtschaftliche Produktivität und die verbesserten Verarbeitungs-, Lagerungs- und Transportmöglichkeiten bedingten ein deutlich größeres Angebot an Fleisch und
Fleischwaren.
Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch an Fleisch (vgl. Abb. 1.8) lag in Österreich
1993/94 bei 50.1 kg Schweinefleisch, 17.6 kg Rindfleisch, 14.5 kg Geflügel,
3.4 kg Innereien, 1.9 kg Kalbfleisch und 2.1 kg anderen Fleischarten (Wild-,
Schaf-, Ziegen-, Kaninchen- und Pferdefleisch)21.
Ab 1995 erfolgt keine getrennte Erhebung des Kalbfleischverbrauchs. Die Bilanzen von 1997 weisen einen Schweinefleischverbrauch von 55.3 kg, an
Rind- und Kalbfleisch von 19.6 kg, an Geflügel von 16.6 kg, an Innereien von
0.9 kg, und an anderen Fleischsorten von 2.8 kg auf22. Eine andere Form der
Darstellung macht diese doch recht abstrakten Zahlen besser vorstellbar. Legt
man eine durchschnittliche Fleischportionsgröße von 200 g zugrunde, so wird
beinahe zweimal wöchentlich Rind- oder Kalbfleisch, im Durchschnitt aber fast
täglich (mindestens 5 mal pro Woche) Schweinefleisch gegessen (es dienten die
Verbrauchs- und nicht die Verzehrszahlen als Grundlage). Der Selbstversor21
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Schweinefleisch 137 g/d (Verzehr 82.1 g/d), Rind 48.2 g/d
(Verzehr 27.5 g/d), Kalb 5.2 g/d (Verzehr 2.9 g/d), Geflügel 40 g/d (Verzehr 20 g/d), Innereien
9.3 g/d (Verzehr 5.6 g/d), sonstiges Fleisch 5.7 g/d (Verzehr 3.3 g/d).
22
1997: Pro-Kopf-Verbrauch Schweinefleisch 152 g/d (Verzehr 91 g/d), Rind und Kalb 54 g/d
(Verzehr 30 g/d), Geflügel 46 g/d (Verzehr: 23 g/d), Innereien 2.5 g/d (Verzehr 1.5 g/d), sonstiges Fleisch 7.7 g/d (Verzehr 4.4 g/d).
1.18
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
gungsgrad für Rind- und Kalbfleisch beträgt 140 %, für Schweinefleisch 104 %
und für Geflügel 78 %.
Der tatsächliche Verzehr an Fleisch und Fleischwaren (s. Fußnoten) beträgt
auch anhand der Verbrauchsdaten des ÖSTAT nur etwa zwei Drittel der bekannten indirekt erhobenen Verbrauchswerte, da die Verbrauchsdaten Angaben in Schlachtgewicht, einschließlich der Knochen, Zubereitungsverluste und
Abschnittsfette sowie der industriell verwertbaren Bestandteile beinhalten. Zudem wird ein nicht unbedeutender Anteil des Fleisches, vor allem Innereien,
an Haustiere verfüttert. Trotz dieser doch um einiges niedriger liegenden Verzehrsdaten werden Fleisch und Wurstwaren in wesentlich höherem Umfang
konsumiert, als dies aus ernährungsphysiologischen Gründen wünschenswert
ist.
Abb. 1.8: Verbrauch an Rind-, Kalb-, Schweine- und Geflügelfleisch 1947/481997
*) Keine getrennte Erhebung des Kalbfleischverbrauchs ab 1995
**) Bedingt durch den EU-Beitritt Österreichs kam es zu einer Angleichung an den
EU-üblichen Erfassungsmodus durch Einbeziehung der Rohstoffanteile in Verarbeitungsprodukte zweiter Stufe sowie der Lebend-Zuchttierexporte. Für tierische Lebensmittel gilt seit dem
EU-Beitritt die Kalenderjahresbilanz; ein Vergleich mit früheren Berichtsperioden ist nur sehr
eingeschränkt möglich.
Bereits in den Nachkriegsjahren stieg der Verbrauch an Fleisch. Betrachtet man
die Kurve bei Aufgliederung der einzelnen Fleischarten, so steigt der Schweine-
1.8 Fisch
1.19
fleischverbrauch am steilsten an. 1996 (aktuellste Ergebnisse nach dem EUBeitritt Österreichs) nimmt er 59 % des gesamten Fleisch-Marktanteiles ein.
Der Konsum von Geflügel steigt vor allem seit Beginn der 60er Jahre ebenfalls
an, wobei die Steigerungen geringer als bei Schweinefleisch sind. Die Zunahme an Geflügelfleisch wird hauptsächlich vom Truthahn- und Masthuhnsektor
getragen, während Enten- und Gänsefleisch eher geringe Bedeutung hat.
Bis Mitte der 70er Jahre war auch der Verbrauch an Rindfleisch im Steigen begriffen, seit dieser Zeit nahm er jedoch kontinuierlich ab. Die höchsten Verbrauchszahlen wurden in den 70er Jahren erreicht, das heutige Niveau
entspricht etwa jenem, das Ende der 60er Jahre zu beobachten war. Der Verbrauch an Kalbfleisch ist quantitativ von geringerer Bedeutung und seit den
letzten 30 Jahren recht stabil. Seit 1995 erfolgte - wie bereits erwähnt - aufgrund der Angleichung an den EU-Erhebungsmodus keine getrennte Erfassung
des Kalbfleischverbrauchs.
Über Auswirkungen der BSE-Fälle in Großbritannien auf den Verbrauch an
Rindfleisch können aufgrund der Veränderung im Erhebungsmodus ab 1994/95
keine Aussagen getroffen werden.
Neben den Hauptbestandteilen Fett, hochwertigem Protein und Wasser enthält
Fleisch eine Reihe von Nährstoffen, die in unterschiedlichem Ausmaß zur
durchschnittlichen Bedarfsdeckung beitragen (z. B. Zink und Eisen, sowie an
Vitaminen der B-Gruppe) (Elmadfa et al. 1994).
1.8 Fisch
Der Verbrauch an Fisch stieg in den letzten 40 Jahren stetig an. Ursachen dieser Entwicklung sind in der besseren Verfügbarkeit (z.B. Tiefkühlfisch) zu finden.
Die Ernährungsbilanzen 1993/94 wiesen einen Pro-Kopf-Verbrauch von 5.8 kg
pro Jahr aus23 (vgl. Abb. 1.9). Dies entspricht einer Verdoppelung des Fischverbrauchs seit den 50er Jahren. Vor allem der Anteil an frischem Fisch hat deutlich zugenommen.
1997 lag der Fischverbrauch bei 6 kg pro Kopf und Jahr24 und damit um 7 %
höher als im Bilanzjahr davor. Legt man die täglich geschätzten Verzehrsmengen auf Portionsgrößen von etwa 150 g (mittlere Portion) um, so entspricht dies
einer Verzehrshäufigkeit von etwa drei Fischmahlzeiten im Monat. Damit spielt
der Fischverzehr leider trotz des Anstiegs im Verbrauch immer noch eine nur
untergeordnete Rolle in der österreichischen Ernährung. Eine Aufgliederung
des Konsums zwischen Meeres- und Süßwasserfischen ist aufgrund der Ernährungsbilanzen nicht möglich, wobei jedoch der Anteil an heimischen Süßwas23
24
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Fisch 16 g/d (Verzehr 13.5 g/d).
1997: Pro-Kopf-Verbrauch 16 g/d (Verzehr 14 g/d).
1.20
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
serfischen deutlich hinter den Meeresfischen liegen dürfte. Der Selbstversorgungsgrad betrug 1997 lediglich 7 %, der Inlandsbedarf wird somit fast vollständig durch Importe gedeckt.
Der Anteil an Fertigprodukten am gesamten Fischkonsum ist verhältnismäßig
hoch. Demnach wird rund ein Drittel des Fisches nicht frisch oder tiefgekühlt,
sondern in Form von Konserven verbraucht. Wünschenswert wäre eine Verschiebung des Verhältnisses zugunsten eines höheren Verbrauchs an Frischfischen aus der heimischen Produktion.
Auf die Bedeutung von Fisch für die menschliche Ernährung soll insbesondere
im Zusammenhang seiner Funktion als Lieferant der mehrfach ungesättigten
ω-3-Fettsäuren hingewiesen werden. Weitere bedeutende Inhaltsstoffe sind das
hochwertige Eiweiß, Vitamin D und Jod. Die empfohlene Steigerung des Fischkonsums könnte die Versorgung an beiden Nährstoffen beachtlich verbessern
(Elmadfa et al. 1994). Dem gestiegenen Fischverbrauch der letzten Jahre sollte
insofern Beachtung geschenkt werden, da diese Entwicklung durch gezielte
Aufklärung der Bevölkerung weiter ausgebaut werden könnte. Die Vorteile von
Fischmahlzeiten überwiegen nach derzeitigen Kenntnissen auch gegenüber
den Bedenken der Schadstoffbelastung durch Pestizide und Schwermetalle der
Meeresfische. Darüber hinaus können auch manche heimische Fische, die eine
wesentlich geringere Schadstoffbelastung als Meeresfische aufweisen, einen
nicht unbeträchtlichen Anteil an ω-3-Fettsäuren (Forellen), Vitamin D (Aal) und
Jod (Zander) liefern. Die Steigerung des Fischkonsums auf 1 bis 2 Fischmahlzeiten pro Woche ist nach Abwägen der genannten Vor- und Nachteile nach wie
vor empfehlenswert. Hinsichtlich des Beitrags von Fisch zur Versorgung mit
wertvollen Inhaltsstoffen sind Fischkonserven ebenfalls geeignet.
1.8 Fisch
Abb. 1.9: Verbrauch an Fisch 1947/48-1997
1.21
*) Bedingt durch den EU-Beitritt Österreichs kam es zu einer Angleichung an den EU-üblichen
Erfassungsmodus durch Einbeziehung der Rohstoffanteile in Verarbeitungsprodukte zweiter
Stufe sowie der Lebendtierexporte, für tierische Lebensmittel gilt seit dem EU-Beitritt die Kalenderjahresbilanz; ein Vergleich mit früheren Berichtsperioden ist nur sehr eingeschränkt
möglich.
1.22
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
1.9 Eier
Der Verbrauch an Eiern im Zeitraum von 1947/48 bis 1997 (in kg/Kopf und
Jahr) ist Abbildung 1.10 zu entnehmen. Nach einer zunächst starken Zunahme
des Eierkonsums in den 60er und 70er Jahren schwankt dieser seit 1970 zwischen 13.4 und 15.1 kg pro Kopf und Jahr und ist seit 1991 relativ konstant.
1993/94 lag der Verbrauch bei 13.4 kg/Kopf und Jahr25.
Abb. 1.10: Verbrauch an Eiern 1947/48-1997
*) Bedingt durch den EU-Beitritt Österreichs kam es zu einer Angleichung an den EU-üblichen
Erfassungsmodus durch Einbeziehung der Rohstoffanteile in Verarbeitungsprodukte zweiter
Stufe. Für tierische Lebensmittel gilt seit dem EU-Beitritt die Kalenderjahresbilanz; ein Vergleich mit früheren Berichtsperioden ist nur sehr eingeschränkt möglich.
Die Versorgungsbilanzen seit dem EU-Beitritt zeigen Ergebnisse in ähnlichen
Größenordnungen, die aktuellsten Verbrauchsstatistiken (1997) weisen einen
Pro-Kopf-Verbrauch an Eiern von 14.5 kg bzw. 241 Stk./Jahr auf26. Dies entspricht einem durchschnittlichen Konsum von 4 bis 5 Eiern pro Woche. Der
Selbstversorgungsgrad betrug 83 %.
Das Ei bietet wertvolle Inhaltsstoffe: neben hochwertigem Eiweiß, Eisen und
den Vitaminen B1, B2, Niacin und Pantothensäure ist vor allem das fettlösliche
Vitamin D in nennenswerter Menge enthalten. Der geschätzte Verzehr von
durchschnittlich einem halben Ei pro Tag liefert 35 % des aufgenommenen Vitamin D (Elmadfa et al. 1994).
25
26
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Eier 37 g/d (Verzehr 31 g/d).
1997: Pro-Kopf-Verbrauch Eier 40 g/d (Verzehr 34 g/d.
1.10 Pflanzliche Öle und Ölsaaten
1.23
1.10 Pflanzliche Öle und Ölsaaten
Die Zahlen über den Verbrauch an Speisefetten und -ölen zeigen in den letzten
Jahrzehnten einen massiven Anstieg im Fettverbrauch (vgl. Abb. 1.11). Demnach werden heute 17.8 kg Pflanzenöle/Kopf und Jahr verbraucht27. Seit 1989
werden auch Verbrauchszahlen für Ölsaaten, Ölfrüchte und eiweißreiche
Pflanzen (Sonnenblumen, Ölkürbisse, Sojabohnen) in den Ernährungsbilanzen
dokumentiert. Der Verbrauch lag 1993/94 bei 1.1 kg/Kopf und Jahr. 1996/97
lag der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch an Pflanzenölen nur mehr bei 10.3 kg28
und an Ölsaaten bei 1.8 kg/Kopf und Jahr, wobei der veränderte Erfassungsmodus mit EU-Beitritt berücksichtigt werden muß.
Abb. 1.11: Verbrauch an pflanzlichen Ölen 1947/48-1996/97
*) Erfassung des Verbrauchs an Ölsaaten (Sonnenblumen, Ölkürbisse, Sojabohnen) erst seit
1989/90
**) Bedingt durch den EU-Beitritt Österreichs kam es zu einer Angleichung an den
EU-üblichen Erfassungsmodus durch Einbeziehung der Rohstoffanteile in Verarbeitungsprodukte zweiter Stufe; ein Vergleich mit früheren Berichtsperioden ist nur sehr eingeschränkt möglich.
Ernährungsphysiologisch sind Fette wichtige energieliefernde Baustoffe, Träger
und Transportmittel fettlöslicher Vitamine sowie Lieferanten der essentiellen
Fettsäuren. Pflanzenöle zeichnen sich durch hohe Gehalte an ungesättigten
27
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch pflanzliche Öle 49 g/d (Verzehr 29 g/d), Ölsaaten 3 g/d (Verzehr 2.6 g/d).
28
1996/97: Pro-Kopf-Verbrauch pflanzliche Öle 28 g/d (Verzehr 17 g/d), Ölsaaten 5 g/d (Verzehr 4,2 g/d).
1.24
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
Fettsäuren und fettlöslichen Vitaminen, insbesondere Vitamin E, sowie anderen
biologisch wirksamen (sekundären) Inhaltsstoffen aus.
Neben der zu hohen Fettaufnahme in Österreich ist auch die Zusammensetzung der verbrauchten Fette ungünstig. Der Konsum tierischer oder gehärteter
pflanzlicher Fette übersteigt deutlich den Anteil pflanzlicher Öle, die reich an
ernährungsphysiologisch wertvollen ungesättigten Fettsäuren sind (Elmadfa et
al. 1994). Die Änderung des Fettkonsums sollte daher quantitativ in Richtung
einer Reduktion der Gesamtfettaufnahme vor allem zu Lasten der tierischen
Fette gehen, während gleichzeitig verstärkt auf qualitative Kriterien wie den
Gehalt an Vitaminen und essentiellen Fettsäuren bei der Fettauswahl geachtet
werden sollte.
1.11 Zucker, Honig, Kakao, Nüsse und Kastanien
Beim Konsum von Zucker und Zuckerwaren (aus Haushaltszucker) konnte bis
zu Beginn der 80er Jahre ein deutlicher Anstieg festgestellt werden. Diese Zahlen beinhalten neben isoliertem Zucker auch zuckerhaltige Lebensmittel. Wesentliche Vertreter letzterer sind die typisch österreichischen Mehlspeisen,
Limonaden, Colagetränke und Süßigkeiten, aber auch Ketchup oder Senf.
1993/94 lag der Verbrauch mit 34.7 kg Zucker und Zuckerwaren/Kopf und
Jahr29 mehr als dreimal so hoch wie 1947/48 (11.7 kg).
Die Veränderung der Erfassungsmethodik seit dem EU-Beitritt führte dazu, daß
neben Süßwaren eine Vielzahl weiterer verarbeiteter Lebensmittel, die Zucker
enthalten, in den Bilanzen durch Verwendung entsprechender Koeffizienten
berücksichtigt werden (z.B. Zucker in alkoholischen Getränken oder Saftkonzentraten). Ein Vergleich mit den Berichtsperioden davor ist folglich nicht möglich, obwohl ein insgesamt unveränderter Zuckerkonsum in den vergangenen
Jahren erwartet werden kann (siehe Abb. 1.12). 1996/97 lag der Zuckerverbrauch bei 40.4 kg/Kopf und Jahr30. Der Zucker-Selbstversorgungsgrad betrug
146 %.
Ernährungsphysiologisch ist das veränderte Konsumverhalten, das sich in einer
Abnahme der polysaccharidhaltigen Lebensmittel (Brot, Getreide, Kartoffeln)
bei gleichzeitiger Zunahme an niedermolekularem Zucker manifestiert, negativ
zu beurteilen. Zucker liefert ausschließlich Energie und keinerlei Vitamine oder
Mineralstoffe. Der in jüngster Zeit stark zunehmende Trend der Vitaminanreicherungen von Süßigkeiten ist kritisch zu bewerten. Die Anreicherung von Süßigkeiten ist nicht geeignet, in wesentlichem Maß zur Bedarfsdeckung an
diesen Nährstoffen beizutragen, so daß insgesamt keine bessere Bewertung
derartiger Lebensmittel erfolgen kann. Die nachteiligen Wirkungen (z. B. Kari29
30
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Zucker 95 g/d (Verzehr 81 g/d).
1996/97: Pro-Kopf-Verbrauch Zucker 111 g/d (Verzehr 94 g/d).
1.11 Zucker, Honig, Kakao, Nüsse und Kastanien
1.25
es, Übergewicht) bei überhöhtem Konsum können nicht durch das marginal
verbesserte Nährstoffangebot ausgeglichen werden (s.a. Kap. 3.8).
Abb. 1.12: Verbrauch an Zucker und Zuckerwaren 1947/48-1996/97
*) Bedingt durch den EU-Beitritt Österreichs kam es zu einer Angleichung an den EU-üblichen
Erfassungsmodus durch Einbeziehung der Rohstoffanteile in Verarbeitungsprodukte zweiter
Stufe.
Ähnliches wie für den Zuckerverbrauch gilt auch für Honig. Zu Beginn der
80er Jahre konnten überdurchschnittliche Verbrauchszuwächse erzielt werden
(knapp 2 kg/Kopf und Jahr), seit Mitte der 80er Jahre blieb der Verbrauch gleich
bei etwa 1.5 kg/Kopf und Jahr (vgl. Abb. 1.13)31.
Auch nach dem EU-Beitritt lag der Honigverbrauch trotz veränderter Erfassungsmethodik zunächst in gleicher Größenordnung und sank im Bilanzjahr
1996/97 um 13 % auf 1.3 kg/Kopf und Jahr32.
Der Pro-Kopf-Verbrauch an Kakaobohnen stieg 1993/94 auf 2.5 kg/Kopf und
Jahr (vgl. Abb. 1.13). Dies entspricht dem Verbrauch der beginnenden 70er
Jahre. Mitte der 70er Jahre war ein deutlicher Verbrauchsanstieg auf etwa
4 kg/Kopf und Jahr zu beobachten, bis Mitte der 80er Jahre schwankte der Verbrauch zwischen 3 und 4 kg/Kopf und Jahr. Seit Beginn der 90er Jahre ist jedoch eine konstante Reduktion auf Größenordnungen von etwa 2.5 kg/Kopf
und Jahr eingetreten. Seit 1994/95 erfolgt keine Erfassung des Verbrauchs an
31
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Honig 4.1 g/d (Verzehr 3.5 g/d), Kakaobohnen 6.8 g/d (Verzehr 5.8 g/d).
32
1996/97: Pro-Kopf-Verbrauch Honig 3,6 g/d (Verzehr 3.0 g/d).
1.26
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
Kakaobohnen, einem reinen Importprodukt, da ein Teil der kakaohaltigen Produkte bereits in die Zuckerbilanz eingeht.
Der Verbrauch an Nüssen und Kastanien stieg bis Mitte der 80er Jahre stetig an,
seit dieser Zeit hat er jedoch noch deutlicher zugenommen. Er lag 1993/94 bei
6.1 kg/Kopf und Jahr33.
*)
**)
Abb. 1.13: Verbrauch an Nüssen und Kastanien, Honig und Kakao 1947/481996/97
*) Ab 1994/95 Erfassung als „Schalenobst“
**) Keine Erfassung des Pro-Kopf-Verbrauchs von Kakaobohnen ab 1994/95.
***) Bedingt durch den EU-Beitritt Österreichs kam es zu einer Angleichung an den
EU-üblichen Erfassungsmodus durch Einbeziehung der Rohstoffanteile in Verarbeitungsprodukte zweiter Stufe.
Seit 1994/95 erfolgt keine getrennte Erhebung der Versorgungsbilanzen an
Nüssen und Kastanien. Statt dessen wird der Verbrauch in zusammengefaßter
Form als „Schalenobst“ erhoben. 1996/97 lag dieser bei 3.7 kg/Kopf und Jahr34.
Zu beachten ist, daß der Großteil, nämlich etwa drei Viertel des verfügbaren
Schalenobstes, aus Importen stammt.
33
34
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Nüsse und Kastanien 16.7 g/d (Verzehr 10.4 g/d)
1996/97: Pro-Kopf-Verbrauch Schalenobst 10.1 g/d (Verzehr 6.3 g/d).
1.12 Bier und Wein
1.27
1.12 Bier und Wein
Die Entwicklung des Verbrauchs an Bier und Wein in Liter pro Kopf und Jahr
ist in der folgenden Abbildung dargestellt (vgl. Abb. 1.14).
Durchschnittlich wurden 1993/94 etwa 114.4 l Bier pro Person verbraucht35,
wobei die Verbrauchssteigerungen, die bis Beginn der 90er Jahre beobachtet
wurden, 1991/92 durch Verbrauchsrückgänge ersetzt wurden.
Die aktuellsten Bilanzen stammen vom Wirtschaftsjahr 1996/97 und lassen einen Bierverbrauch von 111.7 l/Kopf36 und Jahr erkennen. Verglichen mit der
Nachkriegszeit wird fast die fünffache Menge an Bier verbraucht.
Auch wenn die Verbrauchszahlen den Wein erst an zweiter Stelle bei den alkoholischen Getränken nennen, trank der Österreicher 1993/94 im Durchschnitt 31 l Wein37. Der Weinskandal 1985 sorgte nur kurzfristig für einen
leichten Verbrauchsrückgang. Seit dieser Zeit konnten allerdings keine nennenswerten Zuwächse im Weinverbrauch beobachtet werden.
Abb. 1.14: Verbrauch an Bier und Wein 1947/48-1996/971) in l/Kopf und Jahr
*) Für die Weinbilanz gilt das Weinwirtschaftsjahr 1. September bis 31. August.
**) Bedingt durch den EU-Beitritt Österreichs kam es zu einer Angleichung an den
EU-üblichen Erfassungsmodus durch Einbeziehung der Rohstoffanteile in Verarbeitungsprodukte zweiter Stufe. Der Ernährungsverbrauch umfaßt Wein, Schaumwein und Verarbeitungswein.
35
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Bier 313 ml/d (Verzehr 266 ml/d).
1996/97: Pro-Kopf-Verbrauch Bier 306 ml/d (Verzehr 260 ml/d).
37
1993/94: Pro-Kopf-Verbrauch Wein 85 ml/d (Verzehr 72 ml/d).
36
1.28
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
Der geänderte statistische Modus seit dem EU-Beitritt läßt keinen Vergleich der
derzeitigen Verbrauchsdaten mit den früheren Berichtsperioden zu. Es kann
davon ausgegangen werden, daß sich der Konsum seit 1993/94 nicht deutlich
änderte. Der heutige Verbrauch (30 l/Kopf und Jahr38) entspricht nach wie vor
dem seit Beginn der 70er Jahre üblichen und macht etwas mehr als das Doppelte des Nachkriegsverbrauchs aus. Der tatsächliche Alkoholverzehr der Erwachsenen dürfte sogar noch deutlich über dem durchschnittlichen Pro-KopfVerzehr liegen, da der Pro-Kopf-Verbrauch einen berechneten Durchschnittswert für die Gesamtbevölkerung darstellt, Alkohol aber üblicherweise nur von
Erwachsenen konsumiert wird.
Der Verbrauch an alkoholischen Getränken trägt wesentlich zur Energieversorgung der österreichischen Bevölkerung bei, die an sich als zu hoch einzustufen
ist. Die Höhe des Bier- und Weinkonsums ist daher sowohl hinsichtlich der Alkohol- als auch hinsichtlich der Energieaufnahme als bedenklich zu bewerten.
1.13 Aktuelle Trends im Lebensmittelverbrauch
Die vorausgegangenen Abschnitte beschrieben die Entwicklung des Lebensmittelkonsums der vergangenen 50 Jahre. Dabei zeigten sich einige deutliche
Trends, wobei die Zuwächse bei Fleisch und Gemüse/Obst und die Rückgänge
beim Brotgetreide nochmals hervorzuheben sind.
Für aktuelle Tendenzen hat jedoch die Entwicklung innerhalb der vergangenen 10
Jahre zusätzliche Informationskraft. Der seit 1995 – mit dem EU-Beitritt Österreichs
– geänderte Erhebungsmodus des Lebensmittelsverbrauchs erschwert allerdings
diese Auswertung. Deshalb wurden in erster Linie die Trendveränderungen
1983/84-1993/94 interpretiert. Der Vollständigkeit halber wurde dennoch auch der
derzeitige mittlere Verbrauch seit dem EU-Beitritt (1994/95-1996/97 bzw. 1997)
mit früheren Verbrauchsdaten verglichen. Da die Aussagekraft der Ergebnisse sehr
eingeschränkt ist, werden sie nur in Abb. 1.15, nicht jedoch im Text erwähnt.
Bei den meisten Lebensmitteln waren in der Periode 1983/84 bis 1993/94
recht kontinuierliche Verbrauchszahlen zu beobachten, einige wiesen aber
starke jährliche Schwankungen auf. Um allgemeine Trends der letzten sechs
Jahre vor dem EU-Beitritt (1988/89 bis 1993/94) im Vergleich zu den vorausgegangenen fünf Jahren (1983/84 bis 1987/88) aufzeigen zu können, wurden jeweils die mittleren Pro-Kopf-Verbrauchszahlen dieser Jahre errechnet. In Abb.
1.15 sind die Ergebnisse dieses Vergleiches dargestellt, wobei nicht die absoluten Differenzen des Verbrauches sondern die relative Veränderung dargestellt
wurde. Geordnet nach dem Ausmaß dieser prozentuellen Veränderung zeigt
sich folgendes Bild:
38
1996/97: Pro-Kopf-Verbrauch Wein 82 ml/d (Verzehr 70 ml/d).
1.13 Aktuelle Trends im Lebensmittelverbrauch
1.29
Deutliche Verbrauchszuwächse weisen die Fruchtsäfte auf, deren mittlerer
Verbrauch 1988-93 mit 20.2 kg/Kopf und Jahr um etwa 50 % höher war als in
den Vorjahren (1983-87 13.5 kg/Kopf und Jahr). Das zeigt, daß der in den vergangenen zwanzig Jahren leicht steigende Trend in den letzten 10 Jahren deutlicher ausgeprägt war39.
Bei den Getreiden Körnermais, Gerste und Hafer gab es in den vergangenen
Jahren ebenfalls deutliche Zuwächse im Verbrauch, wobei diese vor allem seit
1990 wirksam und fast ausschließlich auf einen erhöhten Verbrauch an Körnermais zurückzuführen sind. In der Periode 1983-87 war ein gesamter mittlerer Verbrauch von 2.4 kg/Kopf und Jahr zu beobachten, die darauf folgenden
sechs Jahre weisen hingegen einen Verbrauch von 3.3 kg/Kopf und Jahr auf,
was einer relativen Zunahme der gesamten Gruppe um ca. 35% entspricht. Die
Anteile an Gerste und Hafer sind dabei recht stabil zwischen 0.8 und 1 kg/Kopf
und Jahr, Körnermais allein steigerte sich durchschnittlich um etwa 47% von
1.7 kg auf 2.5 kg/Kopf und Jahr.
Ebenfalls durch deutliche kontinuierliche Zuwächse gekennzeichnet ist der
Verbrauch an Nüssen und Kastanien in den vergangenen 50 Jahren. In den
letzten Jahren waren die Zunahmen noch deutlicher ausgeprägt. Zwischen
1988 und 1993 ist der mittlere Verbrauch mit 5.6 kg/Kopf und Jahr um etwa
ein Drittel höher als zwischen 1983 und 1987 (4.2 kg/Kopf und Jahr).
Auch bei Reis erfolgten Zuwächse von etwa 30 %, nämlich von 3.6 kg/Kopf und
Jahr zwischen 1983 und 1987 auf 4.6 kg/Kopf und Jahr zwischen 1988 und 1993.
Bedingt durch den überdurchschnittlich hohen Verbrauch an Hülsenfrüchten
in den Jahren 1987/88 und 1990/91 (1.6 bzw. 1.7 kg/Kopf und Jahr) ist die relative Veränderung in dieser Lebensmittelgruppe hoch. Abgesehen von diesen
beiden ‘Ausreißerjahren’ war jedoch auch in den anderen Jahren der Verbrauch höher als jener im Zeitraum zwischen 1983 und 1987. Letzterer lag im
Durchschnitt bei 0.88 kg/Kopf und Jahr, 1988-93 bei 1.08 kg/Kopf und Jahr. In
Summe ist daher ein Zuwachs im Verbrauch an Hülsenfrüchten zu beobachten,
der aus ernährungsphysiologischer Hinsicht sehr zu begrüßen ist.
Von den Milchprodukten hat sich der Verbrauch an Käse in den letzten Jahren am
deutlichsten verändert. Bezogen auf den Vergleichszeitraum 1983-87 mit durchschnittlich 6.6 kg/Kopf und Jahr ist der Verbrauch zwischen 1988 und 1993 mit
8.4 kg/Kopf und Jahr um ca. ein Drittel höher. Die Zunahme der Produktvielfalt
und das dadurch attraktivere Angebot sind mögliche Ursachen dieser Entwicklung.
Der Verbrauch an Obers und Rahm hat sich in den letzten Jahren ebenfalls erhöht. Er betrug zwischen 1988-1993 mit 5.5 kg/Kopf und Jahr um knapp ein
Fünftel mehr als zwischen 1983-87.
39
Man beachte jedoch die Ausführungen in Kap. 1.5!
1.30
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
Ebenfalls gestiegen, wenn auch in geringerem Ausmaß ist der Verbrauch an
Topfen, der zwischen 1983-87 mit 2.8 kg/Kopf und Jahr um ca. 12 % geringer
war als zwischen 1988 und 1993, als er 3.2 kg/Kopf und Jahr betrug.
Der Verbrauch an Fisch wurde in den vergangenen 10 Jahren ebenfalls um etwa ein Fünftel erhöht, nämlich ausgehend von 4.4 kg/Kopf und Jahr zwischen
1983 und 1987 auf 5.1 kg/Kopf und Jahr zwischen 1988 und 1993. Damit hält
Fruchtsäfte
Gerste/Hafer/Mais
Nüsse und Kastanien
Reis
Käse
Hülsenfrüchte
Obers/Rahm
Fisch
Geflügel
Topfen
Pflanzliche Öle
Gemüse
Frischobst
Schweinefleisch
Bier
Weizen
Kartoffeln
Zuckerwaren
Wein
Milch
Butter
Zitrusfrüchte
Brotgetreide gesamt
Eier
Kalbfleisch
Rindfleisch
Honig
Roggen
Kakaobohnen
-40 %
49 %
35 %
31 %
30 %
27 %
23 %
19 %
17 %
12 %
12 %
11 %
10 %
8%
7%
5%
2%
0,7 %
0,2 %
0%
0%
-2 %
-3 %
-3 %
-3 %
-4 %
-5 %
-6 %
-17 %
-26 %
-20 %
0%
20 %
40 %
60 %
der seit Beginn der 80er Jahre einsetzende Trend weiter an.
Abb. 1.15: Veränderung im Verbrauch einzelner Lebensmittelgruppen im Beobachtungszeitraum 1983/84 bis 1993/94*
* Basis der Darstellung sind die Differenzen des mittleren Verbrauchs des Zeitraumes 1988/8993/94 (in der Formel Wert ‘B’) vom mittleren Verbrauch des Beobachtungszeitraum 1983/8487/88 (in der Formel Wert ‘A’), wobei die prozentuelle Abweichung bezogen auf den Wert
1983-87 dargestellt ist. Formel: ((A - B) / A) * 100 = % Veränderung.
Ausnahmen: Bei Gemüse beruht der Vergleich auf den Zeitraum 1984-1987/88 und 1988/891993/94, da 1984 der Erhebungsmodus der Statistiken umgestellt wurde. Der Erhebungsmodus
für die Milchstatistik wurde 1988/89 erneut umgestellt, so daß der zeitliche Vergleich nicht
möglich ist. In den vergangenen Jahren lag jedoch ein sehr stabiler Verbrauch vor. Bei den Ölsaaten werden erst seit 1989 regelmäßig Daten in den Ernährungsbilanzen dokumentiert, so
daß der chronologische Vergleich ebenfalls unmöglich ist.
1.13 Aktuelle Trends im Lebensmittelverbrauch
1.31
Tab. 1.4: Veränderungen im Verbrauch einzelner Lebensmittelgruppen seit
dem EU-Beitritt im Vergleich zur Periode 1983/84-1987/88**
Lebensmittelgruppe
Gerste/Hafer/Mais
Fruchtsäfte
Käse
Obers/Rahm
Reis
Geflügel
Gemüse
Schweinefleisch
Fisch
Zuckerwaren
Weizen
Honig
Bier
Milch
Veränderung (%)
+170
+82
+55
+43
+28
+26
+25
+19
+13
+13
+5
+2
+1
±0
Lebensmittelgruppe
Frischobst
Eier
Butter
Kartoffeln
Brotgetreide gesamt
Wein
Nüsse und Kastanien
Rindfleisch
Zitrusfrüchte
Hülsenfrüchte
Pflanzliche Öle
Roggen
Veränderung (%)
-1
-3
-6
-8
-8
-9
-10
-12
-13
-17
-34
-40
** Hierbei ist zu berücksichtigen, daß diese Ergebnisse nur eingeschränte Aussagekraft haben,
da sich der Erfassungsmodus seit dem EU-Beitritt änderte und ein Vergleich mit den Berichtsperioden davor eigentlich nicht möglich ist.
Bei Fleisch zeichnen sich vor allem Zuwächse für Geflügel ab. Der Verbrauch
stieg um etwa 12 % von 12.3 kg/Kopf und Jahr (1983-87) auf 13.7 kg/Kopf und
Jahr (1988-93). Auch der Verbrauch an Schweinefleisch stieg im Beobachtungszeitraum. 1983-87 wurden etwa 48 kg/Kopf und Jahr verbraucht, ca. 7 %
weniger als zwischen 1988 und 1993, wo etwa 51 kg/Kopf und Jahr verbraucht
wurden.
Während der Verbrauch an pflanzlichen Ölen zu Beginn der 80er Jahre auf einem Niveau von etwa 15.4 kg/Kopf und Jahr stagnierte, waren im Zeitraum
zwischen 1988 und 1993 erneute Steigerungen um etwa 10 % auf 17 kg/Kopf
und Jahr zu beobachten.
Da die Erhebung der Daten für Gemüse ab 1984 umgestellt wurde, erfolgt der
Vergleich nur mit den Ergebnissen von 1984 bis 1987. Auch bei Gemüse zeigen sich Zuwächse im Ausmaß von etwa 10 % an, nämlich von etwa 71 kg auf
78.5 kg/Kopf und Jahr. Bei Obst sind ähnliche Tendenzen vorhanden, wenn
auch die Zuwächse weniger deutlich und nur im Ausmaß von circa 8 % ausfielen (1983-87 70.3 kg und 1988-93 75.8 kg/Kopf und Jahr).
An letzter Stelle der Produkte, die im Beobachtungszeitraum Verbrauchssteigerungen erfuhren, kann das Bier genannt werden. Vergleicht man den mittleren
Verbrauch zwischen 1983-87 (114 l/Kopf und Jahr) und 1988-93 (120 l/Kopf
und Jahr) so ist im Durchschnitt ein Zuwachs von etwa 5 % zu beobachten.
Die detaillierte Analyse der Einzeljahre zeigte jedoch, daß zwar zwischen 1990
und 1992 der Verbrauch erstmals über 120 l/Kopf und Jahr lag, seit 1991 aber
wieder ein Rückgang auf Werte unter 120 l erfolgte.
1.32
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch
Als stabile Entwicklung wurden jene Verbrauchszahlen bewertet, bei denen
die Differenzen weniger als 5 % des Verbrauchs von 1983-87 betrugen. Dies
trifft auf Kartoffeln, Zuckerwaren, Wein, Milch, Butter, Zitrusfrüchte, Eier, Kalb
und Rindfleisch zu.
Am Beispiel der Brotgetreide zeigt sich ein leichter Rückgang, obwohl der
Weizenverbrauch in Summe etwas gestiegen ist. Der Rückgang bei Brotgetreide kann daher vor allem auf die recht massiven Einbußen an Roggen zurückgeführt werden.
Dieser deutliche Rückgang bei Roggen setzt den sinkenden Trend der vergangenen Jahre weiter fort. Insgesamt ist der Verbrauch zwischen 1988-93 mit
14 kg/Kopf und Jahr um etwa ein Fünftel geringer als zwischen 1983-87, wo er
noch knapp 17 kg/Kopf und Jahr betrug. Dies läßt auf einen weiteren Rückgang
des Verbrauchs dunkler Brotsorten schließen.
Bei Honig zeigte sich seit der Periode 1983-1993 ein mehr oder weniger stabiler Verbrauch, wenn auch zu Ende der 80er Jahre ein kontinuierlicher Verbrauchsrückgang auftrat, der seit 1992 wieder abgefangen wurde. In Summe ist
der Verbrauch der Jahre zwischen 1983-87 mit 1.5 kg/Kopf und Jahr etwa um
6 % höher als in den Jahren 1988-93. Der Verbrauch von 1992-1993 zeigt
wieder Werte wie Anfang der 80er Jahre.
Der Verbrauch an Kakaobohnen hat sich zwischen 1983 - 87 (3.5 kg/Kopf und
Jahr) und 1988-93 (2.6 kg/Kopf und Jahr) deutlich verändert. Die stärksten
Rückgange waren zwischen 1986 und 1989 zu beobachten, seit 1990 ist der
Verbrauch auf einem Niveau von etwa 2.6 kg/Kopf und Jahr stabil.
1.13 Aktuelle Trends im Lebensmittelverbrauch
1.33
Literatur
1. Elmadfa I, Godina-Zarfl B, Gruber B, König J, Mayer B, Horacek C, Dichtl M, Kloimüller I,
Rützler H, Szallai M, Ertl-Huemer C (1994): Der erste Wiener Ernährungsbericht. Dokumentation des WHO-Projektes Wien - Gesunde Stadt, Band 7, Wien
2. Erard M, Dick R, Zimmerli B (1986): Studie zum Lebensmittel-Pro-Kopf-Verzehr der
Schweizer Bevölkerung, Mitt. Gebiete Lebensm. Hyg. 77. S 88-130.
3. Fachverband der Nahrungs- und Genußmittelindustrie: Jahresberichte 1971 -1994. Wien.
4. Österreichisches Statistisches Zentralamt - ÖSTAT (1948-1995): Statistische Nachrichten,
Ernährungsbilanzen 1947/48-1993/94.
5. Österreichisches Statistisches Zentralamt - ÖSTAT (10/1997): Statistische Nachrichten, Versorgungsbilanzen für tierische und pflanzliche Produkte 1994/95 und 1995/96 bzw. 1995
und 1996.
6. Österreichisches Statistisches Zentralamt - ÖSTAT (6/1998): Statistische Nachrichten, Versorgungsbilanzen für pflanzliche Produkte 1996/97.
7. Österreichisches Statistisches Zentralamt - ÖSTAT (10/1998): Statistische Nachrichten, Versorgungsbilanzen für tierische Produkte 1997.
8. Österreichisches Statistisches Zentralamt ÖSTZA (1956): Der Verbrauch der städtischen
Bevölkerung Österreichs, Ergebnisse der Konsumerhebung 1954/55.
9. Österreichisches Statistisches Zentralamt ÖSTZA (1966): Der Verbrauch der städtischen
und bäuerlichen Bevölkerung Österreichs, Ergebnisse der Konsumerhebung 1964.
10. Österreichisches Statistisches Zentralamt ÖSTZA (1976): Konsumerhebung 1974, Ergebnisse für Österreich 1974.
11. Österreichisches Statistisches Zentralamt ÖSTZA (1986): Konsumerhebung 1984, Ergebnisse für Österreich 1984.
12. Österreichisches Statistisches Zentralamt ÖSTZA (1947-1995): Statistische Nachrichten,
Ernährungsbilanzen 1947-1994.
Kapitel
2
Ernährungszustand der österreichischen
Bevölkerung
Zusammenfassung
Die Österreichische Studie zum Ernährungsstatus OSES (Austrian
Study on Nutritional Status, ASNS) hat zum Ziel, Informationen zum
Ernährungszustand in Österreich zu erheben und zu dokumentieren.
Als Teilstudien zu diesem Vorhaben wurden Untersuchungen an
Schulkindern (n=2173), Erwachsenen (n=2488), schwangeren
(n=350) und stillenden Frauen (n=43) und älteren Menschen
(n=78) mit verschiedenen Instrumentarien zur Erhebung der Nährstoffaufnahme und über die laborchemische Analyse von Blut und
Harn durchgeführt.
Die Energieaufnahmen der österreichischen Schüler liegen in allen
Altersgruppen im Bereich der Empfehlungen, geringfügig unter den
Empfehlungen liegen die Schülerinnen; Abweichungen hiervon sind
in einzelnen Fällen sowohl nach oben als auch nach unten festzustellen. Bei etwa einem Drittel der Schülerinnen und Schüler entspricht
die Fettaufnahme den Empfehlungen (ca. 30% der Energiezufuhr).
Diese Gruppe weist signifikant höhere Aufnahmen an Ballaststoffen,
Kohlenhydraten, β-Carotin und Folsäure und signifikant niedrigere
Aufnahmen an Protein und Cholesterin auf als die übrigen Gruppen
mit einer Fettaufnahme von 38-40% der Energie. Gut ist der Status aller Altersgruppen bei Retinol, Tocopherol, Vitamin D und Cobalamin
sowie Magnesium und Kalium. Die Verbreitung eines leichten Jodmangels liegt vor allem in der Steiermark und Oberösterreich zwischen 30 und 50%. Suboptimal war der Status in einigen Fällen auch
für Calcium, Zink, Vitamin B6 und Folsäure.
Die Energieaufnahme der erwachsenen Österreicher und Österreicherinnen lagen im Bereich der Empfehlungen mit teilweise großen
Streuungen. Auf Basis der Aufnahmen an Eiweiß, Fett und Cholesterin kann auf einen unerwünscht hohen Anteil tierischer Nahrungsmittel in der Kost der erwachsenen Österreicher geschlossen werden.
Bei den Vitaminen D, B1, B2, B6 sowie bei den Mineralstoffen Calcium, Magnesium, Zink und Jod ist mit einer unzureichenden Zufuhr
zu rechnen, während bei den übrigen Nährstoffen im allgemeinen
eine zufriedenstellende Situation festgestellt wurde.
Ähnlich wie bei den Kindern und Erwachsenen wurde auch bei den
älteren Menschen eine wenig zufriedenstellende Fettaufnahme und
gleichzeitig ungünstige Fettzusammensetzung ermittelt. Als dringend
verbesserungswürdig stellt sich die Versorgung mit Vitamin B6 und
Vitamin D dar. In geringerem Maße ist auch bei den Nährstoffen Vitamin C, Folsäure und β-Carotin eine Optimierung erforderlich.
Besondere Anforderungen werden an die Ernährung der Schwangeren gestellt, da der Ernährungsstatus sowohl die Gesundheit der Mutter als auch die fetale Entwicklung beeinflußt. Die empfohlenen Aufnahmemengen an Energie, Kohlenhydraten und Ballaststoffen werden unter-, jene an Protein und Fett überschritten. Die Ergebnisse
zeigen ferner, daß gerade die Nährstoffe, deren Zufuhrempfehlungen
in der Schwangerschaft deutlich erhöht sind (Vitamin D, B1, B6, Folsäure, Eisen und Zink) von schwangeren Frauen in unzureichenden
2.2
Kapitel 2: Ernährungszustand
Mengen aufgenommen werden. Laborchemische Auswertungen ergaben besonders niedrige Statusdaten bei den Vitaminen B2, B6, Folsäure und β-Carotin sowie bei Calcium und Eisen.
Auch in der Stillzeit ist auf eine höhere Nährstoffdichte zu achten.
Die Untersuchungen der österreichischen Stillenden zeigen, daß
nicht bei allen Nährstoffen immer die optimale Versorgung sichergestellt werden kann. Bei den Mikronährstoffen ist hierbei insbesondere
auf die Aufnahme der Vitamine A, D, E, B1, B6 und Folsäure sowie
der Mineralstoffe Calcium und Eisen zu achten. Aufgrund der Bedeutung dieser Nährstoffe für die normale Entwicklung des Kindes und
die Regeneration der mütterlichen Speicher kann in bestimmten Fällen eine Optimierung über Nährstoffsupplemente oder angereicherte
Lebensmittel erfolgen.
2.1 Kinder und Jugendliche
Kapitel 2
2.1
Ernährungszustand der
österreichischen Bevölkerung
Die Ernährung und ein ausreichender Versorgungszustand mit Nährstoffen sind
in allen Lebensabschnitten von zentraler Bedeutung für die menschliche Gesundheit. Der Ernährungsstatus einzelner Bevölkerungsgruppen beschreibt mittels empirischer bzw. laborchemischer Methoden die jeweilige Versorgungslage mit Nahrungsenergie und einzelnen Nährstoffen. Die Auswahl der Methoden orientiert sich primär an den spezifischen Fragestellungen und strukturellen
Gegebenheiten der Untersuchungen. Je nach ausgewählten Parametern können
auf der Basis des Ernährungsstatus Aussagen über die aktuelle Versorgungssituation (Daten zum aktuellen Verzehr, Bestimmung der Gehalte an Nährstoffen in
Körpergeweben und -flüssigkeiten), oder aber über langfristige Auswirkungen
der Ernährung (anthropometrische Messungen, Untersuchungen des Depotfettes, etc.) getroffen werden. Energie- und Nährstoffaufnahmen erlauben eine
exakte Anamnese der Zusammensetzung der Nahrung und der Lebensmittelwahl sowie den Vergleich der Aufnahmen verschiedener Gruppen im Vergleich
zu anderen (Beaton 1985). Für die Risikoabschätzung und die Formulierung
konkreter Verbesserungsvorschläge für einzelne Zielgruppen sind diese Daten
unabdingbar, sie sind jedoch - bedingt durch die relativ hohe Variabilität - nur
eingeschränkt für eine Abschätzung des Versorgungszustandes des Individuums
geeignet. Ein weiteres Problem stellt in diesem Zusammenhang auch die Höhe
der jeweiligen Empfehlung zur Aufnahme dar. Die Höhe der Empfehlung liegt
in der Regel weit über dem Bedarf der meisten betroffenen Personen, da die
Empfehlungen primär mit dem Bestreben formuliert werden, das Risiko einer
Unterversorgung möglichst gering zu halten (s.a. Kap. 7). Der Status einzelner
Nährstoffe bzw. Funktionsparameter derselben in Körperflüssigkeiten ermöglichen eine objektive Beurteilung des individuellen Status auf Basis von klinisch
relevanten Referenzwerten und dienen damit als Datengrundlage für eine Definition von Risikogruppen in der Bevölkerung.
Die genannten Untersuchungen bildeten einen wichtigen Schwerpunkt im
Rahmen der am Institut für Ernährungswissenschaften durchgeführten Erhebungen zum Ernährungsstatus breiterer Bevölkerungsgruppen in Österreich. Sämtliche zu diesem Thema durchgeführten Teilstudien werden unter dem Begriff
ÖSES – Österreichische Studie zum Ernährungsstatus (= ASNS - Austrian Study
on Nutritional Status) – zusammengefaßt.
2.1 Kinder und Jugendliche
Mit der Dokumentation der Situation des Ernährungsstatus von Kindern und
Jugendlichen wurde das Vorhaben der ÖSES im Jahr 1991 begonnen. Die er-
2.2
Kapitel 2: Ernährungszustand
sten Daten wurden im Ersten Wiener Ernährungsbericht (Elmadfa et al. 1994c)
veröffentlicht, mittlerweile liegen detaillierte Ergebnisse zur österreichweit
durchgeführten Verzehrs- und Statuserhebung 6-18jähriger Schülerinnen und
Schüler vor1. Über die Durchführung von 7-Tage-Wiegeprotokollen (n=2173)
konnte die Aufnahme an Energie und Nährstoffen ermittelt und über die Untersuchung von Blut- und Urinproben (n=1400) der Status gemessen werden. Die
Auswertung der Verzehrsprotokolle erfolgte mithilfe des Ernährungswissenschaftlichen Programmes EWP 2.5 auf Basis des Bundeslebensmittelschlüssels
BLS 2.1.
2.1.1 Aufnahme an Energie und Hauptnährstoffen
In diesem Kapitel soll einerseits die Aufnahme an Nahrungsenergie interpretiert
und andererseits die Aufnahme an energieliefernden Nährstoffen bzw. assoziierten Komponenten beleuchtet werden. Die Basisdaten für die Energieaufnahme sind in Tab. 2.1.1 zusammengefaßt.
Es konnte in allen Altersgruppen eine signifikant höhere Energieaufnahme der
männlichen im Vergleich zur weiblichen Gruppe festgestellt werden. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Altersgruppen waren ebenfalls signifikant
(p<0.001), wobei der Zuwachs bei der männlichen Gruppe deutlicher war als
bei der weiblichen Gruppe. Als physiologische Ursache dieser Entwicklung
kann der stärkere Zuwachs an magerer Körpermasse bei der männliche Gruppe
gewertet werden, der einen deutlichen Mehrbedarf an Energie bedingt (Godina-Zarfl et al. 1992, Pellet 1990).
Tab. 2.1.1: Aufnahme an Energie (MJ/d), Ergebnisse der Geschlechts- und Altersgruppen (mw±
± sd)
alle
6 J.
7-9 J.
10-12 J.
13-14 J.
15-18 J.
Gesamt
8.79 ± 2.4
5.91 ± 1.0
7.75 ± 1.3
8.43 ± 1.6
9.09 ± 2.1
10.27 ± 2.9
weiblich
8.08 ± 1.8
5.65 ± 0.9
7.47 ± 1.1
7.83 ± 1.3
8.53 ± 2.0
8.81 ± 1.6
männlich
9.63 ± 2.8
6.11 ± 0.9
8.11 ± 1.3
9.11 ± 1.7
9.83 ± 1.9
12.05 ± 3.2
Als wünschenswerte Relation der Energieträger wird von allen Experten eine
Fettaufnahme von maximal 30-35 % der Energie und eine Kohlenhydrataufnahme von 50-55 % der Energie empfohlen, manche Gremien sprechen sich
sogar für einen Kohlenhydratanteil von 60 % der Energie aus. Daraus resultiert
eine praktisch auch erreichbare und umsetzbare Aufnahme an Eiweiß, die zu
10-15 % zur Energiezufuhr beiträgt (DGE 1991). Die Ergebnisse der österreichischen Schülerinnen und Schüler (siehe Tab. 2.1.2) zeigen im Durchschnitt etwas über der Obergrenzen der Richtlinie von 35 % liegende Fettaufnahmen.
1
Detaillierte Darstellung der Ergebnisse bei Godina-Zarfl 1996
2.1 Kinder und Jugendliche
2.3
Der Anteil an Kohlenhydraten ist in einzelnen Altersgruppen etwas unter den
wünschenswerten 50-55 %, vor allem in der männlichen Gruppe. Die Eiweißaufnahmen liegen innerhalb des Bereiches, der als akzeptabel betrachtet wird.
Insgesamt entsprechen die Ergebnisse der ASNS-Schülerstudie den traditionellen Ernährungsmustern der industrialisierten Staaten.
Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate sind neben ihrer Funktion als energieliefernde
Nahrungsbestandteile auch wertvolle Träger von Nährstoffen und Begleitstoffen.
Nahrungsfett ist einer der wichtigen Energieträger. Neben der Information über
die quantitative Aufnahme sind jedoch auch Aussagen zur Fettqualität von Bedeutung. Ein Kriterium bei der Charakteristik der Fettaufnahme ist die Relation
der gesättigten (SFA) zu den einfach (MUFA) bzw. mehrfach (PUFA) ungesättigten Fettsäuren. Wünschenswert ist dabei, daß alle drei Fettsäuren zu etwa
einem Drittel an der Aufnahme beteiligt sind. Vor allem wird eine mäßige Aufnahme an gesättigten Fettsäuren empfohlen, da primär ihr Konsum mit einem
höheren Risiko für eine Reihe ernährungsabhängiger Erkrankungen verbunden
ist (WHO Study Group 1990). In Tab. 2.1.3 sind die Ergebnisse der Aufnahmen
an SFA, MUFA und PUFA an der Gesamtfettaufnahme der 6- bis 18jährigen
Schülerinnen und Schüler zusammengefaßt.
Tab. 2.1.2 : Aufnahme an energieliefernden Nährstoffen von 6- 18jährigen
(mw±
± sd)
Nährstoff
6 Jahre
7-9 Jahre
10-12 Jahre
männlich
Eiweiß - g
43 ± 8
57 ± 11
67 ± 14
Fett - g
55 ± 11
74 ± 16
86 ± 18
KH - g
181 ± 32
237 ± 42
257 ± 52
Alkohol - g
0.1 ± 0.1
0.3 ± 0.4
0.7 ± 4.1
En % Eiweiß 13.0 ± 1.6 13.0 ± 1.4 13.5 ± 1.8
En % Fett
35.8 ± 3.4 36.5 ± 4.2 37.6 ± 3.5
En % KH
51.2 ± 4.0 50.5 ± 4.7 48.7 ± 4.6
En % Alkohol 0.07 ± 0.07 0.10 ± 0.16 0.25 ± 1.36
weiblich
Eiweiß - g
40 ± 8
52 ± 11
55 ± 12
Fett - g
52 ± 11
70 ± 14
71 ± 16
KH - g
165 ± 30
215 ± 39
230 ± 47
Alkohol - g
0.2 ± 0.2
0.2 ± 0.3
0.3 ± 0.7
En. % Eiweiß 12.9 ± 1.3 12.8 ± 1.8 12.9 ± 1.7
En % Fett
36.6 ± 3.8 37.4 ± 4.4 36.2 ± 4.3
En % KH
50.5 ± 4.4 49.8 ± 5.2 50.7 ± 5.1
En % Alkohol 0.09 ± 0.12 0.09 ± 0.14 0.13 ± 0.32
13-14 Jahre
15-18 Jahre
74 ± 15
94 ± 21
272 ± 65
0.7 ± 1.7
13.8 ± 1.9
38.2 ± 4.6
47.7 ± 5.6
0.24 ± 0.59
92 ± 27
111 ± 31
338 ± 98
3.5 ± 9.8
13.9 ± 2,0
36.7 ± 4.1
48.5 ± 5.2
0.90 ± 2.30
61 ± 15
79 ± 19
244 ± 72
0.5 ± 1.1
13.2 ± 1.6
37.3 ± 4.2
49.4 ± 4.8
0.18 ± 0.39
63 ± 13
80 ± 18
256 ± 54
1.4 ± 3.0
13.1 ± 1.6
36.3 ± 4.6
50.2 ± 5.2
0.51 ± 1.09
En % = Energieprozent, KH = Kohlenhydrate
Es zeigt sich, daß der Anteil der SFA mit etwa 47 % der Fettsäureaufnahme
deutlich überwiegt, wobei dies primär zu Lasten des Anteils an PUFA geht, der
nur etwa 15 % der Aufnahme liefert. Die MUFA liegen auch etwas zu hoch,
mit 37 % der Fettsäureaufnahme jedoch näher am Richtwert als die PUFA.
2.4
Kapitel 2: Ernährungszustand
Eine ähnliche Verhältniszahl wie die Relation der Fettsäuregruppen zueinander
stellt auch der P/S-Quotient dar. Wünschenswerte Verhältniszahlen liegen im
Bereich zwischen 0.5 und 1. Tab. 2.1.3 zeigt, daß in der Realität das Verhältnis
weit unter dem wünschenswerten liegt, nur bei etwa 10 % der 6- bis 18jährigen
wird ein Wert zwischen 0.5 und 1 erreicht.
Hintergrund für diese Richtwerte ist die Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Eine höhere Aufnahme an mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist mit
einem geringeren Risiko verbunden als eine höhere Aufnahme an gesättigtem
Fett. Die Optimierung der Aufnahme an einzelnen Fettkomponenten ist jedoch
nicht von primärer Bedeutung, da das vorrangige Ziel die Reduktion des Gesamtfettkonsums darstellt (WHO Study Group 1990). Da die gesättigten Fette
primär tierischen Ursprungs sind, kann jedoch über die Reduktion der fetten
tierischen Produkte eine sinnvolle Optimierung sowohl der Quantitäten als
auch der Qualitäten erfolgen.
Tab. 2.1.3: Anteil der Aufnahme an SFA, MUFA und PUFA an der Gesamtfettaufnahme bei männlichen und weiblichen 6- bis 18jährigen
männlich
% PUFA
% SFA
% MUFA
P/S-Quotient
weiblich
% PUFA
% SFA
% MUFA
P/S-Quotient
6 Jahre
7-9 Jahre
10-12 Jahre
13-14 Jahre
15–18 Jahre
15.0±3.8
48.1±3.8
36.9±2.1
0.32±0.12
15.8±2.9
47.2±3.5
37.0±2.1
0.34±0.09
15.1±3.6
47.1±4.1
37.7±2.8
0.33±0.10
15.7±3.6
46.9±3.8
37.4±2.7
0.34±0.10
15.1±3.0
46.8±3.7
38.1±2.3
0.33±0.09
15.2±3.7
47.6±4.9
37.2±2.1
0.33±0.13
15.8±3.6
46.5±3.9
37.7±2.8
0.35±0.11
15.7±3.2
47.3±3.5
37.0±2.5
0.34±0.09
15.7±3.2
47.3±3.3
37.0±2.3
0.34±0.09
16.0±3.3
47.4±3.4
36.5±2.5
0.34±0.09
PUFA = polyunsaturated fatty acids, MUFA = monounsaturated fatty acids, SFA = saturated
fatty acids
Das Nahrungscholesterin wird ebenfalls häufig als ungünstiger Faktor in bezug
auf die Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen diskutiert. Obwohl die
Assoziation zwischen der Höhe der Serumcholesterinspiegel und der Höhe des
Nahrungscholesterins nicht immer gefunden werden konnte (Hopkins 1992),
besteht die Empfehlung, daß im Durchschnitt maximal 300 mg Cholesterin pro
Tag konsumiert werden sollten.
Tab. 2.1.4: Aufnahme an Cholesterin bei Schülern und Schülerinnen (mw±sd)
Cholesterin (mg/d)
männlich
weiblich
Signifikanz
6 Jahre
239±65
212±56
p<0.05
7-9 Jahre
321±84
306±95
p<0.01
10-12 Jahre
359±97
299±91
p<0.01
13-14 Jahre
373±103
331±101
p<0.01
15-18 Jahre
458±179
321±93
p<0.001
Die Ergebnisse der ASNS-Studie zeigen deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede, wenn die Höhe der absoluten Cholesterinaufnahme beurteilt wird
2.1 Kinder und Jugendliche
2.5
(siehe Tab. 2.1.4). Unterhalb einer Cholesterinaufnahme von 300 mg/d liegen
nur die 6jährigen, alle anderen Gruppen befinden sich im Bereich von 300
mg/d (7- bis 12jährige Schüler und 7- bis 18jährige Schülerinnen) oder deutlich
darüber (13- bis 18jährige Schüler). Dieses Ergebnis ist relativ gut mit den Daten zum Lebensmittelkonsum in Einklang zu bringen, da dieser bei der männlichen Gruppe einen höheren Konsum tierischer Produkte (Fleisch, Wurst, Käse)
gezeigt hat. Auffällig ist, daß dieser Unterschied mit Zunahme des Alters, und
mit der bei der männlichen Gruppe steigenden Energie- und Nahrungsaufnahme umso deutlicher wird. In allen Altersgruppen wurde gefunden, daß die
Energieaufnahme der weiblichen Gruppe deutlich unter der der männlichen lag
(siehe Tab. 2.1.1).
Es konnte ferner festgestellt werden, daß die primären Determinanten der Cholesterinaufnahme nicht das Geschlecht und die Energieaufnahme, sondern die
Höhe der Fettaufnahme und der Aufnahme an Eiweiß sind. Je höher die Aufnahme an Fett und tierischem Eiweiß, desto höher ist die Aufnahme an Nahrungscholesterin. Wie im folgenden noch gezeigt wird (siehe Tab. 2.1.6), ist
jedoch in der männlichen Gruppe ein höherer Eiweißkonsum zu erwarten. Indirekt bedeutet dies daher, daß über die Ausprägung der Gewohnheiten der
männlichen Gruppe, vermehrt Eiweiß zu konsumieren, auch eine höhere Cholesterinaufnahme bei männlichen Schülern, vor allem nach Einsetzen der Pubertät zu erwarten ist.
Fett ist neben seiner Aufgabe als wichtiger Energielieferant vor allem als Träger
der essentiellen Fettsäuren wichtig, die für die Bildung von Strukturlipiden
bzw. Eicosanoiden eine große Bedeutung haben. Als essentiell werden die
ω6-Fettsäure Linolsäure (aus ihr können die ω6-Fettsäuren Arachidon- und Eicosatriensäure gebildet werden) und die ω3-Fettsäure α-Linolensäure (aus ihr sind
im Organismus die ω3-Fettsäuren Stearidon-, Docosapentaen-, Timnodon- und
Clupandonsäure synthetisierbar) bezeichnet. Tab. 2.1.5 zeigt die Ergebnisse zur
Aufnahme an diesen Fettsäuren, eine Unterscheidung nach Geschlechtern wurde aufgrund nicht vorhandener Unterschiede zwischen den Gruppen unterlassen.
Tab. 2.1.5: Tägliche Aufnahme von ω6- und ω3-Fettsäuren (mw±SEM1)
6 Jahre
7-9 Jahre 10-12
Jahre
ess. Fettsäuren (En%) 4.6±0.1 4.9±0.2 4.8±0.3
Σ der ω6-Säuren (g) 6.1±0.2 8.5±0.2 9.1±0.2
Σ der ω3-Säuren (g) 1.1±0.03 1.4±0.04 1.5±0.04
1
13-14
Jahre
5.1±0.2
10.0±0.2
1.7±0.05
15-18
Jahre
4.7±0.3
10.0±0.2
1.7±0.04
DGE2
> 3.5
10
1-1.5
Standardfehler (standard error of mean), 2Werte gelten für Erwachsene
Mit dem Alter ist eine deutliche Zunahme der Aufnahme essentieller Fettsäuren
zu beobachten, die durch die Zunahme an Nahrungsmengen und Gesamtfett
bedingt ist. Für die Aufnahme an essentiellen Fettsäuren wurden Richtwerte für
ihren Beitrag zur Nahrungsenergie formuliert (DGE 1991). Mindestens 3.5 %
2.6
Kapitel 2: Ernährungszustand
der Energie sollten aus essentiellen Fettsäuren stammen. In allen Altersgruppen
wird dieses Kriterium im Durchschnitt erreicht, nur etwa 3 % der Protokolle
liegen unter diesem Richtwert. Für die Linolsäure werden Aufnahmen von etwa
3 % der Gesamtenergiezufuhr empfohlen, was beim Erwachsenen einer durchschnittlichen Menge von ca. 10 g/d entspricht. Auch dieser Gehalt wird von
den 6- bis 18jährigen erreicht, nur etwa 7 % der Protokolle lagen darunter. Ein
ähnlich positives Bild kann auch für die Aufnahme an α-Linolensäure (ω3) gezeichnet werden, für die bei Erwachsenen ein Richtwert von 1-1.2 g/d bzw. 0.5
% der Energie formuliert wurde. Nur knapp 5 % erreichen diesen Wert nicht.
Als weiteres Kriterium, nach dem die Qualität der Aufnahme von Fett beurteilt
werden kann, gilt das Verhältnis von ω6- zu ω3-Fettsäuren. Die Aufnahme an
ω6-Fettsäuren sollte die der ω3-Fettsäuren um das Fünf- bis Fünfzehnfache
übersteigen. Die Ergebnisse der Schülerstudie zu dieser Verhältniszahl zeigten,
daß nur knapp 10 % der Protokolle geringfügig unter dem Fünffachen liegen,
wobei alle Alters- und Geschlechtsgruppen gleich häufig betroffen waren.
Die primäre Funktion von Eiweiß im Stoffwechsel ist die Bereitstellung von
Aminosäuren zur Synthese von Körpersubstanz, daneben kann es jedoch auch
als Energielieferant herangezogen werden. Die wichtigsten Ergebnisse der Schülerstudie zur Aufnahme an Eiweiß sind im folgenden zusammengefaßt:
Die absoluten Aufnahmen an Eiweiß liegen in der männlichen Gruppe zwischen 43 und 92 g/d, in der weiblichen Gruppe zwischen 40 und 63 g/d (siehe
Tab. 2.1.6). Dieser geschlechtsspezifische Unterschied ist ab der Gruppe der
10- bis 12jährigen signifikant. Im Altersbereich der 10- bis 18jährigen findet in
der männlichen Gruppe ein stärkeres Wachstum der mageren Körpermasse statt
als in der weiblichen Gruppe, das zum Teil diese erhöhte Aufnahme an Eiweiß
erforderlich macht (Elmadfa et al. 1994a, Godina-Zarfl et al. 1992). Um diesem
erhöhten Bedarf Rechnung tragen zu können, wurden Empfehlungen bezogen
auf das Körpergewicht (Normalgewicht) formuliert, die bei den 15- bis
18jährigen der männlichen Gruppe eine höhere Eiweißaufnahme (0.9 g/kg KG
statt 0.8 g/kg KG) vorsehen. Bei den Jüngeren liegen die Empfehlungen bei
1.1 g/kg KG für Burschen bzw. 1 g/kg KG für Mädchen.
Tab. 2.1.6: Aufnahme an Gesamteiweiß, tierischem und pflanzlichem Eiweiß
(g/d)
Eiweiß
6 Jahre
7-9 Jahre
gesamt
43±8
davon tier.
28±7
davon pflanzl. 15±3
57±11
36±10
21±4
gesamt
40±8
davon tier.
25±8
davon pflanzl. 15±5
52±11
33±10
19±4
10-12 Jahre
männlich
67±14
43±12
23±5
weiblich
55±12
35±10
21±5
13-14 Jahre
15-18 Jahre
74±15
48±12
26±7
92±27
60±20
32±10
60±13
38±10
22±6
63±13
38±11
24±6
2.1 Kinder und Jugendliche
2.7
Aus Tab. 2.1.6 ist ersichtlich, daß ein geschlechts-un-spezifisches Merkmal der
Ergebnisse beim Verhältnis von tierischem zu pflanzlichem Eiweiß vorliegt.
Obwohl tierisches Eiweiß aufgrund seines günstigeren Aminosäuremusters eine
höhere biologische Wertigkeit besitzt, wird ein ausgewogenes Verhältnis von
50 % tierischem und 50 % pflanzlichem Eiweiß für die Prävention verschiedener Erkrankungen als sinnvoll angesehen (DGE 1991). Auffällig ist ferner, daß in
der weiblichen Gruppe der relative Anteil an pflanzlichem Eiweiß mit durchschnittlich 38 % etwas höher ist als in der männlichen Gruppe (36 %). Diese
Differenz war jedoch nur bei den 15- bis 18jährigen signifikant (p < 0.01).
Dieses Ergebnis findet eine gute Entsprechung bei der Analyse der Lebensmittelgruppen, da bei der weiblichen Gruppe ein signifikant höherer Konsum an
Obst und Gemüse und ein signifikant niedrigerer Konsum an Fleisch und
Wurstwaren gefunden wurde.
Zusammenfassend kann die Aufnahme an Eiweiß als äußerst zufriedenstellend
charakterisiert werden. Nur in Einzelfällen wurden geringfügig unter der DGEEmpfehlung liegende Aufnahmen gefunden. Als nachteilig kann das deutliche
Übergewicht des tierischen Eiweißes bewertet werden. Eine Hebung des Verzehrs pflanzlicher zu Lasten von tierischen Produkten würde im allgemeinen
eine Verbesserung der Nährstoffrelationen bedeuten.
Es wird empfohlen, daß die Energieaufnahme zu mehr als 50 % aus Kohlenhydraten stammen soll. Diese Richtlinie wurde aus epidemiologischen Untersuchungen abgeleitet, da in Ländern mit einem sehr hohen Anteil an Kohlenhydraten in der Nahrung eine niedrige Mortalität an ernährungsabhängigen Erkrankungen besteht. Die Art der Zusammensetzung der aufgenommenen Kohlenhydrate ist für die präventive Wirkung von besonderer Bedeutung. Vor allem
sollten die konsumierten Kohlenhydrate aus Polysacchariden bestehen, Disaccharide (primär die Saccharose) sollten hingegen nur zu einem geringen Anteil
an der Aufnahme beteiligt sein. Dies hat zur Konsequenz, daß der Anteil an
Ballaststoffen in der Nahrung ebenfalls hoch ist, da diese in Verbindung mit
polysaccharidreichen Lebensmitteln aufgenommen werden.
Als erstes Kriterium bei der Beschreibung der Kohlenhydrataufnahme wird das
Verhältnis der Mono-, Di- und Polysccharide dargestellt (siehe Tab. 2.1.7).
Alters- und geschlechtsunabhängig liegt der Anteil der Polysaccharide bei etwas
über 40 % der gesamten aufgenommenen Kohlenhydrate. 15 bis 18 % der Kohlenhydrate stammen aus Monosacchariden und circa ein Drittel aus Disacchariden. Es zeigt sich jedoch ein leichter altersabhängiger Trend insofern, als daß
der Anteil an Disacchariden mit zunehmendem Alter abnimmt. Bei den
6jährigen ist er am höchsten und beträgt 42 % der gesamten Kohlenhydrataufnahme. Die Gruppe der Disaccharide umfaßt neben der Saccharose vor allem
Laktose und Maltose, die bei der ASNS zu etwa 20 % zur Aufnahme an Disacchariden beitragen. Die Veränderung des Disaccharidanteils ist primär durch
den Konsum an Saccharose zur erklären. Sowohl in der weiblichen, wie auch
2.8
Kapitel 2: Ernährungszustand
in der männlichen Gruppe nimmt der Energieanteil aus Saccharose mit dem
Alter ab, wobei dies bei der männlichen Gruppe deutlicher ausgeprägt ist.
Tab. 2.1.7: Kohlenhydrate und ihre Komponenten (g/d, mw±sd) Aufnahme in
Gruppen nach Alter und Geschlecht
6 Jahre
7-9 Jahre
Kohlenhydrate g
Monosaccharide g
Disaccharide g
En% Saccharose
Polysaccharide g
davon Stärke g
181±32
26±10
75±19
15.4±3.5
79±19
78±19
237±42
39±18
88±25
13.9±3.5
108±20
107±19
Kohlenhydrate g
Monosaccharide g
Disaccharide g
En% Saccharose
Polysaccharide g
davon Stärke g
165±30
24±7
70±24
15.1±4.6
70±19
69±19
215±39
35±13
80±28
13.9±4.0
99±21
98±21
10-12 Jahre
Männlich
257±52
43±23
90±29
12.7±3.8
123±30
121±30
weiblich
230±47
40±19
84±27
14.4±4.3
105±28
104±28
13-14 Jahre 15-18 Jahre
272±65
45±24
92±37
12.2±4.2
134±35
132±35
338±98
55±30
122±52
12.9±4.4
159±52
157±52
240±50
41±22
88±28
13.9±3.9
109±29
108±29
256±54
40±17
97±30
14.3±4.0
117±30
115±30
Dennoch ist im Durchschnitt der Gruppen der Beitrag des Haushaltszuckers (=
Saccharose) in allen Gruppen über dem als akzeptabel zu betrachtenden Wert
von 10 % der Nahrungsenergie und liegt bei der weiblichen Gruppe im Mittel
zwischen 14 und 15 % (absolut: 55 und 80 g/d, akzeptabel: 33 - 52 g/d), in der
männlichen Gruppe zwischen 12 und 15 % (absolut: 60 - 100 g/d, akzeptabel:
35 – 70 g/d). Insgesamt liegen nur etwa 15 % der weiblichen und 22 % der
männlichen Gruppe im wünschenswerten Bereich. Hohe Saccharoseaufnahme
sind aus mehreren Gründen unerwünscht. Einerseits tragen sie zur Entwicklung
von Zahnkaries bei und andererseits können sie die Entwicklung von Übergewicht begünstigen.
Der Konsum an Polysacchariden beträgt im Durchschnitt etwa 40 % der insgesamt aufgenommenen Kohlenhydrate. In Tab. 2.1.7 wurde dargestellt, daß in
allen Altersgruppen und beiden Geschlechtern der Hauptanteil der Polysaccharide die Stärke ist. Die restlichen Polysaccharide sind vor allem tierischen Ursprungs (z. B. Glycogen), Polyfructosen, wie das Inulin kommen mengenmäßig
seltener vor, können jedoch auch einen Teil der Nicht-Stärke-Polysaccharide
darstellen. Wünschenswert wäre, wenn die Polysaccharide einen höheren Anteil an der Kohlenhydrataufnahme hätten und mindestens 50, wenn nicht sogar
60% der Aufnahme besteuern würden. Vor allem sollte der Konsum an Saccharose reduziert und durch Stärke ersetzt werden, wodurch eine in Summe bessere Relation der Nährstoffaufnahme entstünde.
Der Konsum der Ballaststoffe ist eng an die Aufnahme von pflanzlichen Polysacchariden geknüpft. In Tab. 2.1.8 sind die Ergebnisse zur Aufnahme dargestellt, wobei neben der Gesamtaufnahme auch eine Aufteilung in wasserlösliche und wasserunlösliche Ballaststoffe erfolgt. Allgemein gilt, daß mehr als 2/3
2.1 Kinder und Jugendliche
2.9
der Ballaststoffe aus wasserunlöslichen Ballaststoffen stammt. Zu dieser Gruppe
der Ballaststoffe zählen vor allem jene Substanzen, die für die Bildung der
Zellmembranen in den Pflanzen ausschlaggebend sind (v.a. Zellulosen, die
meisten Hemizellulosen und das Lignin). Sie sind in der Regel nicht durch Colonbakterien hydrolysierbar, so daß sie primär zur Erhöhung des Stuhlgewichtes
beitragen. Hauptvorkommen dieser Gruppe ist Getreide. Das restliche Drittel
der aufgenommenen Ballaststoffe sind die wasserlöslichen Komponenten (Pektin und einige Hemicellulosen, aber auch andere Polymere aus Carbonsäuren),
die vor allem in Obst vorkommen. Sie werden im Colon von den Bakterien fast
vollständig zu verschiedensten Fettsäuren (z. B. Acetat2, Propionat3 oder Butyrat4) abgebaut.
Tab. 2.1.8: Aufnahme an Ballaststoffen und ihren Komponenten (mw±sd)
6 Jahre
7-9 Jahre
Ballaststoffe g
Ballaststoffe g/MJ
davon wasserunlösliche g
davon wasserlösliche g
12±3
2.0±0.5
8.1±2.3
4.2±1.3
15±4
1.9±0.4
9.9±2.6
5.3±1.5
Ballaststoffe g
Ballaststoffe g/MJ
davon wasserunlösliche g
davon wasserlösliche g
13±4
2.2±0.6
8.3±2.7
4.3±1.4
14±3
1.9±0.4
8.8±1.9
4.9±1.1
10-12 Jahre 13-14 Jahre 15-18 Jahre
männlich
16±5
19±6
25±11
1.8±0.4 1.9±0.5 2.0±0.6
10.6±3.0 12.1±3.9 15.8±6.9
5.8±1.8 6.8±2.2 9.0±3.8
weiblich
15±4
18±5
20±6
1.9±0.5 2.1±0.5 2.3±0.6
9.6±2.7 11.3±3.2 12.9±3.9
5.5±1.7 6.3±2.0 7.3±2.4
Zieht man als Bewertungsgrundlage die Ballaststoffdichte pro konsumierter
Energie heran (ein alters- und geschlechtsunabhängiger Parameter), liegen nur
etwa 3 % der männlichen und 8 % der weiblichen Schülerinnen und Schüler
im wünschenswerten Bereich über dem Richtwert von 3 g/MJ. Auffallend ist ein
deutlicher altersspezifischer Trend, der bei beiden Geschlechtern zu beobachten ist. Vor allem in der männlichen Gruppe ist bei den 6jährigen der geringste
Anteil an niedrigen Ballaststoffdichten zu finden, auch in der weiblichen Gruppe ist die Ballaststoffdichte in dieser Altersgruppe überdurchschnittlich hoch.
Danach sinken die Konzentrationen deutlich ab und in der Gruppe der 7- bis
12jährigen sind etwa 70 % der Kinder im Bereich unter 2 g/MJ. Erst nach dem
Einsetzen der Pubertät nimmt die Ballaststoffdichte wieder zu, wobei der Effekt
in der weiblichen Gruppe besonders deutlich ausgeprägt ist.
2
Die Fettsäuren, v.a. Essigsäure, senken den pH-Wert im Colonlumen, wodurch die Umwandlung der primären in die kanzerogenen sekundären Gallensäuren unterbunden wird.
3
Die Propionsäure aus der Fermentation von Ballaststoffen ist als Ursache bei der ballaststoffinduzierten Senkung der Serumcholesterinwerte identifiziert worden, da sie die körpereigene
Synthese von Cholesterin aus Gallensäuren hemmt.
4
Die n-Buttersäure ist eines der wichtigsten Substrate für die Energiegewinnung in den Colonepithelzellen. Hohe Konzentrationen an Buttersäure sind imstande, die Promotion von Krebszellen im Colongewebe zu unterbinden.
2.10
Kapitel 2: Ernährungszustand
Diese Entwicklung steht auch im Einklang mit den Daten zum Lebensmittelkonsum. Während bei der männlichen Gruppe eine signifikant höhere Aufnahme
von Fleisch und Wurstwaren zu beobachten ist, nehmen bei der weiblichen
Gruppe trotz der in Summe geringeren Lebensmittelaufnahme die Verzehrsmengen an Obst und Gemüse signifikant zu.
Der Ballaststoffkonsum ist eines der traditionellen Merkmale, an denen der gesundheitsfördernde Wert der Ernährung gemessen wird (Kasper et al. 1992).
Der heutige Wissensstand über die präventive Wirkung der Ballaststoffe kann
dahingehend zusammengefaßt werden, daß der Konsum wasserunlöslicher Ballaststoffe nur bei Erkrankungen des Darmes, die mit Obstipation verbunden
sind (z. B. Divertikelbildung, Hämorrhoiden etc.) einen schützenden Effekt ausübt (Edwards 1993). Hohe Aufnahmen an Getreideprodukten zeigen jedoch
kaum schützende Effekte bei anderen Erkrankungen.
Der Konsum der wasserlöslichen Ballaststoffe hingegen wird als risikomindernder Faktor sowohl bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie auch bei verschiedenen Krebsformen (v.a. Colon und Brustkrebs) betrachtet (Trock et al. 1990). Die
neuen Richtlinien für die gesundheitsfördernde Ernährung sprechen daher primär davon, daß der Konsum von ballaststoffreichen Lebensmitteln gefördert
werden soll, wobei jedoch vor allem eine Steigerung des Konsums von Obst
und Gemüse erfolgen sollte (Kritchevsky 1993).
2.1.1 Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen
Für die Charakterisierung des Versorgungszustandes mit Mikronährstoffen wurden im Rahmen der ASNS zwei Ansätze gewählt. Über die 7-Tage-Wiegeprotokolle konnten die Aufnahmen ermittelt und über die Untersuchung von Blutund Urinproben effektive Versorgungs- und Funktionsparameter des Status gemessen werden.
Die Statusdaten sind für die Bewertung des Risikos einer Unterversorgung mit
Nährstoffen (auch auf individueller Ebene) gut geeignet. An dieser Stelle soll
aber auf den Problemkreis der Referenzwerte bei Kindern und Jugendlichen
hingewiesen werden. Die Beurteilungskriterien sind oft an Erwachsenenkollektiven validiert und auch aus diesem Grund nicht immer auf die Altersgruppen
der Kinder und Jugendlichen anwendbar. Die Qualität der Risikogruppendefinition kann daher unter Umständen durch nicht altersgemäße Normalbereiche beeinträchtigt werden. Die ASNS-Teilstudie der 6- bis 18jährigen ist aufgrund ihres großen Stichprobenumfanges und der Möglichkeit, daß neben der
Bewertung der Aufnahmen auch eine Bewertung des Status erfolgen kann, gut
dafür geeignet, altersspezifische Referenzwerte abzuleiten, die das Wissen um
die Normbereiche für Kinder und Jugendliche verbessern werden.
2.1.2.1 Vitamin- und Mineralstoffaufnahmen
Ausgehend von der geschlechtsspezifischen Auswertung (nicht in die Altersgruppen aufgeteilt) kann festgestellt werden, daß die Aufnahme vieler Nährstof-
2.1 Kinder und Jugendliche
2.11
fe im Bereich der DGE-Empfehlungen oder sogar darüber liegen (siehe
Tab. 2.1.9). Dies trifft vor allem für Cobalamin zu, aber auch für Kalium, Jod
und Magnesium. Bei der männlichen Gruppe liegen die Bewertungen in der
Regel etwas höher als bei der weiblichen.
Tab. 2.1.9: Relative Anteile (%) der Aufnahmen an Vitaminen und Mineralstoffen an den Empfehlungen der DGE - nach Geschlecht gruppiert
Nährstoff
Retinoläquivalente
Cholecalciferol
Tocopheroläquivalente
Thiamin
Riboflavin
Pyridoxin
Folatäquivalente
Cobalamin
Calcium
Kalium
Magnesium
Eisen
Jod
Zink
weiblich
89.8 - 98.7
31.4 - 35.0
91.1 - 95.9
85.2 - 88.9
100 - 105
80.9 - 84.3
84.4 - 88.3
175.1 - 192.9
87.3 - 91.6
118.3 - 123.7
112.1 - 118.1
85.6 - 89.1
111.8 - 127.1
77.1 - 79.3
männlich
86.2- 97.0
36.1 - 40.8
91.3 - 96.3
90.02- 94.3
106 – 112
82.0 - 85.9
90.2 - 94.9
209.9 - 234.0
95.4 - 100.7
137.0 - 145.4
120.4 - 126.9
110.5 - 114.8
128.6 - 131.0
88.9 - 93.8
Im Bereich der Empfehlung liegt die Aufnahme an Riboflavin für beide Geschlechter und an Eisen in der männlichen Gruppe. Die anderen angeführten
Nährstoffe erreichen im Durchschnitt 80 bis 100 % der Empfehlung. Dies trifft
aber nicht für das Vitamin D zu, das nur etwa ein Drittel der empfohlenen Tagesmengen erreicht.
Bei detaillierter Bewertung (in Geschlechts- und Altersgruppen getrennt) zeigt
sich, daß bei einigen Nährstoffen für das Gesamtkollektiv eine Aufnahme im
Bereich der Empfehlungen vorliegt, einzelne Gruppen aber z.T. deutlich unter
den Empfehlungen liegen. Dies trifft besonders für die Vitamine des BKomplexes (siehe Abb. 2.1.1) und die Mineralstoffe Calcium, Magnesium, Eisen
und Zink (siehe Abb. 2.1.2) zu. Ursache dieses Phänomens sind einerseits
Gruppenspezifika, andererseits aber charakteristische Veränderungen der Empfehlungen.
Auf Grundlage der 7-d-Wiegeprotokolle kann zusammenfassend folgende Charakteristik der Vitamin- und Mineralstoffaufnahmen im Vergleich mit den DGEEmpfehlungen von 1991 erfolgen:
2.1.2.1.1 Vitaminaufnahmen (siehe Abb. 2.1.1 und Tab. 2.1.10)
Ausreichend ist die Aufnahme an Retinol- und Tocopheroläquivalenten,
Riboflavin und Cobalamin. Wird die Aufnahme an Tocopherol in Beziehung
zur Aufnahme an mehrfach ungesättigten Fettsäuren betrachtet, so sind die Befunde der weiblichen Jugendlichen günstiger als jene ihrer männlichen Alters-
2.12
Kapitel 2: Ernährungszustand
genossen. Bei beiden ist aber aufgrund der Aufnahmen eine mehr als ausreichende Versorgung zu erwarten.
Unter Berücksichtigung dessen, daß die Aufnahmen an Vitamin D durchaus
innnerhalb des für mitteleuropäische Bevölkerungen üblichen Bereiches liegen,
kann das auf Basis der DGE-Empfehlung gefundene deutliche Defizit (siehe
Tab. 2.1.10) eher gelassen interpretiert werden. Die in unseren Breiten herrschende Witterung läßt einen ausreichenden Aufenthalt der Kinder und Jugendlichen im Freien erwarten, so daß die körpereigene Synthese ausreichen dürfte,
den effektiven Bedarf zu decken. Bei β-Carotin liegen die Aufnahmen etwas
unterhalb des wünschenswerten Bereiches von 2 mg/d.
Abb. 2.1.1: Relative Anteile der Aufnahmen an Vitaminen an der Empfehlung nach Alter und Geschlecht getrennt
Angaben als % der Aufnahmen an den Empfehlungen (100% = Empfehlung), Werte stellen das
95 % Konfidenzintervall dar.
Bei Thiamin können geringfügige Aufnahmedefizite vor allem in der weiblichen Gruppe erwartet werden. Die Aufnahme an Pyridoxin ist als unbefriedigend einzustufen. Besonders bei männlichen Jugendlichen ist - bedingt durch
deren hohe Eiweißaufnahme - mit einer höheren Prävalenz von suboptimalen
Funktionsparametern des B6-Status zu rechnen. Bei Folsäure ist ebenfalls besonders bei den Jugendlichen mit suboptimalen Aufnahmen zu rechnen.
2.1 Kinder und Jugendliche
2.13
2.1.2.1.2 Mineralstoffaufnahmen (siehe Abb. 2.1.2 und Tab. 2.1.10)
Ausreichend ist die Aufnahme an Jod und Magnesium. Der Mindestbedarf an
Kalium wird im Durchschnitt gedeckt, höhere Aufnahmen wären jedoch wünschenswert. Bei Calcium ist besonders bei den Jugendlichen mit suboptimalen
Aufnahmen zu rechnen. Die Eisenaufnahme läßt nur in der weiblichen Gruppe
(nach Beginn der Pubertät) bedingt durch die niedrigeren Aufnahmen an tierischen Eisenquellen bei gleichzeitig höherem Bedarf eine gewisse Verbreitung
von unzureichender Eisenversorgung erwarten.
Abb. 2.1.2: Relative Anteile der Aufnahmen an Mineralstoffen an der Empfehlung - nach Alter und Geschlecht getrennt
Die Bewertung der Zink-Aufnahmen ergab eine wenig zufriedenstellende Situation. Aufgrund der hohen Empfehlungen darf nicht unbedingt ein verbreiteter
Zinkmangel bei Kindern und Jugendlichen erwartet werden. Eine höhere Aufnahme an Zink wäre vor allem bei den weiblichen Jugendlichen wünschenswert, wobei diese nicht nur durch Fleisch, sondern auch durch eine Reihe anderer Lebensmittel erreicht werden kann. Bedingt durch die schlechtere Ausnutzung von Zink aus Getreide (Phytat hemmt die Zinkabsorption), sollten für
diesen Zweck tierische Produkte bevorzugt werden.
1
141 ± 27
56 ± 11
Zn1
67 ± 13
140 ± 27
104 ± 17
129 ± 27
118 ± 24
93 ± 22
211 ± 95
88 ± 20
83 ± 17
106 ± 23
81 ± 20
99 ± 33
32 ± 18
97 ± 49
7–9 Jahre
66 ± 14
122 ± 29
74 ± 11
93 ± 20
116 ± 26
89± 23
209 ± 100
92 ± 23
81 ± 24
106 ± 30
86 ± 25
93 ± 27
31 ± 19
79 ± 33
73 ± 16
125 ± 38
82 ± 16
86 ± 20
123 ± 39
89 ± 27
157 ± 92
75 ± 21
84 ± 18
103 ± 25
90 ± 19
90 ± 25
34 ± 20
90 ± 57
94 ± 21
83 ± 16
112 ± 29
81 ± 12
92 ± 36
21 ± 8
101 ± 77
91 ± 25
86 ± 18
116 ± 32
86 ± 19
94 ± 22
34 ± 18
107 ± 86
7–9 Jahre
98 ± 23
80 ± 16
102 ± 25
92 ± 23
88 ± 24
39 ± 24
82 ± 37
78 ± 19
133 ± 31
87 ± 14
85 ± 20
128 ± 32
84 ± 22
59 ± 12
129 ± 18
111 ± 21
158 ± 34
114 ± 27
107 ± 29
74 ± 15
139 ± 30
104 ± 17
143 ± 29
133 ± 34
97 ± 28
80 ± 19
127 ± 34
96 ± 19
118 ± 26
137 ± 36
97 ± 28
72 ± 17
139 ± 42
120 ± 22
98 ± 25
135 ± 35
95 ± 23
170 ± 66
77 ± 17
84 ± 16
106 ± 24
95 ± 22
92 ± 24
42 ± 31
79 ± 38
89 ± 27
171 ± 49
128 ± 20
97 ± 35
163 ± 61
99 ± 29
222 ± 122
100 ± 29
87 ± 28
113 ± 33
98 ± 23
102 ± 29
45 ± 25
98 ± 56
10–12 Jahre 13-14 Jahre 15-18 Jahre
männlich
159 ± 117 255 ± 175 266 ± 201 227 ± 77
89 ± 20
82 ± 20
95 ± 23
90 ± 21
92 ± 24
38 ± 25
109 ± 61
10–12 Jahre 13-14 Jahre 15-18 Jahre 6 Jahre
weiblich
Angaben als % der Aufnahmen im Vergleich zur Empfehlung (100 %=Empfehlung, Aufnahme erreicht die Empfehlung; unter 100 % sind
Aufnahmen, die nur 65,70 oder 80 % erreichen; über 100 % sind Überschreitungen der Empfehlungen um ein Vielfaches).
1...Bewertung der Nährstoffdichte
2...Bewertung der absoluten Aufnahmen
3...inkl. Jod aus jodiertem Kochsalz
4...Vitaminäquivalente
J
118 ± 32
1,3
159 ± 35
114 ± 31
Fe1
Mg
K2
1
115 ± 36
Ca
224 ± 65
1
97 ± 20
87 ± 18
B121
Folsäure
B 61
B2
113 ± 30
87 ± 20
1
B 11
E
101 ± 43
20 ± 9
103 ± 37
6 Jahre
1,4
D2
A
1,4
Vitamin/
Mineralstoff
Tab. 2.1.10: Prozentsätze der Empfehlungen, die mit der Aufnahme an Vitaminen und Mineralstoffen erreicht werden
(mw ± sd; DGE=100 %)
2.14
Kapitel 2: Ernährungszustand
540±338
564±251
männl.
5,1±4,5
männl.
weibl.
4,8±6,2
1,64±0,20
männl.
weibl.
1,58±0,25
1,21±0,09
männl.
weibl.
1,18±0,09
1,56±1,11
männl.
weibl.
1,09±0,47
weibl.
2
412±362
467±367
3,8±3,1
4,3±3,1
1,57±0,25
1,59±0,25
1,27±0,16
1,30±0,17
1,12±0,95
1,34±0,67
0,27±0,13
0,18±0,09
508±321
529±350
6,5±5,3
6,2±3,8
1,71±0,27
1,72±0,27
1,31±0,17
1,33±0,15
1,60±0,98
1,44±0,73
0,29±0,18
0,31±0,19
0,90±0,23
0,90±0,26
31,7±16,8
29,9±18,4
4,3±2,6
3,8±2,4
29,8±7,2
29,4±6,4
Alter
10-12 Jahre
588±447
494±294
6,8±4,6
6,7±4,4
1,68±0,27
1,70±0,25
1,30±0,16
1,36±0,16
1,14±0,70
1,01±0,78
0,28±0,21
0,21±0,10
0,85±0,18
0,88±0,18
29,3±14,8
33,0±19,1
4,5±3,1
3,2±2,4
31,5±6,0
32,7±6,7
13-14 Jahre
403±290
424±236
4,3±3,1
6,1±4,1
1,63±0,30
1,65±0,29
1,30±0,17
1,33±0,16
1,23±0,95
1,02±0,66
0,23±0,11
0,25±0,15
0,85±0,25
0,91±0,19
33,5±25,7
34,2±22,8
4,9±3,6
4,2±3,0
36,1±9,1
35,1±9,5
15-18 Jahre
200
5,9
1,5
<1,6
>0,2
>0,16
0,7
20 - 40
>6
>20
normal
100 - 200
3 – 5,9
1,5 – 2,0
>1,6
0,2
0,5 – 0,7
<20
2-6
100
<3
2,0
k.A.
0,5
k.A.
<2
Der Status ist
leicht
deutlich
erniedrigt
erniedrigt
<20
<10
im Serum; Referenzwerte nach Sauberlich et al.1976, im Serum; Referenzwerte nach Elmadfa et al. 1994b, 3 im Urin; Referenzwerte nach Speitling et al. 1992, 4 Aktivierungskoeffizient der erythrozytären Glutathionreduktase; Bewertung nach ASNS-Referenzwerten, 5 Aktivierungskoeffizient
der erythrozytären Glutamatoxalacetat-Transaminase; Referenzwerte nach Speitling et al. 1992
1
Vitamin B12
[pg/ml]1
Folsäure
[ng/ml]1
Vitamin B6
(α -EGOT)5
Vitamin B2
(α-EGR)4
Thiamin
[µmol/l]3
-
männl
0,93±0,21
-
weibl
0,90±0,13
Phyllochinon
[µg/l]2
1,00±0,21
0,83±0,18
Tocopherol (gesamt) weibl.
[mg/dl]1
männl.
35,1±23,8
40,6±32,1
30,5±14,8
5,3±2,6
männl.
5,5±2,9
männl.
4,3±2,9
28,8±7,0
31,3±10,0
7-9 Jahre
30,6±29,2
4,4±2,1
28,0±10,8
männl.
weibl.
27,8±9,5
weibl.
6 Jahre
weibl.
β-Carotin
[µg/dl]1
25-OH-Calciferol
[µg/l]2
Retinol
[µg/dl]1
Parameter
Tab. 2.1.11: Vitaminstatus bei 6-18jährigen Schülerinnen und Schülern (mw±sd)
2.1 Kinder und Jugendliche
2.15
1 ...
2 ...
3 ...
Zink
[mg/l]3
0,97±0,11 1,01±0,22 1,08±0,26 1,04±0,30
1,03±0,24 0,98±0,22 1,12±0,27 1,13±0,33
männl.
80,6±40,2 65,9±37,1 79,2±58,8 58,4±53,2
männl.
weibl.
72,5±40,7 50,5±30,8 72,8±94,0 60,9±62,2
weibl.
9,20±13,2
10,22±4,0 7,82±4,4
männl.
8,70±6,7
6,59±2,8 7,92±3,9 10,8±16,1 8,83±11,1
1,43±0,97 1,60±1,08 1,42±1,13 0,90±0,85
männl.
weibl.
2,01±1,23 1,56±1,15 1,71±3,36 1,23±1,54
weibl.
65,1±42,0 82,1±26,0 85,5±36,3 86,4±32,3
männl.
1,18±0,28
1,06±0,31
45,9±36,9
52,0±99,6
6,26±3,7
6,93±7,6
0,99±0,81
1,56±2,17
107,8±40
97,2±44,9
Alter
10-12 Jahre 13-14 Jahre 15-18 Jahre
70,0±18,1 84,6±37,9 98,5±32,7 95,1±34,4
7-9 Jahre
weibl.
6 Jahre
im Serum; Referenzwerte nach Hercberg et al. 1991
im Urin; Referenzwerte nach Kutzky 1981
im Serum; Referenzwerte nach Aggett 1993
Kalium
[mmol/g Creat.l]2
Magnesium
[mg/g Creat.]2
Calcium
[mmol/g Creat.]2
Eisen
[µg/dl]1
Parameter
Tab. 2.1.12: Mineralstoffstatus bei 6-18jährigen Schülerinnen und Schülern (mw±sd)
0,9
30 - 84
2 - 11
0,5 – 6,6
60
normal
0,7 – 0,9
<30
<2
<0,5
0,69
k.A.
k.A.
k.A.
Der Status ist
leicht
deutlich
erniedrigt erniedrigt
40 - 60
40
2.16
Kapitel 2: Ernährungszustand
2.1 Kinder und Jugendliche
2.17
2.1.2.2 Vitamin- und Mineralstoffstatus
Die ASNS orientierte sich bei der Wahl der Biomarker und verwendeten Labormethoden am aktuellen Standard. Vergleichbare Studien, wie die VERA
(Verbundstudie Ernährung- und Risikofaktorenanalytik) setzten ähnliche Instrumente bei Erwachsenen ein. Ziel des folgenden Kapitels ist einerseits die Ermittlung von Risikogruppen anhand der Bewertung der Biomarker und andererseits
der Vergleich mit den Ergebnissen der Risikogruppendefinition auf Basis der
Verzehrsdaten. Ein erster Überblick der Ergebnisse für das Gesamtkollektiv ist
in Abb. 2.1.3 dargestellt, die Statusdaten an Vitaminen und Mineralstoffen differenziert nach Altersgruppen in den Tab. 2.1.11 und 2.1.12.
Der biochemische Status zeigt, daß eine gute Versorgungssituation bei den Vitaminen Retinol (A), Phyllochinon (K), Thiamin (B1) und Cobalamin (B12) sowie
bei Kalium und Magnesium besteht. Diese Bewertung entspricht sehr gut der
Risikogruppendefinition aufgrund der Aufnahmen.
Die Bewertung des Retinolstatus auf Grundlage der Referenzwerte nach Sauberlich et al. (1976) zeigt, daß vor allem bei den jüngeren Kindern Befunde
unter 20 µg/dl gemessen wurden (5-6 %). Da die Retinolwerte jedoch mit dem
Alter signifikant zunehmen, deutet dies eher auf physiologisch bedingte niedrige Serumwerte als auf einen schlechteren Versorgungszustand der Gruppe hin.
Auch die Ergebnisse der Aufnahme-Erhebungen über 7-d-Wiegeprotokolle ergeben im Vergleich mit den DGE-Empfehlungen ein zufriedenstellendes Bild.
Abb. 2.1.3: Bewertung des laborchemischen Status an Vitaminen und Mineralstoffen bei 6- bis 18jährigen
*Bewertung basiert auf ASNS-spezifischen Werten.
2.18
Kapitel 2: Ernährungszustand
Der Status an Thiamin wurde mittels der Thiaminausscheidung im Urin bezogen auf die Creatininausscheidung gemessen. Dieser Versorgungsparameter
spiegelt eher die kurzfristige Aufnahmesituation wider. Es zeigt sich, daß niedrige Meßwerte eher in der weiblichen Gruppe auftreten (je nach Alter 0-11 %).
Die bereits über die Aufnahmen erfolgte Bewertung wird damit bestätigt, da bei
der Bewertung der Thiaminaufnahme auf Grundlage der DGE-Empfehlungen
eine verbesserungswürdige Situation vor allem in der weiblichen Gruppe festgestellt wurde. Mangelerscheinungen (Beri-Beri) sind jedoch nicht zu erwarten.
Die Durchführung gezielter Untersuchungen auch des funktionellen Status an
Thiamin könnten aufschlußreichere Ergebnisse über längerfristige ungünstige
Versorgungszustände liefern.
Die Bewertung des Status an Cobalamin beruht auf der Analyse des Versorgungsparameters Serumcobalamin, der ein etablierter Indikator für Screeninguntersuchungen ist. Obwohl die Aufnahme an Cobalamin äußerst deutlich die
Empfehlungen der DGE übersteigt, sind bei 1 bis 2 % der Untersuchten deutlich erniedrigte Meßwerte gefunden worden. Diese Einzelfälle geben jedoch
nicht Anlaß, eine im allgemeinen ungenügende Versorgung zu erwarten. Die
Deckung des Vitamin B12-Bedarfs erfolgt primär über den Verzehr aus Fleisch
und Wurst, sowie Milch und Käse.
Die Bewertung der Versorgung mit Kalium ergibt, daß 4% der männlichen und
7% der weiblichen Gruppe erniedrigte Werte aufweisen, so daß in Übereinstimmung mit der Bewertung der Aufnahmen eine gute Versorgung mit Kalium
erwartet werden kann.
Die Ergebnisse der Untersuchungen des Magnesiumstatus zeigen ein sehr erfreuliches Bild, da kaum Befunde unterhalb des Normalbereiches gemessen
wurden. Dies ist eine Hinweis, daß die bei den älteren Gruppen gefundenen
Abweichungen von der empfohlenen Magnesiumdichte sich nur bedingt in erniedrigten Ausscheidungsraten im Harn auswirken.
Die anderen in Abb. 2.1.3 dargestellten Nährstoffe zeigen entweder höhere
Anteile an Werten unter den jeweiligen Normalbereichen auf oder es werden
unterschiedliche Aussagen der Risikogruppendefinition zwischen Aufnahmen
und biochemischem Status gefunden. Diese Ergebnisse sollen etwas ausführlicher kommentiert werden.
Wie bereits an den Ergebnissen der Aufnahmen ablesbar, ist auch der Status an
β-Carotin verbesserungswürdig. Etwa 20 % der weiblichen und 30 % der
männlichen Gruppe weisen Werte unter 20 µg/dl auf. Vor allem bei den
13- bis 18jährigen sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sehr
ausgeprägt. Da der Retinolstatus bei den Schülerinnen und Schülern sehr gut
ist, kann die hohe Prävalenz an niedrigen β-Carotinbefunden vor allem in Zusammenhang mit eventuellen protektiven Wirkungen des β-Carotins gesehen
werden. β-Carotin hat eine ausgeprägte antioxidative Wirkung, eine gute Versorgungslage unterstützt das Immunsystem. Da der Status an β-Carotin in engem Zusammenhang mit dem Gemüsekonsum steht, weist eine gute Versor-
2.1 Kinder und Jugendliche
2.19
gungslage in der Regel auf einen hohen Konsum hin. Hoher Gemüseverzehr ist
eines der Kennzeichen einer gesundheitsfördernden Ernährung. Eine Verbesserung des Konsums an Gemüse, die aus vielen Gründen wünschenswert ist
(Stichwort Fett, Ballaststoffe etc.) würde auch zur Verbesserung der βCarotinversorgung beitragen.
Der Status an Tocopheroläquivalenten wird über den Serumgehalt an α- und γTocopherol bestimmt. Obwohl die Aufnahmen die Empfehlung erreichen, werden dennoch bei 12 % der weiblichen und 18 % der männlichen Gruppe Befunde unter 0.7 mg/dl gefunden. Vor allem bei den 13- bis 18jährigen liegt der
Anteil an leicht erniedrigten Befunden in der männlichen Gruppe höher
(20-24 %) als in der weiblichen (13 %)5. Befunde unterhalb von 0.5 mg/dl, die
auf einen Mangel hinweisen, werden jedoch nur in 3 Fällen gefunden. Die Interpretation von Serumtocopherol sollte jedoch auch die Höhe der Serumcholesterinfraktion berücksichtigen. Die entsprechenden Auswertungen zeigen,
daß bei den 13- bis 18jährigen unter Berücksichtigung dieses zusätzlichen Faktors keine Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern mehr bestehen.
Im allgemeinen ist der Versorgungszustand mit Tocopherol zufriedenstellend,
wenn auch bei den Jugendlichen vereinzelt ungünstige Befunde erwartet werden dürfen.
25-OH-Cholecalciferol, ein Vitamin-D-Metabolit, wird als etablierter Marker
des Versorgungszustandes verwendet, der einerseits die nutritive Aufnahme
und andererseits die körpereigene, durch UV-Licht induzierte Produktion widerspiegelt. Für die Bewertung der Befunde des Vitamin D-Status werden eigene Referenzwerte verwendet, da die in der Literatur publizierten Werte primär
für Erwachsene gelten. Aufgrund der Verteilung der Meßwerte bei den Schülerinnen und Schülern werden Werte unter der 25. Percentile als leicht erniedrigt
bezeichnet (Elmadfa et al. 1994b). Wie aus Abb. 2.1.3 ersichtlich ist, werden
etwa 25 % der weiblichen und 20 % der männlichen Befunde diesem Bereich
zugeordnet6. Ein effektiver Mangel dürfte aber nicht aus diesen Befunden zu
erwarten sein. Dies müßte durch Messungen der Knochendichte (funktioneller
Parameter) erst schlüssig festgestellt werden. Da die Höhe der Serumkonzentrationen an 25-OH-Cholecalciferol saisonalen Schwankungen unterliegt und ein
Teil der Messungen in den Wintermonaten durchgeführt wurde, könnten die
niedrigen Serumwerte auch ein Hinweis auf die geringere Sonnenlichtexposition sein.
Diese Ergebnisse in Verbindung mit den Aufnahmedaten zeigen, daß im allgemeinen eine gute Versorgung mit Vitamin D erwartet werden kann. Extreme
Formen des Mangels (Rachitis etc.) sind bei den österreichischen Kindern nicht
5
Die Aufnahmen liefern bereits einen Hinweis dafür, da das Verhältnis an aufgenommenem
Tocopherol bezogen auf die mehrfach ungesättigten Fettsäuren der männlichen 13- bis
18jährigen etwas niedriger ist als in der weiblichen Gruppe (s. Tab. 2.1.9).
6
Der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist nicht signifikant. Es werden auch keine signifikanten Regionsspezifika festgestellt, obwohl ein etwas höherer Anteil an niedrigen Befunden in der Region ‘Ost’ (25 % Ost, 14 % West, 20 % Mitte) gefunden wurde.
2.20
Kapitel 2: Ernährungszustand
zu beobachten. Der Versorgungszustand mit Vitamin D sollte jedoch, vor allem
bei den Personen mit niedrigen Werten, weiter beobachtet werden.
Die Bewertung des Vitamin B2-Status erfolgt über den Funktionsparameter αEGR (erythrozytäre Glutathion-Reduktase), der international als der etablierte
Parameter des Riboflavinstatus verwendet wird. Nur 20 % der weiblichen und
30 % der männlichen Teilnehmer weisen Werte kleiner 1.2 auf. Gemessen an
diesem Grenzwert liegt der Hauptanteil der Befunde im leicht erniedrigten Bereich. Deutlich erniedrigte Werte weisen nur etwa 12-15 % auf. Besonders unter Berücksichtigung dessen, daß die Aufnahmen an Riboflavin eher auf eine
ausreichende Versorgung schließen lassen, muß in diesem Fall eine ähnliche
altersspezifische Verschiebung der Normalbereiche der Aktivierungskoeffizienten überlegt werden, ähnlich wie bei Vitamin D.
Als Grenze des Normalbereiches bei Kindern und Jugendlichen können folglich - wie aus den Ergebnissen der ASNS abgeleitet - relative Enzymaktivierungen unter dem 1.6fachen der nichtstimulierten Enzymaktivität betrachtet werden. Wenn die Bewertung der Befunde mit diesem Referenzwert erfolgt, sind
insgesamt 5 % der weiblichen und 3 % der männlichen Gruppe davon betroffen. Werden diese altersspezifischen Grenzwerte bei der Bewertung des
Riboflavinstatus bei der ASNS verwendet, ergibt sich eine gute Übereinstimmung mit der Beurteilung der Aufnahmen. Ein derart verbreitetes Risiko für einen ungünstigen funktionellen B2-Status, wie er aufgrund der Referenzwerte aus
der Literatur zu erwarten gewesen wäre, müßte auch von entsprechend erniedrigten Aufnahmen begleitet sein. Da dies nicht der Fall ist und die DGEEmpfehlung große Sicherheitszuschläge enthält, sollte die Bewertung des
Riboflavinstatus eher mit den altersspezifischen Referenzen erfolgen.
Die Bewertung des funktionellen Status an Vitamin B6 über den Aktivierungskoeffizienten der α-EGOT (erythrozytäre Glutamat-Oxalacetat-Transaminase)
zeigt in Übereinstimmung mit der Bewertung der Aufnahmen, daß bei 5-10 %
der Schülerinnen und Schüler ein deutlich beeinträchtigter funktioneller Status
besteht. Zusätzlich befindet sich ein relativ großer Teil der Befunde im leicht
erniedrigten Bereich.
Da die herrschenden Ernährungsmuster von über den Empfehlungen liegenden
Proteinaufnahmen gekennzeichnet sind, besteht an sich ein erhöhter physiologischer Bedarf an diesem Vitamin. Kretsch et al. (1995) zeigten, daß bei den
geltenden Empfehlungen kaum Sicherheitszuschläge berücksichtigt sind, so daß
marginale Werte des funktionellen Status zu erwarten sind. Da die Ergebnisse
der ASNS eine relativ weite Verbreitung dieses Risikos zeigen, sollte die Verbesserung der Versorgung mit Pyridoxin langfristig über eine Normalisierung
der Proteinaufnahme bzw. kurz- und mittelfristig über die Fortifikation einzelner Lebensmittel mit diesem Nährstoff (z.B. Säfte, Milchprodukte, Brot, Teigwaren etc.) überlegt werden.
Die Bewertung des Folsäurestatus ergibt, daß etwa 20 % deutlich erniedrigte
Serumfolsäurewerte aufwiesen, wobei in der männlichen Gruppe ein etwas
2.1 Kinder und Jugendliche
2.21
höherer Anteil zu finden war. Außerdem zeigen sich grenzwertige Versorgungen bei etwa 30-40% der Untersuchten. Effektive Mangelerscheinungen und
Veränderungen des Blutbildes sind bei diesen Konzentrationen noch nicht zu
erwarten.
Wie aus den Ergebnissen deutlich wird, ist nur bei etwa 40 % der Kinder eine
optimale Serumkonzentration vorhanden. Leicht erniedrigte Serumkonzentrationen zwischen 3 und 5.9 ng/ml weisen auf eine nicht immer optimale Aufnahme hin. Bei jenen Schülerinnen und Schülern, die weniger als 3 ng/ml Folsäure im Serum aufweisen, muß auf eine bereits länger andauernde suboptimale Folsäureaufnahme geschlossen werden. Die Versorgung mit Folsäure stellt
sich nicht nur aus Gründen der Vermeidung des effektiven Mangels, der wie
die Daten zeigen in der Regel nicht zu erwarten ist, als problematisch dar. Vor
allem in Zusammenhang mit der an die suboptimale Folatversorgung assoziierten Homocysteinämie sollte auf eine Verbesserung der Versorgung geachtet
werden (Pietrzik et al. 1995) Ein gesteigerter Verzehr an Gemüse wäre nicht nur
aus Gründen der verbesserten Folatversorgung mehr als wünschenswert, sondern würde auch allgemeine Verbesserungen der Nährstoffrelationen mit sich
bringen. Als unterstützende kurzfristig wirksame Maßnahme sollte die Anreicherung von Obstsäften überlegt werden (Bower 1995).
Bezüglich des Status an Calcium kann gezeigt werden, daß sowohl in der
männlichen, wie auch in der weiblichen Gruppe vor allem bei den Jugendlichen eine relativ große Anzahl (13-34 %) an Befunden mit erniedrigten Calciumausscheidungen pro g Creatinin gefunden wurde. Dieser Versorgungsparameter zeigt keinen effektiven Mangel sondern vor allem den Knochenstoffwechsel betreffende suboptimale Aufnahmen an. In Übereinstimmung mit den
Befunden zur Aufnahme kann deshalb die Versorgung mit Calcium sowohl bei
den weiblichen, wie auch bei den männlichen Kindern und Jugendlichen als
verbesserungswürdig betrachtet werden. Maßnahmen zur Verbesserung der
Aufnahmen vor allem bei den Jugendlichen sollten dringend ergriffen werden,
damit eine optimierte Versorgung während der Zeit des Knochenwachstums
sichergestellt und spätere Fälle von Osteoporose verhindert werden können.
Die Bewertung der Eisenkonzentrationen im Serum zeigt, daß mehr als 80 %
der Untersuchten normale Befunde (über 60 µg/dl) aufweisen, bei etwa 6 %
liegen die Konzentrationen unter dem Cut-off-Wert von 40 µg/dl, 13 bzw. 8 %
haben Werte zwischen 40 und 60 µg/dl. Signifikante Unterschiede zwischen
den Geschlechtern sind nicht vorhanden. Basierend auf den Befunden des
Serumeisens kann die Versorgung als gut bewertet werden.
Der Status an Jod wurde über die Jodausscheidungsraten im Harn bezogen auf
den Creatiningehalt bestimmt. Die Ergebnisse der Bewertung auf Grundlage der
WHO-Kriterien für die Klassifizierung des Jodmangels zeigen, daß ein Mangel
(Stufe 3 der WHO-Klassen) nur bei etwa 3% der Untersuchten auftritt. Mäßig
reduzierte und geringfügig reduzierte Ausscheidungsraten (Jodmangelstufen 1
2.22
Kapitel 2: Ernährungszustand
und 2) sind jedoch verbreitet und machen etwa 50 % der Werte aus. Normale
Ausscheidungsraten finden sich ebenfalls bei etwa 50 % der Untersuchten.
Österreich ist eines der bekannten Jodmangelgebiete, deshalb wurde seit 1963
mit der Jodierung des Kochsalzes begonnen. Besonders gefährdet sind die inner-alpinen Regionen in der Steiermark (Region Mitte). Die regionsspezifischen
Auswertungen7 zeigen, daß diese Unterschiede nach wie vor bestehen, wenn
sie sich auch primär in niedrigen Anteilen von normalen Befunden (28 % statt
50 % im Osten und Westen) und erhöhten Anteilen an Befunden in der Jodmangelstufe 1 (32 % Ost, 55 % Mitte, 37 % West) äußern. Die Befunde der
Klassen 2 und 3 sind in den Prävalenzen vergleichbar. Als Ursachen können
die relativ niedrigen Jodgehalte der Böden in diesen Regionen vermutet werden.
Die Risikogruppencharakteristik für Jod kann demnach folgendermaßen beschrieben werden: Wie aufgrund der guten Bewertung der Aufnahmen zu erwarten ist, werden effektive Mangelzustände der Stufe 3 nur in etwa 3 % der
Fälle diagnostiziert8. Schülerinnen und Schüler aus der Region Mitte sind für
Jodmangel der Stufe 1 trotz an sich ausreichender Aufnahmen gefährdeter als
Personen aus den anderen Regionen. Diese Ergebnisse sind ein erneuter Beleg
dafür, daß die Verwendung von jodiertem Kochsalz ein effizientes Instrument
der Jodmangelprophylaxe darstellt.
Die Bewertung der Zinkversorgung wird anhand der Serumkonzentrationen
(Versorgungsparameter) bestimmt. Die effektive Bewertung erfolgt nach den
ASNS-spezifischen Ergebnissen, wobei als ‘deutlich erniedrigt’ Serumkonzentrationen <0.69 mg/l, als ‘leicht erniedrigt’ Serumkonzentrationen zwischen 0.70
und 0.91 mg/l und als ‘normal’ Serumkonzentrationen >0.92 eingestuft werden.
Diese Ergebnisse wurden in Abb. 2.1.3 für das weibliche und männliche Gesamtkollektiv und in Tab. 2.1.11 und 2.1.12 auch nach Altersgruppen differenziert dargestellt. Besonders auffallend ist der geschlechtsspezifische Unterschied, da in der weiblichen Gruppe eine höhere Prävalenz niedriger Befunde
als in der männlichen gefunden wurde, was auch aufgrund der Bewertung der
Aufnahmen zu erwarten ist. Dieser geschlechtsspezifische Unterschied wird
nach der Pubertät besonders deutlich, da bei den 15- bis 18jährigen nur 67 %
der weiblichen aber 88 % der männlichen Gruppe optimale Zinkserumwerte
aufweisen.
Unabhängig vom Geschlecht wurden bei den Volksschulkindern im Alter von
6-9 Jahren relativ hohe Anteile an deutlich bzw. leicht erniedrigten Serumzink7
Die regionale Verteilung erlaubte eine Gruppierung der Ergebnisse nach ’Region Ost’ (Wien
und Niederösterreich), ‘Region Mitte’ (Oberösterreich und Steiermark) und ‘Region West’ (Vorarlberg). Die bei der ASNS untersuchte Stichprobe war für das bei österreichischen Schülerinnen und Schülern herrschende West-Ost-Gefälle repräsentativ (ÖSTAT 1992).
8
Parallel zur Bestimmung der Jodausscheidungsraten wurden auch die Schilddrüsenhormone
T3 und T4 analysiert. Erniedrigte Konzentrationen traten jedoch nur in Einzelfällen auf (Elmadfa
et al. 1993 und 1994b). Ein zusätzlicher Tastbefund der Schilddrüse war aufgrund der Rahmenbedingungen der ASNS nicht erhebbar.
2.1 Kinder und Jugendliche
2.23
konzentrationen gefunden. Auch dies steht im Einklang mit den Aufnahmen,
die bei den jüngeren nur etwa 60 % der Empfehlung erreichen.
Als Risikogruppe für eine nicht den Bedarf deckende Versorgung mit Zink gelten daher vorwiegend die weiblichen Jugendlichen und die Volksschulkinder
beider Geschlechter.
2.24
Kapitel 2: Ernährungszustand
2.2 Ernährungszustand von Erwachsenen
Im Rahmen einer vom Institut für Ernährungswissenschaften im Auftrag des
Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz österreichweit
durchgeführten Untersuchung wurde mittels 24-Stunden Recalls die Versorgungslage mit Energie und Nährstoffen sowie mit Hilfe eines Strukturfragebogens das Ernährungswissen (siehe Kap. 6.2), die Quellen der Ernährungsinformation und das allgemeine Ernährungsverhalten9 Erwerbstätiger erfaßt (Alter
19-65 Jahre, n=3059 Personen). Die Verteilung der Fragebögen und Recalls
erfolgte an Plätzen, wo Personen eine gewisse Wartezeit verbringen (z. B.
Arztwarteräume, Behörden, etc.) und in Betrieben (Rücklaufquote 69%). Tabelle 2.2.1 zeigt die Charakteristik des Kollektivs. Das durchschnittliche Alter lag
bei 35.5±11 Jahren.
Tab. 2.2.1:
Charakteristik der Stichprobe (gesamt n = 3059)
Geschlecht
n=
%
n=
%
weiblich
1640
54
Altersgruppen
männlich
1419
46
19-25 J.
26-35 J.
36-45 J.
46-55 J.
693
1013
704
474
23
32
23
16
höchster eigener Schulabschluß
Pflichtschule Pflichtschule weiterführ. weiterführ. Kolleg, Akaohne Lehre1 mit Lehre1 Schule ohne Schule mit
demie3
2
2
Matura
Matura
333
1125
680
535
313
10
34
21
16
10
55-65 J.
175
6
Uni 3
290
9
1... im folgenden als Gruppe mit ‚niedrigerer Bildung‘ zusammengefaßt,
2 ... im folgenden als Gruppe mit ‚mittlerer Bildung‘ zusammengefaßt,
3 ... im folgenden als Gruppe mit ‚höherer Bildung‘ zusammengefaßt.
Auf Grundlage der Angaben der Befragten zu Körpergewicht und -größe und
dem daraus resultierenden BMI konnte festgestellt werden, daß 79 % der Frauen und 59 % der Männer normalgewichtig (BMI<25) waren, bei 35 % der
Männer und 16 % der Frauen wurde leichtes Übergewicht (BMI 25-29.9) festgestellt, eine Adipositas (BMI ≥ 30) lag bei 6 % der Männer und 5 % der Frauen
vor.
2.2.1 Allgemeines Ernährungsverhalten
Das Teilergebnis des Fragebogens zum „allgemeinen Ernährungsverhalten“ ergab, daß für den überwiegenden Teil des Gesamtkollektivs (72 %) die gemischte "Normalkost” mit fast täglich Fleisch die alltägliche Kostform darstellt. Rund
ein Viertel der Befragten geben an, daß ihre Ernährung nach Gesundheitsaspekten orientiert ist und eher “wenig Fleisch, aber viel Obst, Gemüse und Voll9
Detaillierte Darstellung der Ergebnisse der Fragebogenerhebung bei Popp-Hadalin 1997.
2.2 Ernährungszustand von Erwachsenen
2.25
kornprodukte” verzehrt werden; “vegetarisch” ernähren sich hingegen nur etwa
2 % (siehe Abb. 2.2.1). Bei der Verbreitung der Ernährungsformen zeigen sich
signifikante geschlechts-, alters- und bildungspezifische Einflüsse (p<0.05).
Signifikant mehr Frauen als Männer ernähren sich fleischarm, während die
Männer zum überwiegenden Teil eine österreichische Normalkost verzehren.
Die jungen Studienteilnehmer praktizieren kontroverse Ernährungsformen: zum
einen geben 6 % an, “Vegetarier” zu sein, zum anderen ernähren sich 75 % mit
einer Normalkost; weniger als 20 % ernähren sich an Gesundheitsaspekten orientiert und eher fleischarm. Bei den älteren Studienteilnehmern nimmt der aufgrund von Gesundheitsaspekten bestimmte Verzehr von wenig Fleisch, aber
viel Gemüse und Vollkornprodukten zu (etwa 30 %). Betrachtet man den Einfluß des Bildungsgrades, zeigt sich, daß die Normalkost vor allem von der
Gruppe mit niedriger Bildung bevorzugt wird. Bei Personen der Gruppe mit
höherer Bildung wird eher die fleischärmere Ernährungsweise praktiziert (siehe
Abb. 2.2.1).
100
80
Wie würden Sie Ihre
Ernährungsform bezeichnen?
60
vegetarisch
selten und wenig Fleisch, oft
Gemüse, Obst, Vollkornprodukte
österreichische Normalkost
40
20
G
es
am
t
w
ei
b
m lich
än
nl
jü
ich
ng
er
al
s
2
21 0 J
41 - 4 .
un 0 J
d .
äl
ni
te
ed
r
rig
m e
itt Bi
le ld
hö re B ung
he ild
re un
Bi g
ld
un
g
0
Abb. 2.2.1: Ernährungsformen der erwerbstätigen Erwachsenen
‘niedrige Bildung’ = Hauptschulabschluß mit und ohne Lehre,
‘mittlere Bildung’ = weiterführende Schule mit oder ohne Matura,
‘höhere Bildung’ = Universität, Kolleg oder Akademie.
Unterschiede bei den Ernährungsformen werden auch beim Vergleich einzelner
Körpergewichtsgruppen deutlich: 92 % der Vegetarier im Untersuchungskollektiv sind normalgewichtig und nur 8 % leicht übergewichtig. Nur 67 % der
Gruppe, die Normalkost konsumiert, sind normalgewichtig, 27 % leicht und
2.26
Kapitel 2: Ernährungszustand
6 % stark übergewichtig. Die Gruppe mit fleischarmer Ernährung weist etwa
20 % Übergewichtige auf.
2.2.2 Energie- und Nährstoffversorgung Erwachsener
In den folgenden Kapiteln soll die Versorgungslage der Erwachsenen Österreichs mit Energie und Hauptnährstoffen, sowie mit Vitaminen und Mineralstoffen aufgezeigt werden. Basis zur Beurteilung der Versorgung bildet die Evaluation der 24-h-Recalls. Mithilfe dieser Methode werden die verzehrten Mengen
des vergangenen Tages durch die Verwendung haushaltsüblicher Maße und
Portionsgrößen geschätzt, wodurch jedoch die Genauigkeit der Angaben zu
den verzehrten Lebensmitteln gering ist. Die Ergebnisse der 24-h-Recalls haben
nicht dieselbe Genauigkeit wie jene aus den 7-d-Wiegeprotokollen. Es können
daher nur grobe Trends der Nahrungs- und Nährstoffaufnahme errechnet werden. Da der Recall im Vergleich zum Wiegeprotokoll jedoch ungleich weniger
Aufwand in der Durchführung verlangt, stellt er international die am häufigsten
angewendete Methode bei Verzehrserhebungen dar.
Für die vorliegende Darstellung der Ergebnisse zur Energie- und Nährstoffaufnahme wurden zwei Betrachtungsweisen gewählt. Zunächst wurde die Aufnahme nach Geschlechts- und Altersgruppen differenziert bewertet (Absolutaufnahmen und Vergleich mit den DGE-Empfehlungen). Anschließend fand
eine Differenzierung nach Ernährungsformen statt (Absolutaufnahmen über
„gemischte Kost“, „bewußt gemischte Kost mit wenig Fleisch“ und „vegetarische Kost“ - siehe auch Kap. 2.2.1), um eventuelle Unterschiede bezüglich
Energie- und Nährstoffaufnahmen erkennen zu können.
2.2.2.1 Aufnahme an Energie- und Hauptnährstoffen
Die Ergebnisse zur Energie- und Hauptnährstoffaufnahme sind in Tab. 2.2.2
ersichtlich.
Die Auswertung der 24-h-Recalls ergab eine durchschnittliche Energiezufuhr
von 7.8±2.9 MJ/d für die Gruppe der weiblichen und von 9.9±4.1 MJ/d für die
männlichen Erwachsenen Österreichs. Tab. 2.2.2 zeigt, daß in allen Altersgruppen die Energieaufnahme im Kollektiv der männlichen Erwachsenen höher liegt
als bei den Frauen. Legt man die DGE-Richtwerte zur Energieaufnahme für Personen mit vorwiegend sitzender Tätigkeit der Beurteilung zugrunde (DGE
1991), kann festgestellt werden, daß in der Gruppe der erwachsenen Frauen die
durchschnittlichen Energieaufnahmen aller Altersgruppen (mit Ausnahme der
über 56jährigen) leicht unterhalb des Richtwertes liegen. Auch im Kollektiv der
männlichen Erwachsenen kann dieses Phänomen in einigen Altersgruppen beobachtet werden. Ursache für die Differenzen zwischen gemessenen Aufnahmen und Richtwerten dürften jedoch primär methodisch bedingt sein, da Erinnerungsmängel und Underreporting bei der Methode der 24-h-Recalls häufig
auftreten und daraus Ungenauigkeiten und zu niedrige Absolutergebnisse resultieren. Aufgrund der vorliegenden Daten ist jedoch mit großer Wahrscheinlich-
2.2 Ernährungszustand von Erwachsenen
2.27
keit keine energetische Unterversorgung der österreichischen Erwachsenen zu
befürchten.
Tab. 2.2.2: Aufnahme an Energie und Hauptnährstoffen sowie an Alkohol,
Cholesterin und Ballaststoffen erwachsener Frauen und Männer nach Altersgruppen differenziert (mw±sd)
≤ 25 J.
26 – 35 J. 36 – 45 J. 46 – 55 J. ≥ 56 J.
Weiblich
gesamt
Energie (MJ/d)
En% Eiweiß
En% KH1
En% Fett
En% Alkohol
En% Sacch.2
En% SFA3
Cholesterin
(mg/d)
Ballaststoffe
(g/d)
7.8±2.9 8.0±2.7 8.0±3.2
14.8±4.7 14.0±4.1 14.9±4.7
45.9±10.0 48.0±10.2 45.8±9.6
37.9±8.7 36.9±9.2 38.0±8.4
1.4±3.5 1.1±4.0 1.4±3.2
11.6±7.2 12.9±7.7 11.9±7.0
17.0±4.8 16.2±4.8 16.8±4.9
7.7±2.8 7.4±2.6 7.5±2.4
15.1±4.9 15.4±4.8 15.5±4.9
44.5±10.2 45.0±10.3 45.5±9.0
38.6±8.4 38.1±9.0 38.0±8.3
1.8±3.6 1.5±3.8 1.0±2.5
10.6±7.0 11.4±6.9 9.8±5.9
17.5±4.6 17.5±4.9 17.7±5.2
DGEEmpfehlg.
7.5-9.0a)
10-15b)
55-60b)
25-30b)
10b)
10 %
327±238 324±217 329±225 329±262 337±300 316±177 max. 300b)
17.8±9.0 17.2±7.5 18.4±12.8 17.3±8.0 18.2±7.4 18.8±6.5 30
Männlich
Energie (MJ/d) 9.9±4.1 11.1±5.3 10.0±3.9 9.3±3.8 9.3±3.2 8.7±3.0 9.0-11.0a)
En% Eiweiß 16.0±4.4 15.6±3.9 16.2±4.5 16.3±5.0 16.1±4.3 15.8±3.9 10-15b)
En% KH1
41.0±9.6 43.4±8.9 41.4±9.3 40.2±10.8 38.9±9.3 39.5±8.4 55-60b)
En% Fett
38.4±8.5 37.6±8.5 38.1±8.5 38.0±9.3 40.0±8.0 40.0±7.2 25-30b)
En% Alkohol 4.5±6.9 3.4±7.0 4.4±6.7 5.5±8.2 5.0±5.9 4.7±5.4 En% Sacch.2 8.9±6.4 10.2±6.8 9.6±6.8 8.3±6.3 7.3±5.7 6.3±4.1 10b)
En% SFA3
16.7±4.6 16.2±4.4 16.3±4.6 16.8±5.0 17.4±4.4 18.1±4.5 10 %
Cholesterin
421±285 450±357 438±282 380±224 422±274 368±238 max. 300b)
(mg/d)
Ballaststoffe
17.7±8.9 17.7±8.5 17.5±8.8 18.3±10.2 17.6±8.4 17.0±6.9 30
(g/d)
En%...Energieprozent; 1...Kohlenhydrate; 2...Saccharose; 3...gesättigte Fettsäuren;
a)
...altersabhängige DGE-Richtwerte (DGE 1991), gelten für Personen mit vorwiegend sitzender
Tätigkeit – höheren Werte beziehen sich auf jüngere Altersklasse, da Energiebedarf mit zunehmendem Alter abnimmt; b)...Richtwert
Der Anteil der Eiweißaufnahme an der Gesamtenergieaufnahme liegt in der
weiblichen Gruppe in den einzelnen Altersklassen knapp unterhalb des oberen
Richtwertes der DGE oder darüber. Im Kollektiv der männlichen Erwachsenen
überschreitet die durchschnittliche Aufnahme an Eiweiß in allen Altersklassen
den DGE-Richtwert von maximal 15 Energieprozent. Diese Ergebnisse entsprechen den in den industrialisierten Ländern üblichen Ernährungsmustern mit
einem relativ hohen Anteil an tierischen Lebensmitteln (Fleisch, Wurst, Käse).
Dieser Tatbestand spiegelt sich auch in der Höhe der Fettaufnahme der Erwachsenen wider. Die durchschnittliche Fettaufnahme liegt zwischen
37.9±8.7 (weibliche Gruppe) und 38.4±8.5 Energieprozent (männliche Gruppe) und übersteigt somit den DGE-Richtwert von 25 - 30 Energie% deutlich.
Die Auswertungen der Altersklassen zeigt, daß keine der durchschnittlichen
Fettaufnahmen im Bereich der Empfehlungen liegt. Der hohe Anteil an gesättigten Fettsäuren (SFA) an der Gesamtenergieaufnahme (siehe Tab. 2.2.2) sowie
2.28
Kapitel 2: Ernährungszustand
die überhöhte Cholesterinzufuhr bestätigen den als nicht wünschenswert erachteten hohen Anteil tierischer Nahrungsmittel in der Kost der erwachsenen
Österreicher. Ein hoher Konsum an gesättigten Fetten korreliert mit einem höheren Risiko für eine Reihe ernährungsabhängiger Erkrankungen (z.B. kardiovaskuläre Erkrankungen, s. auch Kap. 4). Aus Tab. 2.2.2 ist jedoch ersichtlich,
daß die Gesamtcholesterinaufnahme bei beiden Geschlechtern in der Altersgruppe der ≥56jährigen am niedrigsten ist. Dies kann darauf zurückgeführt
werden, daß in dieser Altersgruppe bereits häufiger manifest gewordene ernährungsabhängige Erkrankungen (z.B. Hyperlipidämien) auftreten und die Betroffenen bewußt die Cholesterinzufuhr reduzieren. Dies wird durch die Erhebung
zum allgemeinen Ernährungsverhalten (siehe Kap. 2.2.1) bestätigt, bei der überraschenderweise festgestellt wurde, daß in der Altersgruppe der über 41jährigen
der Anteil der „bewußt gemischten, wenig Fleisch beinhaltenden Ernährungsform“ am höchsten ist.
Bezüglich der Gesamtfett- und vor allem der Cholesterinaufnahme kann ferner
ein geschlechtsspezifischer Unterschied festgestellt werden, die Aufnahmen
liegen im Kollektiv der männlichen Erwachsenen deutlich höher. Ergebnisse im
Rahmen der Untersuchung „Lebensmittelverbrauch und Lebensmittelverzehr in
Österreich“, die im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft durchgeführt wurde (siehe auch Kap. 1), bestätigen diese Daten, da festgestellt wurde, daß der Konsum an tierischen Produkten in der männlichen Bevölkerungsgruppe höher liegt (Elmadfa und Zarfl 1996).
Der hohe Eiweiß- und Fettanteil in der Ernährung der erwachsenen Österreicher
geht zu Lasten des Kohlenhydratanteils, der im optimalen Fall zwischen 55 und
60 % liegen sollte. Tatsächlich machen die Kohlenhydrate nur 45.9±10 % (Gesamtkollektiv Frauen) bzw. 41.0±9.6 % (Gesamtkollektiv Männer) der Energiezufuhr aus. Die Auswertungen bezüglich Saccharoseaufnahme zeigen, daß vor
allem bei Frauen ein hoher Verzehr an zuckerhaltigen Lebensmitteln besteht,
da die Aufnahme mit durchschnittlich 11.6 Energieprozent oberhalb des tolerierbaren Wertes von 10 Energie% liegt. Die Saccharoseaufnahme der Männer
hingegen überschreitet die tolerierbare Grenze kaum.
Die mittlere Ballaststoffaufnahme der Erwachsenen liegt zwischen 17.7±8.9
(Männer) und 17.8±9 g/Tag (Frauen). In Hinblick auf die Prävention zahlreicher ernährungsabhängiger Erkrankungen wäre hingegen eine Aufnahme von
mindestens 30 g Ballaststoffen/Tag wünschenswert.
2.2.2.2 Vitamin- und Mineralstoffaufnahme
Die Definition ernährungsphysiologischer Risikobereiche bei der Versorgung
mit Vitaminen und Mineralstoffen aufgrund von Verzehrsdaten aus 24-h-Recalls
allein ist mit verschiedenen Unsicherheitsfaktoren behaftet. Wiederholte Verzehrserhebungen mit Wiegeprotokollen und die laborchemische Untersuchung
der Nährstoffe in Körperflüssigkeiten ermöglichen eine viel genauere Definition
dieser Risikogruppen. Da diese Daten aber für Österreichs Erwachsene nicht
2.2 Ernährungszustand von Erwachsenen
2.29
vorliegen, soll mit der Bewertung der Vitamin- und Mineralstoffaufnahmen im
Vergleich mit den gültigen Empfehlungen der DGE (1991) eine erste grobe Abschätzung möglicher Risikobereiche bei erwachsenen Männern und Frauen
erfolgen (siehe Tab. 2.2.3 und Abb. 2.2.2).
Die Auswertungen der Vitaminaufnahmen ergab eine deutliche durchschnittliche Überschreitung der Empfehlungen bezüglich Vitamin A(-Äquivalenten),
Vitamin B12 und Niacin(-Äquivalenten) sowohl bei den weiblichen als auch bei
den männlichen Erwachsenen in allen Altersgruppen. Folglich kann bei diesen
Nährstoffen aufgrund der Aufnahme eine gute Versorgungslage erwartet werden.
Die Folsäureversorgung kann als ausreichend bewertet werden, da die durchschnittlichen Aufnahmen in keiner der Geschlechts- und Altersgruppen die
DGE-Empfehlungen unterschritten. Dennoch werden in Einzelfällen verbesserungswürdige Aufnahmen beobachtet. Bezüglich der Pantothensäureaufnahmen wird in allen Untergruppen die Empfehlung unterschritten. Bei der angegebenen DGE-Empfehlung handelt es sich lediglich um einen Schätzwert. Ferner wurde in mehreren Untersuchungen festgestellt, daß auch bei einer unter
4 mg/Tag liegenden Pantothensäurezufuhr die durchschnittlichen Pantothensäure-Blutspiegel im Normalbereich liegen. Beim vorliegenden Kollektiv der
Erwachsenen Österreichs kann somit dennoch eine ausreichende Pantothensäure-Versorgung trotz niedriger Aufnahme angenommen werden. Ähnlich sind
die Daten zur Biotinaufnahme zu bewerten, da auch hier die Empfehlungen auf
einem Schätzwert beruhen. Die durchschnittlichen Aufnahmen beider Gesamtkollektive (Frauen bzw. Männer) liegen innerhalb des Bereichs von 30100 µg/Tag, obwohl auch Einzelwerte <30 µg auftreten. Biotinmangelsymptome wurden jedoch unter üblichen Ernährungsgewohnheiten Erwachsener
bisher nicht beobachtet. Sie treten nur nach längerfristigem Verzehr größerer
Mengen roher Eier auf und sind bedingt durch das im Eiklar vorhandene Avidin, das Biotin irreversibel bindet. Folglich kann eine ausreichende Biotinversorgung der Erwachsenen Österreichs erwartet werden.
Die Empfehlungen für die Aufnahme an Vitamin D werden in allen Gruppen
unterschritten. Die geringste durchschnittliche Vitamin D-Aufnahme wurde in
der Gruppe der bis zu 25jährigen festgestellt, in der die Empfehlungen von den
Frauen um durchschnittlich 48 % und von den Männer um durchschnittlich
26 % unterschritten werden (siehe Abb. 2.2.2). Ob tatsächlich eine unzureichende Versorgungslage an Vitamin D vorliegt, läßt sich aufgrund der Aufnahmedaten alleine schwer beurteilen, da ein Großteil des Vitamin D-Pools bei
ausreichender Sonnenexposition der körpereigenen Synthese entstammt. Bei
Ernährungsformen, die durch einen geringen Meeresfischverzehr gekennzeichnet sind, ist die Vitamin D -Zufuhr häufig unzureichend. Dieses Nahrungsdefizit
kann jedoch durch ausreichende Sonnenexposition ausgeglichen werden, da
dann das Vitamin in der Haut gebildet wird.
2.30
Kapitel 2: Ernährungszustand
Tab. 2.2.3: Vitaminaufnahme Erwachsener, differenziert nach Geschlecht und
Altersgruppen (mw±sd)
DGEEmpfehlg.
Vit. A1 [mg] 1.1±2.0
1.0±1.2 1.2±2,8
1.0±0.9
1.2±2.5 1.3±2.6
0.8
Vit. D [µg] 3.6+12
2.6±4
4.3±21
3.8±7
3.2±5
4.2±15
5
Vit. E [mg] 11.7+24 11.2±8
13.4±41 10.2±6
10.4±6
13.7±31 12
Vit. B1 [mg] 1.2±3
1.0±1
1.5±5
1.1±1
1.0±1
1.4±3
1.1
Vit. B2 [mg] 1.4+3
1.2±1
1.6±5
1.2±1
1.2±1
1.6±3
1.7
Niacin1 [mg] 25.6±11 23.7±10 26.7±12 26.2±11 25.5±10 26.5±12 15
Vit. B6 [mg] 1.5+3
1.3±1
1.8±6
1.3±1
1.3±1
1.8±4
1.6
Biotin [µg] 42.7+305 37.9±21 65.9±534 35.1±17 34.8±22 79.0±409 30-100a)
Folsäure [µg] 376±472 336±419 438±573 343±417 363±415 410±466 300
Vit. B12 [µg] 4.4±6.7
4.1±5
4.6±9
4.2±4
4.9±9
5.4±8
3
Vit. C [mg] 87.7±66 89.1±71 89.2±62 88.5±67 83.5±62 80.1±61 75
Pantothen4.1±4.6
3.9±2
4.6±8
3.9±2
3.9±2
4.5±5
6a)
säure [mg]
männlich
Vit. A1 [mg] 1.1±2.1
1.1±1.1 1.2±2.3
1.1±1.6
1.3±3.1 1.1±1.2
1.0
Vit. D [µg] 4.4±10
3.7±7
3.9±5
4.7±8
5.9±22
4.6±7
5
Vit. E [mg] 12.0±19 12.6±10 12.0±8
10.2±6
14.2±43 9.8±5
12
Vit. B1 [mg] 1.6±2
1.7±1
1.6±2
1.4±1
1.7±4
1.3±1
1.4
Vit. B2 [mg] 1.6±2
1.7±1
1.6±1
1.5±1
1.8±5
1.4±1
1.7
Niacin1 [mg] 35.7±16 37.4±20 35.7±14 35.1±14 35.5±15 32.5±12 18
Vit. B6 [mg] 1.9±3
1.9±1
1.9±3
1.7±1
2.1±5
1.6±1
1.8
Biotin [µg] 148±117 50.2±45 45.8±26 40.7±22 82.9±568 38.9±34 30-100a)
Folsäure [µg] 421±501 386±470 376±435 464±537 476±605 484±510 300
Vit. B12 [µg] 6.7±8
6.5±5
25.6±388 6.3±7
7.4±12
6.3±6
3
Vit. C [mg] 88±68
98.2±74 90.7±71 83.0±61 81.6±62 79.4±63 75
Pantothen5.1±4.1
5.5±4
5.1±3
4.8±2
5.4±7
4.4±2
6a)
säure [mg]
1
...Äquivalente; a)...Schätzwerte; Vit. ...Vitamin
weiblich
gesamt
≤ 25 J.
26 – 35 J. 36 – 45 J. 46 – 55 J. ≥ 56 J.
Bei den Aufnahmen an Vitamin E, B1, B2 und B6 werden sehr heterogene Ergebnisse beobachtet, da sowohl Über- als auch Unterschreitungen der
DGE-Empfehlungen auftreten. Diesen Nährstoffen soll eine detailliertere Betrachtung gewidmet werden:
In der Gruppe der erwachsenen Frauen unterschreiten die 25jährigen und die
36 - 55jährigen die DGE-Empfehlungen zur Vitamin E-, Vitamin B1-, B2-, und B6Aufnahme (siehe Abb. 2.2.2). Auch für das Gesamtkollektiv der erwachsenen
Frauen ohne Differenzierung in die Altersklassen ergibt sich - mit Ausnahme
von Vitamin B1 - eine Unterschreitung der DGE-Empfehlungen (siehe Tab.
2.2.3).
In der Gruppe der männlichen Erwachsenen treten in einzelnen Altersklassen
ebenfalls verbesserungswürdige Aufnahmen dieser Nährstoffe auf. Im Gesamtkollektiv der männlichen Erwachsenen wird lediglich die Empfehlung zur Vitamin B2-Aufnahme unterschritten, die durchschnittlichen Aufnahmen an Vitamin B1, B6 und E liegen hier im Bereich der Empfehlungen.
2.2 Ernährungszustand von Erwachsenen
2.31
Abb. 2.2.2: Relative Anteile der Aufnahmen an Vitaminen an der Empfehlung
– Erwachsene nach Alter und Geschlecht getrennt
Die Auswertungen der Mineralstoffaufnahmen bringen folgende Ergebnisse:
eine Überschreitung der Empfehlung in beiden Geschlechts- und allen Altersgruppen kann bezüglich der durchschnittlichen Aufnahme an Kalium festgestellt werden (siehe Abb. 2.2.3). Folglich kann bei diesem Nährstoff aufgrund
der Aufnahme eine gute Versorgungslage erwartet werden.
Die Ergebnisse der anderen Mineralstoffe - Eisen, Jod, Calcium, Zink und Magnesium - sind uneinheitlich und werden in detaillierterer Form, getrennt für
erwachsene Frauen und Männer, betrachtet:
Ausgehend von den Mittelwerten konnte festgestellt werden, daß im Kollektiv
der Frauen die durchschnittlichen Aufnahmen an Eisen und Jod im Bereich der
Empfehlungen liegen (siehe Tab. 2.2.4). Dennoch liefern die Auswertungen der
Altersgruppen - vor allem bei Eisen - unterschiedliche Ergebnisse (siehe Abb.
2.2.3). Es kann gezeigt werden, daß in allen Altersgruppen, mit Ausnahme der
≥56jährigen, die DGE-Empfehlungen zur Eisenaufnahme unterschritten werden.
Der hohe Stellenwert traditioneller Ernährungsmuster mit einem hohen Anteil
an tierischen Lebensmitteln (v.a. Fleisch) in der Altersgruppe der ≥56jährigen
mag eine Ursache der deutlich höheren Eisenaufnahme im Vergleich zu den
anderen Altersgruppen sein. Eine weitere Ursache liegt möglicherweise in zu
hoch gesteckten Zufuhrempfehlungen an Eisen für Frauen unter 51 Jahren. Ähnlich lauten die Ergebnisse zur Aufnahme an Jod. Mit Ausnahme der Altersgruppe der ≥56jährigen liegen alle anderen Gruppen, wenn auch nur geringfügig,
2.32
Kapitel 2: Ernährungszustand
unter der DGE-Empfehlung zur Jodaufnahme von 180-200 µg/Tag (siehe Abb. 2.2.3).
Abb. 2.2.3: Relative Anteile der Aufnahmen an Mineralstoffen an der Empfehlung – Erwachsene nach Alter und Geschlecht getrennt
Die durchschnittliche Aufnahme an Calcium, Magnesium und vor allem an
Zink im Gesamtkollektiv der Frauen liegt unter den Empfehlungen der DGE
(siehe Tab. 2.2.4). Die Auswertungen der Altersgruppen ergibt, daß vor allem
im Kollektiv der ≤ 25jährigen Frauen eine höhere Aufnahme an Calcium, Zink
und Magnesium wünschenswert wäre.
Tab. 2.2.4: Mineralstoffaufnahme Erwachsener, differenziert nach Geschlecht
und Altersgruppen (mw±sd)
weiblich
gesamt
≤ 25 J.
26-35 J.
DGEEmpfehlg.
813±468 765±533 779±391 900 (8001)
2.4±0.9 2.5±0.8 2.4±0.7 2.0
293±108 283±111 289±126 300
11.4±5 11.6±4 12.3±10 15 (101)
9.8±4
10.0±4 11.2±9 12
190±107 184±120 184±72 200 (1801)
36-35 J.
Calcium [mg]
795±483 791±241 792±533
Kalium [g]
2.4±1.2 2.3±0.8 2.6±1.7
Magnesium [mg] 290±137 275±99 307±191
Eisen [mg]
11.9±11 11.0±4 13.4±19
Zink [mg]
10.0±7 9.3±4
11.4±11
Jod [µg]2
186±110 172±75 194±136
Männlich
Calcium [mg]
900±642 970±802 930±636 871±605
Kalium [g]
2.8±1.2 2.9±1.6 2.8±1.1 2.8±1.0
Magnesium [mg] 348±151 367±183 352±139 341±124
Eisen [mg]
13.6±8 14.2±7 13.8±7 12.8±5
Zink [mg]
12.4±7 12.8±6 12.5±5 11.9±5
Jod [µg]2
217±100 228±120 219±102 209±85
1
...ab 51 Jahren; 2...inkl. Jod aus jodiertem Speisesalz
46-55 J.
≥ 56 J.
832±515
2.7±0.9
342±177
13.9±14
12.6±12
213±86
769±473
2.6±0.8
306±17
12.4±5
11.8±4
201±89
900 (8001)
2.0
350
10
15
200 (1801)
2.2 Ernährungszustand von Erwachsenen
2.33
Die Aufnahmen an Eisen und Jod erwachsener Männer liegen ebenfalls – wie
beim Gesamtkollektiv Frauen – im Bereich der Empfehlungen. Im Unterschied
zu den Ergebnissen bei Frauen wird bei detaillierter Betrachtung festgestellt,
daß in keiner der Altersgruppen die durchschnittliche Aufnahme die Empfehlungen unterschreitet. Bei Männern kann somit insgesamt eine ausreichende
Versorgung mit Eisen und Jod erwartet werden.
Wie im Kollektiv der Frauen ergibt sich auch hinsichtlich der durchschnittlichen Aufnahme an Zink ein verbesserungswürdiges Bild. Die Aufnahmen an
Calcium und Magnesium liegen für das männliche Gesamtkollektiv im Bereich
der Empfehlungen, die detaillierte Auswertung zeigt jedoch, daß einige Altersgruppen die Empfehlungen etwas unterschreiten.
Zusammenfassend läßt sich eine geschlechtsspezifisch eher inhomogene Aufnahme bei den meisten Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen feststellen, wobei Männer besser versorgt zu sein scheinen als Frauen, und letztere
vor allem unzureichende Mengen der Vitamine D, E, B2 und B6 sowie Calcium,
Eisen und Zink aufnehmen.
Da die Nährstoffaufnahme Erwachsener mittels 24-h-Recalls erhoben wurde,
muß erneut darauf hingewiesen werden, daß neben Erinnerungslücken auch
die Möglichkeit unkorrekter Schätzungen nicht ausgeschlossen werden kann,
die die Aussagekraft von 24-h-Recalls herabsetzen. Um die Nährstoffaufnahme
eines Individuums zuverlässig beurteilen zu können, ist der Beobachtungszeitraum von einem Tag zu kurz. Bei ausreichenden Gruppengrößen können allerdings realistische Aussagen zur Situation von Kollektiven getroffen werden.
2.2.3 Unterschiede zur Energie- und Nährstoffversorgung bei verschiedenen Ernährungsformen
In Kap. 2.2.1 wurden die Ergebnisse der Fragebogenerhebung zum „allgemeinen Ernährungsverhalten“ beschrieben. Mithilfe der Befragung erfolgte die Erhebung der Anteile der verschiedenen Ernährungstypen („gemischte Kost“,
„bewußt gemischte Kost mit viel Obst und Gemüse und wenig Fleisch“, „vegetarische Kost“) in den Geschlechts-, sowie Alters- und Bildungsgruppen.
Im folgenden Abschnitt sollen in erster Linie die Energie- und Nährstoffaufnahmen der beiden Ernährungstypen „gemischte Kost“ (= österreichische Normalkost) und „bewußt gemischte Kost mit wenig Fleisch“ miteinander verglichen
und eventuelle Unterschiede hervorgehoben werden.
Aus Tab. 2.2.5 ist ersichtlich, daß hinsichtlich der Energie- und Hauptnährstoffaufnahme ein eindeutiger Vorzug der „bewußt gemischten“ gegenüber der
„gemischten Kost“ besteht: die Energieaufnahme ist niedriger, der prozentuelle
Anteil an Eiweiß und Fett an der Gesamtenergiezufuhr ist zugunsten des Kohlenhydratanteils geringer. Der durchschnittliche Eiweißanteil liegt mit 14.9
Energie% noch innerhalb des DGE-Richtwertes von 10-15 Energie%. Ferner
sind bei der „bewußt gemischten Kostform“ der Alkoholkonsum sowie die Cho-
2.34
Kapitel 2: Ernährungszustand
lesterinaufnahme geringer und die Ballaststoffzufuhr eindeutig höher als bei der
„österreichischen Normalkost“.
Dennoch muß festgehalten werden, daß der Anteil an Fett (v.a. an gesättigten
Fetten) und an Cholesterin auch bei der „bewußt gemischten Ernährungsweise“
immer noch zu hoch liegt und die Kohlenhydrat- (v.a. Polysaccharide) und Ballaststoffzufuhr erhöht werden soll. Die Ergebnisse der „vegetarischen Kostform“
bestätigen, daß eine Reduktion der Energieaufnahme sowie der Cholesterinund Eiweißzufuhr und eine Erhöhung der Kohlenhydrat- und Ballaststoffaufnahme durch den vermehrten Konsum von Obst und Gemüse gewährleistet
werden kann.
Tab. 2.2.5: Aufnahmen von Energie und Hauptnährstoffen sowie von Alkohol,
Cholesterin und Ballaststoffen Erwachsener, differenziert nach Ernährungsform (mw±sd)
Energie (MJ/d)
Energie% Eiweiß
Energie% Kohlenhydr.
Energie% Fett
Energie% Alkohol
Energie% Saccharose
Energie% SFA1
Cholesterin (mg/d)
Ballaststoffe (g/d)
1
Gesamt
gemischte
Kost
8.8±3.7
15.4±4.6
43.5±10.1
38.2±8.6
2.9±5.7
10.3±6.9
16.8±4.7
373±266
17.8±8.9
9.1±3.9
15.6±4.5
42.3±10.1
38.6±8.7
3.4±6.2
9.8±6.8
16.9±4.7
393±271
16.6±8.0
bewußt gemischt, wenig
Fleisch
8.2±3.0
14.9±4.5
46.2±9.6
37.0±8.2
1.9±4.2
11.3±7.2
16.6±4.8
336±255
20.4±10.5
Vegetarier
7.8±3.3
12.7±3.5
50.1±10.2
37.1±9.6
0.13±0.7
12.7±6.9
18.3±6.2
267±218
20.3±9.6
...gesättigte Fettsäuren
Tab. 2.2.6 zeigt die Vitamin- und Mineralstoffaufnahme durch die drei Kostformen. Hier kann festgestellt werden, daß die Aufnahmen an Vitamin E, Folsäure
sowie an Calcium und Magnesium über die „bewußt gemischte Ernährungsweise mit wenig Fleisch“ gegenüber der „gemischten Normalkost“ höher liegen.
Natürlich muß an dieser Stelle festgehalten werden, daß sich die durchschnittlichen Aufnahmen dieser Nährstoffe – mit Ausnahme des Vitamin E – auch in
der gemischten Kostform im Bereich der Empfehlungen befinden. Diese Ergebnisse sollen lediglich darauf hinweisen, daß bei diesen Nährstoffen keine unzureichende Zufuhr erwartet werden muß, wenn der Anteil an tierischen Lebensmitteln in der Ernährung reduziert wird. Schwieriger erscheint jedoch eine ausreichende Aufnahme an Vitamin D und Zink über die „bewußt gemischte Ernährung mit wenig Fleisch“, da die durchschnittlichen Zufuhren geringer als in
der „gemischten Kostform“ sind und darüber hinaus unter den
DGE-Empfehlungen liegen. Das alimentäre Vitamin D-Defizit der „bewußt gemischten Kost“ kann jedoch durch eine Erhöhung des Konsums an Meeresfischen sowie eine ausreichende Sonnenexposition kompensiert werden. Da
die primären Zink-Quellen Fleisch, Eier und Innereien sind, gestaltet sich eine
ausreichende Versorgung an diesem Spurenelement für Personen mit bewußt
2.2 Ernährungszustand von Erwachsenen
2.35
gemischter Ernährung mit wenig Fleisch etwas schwieriger. Weitere Quellen für
Zink sind Roggen- und Weizenkeime, Weizenkleie, Haferflocken bzw. Vollgetreide im allgemeinen und Käse. Eine Aufnahme dieser Nahrungsmittel in den
Speiseplan kann eine ausreichende Zinkversorgung gewährleisten.
Bei den anderen Vitamin- und Mineralstoffaufnahmen können keine gravierenden Unterschiede zwischen den beiden Kostformen festgestellt werden, obwohl
bemerkt werden muß, daß sich in beiden Kollektiven einzelne Nährstoffaufnahmen als verbesserungswürdig herausstellten.
Tab. 2.2.6: Vitamin- und Mineralstoffaufnahmen Erwachsener, nach Ernährungsform differenziert (mw±sd)
Vitamin A1 [mg]
Vitamin D [µg]
Vitamin E [mg]
Vitamin B1 [mg]
Vitamin B2 [mg]
Niacinäquivalente [mg]
Pantothensäure [mg]
Vitamin B6 [mg]
Biotin [µg]
Folsäure [µg]
Vitamin B12 [µg]
Vitamin C
Calcium [mg]
Kalium [g]
Magnesium [mg]
Eisen [mg]
Zink [mg]
Jod [µg]2
1
Gesamt
gemischte
Kost
1.1±2
4.0±12
11.8±21
1.4±2
1.5±2
30.6±14
4.6±4
1.7±3
49.4±271
398±487
5.6±7
93±101
847±570
2,6±1,2
319±147
12,7±9,5
11,2±7,1
201±106
1.1±2
4.1±13
11.7±24
1.4±2
1.5±3
32.0±15
4.6±5
1.7±3
50.7±310
397±499
5.9±8
92±121
827±585
2,6±1,1
317±154
12,8±10,2
11,4±7,8
200±105
bewußt gemischt, wenig
Fleisch
1.2±2
3.7±8
12.1±14
1.3±3
1.5±2
27.3±12
4.6±4
1.6±3
47.2±156
405±469
4.8±7
92±132
892±530
2,7±1,4
325±128
12,5±8,1
10,7±5,2
203±112
Vegetarier
1.2±1
2.7±5
11.5±10
1.8±7
1.3±1
20.1±10
4.5±5
2.9±11
42.0±34
325±271
0.2±1.3
98±85
1029±691
2,5±1,2
302±155
11,2±6,1
8,7±4,5
186±93
...Retinoläquivalente; 2...inkl. Jod aus jodiertem Speisesalz
Betrachtet man die Ergebnisse der rein „vegetarischen Ernährungsweise“ fällt
bei einigen Nährstoffen eine unzureichende Aufnahme auf. Als verbesserungswürdig zu bewerten ist die Aufnahme an Vitamin D, Vitamin B2, Zink und Jod
und - typisch für diese Ernährungsform - Vitamin B12. Die ausreichende Versorgung an Jod und in sonnenarmen Regionen bzw. Jahreszeiten auch an Vitamin D erscheint bei vegetarischer Ernährung sehr schwierig, da in erster Linie
über den Verzehr an Meeresfischen eine Erhöhung der Zufuhr erzielt werden
kann.
2.36
Kapitel 2: Ernährungszustand
2.3 Ernährungszustand älterer Menschen
Im ersten Wiener Ernährungsbericht (Elmadfa et al. 1994c) wurde bereits auf
die grundlegenden Einflüsse des Alterungsprozesses auf den Ernährungszustand
hingewiesen. Die Einflußfaktoren auf die Ernährung im Alter können folgenden
Bereichen zugeordnet werden:
• physiologische Veränderungen von: Körperzusammensetzung (Reduktion
der fettarmen Körpermasse, v.a. der Skelettmuskulatur, und des Körperwassers); Durst-, Appetit- und Sättigungsempfinden; Verdauungsapparat)
• Lebensstil, Multimorbidität: Alkoholkonsum/-mißbrauch; Zigarettenkonsum;
Medikamenteneinnahme/-mißbrauch; ungenügende oder falsche Ernährungskenntnisse; eingeschränkte körperliche Tätigkeit
• sozioökonomische Aspekte: soziale Isolation; belastendes Lebensereignis;
finanzielle Nöte; Immobilität; ungenügende Lebensmittelverfügbarkeit;
u.v.m.
• psychische Aspekte: Depressionen; Verwirrtheitszustände; senile Demenz
Im allgemeinen sind die physiologischen Veränderungen im alternden Organismus nicht so gravierend, daß für gesunde ältere Menschen zwingend ein
anderer Nährstoffbedarf als bei Erwachsenen abgeleitet werden könnte. Da vor
allem der Anteil an Muskelmasse zurückgeht, resultiert daraus ein niedrigerer
Grundumsatz. Dieser ist häufig an eine geringere körperliche Aktivität gekoppelt und führt zum um etwa 20-25 % erniedrigten Energiebedarf älterer Menschen. Daraus ergibt sich eine große Herausforderung an die Ernährung älterer
Menschen, da trotz geringerer Energieaufnahme die Nährstoffaufnahme unverändert bleiben soll. Aufgrund des herabgesetzten Energiebedarfs wurden somit
für ältere Menschen von der DGE eigene Empfehlungen zur Nährstoffdichte
formuliert (DGE 1991). Es gibt jedoch Hinweise, daß die Empfehlungen für wenige Nährstoffe entsprechend der veränderten physiologischen Situation angepaßt werden sollten. Dies betrifft einerseits das Vitamin D, da sich im Alter die
körpereigene Kapazität, aus Vorstufen des Vitamins unter Einwirkung von Sonnenlicht zu synthetisieren, verändert. Eine Anhebung der Empfehlung von derzeit 5 auf mindestens 10 µg/d wird diskutiert (Stichwort Osteoporose). Aufgrund
metabolischer Veränderungen ist der Bedarf an Vitamin B6 bei älteren Personen
höher als bei jüngeren. Bei älteren Personen wird eine Aufnahme im Bereich
von 2.0-2.2 mg/d (jetzt 1.8 bzw. 1.6 mg/d) empfohlen.
In einer Studie des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien
wurden erste individuelle Anamnesen zu Ernährungsgewohnheiten, Nahrungsaufnahme und Versorgungszustand mit Mikronährstoffen bei Pensionären in
Wiener Pensionistenheimen erhoben (n=78)10. Diese Daten sind wichtige Basi10
Detaillierte Darstellung der Ergebnisse bei Elmadfa et al. 1996
2.3 Ernährungszustand älterer Menschen
2.37
sinformationen, sie erlauben jedoch keine Analyse der effektiven Versorgungssituation der Senioren in ganz Österreich. Instrumente der Studie waren:
1. Blut- und Harnuntersuchungen
2. fragebogenunterstützte Interviews
3. 7-Tage-Wiegeprotokolle
In den folgenden Kapiteln werden die wichtigsten Ergebnisse dieser in den
Wiener Pensionistenheimen durchgeführten Evaluation besprochen.
2.3.1 Aufnahme an Energie und Hauptnährstoffen
Die energetische Mangelernährung stellt einen der wichtigsten Risikofaktoren
im höheren Alter dar. Aus Tab. 2.3.1 ist ersichtlich, daß die Energieaufnahme
der untersuchten Wiener Pensionäre im Bereich der DGE-Richtwerte liegt (keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern). Es zeigt sich jedoch, daß mit zunehmendem Alter eine statistisch nachweisbare Reduktion der
Energieaufnahme stattfindet. Dadurch steigen die Anforderungen an die Nahrungsqualität immer mehr an, da der Bedarf an den übrigen Nährstoffen (v.a. an
Vitaminen und Mineralstoffen) nicht abnimmt.
Der Hauptanteil der Energie stammt mit durchschnittlich 43 % aus Fett (Richtwert: <30 %), und ist sogar höher als der Anteil der Kohlenhydratenergie, die
nur 40 % ausmacht. Die Eiweißenergie liegt mit durchschnittlich 14 % im
Rahmen der Richtwerte. Ungünstige und nicht empfehlungskonforme Aufteilungen der Energie auf die Nährstoffe sind bei den Ernährungsweisen, die in
industrialisierten Ländern praktiziert werden, die Regel.
Der doch sehr hohe Anteil an Energie aus Fett ist ein Kennzeichen von sehr
traditionellen Ernährungsmustern (‘österreichische Hausmannskost’). Diese Kostart hat bei den Senioren einen sehr hohen Stellenwert. Veränderungen der
Menüwahl sind jedoch schwerer zu unterstützen als Modifikationen bei den
Rezepturen. Als erster Schritt zur Optimierung der Fettaufnahme bei Senioren
ist es daher wesentlich, fettarme Zubereitungsverfahren zu wählen und bei traditionellen Gerichten Abwandlungen der Zutaten vorzunehmen, die den Charakter des Gerichtes wahren, aber dennoch eine fettärmere Variante darstellen.
Neben der Fettquantität ist es wesentlich, auch die Komponenten, aus denen
das Fett besteht, zu untersuchen. Etwa ein Drittel der Fettaufnahme sollte aus
gesättigten Fettsäuren stammen (Quellen: v.a. tierische Lebensmittel). Gleich
hoch sollte auch die Aufnahme an Fetten mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren sein, die primär aus pflanzlichen Lebensmitteln stammen. Einfach ungesättigte Fettsäuren sind sowohl in pflanzlichen, wie auch in tierischen Lebensmitteln enthalten. Die Ergebnisse zeigen, daß bei allen Altersgruppen nicht nur
eine Reduktion der Fettmengen eintritt, sondern auch eine Veränderung der
Fettqualität stattfindet. Während die Menge an einfach ungesättigten Fettsäuren
annähernd unverändert bleibt, nimmt mit steigendem Alter der Anteil gesättigter Fette signifikant zu. Die Veränderung der Fettquantität dürfte demnach zu
Lasten der pflanzlichen Fette gehen, da der Anteil mehrfach ungesättigter Fett-
2.38
Kapitel 2: Ernährungszustand
säuren bei den über 85jährigen signifikant geringer ist als bei den jüngeren Senioren.
Dies wird auch durch die Ergebnisse zur Aufnahme an Cholesterin unterstützt.
Die tägliche Aufnahme liegt bei etwa 320 mg. Da Cholesterin ein Indikator für
tierische Fette ist, zeigt auch dieses Ergebnis, daß primär pflanzliches Fett und
weniger tierisches Fett eliminiert wird.
Tab. 2.3.1: Aufnahme an Energie und energieliefernden Nährstoffen (mw±sd)
gesamt
Energie (MJ/d)
7.6±1.4
En% KH
En% Fett
En% Eiweiß
Eiweiß g/kg KG
En% Alkohol
g Saccharose
g Polysacch.1
40.0±5.2
43.1±4.8
13.8±1.7
0.87±0.2
2.6±4.9
37.6±17
100.9±24
% PUFA2
—
2
% SFA
—
% MUFA2
—
Ballaststoffe g
16.7±4.4
Flüssigkeit ml/d 2079±584
weibl.: 2068±594a
männl.: 2143±553a
bis 74 Jahre 75-84 Jahre > 85 Jahre DGEEmpfehlungen
7 (weibl.) 8.2±1.5
7.5±1.4
7.1±1.3
8 (männl.)3
39.5±4.6
39.5±6.0
41.6±3.9
>50
44.2±4.8
42.8±5.1
42.5±4.4
30 – 35
13.6±1.8
14.0±1.9
13.7±1.2
10-15
0.88±0.2
0.84±0.2
0.90±0.3
0,84
2.1±2.9
3.3±2.5
1.7±2.2
—
36.5±18
37.9±17
39.0±15
<10 En%
111.5±26 97.4±24
94.7±20
50-60% der
KH-Energie
17.6
16.3
14.5
33,33
39.1
39.5
39.2
33,33
43.2
44.0
46.2
33,33
17.4±3.6
16.7±5.5
15.7±2.8
>30
2165±614b 2121±560 1876±593b 1800
1
...Polysaccharide; 2...Anteil an der Gesamtfettsäurezufuhr; 3...Richtwert (ab 65 Jahren);
...bezogen auf das Sollgewicht ;
a
Unterschied zwischen den Geschlechtern p < 0.05;
b
Unterschied zwischen den jüngeren und ältesten Senioren p < 0.05
En%...Energieprozent; KH...Kohlenhydrate; PUFA...polyunsaturated fatty acids;
SFA...saturated fatty acids; MUFA...monounsaturated fatty acids; KG...Körpergewicht
4
Zu den essentiellen Fettsäuren zählen neben ω6-Fettsäuren (z.B. Linolsäure)
die ω3-Fettsäuren (z.B. α-Linolensäure), wesentlich für die Bildung von funktionell wichtigen Strukturlipiden in den Geweben und von immunologisch wirksamen Eicosanoiden. Die DGE empfiehlt für Erwachsene ab 65 Jahren eine Zufuhr von essentiellen Fettsäuren in Höhe von 3.5 % der Gesamtenergiezufuhr,
wobei 85 % davon auf die Zufuhr von Linolsäure und 15 % auf die Zufuhr von
α-Linolensäure entfallen sollten. Während bei den unter 75jährigen noch knapp
7 % der Energie aus den essentiellen Fettsäuren stammen, sind es bei den über
85jährigen nur mehr 5.5 %. Die von der DGE empfohlene Menge von 3.5 %
wird zwar auch bei den ältesten erreicht, bei etwa jedem Zehnten liegen die
mittleren Mengen an essentiellen Fettsäuren jedoch unter diesem Richtwert.
Inwieweit sich diese suboptimalen Aufnahmen in effektiven Versorgungsengpässen auswirken, ist für die Wiener Senioren nicht endgültig zu beurteilen, da
2.3 Ernährungszustand älterer Menschen
2.39
der Fettsäurestatus nicht analysiert wurde. Bei pflegebedürftigen alten Menschen in Anstalten wurden Mängel an essentiellen Fettsäuren gefunden. Die
Gründe hierfür liegen sowohl in der geringeren Aufnahme, als auch in zum Teil
durch Multimorbidität erhöhtem Bedarf. Die Kombination - optimierte Rezepturen für die Hauptmahlzeiten (z.B. Betonung pflanzlicher Fette) mit einem modifizierten Angebot des Frühstücks, der Nachmittags- und der Abendmahlzeit gewährleistet eine Verbesserung des Nährstoffangebotes ohne gravierende Veränderungen des individuellen Verhaltens der Senioren voraussetzen zu müssen.
Der Anteil an Kohlenhydraten liegt mit etwa 40 % der Gesamtenergieaufnahme
deutlich unter dem empfohlenen Wert von mehr als 50 % der Energie. Obwohl
die Energieaufnahme mit steigendem Alter sinkt, nimmt der Beitrag der Kohlenhydratenergie in dem Ausmaß zu, wie der Anteil der Fettenergie sinkt. Dies
weist auf Veränderungen in der Lebensmittelwahl hin, die schon am Fettkonsum ablesbar waren. Ähnlich wie bei Fett verändert sich nicht nur die Quantität
sondern auch die Qualität der Kohlenhydrataufnahme (siehe Tab. 2.3.1).
Der Anteil an Polysacchariden, der bei den unter 75jährigen noch etwa 60 %
der gesamten Kohlenhydrate ausmacht, liegt bei den über 85jährigen nur mehr
im Bereich von 50 %. Polysaccharide werden über Getreideprodukte, Obst und
Gemüse konsumiert. Bedingt durch das häufige gemeinsame Vorkommen der
Ballaststoffe und Polysaccharide in diesen Lebensmitteln kann auch bei Ballaststoffen ein deutlicher Rückgang der Aufnahmen beobachtet werden. Ballaststoffe sind gemeinsam mit einer ausreichenden Flüssigkeitsaufnahme die wichtigsten Nahrungsbestandteile, die für eine geregelte Verdauung verantwortlich
sind. Jeder zweite der befragten Senioren gab an, daß Verdauungsprobleme
und Obstipation zu seinem Alltag gehören. Etwa 17 % der Befragten nehmen
als Gegenmaßnahme regelmäßig Laxantien ein. Dieses Ergebnis zeigt, daß
durch diese geringe Menge an Ballaststoffen die Verdauungsleistung deutlich
beeinträchtigt wird.
Der Anteil der komplexen Polysaccharide und Ballaststoffe sinkt zwar, der Beitrag der Disaccharide (v.a. Saccharose) nimmt hingegen trotz sinkender Gesamtkohlenhydrataufnahme zu. Dies bedeutet, daß bei den Hochbetagten eher
der Konsum an Süßspeisen und Mehlspeisen bevorzugt wird. Ein Zusammenhang dieser Entwicklung mit der Veränderung beim Kauvermögen ist sehr
wahrscheinlich. Eine Optimierung der Kauapparatur muß auch in diesem Zusammenhang unbedingt unterstützt werden. Auch der allgemein im Alter stattfindende Rückgang im Geschmacksempfinden kann zu einer Verstärkung der
Süßpräferenz beitragen. Das verstärkte Angebot von süßeren, aber dennoch
ballaststoffreichen Obstsorten (z.B. Birnen etc.) könnte auch eine Verbesserung
der Ballaststoffaufnahme unterstützen und dennoch der Geschmackspräferenz
der älteren Senioren entsprechen. Eine insgesamt noch höhere Aufnahme an
Kohlenhydraten durch verstärkten Konsum von Gemüse- und Getreidegerichten
sollte jedoch angestrebt werden, da dies für die Optimierung der Ernährung
unverzichtbar ist.
2.40
Kapitel 2: Ernährungszustand
Altersbezogene Veränderungen des Gesamtproteingehaltes im Körper sowie
der Verteilung und Stoffwechselrate machen die Eiweißaufnahme im Alter zu
einem besonderen Kriterium. Besonders katabole Körperprozesse, wie sie bei
langandauernden und chronischen Erkrankungen auftreten, können den Proteinbedarf drastisch erhöhen. Daher sollte die Proteinaufnahme so hoch sein,
wie es die Kompensation der geringeren Aminosäurespeicherkapazitäten durch
den altersbedingten Verlust der Skelettmuskelmasse erfordert.
Die DGE empfiehlt eine Proteinzufuhr von 0.8 g/kg Körpergewicht und es
scheint gesichert, daß bei Einhaltung dieser empfohlenen Zufuhr die Stickstoffbilanz auch im höheren Alter ausgeglichen bleibt. Die Ergebnisse zur Eiweißaufnahme der Wiener Senioren zeigen, daß in allen Altersgruppen die Empfehlung von 0.8 g/kg Körpergewicht gerade erreicht wird. Die genauere Analyse
der Daten ergibt jedoch, daß ein Viertel der Untersuchten Eiweißaufnahmen
unter 0.7 g/kg KG aufweisen, 10 % sogar unter 0.6 g/kg KG. Über 1 g/kg KG
liegen etwa 25 % der Untersuchten. Generell muß dennoch keine mangelhafte
Versorgung mit Eiweiß erwartet werden. Die Versorgung mit Eiweiß kann jedoch bei den Wiener Senioren sehr rasch besonders im Krankheitsfall zu einem
Problem werden. Vor allem in den Pflegestationen der Heime sollte gezielt auf
die Ernährungssituation geachtet werden und gegebenenfalls auch nicht vor
dem Einsatz enteraler Nährlösungen und Trinkmahlzeiten zurückgeschreckt
werden (Mowe et al. 1994). Am Beispiel des Eiweißes wird also deutlich, daß
bei den Senioren vor allem das Erreichen einer bestimmten Nahrungsmenge
entsprechender Qualität die Herausforderung darstellt. Wenn die Nahrungsmenge und Energie allgemein aufgrund reduzierten Energiebedarfes sinkt, jedoch nichts an der Komposition und Speisenqualität verändert wird, sinkt der
Wert der Nahrung zusehend.
Wie in Tab. 2.3.1 gezeigt, kommt dem Alkohol beim untersuchten Kollektiv
eine untergeordnete Bedeutung zu, da nur etwa 3 % der Energie aus dieser
Komponente stammen. Daß Alkohol kein Risikofaktor bei alten Menschen ist,
kann jedoch aus diesen Daten nicht gefolgert werden. In Anbetracht dessen,
daß die Reduktion der Nahrungsenergie eine besonders ausgewogene Zusammenstellung der Ernährung erfordert, sollte jedoch darauf geachtet werden, daß
der Beitrag der Energieaufnahme aus Alkohol gering bleibt.
Der menschliche Organismus ist auf eine regelmäßige und mengenmäßig ausreichende Flüssigkeitszufuhr angewiesen. Im andauernden Flüssigkeitsmangel
schwindet das für die Stoffwechselprozesse unentbehrliche Wasser des interstitiellen Flüssigkeitsraumes. Die Folge sind Acidose, Niereninsuffizienz mit Retention harnpflichtiger Stoffe sowie Kreislaufversagen aufgrund von Elektrolytverschiebungen. Daher ist besonders in höheren Lebensjahren eine ausgewogene Wasserbilanz anzustreben, da eine Störung des Wasserhaushaltes schneller auftreten kann. Mit zunehmendem Alter ist die Reabsorption von Wasser in
der Niere beeinträchtigt. Alte Menschen neigen deshalb dazu, weniger zu trinken, um in der Nacht nicht aufstehen zu müssen. Ferner ist bei älteren Men-
2.3 Ernährungszustand älterer Menschen
2.41
schen das Durstempfinden abgeschwächt. Die DGE (1991) empfiehlt für Erwachsene ab 65 Jahren eine Gesamtwasseraufnahme von 1800 ml/Tag (1000
ml/Tag durch Getränke, 600 ml durch Lebensmittel, 200 ml verbleiben als
Oxidationswasser).
Die Ergebnisse zur Flüssigkeitsaufnahme zeigen im allgemeinen ein zufriedenstellendes Bild, da täglich etwa 2 l Gesamtflüssigkeit aufgenommen werden.
Die Flüssigkeitsaufnahme sinkt mit zunehmendem Alter. Bei Frauen ist die
Flüssigkeitsaufnahme signifikant geringer als bei Männern. Vor allem Frauen
der ältesten Gruppe sind somit in bezug auf die Flüssigkeitsaufnahme zu den
Risikogruppen zu zählen.
2.3.2 Versorgungszustand mit Vitaminen und Mineralstoffen
Die Bewertung des Versorgungszustandes bei den untersuchten Wiener Pensionisten und Pensionistinnen erfolgt auf Grundlage von Aufnahmedaten
(7-Tage-Wiegeprotokolle) sowie von Ergebnissen aus Blut- und Harnuntersuchungen.
Tab. 2.3.2 vermittelt einen Überblick über die einzelnen Referenzwerte, die für
die Ermittlung von Risikogruppen in der durchgeführten Untersuchung verwendet wurden.
Tab. 2.3.2:
Referenzwerte für die Beurteilung des Status bei Senioren
Parameter
Vit. A - Retinol µg/dl
β-Carotin µg/dl
25 OH Cholecalciferol µg/l
Tocopherol mg/dl
Phyllochinon µg/l
Thiamin µmol/g Creatinin
Riboflavin µg/g Creatinin
Riboflavin - α EGR
Pyridoxin - α EAST
Folsäure µg/l
Vit. B12 ng/l
Vitamin C mg/dl
Calcium mmol/g Creatinin
Magnesium mg/g Creatinin
Kalium mmol/g Creatinin
Natrium mmol/g Creatinin
Eisen mg/dl
Zink mg/l
Selen µg/l
Kupfer mg/l
Der Status ist...
stark
leicht
erniedrigt erniedrigt
10-20
≤ 10
20-40
≤ 20
<5
0.5-0.7
≤ 0.5
≤ 0.16
≤ 0.2
< 27
28-80
≥ 1.5
1.5 - 2.0
≥ 2.0
<3
3-5.9
< 100
100-200
< 0.3
0.3-0.8
≤ 1.25
≤ 40
≤ 30
< 60
< 0.8
< 50
< 0.8
normal
≥ 20
≥ 40
>5
≥ 0.7
≥ 0.17
≥ 0.2
≥ 80
< 1.5
≤ 1.5
>6
≥ 200
≥ 0.8
> 1.25
> 40
> 30
64-240
≥ 60
≥ 0.8
≥ 50
≥ 0.8
Referenzwerte
nach
Sauberlich et al. 1976
Sauberlich et al. 1976
Elmadfa et al. 1994b
Sauberlich et al. 1976
Speitling et al. 1992
Speitling et al. 1992
Speitling et al. 1992
Sauberlich et al. 1976
Sauberlich et al. 1976
Kutsky 1981
Kutsky 1981
Kutsky 1981
Kutsky 1981
Hercberg et al. 1991
Aggett 1993
2.42
Kapitel 2: Ernährungszustand
2.3.2.1 Aufnahme und Status an Vitaminen
Die eingangs gezeigten Ergebnisse zur Energieaufnahme belegen, daß ein deutlicher Rückgang in der Aufnahme eintritt, wenn die Menschen älter werden. Da
sich der Bedarf an Nährstoffen jedoch nicht ändert, muß dieselbe Menge an
Nährstoffen, die junge Menschen mit einer höheren Nahrungsmenge konsumieren, bei den älteren Menschen durch weniger Nahrung aufgenommen werden. Relativ betrachtet muß deshalb die Nährstoffdichte bezogen auf die Nahrungsenergie bei älteren Menschen höher sein als bei jüngeren.
Die Auswertung der Aufnahme an Vitaminen lieferte die in Tab. 2.3.3 zusammengefaßten Ergebnisse, wobei sich keinerlei signifikanten altersspezifischen
Unterschiede zwischen den untersuchten Gruppen nachweisen lassen.
Die durchgeführte Bewertung der Vitaminaufnahme ergab, daß eine deutliche
Überschreitung der Empfehlung nur bei Vitamin A(-Äquivalenten) und Vitamin
B12 (Cobalamin) auftritt. Bei diesen beiden Nährstoffen kann aufgrund der Aufnahmen mit einer guten Versorgungslage gerechnet werden. Deutliche Unterschreitungen der Empfehlung sind nur bei Vitamin D zu beobachten, das mit
mittleren 2.5 µg/d nur knapp die Hälfte der empfohlenen 5 µg/d erreicht. Die
Vitamine E, B1, B2 liegen mit unterschiedlich ausgeprägten Streuungen im Bereich zwischen 5 und 20 % leicht unter den Empfehlungen der DGE. Deutlicher unter der Empfehlung sind die Aufnahmen an Vitamin B6 und Folsäure,
die nur knapp zwei Drittel der empfohlenen Menge erreichen. Erwartungsgemäß sind die Schwankungen bei den Aufnahmen an β -Carotin besonders stark.
Die mittleren Aufnahmen schwanken zwischen 10 % unter und 40 % über der
DGE-Empfehlung. Dies ist bei den β-Carotinaufnahmen sehr typisch. Es stammt
vor allem aus Obst und Gemüse, das erfahrungsgemäß von einigen Personen
regelmäßig und in höheren Mengen, von anderen Personen jedoch unregelmäßig und in relativ geringen Mengen konsumiert wird.
Tab. 2.3.3: Aufnahme an Vitaminen bei Bewohnern Wiener Pensionistenheime und Vergleich mit der Empfehlung der DGE (95 % Konfidenzintervall)1
Vit. A-Äquiv.
β-Carotin
Vit. D
Vit. E- Äquiv.
Vit. B1
Vit. B2
Vit. B6
Folsäure
Vit. B12
1
gesamt
155 bis 191
86 bis 137
40 bis 60
72 bis 98
86 bis 94
83 bis 92
65 bis -28.9
73 bis 70
216 bis 303
bis 74 Jahre
116 bis 171
85 bis 138
71bis 86
36 bis 123
34 bis 93
33 bis 89
43 bis 69
44 bis 68
130 bis 163
75-84 Jahre
150 bis 204
82 bis 35
40 bis 62
65 bis 103
87 bis 97
81 bis 93
67 bis 76
63 bis 73
206 bis 328
>85 Jahre
153 bis 249
85 bis 143
29 bis 41
55 bis 93
86 bis 100
85 bis 108
61 bis 73
63 bis 81
103 bis 345
Die Bereiche der Konfidenzintervalle sind wie folgt zu interpretieren: Die Empfehlung der
DGE entspricht dem Wert ‘100’. Werte über ‘100’ bedeuten, daß die mittlere Aufnahme ÜBER,
Werte unter ‘100’, daß sie UNTER der Empfehlung liegt. z. B. + 135 Aufnahme liegt 35 % über
der Empfehlung, ‘86’ Aufnahme erreicht nur 86 % der Empfehlung und liegt um 14% darunter.
2.3 Ernährungszustand älterer Menschen
2.43
Die Ergebnisse zum Status an Vitaminen wurden mit den in Tab. 2.3.2 dargestellten Normalwerten verglichen. Die daraus resultierende Verbreitung von
normalen, grenzwertig bzw. deutlich unter den Referenzen liegenden Meßergebnissen ist in Abb. 2.3.1 zusammengefaßt. Deutlich wird dabei, daß bei den
Vitaminen, für die innerhalb der Gruppe schon unter den Empfehlungen liegende Aufnahmen gefunden wurden, auch bei der Bewertung des individuellen
Status ein hohe Verbreitung von unbefriedigenden Meßwerten festzustellen
waren.
100%
80%
stark erniedrigt
leicht erniedrigt
normal
60%
40%
20%
Vi
ta
m
in
A
ßC
ar
ot
in
Vi
ta
m
in
D
Vi
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in
E
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n
Py
rid
ox
in
Fo
ls
äu
re
C
ob
al
am
in
Vi
ta
m
in
C
0%
Abb. 2.3.1: Bewertung der Vitaminversorgung von Wiener Senioren aufgrund
laborchemischer Meßwerte
Es zeigt sich, daß die Messung der Versorgungsparameter für Retinol (Vitamin
A) die Bewertung der Aufnahmen bestätigt, eine ausreichende Versorgung ist
gewährleistet. Die vorliegenden Ergebnisse zu den Aufnahmen zeigen, daß
trotz der geringen Energieaufnahme eine Überschreitung der Empfehlung um
mehr als die Hälfte erreicht wurde. Kein einziger Befund der Serumretinolgehalte weist auf erniedrigte Versorgungszustände hin, ganz im Gegenteil, da sogar
der geringste gemessene Wert noch über dem Grenzwert liegt.
Bei β -Carotin sind bei jedem Dritten erniedrigte Werte gemessen worden. Die
stark schwankenden Aufnahmen, die auf Personen mit hohem Obst-/Gemüsekonsum und solche mit relativ geringem Konsum schließen lassen, sind ebenfalls eine gute Ergänzung zu diesem Befund. β-Carotin erfüllt im Organismus
2.44
Kapitel 2: Ernährungszustand
viele Funktionen, eine davon ist, daß es zu Retinol, also Vitamin A umgewandelt werden kann. Da die Aufnahme an Retinol und die Serumretinolwerte jedoch so gut sind, dürfte β-Carotin verstärkt als antioxidative Substanz im Organismus fungieren. Eine ausreichende Versorgung mit antioxidativen Nährstoffen
unterstützt die körpereigene Abwehr und gewährleistet einen besseren Immunzustand der Senioren. Überhöhte Aufnahmen, wie sie mit ungezielter Einnahme von Nahrungsergänzungen möglich sind, sollten jedoch vermieden werden,
da bei sehr hohen Dosen eine negative Wirkung erwartet werden kann (Ballmer
et al. 1994).
Tocopherol (Vitamin E) ist ebenfalls ein wichtiges Antioxidans. Nur bei drei
Personen, die zu den Hochbetagten zählen, mußte ein deutlicher Mangel diagnostiziert werden. Die Aufnahmen (siehe Tab. 2.3.3) lassen einen entsprechenden Befund erwarten, da die mittleren Aufnahmen etwas unter den Empfehlungen liegen. Vor allem bei den Hochbetagten (über 85 Jahren) sind die
mittleren Aufnahmen jedoch weit unter den empfohlenen Werten von 12 mg/d.
Im allgemeinen kann die Versorgungssituation mit Vitamin E bei den Senioren
als ausreichend charakterisiert werden.
Bei Vitamin K kann ein ähnlicher Befund erstellt werden. Die Versorgung ist
bei den älteren Personen als ausreichend zu betrachten, da nur bei 5 % der
Untersuchten leicht erniedrigte Meßwerte auftreten. Für den Versorgungsszustand mit Vitamin K sind die Aufnahmen nur von sekundärer Bedeutung. Wichtigste Quelle ist das von den Darmbakterien synthetisierte Vitamin K. Vitamin
K-Mangel tritt deshalb sehr selten auf. Die häufigste Ursache von Mangel bei
Erwachsenen und alten Menschen sind Absorptionsstörungen oder chronische
Einnahme von Antibiotika, die die Darmflora zerstören. Sofern derartiges bei
den Senioren bekannt ist, sollte gezielt der Vitamin K-Status überwacht werden.
Dramatisch erscheint die Situation bei Vitamin D, für das bei über 80 % der
Senioren sowohl deutlich erniedrigte Meßwerte im Serum als auch zu geringe
Aufnahmen gefunden werden. Vitamin D kommt eine wichtige Rolle beim Calciumstoffwechsel und dadurch im Knochenstoffwechsel zu. Eine derartig
schlechte Versorgung kann nicht ohne Konsequenzen auf die Funktionalität des
Stützapparates bleiben. Vitamin D kommt in fettreichen Fischsorten, im Eigelb,
der Margarine oder im Milchfett vor. Bei Ernährungsweisen, die durch einen
geringen Verzehr von Meeresfischen gekennzeichnet sind, ist eine deutlich erniedrigte Aufnahme weit verbreitet. Bei jüngeren Personen werden die Nahrungsdefizite in der Regel dadurch ausgeglichen, da durch ausreichende Sonnenexposition in der Haut das Vitamin gebildet werden kann. Älteren Menschen halten sich häufig in viel geringerem Ausmaß in der Sonne auf, so daß
diese Möglichkeit, die Nahrungsdefizite auszugleichen, ebenfalls wegfällt. Als
Maßnahme sollte daher ein gezielter Einsatz von entsprechenden Nahrungsergänzungen überlegt werden, da eine Anhebung des Verzehrs fettreicherer Seefische im notwendigen Ausmaß kaum realisiert werden kann.
2.3 Ernährungszustand älterer Menschen
2.45
Bei Vitamin B1 ist aufgrund der Bewertung der Aufnahmen mit einer guten Versorgung der Senioren zu rechnen. Die Bewertung des Status bestätigt dies, da
nur bei etwa 3 % der Senioren ein erniedrigter Status zu finden ist. Ähnlich
auch die Situation bei Vitamin B2.
Bei Folsäure ist nur bei der Hälfte der Senioren ein normaler Versorgungszustand festzustellen, etwa ein Drittel hat einen leicht erniedrigten, ein Fünftel
aber einen stark erniedrigten Status. Die Folsäure kann vor allem mit pflanzlichen Lebensmitteln (Gemüse, Salat) aufgenommen werden. Wie die Ergebnisse
zu den Ernährungsgewohnheiten zeigen, verändert sich jedoch gerade der Konsum an diesen Lebensmitteln durch den Eintritt ins Heim. Erschwerend kommt
bei den Senioren hinzu, daß auch die Einnahme diverser Medikamente (z.B.
schmerzstillende Präparate; Antirheumatika; Psychopharmaka) den Status beeinträchtigt. Für die Folsäureversorgung hat der Gemüse- und Salatkonsum derart große Bedeutung, daß eine Verbesserung des Angebotes für alle Senioren
angestrebt werden sollte.
Kritisch ist die Situation bei Pyridoxin, für das nur bei jedem Fünften eine normale Versorgung gefunden wurde. Die Hälfte der Senioren hat einen leicht erniedrigten Status, jeder Dritte aber einen stark erniedrigten Versorgungszustand
(siehe Abb. 2.3.1). Pyridoxin spielt eine wichtige Rolle im Eiweißstoffwechsel.
Gerade beim älteren Menschen besteht ein erhöhter metabolischer Bedarf. Die
Bewertung der Aufnahmen zeigt, daß die Empfehlung um ca. ein Drittel unterschritten wird. Pyridoxinreiche Lebensmittel sind vor allem tierische Produkte,
aber auch Vollkornprodukte. Da der Konsum an tierischen Lebensmitteln bei
älteren Menschen an sich bereits ausreichend hoch ist, sollte an einer Optimierung der Aufnahme an Vollkornprodukten gearbeitet werden. Bei denjenigen
Senioren, die bereits einen ausgeprägten, schlechten Funktionsstatus aufweisen,
sollte jedoch nicht vor gezielter Supplementation zurückgeschreckt werden.
Die Ergebnisse zur Aufnahme an Vitamin B12 würden bei allen Senioren eine
mehr als ausreichende Versorgung erwarten lassen. Dies ist jedoch nicht der
Fall. Wie aus Abb. 2.3.1 deutlich wird, weisen ca. 10 % der Untersuchten erniedrigte Serumkonzentrationen auf. Für die Aufnahme von Vitamin B12 ist ein
im Magen produzierter Faktor, der sog. Intrinsic Factor notwendig. Bei einigen
älteren Menschen kann altersbedingt oder bedingt durch pathologische Veränderungen der Magenschleimhaut, zuwenig von diesem Faktor produziert werden, so daß die Absorption trotz an sich ausreichendem Angebot unvollständig
ist. Bei den Senioren, für die ein derartiger Befund ausgestellt wurde, sollte eine
Differentialdiagnose die effektive Ursache dieser niedrigen Meßwerte abklären.
Sofern wirklich die mangelhafte Produktion des Intrinsic Factors für die niedrigen Serumkonzentrationen verantwortlich ist, muß eine Supplementation durch
Vitamininfusionen erfolgen.
Bedeutung kommt den drei letztgenannten Vitaminen Folsäure, Pyridoxin und
Vitamin B12 zu, da diese als schützende Substanzen vor kardiovaskulären Erkrankungen identifiziert wurden (Pietrzik et al. 1995). Hierfür wird eine erhöhte
2.46
Kapitel 2: Ernährungszustand
Konzentration des Stoffwechselproduktes Homocystein verantwortlich gemacht, das sich bei einem Mangel dieser drei Vitamine im Blutserum akkumuliert. Die Ergebnisse aus der Bestimmung der Homocysteingehalte im Serum
unterstreichen den Handlungsbedarf zur Verbesserung der Versorgung aller
drei Vitamine, da nur bei 14% der Untersuchten Konzentrationen im wünschenswerten Bereich gefunden werden können.
Bei etwa jedem Dritten der Untersuchten besteht ein niedriger Vitamin
C-Status. Dieser Befund ist bei älteren Menschen häufig anzutreffen. Wieder
kann der sinkende Konsum an pflanzlichen Produkten verbunden mit einer an
sich sinkenden Nahrungsmenge die Ursache sein.
2.3.2.2 Aufnahme und Status an Mineralstoffen
Die Ergebnisse zur Aufnahme an Mineralstoffen sind in Tab. 2.3.4 dargestellt.
Im allgemeinen ist die Aufnahme an Mineralstoffen als zufriedenstellend zu
bezeichnen.
Besonders erfreulich stellt sich die Situation bezüglich Jod dar. Wenn - wie bei
den hier erfolgten Berechnungen - der Beitrag des jodierten Kochsalzes mitberücksichtigt wird, ist eine ausgezeichnete Versorgung der Senioren zu erwarten.
Auch bei Eisen weisen die Aufnahmen auf eine zufriedenstellende Versorgung
hin. Die Aufnahme an Kupfer liegt im Bereich der empfohlenen 1.5 bis 3.0
mg/d. Wie aus der Bewertung abzulesen, ist nur bei einigen, vor allem in der
Gruppe der Hochbetagten, eine Abweichung vom unteren Wert der Empfehlung zu beobachten. Die auf Grundlage der Aufnahmen mögliche Abschätzung
der Versorgung mit Kupfer läßt eine an sich sehr gute Situation erwarten, wenn
auch bei einzelnen niedrigere Werte auftreten können. Beim Kalium geben die
Empfehlungen den täglichen Mindestbedarf an. Die Aufnahmen liegen im Bereich von etwa 2 g/Tag. Wie aus der Tab. 2.3.4 deutlich wird, erreichen die
Kaliumaufnahmen der Senioren gerade den empfohlenen täglichen Mindestbedarf. Da bei der Gruppe der älteren Menschen jedoch durch die relativ hohe
Morbidität (v.a. Hypertonie) ein etwas höherer Bedarf an Kalium bestehen
könnte, dürfte trotz der auf den ersten Blick so zufriedenstellenden Aufnahmen
in Einzelfällen eine suboptimale Versorgung zu erwarten sein. Deutlich unter
den Empfehlungen liegen die Aufnahmen an Calcium, Magnesium und vor allem an Zink. Bei Magnesium und bei Zink muß allerdings bedacht werden, daß
die Empfehlungen sehr große Sicherheitszuschläge beinhalten.
2.3 Ernährungszustand älterer Menschen
2.47
Tab.2.3.4: Aufnahme an ausgewählten Mineralstoffen und Bewertung auf Basis
der Empfehlungen der DGE (% an der Empfehlung1; 95 % Konfidenzintervall)
Calcium
Magnesium
Kalium
Eisen
Zink
Kupfer
Jod
gesamt
82 bis 92
77 bis 85
108 bis 18.5
121 bis 29.0
35 bis 71
105 bis 27.4
197 bis 233
bis 74 Jahre
76 bis 96
71 bis 85
103 bis 127
98 bis 130
61 bis 72
98 bis 138
150 bis 213
75-84 Jahre
82 bis 93
77 bis 90
107 bis 123
111 bis 139
66 bis 73
102 bis 133
205 bis 261
>85 Jahre
80 bis 102
74 bis 85
96 bis 117
105 bis 130
64 bis 74
83 bis 143
189 bis 252
1
Die Bereiche der Konfidenzintervalle sind wie folgt zu interpretieren: Die Empfehlung der
DGE entspricht dem Wert ‘100’. Werte über ‘100’ bedeuten, daß die mittlere Aufnahme ÜBER,
Werte unter ‘100’, daß sie UNTER der Empfehlung liegt. z. B. Wert ‘135’ - Aufnahme liegt 35
% über der Empfehlung; Wert ‘86’ - Aufnahme erreicht nur 86 % der Empfehlung und liegt um
14% darunter.
Die Ergebnisse aus den laborchemischen Analysen der Parameter des Mineralstoffstatus sind in Abb. 2.3.2 dargestellt. Anders als bei der Versorgung mit Vitaminen wurden keine deutlich erniedrigten Befunde bei der Versorgung mit
Mineralstoffen gefunden. Das Wissen um die entsprechende Höhe des Bedarfs
älterer Menschen ist im Fall der Mineralstoffe noch relativ unsicher, so daß die
effektive Bewertung der aufgenommenen Mengen immer mit dem Risiko einer
zu hoch oder zu niedrig angesetzten Empfehlung arbeiten muß.
Übereinstimmend mit der Bewertung der Aufnahmen kann für etwa 20 % der
Senioren ein erniedrigter Status an Calcium gefunden werden. Dies ist bedauerlich, da dem Calcium in der Ernährung der älteren Menschen aufgrund seiner
Funktion im Knochenstoffwechsel eine besondere Bedeutung zukommt. Eine
Verbesserung des Versorgungszustandes durch eine Anhebung des Konsums
fettarmer Milchmahlzeiten sollte unterstützt werden. Im Zusammenhang mit
der Calciumversorgung muß jedoch stets der Status an Vitamin D gesehen werden, der ja, wie dargestellt, nur bei einem Fünftel der Senioren als zufriedenstellend zu bewerten ist. Vitamin D ist für die Aufnahme des Calciums aus der
Nahrung notwendig. Dies bedeutet, daß parallel zur Optimierung des Calciumangebotes über Milchprodukte auch eine Verbesserung der Versorgung mit
Vitamin D erfolgen muß.
Bei Magnesium kann aufgrund der Bewertung des Status Entwarnung gegeben
werden. Nur bei 5 % der Untersuchten werden deutlich erniedrigte Magnesiumausscheidungen gefunden. Die Bewertung der Aufnahmen hätte eine weit
höhere Prävalenz von ungünstiger Versorgung erwarten lassen. Wie kurz angedeutet, beinhaltet die Empfehlung für die Magnesiumaufnahme bei den Älteren
jedoch relativ hohe Sicherheitszuschläge.
Ähnliche Diskrepanzen sind auch für die Versorgung mit Zink zu beobachten,
wo die Bewertung der Aufnahmen ein verbreitetes Defizit erwarten ließe, das
jedoch über die Analyse des Status nicht bestätigt werden konnte. Auch im Fall
des Zinks kann dies auf hohe Sicherheitszuschläge in den Empfehlungen zurückgeführt werden.
2.48
Kapitel 2: Ernährungszustand
100%
leicht erniedrigt
normal
über Normalbereich
80%
60%
40%
20%
Zi
nk
Ei
se
n
K
up
fe
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Se
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n
N
at
riu
m
K
al
iu
m
M
ag
ne
si
um
C
al
ci
um
0%
Abb. 2.3.2: Bewertung der Versorgung mit Mineralstoffen bei Wiener Senioren aufgrund laborchemischer Meßwerte
Obwohl die Bewertung der Aufnahmen an Kalium gezeigt hat, daß nur bei einigen wenigen der Mindestbedarf nicht erreicht wird, werden doch bei etwa
40 % der Untersuchten erniedrigte Kaliumausscheidungen gefunden. Dies bedeutet, daß eine Anhebung des Verzehrs kaliumreicher Lebensmittel (pflanzliche Lebensmittel) für die Wiener Senioren dringend angeraten ist.
Die Bewertung des Status an Natrium zeigt, daß etwa 10 % eine erhöhte Ausscheidung aufweisen. Dies steht in engem Zusammenhang mit der Aufnahme
an Kochsalz, die durch das häufig zu beobachtende Nachsalzen der Senioren
sehr hoch ist. Besonders im Zusammenhang mit Hypertonie ist dieser Befund
wenig wünschenswert.
Der Status an Selen zeigt, daß bei jedem Fünften erniedrigte Serumkonzentrationen vorhanden sind. Es ist bekannt, daß verschiedene Erkrankungen, die zur
typischen Multimorbidität im Alter zu rechnen sind, den Stoffwechsel von Selen
beeinflussen können. Hauptsächlich geschieht dies durch die veränderte Transportkapazität des Organismus für einige Spurenelemente über spezifische Proteine (Metallothioneine), sowie durch die reduzierte Reabsorptionsleistung der
Niere. Zu dieser Problematik kommt noch ein relativ geringer Selengehalt in
der Nahrung, der zwar in Österreich für den größten Teil der Bevölkerung ausreichend ist, aber besonders bei einer ungünstigen Lebensmittelzusammenstellung zum Tragen kommt. Eine höhere Aufnahme an selenreicheren Lebensmitteln (Nüsse und Vollkorngetreide) kann ohne Einschränkung für alle alten Menschen empfohlen werden. In einzelnen Fällen, bei denen alle Möglichkeiten
2.3 Ernährungszustand älterer Menschen
2.49
einer Optimierung der Ernährung ausgeschöpft wurden, muß der Weg einer
Ergänzung mit Selenpräparaten (Selenhefe) in Betracht gezogen werden.
Bei Kupfer und Eisen sind trotz der an sich zufriedenstellenden Aufnahmen
ebenfalls bei etwa 15-20 % der Senioren erniedrigte Serumkonzentrationen zu
beobachten. Die Befunde für Eisen werden bei zusätzlicher Betrachtung der
ermittelten Hämoglobinwerte relativiert, da bei dem weitaus größten Teil
(95 %) der untersuchten Senioren Gehalte über 12 g/dl gefunden wurden. Dieses Ergebnis bedeutet, daß trotz der erniedrigten Serumkonzentrationen an Eisen eine ausreichende Versorgung mit diesem Nährstoff vorliegt. Auch die gefundenen niedrigen Serumkonzentrationen an Kupfer sind kein Grund, bei diesen Personen Mangelerscheinungen zu befürchten. Dennoch kann auch für
dieses Spurenelement, ähnlich wie für Selen, die Empfehlung eines höheren
Konsums an Nüssen und Vollkorngetreiden ausgesprochen werden. Gründe für
die ermittelten Befunde trotz zufriedenstellender Aufnahme, sind in den gleichen Mechanismen wie bei Selen zu suchen. Hier ist ebenso zu überlegen, ob
in Einzelfällen eine moderate Nahrungsergänzung erfolgen muß, wenn über die
Ernährung keine Verbesserung erreicht werden kann.
2.3.3 Schlußfolgerungen
Physiologische Veränderungen der Körperzusammensetzung und des Appetitund Sättigungsempfindens, Lebensstilveränderungen, sozioökonomische und
psychische Aspekte sind nur einige von zahlreichen Veränderungen im Laufe
des Alterungsprozesses und damit Einflußfaktoren auf den Ernährungszustand
im Alter. Wesentlich ist eine unveränderte Nährstoffaufnahme bei insgesamt
erniedrigtem Energiebedarf.
In einer Studie des Instituts für Ernährungswissenschaften wurden Ernährungsgewohnheiten, Nahrungsaufnahme und der Versorgungszustand von Pensionären erhoben. Dabei wurde folgendes festgestellt:
Wenig zufriedenstellend ist die hohe Fettaufnahme und die ungünstige Fettzusammensetzung, die vor allem durch die Modifikation von Rezepturen optimiert werden könnte. Umgekehrt ist die Kohlenhydrat- und Ballaststoffaufnahme zu gering.
Dringend verbesserungswürdig stellt sich die Versorgung mit Vitamin B6 dar, da
nur bei 2 von 10 Senioren ein normaler Status gefunden wurde. Obwohl eine
Optimierung der Ernährung langfristiges Ziel sein sollte, muß kurzfristig im Einzelfall eine gezielte Supplementierung überlegt werden. Auch der Kaliumversorgungszustand erweist sich als dringend verbesserungswürdig. Die Aufnahmen erreichen zwar den empfohlenen täglichen Mindestbedarf, die Statusuntersuchungen zeigen aber, daß bei vier von 10 Senioren erniedrigte Meßwerte
vorhanden sind.
Ebenso verbesserungswürdig ist die Situation bei Vitamin D, da nur ein Fünftel
der Senioren eine ausreichende Versorgung aufweist. Als Ernährungsmaßnahme
2.50
Kapitel 2: Ernährungszustand
könnte der Verzehr von fetthaltigen Meeresfischen eingesetzt werden, der jedoch als Einzelmaßnahme wahrscheinlich zu wenig Wirkung zeigt. Der gezielte Einsatz von Vitamin D-Ergänzungen sollte daher überdacht werden. Auch die
Versorgung mit Calcium stellt häufig ein Problem dar - bei etwa 20 % der Senioren wurde ein schlechter Status gefunden, die Aufnahmen liegen gerade
noch im Bereich der Empfehlung.
Auch die Versorgung mit Vitamin C, Folsäure und β-Carotin sollte verbessert
werden. In Einzelfällen ist eine Optimierung der Versorgung mit Selen und
Kupfer angebracht, was am einfachsten durch eine Erhöhung des Konsums an
Nüssen und Vollkornprodukten geschieht, eine Maßnahme, die auch aus anderen Gründen (Ballaststoffe, Erhöhung des Konsums an Kohlenhydraten, Verbesserung der Versorgung mit Vitaminen der B-Gruppe) empfohlen werden kann.
Bei den übrigen Vitaminen, Mengen- und Spurenelementen werden nur in Einzelfällen ungünstige Diagnosen gestellt, so daß allgemein eine ausreichende
Versorgung erwartet werden kann.
Nicht nur in Hinblick auf die Nährstoffrelation ist ein verstärkter Konsum von
Gemüse- und Getreidegerichten, ein häufigeres Angebot von ballaststoffreichen
Obstsorten und der regelmäßige Verzehr fettarmer Milchprodukte für eine Verbesserung der bestehenden Situation unverzichtbar.
Ernährungszustand in der Schwangerschaft
2.51
2.4 Ernährungszustand in der Schwangerschaft
Der Ernährungsstatus von Frauen vor und während der Schwangerschaft beeinflußt sowohl die mütterliche Gesundheit als auch die fetale Entwicklung. Um
den physiologischen Veränderungen des Stoffwechsels während der Schwangerschaft, sowie den Anforderungen von Wachstum und Entwicklung des Feten
in optimaler Weise gerecht zu werden, ist eine höhere Zufuhr an bestimmten
Nährstoffen notwendig. Da während der Schwangerschaft vor allem ein erhöhter Bedarf an einzelnen essentiellen Nährstoffen besteht, der zusätzliche Energiebedarf jedoch nicht so stark ansteigt, ist eine Ernährungsweise mit ausreichender Nährstoffdichte anzustreben.
Die Ernährungsgewohnheiten im europäischen Raum gewährleisten i.a. auch in
der Schwangerschaft eine ausreichende Energie- und Eiweißversorgung. Die
Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen kann dagegen unzureichend
werden, wenn die Lebensmittelauswahl nicht entsprechend adaptiert wird und
ein Verzehr von Nahrungsmitteln mit hoher Nährstoffdichte unterbleibt.
Die Basisdaten, die zur Beurteilung der Energie- und Nährstoffversorgung in der
Schwangerschaft herangezogen wurden, stammen aus zwei vom Institut für
Ernährungswissenschaften im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum
Ernährungsstatus) durchgeführten Studien. Bei den in den folgenden Kapiteln
gegenübergestellten Ergebnissen handelt es sich somit nicht um Longitudinaldaten, sondern um zwei unterschiedliche Kollektive schwangerer Frauen. Beide
Studien wurden im Raum Wien durchgeführt (Basisdaten 20. Schwangerschaftswoche (SSW) = Studie A: Interventionsstudie; 34. Schwangerschaftswoche (SSW) = Studie B: Szallai 1997, Amann 1998). Im Rahmen beider Erhebungen wurden unter anderem Energie- und ausgewählte Nährstoffaufnahmen
der Schwangeren ermittelt. Darüber hinaus wurde auch der Nährstoffstatus
ausgewählter Nährstoffe gemessen.
In beiden Untersuchungen wurde die Nährstoffaufnahme über 7-Tage-Wiegeprotokolle erhoben, die Aufnahme an Mikronährstoffen aus Supplementen
wurde bei der Bewertung nicht berücksichtigt. Eine allgemeine Erhebung zur
Supplementierung (Kap.2.4.3) soll eine Orientierung über das Ausmaß der
Verwendung von Nährstoffpräparaten in Österreich in der Bevölkerungsgruppe
der Schwangeren geben.
2.4.1 Aufnahme an Energie und Hauptnährstoffen in der Schwangerschaft
Aus Tab. 2.4.1 ist ersichtlich, daß im allgemeinen keine deutlichen Unterschiede hinsichtlich Energie- und Hauptnährstoffaufnahme zwischen den Ergebnissen der beiden Studien zu erkennen sind. Aus diesem Grund werden die Daten
größtenteils gemeinsam behandelt, auf die in Einzelfällen vorhandenen geringen Unterschieden wird bei der Beurteilung hingewiesen.
2.52
Kapitel 2: Ernährungszustand
Die DGE-Richtwerte für die Energieaufnahme in der Schwangerschaft liegen ab
dem 4. Monat 1.2 MJ über den Empfehlungen für nichtschwangere Frauen. Die
in Studie B beobachtete mittlere Energieaufnahme liegt nur geringfügig höher
als die der Studie A; zu beiden Terminen (20. und 34. SSW) wird der empfohlene Richtwert der DGE unterschritten.
Tab. 2.4.1: Aufnahme an Energie und Hauptnährstoffen sowie an Ballaststoffen, Cholesterin, Alkohol und Wasser in Studie A und Studie B (mw ± sd)
Studie A1)
(n = 84)
Studie B2)
(n = 218)
Energie (MJ/d)
9.0 ± 1.5
9.4 ± 1.7
DGE-Empfehlungen für
Schwangere ab dem 4. Monat
9,7 – 10,2*
Eiweiß (g/d)
72.8 ± 14.3
73.2 ± 15.2
58
Eiweiß (g/MJ)
8.1 ± 1.1
7.8 ± 0.9
5,7
Kohlenhydr. (Energie%) 48.7 ± 5.2
47.9 ± 4.5
55 – 60*
Fett (Energie%)
37.1 ± 4.5
37.5 ± 4.2
25 – 30*
P/S Quotient
0.32 ± 0.09
0.33 ± 0.09
mind. 0,5*
Cholesterin (mg/d)
381 ± 128
393 ± 122
max. 300*
Saccharose (Energie%)
17.2 ± 5.0
17.1 ± 4.7
10*
Ballaststoffe (g/d)
20.8 ± 6.7
19.4 ± 5.2
30
Ballaststoffe (g/MJ)
2.3 ± 0.6
2.1 ± 0.5
3
Wasser (ml/d)
2121 ± 54.1
2099 ± 35.5
2200*
Alkohol (Energie%)
0.32 ± 0.59
0.41 ± 0.05

1)
zwischen der 21. und 23. Schwangerschaftswoche; Auswertung auf Basis des BLS 2.2.
zwischen der 34. und 37. Schwangerschaftswoche; Auswertung auf Basis des BLS 2.2.
*
Richtwerte
2)
Die energiebezogene Bewertung der Proteinaufnahme (g/MJ) liegt im Mittel
deutlich über den Empfehlungen der DGE. Hier wird ersichtlich, daß auch in
der Schwangerschaft die Eiweißzufuhr relativ hoch ist, der Anteil der Energieaufnahme aus Protein liegt bei beiden Erhebungen im Mittel bei 13 %. Darüber
hinaus stammt der überwiegende Teil des Proteins aus tierischen Quellen (ca.
62 %). Diese Tatsache läßt darauf schließen, daß auch die Zufuhr an Fett und
Cholesterin relativ hoch sein dürfte.
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen deutlich, daß die Kohlenhydrataufnahme
insgesamt nicht den gewünschten Anteil an der Energiezufuhr leistet. Der Anteil
an Disacchariden – insbesondere an Saccharose – ist hingegen eindeutig zu
hoch. Die Tatsache, daß zu wenige Polysaccharide aus pflanzlichen Nahrungsquellen aufgenommen werden, spiegelt sich auch in den Ergebnissen zur Aufnahme an Ballaststoffen wider. Folglich ist nicht nur die Gesamtzufuhr an Kohlenhydraten zu gering, sondern auch die Zusammensetzung verbesserungswürdig.
Ernährungszustand in der Schwangerschaft
2.53
Im Durchschnitt nehmen die untersuchten Schwangeren beider Termine ca.
37 % der Gesamtenergie in Form von Fett auf. Damit wird der obere Grenzwert der DGE (35 %) leicht überschritten. Das Verhältnis von gesättigten : einfach ungesättigten : mehrfach ungesättigten Fettsäuren beträgt 1.4 : 1.1 : 0.5.
Sowohl Gesamtfettzufuhr als auch Cholesterinzufuhr liegen zu hoch (s. Tab.
2.4.1). Die Aufnahme an essentiellen mehrfach ungesättigten Fettsäuren (>5
Energie%) erreicht zwar die Empfehlungen für den Anteil an der Gesamtenergiezufuhr (3.5 Energie%), die Relation der Polyenfettsäuren zur Zufuhr an gesättigten Fettsäuren ist jedoch nicht optimal (niedriger P/S Quotient).
Die empfohlene Wasseraufnahme wird in beiden Gruppen etwas unterschritten. In der Schwangerschaft sollte vor allem in Hinblick auf die häufig auftretende Obstipation auf eine ausreichende Zufuhr an Flüssigkeit geachtet werden.
Die gesamte Wasseraufnahme (Zufuhr aus Getränken und Nahrung) sollte laut
DGE 2200 ml/Tag betragen. Die häufigste Ursache für die suboptimale Flüssigkeitszufuhr scheint in erster Linie mit den in der Schwangerschaft häufig auftretenden Ödemen in Zusammenhang zu stehen. Eine mehr oder weniger deutliche Ödembildung kann im allgemeinen bei mehr als zwei Drittel der Schwangeren registriert werden. Eine Flüssigkeitsbeschränkung ist deswegen jedoch
nicht angebracht.
Die Aufnahme an Alkohol liegt bei ca. 0.3 bzw. 0.4 Energieprozent. Verglichen
mit Untersuchungen an nicht schwangeren Frauen zeigt sich eine deutlich
niedrigere Alkoholaufnahme während der Schwangerschaft. Die durchschnittliche Aufnahme an Alkohol bei nichtschwangeren Wienerinnen beträgt 10 g/d
(Elmadfa et al. 1994c). Da die beobachteten Alkoholaufnahmen der Schwangeren (Studie A: 1 ± 2 g/d; Studie B: 1.3 ± 0.2 g/d) in Summe relativ niedrig sind,
kann darauf geschlossen werden, daß mögliche Folgen des Alkoholkonsums in
der Schwangerschaft weitreichend bekannt zu sein scheinen.
2.4.2 Vitamin- und Mineralstoffaufnahme
Wie bereits erwähnt, wurden für die vorliegende Beurteilung der Nährstoffaufnahme die Supplementierungen der Schwangeren nicht berücksichtigt. Die Daten spiegeln somit die Aufnahme an Vitaminen und Mineralstoffen über die
Ernährung wider. Auch hier wurden kaum Unterschiede zwischen den beiden
Erhebungszeitpunkten beobachtet, die Ergebnisse werden somit gemeinsam
beurteilt.
Tab. 2.4.2 verdeutlicht, daß hinsichtlich mehrerer essentieller Nährstoffe eine
zum Teil verbesserungswürdige Situation vorliegt. So liegen die Aufnahmen an
den Vitaminen A, D, B1, B6 und Folsäure deutlich unter den DGEEmpfehlungen für die Schwangerschaft, ebenso die Aufnahmen an den Mineralstoffen Eisen und Zink.
2.54
Kapitel 2: Ernährungszustand
Tab. 2.4.2: Mittlere Aufnahme an Vitaminen und ausgewählten Mineralstoffen
sowie Spurenelementen in der 21. – 23. und 34. – 37. SSW (mw ± sd).
Vitamin A (mg/MJ)*
Vitamin D (µg/d)
Vitamin E (mg/MJ)*
Vitamin B1 (mg/MJ)
Vitamin B2 (mg/MJ)
Vitamin B6 (mg/MJ)
Vitamin B12 (µg/MJ)
Niacin (mg/MJ)*
Folsäure (µg/MJ)**
Calcium (mg/MJ)
Mg (mg/MJ)
Fe (mg/MJ)
Zn (mg/MJ)
Jod (µg/MJ)***
1)
Studie A1)
(n = 84)
Studie B2)
(n = 218)
0.15 ± 0.12
2.8 ± 1.27
1.30 ± 0.35
0.13 ± 0.03
0.18 ± 0.04
0.17 ± 0.03
0.55 ± 0.32
2.9 ± 0.45
36.9 ± 18.8
110.7 ± 26.1
37.8 ± 7.2
1.38 ± 0.25
1.17 ± 0.17
26.9 ± 6.5
0.09 ± 0.05
2.95 ± 1.8
1.37 ± 0.39
0.13 ± 0.03
0.18 ± 0.04
0.16 ± 0.03
0.53 ± 0.28
2.8 ± 0.4
33.6 ± 17.0
110.3 ± 27.2
36.8 ± 7.1
1.37 ± 0.26
1.11 ± 0.15
22.2 ± 3.8
DGE-Empfehlungen
für Schwangere ab
dem 4. Monat
0.11
10
1.4
0.15
0.18
0.25
0.34
1.7
58**
118
29
2.9
1.5
23
zwischen der 21. und 23. Schwangerschaftswoche; Auswertung auf Basis des BLS 2.2.
zwischen der 34. und 37. Schwangerschaftswoche; Auswertung auf Basis des BLS 2.2.
*
Nährstoffäquivalente;
**
Gesamtfolsäure; Nährstoffdichte für Gesamtfolat errechnet, da die DGE dies nicht ausdrücklich angibt
***
Jod aus Lebensmitteln und jodiertem Speisesalz
2)
Die genaue Versorgungslage an den einzelnen Nährstoffen wird in Kap. 2.4.4
in Zusammenhang mit den Statuserhebungen erläutert.
2.4.3 Supplementierung in der Schwangerschaft
Während der Schwangerschaft ist, wie bereits erwähnt, der Bedarf an einzelnen
essentiellen Nährstoffen deutlich erhöht, wohingegen der Energiebedarf nicht
so stark ansteigt und folglich eine Ernährung mit ausreichender Nährstoffdichte
angestrebt werden sollte. Hierbei ergibt sich jedoch das Problem, daß für einige
Nährstoffe die Zufuhrempfehlung um 100 % ansteigt (z.B. Eisen, Folsäure und
Vitamin D) und dieser Mehrbedarf nur schwer allein über Lebensmittel gedeckt
werden kann. Folglich werden von vielen Schwangeren entweder aus Eigeninitiative oder auf Empfehlung des Arztes eine Vielzahl von Nährstoffpräparaten
(Supplementen) eingenommen.
Am häufigsten werden folgende Präparate eingesetzt:
• Multivitamin/Mineralstoffpräparate (MV)
• Eisen- und Eisenkombinationssupplemente (Fe): z.B. Eisen-Folsäure-, EisenFolsäure-Vitamin B12-Präparate, die zur Therapie oder Vorbeugung der
Schwangerschaftsanämie verordnet werden
• Magnesiumpräparate (Mg): verschrieben bei vorzeitiger Wehentätigkeit sowie bei Neigung zu Wadenkrämpfen.
Ernährungszustand in der Schwangerschaft
2.55
Sehr häufig werden auch zwei oder drei Präparate kombiniert von den
Schwangeren eingenommen (siehe Abb. 2.4.1 und Tab. 2.4.3).
Abb. 2.4.1 : Überblick über die Verwendung von Supplementen während der
Schwangerschaft (Studie A: 20. SSW, n=84; Studie B: 34. SSW, n=145).
Aus Abb. 2.4.1 ist ersichtlich, daß sowohl in der 20. als auch in der 34. SSW
mindestens zwei Drittel der Frauen Supplemente einnahmen. Ferner wird deutlich, daß der Anteil an Kombinationen zweier oder dreier Präparate gegen Ende
der Schwangerschaft höher liegt. Entsprechend der Art sowie der Kombinationsform der eingenommenen Supplemente wurde eine Einteilung der supplementierenden Schwangeren in folgender Weise vorgenommen:
Tab. 2.4.3: Überblick über die Supplementierungsgruppen in der 20. und 34.
SSW
(% des Kollektivs) Fe
Studie A*
16.1
24.8
Studie B
Fe+MV
9.7
24.1
Fe+Mg
16.1
11.0
Fe+Mg+MV MV
9.7
21
13.8
12.4
MV+Mg Mg
11.3
16.1
6.9
6.9
Fe = Eisen- und Eisen-Folsäurekombi-, MV = Multivitamin-, Mg = Magnesium-Präparate
*
in diesem Kollektiv verwendeten außerdem 28,1 % aller Personen „sonstige Präparate“ (Fluor,
Calcium), meist zusätzlich zu den anderen Supplementen
Unter Einbeziehung der Supplemente in die Nährstoffaufnahme findet sich
dennoch eine Unterschreitung der Empfehlungen für Vitamin D und Zink.
Frauen, die Multivitamin/Mineralstoffpräparate zuführen, gelten - mit Ausnah-
2.56
Kapitel 2: Ernährungszustand
me von Zink - als die am besten Versorgten. Zink ist in den Präparaten generell
nicht enthalten.
2.4.4 Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen in der
Schwangerschaft
Die Evaluation der Aufnahmen an Vitaminen und Mineralstoffen ohne Berücksichtigung der Supplemente wurde bereits in Tab. 2.4.2 dargestellt. Da ein großer Teil der Schwangeren jedoch zu Nahrungsergänzungen greift, wurde der
effektive Versorgungszustand auf Grundlage der Statusuntersuchungen im Blut
(teilweise auch über die Ausscheidung von Nährstoffen im Harn) beurteilt. Folgende Tabellen ermöglichen eine erste Bewertung des Vitamin- und Mineralstoffstatus in der Schwangerschaft (Tab. 2.4.4 und 2.4.5).
Tab. 2.4.4: Vitaminstatus in der Schwangerschaft (mw ± sd)
Parameter
Vitamin B1 [µmol/mol
Creatinin]1)
Vitamin B2 (α-EGR)2)
Vitamin B6 (α-EGOT)3)
Vitamin B12 (ng/l)4)
Folsäure (µg/l)4)
Vitamin C (mg/dl)4)
Vitamin A (µg/dl)4)
β-Carotin (µg/dl)4)
Vitamin E (mg/dl)5)
Vitamin E/Chol. (mg/g)
Vitamin D (µg/l)6)
Vitamin K (µg/l)7)
Studie A
Der Status ist...
Studie B
normal
leicht
erniedrigt
deutlich
erniedrigt
30.0±21.5
k. A.
>18.7
7.8 - 18.7
<7.8
1.30±0.17
1.97±0.37
244±116
8.5±2.8
1.61±0.31
32.2±9.4
32.1±17.9
1.33±0.38
5.92±2.06
28.8±12.1
0.69±0.42
1.33±0.19
1.81±0.34
429±590
5.3±7.0
0.92±0.37
23.2±7.9
41.6±22.6
1.18±0.32
5.20±1.53
k. A.
0.53±0.44
<1.2
<1.5
>200
>5.9
>0.8
>20
>40
>0.7

>5
>0.16
1.2 - 1.5
1.5 - 2
150 - 200
3 - 5.9
0.3 - 0.8
10 - 20
20 - 40
0.5 - 0.7

≤5
≤ 0.16
>1.5
>2
<150
<3
<0,3
<10
<20
<0,5

1)
im Urin; Referenzwerte nach Sauberlich et al. 1976;
Aktivierungskoeffizient der erythrozytären Glutathionreduktase; Referenzwerte nach Speitling
et al. 1992
3)
Aktivierungskoeffizient der erythrozytären Glutamat-Oxalacetat-Transaminase; Referenzwerte
nach Speitling et al. 1992
4)
im Serum; Referenzwerte nach Sauberlich et al. 1976
5)
Tocopheroläquivalente im Serum; Referenzwerte nach Sauberlich et al. 1976
6)
im Serum; Referenzwerte nach Fraher et al. 1983
7)
im Serum; Referenzwerte nach Jakob und Elmadfa 1995
2)
Betrachtet man den mittleren Status an Vitaminen, so kann festgestellt werden,
daß in beiden Studien hinsichtlich der Vitamine B2 und B6, sowie bezüglich βCarotin (Studie A) und Folsäure (Studie B) eine suboptimale Versorgungslage
vorliegt. Die in vielen Fällen relativ hohe Standardabweichung weist auf eine
sehr starke Streuung der Werte hin. Um den Status besser bewerten zu können,
Ernährungszustand in der Schwangerschaft
2.57
ist eine Unterteilung der Werte in die Kategorien „normaler“, „leicht erniedrigter“ und „deutlich erniedrigter“ Status zweckmäßig (siehe Abb. 2.4.2).
Tab. 2.4.5: Status an Mineralstoffen und Spurenelementen in der Schwangerschaft (mw ± sd)
Parameter
Magnesium (mg/dl)1)
Eisen (µg/dl)2)
Zink (mg/l)3)
Selen (µg/l)4)
Calcium (mmol/l)1)
Studie A
Studie B
1,56±0,20
102,4±30,9
1,03±0,19
59,0±8,0
2,26±0,11
1,43±0,25
49,5±21,6
k. A.
61,9±18,4
k. A.
normal
>1
>60
>0,9
>50
>2,6
Der Status ist...
leicht
deutlich
erniedrigt erniedrigt
≤1
40-60
<40
0,69 – 0,9 <0,69
≤ 50
2,2-2,6
>2,2
1)
im Serum; Referenzwerte nach Kutsky 1981
im Serum; Referenzwerte nach Hercberg et al. 1991
3)
im Serum; Referenzwerte nach Speitling et al. 1992
4)
im Serum; Referenzwerte nach Kreinhoff et al. 1990
2)
20. SSW
34.SSW
20.SSW
34.SSW
Abb. 2.4.2: Bewertung des laborchemischen Status an Vitaminen und Mineralstoffen in der Schwangerschaft
Ausgehend von den Mittelwerten ist bei Eisen in Studie B eine verbesserungswürdiger Status zu beobachten. Auch hier wurden für jeden Nährstoff die Prozentsätze an Personen, die einen normalen sowie leicht bzw. deutlich ernied-
2.58
Kapitel 2: Ernährungszustand
rigten Status aufwiesen, ermittelt, um eine genaue Bewertung durchführen zu
können (siehe Abb. 2.4.2).
2.4.4.1 Versorgung mit wasserlöslichen Vitaminen
Auch wenn weitreichend bekannt ist, daß der Status an wasserlöslichen Vitaminen während der Schwangerschaft physiologischerweise absinkt (Hämodilution, transplazentarer Transport, erhöhter Umsatz u.a.), scheint bei einigen
Nährstoffen dennoch nach wie vor Handlungsbedarf gegeben, da auch die
Aufnahme an wasserlöslichen Vitaminen über die Ernährung häufig verbesserungswürdig ist und trotz weitverbreiteter Supplementierung immer noch Befunde im deutlich erniedrigten Bereich anzutreffen sind. Der Bedarf an fast allen wasserlöslichen Vitaminen steigt während der Schwangerschaft an. Eine
Ernährungsumstellung in Richtung höherer Nährstoffdichte (mehr Obst, Gemüse, Vollkornprodukte) sollte daher unbedingt angestrebt werden.
Vitamin B1-Statusbefunde liegen aus Studie A vor. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde der Status an diesem Vitamin anhand dessen Ausscheidung im
Spontanharn bezogen auf die Creatininkonzentration beurteilt. Obwohl der
Statusmittelwert in den akzeptablen Bereich einzustufen ist, wurde dennoch
bei 29 % der Schwangeren ein leicht erniedrigter und bei 9 % ein deutlich erniedrigter Status nachgewiesen. Auch die Evaluierung der Aufnahmedaten ergab ein verbesserungswürdiges Bild. In Studie B wurde hinsichtlich der Vitamin
B1-Aufnahme festgestellt, daß die durchschnittliche Aufnahme nur bei jenen
Gruppen über dem von der DGE empfohlenen Wert lag, die MultivitaminMineralstoff-Präparate einnahmen. Die Zufuhrempfehlung der DGE (1.5 mg/d)
für Schwangere ab dem 4. Monat stimmt zwar z.B. mit der amerikanischen
überein, ist jedoch verglichen mit der Empfehlung des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses der EU-Kommission (SCF 1994) bedeutend höher (1.0
mg/d).
Der Hauptanteil der Vitamin B2-Befunde liegt im leicht erniedrigten Bereich.
Trotz zufriedenstellender durchschnittlicher Riboflavin-Aufnahme über die Ernährung wurde bei 13 bis 19 % der Schwangeren sogar ein deutlich erniedrigter Vitamin B2-Status beobachtet. Bei diesen Personen dürfte die ungünstige
Kombination einer suboptimalen Zufuhr an Riboflavin über die Ernährung einerseits und eines gleichzeitigen Fehlens einer entsprechenden Supplementierung vorliegen. Die Ergebnisse zeigen allerdings, daß eine ausreichende Vitamin B2-Aufnahme auf Lebensmittelbasis durchaus realisierbar ist. Folglich ist
vor allem während der Schwangerschaft auf eine adäquate Zufuhr an Vitamin
B2-reichen Lebensmitteln (z.B. Milch und Milchprodukte, Cerealien) zu achten.
Eine wesentlich kritischere Situation wurde bezüglich des Vitamin B6-Status
festgestellt, da hinsichtlich der Aktivierbarkeit der EGOT (erythrozytäre Glutamat-Oxalacetat-Transaminase, ein Vitamin B6-abhängiges Enzym) nur 8 bis
18 % der Befunde im Normbereich lagen. Etwa ein Drittel der Befunde war in
den deutlich erniedrigten Bereich einzustufen. Auch hinsichtlich der Aufnahme
Ernährungszustand in der Schwangerschaft
2.59
an Vitamin B6 ergab sich eine eindeutig verbesserungswürdige Situation. In
Studie B erreichen beispielsweise nur 1.8 % der Frauen den von der DGE empfohlenen Wert von 0.25 mg Vitamin B6/MJ. Trotz häufiger Verwendung von
Multivitaminpräparaten ist die Prävalenz einer suboptimalen Versorgungslage
an Vitamin B6 sehr hoch. Auch andere Studien weisen darauf hin, daß die Versorgung mit Vitamin B6 in der Schwangerschaft häufig grenzwertig ist und somit
auch der Vitamin B6-Status des Säuglings negativ beeinflußt werden kann. Folglich ist bezüglich dieses Nährstoffes unbedingt eine vermehrte Zufuhr über die
Ernährung anzustreben. Gute Vitamin B6-Quellen sind neben Fleisch und Fisch
auch Lebensmittel pflanzlicher Herkunft wie Kartoffeln, Bananen, Vollkornprodukte und einige Gemüsearten.
Hinsichtlich des laborchemisch beurteilten Folsäurestatus wurde bei den beiden Studien unterschiedliche Ergebnisse erzielt. So zeigte sich, daß gegen Ende
der Schwangerschaft (Studie B) mehr als die Hälfte der Schwangeren einen
deutlich erniedrigten Folsäurestatus aufwiesen, wohingegen in Studie A nur
2 % in diesen Bereich einzustufen waren. Die Empfehlungen für die Folataufnahme in der Schwangerschaft ist doppelt so hoch wie die für Nichtschwangere. Die in beiden Studien beobachtete Unterschreitung dieser Empfehlung ist
dementsprechend erwartungsgemäß. Lebensmittel, wie verschiedene Gemüsearten (grüne Blattgemüse), Vollkornbackwaren, Kartoffeln, Fleisch und Milchprodukte können im allgemeinen zur Versorgung mit Folsäure beitragen. Dennoch ist die Umsetzbarkeit der Empfehlungen fraglich, da auch bei qualitativer
Verbesserung der Lebensmittelaufnahme der hohe Wert der Empfehlung kaum
zu erreichen ist. In Studie A verwendeten etwa 40 % der Frauen Eisen/Folsäure-Kombinationspräparate. Dies mag eine Ursache für die geringere Häufigkeit
an deutlich erniedrigten Befunden sein. Ferner darf die mit fortschreitender
Schwangerschaft zunehmende Hämodilution als Einflußfaktor nicht übersehen
werden. Dennoch wird die Empfehlung einer generellen Folsäuresupplementierung während bzw. bereits vor der Schwangerschaft in Hinblick auf die Prävention von Neuralrohrdefekten und Schwangerschaftsanämien nach wie vor diskutiert.
Bei Betrachtung der Mittelwerte kann eine ausreichende Vesorgungslage an
Vitamin B12 festgestellt werden. Die starke Streuung weist jedoch auf deutliche
interindividuelle Schwankungen hin. So liegen zwischen 23 und 33 % der Statuswerte im deutlich erniedrigten Bereich, obwohl die Aufnahmedaten erwartungsmäß als ausreichend einzustufen sind, da durch die in Österreich übliche
Ernährung mit einem hohen Anteil an Lebensmitteln tierischen Ursprungs Vitamin B12 in der Regel in bedarfsdeckenden Mengen aufgenommen wird. Die
den Normbereich unterschreitenden Befunde sind folglich in erster Linie auf die
als physiologisch einzustufende Konzentrationsabnahme des Vitamins im Serum infolge der Hämodilution zurückzuführen.
Der Beurteilung der Niacinversorgung können nur die Nährstoffaufnahmedaten
aus den 7-d-Wiegeprotokollen zugrundegelegt werden, da keine Statuserhe-
2.60
Kapitel 2: Ernährungszustand
bung im Serum durchgeführt wurde. Hier konnte in beiden Studien festgestellt
werden, daß die Versorgung an diesem Vitamin sehr gut ist und keine der untersuchten Schwangeren den empfohlenen Wert der DGE unterschritt.
Die Untersuchungen zum Vitamin C-Status ergaben in Studie A ein zufriedenstellendes Bild. In Studie B lagen ein Drittel der Befunde im leicht erniedrigten
und etwa 4 % im deutlich erniedrigten Bereich. Zur Beurteilung der Versorgungslage liegen jedoch keine Aufnahmedaten vor. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß ein Faktor der höheren Prävalenz eines grenzwertigen Vitamin C-Status die mit fortschreitenden Schwangerschaftsalter zunehmende
Hämodilution ist.
2.4.4.2 Versorgung mit fettlöslichen Vitaminen
Die Werte zum Retinolstatus auf Grundlage der in Tab. 2.4.4 dargestellten Referenzwerte zeigen, daß vor allem gegen Ende der Schwangerschaft (Studie B)
sehr häufig Befunde unter 20 µg/dl (36 %) beobachtet wurden. Auch in Studie
A wurde bei 7 % der Personen ein leicht erniedrigter Vitamin A-Status nachgewiesen. «Deutlich erniedrigte Werte« (unter 10 µg/dl) traten jedoch selten bis
gar nicht (Studie A) auf. Da ein Absinken der Vitamin A-Werte in der Schwangerschaft durchaus physiologisch ist, kann ein geringfügiges Abweichen des
Status vom Normalbereich als immer noch ausreichende Versorgung angesehen
werden.
Dennoch stellte sich auch die Vitamin A-Aufnahme (Retinoläquivalente) als
verbesserungswürdig heraus, da die Empfehlungen durchschnittlich um 22%
(Studie B) unterschritten wurden bzw. deutliche interindividuelle Schwankungen auftraten (Studie A).
Auch der β -Carotinstatus ist nicht optimal, in beiden Studien wiesen nahezu
die Hälfte aller Schwangeren einen verbesserungswürdigen Status auf. Intensiv
gefärbte Gemüse stellen günstige Nahrungsquellen für Carotinoide und somit
für Retinolvorstufen sowie im weiteren auch für Folsäure und Vitamin C dar.
Der Verzehr dieser Lebensmittel sollte demnach unbedingt erhöht werden.
Die durchschnittliche Aufnahme an Vitamin E über die Nahrung wurde in beiden Gruppen nur etwas unterschritten, es traten jedoch hohe interidividuelle
Schwankungen auf. In Kap. 2.4.1 wurde bereits darauf hingewiesen, daß die
durchschnittliche Zufuhr an gesättigten Fettsäuren hoch, die Zufuhr an mehrfach ungesättigten Fettsäuren hingegen niedrig ist. Da die Hauptquelle für
mehrfach ungesättigte Fettsäuren (hochwertige pflanzliche Öle) auch gleichzeitig die wichtigsten Lieferanten für Vitamin E sind, ist es nicht verwunderlich,
daß auch verbesserungswürdige Befunde auftraten. Eine qualitative Verbesserung der Fettaufnahme ist daher auch in diesem Zusammenhang empfehlenswert. Die Vitamin E-Serumwerte können während der Schwangerschaft üblicherweise weit über den Normalwert von Nichtschwangeren steigen. Dennoch
wurden bei zumindest 12 % (Studie A) bzw. 4.3 % der Schwangeren (Studie B)
Statusdaten unterhalb des Normalbereiches beobachtet.
Ernährungszustand in der Schwangerschaft
2.61
Zum Vitamin D-Status liegen Ergebnisse aus Studie A vor. Hier stellte sich heraus, daß trotz nicht zufriedenstellender Aufnahme über die Ernährung immerhin 98.6 % der Schwangeren einen normalen Status an Vitamin D aufwiesen.
Dieser Umstand ist zum Teil auf die relativ häufige Supplementierung mit Multivitaminpräparaten zurückzuführen. Darüber hinaus wird ein erheblicher Teil
an Vitamin D durch Sonneneinwirkung in der Haut gebildet. Folglich treten
deutliche jahreszeitliche Schwankungen des Vitamin D-Status auf. Während der
Schwangerschaft sollte demnach vor allem während der sonnenarmen Jahreszeiten auf eine ausreichende Zufuhr Vitamin D-reicher Lebensmittel (z.B. Seefisch) geachtet werden, da Vitamin D wesentliche Funktionen im Calciumstoffwechsel und für die Knochenentwicklung des Kindes hat.
Die Vitamin K-Versorgungslage kann ausgehend von den mittleren Serumkonzentrationen als zufriedenstellend bewertet werden. Dennoch wiesen zwischen
4 und 7 % der Personen Werte von unter 0,16 µg/l auf. Zur Vitamin K-Aufnahme über die Ernährung liegen jedoch keine Daten vor.
2.4.4.3 Versorgung mit Mineralstoffen und Spurenelementen
Die durchschnittlichen Magnesiumaufnahmen sind verglichen mit der DGEEmpfehlung als ausreichend und zufriedenstellend einzustufen. Der Großteil
der Statusdaten lag bei beiden Studien im leicht erniedrigten Bereich, dies ist
zum Teil sicher als physiologische Veränderung einzustufen. Die Tatsache, daß
in der Schwangerschaft dennoch sehr häufig eine zusätzliche Magnesiumeinnahme aufgrund von schwangerschaftstypischen Beschwerden (Wadenkrämpfen oder vorzeitiger Wehentätigkeit) indiziert ist, legt die Vermutung nahe, daß
der Wert der Empfehlung in der Schwangerschaft sowie auch die Referenzwerte
für den Status überprüft werden müssen.
Die Empfehlung für die Eisenaufnahme erhöht sich in der Schwangerschaft um
100 % gegenüber dem Normalbedarf. Daß diese Mengen über die alleinige
Aufnahme aus Lebensmitteln erreicht werden können, ist nicht zu erwarten.
Die Eisenaufnahme über die Ernährung ist dementsprechend in beiden Erhebungen als unzureichend einzustufen.
Hinsichtlich des Status wurden jedoch unterschiedliche Ergebnisse in den beiden Studien beobachtet. Während in Studie A eine relativ gute Versorgungslage
festgestellt werden konnte, zeigt sich in Studie B ein deutlich verbesserungswürdiger Status, obwohl ein relativ hoher Prozentsatz der Schwangeren supplementierte. Das Hauptproblem bezüglich der Eisenbalance in der Schwangerschaft besteht darin, daß der Eisenbedarf im Verlauf nicht gleichmäßig verteilt
ist. Der exponentielle Anstieg des Wachstums des Kindes bedingt einen nahezu
vernachlässigbaren zusätzlichen Eisenbedarf im ersten Drittel der Schwangerschaft. Mehr als 80 % des Mehrbedarfs beschränken sich auf das letzte Trimenon. Der tägliche Eisenmehrbedarf steigt also von 0.8 mg auf etwa 1.0 bis 1.2
mg im letzten Schwangerschaftsmonat an. Eine Ursache der unterschiedlichen
2.62
Kapitel 2: Ernährungszustand
Statusdaten scheint somit der unterschiedliche Erhebungszeitpunkt der beiden
Studien zu sein.
Es wird bereits davon ausgegangen, daß der Wert der Empfehlung über die Ernährung allein nicht abgedeckt werden kann und eine generelle Supplementierung an diesem Nährstoff vielfach empfohlen wird (Roodenburg 1995). Dennoch ist von der Einnahme hochdosierter Eisenpräparate abzuraten, da die Absorption anderer essentieller Nährstoffe (z.B. Zink) beeinträchtigt werden kann.
Statt dessen sollte vermehrt auch auf die Möglichkeiten zur Verbesserung der
Eisenabsorption aus der Nahrung (z.B. gleichzeitige Aufnahme Vitamin Creicher Lebensmittel) hingewiesen werden.
Die durchschnittlichen Zink-Aufnahmedaten unterschritten in beiden Studien
die von der DGE festgelegte Empfehlung. Befunde zum Zinkstatus im Serum
liegen aus Studie A vor. Hier konnte festgestellt werden, daß 22 % der Werte
im leicht erniedrigten Bereich lagen. Obwohl die Zinkkonzentration in der
Schwangerschaft physiologischerweise absinkt, ist die Zinkversorgungslage insgesamt - vor allem im Hinblick auf die mit Zinkmangel in Zusammenhang stehenden Schwangerschaftskomplikationen - als verbesserungswürdig einzustufen.
Auch hinsichtlich Selen ergab sich ein verbesserungswürdiges Bild, obwohl die
mittleren Statusbefunde innerhalb des Normbereichs lagen. Dennoch lagen
zwischen 13 (Studie A) und 34 % der Schwangeren unterhalb des Normbereichs. Zur Selenaufnahme über die Ernährung liegen jedoch keine Daten vor.
Vergleicht man die allgemein in Österreich ermittelten Aufnahmedaten mit den
Daten aus anderen Ländern, fällt auf, daß Österreich im Bereich der weltweit
niedrigsten ermittelten Werte liegt. Gründe dafür liegen in der tendenziellen
Verarmung landwirtschaftlich intensiv genutzter Böden.
Zum Calciumstatus im Serum liegen Daten aus Studie A vor. Die Auswertungen
ergaben, daß 65 % einen leicht und 30 % einen deutlich erniedrigten Status
aufwiesen, obwohl sich bezüglich der Calciumaufnahme ein relativ zufriedenstellendes Bild ergab. Die relativ gute Versorgung mit Calcium über die Ernährung ist auf die relativ hohe Aufnahme an Milch- und Milchprodukten zurückzuführen. Aufnahmedaten aus Studie B ergaben ein ähnliches Bild. Eine Erklärung für den relativ niedrigen Status ist der hohe Calciumtransport von der Mutter zum Kind.
Zur Beurteilung der Jod-Versorgungslage können nur die Aufnahmedaten aus
den beiden Studien herangezogen werden. In Österreich ist Speisesalz seit
1963 jodiert (15-20 µg/g Speisesalz). Dies dient allgemein als Maßnahme der
Jodmangelprophylaxe. Die Ergebnisse der Jodaufnahme aus Lebensmitteln zeigt
in beiden Studien eine im allgemeinen zufriedenstellende Versorgung.
Ernährungszustand in der Schwangerschaft
2.63
2.4.5 Schlußfolgerungen
Da der Ernährungsstatus von Frauen vor und während der Schwangerschaft sowohl die mütterliche Gesundheit als auch die fetale Entwicklung beeinflußt,
werden besondere Anforderungen an die Ernährung Schwangerer gestellt, die
sich vor allem in einer hohen Nährstoffdichte äußern. Für die Beurteilung der
Situation in Österreich wurden zwei vom Institut für Ernährungswissenschaften
durchgeführte Studien der ÖSES herangezogen (20. und 34. Schwangerschaftswoche).
Die von der DGE empfohlenen Aufnahmemengen an Energie, Kohlenhydraten
und Ballaststoffen werden unter-, jene an Protein und Fett überschritten. Die
Ergebnisse zeigen ferner, daß gerade die Nährstoffe, deren Zufuhrempfehlungen in der Schwangerschaft deutlich erhöht sind (Vitamin D, B1, B6, Folsäure,
Eisen, Zink), da ihnen in dieser Zeit eine besonders bedeutende Funktion zukommt, von schwangeren Frauen in unzureichenden Mengen aufgenommen
werden. Rund 2/3 der untersuchten Frauen nehmen in der Schwangerschaft
Nährstoffsupplemente ein. Dadurch kann die Aufnahme der kritisch zu betrachtenden Nährstoffe – mit Ausnahme von Zink – deutlich verbessert werden. Die
Aufnahmen der Vitamine A und D sowie Jod liegen weiterhin unter den Empfehlungen, wobei auch unterschiedliche Dosierungen und unregelmäßige Einnahmen der Präparate berücksichtigt werden müssen. Die Aufnahme der Mineralstoffe Calcium und Magnesium ist trotz erhöhter Zufuhrempfehlungen ausreichend und wahrscheinlich auf eine gezielt höhere Einnahme von Milch und
Milchprodukten in der Schwangerschaft zurückzuführen.
Laborchemische Auswertungen zum Versorgungszustand Schwangerer zeigen
besonders niedrige Statusdaten bei den Vitaminen B2, B6, Folsäure und βCarotin. Hormonelle Veränderungen, der Einfluß der Hämodilution (Blutverdünnung) und der transplazentare Nährstoffaustausch zum Feten werden in
diesem Zusammenhang diskutiert. Ein wenig zufriedenstellendes Bild zeigt sich
vor allem für den Calcium- und Eisenstatus. Bei der Beurteilung ist jedoch auch
zu berücksichtigen, daß die ungünstige Versorgung teilweise auch auf das
Normalkollektiv zutrifft (s. Kap. 2.2).
2.64
Kapitel 2: Ernährungszustand
2.5 Ernährungssituation Stillender
Für die Ernährung in der Stillzeit gelten weitgehend dieselben Richtlinien wie
in der Schwangerschaft. Eine bereits während der Schwangerschaft entsprechend eingehaltene Ernährungsform ist eine der besten Voraussetzungen für
eine erfolgreiche Laktation.
Der Beurteilung der Ernährungssituation Stillender wurden ebenfalls
ÖSES-Teilergebnisse einer in Wien durchgeführten Erhebung zugrunde gelegt
(Basisdaten: Szallai 1997). Es handelt sich hierbei um eine Fortsetzung der in
Kap. 2.4 beschriebenen Studie B, da aus dem Kollektiv der Schwangeren die
Frauen nach der Entbindung mit ihren Säuglingen erneut für den weiteren Untersuchungsabschnitt rekrutiert wurden. Österreichweite Ergebnisse zur Nährstoffversorgung Stillender liegen nicht vor. Zur Beurteilung der Ernährungssituation wurden die Nährstoffaufnahmedaten auf Lebensmittelebene gewählt, die
mittels 3-Tage-Wiegeprotokollen erhoben wurden, d.h. die Aufnahme an Mikronährstoffen aus Supplementen blieb – ebenso wie zunächst bei den Schwangeren - unberücksichtigt. Die Studie umfaßte insgesamt vier Untersuchungstermine im Abstand von 4 Wochen (4., 8., 12. und 16. Woche postpartum). Die
im folgenden dargestellten Ergebnisse beinhalten in der 4. Woche der Stillzeit
Daten von 39 Frauen, aus der 8. und 12. Laktationswoche fließen Daten von 36
Frauen in die Auswertung ein, aus der 16. Laktationswoche liegen Daten von
32 Frauen vor.
2.5.1 Aufnahme an Energie und Hauptnährstoffen in der Stillzeit
In der Stillzeit ist der Energiebedarf aufgrund von Milchproduktion und -abgabe
erhöht. die DGE (1991) empfiehlt gegenüber dem Normalbedarf einen Zuschlag von 2.7 MJ pro Tag. Die Richtwerte für die Energieaufnahme liegen somit zwischen 11.2 MJ (25-51jährige) und 11.7 MJ (19-25jährige). Bei den meisten Untersuchungen an stillenden Frauen finden sich aber trotz erfolgreichen
Stillens Energieaufnahmen deutlich unter den DGE-Richtwerten. Es wird daher
vielfach diskutiert, ob der Energiebedarf in der Stillzeit nicht überschätzt wird.
In vorliegender Untersuchung wurden die DGE-Richtwerte um durchschnittlich
16 % unterschritten.
Die energieliefernden Hauptnährstoffe sollen in der Stillzeit in annähernd denselben Relationen wie von gleichaltrigen nichtstillenden Frauen aufgenommen
werden. Allerdings wird von der DGE (1991) ein höherer Fettanteil (30-35 %)
an der Energieaufnahme toleriert. Der Hauptanteil sollte auch in der Stillzeit
über Kohlenhydrate gedeckt werden (>50 % der Energiezufuhr).
Die Ergebnisse in Tab. 2.5.1 zeigen, daß die Proteinaufnahmen der untersuchten Stillenden zu allen Untersuchungszeitpunkten die empfohlenen Werte deutlich überschreiten. Dieses Bild entspricht dem in Österreich üblichen Ernährungsmuster mit einem relativ hohen Anteil an tierischen Lebensmitteln. Hohe
Ernährungssituation Stillender
2.65
Proteinaufnahmen sind vor allem deshalb als nicht wünschenswert einzustufen,
da sie mit einer hohen Aufnahme an Fett, Cholesterin und Purinen einhergehen. Es konnte festgestellt werden, daß auch in der Stillzeit mehr als 60 % des
Proteins aus tierischen Quellen stammen.
Tabelle 2.5.1: Aufnahme an Energie und Hauptnährstoffen sowie an Ballaststoffen, Cholesterin, Alkohol und Wasser in der Stillzeit (mw ± sd)
*
4. Woche
pp
8. Woche
pp
12. Woche 16. Woche DGEpp
pp
Empfehlung
Energie (MJ/d)
9.7 ± 1.9
9.4 ± 1.8
9.7 ± 2.3
9.3 ±2.2
11.2 - 11.7*
Eiweiß (g/MJ)
8.1 ± 1.6
8.0 ± 1.4
7.8 ± 1.1
7.8 ± 1.2
5.4
Kohlenhydr. (En%)
46.5 ± 7.7
46.6 ± 6.4
46.7 ± 5.7
45.6 ± 5.3
55 – 60*
Fett (En%)
38.0 ± 6.8
37.8 ± 5.2
38.2 ± 5.6
39.2 ± 5.3
25 – 30*
n6-Fettsäuren (En%)
4.1 ± 1.3
4.4 ± 1.3
4.4 ± 1.5
4.7 ± 1.4
3
n3-Fettsäuren (En%)
0.65 ± 0.2
0.68 ± 0.3
0.65 ± 0.1
0.68 ± 0.2
0.5
n6/n3-Quotient
6.8 ± 2.5
6.9 ± 2.3
6.8 ± 2.1
7.1 ± 2.0
5 - 15
P/S-Quotient
0.31 ± 0.1
0.32 ± 0.1
0.31 ± 0.1
0.33 ± 0.1
mind. 0.5*
Cholesterin (mg/d)
414 ± 204
409 ± 248
413 ± 161
368 ± 118
max. 300*
Saccharose (En%)
15.9 ± 8.3
16.2 ± 6.2
16.3 ±6.5
14.9 ± 5.1
10*
Ballaststoffe (g/d)
18.2 ± 6.6
18.0 ± 6.7
17.1 ± 6.0
19.1 ±6.7
30
Ballaststoffe (g/MJ)
1.9 ± 0.7
1.9 ± 0.6
1.8 ± 0.6
2.1 ± 0.7
3
Wasser (l/d)
2.5 ±1.0
2.4 ±1.0
2.5 ±0.9
2.4 ±0.9
3.2
1.12 ± 1.8

Alkohol (Energie%)
0.78 ± 1.7 1.12 ± 1.8 0.98 ± 1.6
.Richtwert; En%....Energieprozent; pp....postpartum
Der DGE-Richtwert zur Kohlenhydrataufnahme von über 50 Energieprozent
wird von den untersuchten Frauen zu den verschiedenen Zeitpunkten nicht
erreicht. Durchschnittlich werden 46 % der Energieaufnahme in Form von Kohlenhydraten aufgenommen. Deutlich zeigt sich auch, daß nicht nur die Kohlenhydrataufnahme an sich zu niedrig ist, sondern daß auch die Qualität der aufgenommenen Kohlenhydrate eindeutig verbesserungswürdig ist. Bei detaillierter Auswertung zeigt sich für die Aufnahme an Mono-, Di- und Polysacchariden
folgendes Bild: der prozentuelle Anteil der Disaccharide (durchschnittlich
41.6 % über den gesamten Untersuchungszeitraum) ist ähnlich hoch wie der
der Polysaccharide (durchschnittlich 42.4 %). Der Anteil an Monosacchariden
liegt zwischen 13.7 und 15.3 % an der gesamten Kohlenhydrataufnahme. Aus
Tab. 2.5.1 ist ferner ersichtlich, daß der hohe Anteil der Disaccharide primär
auf die hohe Aufnahme an Saccharose zurückzuführen ist, da der tolerierbare
Wert von 10 Energieprozent (DGE 1991) zu allen Untersuchungszeitpunkten
überschritten wird.
Die Ballaststoffaufnahmen können in direkten Zusammenhang mit den Aufnahmen an Polysacchariden gestellt werden, da beide Nahrungsbestandteile
meist gemeinsam vorkommen (Getreideprodukte, Obst, Gemüse). Aus Tab.
2.66
Kapitel 2: Ernährungszustand
2.5.1 ist ersichtlich, daß der wünschenswerte Gehalt an Ballaststoffen in der
Nahrung von den Stillenden bei weitem nicht erreicht wird. Den Wert von
3 g Ballaststoffen/MJ erreicht im ersten Laktationsmonat nur eine der untersuchten Stillenden, in der 8. Woche erreichen diesen Wert 2 Frauen, in der 12. Woche 3 Frauen und in der 16. Woche der Stillzeit 4 Frauen. Eine mögliche Erklärung für die besonders ballaststoffarme Ernährung in der frühen Stillzeit könnte
die Befürchtung vieler Mütter sein, der Verzehr „blähender“ Lebensmittel könne Blähungen beim Säugling hervorrufen.
Die DGE toleriert in der Stillzeit einen höheren Fettanteil an der Gesamtenergieaufnahme von maximal 35 Energieprozent. Die Auswertung zeigt, daß der
Fettanteil in der Ernährung der untersuchten Stillenden höher liegt und sich
über den Untersuchungszeitraum zwischen 37.8 und 39.3 Energieprozent befindet (siehe Tab. 2.5.1). Damit wird der Richtwert der DGE überschritten.
Für die Aufnahme an Cholesterin gibt es in der Stillzeit keine geänderte Empfehlung, der Richtwert für eine Aufnahme von maximal 300 mg/d zur Prophylaxe koronarer Herzerkrankungen gilt auch weiterhin. Dieser Wert wird über
den Untersuchungszeitraum mit durchschnittlich 34 % überschritten. Die Stillenden liegen somit mit ihren Cholesterinaufnahmen deutlich höher als die
nichtschwangeren, nichtstillenden Frauen (siehe Kap. 2.2). Dies ist zwar primär
durch die insgesamt höhere Nahrungsaufnahme während der Stillzeit bedingt,
der erhöhte Energiebedarf scheint jedoch vor allem über eine Betonung tierischer Lebensmittel gedeckt zu werden.
Der P/S-Quotient liegt im Bereich zwischen 0.31 und 0.33 und somit deutlich
unter dem als wünschenswert erachteten Wert von mindestens 0.5. Somit ist
der P/S-Quotient in der Stillzeit ähnlich wie in der Schwangerschaft. Die hohe
Aufnahme an gesättigten Fettsäuren wird aber nicht nur am niedrigen P/SQuotienten, sondern auch am Verhältnis zwischen gesättigten : einfach ungesättigten : mehrfach ungesättigten Fettsäuren von durchschnittlich 1.4:1.1:0.5
deutlich. Dieses Ergebnis entspricht den in Kap. 2.4 dargestellten Werten der
Aufnahme in der Schwangerschaft sehr gut.
Die gesamte Aufnahme an Wasser (aus Getränken und Nahrung) sollte in der
Stillzeit laut DGE-Empfehlungen mindestens 3.2 l/d betragen. Über den Untersuchungszeitraum nahmen die stillenden Frauen durchschnittlich 2.5 l Wasser
pro Tag auf. Die Aufnahme an Flüssigkeit liegt somit unter dem von der DGE
empfohlenen Wert, durchschnittlich werden 85 % bis 91 % der Empfehlung
erreicht.
Die Aufnahme an Alkohol beträgt durchschnittlich 3.3 g/d oder 1 % der gesamten Energieaufnahme. Gekennzeichnet ist die Alkoholaufnahme durch große
Schwankungen innerhalb des untersuchten Kollektivs. So nimmt durchschnittlich ein Fünftel der Frauen überhaupt keinen Alkohol zu sich. Die Aufnahme an
Alkohol ist zwar höher als in der Schwangerschaft, aber noch bedeutend geringer als jene nichtschwangerer, nichtstillender Frauen (s. Kap. 2.2).
Ernährungssituation Stillender
2.67
2.5.2 Versorgungslage mit Vitaminen und Mineralstoffen
In der Stillzeit ist der Bedarf an verschiedenen Nährstoffen erhöht. Da auch der
Bedarf an Energie ansteigt, bedeutet das aber nicht für alle Nährstoffe die Notwendigkeit einer deutlichen Erhöhung der Nährstoffdichte. Der Mehrbedarf
ergibt sich einerseits aus der Nährstoffabgabe über die Muttermilch, andererseits wird teilweise zur Auffüllung der in der Schwangerschaft verminderten
Nährstoffspeicher eine höhere Zufuhr empfohlen. Dieser Nährstoffbedarf wird
zum Teil über die Einnahme von Nahrungssupplementen gedeckt. Wie bereits
erwähnt, wurden für die vorliegende Bewertung der Versorgung mit Mikronährstoffen die Aufnahmedaten aus 3-Tage-Wiegeprotokollen gewählt. Im folgenden
Kapitel soll jedoch kurz auf Häufigkeit und Art verwendeter Supplemente im
Kollektiv der Wiener Stillenden eingegangen werden.
2.5.2.1 Einnahme von Supplementen in der Stillzeit
Da bei Stillenden keine institutionalisierten Betreuungsmaßnahmen vorhanden
sind, erfolgt die Einnahme von Supplementen in erster Linie auf Eigeninitiative.
Tab. 2.5.2: Überblick über die Einnahme von Supplementen in der Stillzeit,
n (%)
4. Woche pp (n=39)
8. Woche pp (n=36)
12. Woche pp (n=36)
16. Woche pp (n=32)
Fe
3 (7.7 %)
MV
4 (10.3 %)
5 (13.9 %)
6 (16.7 %)
5 (15.6 %)
Fe + MV
6 (15.4 %)
5 (13.9 %)
4 (11.2 %)
3 (9.4 %)
keine
26 (66.7 %)
26 (72.2 %)
26 (72.2 %)
24 (75 %)
Fe.... Eisenpräparate bzw. kombinierte Eisen/Folsäure/Vitamin B12-Päparate;
MV....Multivitamin/Mineralstoffpräparate
Generell werden Eisenpräparate (bzw. kombinierte Eisen/Folsäure/Vitamin B12Päparate) und Multivitamin/Mineralstoffpräparate eingenommen. Beim untersuchten Kollektiv Stillender nimmt die Häufigkeit der Einnahme von Nahrungssupplementen über den Untersuchungsverlauf von 33 % der Untersuchten auf
25 % ab (Tab. 2.5.2).
2.5.2.2 Aufnahme an Vitaminen über die Ernährung
Basis der Beurteilung bilden die DGE-Empfehlungen zur Nährstoffaufnahme für
Stillende (DGE 1991). Bei der ersten Betrachtung der Ergebnisse zeigt sich bei
den wasserlöslichen Vitaminen eine ausreichende Aufnahme an Niacin, Cobalamin und Riboflavin (siehe Tab. 2.5.3). Für diese Nährstoffe liegt die Aufnahme im Bereich von 100 % der DGE-Empfehlungen oder darüber. Dagegen
werden die empfohlenen Werte für die Vitamine B1, B6 und Folsäure nicht erreicht, die Unterschreitung der Empfehlung ist von unterschiedlichem Ausmaß.
2.68
Kapitel 2: Ernährungszustand
Tab. 2.5.3: Aufnahme an Vitaminen in der Stillzeit auf Lebensmittelbasis ausgedrückt in %DGE (mw±sd)
Vit. A µgÄ/MJ
1.Monat pp
2. Monat pp
3. Monat pp
4. Monat pp
60.7 ± 42.2
64.9 ± 53.2
70.8 ± 52.6
78.0 ± 77.4
**1
Vit. D µg/MJ
24.0 ± 17.2
32.8 ± 29.4
36.2 ± 30.2
27.9 ± 22.5
Vit E mgÄ/MJ
88.2 ± 27.9
84.2 ± 24.7
88.0 33.1
92.0 ± 29.3
Vit. B1 µg/MJ
98.6 ± 26.0
92.2 ± 20.0
93.3 ± 29.0
89.5 ± 21.6
**4
*4
Vit. B2 µg/MJ
106.5 ± 28.4
103.2 ± 31.7
101.8 ± 28.3
98.3 ± 37.0
Vit. B6 µg/MJ
87.6 ± 25.2
81.6 ± 17.9
81.0 ± 14.9
85.5 ± 18.6
Vit. B12 µg/MJ
0.17 ± 0.07
0.20 ± 0.3
0.19 ± 0.18
0.19 ± 0.19
Niacin mgÄ/MJ
1.75 ± 0.35
1.79 ± 0.32
1.69 ± 0.28
1.68 ± 0.31
Folsäure µgÄ/MJ 8.46 ± 2.84
7.51 ± 2.93
7.50 ±2.24
*....signifikant (p<0.05) größer, **....signifikant (p<0.01) größer
1
...1.Monat; 2...2.Monat; 3...3.Monat; 4...4.Monat
8.51 ± 3.36
Bei den mittleren Aufnahmen an Vitamin B1 aus Lebensmitteln erreichen im
Durchschnitt rund 1/3 der untersuchten Frauen 80 % die Empfehlung der DGE
nicht.
Die durchschnittliche Aufnahme an Vitamin B2 liegt über den gesamten Untersuchungszeitraum im Bereich der DGE-Empfehlung. In den ersten 3 Monaten
(4., 8., und 12. Laktationswoche) der Untersuchung liegt nur rund ein Fünftel
der Frauen mit ihren Aufnahmen unter 80 % DGE, Aufnahmen von mehr als
40 % unter dem empfohlenen Wert werden nicht gefunden. In der 16. Laktationswoche unterschreiten 28 % der untersuchten Frauen den Wert der Empfehlung um mehr als 20 %, eine der Frauen um mehr als 40 %. Die Aufnahme an
Riboflavin kann aber im allgemeinen als zufriedenstellend bezeichnet werden.
Die Aufnahmen an Vitamin B6 dagegen liegen im Mittel unter dem von der
DGE empfohlenen Wert. In der 4. Woche der Laktation unterschreiten 44 %
der Frauen die Empfehlung um mehr als 20 %, in der 8. und 12. Woche trifft
dies für 47 % der Untersuchten zu, in der 16. Woche für 38 % der Frauen.
Mehr als 40 % unter der Empfehlung liegen im ersten Monat 10 %, im 2. Monat 6 %, im 3. Monat 8 % und im 4. Monat 9 % der untersuchten Stillenden.
Die Aufnahme an Vitamin B6 ist somit ebenso wie in der Schwangerschaft als
verbesserungswürdig zu betrachten.
Das selbe gilt für die Folsäureaufnahme; auch hier wird die Empfehlung im Mittel über den gesamten Untersuchungszeitraum um 20 % unterschritten. Die
Anzahl der besonders niedrigen Aufnahmen (mehr als 40 % unter DGE) liegen
für Folsäure zum Teil sehr hoch. So erreichen in der 4. Woche 23 %, in der 8.
und in der 12. Woche 31 % und in der 16. Woche 19 % der untersuchten Stillenden 60 % DGE nicht.
Die Aufnahmen an Niacin liegen über den gesamten Untersuchungszeitraum
um mehr als 2/3 über der Empfehlung der DGE. Der empfohlene Wert wird zu
keinem Zeitpunkt von einer der untersuchten Frauen unterschritten.
Die Aufnahmen an Vitamin B12 (Cobalamin) sind wie die an Niacin ausrei-
Ernährungssituation Stillender
2.69
chend. Im Gegensatz zu Niacin wird in Einzelfällen die Empfehlung für VitaminB12 aber doch unterschritten. So liegen im ersten Monat 15 %, im 2. und im
4. Monat 19 % und im 3. Monat 14 % der untersuchten Frauen unter 100 %
DGE. Die Aufnahme an Cobalamin kann aber insgesamt als zufriedenstellend
eingestuft werden.
Die Empfehlungen für die Aufnahmen an fettlöslichen Vitaminen in der Stillzeit sind im Vergleich zum Normalbedarf deutlich erhöht. Somit kann eine unzureichende Aufnahme an Vitamin A und D, deren Bedarf in der Stillzeit deutlich erhöht ist, von vorne herein erwartet werden. Die Auswertung der 3-TageWiegeprotokolle bestätigt diese Vermutung (siehe Tab. 2.5.3).
Die Empfehlung für die Aufnahme an Vitamin A (Retinol) ist in der Stillzeit wegen der Abgabe dieses Nährstoffes über die Frauenmilch deutlich erhöht. Dementsprechend schlecht erscheint auch die Aufnahme an Retinol in der Stillzeit.
Rund 60 % der untersuchten Frauen zeigen Aufnahmen, die die Empfehlung
um mehr als 40 % unterschreiten, rund ein Drittel unterschreitet den Wert der
Empfehlung um mehr als 60 %. Die Aufnahme an Retinoläquivalenten aus Lebensmitteln ist daher als eindeutig verbesserungswürdig zu bezeichnen.
Noch schlechter zeigen sich die Aufnahmen an Vitamin D. Hier erreichen
mehr als 3/4 der untersuchten Stillenden nicht einmal 40 % der DGEEmpfehlungen. Rund 40 % der Frauen unterschreiten den empfohlenen Wert
für die Aufnahme um mehr als 80 %. Demnach kann die Aufnahme an Vitamin
D als unzureichend beurteilt werden.
Im Vergleich zu den beiden genannten fettlöslichen Vitaminen ist die Aufnahme an Tocopherol (Vitamin E) bedeutend besser. Durchschnittlich unterschreiten 40 % der Frauen die Empfehlung um mehr als 20 %. Die Anzahl der niedrigen Aufnahmen (mehr als 40 % unter der DGE-Empfehlung) sind für Vitamin
E aber deutlich geringer, weniger als ein Fünftel der Frauen erreichen 60 % der
DGE-Empfehlung nicht.
2.5.2.3 Aufnahme an Mineralstoffen über die Ernährung
Wie bei den Empfehlungen für die Aufnahme an Vitaminen richten sich auch
die Empfehlungen für die Aufnahme an Mineralstoffen nach der Abgabe dieser
Nährstoffe über die Frauenmilch. Besonders hoch ist in der Stillzeit die Empfehlung für die Aufnahme an Zink, das darüber hinaus auch in keinem der eingenommenen Supplemente enthalten ist.
Auf den ersten Blick (siehe Tab. 2.5.4) zeigen sich die Aufnahmen an Calcium,
Magnesium und Jod (Jod aus Speisesalzjodierung ist einberechnet) auf Lebensmittelbasis, d.h. auch ohne zusätzliche Einnahme von Nahrungssupplementen,
als zufriedenstellend.
2.70
Kapitel 2: Ernährungszustand
Tab. 2.5.4: Aufnahme an Mineralstoffen in der Stillzeit auf Lebensmittelbasis ausgedrückt in %DGE (mw±sd)
1.Monat pp
2. Monat pp
3. Monat pp
4. Monat pp
Calcium mg/MJ
1.07 ± 0.37
1.04 ± 0.34
1.04 ± 0.30
1.06 ± 0.33
Magnesium mg/MJ
36.3 ± 17.6
33.3 ± 13.5
33.7 ± 10.7
38.8 ± 10.5
Eisen mg/MJ
0.79 ± 0.18
0.79 ± 0.14
0.80 ± 0.15
0.82 ± 0.15
Jod µg/MJ
22.3 ± 6.46
22.1 ± 4.94
20.92 ± 4.09
22.66 ± 6.85
Zink mg/MJ
0.63 ± 0.13
0.61 ± 0.11
0.60 ± 0.12
0.61 ± 0.11
Die Aufnahmen an Calcium liegen erfreulicherweise über den gesamten Untersuchungszeitraum im Bereich der DGE-Empfehlung. Nur durchschnittlich ¼
der Frauen unterschreiten diesen Wert um mehr als 20 %, durchschnittlich 8 %
um mehr als 40 %. Mehr als die Hälfte der Frauen liegen mit ihren Calciumaufnahmen über dem Wert der DGE-Empfehlung. Somit kann die Calciumaufnahme in der Stillzeit insgesamt als zufriedenstellend bezeichnet werden.
Die energiebezogene Empfehlung für die Aufnahme an Magnesium erhöht sich
in der Stillzeit gegenüber dem Normalbedarf nicht. Die durchschnittlichen Aufnahmen liegen im gesamten Untersuchungszeitraum über dem Wert der Empfehlung. Im Durchschnitt liegen mehr als 70 % der Untersuchten mit ihren Aufnahmen über 100 % DGE, nur in Einzelfällen wird der Wert der Empfehlung
um mehr als 20 % unterschritten.
Die DGE erhöht die Empfehlung für die Eisenaufnahme in der Stillzeit, hauptsächlich zur Wiederauffüllung der Speicher durch die Verluste in der Schwangerschaft. Im Durchschnitt wird dieser Wert um 20 % unterschritten, nur in
Einzelfällen wird dem Wert der Empfehlung entsprochen. Mehr als die Hälfte
der Frauen erreichen 80 % der DGE nicht. Somit kann die Eisenaufnahme auch
in der Stillzeit als verbesserungswürdig eingestuft werden.
Nur ca. 2/3 der Frauen erreichen den für Stillende empfohlenen Wert für die
Zinkaufnahme. Zu keinem der Untersuchungszeitpunkte wird der Wert der
Empfehlung von einer der untersuchten erreicht, 45 % der Frauen liegen mit
ihren Zinkaufnahmen in sehr niedrigen Bereichen und unterschreiten die Empfehlung um mehr als 40 %.
Die Jodaufnahmen überschreiten im Mittel den Wert der Empfehlung um mehr
als 10 %. Grund für diese gute Jodversorgung ist die in Österreich praktizierte
Anreicherung des Speisesalzes mit Jod. Durchschnittlich 60 % der Frauen erreichen mit ihren Aufnahmen den Wert der Empfehlung, sehr niedrige Aufnahmen
mit Unterschreitung der Empfehlung um mehr als 40 % sind für Jod nicht zu
finden. Demnach kann die Jodaufnahme als zufriedenstellend bezeichnet werden.
Ernährungssituation Stillender
2.71
2.5.3 Status an Vitaminen und Mineralstoffen in der Stillzeit
Anhand der Statusuntersuchungen in den Blut- und Urinproben der in die Studien aufgenommenen Stillenden kann eine individuelle Bewertung der Versorgung mit einzelnen Nährstoffen erfolgen, die eine genaue Beurteilung über die
reine Erfassung der Aufnahme hinaus erlaubt. Tab. 2.5.5 zeigt hierbei den Status an Vitaminen und Tab. 2.5.6 die ermittelten Werte aus der Konzentrationsbestimmung an Calcium, Magnesium und Eisen während der Stillzeit.
Tab. 2.5.5: Status an Vitaminen in der Stillzeit (mw±sd)
1.Monat pp
2. Monat pp
3. Monat pp
4. Monat pp
Vitamin B2 [αEGR]
1.3 ± 0.13
1.3 ± 0.12
1.3 ± 0.16
1.3 ± 0.10
Vitamin B6 [αEGOT]
1.9 ± 0.24
1.8 ± 0.13
1.8 ± 0.17
1.9 ± 0.32
Vitamin B12 [pg/ml]
670 ± 654
246 ± 192
507 ± 168
275 ± 241
Folsäure [ng/ml]
5.4 ± 5.1
1.0 ± 0.6
0.6 ± 0.8
2.2 ± 2.3
Vitamin A [µg/dl]
34 ± 8.9
32 ± 7.0
31 ± 6.7
31 ± 5.8
Vitamin E [mg/dl]
1.0 ± 0.2
0.8 ± 0.2
0.8 ± 0.2
0.7 ± 0.3
Vitamin K [µg/l]
0.44 ± 0.27
0.35 ± 0.22
0.33 ± 0.19
0.32 ± 0.10
Tab. 2.5.6: Status an Calcium, Magnesium und Eisen in der Stillzeit (mw±sd)
1.Monat pp
2. Monat pp
3. Monat pp
4. Monat pp
2.7 ± 0.9
2.8 ± 0.8
3.1 ± 0.8
2.4 ± 0.8
Magnesium [mmol/l] 0.8 ± 0.1
0.7 ± 0.1
0.7 ± 0.1
0.7 ± 0.1
Eisen [µg/dl]
46 ± 33
52 ± 31
58 ± 25
Calcium [mmol/l]
53 ± 32
Bei den Vitaminen muß insbesondere der Status an Vitamin B6 als relativ
schlecht bewertet werden, da für den Funktionsparameter Aktivitätssteigerbarkeit der Glutamatoxalacetattransaminase (GOT) in den Erythrocyten bei vielen
Stillenden ein hoher Wert festgestellt werden mußte, was gleichbedeutend mit
einer schlechten Versorgung ist. Dieses Ergebnis bestätigt die schon bei der
Aufnahme festgestellten Unterschreitungen der Zufuhrempfehlungen, hier ist
also tatsächlich die Gefahr zur Ausbildung eines Mangels gegeben und die Befunde sollten durch einen erhöhten Konsum an Vollkorngetreide verbessert
werden. Hierbei ist ebenfalls zu bedenken, daß die Vitamin B6-Zufuhr der Proteinzufuhr angepaßt werden sollte.
Für die anderen Vitamine gibt es zumindest keinen dringenden Handlungsbedarf, etwas Aufmerksamkeit sollte vor allem gegen Ende der Stillzeit den fettlöslichen Vitaminen geschenkt werden, da deren Konzentrationen zwar physiologisch bedingt zurückgehen (Normalisierung der Blutlipidspiegel), aber dennoch
eine ausreichende Plasmakonzentration sichergestellt werden muß.
Unter den Mineralstoffen sticht besonders das Eisen hervor, da hier durch die
zurückliegenden Verluste während der Geburt deutlich erniedrigte Statusdaten
zu ermitteln sind. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß es sich bei den in Tab.
2.72
Kapitel 2: Ernährungszustand
2.5.6 aus Gründen der Vergleichbarkeit um Werte von nichtsupplementierenden Stillenden handelt. Eine Eisen-Supplementierung in Form
von geeigneten Monopräparaten, besser aber noch in Form von Kombinationspräparaten gemeinsam mit anderen Nährstoffen, verbessert den Eisenstatus
auch von Stillenden schnell und effektiv auf das Niveau der Normalwerte. In
diesem Zusammenhang muß überlegt werden, ob eine Supplementierung nicht
der optimale Weg ist, rasch die Eisenversorgung nach einer Schwangerschaft
wieder sicherzustellen, insbesondere unter Bedachtnahme auf die Entwicklung
des zu stillenden Kindes und den besonderen Anforderungen an die Ernährung
der Stillenden.
Schlußfolgerungen
Eine bereits während der Schwangerschaft entsprechend eingehaltene Ernährungsform ist eine der besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Laktation.
Für die Beurteilung der Ernährungssituation Stillender zu insgesamt vier Untersuchungsterminen wurde eine der in Kap. 2.4 beschriebenen Studien fortgesetzt.
Der gegenüber dem Normalbedarf deutlich erhöhte Energiebedarf wird von
den stillenden Frauen im Durchschnitt um 16% unterschritten. Die Relation der
Hauptnährstoffaufnahme läßt auf einen zu häufigen Konsum von tierischen Lebensmitteln schließen.
Die Häufigkeit der Einnahme von Nährstoffsupplementen ist geringer als in der
Schwangerschaft und nimmt im untersuchten Verlauf der Stillzeit ab. Die empfohlenen Aufnahmemengen für die wasserlöslichen Vitamine B1, B6 und Folsäure werden nicht erreicht. Aufgrund der deutlich erhöhten Empfehlungen, die
auf der Abgabe der Nährstoffe über die Frauenmilch beruhen, sind die Aufnahmen an fettlöslichen Vitaminen in der Stillzeit unzureichend, wobei jene an
Vitamin D am geringsten sind. Von den Mineralstoffen sind – auch ohne Berücksichtigung von Supplementen – die Aufnahmen an Calcium, Magnesium
und Jod zufriedenstellend. Nur in Einzelfällen wird hingegen dem empfohlenen
Aufnahmewert für Eisen entsprochen, keine der untersuchten Stillenden erreicht die Empfehlung für die Aufnahme an Zink.
Die Plasmakonzentrationen an den wasserlöslichen Vitaminen B2, B6 und Folsäure und den fettlöslichen Vitaminen A, D und E sowie an Eisen liegen zwar
höher als in der Schwangerschaft, verschlechtern sich aber vom ersten zum
vierten Laktationsmonat, was sich für Vitamin E am ausgeprägtesten manifestierte.
Unter Berücksichtigung der Einnahme von Multivitaminpräparaten per se oder
in Kombination mit Eisen bzw. Magnesium konnten die Nährstoffkonzentrationen im Plasma von Vitamin A, E, B2, B6, B12, Folsäure und Eisen signifikant verbessert werden.
Ernährungssituation Stillender
2.73
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29. Pietrzik K, Prinz-Langenohl R, Dierkes J (1995): Die Beeinflussung des Homozysteinspiegels
durch
nutritive
Gaben
der
Vitamine
B12,
B6
und
Folsäure.
VitaMinSpur 10, 150-154.
30. Popp-Hadalin E (1997): Ernährungsgewohnheiten, Ernährungswissen und Quellen der
Ernährungsinformaion der Erwachsenen Bevölkerung Österreichs. Diplomarbeit an der
Formal- und Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.
31. Roodenburg AJC (1995): Iron supplementation during pregnancy. Eur. J. Obstet. Gynecol.
Reprod. Biol. 61, 65 – 71.
32. Sauberlich HE, Skala JH, Dowdy RP (1976): Laboratory Tests for the Assessment of Nutritional Status. CRC Press Inc.
33. SCF (1994): Europäische Kommission (Hrsg.): Nährstoff- und Energiezufuhr in der Europäischen Gemeinschaft (Stellungnahme vom 11. Dezember 1992). Ber. wiss. Lebensmittelausschusses, 31. Folge. Amt f. amtl. Veröff. Eur. Gem., Luxemburg.
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Band I, VERA-Schriftenreihe.
35. Szallai M (1997): Der Ernährungszustand von Schwangeren, Stillenden und Säuglingen in
Wien. Ergebnisse der Verzehrserhebungen und anthropometrischen Untersuchungen im
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Review and meta-analysis of the epidemiologic evidence. J. Natl. Canc. Inst. 82, 650-661.
37. WHO Study Group (1990): Diet, Nutrition and the prevention of chronic disease. WHO
Technical Report 797, 105-120.
Kapitel
3
Lebensmittelqualität
Zusammenfassung
Die Lebensmittelkontrolle in Österreich dient dem Schutz des Verbrauchers vor gesundheitlichen Gefahren und vor Täuschung. Vom
Landeshauptmann eingesetzte Lebensmittelaufsichtsorgane ziehen
Proben von Lebensmitteln, Verzehrprodukten, Zusatzstoffen, Kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenständen gemäß dem vom Ministerium jährlich erstellten Revisions- und Probenplan. Die Untersuchung der Proben erfolgt in staatlichen Untersuchungsanstalten.
Die in diesem Kapitel beschriebenen Daten wurden den Jahresberichten des Bundeskanzleramts über die Lebensmittelkontrolle entnommen. Ergebnisse der Betriebsrevisionen zeigen, daß die Beanstandungen auf hygienischem Gebiet die Dienstleistungsbetriebe
und kleineren Erzeuger, die ihre Produkte direkt im Einzelhandel
verkaufen, stärker betreffen als die großen Erzeugungsbetriebe.
Im Jahr 1996 wurden größere Anteile an gesundheitsschädlichen
Proben bei Fleisch(-produkten), Fisch(-produkten), Meeresfrüchten,
Eiern und vor allem Geflügel(-produkten) gefunden, wobei das Risiko einer mikrobiellen Kontamination (z.B. durch Salmonellen) für
den Konsumenten durch sachgemäße Zubereitung minimiert werden
kann. Bei Geflügel(-produkten) konnten in den letzten Jahren Fortschritte erzielt werden. Bei Speiseeis ist die hygienische Situation
schon sehr zufriedenstellend.
Trinkwasser als Lebensmittel wird u.a. in Grundwassergüteuntersuchungen in allen Bundesländern nach einheitlichen Methoden und
Untersuchungsumfang auf Basis der Wassergüte-Erhebungsverordnung (WGEV) im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und
Forstwirtschaft und der Bundesländer kontrolliert. Eine Reihe von Institutionen und Sachverständigen überprüfen periodisch die mikrobiologisch-chemische Qualität des Grundwassers, wobei der
Schwerpunkt bei chemischen Parametern wie Nitrat- oder Atrazinanalysen liegt, die Ergebnisse bakteriologischer Untersuchungen jedoch kaum registriert werden und nur Momentaufnahmen darstellen. Im allgemeinen ist die Wasserqualität in Österreich als zufriedenstellend anzusehen. Die Errichtung einer zentralen, unabhängigen Stelle zur Erfassung, Koordination und Evaluation von Wasseruntersuchungen sowie die Verbesserung der mikrobiologischen Analytik ist allerdings anzustreben.
Entgegen der verbreiteten Auffassung der Konsumenten werden bei
Zusatzstoffen nur in Ausnahmefällen – und selbst dann nur vom
“high consumer” - Aufnahmen erreicht, die den tolerierbaren täglichen Konsum an Zusatzstoffen überschreiten. Daher ist es notwendig, die österreichische Bevölkerung über den Einsatz von Zusatzstoffen und über deren Deklaration aufzuklären, um ihr auf diese
Weise die Möglichkeit einer bewußten und eigenverantwortlichen
Produktauswahl zu ermöglichen.
Die derzeit geringe Akzeptanz neuartiger Lebensmittel und im speziellen gentechnisch modifizierter Lebensmittel in der österreichischen Bevölkerung läßt sich großteils dadurch erklären, daß viele
Konsumenten die gesundheitliche Unbedenklichkeit dieser Produkte
bezweifeln und sie als unsicher und unnatürlich ansehen. Während
die Gentechnik von Österreichern auf dem Gebiet der Medizin eher
akzeptiert wird, stößt sie im Bereich der Lebensmittelproduktion fast
ausschließlich auf Ablehnung.
Sachgerechte, emotionsfreie Information zur Sicherheitsbeurteilung,
eine klare und nicht vordergründig diskriminierende Kennzeichnung
sowie eine konsequente und effiziente Überwachung derartiger Lebensmittel sind für eine breitere Akzeptanz unabdingbar.
Die Akzeptanz von Light-Produkten bei Erwachsenen wurde. mittels
Fragebogen bei 647 berufstätigen, z.T. in Ausbildung befindlichen
Personen im Alter von 20 bis über 60 Jahren zu Image, Konsum und
Kaufmotiven von Light-Produkten sowie zu Ernährungswissen und
Eßverhalten befragt. Größte Beliebtheit unter den Light-Produkten
wiesen leichte Milchprodukte auf, Light-Fertiggerichte, -Bier bzw.
Süßwaren konnten sich bisher hingegen wenig durchsetzen. Hauptmotive für die Verwendung von Light-Produkten waren generell die
Erhaltung des Körpergewichts bzw. der Gesundheit, bei Befragten
über 35 Jahren vermehrt auch eine bestehende Erkrankung. Die
Angst des Konsumenten vor Zusatz- bzw. Hilfsstoffen in derartigen
Produkten ist aufgrund des Fehlens von sachlicher Information groß
und zusammen mit dem Trend zu naturbelassenen, unverarbeiteten
Lebensmitteln Hauptursache für die mangelnde Akzeptanz.
Vergleichende Untersuchungen von Produkten biologischer und
konventioneller Landwirtschaft beurteilten Bioprodukte anhand
umweltrelevanter Parameter wie Nitratgehalt und Pestizidrückständen besser als konventionelle Produkte. Konventionell angebaute
pflanzliche Lebensmittel tendieren hingegen zu höheren Proteingehalten. Bei Kohlenhydraten, Vitaminen und Mineralstoffen sowie bei
sensorischen Untersuchungen gibt es keine eindeutigen Unterschiede.
Trotz Überwachung und Kontrolle durch Qualitätssicherungskonzepte kann es im Zuge von Produktionsprozessen zur Entstehung unerwünschter Nebenprodukte kommen, wie z.B. der Bildung von
Trans-Fettsäuren (TFS). Ein hoher Einsatz hydrierter Fette zum Fritieren sowie in der Produktion von Margarinen und gesüßten Brotaufstrichen führt zu einer erhöhten Aufnahme an Trans-Fettsäuren über
die Nahrung. Die höchsten Gehalte an TFS wurde in jenen Produkten analysiert, die in teilweise oder vollständig hydrierten Fetten zubereitet wurden, oder die hydrierte Fette enthalten. Die pathophysiologische Wirkung von Trans-Fettsäuren ist letztendlich noch nicht
eindeutig geklärt. Sie werden jedoch als Risikofaktoren mit der Entstehung koronarer Herzerkrankungen in Verbindung gebracht. Man
sollte daher den Verzehr Trans-Fettsäure-reicher Produkte zu Gunsten des Verzehrs an Pflanzenölen reduzieren.
Die Nährstoffanreicherung von Grundnahrungsmitteln ist in Hinblick auf die Gesundheitsvorsorge der verschiedenen Personengruppen eine sehr erfolgreiche Möglichkeit der raschen und effizienten
Verbesserung des Ernährungsstatus. Dennoch müssen auch die Risiken derartiger Maßnahmen berücksichtigt werden. Besonders
schwierig ist in diesem Zusammenhang das Risiko einer Überdosierung mit dem zugesetzten Nährstoff vor allem bei extremen Konsumgewohnheiten einzuschätzen.
Letztendlich besteht ein sehr unzureichender Kenntnisstand zur Aufnahme an angereicherten Lebensmitteln und deren Beitrag zur Nährstoffaufnahme. Zusätzliche und detailliertere Informationen werden
dringend benötigt, insbesondere um möglicherweise exzessive Aufnahmen einzelner Nährstoffe mit geringen Sicherheitsmargen abzuschätzen.
3.1 Lebensmittelüberwachung
Kapitel 3
3.1
Lebensmittelqualität
3.1 Lebensmittelüberwachung1
3.1.1 Organisation
Die Lebensmittelkontrolle in Österreich beruht auf der geltenden Fassung der
Regeln des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 75 BGBl.Nr. 86/1975). Nach der
österreichischen Rechtsordnung ist die Lebensmittelkontrolle aufgeteilt in eine
Bundeszuständigkeit und in eine Zuständigkeit des jeweiligen Bundeslandes.
3.1.1.1. Lebensmittelkontrolle:
Das Ziel der Lebensmittelkontrolle ist, den Verbraucher vor gesundheitlichen
Gefahren sowie vor Täuschung zu schützen. Die gleichen schutzwürdigen Güter wurden auch in der Richtlinie 89/397/EWG über die amtliche Lebensmittelkontrolle von der Europäischen Gemeinschaft definiert.
Im Rahmen der Lebensmittelkontrolle tätige Institutionen sind:
• Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz im
Bundeskanzleramt
• Organe der Lebensmittelaufsicht des jeweiligen Bundeslandes (von ihnen
wird die Lebensmittelüberwachung durch die Landeshauptleute in mittelbarer Bundesverwaltung durchgeführt)
• Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung bzw. Untersuchungsanstalten der Länder.
Für die Vollziehung des Gesetzes ist die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz im Bundeskanzleramt zuständig. Dabei sind
die wichtigsten Aufgaben des Ministeriums:
• Rechtssetzung (nationales Recht und Umsetzung von europäischen Richtlinien in nationales Recht)
• Koordinierung der von den Ländern durchgeführten Überwachung der im
LMG erfaßten Waren
• Koordinierung der amtlichen Lebensmitteluntersuchungsanstalten (Bundund Länderanstalten) sowie Aufsicht über die Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung
• Vertretung Österreichs bei der Europäischen Union in den entsprechenden
Fachgremien
• Weiterleitung der Informationen aus dem Schnellwarnsystem (rapid alert
system) der Europäischen Gemeinschaft
• Warnung der Bevölkerung vor Waren, die ein Gesundheitsrisiko darstellen.
---------------------------------------------------------------------1
HR Dr. F. Vojir
3.2
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung obliegt dem Landeshauptmann
die Durchführung der Lebensmittelüberwachungsmaßnahmen im jeweiligen
Bundesland. Er bedient sich dabei der von ihm bestellten Lebensmittelaufsichtsorgane nach §35 LMG. Diese führen Revisionen von Betrieben durch und
ziehen Proben von Waren die dem LMG unterliegen (Lebensmittel, Verzehrprodukte, Zusatzstoffe, Kosmetische Mittel und Gebrauchsgegenstände). Diese
Proben werden den örtlich zuständigen Lebensmitteluntersuchungsanstalten
zur Untersuchung und Begutachtung überbracht. Die von den Untersuchungsanstalten erstellten Untersuchungszeugnisse werden an die betreffenden Lebensmittelaufsichtsstellen übermittelt. Von hier werden im Falle von Beanstandungen die Anzeigen an die zuständige Strafbehörde oder das zuständige Gericht erstattet.
Bundeskanzleramt, Ministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz
BKA
Sektion VI
Aufsicht
ordnet an
Gruppe A
Veterinärangelegenheiten
Aufsicht
Mittelbare
Bundesverwaltung
Gruppe B
Lebensmittelangelegenheiten
Aufsicht
Landeshauptmann
Landesregierung
Dienstaufsicht
Grenztierärztlicher Dienst
Probennahme
Veterinärmedizinische
Bundesanstalten
Untersuchung
Gutachten
Bundesanstalten für
Lebensmitteluntersuchung
Untersuchung
Gutachten
Lebensmittelaufsicht
ordnet an
Aufsicht
Landesorgane
Probennahme
Organe der Städte mit
eigenem Statut
Probennahme
Landesanstalten für
Lebensmitteluntersuchung
Untersuchung
Gutachten
Abb. 3.1.1: Organisation der Lebensmittelkontrolle in Österreich
3.1 Lebensmittelüberwachung
3.3
Zusätzlich werden im Rahmen der Kontrolle von Importen tierischer Lebensmittel durch den grenztierärztlichen Dienst Proben entnommen, die zum Teil
von den Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung untersucht werden
(Abb. 3.1.1).
3.1.1.2. Probenziehung
Die Proben werden routinemäßig entsprechend dem vom Ministerium jährlich
erstellten Revisions- und Probenplan entnommen. Dabei ergibt sich für Österreich eine mittlere Probenzahl von 5 Proben pro 1000 Einwohner.
Neben der Untersuchung der von der Lebensmittelaufsicht gezogenen Proben
sind die Untersuchungsanstalten gemäß §43 LMG verpflichtet, auch für andere
Behörden sowie Gerichte amtliche Proben zu untersuchen und auf Verlangen
von Privaten, gegen Einhebung einer Gebühr, Untersuchungen durchzuführen.
Nach den Untersuchungen sind unverzüglich Befund und Gutachten zu erstatten.
Gründe für Probenziehungen amtlicher Natur können sein:
• Routineprobennahme, beruhend auf der Erfüllung des Revisions- und Probenplans des zuständigen Ministeriums
• Probennahme nach einem monatlich durch das Ministerium vorgegebenen
nationalen Schwerpunktsprogramm
• Eigene spezielle Schwerpunktsaktionen der einzelnen Bundesländer
• Warnungen im Rahmen des EU-Schnellwarnsystems; Aufgrund dieser Warnungen werden Fahndungsaktionen aktiviert und gezielt bestimmte Produkte überprüft
• Von der EU-Kommission jährlich festgelegtes koordiniertes Überwachungsprogramm; Dafür sind Proben zu entnehmen und auf definierte Parameter
zu untersuchen (z.B. Aflatoxine in Gewürzen, in Pistazien, in Erdnüssen,
Allergene in Lebensmitteln, Benzo(a)pyren in geräucherten Fleischwaren)
• Probenziehung im Rahmen von EU-weiten Monitoringuntersuchungen (z.B.
Pestizide in Obst oder Gemüse, Tierarzneimittelrückstände in tierischen
Lebensmitteln) sowie im Rahmen von nationalen Monitoringuntersuchungen (z.B. Pestizide in Obst und Gemüse)
• Proben aufgrund von Aufträgen von Behörden oder Gerichten.
3.1.1.3. Probenuntersuchung
Die Untersuchung der Proben erfolgt in amtlichen Untersuchungsanstalten.
Den dem Ministerium als nachgeordnete Dienststellen direkt unterstellten
Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung (Wien, Linz, Salzburg, Innsbruck, Graz) sind gemäß §42 LMG und der Bundesanstalten-VO (BGBl.Nr.
231/1980) ihre Aufgaben und Wirkungsbereiche zugewiesen. Zusätzlich sind
in einigen Bundesländern (Kärnten, Vorarlberg, Wien) eigene, den Ländern
unterstehende Untersuchungsanstalten gemäß §49 LMG eingerichtet worden
(siehe Abb.3.1.2).
3.4
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
BALUF + LUA Wien
Niederösterreich
BALU Linz
Oberösterreich
Wien
Bgld
.
BALU Salzburg
LUA
Vorarlberg
Steiermark
Vbg.
Tirol
Salzburg
Bgld
Kärnten
BALU Innsbruck
BALU Graz
LUA Kärnten
Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und –forschung, Wien (BALUF)
Kinderspitalgassse 15, A-1090 Wien, Tel.: (01) 40490/27801 (Wien, Niederösterreich, N-Burgenland)
Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Linz (BALU Linz),
Bürgerstraße 47, A-4020 Linz, Tel.: (0732) 77 90 71 (Oberösterreich)
Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Salzburg (BALU Salzburg)
Schopperstraße 13, A-5020 Salzburg, Tel.: (0662) 45 10 27 (Salzburg)
Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Innsbruck (BALU Innsbruck)
Technikerstraße 70, A-6020 Innsbruck, Tel.: (0512) 22 440 (Tirol, Vorarlberg)
Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Graz (BALU Graz)
Beethovenstraße 8, A-8010 Graz, Tel.: (0316) 32 75 88 (Steiermark, Kärnten, SBurgenland)
Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien (LUA Wien)
Henneberggasse 3, A-1030 Wien, Tel.: (01) 79 514/97955 (Wien)
Lebensmitteluntersuchungsanstalt des Landes Vorarlberg (LUA Vorarlberg)
Montfortstraße 4, A-6900 Bregenz, Tel.: (05574) 51 14 225 (Vorarlberg)
Landwirtschaftlich-chemische Versuchs- und Lebensmitteluntersuchungsanstalt
(LUA Kärnten)
Lastenstraße 40, A-9020 Klagenfurt, (0463) 32 130 (Kärnten)
Abb.
3.1.2:
Zuständigkeitsbereiche
untersuchungsanstalten
der
staatlichen
Lebensmittel-
Aufgrund der grenztierärztlichen Kontrollen von Importen tierischer Lebensmittel an der EU-Außengrenze werden Proben von Fleisch, Geflügel, Fischen,
Fischprodukten, Fischkonserven, Muscheln, Milch, Milcherzeugnissen, Eiern,
Eiprodukten u.ä. gezogen und zwecks Untersuchung an die Untersuchungsan-
3.1 Lebensmittelüberwachung
3.5
stalten der Veterinärverwaltung und an die Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung weitergeleitet.
Einige Bereiche, wie die Einteilung der Lebensmittel in Qualitätsklassen oder
die Weinproduktion, werden nicht vom LMG erfaßt. Die Bundesqualitätskontrolle ist gemäß Qualitätsklassengesetz (BGBl.Nr. 161/1967) und der Verordnung über die örtliche Zuständigkeit der Kontrollorgane (BGBl.Nr. 317/1968)
unter der Aufsicht des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft tätig.
Auf dem Gebiet der Weinkontrolle agiert neben der Lebensmittelaufsicht auch
die Bundeskellereiinspektion nach §37(5) des Weingesetzes (BGBl.Nr.
444/1985). Die Aufsicht über die Bundeskellereiinspektion hat ebenfalls das
Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft.
Auf Basis der EU-Verordnung 2092/91 über den ökologischen Landbau sind
die Landeshauptleute zuständig für die Kontrolle der biologisch produzierten
Lebensmittel. Die Kontrolle der Biobetriebe selbst wird durch unabhängige
Biokontrollstellen vorgenommen (s. auch Kap. 3.6).
3.1.2. Daten zur Lebensmittelkontrolle
Alle angeführten Daten stammen aus den Berichten über das Gesundheitswesen in Österreich, wobei die Daten über die Lebensmittelkontrolle verwendet
wurden (Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz, ÖSTAT
1994).
3.1.2.1. Revisionstätigkeit
Neben der Probenziehung ist die Revision von Betrieben eine weitere wichtige
Tätigkeit der Lebensmittelaufsichtsorgane im Interesse der Sicherung der Volksgesundheit.
Während des Zeitraums von 1994 bis 1996 wurden die im folgenden angegebenen Revisionen durchgeführt und die angeführte Zahl von amtlichen Proben
gezogen.
Jahr durchgeführte Revisionen amtlich entnommene Proben
1994
148440
41852
1995
144201
41841
1996
147009
43492
Eine Übersicht über die im Jahr 1996 vorgenommenen Revisionen und deren
Resultate gibt Abb. 3.1.3. Die im Diagramm über den Betriebsarten angegebene Zahl ist die jeweilige Gesamtzahl der Betriebe der betreffenden Betriebsart.
3.6
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
100
80
3344
1251
128
26656
Betriebe
kontrolliert (%)
19868
63739
davon
beanstandet
60
%
40
20
Erzeuger, die auf
Einzelhandelsstufe
verkaufen
Dienstleistungsbetriebe
Großhändler
Vertriebsunternehmer und
Transporteure
Hersteller und
Abpacker
Erzeuger
0
Betriebsarten
Abbildung 3.1.3: Betriebsrevisionsstatistik 1996
Unter Erzeugern, die auf Einzelhandelsstufe verkaufen, sind unter anderem Betriebe wie Bäckereien, Konditoreien, Fleischhauereien, gewerbliche Speiseeiserzeuger, nicht ortsfeste Verkaufsstände von Fleisch, Wurst, Speiseeis oder
landwirtschaftliche Direktverkäufer zusammengefaßt. Es war den Lebensmittelaufsichtsorganen möglich, etwa 80% der in den jeweiligen Betriebskategorien
vorhandenen Betriebe mindestens einmal jährlich zu besuchen. Betriebe aus
kritischeren Betriebsarten werden üblicherweise mehrmals jährlich revidiert.
Eine detailliertere Aufschlüsselung der Revisionsergebnisse nach Beanstandungsgründen zeigt die Bedeutung der Betriebsrevisionen (siehe Abb. 3.1.4).
20
15
Hygiene
andere
10
Erzeuger, die auf
Einzelhandelsstufe
verkaufen
Dienstleistungsbetriebe
Großhändler
Vertriebsunternehmer und
Transporteure
0
Hersteller und
Abpacker
5
Erzeuger
% der Besuche
25
Betriebsarten
Abbildung 3.1.4: Beanstandungsgründe bei den Betriebsrevisionen 1996
3.1 Lebensmittelüberwachung
3.7
Die Ergebnisse der Revisionen zeigen, daß vor allem bei den Dienstleistungsbetrieben und bei kleineren Erzeugern, die ihre Produkte im Einzelhandel verkaufen, immer noch relativ hohe Beanstandungsraten auf hygienischem Gebiet
vorliegen, während bei großen Erzeugungsbetrieben praktisch keine gravierenden hygienischen Probleme mehr auftreten.
3.1.2.2. Probennahme
In den staatlichen Untersuchungsanstalten wurden im betrachteten Zeitraum
folgende Proben untersucht (Abb. 3.1.5).
12000
1994
8000
1995
1996
4000
Probenanzahl
1994
8000
1995
1996
4000
amtliche Proben
LUA Wien
Vorarlberg
Klagenfurt
Salzburg
Linz
Innsbruck
LUA Wien
Vorarlberg
Klagenfurt
Salzburg
Linz
Innsbruck
Graz
BALUF
Wien
Untersuchungsanstalt
Graz
0
0
BALUF
Wien
Probenanzahl
12000
Untersuchungsanstalt
private Proben
Abbildung 3.1.5: Probenzahlen nach Bundesländern 1994-1996
3.1.2.3. Beanstandungen
Im folgenden werden Beanstandungen aus den Jahren 1994 bis 1996 detaillierter dargestellt.
Aus welchen Gründen Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe beanstandet werden können, ist in den §§ 7 (1) und 8 des LMG festgelegt:
§ 7(1) Es ist verboten, Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe in Verkehr zu
bringen, die
gesundheitsschädlich;
verdorben, unreif, nachgemacht, verfälscht oder wertgemindert sind, ohne daß dieser
Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist;
falsch bezeichnet sind oder
den nach §10 erlassenen Verordnungen nicht entsprechen
§ 8. Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe sind
gesundheitsschädlich, wenn sie geeignet sind, die Gesundheit zu gefährden oder zu
schädigen;
verdorben, wenn die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit wesentlich vermindert oder
ausgeschlossen ist;
unreif, wenn sie noch nicht die Beschaffenheit erreicht haben, die ihre bestimmungsgemäße Verwendung erlaubt oder ihre charakteristischen Eigenschaften bedingt;
nachgemacht, wenn eine andere Ware vorgetäuscht wird;
verfälscht, wenn ihnen wertbestimmende Bestandteile, deren Gehalt vorausgesetzt
wird, nicht oder nicht ausreichend hinzugefügt oder ganz oder teilweise entzogen wurden, oder sie durch Zusatz oder Nichtentzug wertvermindernder Stoffe verschlechtert
3.8
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
wurden, oder ihnen durch Zusätze oder Manipulationen der Anschein einer besseren
Beschaffenheit verliehen oder ihre Minderwertigkeit überdeckt wurde, oder wenn sie
nach einer unzulässigen Verfahrensart hergestellt wurden;
falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände,
die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit,
Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in
solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§
9) in Verkehr gebracht werden;
wertgemindert, wenn sie nach der Herstellung, ohne daß eine weitere Behandlung erfolgt ist, eine erhebliche Minderung an wertbestimmenden Bestandteilen oder ihrer spezifischen, wertbestimmenden Wirkung oder Eigenschaft erfahren haben, soweit nicht
Verdorbenheit vorliegt.
Ähnlich formulierte Bestimmungen gelten für Kosmetische Mittel (§ 26 (1)) und
Gebrauchsgegenstände (§ 28 (1)).
Zum Überblick über die Beanstandungen ist generell zu bemerken, daß bei
bestimmten Beanstandungsgründen (z.B. Verdorbenheit) für einige Warengruppen unter Umständen etwas höhere Beanstandungsraten erhalten werden,
als es bei einer rein zufälligen Probennahme der Fall wäre. Dies resultiert aus
der Tatsache, daß die geschulten Probennahmeorgane auch Verdachtsproben
entnehmen. Verdachtsproben sind z.B. Proben wie Obst, Gemüse, Fleisch oder
Fisch mit dem augenscheinlichen Verdacht der Verdorbenheit (verfault, verschimmelt, verfärbt, überlagert u.ä.) oder Proben von Erzeugern, die aufgrund
früherer Vorkommnisse verdächtig sind, nicht einwandfrei zu produzieren. Ein
solches Vorgehen wird von den Lebensmittelaufsichtsorganen im Interesse des
Gesundheitsschutzes der Bevölkerung von den vorgesetzten Dienststellen erwartet. Diese Verdachtsproben wurden in der allgemeinen Probenstatistik bisher nicht getrennt erfaßt. Daher können für einzelne Beanstandungsgründe bei
bestimmten Warengruppen die Beanstandungsraten höher ausfallen. Weiters
sind höhere Beanstandungsraten bei einigen Warengruppen aufgrund von wiederholt durchgeführten gezielten Untersuchungen auf einzelne Parameter (z.B.
Aflatoxinkontamination von Gewürzen, mikrobiologische Kontamination von
Gewürzen und anderen Warengruppen) möglich.
In Abb. 3.1.6 sind die Beanstandungsraten der 1996 entnommenen amtlichen
Proben getrennt nach Gesundheitsschädlichkeit, Verdorbenheit und anderen
Beanstandungsgründen zusammengestellt. Von den Warengruppen wurden
Kosmetika (Gruppe 19), Gebrauchsgegenstände (Gruppe 20) und biologisch
produzierte Produkte (Gruppe 21) nicht berücksichtigt, da hier entweder
hauptsächlich andere Beanstandungsgründe vorliegen oder aber, insbesondere
bei Gebrauchsgegenständen, fast nur Verdachtsproben bezüglich Gesundheitsschädlichkeit gezogen wurden.
3.1 Lebensmittelüberwachung
3.9
40
30
%
20
10
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 22 23
Warengruppe
ges.schädl.
verdorben
andere
Abbildung 3.1.6: Beanstandungsraten 1996
Warengruppen der Beanstandungsstatistik:
1 Fleisch, Wild und Erzeugnisse daraus
2 Fische, Krusten-, Schalen- und Weichtiere
3 Milch, Milchprodukte
4 Geflügel und Erzeugnisse daraus
5 Fette und Öle
6 Getreide, Mahl- und Schälprodukte, Stärke und Stärkeerzeugnisse, Puddingpulver
7 Brot, andere Backwaren, Teigwaren
8 Zucker, Zuckerarten, Honig
9 Speiseeis
10 Kakao, Kakaoerzeugnisse, Zuckerwaren
11 Obst, Gemüse
12 Gewürze, Gewürzextrakte, Würzsoßen, Senf
13 Fruchtsäfte, alkoholfreie Erfrischungsgetränke
14 Kaffee, Tee
15 Bier, Wein, Most, Obstwein, Spirituosen
16 Tafelwasser, Sodawasser
17 Essig, Speisesalz, Zusatzstoffe
18 Diätetische Lebensmittel, Kindernährmittel, Verzehrprodukte
22 Fertiggerichte
23 Eier und Eiprodukte
Neben den Beurteilungskriterien gesundheitsschädlich und verdorben sind unter
dem Begriff andere, Beanstandungen wie verfälscht, nachgemacht, wertgemindert,
unreif, falsch bezeichnet oder anderen Rechtsvorschriften (Verordnungen) nicht entsprechend, zusammengefaßt. Der Hauptanteil in der Gruppe der anderen Beanstandungen
waren
Beanstandungen
wegen
Übertretung
der
Lebensmittelkennzeichnungsverordnung.
Es zeigt sich deutlich, daß die Warengruppe 4 (Geflügel, Geflügelprodukte)
eine problematische ist. Dies ist auf die häufige mikrobiologische Kontamination der Waren dieser Gruppe zurückzuführen.
Eine detaillierte Aufgliederung der Daten aus dem Jahr 1996 nach den Beanstandungsgründen Gesundheitsschädlichkeit, Verdorbenheit und andere, ge-
3.10
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
gliedert nach Bundesländern ist für einige ausgewählte Warengruppen erfolgt
(Abb. 3.1.7 und 3.1.8).
Vor allem bei Fleisch, Fleischprodukten, Fisch, Fischprodukten, Meeresfrüchten, Geflügel, Geflügelprodukten, Eiern und Eipräparaten wurde ein größerer
Anteil an gesundheitsschädlichen Proben gefunden. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern bei den Ergebnissen in manchen Warengruppen
können zum Teil damit erklärt werden, daß in den verschiedenen Bundesländern Verdachtsproben in unterschiedlichem Ausmaß gezogen werden.
Fleisch, Fleischprodukte
Fisch, Fischprodukte
80
80
60
60
% 40
% 40
20
20
0
0
W
V
T
St
ges.schädl.
S
O
verdorben
N
K
B
W
V
andere
T
St
ges.schädl.
Geflügel, Geflügelprodukte
S
O
verdorben
N
K
B
andere
Milch, Milchprodukte
80
80
60
60
% 40
% 40
20
20
0
0
W
V
T
St
ges.schädl.
S
O
verdorben
N
K
andere
B
W
V
T
St
ges.schädl.
St
O
verdorben
N
K
B
andere
Abbildung 3.1.7: Beanstandungsraten ausgewählter Warengruppen nach
Bundesländern im Jahr 1996 (ohne Differenzierung zwischen zufällig entnommenen Proben und Verdachtsproben)
Probenzahlen: Fleisch, Fleischprodukte – 10840; Fisch, Fischprodukte – 1617; Geflügel, Geflügelprodukte – 3103; Milch, Milchprodukte - 4954
Von den Ergebnissen ist die ungünstige Situation bei Geflügelproben hervorzuheben. Dazu ist zu bemerken, daß dies hauptsächlich auf mikrobiologischen
Kontaminationen mit Salmonellen beruht. Diese Bakterien können durch ausreichendes Erhitzen beim Zubereiten der Speisen abgetötet werden, sodaß das
Risiko für den Konsumenten minimiert wird. Die größere Gefährdung durch
die hohe Kontaminationsrate von Geflügel geht von einer schlechten Küchenhygiene aus. Durch unsachgemäßes Hantieren mit rohem Geflügel in der Küche kann es zu Kontaminationen von anderen Lebensmitteln kommen, wobei
in ungünstigen Fällen die Umgebungsbedingungen ein Bakterienwachstum
fördern können, sodaß innerhalb kurzer Zeit ein hoher Bakteriengehalt in diesen Lebensmitteln entsteht. Beim Verzehr dieser Lebensmittel können Lebensmittelvergiftungen auftreten. Im Zeitraum 1994 bis 1996 war aber eine Verbesserung der Situation festzustellen (Abb. 3.1.9). Der Anteil der als gesundheits-
3.1 Lebensmittelüberwachung
3.11
schädlich beanstandeten Geflügelproben hat sich vor allem in den Bundesländern, in denen er früher hoch war, deutlich verringert. Es wird abzuwarten
sein, ob dieser Trend anhält.
Gemüse, Obst und Erzeugnisse
Eier, Eipräparate
60
60
45
45
% 30
% 30
15
15
0
0
W
V
T
St
ges.schädl.
S
O
verdorben
N
K
B
W
V
andere
T
St
ges.schädl.
Fette, Öle, Mayonnaisen
S
O
verdorben
N
K
B
andere
Speiseeis
60
60
45
45
% 30
% 30
15
15
0
0
W
V
T
St
ges.schädl.
S
O
verdorben
N
K
B
W
V
andere
T
St
S
verdorben
O
N
K
B
andere
Abbildung 3.1.8:
Beanstandungsraten ausgewählter Warengruppen nach
Bundesländern im Jahr 1996 (ohne Differenzierung zwischen zufällig entnommenen Proben und Verdachtsproben)
Probenzahlen: Eier, Eipräparate – 754; Gemüse, Obst und Erzeugnisse– 3892; Fette, Öle, Mayonnaisen– 1276; Speiseeis - 2139
Bei Speiseeis zeigt sich ein hygienischer Fortschritt. Hier wurden im Jahr 1996
keine Proben als gesundheitsschädlich beurteilt. Eine genauere Analyse der
Daten ergibt in denjenigen Bundesländern, die höhere Beanstandungsraten
haben, daß vorwiegend Ware von gewerblichen Eisproduzenten und nicht von
industriellen Produzenten als verdorben beurteilt wurde. Hier sind die Lebensmittelaufsicht und die Berufsverbände aufgefordert, auf die gewerblichen
Produzenten entsprechend einzuwirken.
3.1.3 Aktionen in den Jahren 1996 und 1997
Neben der routinemäßigen Probennahmetätigkeit der Lebensmittelaufsicht
werden auch aufgrund von anderen Notwendigkeiten Probennahmen durchgeführt. Dies sind vor allem Aktionen, die vom Bundesministerium für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz österreichweit oder vom jeweiligen
Bundesland nur für das Bundesland durchgeführt werden. Ferner werden Proben im Rahmen von EU-weiten oder nationalen Monitorprogrammen entnommen. Wichtige Gründe für Probennahmen sind außerdem jährlich von der EUKommission festgelegte koordinierte Programme sowie Warnungen vor gesundheitsschädlichen Waren, die im europaweiten Schnellwarnsystem (rapid
3.12
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
alert system) aufgrund von Meldungen der einzelnen Mitgliedsstaaten von der
Kommission an die anderen Mitgliedsstaaten weitergegeben werden.
Beanstandungen 1994
100
80
%
60
40
20
0
W
V
T
St
ges.schädl.
S
O
verdorben
N
K
B
andere
Beanstandungen 1995
100
80
%
60
40
20
0
W
V
T
St
ges.schädl.
S
O
verdorben
N
K
B
andere
Beanstandungen 1996
100
80
%
60
40
20
0
W
V
T
St
ges.schädl.
Abbildung 3.1.9:
S
O
verdorben
N
K
B
andere
Vergleich der Beanstandungen bei Geflügel 1994 - 1996
Probenzahlen: 1994 – 765; 1995 – 709; 1996 - 3103
Das europäische Schnellwarnsystem existiert seit 1978. Die Vorgangsweise
wurde in der Richtlinie 92/59/EWG festgelegt. Das System ist darauf ausgelegt,
im Fall von möglichen schweren Gesundheitsgefährdungen der Konsumenten
durch bestimmte Waren in der Europäischen Gemeinschaft aktiviert zu werden. Wenn ein entsprechendes Risiko in einem Mitgliedsstaat festgestellt wird,
teilt die zuständige Stelle dieses Mitgliedsstaats diese Tatsache unverzüglich der
EU-Kommission (DG XXIV – Konsumentenschutz) in Brüssel mit. Nach einer
Überprüfung der Sachlage leitet die Kommission die vorhandenen Informationen wie die Art der Gefährdung, Informationen über das Produkt, Hersteller,
Chargennummer, Vertreiber, Vertriebswege u.ä. an die jeweils zuständigen
Stellen der anderen Mitgliedsstaaten weiter. Hierauf beginnt die Lebensmittelüberwachung mit der Kontrolle der nationalen Märkte und der eventuellen
Entfernung der gefährlichen Produkte von den Märkten. Es kommt im Rahmen
3.1 Lebensmittelüberwachung
3.13
dieser europaweiten Aktionen öfter vor, daß ein Produkt vor dem gewarnt
wird, auf dem nationalen Markt gar nicht vorgefunden wird.
Im Jahr 1997 wurden 67 Warnungen von der Kommission weitergeleitet. Davon waren 74% mikrobiologische Kontaminationen. Salmonellen und Listerien
waren die häufigsten Keime, die zu einer Gefährdung führten. Von den 18%
der Warnungen, die aufgrund von chemischen Kontaminationen erfolgten, lagen Mykotoxinkontaminationen (Schimmelpilzgifte) von Pistazien, Erdnüssen
und Gewürzen an erster Stelle, dann folgten Kontaminationen von Muscheln
und anderen Meeresfrüchten mit marinen Biotoxinen (Algentoxinen) sowie
weitere Kontaminanten.
Die am häufigsten beanstandeten Lebensmittel waren Fische, Muscheln,
Shrimps und Tintenfische, gefolgt von Obst und Gemüse sowie Gewürzen.
Aber auch Meldungen über Spielzeug aus ostasiatischen Produzentenländern
sowie verschiedene Kosmetika gehen immer wieder ein.
Im folgenden wird eine Übersicht über die Aktionen der letzten Jahre gegeben:
Nationale Aktionen 1996
Proben
ges.schädl. verdorben andere
Rohes Fleisch, getwistete Verpackung
Hygienebedingungen bei Verabreichung von Döner Kebab und Gyros
Rohmilch für die Abgabe an den Endverbraucher bestimmt
Pasteurisierte Vollmilch, Schulmilch
Haarshampoos, Badezusätze, Naturkosmetika
Stoffbilderbücher
Tierarzneimittelrückstände
391
0%
4,1%
14,1%
167
4,8%
11,3%
2,4%
343
266
0,3%
0%
7,0%
1,1%
7,9% )
3
13,6% )
498
19
131
0%
0%
0%
2,6%
0%
0%
26,3%
0%
0%
1)
2
1) 0,6%
Beanstandungen nach §20 LMG *) (Hygiene), 2) 2,6% Beanstandungen nach §20 LMG
(Hygiene), 3) 0,8% Beanstandungen nach §20 LMG (Hygiene),
*) §20 LMG 75 besagt: Wer Lebensmittel in Verkehr bringt, hat vorzusorgen, daß sie nicht
durch äußere Einwirkungen hygienisch nachteilig beeinflußt werden; d.h. gegen §20 verstößt
somit jeder, der die allgemein gebräuchlichen Grundsätze der Hygiene (zumutbare Reinlichkeit, zumutbare Vorkehrungen vor Verschmutzung des Lokals und der Ware u.ä.) verletzt.
Weitere Aktionen 1996:
• EU-Monitoring: Pestizide in Obst und Gemüse,
• EU-Monitoring: Nitrat in Spinat und Salat
• Koordiniertes Programm:
Benz(a)pyren in Erzeugnissen aus geräuchertem Schweinefleisch
Mikrobiologische Bewertung von getrocknetem und gereiftem verzehrsfertigen Fleisch und Fleischerzeugnissen
Migration von Weichmachern in Lebensmitteln
Temperatur gekühlter Lebensmittel zum Zeitpunkt des Verkaufs
• 29 Warnungen über das Schnellwarnsystem der EU.
3.14
Nationale Aktionen 1997
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Proben
Hygiene bei verpacktem rohen
Fleisch bei Selbstbedienung
388
Hygiene und Schwermetallbelastung
bei Wild
214
Hygiene bei Rohmilch im Rahmen
der Direktvermarktung
54
Hygiene bei abgefülltem Trinkwas- 20
ser
Eiswürfel aus der Gastronomie
250
Schankanlagenkontrollen, Bier, alkoholfreie Getränke
197
Frischobst und Gemüse
379
Zusammensetzung Kürbiskernöl
205
Mundpflegemittel auf Schwermetalle 108
Handcremen
91
ges.schädl. verdorben andere
1)
0,2%
3,6%
18,8%
0,9%
6,5%
18,1%
0%
0%
5,9%
0%
12,6%
10%
0%
24,8%
25,6%
0%
0%
0%
0%
12,2%
21,3%
2,4%
0%
13,6%
9,6%
5)
39,4%
14%
0%
2,2%
14,3%
2)
3)
4)
1)
6,4% Beanstandungen nach §20 LMG (Hygiene) 2) 3,5% Beanstandungen nach §20 LMG
3)
(Hygiene),
alles Beanstandungen nach §20 LMG (Hygiene), 4) 7,6% Beanstandungen nach
5)
§20 LMG (Hygiene),
1,9% der Proben waren verfälscht,
Weitere Aktionen 1997:
• EU-Monitoring: Pestizide in Obst und Gemüse
• EU-Monitoring: Nitrat in Spinat und Salat
• Nationales Monitoring: Pestizide in Obst und Gemüse
• Koordiniertes Programm:
Aflatoxine in Gewürzen (Pfeffer, Chili, Muskatnuß, Paprika)
Kontamination von Lebensmitteln für lebensmittelallergische oder extrem empfindliche Personen (Milcheiweiß, Lactose, Ei, Gluten)
• 67 Warnungen über das Schnellwarnsystem der EU.
Zusammenfassung
Die Lebensmittelkontrolle in Österreich dient dem Schutz des Verbrauchers vor
gesundheitlichen Gefahren und vor Täuschung. Rechtliche Grundlage ist das
Lebensmittelgesetz 1975. Dabei obliegen einerseits dem Bundeskanzleramt
und andererseits den Landeshauptmännern der jeweiligen Bundesländer die
Durchführung der Lebensmittelüberwachungsmaßnahmen. Vom Landeshauptmann eingesetzte Lebensmittelaufsichtsorgane ziehen Proben von Lebensmitteln, Verzehrprodukten, Zusatzstoffen, Kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenständen gemäß dem vom Ministerium jährlich erstellten Revisions- und Probenplan. Die Untersuchung der Proben erfolgt in staatlichen Untersuchungsanstalten.
Neben der routinemäßigen Probennahmetätigkeit erfordern EU-weite bzw. nationale Monitorprogramme spezielle Überwachungsaktionen. Warnungen vor
gesundheitsschädlichen Waren werden über das europaweite Schnellwarnsystem (rapid alert system) an die einzelnen Mitgliedsstaaten weitergegeben.
3.1 Lebensmittelüberwachung
3.15
Die in diesem Kapitel beschriebenen Daten wurden den Jahresberichten des
Bundeskanzleramts über die Lebensmittelkontrolle entnommen. Ergebnisse der
Betriebsrevisionen zeigen, daß die Beanstandungen auf hygienischem Gebiet
die Dienstleistungsbetriebe und kleineren Erzeuger, die ihre Produkte direkt im
Einzelhandel verkaufen, stärker betreffen als die großen Erzeugungsbetriebe.
Da geschulte Probennahmeorgane auch Verdachtsproben (z.B. Lebensmittel
mit dem augenscheinlichen Verdacht der Verdorbenheit) entnehmen, resultieren für einige Warengruppen und für bestimmte Beanstandungsgründe unter
Umständen etwas höhere Beanstandungsraten, als es bei einer rein zufälligen
Probennahme der Fall wäre.
Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen bei der Interpretation der Ergebnisse wurden im Jahr 1996 größere Anteile an gesundheitsschädlichen Proben bei Fleisch(-produkten), Fisch(-produkten), Meeresfrüchten, Eiern und vor
allem Geflügel(-produkten) gefunden, wobei das Risiko einer mikrobiellen Kontamination (z.B. durch Salmonellen) für den Konsumenten durch sachgemäße
Zubereitung minimiert werden kann. Bei Geflügel(-produkten) konnten in den
letzten Jahren Fortschritte erzielt werden. Bei Speiseeis ist die hygienische Situation schon sehr zufriedenstellend.
3.16
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Literatur:
1. Bericht über das Gesundheitswesen in Österreich. (Hrsg. 1994: Bundesministerium für
Gesundheit und Konsumentenschutz in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Statistischen Zentralamt). Die Berichte 1995 und 1996 sind dzt. noch nicht veröffentlicht.
2. Bundesgesetz vom 12. April 1967 über die Einführung von Qualitätsklassen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (Qualitätsklassengesetz). BGBl.Nr. 161/1967. (in der geltenden
Fassung nach den Änderungen BGBl.Nr. 468/1971, 519/1987, 557/1987, 382/1991,
904/1993 und 523/1995).
3. Bundesgesetz vom 23. Jänner 1975 über den Verkehr mit Lebensmitteln, Verzehrprodukten, Zusatzstoffen, kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenständen (Lebensmittelgesetz
1975 – LMG 1975). BGBl.Nr. 86/1975. (in der geltenden Fassung nach den Änderungen
BGBl.Nr. 381/1975, 31/1979, 444/1985, 10/1986, 78/1987, 226/1988, 756/1992,
761/1996, 762/1996 und I 63/1998).
4. Bundesgesetz vom 24. Oktober 1985 über den Verkehr mit Wein und Obstwein (Weingesetz 1985), über Änderungen des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl.Nr. 86/1975, und des
Bundesfinanzgesetzes 1985, BGBl.Nr. 1/1985. BGBl.Nr. 444/1985. (in der geltenden Fassung nach den Änderungen BGBl.Nr. 372/1986, 612/1986, 289/1987, 379/1987,
125/1988, 289/1988, 369/1991, 10/1992, 450/1992, 970/1993, 664/1994, 583/1995,
201/1996 und I 118/1998).
5. Richtlinie 89/397/EWG des Rates vom 14. Juni 1989 über die amtliche Lebensmittelüberwachung. Amtsblatt Nr. L 186 vom 30.6.1989, S.23-26.
6. Richtlinie 92/59/EWG des Rates vom 29. uni 1992 über die allgemeine Produktsicherheit.
Amtsblatt Nr. L 228 vom 11.8.1992, 24-32.
7. Verordnung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 25. Juli 1968 mit
der die örtliche Zuständigkeit von besonderen Bundesorganen nach dem Qualitätsklassengesetz festgelegt wird. BGBl.Nr. 317/1968.
8. Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 27. Mai 1980
über die Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung. BGBl.Nr. 231/1980.
9. Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 des Rates vom 24. Juni 1991 über den ökologischen
Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und
Lebensmittel. Amtsblatt Nr. L 198 vom 22.7. 1991, 1 – 15.
3.2 Trinkwasser
3.17
3.2 Trinkwasser2
3.2.1 Einleitung
Von Meer und Binnengewässern verdunstetes Wasser gelangt in die Atmosphäre und nimmt beim Durchgang durch die Atmosphäre verschiedene Gase, Aerosole und Staub auf. Es erreicht als Niederschlag wieder die Erde, wo es versickert - also zu Grundwasser wird - oder in Oberflächenwässer gelangt. Beim
Versickern im Boden werden weitere Stoffe gelöst, welche die Eigenschaften
des Wassers wie z.B. die Gesamthärte bestimmen. Im Boden finden aber auch
Selbstreinigungsvorgänge statt: Die oberste, gut durchlüftete Bodenschicht
weist reichlich Lebewesen wie Bakterien, Pilze, Algen und Protozoen auf. Diese "Stoffwechselspezialisten" nehmen vielfach Schadstoffe auf, Krankheitserreger werden durch antagonistische Einflüsse inaktiviert. Mit zunehmender Tiefe
sinkt die Besiedlung des Bodens rasch, in etwa 6 Metern Tiefe ist der Boden
nahezu keimfrei.
3.2.2 Trinkwasser in Österreich
Trinkwasser kann aus Grundwasser, Oberflächenwasser, Niederschlagswasser
und Meerwasser gewonnen werden. In Österreich stammen 98% des Trinkwassers aus Grundwasser (davon fast 50% Quellwasser), 2% werden aus Oberflächenwässern gewonnen. Vergleicht man diese Werte mit denen anderer Länder, so befindet sich Österreich in einer bevorzugten Situation.
Neben den Porengrundwasservorkommen sind für die österreichische Wasserversorgung vor allem Karst- und Kluftgrundwasservorkommen mit ihren Quellen von besonderer Bedeutung, da diese zumeist große Ergiebigkeit aufweisen.
Etwa die Hälfte der österreichischen Bevölkerung wird mit Karst- und Kluftgrundwasser, das vor allem alpinen Bereichen entstammt, versorgt.
Grundwassergüteuntersuchungen werden in allen Bundesländern nach einheitlichen Methoden und Untersuchungsumfang auf Basis der WassergüteErhebungsverordnung (WGEV) im Auftrag des Bundesministeriums für Landund Forstwirtschaft und der Bundesländer durchgeführt. In der Grundwasserschwellenwert-Verordnung sind die Schwellenwerte für Grundwasserinhaltsstoffe sowie die Verfahren und Methodenvorschriften für deren Analyse in
Form von DIN und ÖNORMEN verankert.
Eine Reihe von Institutionen und Sachverständigen überprüfen periodisch die
mikrobiologisch-chemische Qualität des Grundwassers. Die zentrale Erfassung
dieser Werte wird jedoch nicht lückenlos durchgeführt. Einige wenige Stellen
wie z.B. das Umweltbundesamt (http://www.ubavie.gv.at/) oder der Magistrat
---------------------------------------------------------------------2
Univ. Prof. Dr. M. Manafi, Hygiene Institut der Universität Wien, unter Mitwirkung von Hofrat Dr. R. Mecl, Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und Forschung, Wien.
3.18
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
der Stadt Wien (http://www.magwien.gv.at/ma31) untersuchen regelmäßig
gleiche Meßstellen und veröffentlichen diese Werte. Auch einige Wasserwerke
(z.B. Niederösterreichische Siedlungswasserbau GesmbH, NÖSIWAG) bemühen sich, die Meßergebnisse ihrer Wasseruntersuchungen der Öffentlichkeit
zur Verfügung zu stellen. Diese Meßergebnisse sind vor allem chemische Parameter wie Nitrat- oder Atrazinwerte. Ergebnisse bakteriologischer Untersuchungen werden kaum registriert, die Untersuchungsanstalten stellen diese
Werte nur dem Auftraggeber bzw. bei Gefährdung der Abnehmer auch den
Behörden zur Verfügung. Sie sind Momentaufnahmen und werden durch Umwelteinflüsse leicht beeinträchtigt. Ferner ist zu bemerken, daß Privatpersonen,
die ihr Brunnenwasser nur für den eigenen Bedarf nutzen, nicht zur Trinkwasseruntersuchung verpflichtet sind. Sehr oft werden Trinkwasseruntersuchungen
nur dann durchgeführt, wenn die Behörde einen Wasserbefund verlangt.
Wie oft das Wasser untersucht werden muß, ist in der Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales über die „Qualität von
Wasser für den menschlichen Gebrauch“ vom 23. Juli 1998 geregelt (BGBl.Nr.
235/1998): Versorgt ein Wasserwerk bis zu 5.000 Menschen, muß einmal jährlich eine Wasseruntersuchung durchgeführt werden. Bei bis zu 10.000 Verbrauchern pro Wasserwerk sind die Überprüfungen zweimal jährlich vorgeschrieben, bis 50.000 Menschen viermal jährlich und bis 100.000 Menschen
sechsmal jährlich. Werden mehr als 100.000 Menschen mit Wasser versorgt,
muß das Wasser monatlich untersucht werden.
3.2.3 Wasserverbrauch
In Österreich beträgt der häusliche Wasserverbrauch pro Kopf und Tag 140 bis
150 Liter. Nur 3 - 4 Liter pro Tag und Person werden tatsächlich für Trinkzwecke verwendet (Tab. 3.2.1). Der Wasserverbrauch der Industrie beträgt
1.500 Mio. bis 1.700 Mio. m3 pro Jahr. Der Bedarf für Bewässerungszwecke in
der Landwirtschaft dürfte etwa 100 bis 200 Mio. m3 pro Jahr betragen. Der gesamte Wasserbedarf in Österreich beträgt somit etwa 2,6 Mrd. m3/Jahr.
Tab. 3.2.1: Täglicher Wasserverbrauch in Österreich
Trinken, Kochen
Autowaschen
Gartenbewässerung
Geschirrspülen
Körperpflege
Wäschewaschen
Baden, Duschen
Toilettenspülung
etwa
etwa
etwa
etwa
etwa
etwa
etwa
etwa
3 Liter
3 Liter
6 Liter
6 Liter
9 Liter
18 Liter
43 Liter
48 Liter
Großstädten stehen fast zu 100% Grund- und Quellwasser zur Verfügung.
Durch insgesamt rund 6.000 zum Teil überregionale Wasserversorgungsanla-
3.2 Trinkwasser
3.19
gen werden ca. 85% der österreichischen Bevölkerung zentral mit Trinkwasser
versorgt. Bedingt durch die Streulage sind im Westen weniger, im Osten mehr
Einwohner angeschlossen.
3.2.4 Anforderungen an die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch
Entsprechend der Verordnung 235/1998 wird Wasser als „Wasser für den
menschlichen Gebrauch“ bezeichnet, wenn es in ursprünglichem Zustand oder
nach Aufbereitung geeignet ist, nach dem Lebensmittelgesetz 1975 in Verkehr
gebracht und von Menschen ohne Gefährdung ihrer Gesundheit genossen zu
werden. Um diese Wasserbeschaffenheit einhalten zu können, wurden Hygiene-Richtlinien festgesetzt. Für die Feststellung, ob ein Wasser für Trinkzwecke
geeignet ist, muß neben dem Lokalaugenschein eine mikrobiologische, chemische und physikalische Überprüfung des Wassers, nötigenfalls eine biologische
und mikroskopische Untersuchung sowie eine Radioaktivitätsmessung durchgeführt werden. Beim Lokalaugenschein werden die Herkunft des Wassers, der
baulich-technische Zustand der Wassergewinnungs- und Förderungsanlagen,
mögliche Kontaminationsquellen sowie Schutz- und Schongebiete berücksichtigt. Die Verhütung von Seuchen steht im Vordergrund der Wasserhygiene,
allerdings nehmen heute durch die starke Belastung der Umwelt mit Schadstoffen die chemischen Kontaminanten an Bedeutung zu. Letztere stammen im
wesentlichen aus Industrie- und Gewerbe-Emissionen, können aber auch durch
Unachtsamkeit oder Unfälle ins Wasser gelangen. Von Unfällen abgesehen,
kommt der akuten Toxizität eine relativ geringe Bedeutung zu, die Gefahren
einer chronischen Toxizität überwiegen.
Die genannte Verordnung gibt zulässige Höchstkonzentrationen (ZHK) und
Richtzahlen (RZ) für die Beurteilung der Wasserbeschaffenheit an. Zulässige
Höchstkonzentrationen von Parametern im Wasser sind die oberen Begrenzungen der Mengen an Inhaltsstoffen, Mikroorganismen sowie von Strahlenaktivitäten, die nicht überschritten werden dürfen. Natürliche Inhaltsstoffe sind,
auch wenn sie weit unter ihren zulässigen Höchstkonzentrationen liegen,
durch geeignete Maßnahmen vor unerwünschten Veränderungen zu schützen.
Bei Einhaltung dieser zulässigen Höchstkonzentrationen ist nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft zu erwarten, daß auch bei lebenslangem Genuß
des Wassers keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen auftreten. Richtzahlen sind Begrenzungen von Gehalten an Inhaltsstoffen, Mikroorganismen und Strahlenaktivitäten, die nach dem jeweiligen Stand
der Wissenschaft bei zeitlich unbegrenztem Gebrauch als für die Gesundheit
des Menschen unbedenklich gelten, bei deren Überschreitung aber entsprechende Maßnahmen erforderlich sind. Routinemäßig werden einige chemische
und physikalische Parameter überprüft, die eine orientierende hygienische Beurteilung des Wassers ermöglichen. An dieser Stelle soll auf die Notwendigkeit
3.20
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
der fachgerechten Probenentnahme, der geeigneten Probengefäße (mit allenfalls notwendiger Vorbehandlung), eventuell erforderlicher Konservierung der
Proben und Bestimmungen vor Ort sowie auf einwandfreien Probentransport
hingewiesen werden, da dies die Voraussetzungen für eine sinnvolle chemischbakteriologische Untersuchung sind.
3.2.5 Rechtliche Situation
3.2.5.1 Rechtsgrundlagen der Trinkwasserkontrolle in Österreich
Wasserrechtsgesetz (WRG): Das geltende Wasserrechtsgesetz stammt aus dem Jahr
1934, wurde nach einer umfangreichen Novellierung in den späten 50er Jahren als
Wasserrechtsgesetz 1959 im Bundesgesetzblatt (BGBl.Nr. 1959/215) wiederverlautbart, mehrmals novelliert und verschärft (1969, 1970, 1974, 1983, 1985, 1988,
1990, 1992, 1993, 1996, 1997). Jede Nutzung des Grundwassers bedarf einer
wasserrechtlichen Bewilligung, ausgenommen die Nutzung durch einen Grundeigentümer für den notwendigen Haus- und Wirtschaftsbedarf (§ 10, Abs. 1 WRG).
Das Wasserrecht umfaßt die Regelung der Voraussetzungen für die Bewilligung
und den Betrieb von Wasserversorgungsanlagen, nicht jedoch die Regelung über
die Abgabe des Wassers an den Letztverbraucher (Krasel et al. 1993).
Epidemiegesetz: Das Epidemiegesetz 1950 sieht in § 10 Abs. 2 vor, daß bei Auftreten bestimmter Krankheiten die Benützung von Quellen, Brunnen, Wasserleitungen, Bächen, Teichen und anderen Gewässern beschränkt bzw. untersagt werden
kann.
Lebensmittelgesetz (LMG): Im § 20 des LMG 1975 ist festgelegt, ”wer Lebensmittel in Verkehr bringt, hat vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkungen hygienisch nachteilig beeinflußt werden”. Die Eigenversorgung mit
Trinkwasser wird aber vom Lebensmittelgesetz nicht erfaßt. Die amtliche
Überwachung des Trinkwassers obliegt dem Landeshauptmann.
Verordnung BGBl.Nr. 235/1998 über die „Qualität von Wasser für den
menschlichen Gebrauch“: Sie wurde aufgrund des LMG verordnet, um die EGRichtlinie 80/778/EWG (s.u.) in nationales Recht umzusetzen.
Trinkwasser-Nitratverordnung: Die Trinkwasser-Nitratverordnung, welche aufgrund des § 10 Abs. 1 LMG 1975, BGBl.Nr. 86, erlassen und im BGBl.Nr.
557/1989 kundgemacht wurde, sowie die Novellen BGBl.Nr. 287/1996 und
714/1996 verbieten das in Verkehr bringen von Trinkwasser bei Überschreiten
der zulässigen Höchstkonzentration (50 mg Nitrat pro Liter). Der Richtwert
liegt bei 25 mg Nitrat pro Liter Trinkwasser, der nicht überschritten werden
soll, anderenfalls sind zumindest vierteljährliche Untersuchungen des Trinkwassers auf dessen Nitratgehalt durchzuführen.
Die WHO Guidelines for Drinking-Water Quality (1993) behalten die bisherige
zulässige Höchstkonzentration von 50 mg/l Nitrat bei – unter Berücksichtigung
des Nitritwertes (”100% Regel”). Die derzeit gültige Richtlinie des Rates der EG
(vom 15. Juli 1980) über die Qualität von Wasser für den menschlichen Ge-
3.2 Trinkwasser
3.21
brauch (80/778/EWG) sieht ebenso wie der derzeit in Ausarbeitung befindliche
Änderungsvorschlag dieser Richtlinie der EG-Kommission eine zulässige
Höchstkonzentration von 50 mg/l Nitrat vor.
Trinkwasser- Pestizidverordnung (BGBl.Nr. 448/1991): Nach dieser Verordnung ist es verboten, Trinkwasser in Verkehr zu bringen, das einen höheren
Gehalt an Pestiziden aufweist, als in dieser Verordnung angegeben wurde (0,1
µg/l).
Trinkwasser-Ausnahmeverordnung (BGBl.Nr. 384/1993, novelliert BGBl.Nr.
287/1996): Diese Verordnung gibt dem Landeshauptmann die Möglichkeit über Antrag des Trinkwasserversorgers - die Anwendung des Grenzwertes für
Pestizide auszusetzen (begrenzt auf höchstens vier Jahre).
Österreichisches Lebensmittelbuch (ÖLMB), Codex- Kapitel B1 - Trinkwasser:
Dieses Kapitel wurde 1989 neu erarbeitet und im Jahre 1993 an die Bestimmungen der EG angeglichen. In diesem Kapitel finden sich Hygienerichtlinien
und Begriffsbestimmungen für die Überprüfung des Trinkwassers einschließlich
der Richtzahlen und zulässigen Höchstkonzentrationen für seuchenhygienische, chemische, physikalische, mikroskopische, biologische und radiochemische Parameter sowie Beurteilungskriterien.
ÖNORMEN und andere Richtlinien: Auch verschiedene ÖNORMEN und
Richtlinien der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach
(ÖVGW) sowie Publikationen des Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverbandes (ÖWAV) behandeln die Qualität des Trinkwassers. Diese sind
an sich aber nicht rechtsverbindlich (Krasel et al. 1993).
3.2.5.2 Gesetzliche Regelungen über das Trinkwasser in der EU
Es gelten in der EU verschiedene "Richtlinien des Rates", die den Bereich
Trinkwasser betreffen:
EG-Richtlinie vom 15. Juli 1980 über die Qualität von "Wasser für den
menschlichen Gebrauch" (80/778/EWG vom 15. Juli 1980) - umgesetzt in der
Verordnung BGBl.Nr. 235/1998 (s.o.).
EG-Richtlinie vom 16. Juni 1975 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten
(75/440/EWG) – umgesetzt in der Oberflächen-Trinkwasserverordnung
(BGBl.Nr. 359/1995)3.
Richtlinie des Rates vom 17. Dezember 1979 über den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe (80/68/EWG,
ABI EG vom 26. Januar 1980 Nr. L 20/43-48).
---------------------------------------------------------------------3
In Österreich kaum von Bedeutung, da der Oberflächenwasseranteil an der Trinkwassergewinnung sehr gering ist.
3.22
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
3.2.6 Trinkwasser-Kontamination
3.2.6.1 Mikrobiologie des Trinkwassers
Bei der Übertragung pathogener Mikroorganismen kommt dem Wasser wegen
seiner weiten Verbreitung und Nutzung eine besonders große Bedeutung zu.
Diese Organismen gelangen entweder direkt durch tierische und menschliche
Ausscheidungen oder indirekt über das Abwasser in Trink- und Badewässer. Je
nach Art der Ausscheider können eine Vielzahl von Bakterien, Viren oder Parasiten übertragen werden (water-borne diseases). Die "klassischen" bakteriellen
Erreger von Trinkwasserepidemien sind Salmonellen, Shigellen, Vibrio cholerae, Enterotoxin-bildende E.coli-Stämme, Yersinia enterocolitica und in den
letzten Jahren auch thermophile Campylobacter. Neben den genannten Bakterien können auch andere Bakterienarten, die ihren natürlichen Standort in der
Umwelt haben, Erkrankungen hervorrufen, wenn sie mit dem Wasser in großer
Zahl übertragen werden. Sie werden als sogenannte "opportunistic pathogenes"
bezeichnet (Enterobacter, Serratia, Klebsiella, Aeromonaden, Acinetobacter,
Pseudomonaden und Flavobakterien). Wasser, das mit den genannten Bakterien kontaminiert ist, kann beim Trinken oder Baden verschiedene Erkrankungen
- v.a. bei resistenzgeschwächten Personen – hervorrufen (Tab. 3.2.2).
Epidemiologischen Daten zufolge sind die "klassischen" Trinkwasserepidemien
wie Typhus, Ruhr und Cholera aufgrund von Sanierungsmaßnahmen, Verbesserungen bei der Trinkwasseraufbereitung und Desinfektion, durch den Bau
von Kläranlagen sowie durch eine bessere Überwachung der Wasserqualität in
den industrialisierten Staaten stark zurückgegangen.
3.2 Trinkwasser
3.23
Tabelle 3.2.2: Wichtigste durch Trinkwasser auf den Menschen übertragbare
Erreger
Krankheit
Bakterielle Erkrankungen
Typhus
Paratyphus
Enteritis
Traveller's disease, Säuglings-Enteritis
Bakterienruhr
Cholera
Eiterungen
Legionellose
Virale Erkrankungen
Enterovirosen
Hepatitis
Gastroenteritis
Parasitäre Erkrankungen
Amoebiasis
Giardiasis
Kryptosporidiose
Erreger
Salmonella typhi
Salmonella paratyphi A,B,C
Y. enterocolitica, C. jejuni
E.coli (verschiedene Serotypen)
Shigella sp.
Vibrio cholerae
Pseudomonas aeruginosa
Legionella sp.
Poliomyelitis-Viren
Coxsackie-Viren
Echo-Viren
Hepatitis-A-Virus
Hepatitis-E-Virus
Rota-Viren, Adeno-Viren, CoronaViren, Astro-Viren, Norwalk-Viren,
Calici-Viren
Entamoeba histolytica (Amoebenruhr)
Giardia lamblia
Kryptosporidium sp.
Da die Nachweismethoden für pathogene Mikroorganismen, v.a. für Viren,
sehr langwierig sind, werden diese Organismen in der Trinkwasserhygiene
nicht geprüft. Die Nachweismethoden für pathogene Mikroorganismen werden
primär nur dort angewandt, wo die Ursachen einer Epidemie abzuklären sind
oder ein besonderer Verdacht besteht.
Deshalb wird bei Routineuntersuchungen nur die Verseuchbarkeit eines
Trinkwassers geprüft, d.h. ob Fäkalkontamination möglich ist. Dazu wird
Trinkwasser auf Indikatorbakterien für Fäkalverunreinigung (und eventuell pathogene Mikroorganismen) - Darmbakterien, die ständig und in großer Zahl im
Stuhl ausgeschieden werden - untersucht. Als klassische Indikatorkeime dienen
E. coli, coliforme Bakterien, Enterokokken, sulfitreduzierende Clostridien und
P. aeruginosa.
Bei der Überprüfung des Trinkwassers auf Viren und Parasiten hingegen muß
ein Fehlen von Indikatorbakterien nicht unbedingt bedeuten, daß keine Viren
und Parasiten vorhanden sind. Dabei soll erwähnt werden, daß eben diese Mikroorganismen in den letzten Jahren die häufigste Ursache der wasserbedingten
Erkrankungen in den USA und Kanada darstellten. Viren und Parasiten werden
in österreichischen Trinkwässern kaum untersucht.
3.24
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Aus diesen Gründen werden die klassischen Indikatoren sehr oft hinterfragt
und Alternativ-Indikatoren wie Bacteroides sp. bzw. Clostridium perfringens
vorgeschlagen (OECD1998).
Ist das Trinkwasser mikrobiologisch nicht einwandfrei, muß es desinfiziert werden. Bei der Desinfektion von Trinkwasser müssen gezielt Krankheitserreger
abgetötet werden. Auch desinfiziertes Trinkwasser ist nicht steril; Sporen beispielsweise können eine Desinfektion überleben. Parasiten sind mit den üblichen Verfahren nicht abzutöten, sie müssen vor der Desinfektion mechanisch,
z.B. durch Flockung und Filtration, entfernt werden.
Für die Trinkwasserdesinfektion sind in Österreich die Verfahren der Chlorung,
die Behandlung mit Chlordioxid, die Ozonung und die UV-Bestrahlung zulässig. In Notsituationen kann Trinkwasser durch Abkochen desinfiziert werden.
Chlor als Chlorlauge, Chlorgas oder feste Chlorverbindung ist ein ausgezeichnetes, hochwirksames und relativ billiges Desinfektionsmittel. Organische Wasserinhaltsstoffe können Chlor zehren, man unterscheidet deshalb bei der Bestimmung das freie Chlor vom gebundenen Chlor. Eine Einwirkzeit von zumindest einer halben Stunde ist erforderlich. Ein weiterer Vorteil von Chlor ist, daß
es auch im Leitungsnetz gegen Wiederverkeimung wirkt (Depotwirkung). Ein
Nachteil von Chlor (nicht bei Chlordioxid) ist die mögliche Bildung von leichtflüchtigen halogenierten aliphatischen Kohlenwasserstoffen (HKW) in Anwesenheit von organischen Substanzen. Durch die gute Desinfektionswirkung
gegen Bakterien und Viren und die Depotwirkung ist die Chlorung vor allem in
Notsituationen (Hochwasser, Rohrbrüche) trotz Geruchsbelästigung besonders
ratsam.
Ozon ist ebenfalls ein ausgezeichnetes Desinfektionsmittel, es wird durch Oxidation von Luftsauerstoff erzeugt. Ozon beeinflußt den Geruch und den Geschmack von Wässern günstig, da es organische Substanzen, wie z.B. Huminstoffe, abbaut. Ozon hat wenig Depotwirkung, dadurch kann es in den Rohrleitungen zu Verkeimungen kommen. Ozon benötigt ebenfalls eine Einwirkzeit
(nach 4 Minuten Restkonzentration von 0,1 mg/l, bei Abgabe an den Verbraucher nur maximal 0,05 mg/l).
UV-Strahlen mit einer Wellenlänge von 254 nm sind eine relativ kostengünstige und einfach anzuwendende Desinfektionsmethode. Wichtig ist die Dimensionierung der Anlage, die von der UV-Durchlässigkeit des Wassers und von
der zu desinfizierenden Durchflußmenge abhängig ist. Die UV-Durchlässigkeit
des Wassers ist abhängig von der Menge UV-absorbierender Stoffe im Wasser,
z.B. Huminstoffe. Die Desinfektion des Wassers erfolgt beim Durchströmen der
Anlage, eine Depotwirkung ist nicht vorhanden.
3.2.6.2 Chemische Schadstoffe im Wasser
Blei im Trinkwasser stammt meist aus alten bleihaltigen Rohrleitungen und
Armaturen (z.B. in alten Wohnbauten). Die Belastung von Oberflächengewäs-
3.2 Trinkwasser
3.25
sern ergibt sich vor allem durch kommunale und industrielle Abwässer, die in
Flüsse und Seen eingeleitet werden. Hauptquellen der Bleikontamination in
der Umwelt sind Fahrzeugabgase aus verbleitem Benzin, Bleistabilisatoren in
Kunststoffrohren, weiters die Verbrennung fossiler Brennstoffe und industrielle
Emissionen. Blei ist stark toxisch, da es zur Blutbildung benötigte Enzyme
hemmt. Magenerkrankungen, Nierenstörungen, Kopfschmerzen, Hautblässe,
Anämie und Müdigkeit sind Folgen einer chronischen Bleiaufnahme. Die Bleibelastung des menschlichen Organismus über Nahrungsmittel und vor allem
über Atemluft (insbesondere in der Stadt) spielt jedoch eine bedeutendere Rolle
als die durch Wasser.
Im allgemeinen werden Bleigehalte >20 µg/l im Wasser (ohne Stagnation im
Leitungsrohr) selten gefunden. In geogen und anthropogen unbelasteten Oberflächengewässern liegt der Bleigehalt < 3 µg/l. Die zulässige Höchstkonzentration im Trinkwasser beträgt 50 µg/l. Nach Ansicht der EU-Kommission betrifft
die wichtigste Änderung der Richtlinie die Herabsetzung der höchstzulässigen
Konzentration von Blei im Trinkwasser von 50 µg/l auf 10 µg/l. Diese Änderung, die in Einklang mit den jüngsten Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO 1993) steht, wird in erster Linie zum Schutz von Säuglingen,
Kleinkindern und Schwangeren vor den neurotoxischen Wirkungen von Blei
eingeführt.
Cadmium wird unter anderem in Korrosionsschutzmitteln, Farbstoffen und Batterien verwendet. Auch durch Zigarettenrauch wird die Umwelt mit CadmiumEmissionen belastet. Die Speicherung im Körper erfolgt vor allem in der Niere,
der Leber und der Plazenta. Durch die orale Aufnahme hoher Dosen treten
Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen auf. Die bekannte Knochenkrankheit
Itai-Itai ist die Spätfolge einer toxischen Cadmiumwirkung. Hauptquellen der
Cadmiumkontamination für den Menschen sind Nahrungsmittel (vor allem Austern, Tierlebern und –nieren). Die zulässige Höchstkonzentration im „Wasser
für den menschlichen Gebrauch“ darf 5 µg/l nicht überschreiten. Nach der
WHO-Empfehlung sind aber nur 3 µg/l im Trinkwasser zulässig.
Quecksilber: Das in der Natur weit verbreitete, jedoch nur in geringen Konzentrationen vorkommende Quecksilber wird vielfältig verwendet, in der chemisch-pharmazeutischen Industrie, der Papier-, Farben- und Elektroindustrie
sowie in der Landwirtschaft als Saatbeizmittel. Hohe Gehalte wurden vor allem
bei Fischen und Wildpilzen festgestellt. Folgen chronisch erhöhter Quecksilberaufnahme sind u.a. Kribbeln der Haut, Konzentrationsschwierigkeiten, Störungen der Bewegungskoordination, Tremor und Spastizität. 1963 wurde
Quecksilber erstmals als Verursacher der Minamata-Krankheit von japanischen
Forschern erkannt. Die Quecksilberaufnahme durch den Körper ist von der
chemischen Form des Metalls abhängig. Durch orale Aufnahme wird die methylierte Form bis zu 95%, anorganische Salze bis zu 15% und metallisches
Quecksilber nur bis zu 0,01% vom Organismus resorbiert. Quecksilberdampf
wird hingegen fast vollständig aufgenommen. Wie bei Cadmium erfolgt die
3.26
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Quecksilberaufnahme hauptsächlich durch Lebensmittel. Die zulässige
Höchstkonzentration im „Wasser für den menschlichen Gebrauch“ darf 1 µg/l
nicht überschreiten.
Chrom: Biologisch aktiv ist nur 3-wertiges Chrom, das eine wichtige Rolle im
Kohlenhydrat-Metabolismus spielt, 6-wertiges Chrom kann jedoch in kleinen
Mengen im Magen zu 3-wertigem Chrom reduziert werden. Schwerer Chrommangel kann über verminderte Glucosetoleranz und Hyperglykämie zu Diabetes und möglicherweise zu Arteriosklerose führen. Toxikologisch bedeutsam ist
6-wertiges Chrom, da stark erhöhte Aufnahme Verätzungen, Geschwüre und
Lungenkrebs zur Folge haben kann. Chromverbindungen im Wasser stammen
hauptsächlich aus Abwässern der metallverarbeitenden Industrie, ferner aus
Gerbereien, Druckereien und Galvanikbetrieben. Die zulässige Höchstkonzentration im „Wasser für den menschlichen Gebrauch“ beträgt 50 µg/l.
Arsen: Einige organische Arsenverbindungen wie z.B. Arsenocholin, Arsenobetain oder Dimethylarsinsäure sind wahrscheinlich biochemisch und physiologisch von Bedeutung, ihre Essentialität ist aber noch nicht eindeutig definiert.
Arsenige Säure sowie Arsenik und Arsenate (III) sind hochgiftig. Sie führen zu
schweren Gewebeschädigungen, Knochenmarksschädigungen, sekundärer Anämie und Leberzirrhose. Die chronische Aufnahme von Arsen ist krebsfördernd. Erhöhte Arsengehalte im Wasser können geologischen Ursprungs sein.
Häufiger ist aber die Verunreinigung des Grund- und Oberflächenwassers
durch Abwässer aus Gerbereien, Metallindustriebetrieben und Mülldeponien.
Die zulässige Höchstkonzentration im „Wasser für den menschlichen Gebrauch“ beträgt 50 µg/l.
Selen: Die Wirkung dieses Metalls ist zwiespältig, in geringen Mengen (ppbBereich) ist es ein essentielles Spurenelement und lateraler Bestandteil der
Glutathion-Peroxidase. Es setzt in dieser Funktion als Antioxidans die Wirksamkeit krebserregender Stoffe herab und steigert die Funktion des Immunsystems. Selengaben wirken einer Toxizität von Cadmium, Quecksilber oder Silber entgegen. In hohen Dosen (etwa 10 mg/l) kann Selen jedoch zu schweren
Gesundheitsschäden wie Leberzirrhose, Herzmuskelschwäche und Polyneuropathien führen sowie selbst kanzerogen wirken. Selen kommt in der Natur in
geringen Konzentrationen, jedoch mit sehr großer regionaler Schwankungsbreite vor, vor allem als Begleiter des elementaren Schwefels. Anthropogen wird es
bei der Öl- und Kohleverbrennung in der Elektro- und Papierindustrie freigesetzt und gelangt über Niederschläge in Oberflächen- und Grundwasser. Die
zulässige Höchstkonzentration im „Wasser für den menschlichen Gebrauch“
beträgt 10 µg/l.
Zink ist ein essentielles Spurenelement, dessen Mangel zu Hautveränderungen,
Störungen des Körperwachstums und im Hormonhaushalt sowie zu Funktionsstörungen der Metalloenzyme führt. Abwässer von metallverarbeitenden Betrieben und Druckereien sowie verzinkte Trinkwasserleitungen und Behälter
sind Kontaminationsquellen für Wasser. Zink aus dem Abrieb von Autoreifen
3.2 Trinkwasser
3.27
ist bisher noch kaum Beachtung geschenkt worden, obwohl dadurch hohe
Mengen an Zink freigesetzt werden, die über Niederschläge in Oberflächenund Grundwasser gelangen können. Die Richtzahl im „Wasser für den menschlichen Gebrauch“ beträgt 0,1 mg/l beim geförderten Wasser (bei Austritt aus
Pump- und Aufbereitungsanlagen, vor Kontakt mit Leitungsrohren) bzw. 5 mg/l
bei Verwendung von Zink in Hausinstallationen nach 12 Stunden Stagnation.
Aluminium kommt in der Natur sehr häufig vor und wird nicht als lebensnotwendig erachtet. Für den Menschen ist Aluminium im allgemeinen nicht toxisch, bei chronisch stark erhöhter Aluminiumaufnahme oder –speicherung
können irreversible Gewebsveränderungen auftreten, auf Fische und Pflanzen
kann es letal wirken. Die zulässige Höchstkonzentration im „Wasser für den
menschlichen Gebrauch“ beträgt 0,2 mg/l.
Die für den menschlichen Organismus essentiellen Elemente Eisen und Mangan bewirken im Trinkwasser bei höheren Konzentrationen unter Einfluß des
Luftsauerstoffes Trübungen, Verfärbungen und Bodensatzbildung. Sie können
durch das Wachstum von eisen- und manganhaltigen Bakterien indirekt Probleme verursachen. Die zulässigen Höchstkonzentrationen im „Wasser für den
menschlichen Gebrauch“ betragen für Eisen 0,2 mg/l und für Mangan
0,05 mg/l.
Kupfer kommt in natürlichen Wassern praktisch nicht vor. Es ist Bestandteil
bzw. Cofaktor zahlreicher Enzyme des menschlichen Stoffwechsels. Im Trinkwasser festgestellte Kupferkonzentrationen stammen meist aus dem Leitungsnetz, wo je nach Wasserbeschaffenheit und besonders nach Stagnation des
Wassers Kupferkorrosion auftreten kann. Die Richtzahl beträgt 0,1 mg/l für das
geförderte Wasser (am Ursprung, s. Zink) bzw. 2 mg/l als zulässige Höchstkonzentration. Auch die WHO schlägt einen Grenzwert von 2 mg/l vor, da bei
chronisch toxischer Zufuhr Verdacht auf Leberschädigung bei Säuglingen besteht.
Ammonium wird als Zwischenprodukt beim Abbau stickstoffhaltiger organischer Substanzen gebildet und kann daher auch aus Exkrementen menschlichen oder tierischen Ursprungs stammen. In oberflächennahen, sauerstoffhaltigen Grundwässern sind Ammoniumgehalte über 0,2 mg/l meist ein Hinweis
auf anthropogene Verunreinigungen. Die zulässige Höchstkonzentration für
Ammonium liegt bei 0,5 mg/l, wobei geogen bedingte Überschreitungen bis
5 mg/l zugelassen sind. Sauerstoffarme, mikrobiologisch einwandfreie Grundwässer (z.B. Tiefenwässer) können höhere Ammoniumgehalte aufweisen. Beim
Auftreten von Ammonium in Trinkwasser muß dessen Ursprung fachlich beurteilt werden (unter Berücksichtigung anderer Analysenparameter wie z.B. Sauerstoffgehalt und des Ortsbefundes) und ist nicht in jedem Fall ein Hinweis auf
organische Verunreinigung. Ammonium kann vielmehr durch reduktive Vorgänge im sauerstofffreien Grundwasser aus Nitrat gebildet werden. Allerdings
kann bei Luftzutritt und durch gewisse Bakterien aus Ammonium wieder Nitrit
entstehen. Ammonium stört die Desinfektion mit Chlor (Chloraminbildung und
3.28
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
ev. erneuter Abbau zu Nitrit), sodaß in solchen Fällen diese Verfahren der
Chlorung nicht angewendet werden sollen.
Sulfat ist in reinem Grundwasser meistens unter 50 mg/l enthalten. Anthropogen bedingt können höhere Gehalte im Wasser durch Düngung, Industrieabwässer, Deponiesickerwässer und Emissionen des Verkehrs (Rauchgase) verursacht werden. Die zulässige Höchstkonzentration beträgt für Sulfat 250 mg/l,
wobei geogen bedingte Überschreitungen bis 750 mg/l zugelassen sind. Sulfatkonzentrationen über 1.000 mg/l werden als bedenklich eingestuft. Ab
250 mg/l Sulfat können Magen- und Darmstörungen (laxierende Wirkung) auftreten, die allerdings zurückgehen, wenn sich der Körper an die erhöhte Sulfatzufuhr gewöhnt hat.
Chlorid ist in jedem natürlichen Wasser mit etwa 10 - 40 mg/l enthalten. Anthropogen bedingte höhere Chloridwerte im Grundwasser wurden bis 300 mg/l
gemessen. Chlorid wird im Boden kaum zurückgehalten. Verunreinigte Wässer
haben immer einen erhöhten Chloridgehalt. Geringe Chloridkonzentrationen
im Wasser sind gesundheitlich unbedenklich, da in der übrigen Nahrung bedeutend mehr Chlorid vorkommt als in ”gutem” Wasser. Je nach übriger Zusammensetzung des Wassers tritt bei einem Wert von > 100 mg/l Chlorid ein
salzartiger Geschmack auf. Die Grenze der Genußtauglichkeit liegt bei
400 mg/l, entsprechend etwa 660 mg/l gelöstem NaCl. Im Organismus dient
Chlorid als Gegenion für Natrium und bewirkt den osmotischen Druck der extrazellulären Flüssigkeit. Eine spezifische Wirkung übt es bei der Sekretion des
Magensaftes aus. Die Richtzahl für Chlorid im „Wasser für den menschlichen
Gebrauch“ liegt bei 25 mg/l, wobei geogen oder aufbereitungstechnisch bedingte Überschreitungen bis zu 200 mg/l zulässig sind.
Fluorid: Im Grundwasser liegen die Konzentrationen an Fluorid in der Regel
< 0,5 mg/l. Fluor vermindert die Löslichkeit des Zahnschmelzes oder hemmt
die Säurebildung am Zahn durch Verminderung bakterieller Enzymtätigkeit im
Zahnbelag und hat deshalb Bedeutung in der Kariesprophylaxe. Zahnkaries
wird hingegen nicht durch Fluormangel ausgelöst, sondern ist ein Folgezustand
falscher Ernährung (Elmadfa und Leitzmann 1990). In der Verordnung
235/1998 wird die zulässige Höchstkonzentration an Fluor mit 1,5 mg/l angegeben. Fluoridkonzentrationen im Trinkwasser von ca. 1 mg/l wirken kariesprophylaktisch, weshalb in einigen Ländern eine künstliche Fluoridierung des
Trinkwassers erfolgt. In Österreich ist eine derartige Anreicherung des Trinkwassers nicht zugelassen. Die Spanne zwischen der notwendigen täglichen
Fluordosis (1 - 2 mg) und der zu einer chronischen Fluorintoxikation (z.B. Dentalfluorose) führenden Dosis (etwa 4 - 5 mg täglich) ist so gering, daß im Einzelfall Überdosierungen bei einer allgemeinen Fluoridierung des Trinkwassers
nicht verhindert werden könnten.
3.2 Trinkwasser
3.29
3.2.6.3 Nitrat-/Nitrit-Problematik und ihre toxikologische Bedeutung
Nitrat ist in Trinkwasser und Lebensmitteln fast immer vorhanden, in den im
allgemeinen im Wasser vorkommenden Konzentrationen aber als nicht toxisch
anzusehen. Nahrungsmittel, insbesondere Gemüse, weisen meist wesentlich
höhere Nitratgehalte als das Trinkwasser auf.
Nitrit entsteht als Zwischenprodukt natürlicher Ab- und Umbauvorgänge, sowohl bei der Oxidation von Ammonium, als auch bei der Reduktion von Nitrat. Die zulässige Höchstkonzentration beträgt 0,1 mg/l. Bereits Comly (1945)
wies auf den Zusammenhang zwischen Säuglingsmethämoglobinämie (Cyanose, Blausucht) und Nitrit sowie hohem Nitratgehalt des Trinkwassers hin. Nitrat
wird durch Bakterien (z.B. durch Enterobakterien) oder Metalle (z.B. Zink aus
neuverlegten, verzinkten Eisenrohren) zu Nitrit reduziert. Dieses kann beim
Säugling - insbesondere in den ersten 6 Lebensmonaten - Cyanose (innere Erstickung) hervorrufen. In dieser Zeit besitzt der Säugling noch fetales Hämoglobin, das gegenüber Nitrit wesentlich empfindlicher reagiert als das Hämoglobin des erwachsenen Menschen. Zusätzlich haben Neugeborene im ersten
Lebensvierteljahr noch einen erhöhten pH-Wert des Magensaftes, weshalb oral
aufgenommene Bakterien, welche Nitrate der Nahrung zu Nitriten reduzieren
vermögen, nicht inaktiviert werden können. Im fetalen Hämoglobin wird das IIwertige Eisen zum III-wertigen Eisen oxidiert, wodurch die Sauerstoffabgabe an
das Gewebe verhindert und die Methämoglobinämie verursacht wird. Eine
weitere Gefahr der Nitritaufnahme besteht in der möglichen Bildung kanzerogener Nitrosamine, die im Magen beim Zusammentreffen von sekundären
Aminen mit exogenem (von außen zugeführtem) oder endogenem (im Organismus gebildetem) Nitrit entstehen können.
3.2.6.4 Nitratgehalte des Trinkwassers
Der Nitratgehalt des Trinkwassers in Österreich stellt im allgemeinen noch kein
Problem dar. In vielen Grundwässern hat aber in den letzten Jahrzehnten die
Nitratkonzentration auf Grund der Überdüngung von landwirtschaftlich genutzten Flächen erheblich zugenommen. In den Ackerbaugebieten des östlichen Österreichs, wie dem Tullnerfeld und dem Marchfeld, sind aber bereits
Überschreitungen von 100 mg/l keine Ausnahmen.
Eine Untersuchung des World Wildlife Funds von 1996 (WWF-Nitrattest,
http://bzgserver.boku.ac.at/wwf/austria_main.htm) war der größte jemals
durchgeführte Trinkwassertest Österreichs. Insgesamt verschickte der WWF
über 100.000 Nitrat-Teststreifen, 1.391 Gemeinden (60% aller Gemeinden)
nahmen Teil. Die Trinkwasser-Problemgebiete überschneiden sich zumeist mit
jenen Gebieten, in denen auch das Grundwasser bereits belastet ist. Generell
kann der öffentlichen Wasserversorgung in Österreich ein gutes Zeugnis ausgestellt werden. Die Nitrat-Mittelwerte liegen mit 24,6 mg/l im Burgenland,
24,1 mg/l in Oberösterreich und 23 mg/l in Niederösterreich unter dem Richtwert von 25 mg/l. In der Steiermark und in Kärnten liegt der Mittelwert bei 14
3.30
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
bzw. 10 mg/l. Die Bundesländer mit den besten Nitrat-Mittelwerten sind Salzburg (5 mg/l), Vorarlberg (3,9 mg/l), Wien (4,7 mg/l) und Tirol (2,25 mg/l). Bei
der Hausbrunnenqualität läßt sich ein starkes Ost-West Gefälle der Nitratwerte
feststellen: Die besten Brunnenmessungen stammen aus Tirol (4 mg/l), gefolgt
von Salzburg (5 mg/l) und Vorarlberg (6 mg/l). In der Steiermark liegt der Mittelwert bei 27 mg/l, in Oberösterreich bei 26 mg/l und in Kärnten bei 17 mg/l.
Es ist dabei zu bemerken, daß die durchgeführte Methode (Ablesung der
Farbveränderung am Teststreifen) sehr subjektiv ist und die Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen sind.
Die aktuellen Daten des Umweltbundesamtes weisen auf die sanierungsbedürftigen Grundwassergebiete hin (Abb. 3.2.1). Die österreichweit durchgeführten
Messungen des Grundwassers (1994/95) zeigen, daß etwa 70 % der Proben
einen Nitratgehalt ≤ 30 mg/l und ca. 82 % einen Nitratgehalt ≤ 45 mg/l aufweisen (Wassergüte-Erhebungsverordnung, BGBl.Nr. 338/91). Eine Darstellung der
Ergebnisse der Grundwasseruntersuchungen ist, gegliedert nach Bundesländern
und für Gesamtösterreich, für Porengrundwasser und Quellen in Abb. 3.2.1
enthalten. Problemregionen stellen hinsichtlich der gegebenen Nitratbelastung
insbesondere Teile der landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebiete im Norden, Osten und Südosten Österreichs dar. Festzuhalten ist, daß im allgemeinen
die Nitratwerte an den seit 1991/92 kontinuierlich beobachteten 979 Meßstellen im Beobachtungszeitraum relativ stabil sind. 72 % der Meßstellen weisen
keinen statistisch abgesicherten Trend auf. Dessen ungeachtet zeigen die Meßstellen im Jahresverlauf jedoch zumeist kleinere, insbesondere im Nahbereich
von Fließgewässern auch größere, saisonale Schwankungen.
Die Gründe für die großflächigen Überschreitungen des verordneten Grundwasserschwellenwertes von 30 mg/l Nitrat sind vielfältig. Neben naturräumlichen Gegebenheiten können u. a. folgende Faktoren für eine Belastung des
Grundwassers mit Nitrat ausschlaggebend sein:
1. zu hohe Viehbesatzdichte und Problem der Entsorgung des anfallenden
Wirtschaftsdüngers,
2. zu hohe Stickstoffgaben (Mineral- und Wirtschaftsdünger) führen zu Überbilanzierungen,
3. ungünstige Fruchtfolge (mit Brache),
4. nicht ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung,
5. zu geringe Lagerraumkapazitäten bedingen, daß Wirtschaftsdünger auch zu
ungünstigen Zeitpunkten (auf schneebedeckten oder gefrorenen Böden)
ausgebracht werden.
Nitratgehalte < 50 mg/l stellen hygienisch keine Probleme dar. Im allgemeinen aber darf das Nitratproblem nicht bagatellisiert werden und müssen entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, um diese Werte zu reduzieren
und die Ursachen für einen hohen Nitratgehalt (Überdüngung, Abwässer) zu
beseitigen.
3.2 Trinkwasser
3.31
Folgende Wasserversorger geben ihre Wassergütedaten im World Wide Web
bekannt (http://bzgserver.boku.ac.at/wwf/)
1. Eisenkappel-Vellach - Marktgemeinde
2. Klagenfurt - Stadtwerke Wasserwerk
3. Klosterneuburg WVA
4. Leibnitzerfeld Wasserversorgungs-Ges.m.b.H.
5. Linz - SBL-Stadtbetriebe Linz GmbH
6. Gemeinde Münster - Bezirk Kufstein
7. NÖSIWAG
8. Salzburger Stadtwerke AG
9. Schenkenfelden - Marktgemeinde
10. Strengberg - Marktgemeinde
11. Wasserleitungsverband nördliches Burgenland
12. Grazer Stadtwerke AG
13. Korneuburg
14. Wasserverband Lockenhaus und Umgebung
15. Wien - MA 31
16. Wiener Neustadt
3.32
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Abb. 3.2.1: Potentielle Grundwasser-(GW-)Sanierungsgebiete für Nitrat (Umweltbundesamt 1996)
Tab.3.2.3: Nitrat-, Nitrit-, und Ammoniumwerte einiger Wasserwerke
Eisenkappel-Vellach
Klagenfurt
Klosterneuburg
Leibnitzerfeld
Linz
Münster-Kufstein
NÖSIWAG
Salzburg
Schenkenfelden
Strengberg
Nitrat
mg/Liter
1-3
15-17
12
9-25
10-39a
7
1-49a
5-9
(33) 5b
2
Nördliches Burgenland
Graz
Mittleres Burgenland
Lockenhaus
Wien
15-30a
5-10
13
10
2-5
Nitrit
mg/Liter
n. n.
n. n.
n. n.
n. n.
<0,01
<0,01
n. n.
n. n.
n. n.
-
Ammonium
mg/Liter
n. n.
n. n.
<0,03
n. n.
n. n.
<0,01
<0,01
n. n.
n. n.
n. n.
-
<0,02
<0,01
<0,02
<0,008
<0,02
<0,05
<0,02.
<0,01
n. n.: nicht nachweisbar bzw. < BG: unter Bestimmungsgrenze
a
je nach Wasserspender
b
vor und nach der Aufbereitung
- keine Angaben
Es muß an dieser Stelle nochmals ausdrücklich erwähnt werden, daß die Wasserwerke gesetzlich verpflichtet sind (Wasserrechtsbescheid), die Wasserqualität regelmäßig zu untersuchen und die Werte den Abnehmern bekanntzugeben.
3.2 Trinkwasser
3.33
Aufgrund der umfangreichen Parameter, die untersucht werden, können hier
nur einige (Nitrat, Nitrit und Ammonium) zusammengefaßt werden (Tab.
3.2.3).
3.2.6.5 Organische Schadstoffe
Aliphatische Kohlenwasserstoffe, wie Mineralöle und deren Produkte, verursachen in Wässern in geringsten Konzentrationen Geruchs- und Geschmacksveränderungen. Verdünnungen von ca. 1:10 Millionen sind geruchlich und geschmacklich nachweisbar.
Phenole sind einerseits natürliche, abbaubare Stoffwechselprodukte, andererseits können sie auch aus schädlichen Industrieabfällen stammen. Halogenierte
Phenole, wie sie z.B. durch Chlorung des Wassers entstehen, rufen eine intensive Geruchs- und Geschmacksbeeinflussung hervor.
Leichtflüchtige halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe wie Trichlorethen (Trichlorethylen) oder Tetrachlorethen (Perchlorethylen) werden als technische Lösungsmittel (Metallentfettung, Putzereien) verwendet und gelangen
durch Unfälle oder Unachtsamkeit ins Grundwasser. Gewisse Substanzen dieser Gruppe können auch bei der Chlorung von Trinkwasser entstehen (z.B.
Chloroform).
Die Problematik dieser Verbindungen liegt in der vermuteten und teilweise
auch nachgewiesenen Kanzerogenität bei chronischer Vergiftung. Eine notwendige Chlorung von Trinkwasser wegen dieser möglichen Gefährdung einzustellen ist allerdings nicht gerechtfertigt.
Der Gehalt an Pestiziden in Trinkwässern ist durch die TrinkwasserPestizidverordnung geregelt, die den Betreiber einer Wasserversorgungsanlage
auch zur Untersuchung auf diese Substanzen verpflichtet. Die Verordnung sah
einen Stufenplan hinsichtlich des Gehaltes an Atrazin im Trinkwasser vor. Seit
1. Juli 1995 gilt für Atrazin und jedes in der Anlage angeführte Pestizid 0,1 µg/l
als Grenzwert sowie 0,5 µg/l für die Summe der in der Wasserprobe festgestellten Pestizide. Pestizide gelangen hauptsächlich durch die Landwirtschaft in das
Grundwasser, durch Unfälle und Sorglosigkeit auch größere Mengen. Die eigentliche Problematik der Pestizide ist ihre teilweise sehr geringe Abbaubarkeit
im Grundwasser. Die Analyse einer großen Zahl von Trink- und Grundwasserproben zeigte, daß von den ca. 50 Wirkstoffen, die gemäß TrinkwasserPestizid-Verordnung zu untersuchen sind, das Herbizid Atrazin und sein
Hauptabbauprodukt Desethylatrazin die am häufigsten festgestellten Substanzen der positiven Befunde sind. Atrazin wurde überwiegend im Mais- und
Weinanbau als Unkrautvernichtungsmittel eingesetzt. Andere Wirkstoffe sind
sehr selten im Wasser nachweisbar (im unteren Prozentbereich der Proben).
Polychlorierte Biphenyle werden im technischen Bereich verwendet, sind
ebenfalls schwer abbaubar und reichern sich dadurch in der Natur an.
Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe entstehen hauptsächlich bei der
Verbrennung von organischem Material wie Kohle, Öl oder Teer und gelangen
3.34
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
so in die Luft, wo sie von Niederschlagswässern ausgewaschen werden und
folglich im Grundwasser enthalten sein können. In höheren Konzentrationen
gelten sie als kanzerogen.
3.2.7 Ausblick
Im allgemeinen gibt die Wasserqualität in Österreich, geht man von bisher bekannten Daten aus, keinen Grund zur Beunruhigung. Die potentiellen Grundwasser-Sanierungsgebiete (z.B. Ost-Österreich und Marchfeld für Nitrat oder
Mitterndorfer Senke für leichtflüchtige, halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe) stellen jedoch noch ein Problem dar. Ferner sollte eine unabhängige
Stelle die chemisch-bakteriologische Beschaffenheit des Wassers in Österreich
und die Untersuchungsergebnisse zentral erfassen, auswerten und die eventuellen Sanierungsmaßnahmen koordinieren. In mikrobiologischer Hinsicht ist vor
allem die Vereinheitlichung der Untersuchungsmethoden und deren Evaluierung von großer Bedeutung. Der Einsatz neuer Technologien wie molekularbiologische, immunologische und enzymatische Methoden in der Mikrobiologie sind international längst anerkannte Alternativen zu den herkömmlichen
klassischen Nachweismethoden.
Zusammenfassung
Das österreichische Trinkwasser besteht zu 98% aus Grundwasser, nur 2%
werden aus Oberflächenwässern gewonnen. Grundwassergüteuntersuchungen
werden in allen Bundesländern nach einheitlichen Methoden und Untersuchungsumfang auf Basis der Wassergüte-Erhebungsverordnung (WGEV) im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft und der Bundesländer durchgeführt. Eine Reihe von Institutionen und Sachverständigen überprüfen periodisch die mikrobiologisch-chemische Qualität des Grundwassers, wobei der Schwerpunkt bei chemischen Parametern wie Nitrat- oder Atrazinanalysen liegt, die Ergebnisse bakteriologischer Untersuchungen jedoch kaum registriert werden und nur Momentaufnahmen darstellen. Um den hohen Anforderungen an die Wasserbeschaffenheit gerecht zu werden, wurden HygieneRichtlinien und Kennzahlen wie z.B. die „zulässige Höchstkonzentration“
(ZHK) festgesetzt. Auf die „Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch“ sind zahlreiche gesetzliche Bestimmungen anzuwenden.
Toxikologisch kommt dem Wasser einerseits bei der Übertragung pathogener
Mikororganismen, die jedoch durch Desinfektionsverfahren weitestgehend beseitigt werden können, und andererseits durch die Belastung mit chemischen
(Schwermetalle, Spurenelemente, Nitrat, Nitrit etc.) und organischen (aliphatische Kohlenwasserstoffe, Pestizide, PCB etc.) Kontaminanten Bedeutung zu.
Bezüglich Nitratbelastung aufgrund von Überdüngung landwirtschaftlicher
Nutzflächen, ungünstiger Fruchtfolge oder nicht ordnungsgemäßer Abwasser-
3.2 Trinkwasser
3.35
beseitigung sind vor allem die Ackerbaugebiete Südost- und Ostösterreichs
(Tullnerfeld, Marchfeld) zu nennen. Die Mitterndorfer Senke stellt durch ihren
Gehalt an leichtflüchtigen, halogenierten aliphatischen Kohlenwasserstoffen ein
potentielles Grundwassersanierungsgebiet dar.
Im allgemeinen ist die Wasserqualität in Österreich als zufriedenstellend anzusehen. Die Errichtung einer zentralen, unabhängigen Stelle zur Erfassung, Koordination und Evaluation von Wasseruntersuchungen sowie die Verbesserung
der mikrobiologischen Analytik ist allerdings anzustreben.
3.36
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Literatur
1. Wasserrechtsgesetz BGBl.Nr. 215/1959; Wasserrechtsgesetz-Novellen BGBl.Nr. 207/1969,
BGBl.Nr. 36/1970, BGBl.Nr. 50/1974, BGBl.Nr. 390/1983, BGBl.Nr. 238/1985, BGBl.Nr.
509/1988, BGBl.Nr. 693/1988, BGBl.Nr. 252/1990, BGBl.Nr. 760/1992, BGBl.Nr.
185/1993, BGBl.Nr. 795/1996, BGBl.Nr. 796/1996, BGBl.Nr. 59/1997, BGBl.Nr.
74/1997, BGBl.Nr. 85/1997 (VfGH); zuletzt geändert d. BGBl.Nr. 134/1997.
2. Comly HH (1945), Cyanosis in infants caused by Nitrates in well water. J. Amer. Med. Ass.
129: 112.
3. EG-Richtlinie vom 15. Juli 1980 über die Qualität von ”Wasser für den menschlichen Gebrauch” (80/788/EWG).
4. EG-Richtlinie vom 16. Juni 1975 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser
für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten (75/440/EWG).
5. Elmadfa I; Leitzmann C (1990): Ernährung des Menschen. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
6. Epidemiegesetz BGBl.Nr. 186/1950 vom 14.10.1950.
7. World Health Organisation (1993): Guidelines for Drinking-Water Quality. Ed. World
Health Organisation (WHO), Geneva.
8. Krasel G, Brustbauer K, Klenner MF, Lindner G, Oberhammer H, Schöller F (1993): Die
Trinkwasserkontrolle in Österreich, Rechtliche Bestimmungen und fachliche Erfordernisse,
Orac Verlag.
9. Lebensmittelgesetz 1975 (LMG 1975), BGBl.Nr. 86, in der Fassung der Bundesgesetze
BGBl.Nr. 444/1985, 78/1987, 45/1991, 756/1992, 1105/1994, 761/1996, 762/1996,
BGBl.Nr. I 21/1997 und BGBl.Nr. I 63/1998 sowie der Kundmachungen BGBl.Nr.
381/1975, 31/1979, 10/1986 und 226/1988.
10. Oberflächen-Trinkwasserverordnung BGBl.Nr. 359/1995, Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz.
11. OECD Workshop (1998): Molecular technologies for safe drinking water, Interlaken, Switzerland.
12. Österreichisches Lebensmittelbuch Codex-Kapitel B1 (1989). Erlaß des Bundesministers für
Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 14. Juli 1989. Zl. 7200171-VII/1b/89, betr. Den
Beschluß der Kommission zur Herausgabe des Österreichischen Lebensmittelbuches
(Codexkommission) über die Kapitel B1 "Trinkwasser".
13. Richtlinie des Rates vom 17. Dezember 1979 über den Schutz des Grundwassers gegen
Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe (80/68/EWG, ABl EG vom 26. Januar
1980 Nr. L 20/43-48)
14. Trinkwasser-Ausnahmeverordnung BGBl.Nr. 384/1993 idF BGBl.Nr. 287/1996, Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz
15. Trinkwasser-Nitratverordnung BGBl.Nr. 557/1989 (Bundesministerium für Gesundheit und
öffentlicher Dienst), idF BGBl.Nr. 287/1996 und 714/1996 (Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz).
16. Trinkwasser-Pestizidverordnung BGBl.Nr. 448/1991, Bundesministerium für Gesundheit,
Sport und Konsumentenschutz.
17. Verordnung BGBl.Nr. 235/1998 über Wasser für den menschlichen Gebrauch vom 23. Juli
1998, Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales.
18. Wassergüte in Österreich, Jahresbericht (1996), Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft.
19. Wassergüte-Erhebungsverordnung (WGEV); Verordnung des BMfLuF vom 27.6.1991 über
die Erhebung der Wassergüte in Österreich; BGBl.Nr. 338/1991.
3.3 Zusatzstoffe
3.37
3.3 Zusatzstoffe
Die Geschichte der Lebensmittelzusatzstoffe geht bereits auf die Urzeit zurück,
in der die Konservierungsstoffe Rauch und Salz sowie manche Gewürze zur
Haltbarmachung von Lebensmitteln benutzt wurden, ihre Wirksamkeit entdeckte man mehr oder minder zufällig. Ab dem Mittelalter gab es erste lebensmittelrechtliche Bestimmungen für ihren Einsatz. Erst seit etwa 100 Jahren
sind jedoch Bemühungen erkennbar, die Lebensmittel nicht nur in irgendeiner
Form zu erhalten und ihre Haltbarkeit zu verlängern, sondern auch deren oft
empfindlichen Inhaltsstoffe sowie ihren Nähr- und Geschmackswert zu schützen.
3.3.1 Rechtliche Situation
Gemäß Zusatzstoff-Rahmenrichtlinie der Europäischen Union (94/34/EG) wird
ein Stoff als Lebensmittelzusatzstoff definiert, wenn er normalerweise nicht als
Lebensmittel verzehrt und gewöhnlich nicht als typische Lebensmittelzutat
verwendet wird. Er wird unabhängig von seinem Nährwert, absichtlich, aus
technologischen oder organoleptischen Gründen, zu Lebensmitteln während
ihrer Gewinnung, Herstellung, Bearbeitung, Zubereitung, Verpackung, Beförderung oder Lagerung, mittelbar oder unmittelbar zugesetzt.
Zu den großen Zusatzstoffgruppen zählen Farbstoffe, Konservierungsstoffe,
Säuerungsmittel, Antioxidantien, Stabilisatoren (Dickungs- und Geliermittel,
Emulgatoren), Geschmacksverstärker, Zuckeraustauschstoffe und Süßstoffe.
Weniger bekannte Vertreter sind Feuchthaltemittel, Schmelzsalze, Trennmittel
und ähnliche (Baltes 1995).
Da Zusatzstoffe mit der täglichen Nahrung mit verzehrt werden und so in unseren Organismus gelangen, werden an sie besonders hohe und strenge Anforderungen gestellt. Die Zulassung der Zusatzstoffe für bestimmte Lebensmittel erfolgt unter folgenden Grundvoraussetzungen (Elmadfa et al. 1996):
• Der Zusatz einer Substanz ist für die Produktion des Lebensmittels technologisch erforderlich,
• seine Anwendung führt nicht zur Täuschung oder Irreführung des Verbrauchers
• und sein Einsatz ist gesundheitlich unbedenklich.
Die Zulassung gilt in der Regel nur für bestimmte Lebensmittel und bis zu genau festgesetzten Höchstmengen, sie unterliegt Änderungsverordnungen des
Gesetzgebers. Letzterer bedient sich hierbei sogenannter Positivlisten - es gilt
das Verbotsprinzip. Das heißt, daß nur diejenigen Zusatzstoffe, die in einem
entsprechenden Verzeichnis angeführt sind, zugelassen und alle anderen Substanzklassen verboten sind.
Jedes Land muß bei seinem Beitritt zur Europäischen Union Rahmenrichtlinien,
die die Verwendung von Zusatzstoffen regeln, übernehmen, auf nationaler
3.38
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Ebene sind jedoch noch immer Alleingänge möglich (Blass 1995). Solange keine einheitliche Bestimmung auf EU-Ebene existiert, kommt das “Prinzip der
gegenseitigen Anerkennung” zur Anwendung, welches besagt, daß ein Erzeugnis, das in einem Mitgliedsstaat rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht
wurde, überall in der Gemeinschaft ungehindert verkauft werden darf (Cassisde-Dijon-Prinzip).
Nach jener Zusatzstoffverordnung lassen sich Zusatzstoffe einteilen in:
• Substanzen, die in allen EU-Staaten als gesundheitlich unbedenklich und
technisch notwendig angesehen werden und vor ihrer Kennziffer ein “E”
tragen (E-Nummern),
• Substanzen, die zwar europaweit eingesetzt werden, deren Verwendung
aber noch nicht einheitlich geregelt ist und die nur mit einer Nummer gekennzeichnet sind,
• Substanzen, bei denen zur Zeit noch eine nationale Regelung gilt und die
weder ein “E” noch eine Kennzahl tragen.
In den derzeit geltenden EU-Richtlinien 94/35/EG, 94/36/EG und 95/2/EG sind
namentlich alle Zusatzstoffklassen mit ihren Höchstmengenbeschränkungen
angeführt, die im europäischen Raum diversen Lebensmitteln und Getränken
beigemengt werden dürfen. Der Gesetzgeber wird von einer Fachkommission
beraten, die außerordentlich hohe Anforderungen an die analytische und toxikologische Prüfung eines Zusatzstoffes stellt. Mit Gremien der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der amerikanischen FDA, des SCF u.a. findet ein
weltweiter Erfahrungsaustausch statt. Ein sog. “Zusatzstoff-Regime” verfolgt die
Gesamtheit der die Zusatzstoffe betreffenden Bestimmungen, um vor Gesundheitsrisiken zu schützen, indem es u.a. dafür sorgt, daß die ADI-Werte (Acceptable Daily Intake4) der einzelnen Zusatzstoffe nicht bzw. nicht allzu oft überschritten werden.
3.3.2 Beurteilung gesundheitlicher Risiken
Das Fehlen einheitlicher Nomenklaturen und aussagekräftiger Testmethoden
eröffnet ein weites Feld für Spekulationen über die Häufigkeit und Intensität
von Allergien und Intoleranzreaktionen auf Nahrungsmittelzusatzstoffe. Ihr
Ausmaß wird von der Bevölkerung weit überschätzt (Aberer 1996). Obwohl
mehr Menschen gegen Lebensmittel und natürliche Lebensmittelbestandteile
allergisch reagieren als auf Zusatzstoffe, erscheint eine Zusatzstoff-Allergie oder
-Überempfindlichkeit aus mehreren Gründen problematischer: Man kann den
auslösenden Zusatzstoff meist nur schwer feststellen und identifizieren, da er
zum Teil nicht ausreichend deklariert ist. Ferner müssen Zusatzstoffe, die nur
---------------------------------------------------------------------4
Unter dem ADI versteht man die tolerierbare Tagesdosis einer bestimmten Substanz, d.h. die
Menge, die ein Mensch lebenslang täglich aufnehmen kann, ohne gesundheitliche Schäden
davonzutragen.
3.3 Zusatzstoffe
3.39
aus produktionstechnischen Gründen eingesetzt werden und im Endprodukt
keine technologische Wirkung mehr ausüben, nicht deklariert werden5.
Unter dem Begriff Nahrungsmittelallergie werden neben der echten IgGvermittelten Allergie6 auch Aversionen, Intoleranzen und Pseudoallergien verstanden. Unter den Zusatzstoffen sind Intoleranzen7 auf Phosphate, einige Zukkeralkohole sowie auf einzelne Aminosäuren und deren Verbindungen bekannt. Pseudoallergien8 treten vereinzelt insbesondere als Reaktion auf die
Aufnahme einiger Konservierungs- und Farbstoffe auf. Für Krankheitsbilder wie
Depressionen, rheumatoide Arthritis, “Chronic fatigue syndrom” oder Hyperaktivität von Kindern (hyperkinetisches Syndrom), die von der Boulevard-Presse
häufig als Zusatzstoffallergie bezeichnet werden, fehlen derzeit allerdings
überzeugende Beweise (Oberritter 1991).
Die mit der Beurteilung von Lebensmitteln und Zusatzstoffen befaßten Toxikologen-Gremien in der EU und das SCF haben sich ausführlich mit denjenigen
Stoffen auseinandergesetzt, die häufig zu allergischen Reaktionen führen.
Durch Zustimmung zur Gesetzesvorlage der EU-Zusatzstoffrichtlinien haben
sich die EU-Mitgliedstaaten außerdem verpflichtet, Systeme zu erarbeiten, die
die Überwachung des Verbrauchs und der Verwendung von Zusatzstoffen in
der Bevölkerung sicherstellen. So mußten auch in Österreich Aktivitäten bezüglich einer Erhebung der Zusatzstoffsituation gesetzt und die Ergebnisse der EUKommission mitgeteilt werden. Die Kommission gibt ihrerseits jene Informationen an das Europäische Parlament und den Rat weiter, damit eine Risikoabschätzung der Belastung der Bevölkerung mit einzelnen Zusatzstoffen erfolgen
kann. Aus den Resultaten könnten, wenn notwendig, Änderungen der Richtlinien abgeleitet werden.
3.3.3 Zusatzstoff-Monitoring
Basierend auf den Arbeiten von Hallas-Møller für das SCF (Hallas-Møller 1995)
und den Arbeiten der SCOOP9 Task Group 4.2 (SCOOP Task 4.2, 1995) wurde
das Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet anhand eines stufenweisen Prozesses beschlossen (Abb. 3.3.1). Dabei sollte die Schätzung der
Aufnahme von Zusatzstoffen durch Kinder und Erwachsene getrennt erfolgen
und die Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten vergleichbar sein.
Ziel war es festzustellen, ob es Bevölkerungsgruppen gibt, bei denen die aktuellen Verzehrsgewohnheiten Aufnahmen an Zusatzstoffen mit sich bringen, die
über dem jeweils geltenden ADI-Wert liegen (Walker et al. 1996).
---------------------------------------------------------------------5
Große Hilfe leistet hier die in den EU-Ländern gesetzlich vorgeschriebene Zutatenliste.
6
Überreaktion des Immunsystems auf einzelne Lebensmittelinhaltsstoffe; IgG: Immunglobulin
G
7
Unverträglichkeitsreaktionen infolge von Transportdefekten der Dünndarmschleimhaut bzw.
Enzymdefekten
8
übertriebene nicht-immunologische Reaktionen einzelner Körperzellen
9
Scientific Co-operation
3.40
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
3.3.3.1 Stufe 1
Zunächst erfolgte eine erste globale Abschätzung auf internationaler Ebene mittels der “Danish-Budget-Methode”, die ursprünglich für die Ermittlung von
ADI-Werten und Höchstmengen für Zusatzstoffe entwickelt wurde. Durch Umkehrung der Methode und Verwendung der Information über die maximale
Einsatzmenge des Zusatzstoffes wird auch ermöglicht, die maximale potentielle
Aufnahme eines Zusatzstoffes zu berechnen und damit diejenigen Zusatzstoffe
zu identifizieren, die keine mögliche gesundheitliche Belastung der Bevölkerung darstellen. Umstrittenen Zusatzstoffen mit hohem Verwendungsumfang ist
dabei Priorität im Rahmen erneuter rechtlicher Bewertung und Regelung einzuräumen.
Die Methode basiert auf der Tatsache, daß die tägliche individuelle Lebensmittel- und Getränkeaufnahme durch den physiologischen Effekt von Hunger und
Durst limitiert wird, und der Mensch täglich maximal 25 g feste Nahrung und
25 ml Flüssigkeit pro kg Körpergewicht aufnimmt. Sie berechnet nicht die tägliche aktuelle Aufnahme an Zusatzstoffen, sondern eher die maximale theoretische Zufuhr eines Stoffes bzw. den TMDI (theoretical maximum daily intake)
im “Worst-Case-Szenario” (Hallas-Moller 1995).
Stufe 1:
Höchstmengenverordnung der
EU-Richtlinien + Budget-Methode
Verzehrsdaten
Höchstmengenverordnung
CIAA-Lebensmittelgruppen
Zusatzstoffdatenbank
Stufe 2
Stufe 3: Tatsächlich eingesetzte Zusatzstoffmengen
(Hersteller- und Analysendaten/Zusatzstoffdatenbank)
+ nationale Verzehrsdaten
Abb. 3.3.1: Stufenweise Abschätzung der Zusatzstoffaufnahme
3.3 Zusatzstoffe
3.41
Die Danish-Budget-Methode wurde in Österreich bei 179 Zusatzstoffen angewendet10. Die Vorgehensweise bei der Berechnung des TMDI kann anhand des
Konservierungsmittels Benzoesäure demonstriert werden (Tab. 3.3.1).
Lediglich 68 Zusatzstoffe (21% von insgesamt 323) wiesen TMDI-Werte auf,
die über dem ADI lagen, folglich stellten nach dieser Methode rund 1/5 der
aufgenommen Zusatzstoffe aller Kategorien ein mögliches Gesundheitsrisiko
dar.
Nationale Ergebnisse dieser ersten Stufe des Monitorings wurden von den EUMitgliedstaaten an das SCF und in weiterer Folge an das SCOOP Task 4.2 berichtet.
Die Danish-Budget-Methode ist nur als erstes Screening geeignet, um Prioritäten für das Zusatzstoff-Monitoring auf Basis der potentiellen, durchschnittlichen
Exposition über die gesamte Lebensdauer zu setzen (Douglass et al. 1997). Sie
ist ungeeignet, die tatsächliche Zusatzstoffaufnahme einzelner Bevölkerungsgruppen aufzuzeigen. Kritik wird vor allem an der Auswahl der Divisionsfaktoren geübt (SCOOP Task 4.2 1998).
Tab. 3.3.1: Risikoabschätzung der Aufnahme an Benzoesäure anhand Stufe 1
Höchstmenge in fester Nahrung:
2000 mg/kg
(z.B. Gemüse in Essig, Lake oder Öl)
Höchstmenge in Getränken:
150 mg/l
(z.B. aromatisierte, nichtalkoholische Getränke)
2000
150
TMDI
TMDI =———— + ———— = 16,25; ADI = 5 mg/kg KG,———— = 3,25
16011
4012
ADI
TMDI/ADI < 1 → kein Risiko
TMDI/ADI > 1 → mögliches Gefahrenpotential,
weitere Untersuchungen sind notwendig (→ Stufe 2).
---------------------------------------------------------------------10
323 Zusatzstoffklassen sind im europäischen Raum zugelassen; Zusatzstoffe ohne Höchstmengenbeschränkung sowie solche, die nur in “Diätetischen Nahrungsmitteln für medizinische Zwecke” Anwendung finden, wurden in die Kalkulation nicht einbezogen.
11
Unter der Annahme, daß die tägliche Nahrung auch einen beträchtlichen Anteil zusatzstofffreier Lebensmittel enthält, beträgt die tägliche Gesamtzufuhr an Lebensmitteln, die den Zusatzstoff enthalten, maximal 6,25 g/kg Körpergewicht (25 g : 4). Pro kg Lebensmittel könnte
demnach maximal die 160–fache Menge des ADI-Wertes (1000 g : 6,25 g) allgemein zugelassen werden; für die Berechnung des TMDI folgt daraus eine Division der max. eingesetzten
Zusatzstoffmenge durch 160.
12
Unter der Annahme, daß bei einer täglichen max. Trinkmenge von 100 ml/kg Körpergewicht
nicht mehr als 25 ml zusatzstoffhaltige Softdrinks konsumiert werden, könnte pro Liter Getränk
max. die 40-fache Menge des ADI-Wertes (1000 ml : 25 ml) zugelassen werden; für die Berechnung des TMDI über Getränke folgt daraus eine Division der max. eingesetzten Zusatzstoffmenge durch 40.
3.42
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
3.3.3.2 Stufe 2
Für Österreich repräsentative Verzehrsdaten, die geeignet waren, die Zusatzstoffaufnahme der Gesamtbevölkerung durch die Nahrung abzuschätzen, existierten zum Teil bereits aus früheren regionalen Erhebungen des Instituts für
Ernährungswissenschaften (s. Kap. 3), so daß auf teilweise vorhandenem Datenmaterial aufgebaut werden konnte. Das Bundeskanzleramt, Sektion VI, gab
dem Institut den Forschungsauftrag, fehlende Basisdaten zu erheben (Elmadfa
et al. 1996).
Die Daten zur Lebensmittelaufnahme Erwachsener wurden mit Hilfe von Fragebögen in Form von 24-h-Recalls ermittelt (n=3278), wobei drei Regionen
von Österreich (Ost, Süd, West) erfaßt wurden. Daten zum Lebensmittelverzehr
bei Kindern und Jugendlichen (n=1209) wurden mittels 7-d-Wiegeprotokollen
erhoben (s. Kap. 3.1) und für weitere Auswertungen herangezogen.
Die Verzehrs-Datensätze des gesamten Kollektivs wurden auf Grundlage von
Lebensmitteldatenbanken codiert. Die ursprünglich 11.000 Lebensmittel umfassende Datenbank (Bundeslebensmittelschlüssel, BLS 2.2) des Bundesgesundheitsamts Berlin stand nach Erweiterung um ca. 2.300 österreichische Produkte in den Bereichen Backwaren, Süßspeisen, Suppen, Hauptgerichte, Fastfood-Gerichte, Lightgetränke, nährstoffangereicherte Lebensmittel und Milchprodukte als Österreich-Lebensmittel-Schlüssel (ÖLS) zur Verfügung. Bei der
Codierung wurden die in den Recalls bzw. Wiegeprotokollen notierten Lebensmittel, Getränke und Gerichte sowie deren Verzehrsmengen - unterstützt
durch das Software-Programm EWP 3.0 - entsprechenden Datensätzen des ÖLS
zugeordnet.
Obwohl EU-intern noch kein offizieller Konsens verabschiedet worden war,
der einen Kategorisierungsvorschlag für die verzehrten Lebensmittel anerkannt
hätte, bestand die größte Übereinstimmung bei jenem Gruppierungsschema,
das die CIAA13 vorgeschlagen hatte. Das nach dem Charakter des Lebensmittels
bzw. seiner Inhaltsstoffe hierarchisch aufgebaute System erlaubt ein vereinheitlichtes Verstehen aller Lebensmittelkategorien, unabhängig von industriellen
Sektoren und kann als Basis-Referenz für weitere Interpretation dienen, die die
Zuordnung der Lebensmittelkomponenten betrifft. Es gliedert alle Nahrungsmittel in 16 Hauptkategorien (Tab. 3.3.2), wobei letztere ihrerseits in Subkategorien unterteilt sind. Eines der Hauptprinzipien der Kategorienbildung, das “Carryover”- bzw. Übertragungs-Prinzip, wird für handelsübliche Nahrungsmittel angewendet und erlaubt auch eine Kombination der Lebensmittel. Das bedeutet,
daß es beispielsweise keine spezielle Kategorie für zubereitete Gerichte geben
muß, da sie entsprechend der Kategorien, denen die einzelnen Rezepturbestandteile zugeteilt sind, gruppiert werden können.
Im Rahmen der Stufe 2 des Monitorings wurde ferner eine Österreichische Zusatzstoffdatenbank angelegt, die 323 Zusatzstoffe inklusive deren Angaben aus
---------------------------------------------------------------------13
Die CIAA ist eine Vereinigung der europäischen Lebensmittel- und Getränkeindustrie (Confederation of the Food and Drink Industries of the EEC).
3.3 Zusatzstoffe
3.43
den Höchstmengenverordnungen der EU-Richtlinien (wenn vorhanden) umfaßt. Sie besitzt eine Schnittstelle14 zum Auswerteprogramm der Verzehrsdaten.
Als zusätzliches Ergebnis der Datenbank war es möglich, Übersichten zu erstellen, welche Lebensmittel mit welchen Zusatzstoffen versehen werden dürfen
bzw. welche Zusatzstoffe für welche Lebensmittel theoretisch einsetzbar sind.
Datenquellen waren zu jenem Zeitpunkt hauptsächlich die gesetzlich vorgeschriebenen Höchstmengen, da große Vorbehalte seitens der Industrie und der
Produzenten bestanden, Informationen zum Einsatz bestimmter Zusatzstoffe
bei der Lebensmittelproduktion zur Verfügung zu stellen. Nach Beschränkung
der benötigten Angaben auf einen ausgewählten Katalog von einzelnen Zusatzstoffen, verbesserte sich die Kooperationsbereitschaft seitens der Industrie deutlich (s. Stufe 3). Aus diesem Grund ist die Struktur der Datenbank mit künftigen
Erweiterungen um Datensätze aus den Produzentenangaben bzw. Analysenergebnissen aus den Untersuchungsanstalten kompatibel.
Tab. 3.3.2: Die CIAA-Lebensmittelgruppen (CIAA 1995)
1. Milch und Milchprodukte (ausgenommen Prod. der Kat. 2 und Analoge)
2. Fette, Öle und Fettemulsionen
3. Speiseeis
4. Obst und Gemüse
5. Konfekt/Süßwaren
6. Getreide und Getreideprodukte
7. Backwaren
8. Fleisch und Fleischprodukte, inklusive Geflügel und Wild
9. Fisch und Fischprodukte
10. Eier und Eierprodukte
11. Zucker und Honig
12. Salz, Gewürze, Suppen, Saucen, Salate, Proteinprodukte, Konzentrate etc.
13. Nahrungsmittel für spezifische ernährungsphysiologische Verwendungszwecke
14. Getränke, außer Produkte des täglichen Verzehrs
15. Knabbererzeugnisse
16. Lebensmittel, die keiner der oben genannten Gruppen zuzuordnen sind.
Dieser Gruppe werden z.B. Nahrungsmittel zugeteilt, die mehr Zusatzstoffe
enthalten als nur die, die eigentlich nach dem Übertragungsprinzip aus den
Rezepturbestandteilen ersichtlich wären (gefüllte Fleischpasteten und ähnliches).
Nach Codierung aller Verzehrsdaten und deren Zuordnung zu CIAALebensmittelgruppen erfolgte eine Auswertung der konsumierten Mengen dieser Lebensmittelgruppen (EWP 3.0, s.o.) und der Export dieser Ergebnisse in ein
Statistikprogramm (SPSS für Windows, Version 7.0). Dadurch war eine Verknüpfung dieses Files mit den Datensätzen aus der Höchstmengendatenbank
---------------------------------------------------------------------14
Zusatzstoffe, deren Verwendung nach oben nicht begrenzt ist (definiert durch die Angabe
“quantum satis”), wurden nicht erfaßt.
3.44
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
und die Berechnung der konsumierten Menge pro Person aus der Höchstmenge und der konsumierten Mengen an dieser Lebensmittelgruppe möglich15.
Dieser Rechenschritt wurde für alle relevanten Zusatzstoffe (68, s. Stufe 1) wiederholt.
Bei jenen Zusatzstoffen, für die ADI-Werte festgelegt sind, wurde zusätzlich zur
Darstellung der Ergebnisse auch eine Bewertung der Aufnahmen durchgeführt.
Da in den Auswertungen die Aufnahmen pro Tag dargestellt waren, wurde mit
dem ADI-Wert und mit Hilfe eines durchschnittlich für diese Altersgruppen
anzuwendenden Körpergewichtes16 der sog. TAT-Wert (Totale Aufnahme pro
Tag) berechnet.
Die Ergebnisse werden getrennt nach Altersgruppen präsentiert, auf eine zusätzliche Darstellung der Geschlechtsgruppen wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet, wobei grundsätzlich die Aufnahmen bei der weiblichen
Gruppe etwas unter der der männlichen Gruppe lagen.
Dargestellt sind jeweils Median und Mittelwerte sowie als VerteilungsParameter die 5. und die 95. Percentile (unterster bzw. oberster Wertebereich
bzw. low und high consumer). Die bei den meisten Ergebnissen festzustellenden großen Standardabweichungen wurden durch die Varianz des Verzehrs
bedingt.
Aufgrund des Vergleichs der TAT-Werte mit den 95-Perzentilwerten der Aufnahmen war es möglich, diejenigen Zusatzstoffe herauszufiltern, bei denen es
zu Überschreitungen der TAT-Werte unter einer “Worst-Case“-Annahme
kommt (Elmadfa et al. 1996). Bei diesen Zusatzstoffen sollten die Verhältnisse
bezüglich der tatsächlichen Aufnahme exakter untersucht werden, um eine
realistischere Abschätzung der Zusatzstoffbelastung durchführen zu können.
Bei Süßstoffen wurde durchschnittlich nur ein Zehntel bis maximal ein Siebtel
der täglichen tolerierbaren Aufnahmen erreicht. Jene 5% der Personen mit der
höchsten ermittelten Aufnahme kamen nur an etwa ein Drittel dieser Werte
heran.
Die Auswertung der Aufnahme an Aspartam ergab z.B., daß die Hauptquellen
Getränke gefolgt von Milchprodukten, Desserts, Eis und anderen Süßigkeiten
sind. Für Aspartam liegt der ADI-Wert bei 40 mg/kg KG; keine der Altersgruppen erreichte die daraus resultierenden TAT- Werte (Tab. 3.3.3).
Farbstoffe sind aufgrund der Diskussion über ihre vermeintlich allergene Wirkung sehr in Verruf geraten. Auch bei Farbstoffen erreichen die ermittelten
Aufnahmen – mit Ausnahme von Bixin/Annatto - nur Bruchteile der tolerierbaren Tagesaufnahme.
---------------------------------------------------------------------15
Die Höchstmengendatenbank enthält für jedes Lebensmittel eine diesem entsprechende
Lebensmittelgruppe, wobei die Bezeichnung der Lebensmittelgruppe als Schlüsselvariable für
die Verknüpfung des Lebensmittelgruppendatensatzes mit dem Datensatz für die entsprechenden Zusatzstoffmengen aus der Höchstmengendatenbank fungiert.
16
Folgende mittlere Körpergewichte wurden herangezogen: bei den unter 6-jährigen 25 kg,
bei den 7- bis 9-jährigen 30 kg, bei den 10- bis 12-jährigen 40 kg, bei den 13- bis 14-jährigen
50 kg, bei den 15- bis 19-jährigen 60 kg und bei den 20- bis über 50-jährigen 70 kg.
3.3 Zusatzstoffe
3.45
Die Aufnahmen an Bixin stammen hauptsächlich aus Streichfetten, Speiseeis,
Käse und Desserts. Der ADI für Bixin liegt bei 0.065 mg/kg KG, die 95. Percentile einiger Gruppen erreichte bzw. überschritt leicht den daraus resultierenden
TAT-Wert. Nach Korrektur der Werte um den Beitrag des Fisches17 war dies
allerdings kaum der Fall (Tab. 3.3.4).
Tab. 3.3.3: Aufnahme an Aspartam (E 951) in mg/d, gruppiert nach Alter
< 6 J.
7 - 9 J.
10 - 12 J.
13 - 14 J.
15 - 19 J.
20 - 29 J.
30 - 39 J.
40 - 49 J.
> 50 J.
TAT1
1000
1200
1600
2000
2400
2800
2800
2800
2800
mw
sd
5.P.
50.P.
95.P.
23
27
34
32
71
105
98
115
97
37
34
41
51
96
127
125
122
103
0
0
0
0
0
0
0
0
0
9
18
23
19
40
67
68
90
63
75
91
120
109
271
331
294
360
270
1 TAT Totale Aufnahme pro Tag. Die Berechnung dieses Wertes basiert auf dem ADI von 40
mg/kg Körpergewicht. Angegeben sind die daraus resultierenden Tagesaufnahmen in mg, wenn
mittlere Körpergewichte herangezogen werden.
Tab 3.3.4: Aufnahme2 an Bixin/Annatto (E 160b) in mg/d, gruppiert nach Alter
< 6 J.
7 - 9 J.
10 - 12 J.
13 - 14 J.
15 - 19 J.
20 - 29 J.
30 - 39 J.
40 - 49 J.
> 50 J.
TAT1
1.63
1.95
2.6
3.25
3.9
4.55
4.55
4.55
4.55
mw
sd
5.P.
50.P.
95.P.
0.9
1.3
1.7
1.4
3.0
2.9
3.3
3.6
2.7
0.8
1.0
2.3
2.2
2.9
3.2
3.2
3.0
3.1
0.1
0.1
0.1
0.2
0.3
0.2
0.3
0.5
0.1
0.8
1.1
1.2
1.1
1.6
1.9
2.3
1.8
2.2
3.2
3.3
5.3
3.4
1.8
3.1
3.7
3.8
3.4
1 …TAT Totale Aufnahme pro Tag. Die Berechnung dieses Wertes basiert auf dem ADI von
0.065 mg/kg Körpergewicht. Angegeben sind die daraus resultierenden Tagesaufnahmen in
mg, wenn mittlere Körpergewichte herangezogen werden.
2 …Bei der Korrektur wurden die Werte, die auf Fisch zurückzuführen sind, aus den Berechnungen herausgenommen.
Ein etwas anderes Bild ergab sich bei einigen Konservierungsstoffen, wobei
diese Ergebnisse immer unter der Prämisse des mehrfach erwähnten "WorstCase-Szenarios" und eben nicht als real erreichte Aufnahmen an diesen Zusatzstoffen zu sehen sind. Durchschnittliche Zufuhrmengen, die die tolerierte tägli---------------------------------------------------------------------17
Die Verwendung von Annatto ist auch für Räucherfisch zulässig, folglich wären der Lebensmittelgruppe Fisch hohe Annatto-Mengen zuzuordnen. Da der Konsum an Räucherfisch jedoch
nur einen Bruchteil des Gesamtfischkonsums ausmacht, erfolgte eine Korrektur der Auswertung um den Beitrag des Fisches (siehe Tab. 3.3.4).
3.46
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
che Menge überstiegen, wurden für Schwefeldioxid, Sulfite sowie für Nitritsalze festgestellt.
Die aufgrund der Höchstmengenverordnung abschätzbaren Aufnahmen an
Schwefeldioxid und den daraus abgeleiteten Verbindungen sind in Tab. 3.3.5
zusammengefaßt. Sie lagen in einigen Gruppen über dem empfohlenen TATWert. Eine verbesserte Abschätzung der Aufnahme könnte nur unter der Voraussetzung erfolgen, daß bessere Angaben zur effektiven Verwendung in Lebensmitteln zur Verfügung gestellt werden.
Die Aufnahmen der anderen Konservierungsstoffe lagen unter den tolerierbaren
täglichen Mengen, so z.B. die der Benzoesäure und der Benzoate. Hauptquellen für letztere waren Süßwaren und nichtalkoholische Getränke, bei Erwachsenen kamen auch über alkoholische Getränke entsprechende Mengen hinzu.
Die Aufnahmemengen lagen unter dem TAT-Wert (Tab. 3.3.6).
Im angewandten “Worst-Case-Szenario” ergaben sich für Säuerungsmittel - und
hier insbesondere für Phosphorsäure bzw. deren Salze - Überschreitungen der
tolerierbaren Mengen. (Eine direkte Beziehung zwischen Phosphataufnahme
und Intoleranzen - vor allem dem hyperkinetischen Syndrom - ist bis heute
nicht bekannt.) Wie hoch die tatsächlichen Aufnahmen liegen, ist ebenfalls
schwer einzuschätzen, da keine Angaben über die effektiv verwendeten Mengen in Lebensmitteln vorliegen.
Tab. 3.3.5: Aufnahme an Schwefeldioxid und Sulfiten, Disulfiten, Hydrogensulfiten etc. (E 220 – 227) in mg/d, gruppiert nach Alter
< 6 J.
7 - 9 J.
10 - 12 J.
13 - 14 J.
15 - 19 J.
20 - 29 J.
30 - 39 J.
40 - 49 J.
> 50 J.
TAT1
18
21
28
35
42
49
49
49
49
mw
sd
5.P.
50.P.
95.P.
24
20
32
26
42
66
54
56
43
57
24
51
35
71
79
62
70
54
1
2
1
1
2
7
5
8
5
8
13
13
13
19
39
30
32
26
83
77
144
100
145
225
181
178
128
1 …TAT Totale Aufnahme pro Tag. Die Berechnung dieses Wertes basiert auf dem ADI von 0.7
mg/kg Körpergewicht. Angegeben sind die daraus resultierenden Tagesaufnahmen in mg, wenn
mittlere Körpergewichte herangezogen werden (siehe Einleitung).
Ähnliche Einschränkungen sind auch für Zuckerglyceride aus der Gruppe der
Emulgatoren zu treffen. Für alle anderen Zusatzstoffe aus den Gruppen der
Säuerungsmittel, der Emulgatoren, Verdickungsmittel und synthetischen Antioxidantien gilt, daß von den meisten Personen die festgelegten Grenzwerte
nicht überschritten wurden. In der Regel lagen die Aufnahmen weit unter den
tolerierbaren Aufnahmemengen und die als gesundheitlich bedenklich einzustufenden Werte wurden nicht erreicht.
3.3 Zusatzstoffe
3.47
Tab. 3.3.6: Aufnahme2 an Benzoesäure und Benzoaten (E 210 – 213) in mg/d,
gruppiert nach Alter
< 6 J.
7 - 9 J.
10 - 12 J.
13 - 14 J.
15 - 19 J.
20 - 29 J.
30 - 39 J.
40 - 49 J.
> 50 J.
TAT1
mw
sd
5.P.
50.P.
95.P.
125
150
200
250
300
350
350
350
350
17
21
24
21
45
61
66
60
65
29
26
28
26
60
51
58
36
50
0
0
0
0
0
18
21
19
23
9
13
14
13
29
49
53
52
53
47
84
79
79
158
146
147
127
147
1 …TAT Totale Aufnahme pro Tag. Die Berechnung dieses Wertes basiert auf dem ADI von 5
mg/kg Körpergewicht. Angegeben sind die daraus resultierenden Tagesaufnahmen in mg, wenn
mittlere Körpergewichte herangezogen werden.
2…Die Aufnahmen an Benzoaten und Benzoesäure, die auf Bier zurückzuführen waren,
wurden ausgeschlossen, da jene CIAA-Gruppe auch alkoholfreie Malzgetränke umfaßt und es
dadurch zu einer Überschätzung der Aufnahmen kommen könnte.
Zusammenfassend wären nach Stufe 2 des Monitorings nur folgende Zusatzstoffe für eine weitere Untersuchung interessant, deren ADI-Werte im Rahmen
eines “Worst-Case-Szenarios” unter der Annahme von Zusatzstoffkonzentrationen im Bereich der Höchstmenge - und zumeist nur vom “high consumer” (95.
Percentile) - erreicht werden können:
• Säuerungsmittel Adipinsäure und Fumarsäure18, Phosphorsäure
• Antioxidantien BHA, BHT, Gallate, Isoaascorbinsäure
• Farbstoffe Bixin/Annatto, Erythrosin BS, Rot 2G
• Dickungsmittel Karayagummi
• Emulgatoren Polyglycerinester von Fettsäuren und Saccharoseester
• Konservierungsmittel Sulfite und Nitrite
Zu beachten ist, daß diese Schätzungen nur annäherungsweise die reale Situation widerspiegeln. Zum einen werden die maximal zugelassenen Höchstmengen nicht bei allen Zusatzstoffen eingesetzt, zum anderen muß berücksichtigt
werden, daß die Auswertung der Lebensmittelgruppen auf Basis der CIAA Gruppierung einem gewissen Fehler unterliegt, da das Codierschema nicht bei
allen Lebensmittelgruppen auch auf die verzehrten Lebensmittel anwendbar ist.
Dennoch sind diese Berechnungen sinnvoll, da eine etwas fundiertere Abschätzung des Risikos als durch die Danish-Budget-Methode möglich ist.
3.3.3.3 Stufe 3
Als Beispiel für zukünftige Vorgehensweisen beim Zusatzstoff-Monitoring wird
die Bewertung der Aufnahme an Carotinal, zunächst mit Rohdaten und anschließend korrigiert auf Basis von Herstellerangaben gezeigt:
---------------------------------------------------------------------18
Da für die genannten Säuerungsmittel keine Nebenwirkungen bekannt sind, ist eine alarmierende Situation in keinem Fall zu befürchten.
3.48
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
In Tab. 3.3.7 ist eine Übersicht dargestellt, in welchen Lebensmitteln u.a. der
Farbstoff Beta-apo-8’-Carotinal (E 160e) gemäß Höchstmengenverordnung eingesetzt werden darf. In jenem Fall war es möglich, durch Informationen eines
der wichtigsten Hersteller dieser Farbstoffe19 passende Angaben zu den effektiv
eingesetzten Mengen zu erhalten. So konnten bei einer korrigierten Berechnung all jene Lebensmittel eliminiert werden, deren Einsatz zwar gemäß der
Höchstmengenverordnung zulässig wäre, die jedoch real nicht mit E 160e gefärbt werden.
Es zeigte sich, daß die in der Realität verwendeten Mengen nur etwa 2 bis 6 %
der laut Höchstmengenverordnung zulässigen Menge an E 160e ausmachen.
Tab. 3.3.7: Vergleich einiger zulässiger Höchstmengen mit effektiv eingesetzten Mengen aufgrund von Herstellerinformationen am Beispiel von E 160e, in
mg/kg bzw. mg/l
Lebensmittel
Chutney
Feingebäck
Fischrogen
Knabbererzeugnisse gesalzen
Nichtalkoholische Getränke
Obstkonserven, rot
Schmelzkäse
Speiseeis
Zuckerwaren
Höchstmenge
500
200
300
100
100
200
100
150
300
realistische Mengen
5
5x
3
6x
5x
4
7x
5x
5x
x …Die gekennzeichneten Lebensmittel werden in der Praxis auch wirklich mit den Mengen
an Farbstoffen versetzt. Alle anderen Angaben wären rein theoretisch sinnvoll, kommen in der
Praxis aber nicht zur Anwendung.
Dies wirkte sich massiv auf die Abschätzung der möglichen Zusatzstoffaufnahme aus. Tab. 3.3.8 zeigt die zu erwartenden Mengen an E 160e, wenn jene
Werte verwendet werden, die die Höchstmengenverordnung vorsieht, in Tab.
3.3.9 sind die Ergebnisse der korrigierten Aufnahmen dargestellt. Dabei wird
deutlich, wie sehr ungenügende Information über Einsatzbereiche von Zusatzstoffen die “Worst-Case”-Schätzung beeinflußt, da die resultierende Aufnahme
unrealistisch hohe Ausmaße erreichte.
---------------------------------------------------------------------19
Hoffmann- La Roche, pers. Mitteilung von Dr. Lützow
3.3 Zusatzstoffe
3.49
Tab. 3.3.8: Rohe, unkorrigierte Aufnahme an Beta-Apo-8’-Carotinal (E 160e)
in mg/d, gruppiert nach Alter
TAT1
125
150
200
250
300
350
350
350
350
< 6 J.
7 - 9 J.
10 - 12 J.
13 - 14 J.
15 - 19 J.
20 - 29 J.
30 - 39 J.
40 - 49 J.
> 50 J.
mw
sd
5.P.
50.P.
95.P.
25
27
33
28
41
72
62
65
55
48
17
34
21
59
70
55
76
49
6
7
5
6
6
14
14
15
16
14
24
23
22
29
50
48
46
41
63
56
104
68
100
190
165
165
137
1 TAT Totale Aufnahme pro Tag. Die Berechnung dieses Wertes basiert auf dem ADI von 5
mg/kg Körpergewicht. Angegeben sind die daraus resultierenden Tagesaufnahmen in mg, wenn
mittlere Körpergewichte herangezogen werden.
Da, wie aus Tab. 3.3.7 ersichtlich ist, nur einige wenige Lebensmittel wirklich
und regelmäßig mit diesen Farbstoffen versetzt werden, lagen die effektiven
Mengen noch niedriger (siehe Werte in Klammern, Tab. 3.3.9).
Tab. 3.3.9: Korrigierte1 Aufnahme an Beta-Apo-8’-Carotinal (E 160e) in mg/d,
gruppiert nach Alter
< 6 J.
7 - 9 J.
10 - 12 J.
13 - 14 J.
15 - 19 J.
20 - 29 J.
30 - 39 J.
40 - 49 J.
> 50 J.
TAT3
125
150
200
250
300
350
350
350
350
mw
2
0.5 (0.3)
0.5 (0.3)2
0.7 (0.3)2
0.6 (0.3)2
0.8 (0.4)2
1.4 (0.7)2
1.3 (0.7)2
1.3 (0.7)2
1.1 (0.7)2
sd
5.P.
50.P.
95.P.
1.0
0.3
0.7
0.4
10.2
1.4
1.1
1.5
1.0
0.1
0.1
0.1
0.1
0.1
0.3
0.3
0.3
0.3
0.3
0.5
0.5
0.5
0.6
1.0
1.0
0.9
0.8
1.3
1.1
2.1
1.4
2.0
3.8
3.3
3.3
2.7
1 …Bei der Korrektur wurden jene Werte eingesetzt, die in Tab. 3.3.7 als real verwendete
Menge an E 160e angegeben werden.
2 …der Ausdruck in Klammern zeigt die mittlere Aufnahme an E 160e, wenn nur jene Lebensmittelgruppen berücksichtigt werden, bei denen dieser Farbstoff regelmäßig verwendet
wird (mit x gekennzeichnete Lebensmittel der Tab. 3.3.7).
3 …TAT Totale Aufnahme pro Tag. Die Berechnung dieses Wertes basiert auf dem ADI von 5
mg/kg Körpergewicht. Angegeben sind die daraus resultierenden Tagesaufnahmen in mg, wenn
mittlere Körpergewichte herangezogen werden.
3.3.4 Ausblick
Bei Befragungen der Bevölkerung nach den ihrer Ansicht nach vorhandenen
Risiken der Ernährung, werden vorrangig Zusatzstoffe genannt. Ihre Einstellung
macht deutlich, daß Zusatzstoffe mit einem sehr schlechten Image behaftet
3.50
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
sind. Lebensmittel, die Zusatzstoffe enthalten, werden oft als qualitäts- und
wertgemindert betrachtet. Daß diese Befürchtungen größtenteils grundlos sind,
wurde an der vorliegenden Auswertung der Aufnahmedaten trotz der “WorstCase-Szenarien“ deutlich. In Anbetracht der hohen Mengen, die für die Berechnung über Stufe 1 und 2 des Monitorings herangezogen werden mußten,
und die nicht den tatsächlich zugesetzten Mengen entsprechen, werden nur in
Ausnahmefällen – und selbst dann nur vom “high consumer” - Aufnahmen erreicht, die den tolerierbaren täglichen Konsum an Zusatzstoffen überschreiten.
Nur wenn Herstellerangaben und Analysendaten zu real verwendeten Zusatzstoffkonzentrationen in einzelnen Lebensmitteln vorliegen, kann eine realitätsnahe Berechnung und damit eine genauere Risikoabschätzung der effektiven
Zusatzstoffaufnahmen erfolgen. Letzteres wird derzeit im Auftrag des Bundeskanzleramts am Institut für Ernährungswissenschaften mit Unterstützung der
amtlichen Lebensmitteluntersuchungsanstalten verwirklicht20. Sinnvoll ist auch,
die österreichische Bevölkerung über den Einsatz von Zusatzstoffen und über
deren Deklaration zu informieren, um auf diese Weise dem Konsumenten die
Möglichkeit einer bewußten und eigenverantwortlichen Produktauswahl zu
ermöglichen.
Zusammenfassung
Aus Sicht der Konsumenten zählen Lebensmittelzusatzstoffe zu den maßgeblichen Gesundheitsrisiken in der heutigen Ernährung. Die Umsetzung der EURichtlinien über die Verwendung von Zusatzstoffen erfordert auch aus diesem
Grund die Etablierung von Screening-Maßnahmen für die Evaluierung der Höhe des Verzehrs einzelner Zusatzstoffe.
Für erste Abschätzungen der Zusatzstoffaufnahme eignete sich die recht vereinfachende Danish-Budget-Methode. Im zweiten Schritt konnte durch Verknüpfung effektiver Verzehrsmengen mit den maximal zugelassenen Höchstmengen
ein “Worst-Case-Szenario” errechnet werden (Höchstmengen liegen i.d.R. weit
über real eingesetzten Mengen), das im Rahmen detaillierterer ScreeningMaßnahmen die Selektion derjenigen Zusatzstoffe ermöglicht, die eingehender
beobachtet werden sollten.
Die Ergebnisse der zweiten Stufe zeigten, daß die Befürchtungen der Konsumenten grundlos sind. Die Aufnahmen durch die meisten Personen liegen bei
einem Bruchteil der ADI-Werte.
Damit eine realitätsnahe Berechnung von effektiven Aufnahmen sowie möglicher additiver Effekte erfolgen kann, muß für alle identifizierten Zusatzstoffe im
nächsten Schritt eine Datenbank mit Hersteller- bzw. Analysendaten zu tatsächlich verwendeten Konzentrationen an Zusatzstoffen in Lebensmitteln erstellt
werden.
---------------------------------------------------------------------20
Ergebnisse der vollständigen Durchführung der Stufe 3 des Zusatzstoff-Monitorings werden
für Ende 1998 erwartet.
3.3 Zusatzstoffe
3.51
Literatur
1. Aberer W (1996): Nahrungsmittel-Allergien und -Intoleranzen - Epidemiologische Studien,
159-162. Wien Klin Wochenschr 108/6.
2. Baltes W (1995): Zusatzstoffe im Lebensmittelverkehr. In: Lebensmittelchemie. SpringerVerlag, Berlin - Heidelberg.
3. Blass M (1995): Grundzüge des harmonisierten Zusatzstoffrechts in der EU, 283-293. Ernährung/Nutrition 19/6.
4. CIAA (1995): The CIAA Food Categorisation System. A tool for the allocation of food additives. Confederation of the Food and Drink Industries of the EU. ADD/385/ 90E Rev.5.
Brüssel.
5. Douglass JS, Barraj LM, Tennant DR, Long WR, Chaisson CF (1997): Evaluation of the
Budget Method for screening Food Additive Intakes. Prepared under the responsibility of
the ILSI Europe Food Chemical Intake Task Force. Food Add. Contamin. 14, No. 8, 791802.
6. Elmadfa I, Muskat E, Fritzsche D (1996): GU Kompaß, E-Nummern, Zusatzstoffe in unseren Lebensmitteln. Gräfe und Unzer GmbH, München, aktualisierte Neuausgabe.
7. Elmadfa I, Zarfl B, König J (1996): Aufnahme an Zusatzstoffen in Österreich - GZ
353.117/0-III/9/96 – Bericht zum Forschungsvorhaben, BM für Gesundheit und Konsumentenschutz, Wien.
8. Europäisches Parlament und Rat der Kommission: Richtlinie Nr. 94/34/EG vom 30. Juni
1994 zur Änderung der Richtlinie 89/107/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten über Zusatzstoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen.
Brüssel 1994, Nr. L237/1-2.
9. Europäisches Parlament und Rat der Kommission: Richtlinie Nr. 94/35/EG vom 30. Juni
1994 über Süßungsmittel, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen. Brüssel 1994,
Nr. L237/3-12.
10. Europäisches Parlament und Rat der Kommission: Richtlinie Nr. 94/36/EG vom 30. Juni
1994 über Farbstoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen. Brüssel 1994, Nr. L
237/13-29.
11. Europäisches Parlament und Rat der Kommission: Richtlinie Nr. 95/2/EG vom 30. Juni
1994 über andere Lebensmittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel. Brüssel 1994,
Nr. L 061/1-40.
12. Europäisches Parlament und Rat der Kommission: Richtlinie Nr. 96/83/EG vom 19. Dezember 1996 zur Änderung der Richtlinie 94/35/EG über Süßungsmittel, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen. Brüssel 1996, Nr. L048/16-19.
13. Europäisches Parlament und Rat der Kommission: Richtlinie 96/85/EG vom 19. Dezember
1996 zur Änderung der Richtlinie 95/2/EG über andere Lebensmittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel. Brüssel 1996, Nr. L086/4.
14. Hallas-Møller T (1995): Using the Budget Method as a quick method identifying food additives for which further monitoring is not warranted on healthy grounds. Scientific Committee for Food, Working Group on Intake and Exposure, for restricted use only,
CS/INT/ADDS/3, Brüssel.
15. Oberritter H (1991): Lebensmittelallergie, 316-326. Zentralblatt für Hygiene und Umweltmedizin 3.
16. SCOOP TASK 4.2 (1995): Food Additive Monitoring, List of permitted Uses for Additives
with Numerical ADIs. SCOOP 31.
17. SCOOP TASK 4.2 (1998): Report on Methodologies for the Monitoring of Food Additive
Intake across the European Union. Scientific Co-operation on Questions relating to Food,
Final Report. WG on Scientific Co-operation, SCOOP/INT/REPORT/2.
3.52
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
18. Walker R, Lützow A, Howlett J, Knowles M (1996): Food Additive Intake: Scientific Assessment of the Regulatory Requirements in Europe. Workshop organized by ILSI Europe.
Food Add. Contamin. 13, 383-476.
3.4 Neuartige Lebensmittel
3.53
3.4 Neuartige Lebensmittel
3.4.1 Einleitung
Als Folge der intensiven Forschung auf dem Gebiet der Pflanzen- und Tierzucht
sowie der Entwicklung neuartiger Verfahren der Herstellung, Verarbeitung und
Haltbarmachung von Lebensmitteln sehen wir uns ständig mit Produkten konfrontiert, die “neu” auf dem Markt sind und über die bislang keine oder nur
wenige praktische Erfahrungswerte vorliegen. Die Voraussetzungen, unter denen diese neuen Erzeugnisse auf den Markt gebracht werden können, haben
sich seit Mai 1997 durch das Inkrafttreten der EU-weit gültigen “Verordnung
des Europäischen Parlamentes und des Rates über neuartige Lebensmittel und
neuartige Lebensmittelbestandteile” (258/97/EG) – kurz „Novel FoodVerordnung“ - drastisch geändert. Mit dem Ziel, einheitliche Bewertungsmaßstäbe für die gesundheitliche Unbedenklichkeit neuartiger Erzeugnisse anzuwenden und einen umfassenden, vorbeugenden Verbraucherschutz zu gewährleisten, schreibt diese Verordnung als einen ihrer wesentlichsten Punkte eine
einheitliche Pre-Marketing-Sicherheitsbeurteilung für neuartige Lebensmittel
und Lebensmittelzutaten vor. Unter dem Begriff “neuartige Lebensmittel” werden zwar meist nur “genmanipulierte” Erzeugnisse verstanden, er umfaßt in
Wahrheit aber eine Palette unterschiedlichster Lebensmittel.
3.4.2 Die Gruppen der neuartigen Lebensmittel
Durch die in all ihren Teilen verbindliche und in jedem Mitgliedsstaat unmittelbar geltende Novel-Food-Verordnung wird festgelegt, welche Produkte auf
dem Markt der Europäischen Union als “neuartige Lebensmittel” zu bezeichnen sind: Sie umfaßt alle Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die in der
Gemeinschaft bisher noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und die sich einer der in Art.1.2 genannten
Gruppen (a-f) von Erzeugnissen zuordnen lassen (Tab. 3.4.1). Nach dem “Wesen ihrer Neuartigkeit” lassen sich die “neuartigen Lebensmittel” zu den Kategorien der biologischen, chemischen und physikalischen Innovationen zusammenfassen (Hugget und Conzelman 1997). Einige Beispiele neuartiger Lebensmittel sind im Anschluß kurz beschrieben.
3.54
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Tab. 3.4.1: Gruppen der neuartigen Lebensmittel
Gruppe
Bezeichnung
(Art. 1.2)
Biologische Innovationen
(a)
Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile,
die gentechnisch veränderte Organismen
(GVO)* enthalten oder aus solchen bestehen
Vertreter
(b)
Enzyme, Hormone, Stärken, Öle,
Zucker
Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile,
die aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt sind, diese aber nicht enthalten
(d)
Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile,
die aus Mikroorganismen, Pilzen oder Algen bestehen oder aus diesen isoliert worden sind
(e)
Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile,
die aus Pflanzen bestehen oder aus Pflanzen oder Tieren isoliert werden, mit Ausnahme jener Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile, die durch traditionelle Vermehrungs- und Züchtungsverfahren gewonnen wurden und deren sicherer Gebrauch sich über Jahre bewährt hat
Chemische Innovationen
(c)
Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile
mit neuer oder gezielt veränderter primärer
Molekülstruktur
Physikalische Innovationen
(f)
Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile,
die einem nicht üblichen Produktionsprozeß unterzogen wurden, welcher nennenswerte Veränderungen in der Zusammensetzung oder Struktur des Lebensmittels
oder Lebensmittelbestandteils mit sich
bringt, die den Nährwert, Stoffwechsel oder
den Gehalt an unerwünschten Inhaltsstoffen
beeinflussen
Tomaten, Maiskörner, Raps, Salami
mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen, Joghurt mit gentechnisch
veränderten Milchsäurebakterien
Lebensmittel aus nicht traditionellen
Rohstoffen, z.B. Single-Cell-Proteine
(SCP), Algen, Plankton, Lupinenmehl
Produkte aus fremden Kulturkreisen,
z.B. geröstete Heuschrecken, Käferlarven, exotische Meeresfrüchte oder
exotisches Obst und Gemüse
akalorische oder energiearme Fettersatzstoffe auf Lipidbasis (z.B. Triglycerid Caprenin Saccharosepolyester
Olestra®), Süßungsmittel (z.B. Trehalose, Thaumatin, Monellin, Miraculin), nicht übliche Kohlenhydrate
neue technische Verfahren für traditionelle Lebensmittel, z.B. Hochdruckpasteurisierung, Bestrahlen mit
ionisierender Strahlung
---------------------------------------------------------------------*Gemäß Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG versteht man unter einem genetisch/gentechnisch
veränderten Organismus jede vermehrungsfähige biologische Einheit, deren genetisches Material so verändert wurde, wie dies unter natürlichen Bedingungen (z.B. durch Kreuzen und/oder
natürliche Rekombination) nicht möglich ist. Für diese Veränderung besteht einerseits die Möglichkeit, in einem Organismus ein vorhandenes Gen zu verstärken, auszuschalten oder zu
verändern, andererseits kann aber auch ein artfremdes Gen, das von anderen Pflanzen, Mikroorganismen oder Tieren stammt, mit Hilfe eines geeigneten Gentransfer-Verfahrens durch stabile Transformation in das Kerngenom der Empfängerzelle integriert werden. Pflanzen und
Tiere, die neue Gene über gentechnische Verfahren erhielten, werden als transgene Organismen bezeichnet.
3.4 Neuartige Lebensmittel
3.55
Ad (a) und (b), Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile, die GVO enthalten
oder aus ihnen hergestellt sind:
Die österreichischen Rechtsvorschriften zur Gentechnik basieren hauptsächlich
auf Rechtsbestimmungen der Europäischen Union. Vor Inkrafttreten der NovelFood-Verordnung gab es in der EU mit Ausnahme der Niederlande keine gesetzlichen Vorschriften, die speziell für das Inverkehrbringen von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten, die aus oder mit GVO hergestellt sind, erlassen
wurden. Falls die Produkte noch lebende GVO enthalten oder solche selbst
darstellen, greift die EWG-Freisetzungsrichtlinie (90/220/EWG) – in nationales
Recht umgesetzt durch die Freisetzungsverordnung - bzw. seit 1994 das nationale Gentechnikgesetz (vorrangig ein Sicherheitsgesetz), ihr Inverkehrbringen
ist genehmigungspflichtig. Im Lebensmittelsektor kann die Gentechnik als
Werkzeug der Lebensmittelverarbeitung, der landwirtschaftlichen Urproduktion und der Lebensmittelkontrolle eingesetzt werden (Tab. 3.4.2).
Tab. 3.4.2: Mögliche Anwendungsgebiete der Gentechnik im Lebensmittelbereich
Lebensmittelverarbeitung
Fermentative Gewinnung von Hilfs- und Zusatzstoffen durch GVO
Herstellung von GVO als Starter-, Schutz- und Indikatorkulturen im Brau- und Backgewerbe,
Fleisch-, Milch-, Obst-, Gemüseverarbeitung,
Frischkostprodukten
Landwirtschaftliche Urproduktion
Züchtung transgener Pflanzen mit eingebrachten
Resistenzen (gegenüber Herbizid-, Virus-, Pilz-,
Nematoden-, oder Insektenbefall) mit Systemen zur
Qualitätsverbesserung bzw. Erhöhung der Lagerfähigkeit landwirtschaftlicher Produkte
Diagnostik und Genomanalyse bei Nutztieren;
Verbesserung der Effizienz und Qualität von Gesundheit, Wachstum, Reproduktion, Fleisch etc.;
indirekt über Futtermittel, Impfstoffe oder Futtermittelzusatzstoffe aus GVO
Lebensmittelkontrolle
Kontrolle der Prozeßtechnik sowie Hygiene und
Qualität von Lebensmitteln
Nachweis gentechnisch veränderter Lebensmittel
z.B. Enzyme (Amylase, Labenzym etc.), Geschmacksverstärker, Süßstoffe, Aromen,
Vitamine
z.B. Milchsäurebakterien, Hefen, Schimmelpilze
z.B. Tomate mit verzögerter
Reifung, virustoleranter Kürbis,
insektentolerante Kartoffel und
Mais, herbizidtoleranter oder
verändertes Fettsäuremuster
aufweisender Raps,
z.B. „Gene farming“ (Pharmaka,
Enzyme und Proteinrohstoffe,
Babynahrung, diätetische Produkte), Organspender für Transplantationen
z.B. Veränderung des Phänotyps
bzw. Genotyps, neu synthetisierte Stoffwechselprodukte,
immunologische Verfahren,
3.56
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Ad (f), neue technische Verfahren an traditionellen Lebensmitteln:
Bei der Behandlung von Lebensmitteln mit ionisierender Strahlung, die zum
Schutz vor Pathogenen und Parasiten in Nahrungsmitteln dient, wird Energie
als kurzwellige Gamma-, Röntgen- oder Elektronenstrahlung auf das Lebensmittel übertragen und wirkt über die ausgelöste Ionisierung im Gut. Die Besonderheit dabei ist, daß Mikroorganismen wie z.B. Salmonellen, Shigellen und
Listerien trotz geringer Erwärmung des Lebensmittels effektiv abgetötet werden
können und das Risiko von Lebensmittelvergiftungen praktisch ausgeschaltet
wird.
Die Lebensmittelbestrahlung ermöglicht, auf chemische Verfahren der Haltbarmachung zu verzichten und den Verlust oder Verderb vieler Lebensmittel
zu verhindern oder zumindest zu verzögern, eignet sich jedoch, wie andere
Verfahren auch, nicht für alle Lebensmittel gleichermaßen. Hitzeempfindliche
Lebensmittel können strahlensterilisiert werden, eine mögliche Maßnahme z.B.
bei der Zubereitung von Krankenhauskost für Immunpatienten.
Derzeit ist die Bestrahlung weltweit in einigen Ländern, z.B. in den USA, in der
EU in Frankreich, Belgien und den Niederlanden zulässig und wird dort auch
kommerziell genutzt. Ebenfalls erlaubt, ist die Behandlung mit ionisierenden
Strahlen in Großbritannien, Spanien, Italien und Dänemark, wird in der Praxis
jedoch noch nicht durchgeführt. Spätestens ab dem Jahr 2002 müssen alle EUMitgliedsstaaten das Inverkehrbringen von bestrahlten Gewürzen und Gewürzkräutern ermöglichen, bis dahin hält Österreich sein Verbot zur Einfuhr bestrahlter Lebensmittel aufrecht. Derartige Produkte unterliegen dann einer
Kennzeichnungspflicht, allerdings nur, wenn der bestrahlte Inhaltsstoff zu mehr
als 2% im Lebensmittel enthalten wäre (= Nachweisgrenze).
3.4.3 Die Sicherheitsbeurteilung neuartiger Lebensmittel
Bei Untersuchungen bezüglich Lebensmittelsicherheit wurde früher das Hauptaugenmerk auf Lebensmittelzusatzstoffe, auf die Auswirkungen von Verarbeitungsprozessen sowie auf eventuelle Verunreinigungen natürlichen oder industriellen Ursprungs gerichtet. Es bestand keine Notwendigkeit für eine systematische ernährungsphysiologische und toxikologische Untersuchung der Nahrung, mit Ausnahme jener Fälle, bei denen akut oder chronisch toxische Effekte
am Menschen mit dem Verzehr eines bestimmten Lebensmittels in Zusammenhang gebracht werden konnten (Kommission der Europäischen Union 1997)
Um zu gewährleisten, daß ein neuartiges Lebensmittel, dessen Sicherheit nicht
erfahrungsgemäß als gegeben angenommen werden kann, für die menschliche
Ernährung als “wholesome” - also aus toxikologischer wie auch aus ernährungswissenschaftlicher Sicht als “unbedenklich”- bezeichnet werden kann,
muß vor dem Inverkehrbringen die Sicherheit und ernährungsphysiologische
Qualität des Lebensmittels nachgewiesen werden.
3.4 Neuartige Lebensmittel
3.57
Da Lebensmittel nicht definierte chemische Verbindungen, sondern vielmehr
komplexe Mischungen unterschiedlichster Komponenten sind, und etablierte
metabolische und pharmakokinetische Studien oft nur bedingt und unter Einschränkungen auf ganze Lebensmittel anwendbar sind, ist die Sicherheitsbewertung von Lebensmitteln schwierig. Die genannten Probleme sowie die Unterschiedlichkeit der einzelnen Gruppen der Novel Foods machten es notwendig, Überlegungen anzustellen, wie allgemein an die Bewertung neuartiger
Lebensmittel heranzugehen sei. Es mußte eine Strategie entwickelt werden, die
zur Vereinfachung der Sicherheitsbeurteilung dient und gleichzeitig der besonderen Situation dieser Produktgruppe Rechnung trägt.
3.4.4 Das Konzept der substantiellen Äquivalenz
Im Jahre 1992 wurde von der “Food Safety Working Group of the OECD´s
Group of National Experts in Safety in Biotechnology" das “Konzept der substantiellen Äquivalenz” entwickelt. Das Prinzip dieses Konzepts, dessen Grundidee von der WHO&FAO stammt (WHO 1991), besteht darin, daß ein herkömmliches Lebensmittel oder die entsprechende Lebensmittelquelle (ein bereits bestehender, als unbedenklich angesehener Organismus) als Vergleichsbasis herangezogen wird, der gegenüber die toxikologischen und ernährungsphysiologischen Eigenschaften des neuartigen Lebensmittels bewertet werden. Das
Konzept der substantiellen Äquivalenz wird von Experten verschiedener Organisationen, die sich mit der Sicherheitsbeurteilung neuartiger Lebensmittel befassen, übereinstimmend als wesentlichstes Element der Bewertung anerkannt,
der Begriff “substantiell äquivalent” 21 wird jedoch zum Teil unterschiedlich
interpretiert. Er ist dahingehend ausgelegt, die Sicherheitsbeurteilung des neuartigen Lebensmittels auf die Unterschiede zwischen diesem und einem vergleichbaren, als sicher akzeptierten, traditionellen “Referenzlebensmittel” zu
konzentrieren. Dadurch ist es in vielen Fällen möglich, auch ohne extensive
zusätzliche toxikologische und ernährungsphysiologische Tests, ein neuartiges
Lebensmittel toxikologisch und ernährungsspezifisch zu bewerten (ILSI 1996).
Wenn ein neuartiges Lebensmittel im Vergleich zu seinem traditionellen Gegenstück für “substantiell äquivalent” - also “im wesentlichen gleichwertig” befunden wird, kann es als genauso “sicher” und unbedenklich wie sein Vergleichsobjekt angesehen und dementsprechend verwendet werden. Der Wahl
des traditionellen, “sicheren” Lebensmittels, dessen Eigenschaften mit jenen des
neuartigen Produkts verglichen werden, kommt bei der Anwendung dieses
Konzepts entscheidende Bedeutung zu. Als allgemeine Voraussetzung, um als
Vergleichsobjekt und “Sicherheitsstandard” dienen zu können, muß das traditionelle Lebensmittel bezüglich Zusammensetzung, Struktur, Funktion und Art
der Verwendung ausreichende Ähnlichkeit mit dem neuartigen Lebensmittel
besitzen (WHO 1995). Substantielle Äquivalenz an sich gewährleistet keine
---------------------------------------------------------------------21
substantially equivalent
3.58
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Unbedenklichkeit des Lebensmittels. Wenn keine substantielle Äquivalenz
nachgewiesen werden kann, impliziert das umgekehrt nicht, daß gesundheitliche Probleme von vornherein zu erwarten sind (Knudsen 1995).
Auch vom rechtlichen Standpunkt aus (Novel-Food-Verordnung) spielt der Begriff “substantially equivalent” eine nicht unwesentliche Rolle. Gemäß Artikel 3
Absatz 4 stellt er eine Voraussetzung dafür dar, daß ein Lebensmittel oder eine
Lebensmittelzutat der Gruppe (b), (d) oder (e) nach dem vereinfachten Art.5Verfahren (“Notifizierungsverfahren”) auf den Markt gebracht werden kann22.
Das Konzept der substantiellen Äquivalenz dient bei der ernährungsphysiologischen Prüfung ebenfalls lediglich der Identifizierung von Unterschieden zwischen der ernährungsphysiologischen Qualität – den Eigenschaften und Merkmalen - sowie den möglichen gesundheitlichen Folgen der Inverkehrbringung
des neuartigen Lebensmittels und jenen seines traditionellen Gegenstücks. Besonders zur Abschätzung der Auswirkungen der Einführung des Neuartigen
Lebensmittels in die menschliche Ernährung sind z.T. zusätzliche Informationen notwendig, die durch Untersuchungen oder einfache Überlegungen außerhalb des Prüfungsverfahrens zur Feststellung von substantieller Äquivalenz
einzuholen sind. Die daraus resultierenden Erkenntnisse leisten einen ergänzenden und durchaus wichtigen Beitrag zur Bewertung der “wholesomeness”
des neuartigen Lebensmittels.
Die Prüfung kann nur auf einer “case-by-case”-Basis erfolgen, weshalb die in
Tab. 3.4.3 angeführten Parameter nur als Richtlinie zu verstehen sind bzw. einen Überblick gewähren sollen, welche Aspekte prinzipiell zu beachten wären. Es muß letztlich jeweils für den Einzelfall anhand der Hintergrundinformationen über das betreffende Lebensmittel entschieden werden, welche Parameter von Bedeutung sind und eine genauere Untersuchung erfordern.
---------------------------------------------------------------------22
“Abweichend von Absatz 2 gilt das Verfahren des Artikels 5 für Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 Buchstabe b), d) und e), die....hinsichtlich ihrer
Zusammensetzung, ihres Nährwerts, ihres Stoffwechsels, ihres Verwendungszwecks und ihres
Gehalts an unerwünschten Stoffen den bestehenden Lebensmitteln oder Lebensmittelzutaten
im wesentlichen gleichwertig sind.”
3.4 Neuartige Lebensmittel
3.59
Tab. 3.4.3: Parameter zur Beurteilung, inwieweit die ernährungsphysiologische Qualität des zu testenden Lebensmittels jener des Referenzlebensmittels
entspricht (Loitzl und Elmadfa 1998)
Chemische Zusammensetzung
Phänotypische Eigenschaften
Art der Verwendung
Erwartetes Konsumausmaß
Toleranz
Ziel- und potentielle Risikogruppen
Verdauung, Absorption und Stoffwechsel, Bioverfügbarkeit von Nährstoffen
Bei der Sicherheitsprüfung eines neuartigen Lebensmittels sind allerdings auch
Fragen zu beantworten, die sich nicht in einem Vergleich von Werten oder
Eigenschaften darstellen lassen. Dazu zählen z.B. Auswirkungen auf die Nährstoffaufnahme und das Ernährungsverhalten, wobei letztere in jedem Fall durch
ständige Beobachtung der Marktsituation und durch laufende Erhebungen der
Verzehrsgewohnheiten der Konsumenten zu erfassen sind, mögliche Effekte auf
die intestinale Flora und Langzeiteffekte mit Daten aus der “post-marketing surveillance” (Elmadfa 1998).
3.4.5 Einstellung zu Gentechnologie und gentechnisch veränderten
Lebensmitteln in Österreich
Im Herbst 1996 wurden im Rahmen der Erhebung “Einstellungen zu Lebensmitteln bei Erwachsenen in Österreich” vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien Erwachsene der städtischen und ländlichen Bevölkerung (n=700) mittels Fragebögen u.a. zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln befragt. Inhaltliche Schwerpunkte des Fragebogens waren das Wissen der
Bevölkerung über Gentechnologie allgemein, ihre Akzeptanz gentechnisch
veränderter Lebensmittel sowie Anforderungen an die Kennzeichnung (Elmadfa
und Weiss 1997).
Zum Thema gentechnisch veränderte Lebensmittel fühlten sich 84% der Befragten unzureichend informiert. Umfragen haben gezeigt, daß Konsumenten eher
bereit wären, derartige Lebensmittel zu akzeptieren, wenn sie über entsprechende Informationen verfügten. Ein Problem dieser Informationsvermittlung
ist die vorherrschende negative Grundeinstellung gegenüber der Gentechnologie sowie die selektive Informationswahrnehmung, die dazu tendiert, vorgefaßte Meinungen zu bestätigen. Die österreichische Bevölkerung bezieht Informationen zur Bio- und Gentechnologie in erster Linie aus den Massenmedien
(73% aus Radio und Fernsehen, 41% aus Zeitungen und Illustrierten), wobei
die Diskussion dort stark polarisiert verläuft und den Konsumenten nur selten
sowohl die Vor- als auch die Nachteile erläutert werden (Wessels et al. 1996).
Hinzu kommt, daß nicht allen Informationsquellen die gleiche Glaubwürdigkeit zugestanden wird und jene von Umwelt- und Konsumentenschutzorganisa-
3.60
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
tionen weit höher eingestuft wird als diejenige von Industrie und staatlichen
Behörden.
Hinsichtlich der einzelnen Anwendungsfelder der Gentechnologie konnten
erheblich voneinander abweichende Einstellungen identifiziert werden: Während der Einsatz der Gentechnologie bei Medikamenten (41%) und bei der
medizinischen Diagnose (37%) eher akzeptiert wurde, stieß sie in der Pflanzenund Tierproduktion (83 bzw. 95%) überwiegend auf Ablehnung. Für diese differenzierte Betrachtung war einerseits das größere Vertrauen in medizinische
Institutionen und andererseits die unterschiedliche Wahrnehmung des NutzenRisiko-Verhältnisses ausschlaggebend.
Etwa 86% der Befragten stuften ihre Einstellung zur Gentechnologie als negativ
ein, 92% gaben an, keine gekennzeichneten gentechnisch veränderten Lebensmittel kaufen zu wollen (Abb. 3.4.1).
3.4 Neuartige Lebensmittel
3.61
"Würden Sie gentechnisch modifizierte Lebensmittel kaufen?"
8%
ja
Abb. 3.4.1:
Österreich
92%
nein
Kaufbereitschaft für gentechnisch modifizierte Lebensmittel in
Männer befürworteten den Einsatz der Gentechnologie in der Lebensmittelproduktion eher als Frauen, wobei sich letztere im allgemeinen auch intensiver mit
Fragen der Gesundheit und Produktionsweise von Lebensmitteln auseinandersetzten. Eine eher positive Haltung konnte auch bei jüngeren und höher gebildeten Personen festgestellt werden. Ein internationaler Vergleich bezüglich
Kaufbereitschaft gentechnisch veränderter pflanzlicher Lebensmittel zeigte, daß
Österreich im Vergleich zu anderen Ländern an letzter Stelle lag: Im Gegensatz
zu Kanada, den USA und Portugal, wo beinahe drei Viertel der Befragten diesen Produkten zustimmen, würden nur 22% der Österreicher mittels Gentechnik insektenresistent gewordene, pflanzliche Lebensmittel kaufen (Abb. 3.4.2).
"Würden Sie pflanzliche Lebensmittel kaufen, die durch Gentechnik
gegen Insektenbefall widerstandsfähig gemacht wurden?"
80
60
74 73
71 69
64 63 62
60 59 59
40
55 55 53
51 50 49
43
30
20
22
F
ES
P
G
R
FI
N
D
K
IT
A
SW
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IR
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R
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X
FR
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A
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T
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N
L
U
K
B
EL
P
JP
C
D
N
U
SA
0
Abb. 3.4.2: Kaufbereitschaft für gentechnisch veränderte, pflanzliche Lebensmittel im Internationalen Vergleich (Hoban 1997)
Die Methoden der Herstellung und die Produkte selbst sind den Konsumenten
unbekannt und es liegen keine Erfahrungswerte vor – mit ein Grund für das
große Unbehagen, das ihnen gentechnisch veränderte Lebensmittel bereiten.
Eine gentechnologische Veränderung wird noch eher bei “Genußmitteln” wie
3.62
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Bier und Süßigkeiten als bei Grundnahrungsmitteln wie Milchprodukten,
Fleisch und Brot toleriert (Abb. 3.4.3).
Aus Sicht der österreichischen Befragten wurde in erster Linie die Unsicherheit
diesen Produkten gegenüber und die Unnatürlichkeit der Lebensmittel (jeweils
knapp 30% der Antworten) sowie ökologische Risiken (knapp 1/5 der Antworten) als Beweggründe für die Ablehnung gentechnisch veränderter Produkte
genannt. Weitere Einwände waren die Angst vor möglicher Gesundheitsgefährdung und ethische Bedenken (jeweils ca. 15%). Frauen hatten größere Bedenken, daß gentechnologisch veränderte Produkte ungesund seien (29%), während Männer eher ökologische Risiken befürchteten (48%) bzw. die Produkte
insgesamt als unsicher bewerteten (51%).
"Bei welchen Lebensmitteln würden Sie gentechnisch modifizierte
Produkte eher tolerieren?"
100%
Prozent der befragten Österreicher
eher ja
eher nein
80%
60%
40%
20%
h
ilc
h
sc
ei
M
e
Fl
äs
K
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gh
Jo
B
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em
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e
Ö
G
ja
So
Sü
ßi
gk
ei
B
te
ie
r
n
0%
Abb. 3.4.3: Unterschiedliche Akzeptanz der Gentechnologie in Abhängigkeit
vom Lebensmittel
Jener geringe Teil der Bevölkerung, der angab, gentechnisch veränderte Lebensmittel zu kaufen (8% der Stichprobe), nannte die längere Haltbarkeit (69%)
und daß Zusatzstoffe ersetzt werden könnten (48%) als mögliche Vorteile. Von
geringerer Bedeutung waren der gute Geschmack, ein niedrigerer Preis und ein
geringerer Energiegehalt (s. Tab.3.4.4).
Im Vergleich zu anderen Ländern wurden bei Österreichern relativ große Vorbehalte in Hinblick auf das durch gentechnische Veränderung von Lebensmitteln entstehende Gesundheitsrisiko festgestellt: als ernstzunehmend hoch
schätzten es etwa 60% der Österreicher, Schweden, Portugiesen und Deutschen ein, während diese Ansicht z.B. nur 30% der Italiener und etwa 20% der
US-Bevölkerung teilte.
3.4 Neuartige Lebensmittel
3.63
Tab. 3.4.4: Gründe für die Akzeptanz bzw. Ablehnung gentechnisch veränderter Lebensmittel
JA, gekennzeichnete, gentechnisch
veränderte Lebensmittel würde ich
kaufen, weil...
...sie länger haltbar sind.
69%23
NEIN, gekennzeichnete, gentechnisch
veränderte Lebensmittel würde ich
NICHT kaufen, weil...
...sie unnatürlich sind.
28%24
...sie Zusatzstoffe ersetzen.
...sie weniger Kalorien enthalten.
...sie schöner aussehen und
besser schmecken.
...sie billiger sind.
...ich mich unsicher fühle.
...sie ökologisch bedenklich
sind.
...ich es aus ethischen Gründen
nicht vertreten kann.
...sie die Gesundheit gefährden.
48%
19%
17%
15%
26%
17%
15%
14%
69% der befragten österreichischen Bevölkerung wünschten sich zusätzlich
zum Hinweis “enthält gentechnisch erzeugte Lebensmittel” Informationen über
den Unterschied zum herkömmlichen Produkt, 60% wollten wissen, wie hoch
der Anteil des gentechnisch hergestellten Lebensmittels am gesamten Produkt
ist. Von 26% der Befragten wurden zusätzlich Angaben zum Herstellungsland
und von 16% Hinweise zum Energie- und Nährstoffgehalt gewünscht (Abb.
3.4.4).
"Welche Informationen würden Sie sich auf der Verpackung zusätzlich zum Hinweis
'enthält gentechnisch erzeugte Lebensmittel' wünschen?"
Unterschied zum konventionellen Produkt
69
Anteil, der aus der GT-Produktion stammt
Herstellungsland
60
26
Energiegehalt, Nährwerte 16
% der befragten Österreicher
Abb. 3.4.4: Anforderungen an die Kennzeichnung gentechnisch veränderter
Lebensmittel
Eine offene Deklaration wäre sowohl im Interesse der Verbraucher, die eine
freie Wahl treffen könnten, als auch im Interesse des Handels zu begrüßen. Die
---------------------------------------------------------------------23
Prozentsätze beziehen sich auf die 8% der Befragten, die gekennzeichnete, gentechnisch
modifizierte Lebensmittel kaufen würden.
24
Prozentsätze beziehen sich auf die 92% der Befragten, die gekennzeichnete, gentechnisch
modifizierte Lebensmittel NICHT kaufen würden.
3.64
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Kennzeichnung kann allerdings nicht als alleinige Informationsquelle dienen.
Eine Reihe von begleitenden Informationsmaßnahmen werden notwendig sein,
um eine eindeutige Aussage dieser Bezeichnungen in der Bevölkerung zu erreichen (Janssen et al. 1997).
3.4.6 Ausblick
Obwohl die Methoden der Gentechnik bereits etabliert sind, sind mit ihnen
hergestellte Lebensmittel wenig bekannt, und es liegen keine Erfahrungswerte
vor. Durch die Möglichkeiten des freien Gentransfers über die Artgrenzen hinweg befürchten Österreichs Verbraucher unvorhersehbare und unabschätzbare
Risiken für ihre Gesundheit und die Umwelt.
Erhebungen zufolge ist für den Konsumenten ein unmittelbarer, persönlicher
Nutzen neuartiger Lebensmittel kaum nachvollziehbar, zumal qualitativ hochwertige und preisgünstige Lebensmittel in ausreichenden Mengen jederzeit
verfügbar sind. Die Vorteile von Produkten aus GVO scheinen vorwiegend bei
den Herstellern und übergeordnet in einer umweltverträglicheren Produktion
zu liegen. Gentechnisch veränderte Lebensmittel der 2. Generation (z.B. Produkte mit erhöhtem Ballaststoffgehalt, natürlichen Antioxidantien, verändertem
Fettsäuremuster sowie diätetische und hypoallergene Nahrungsmittel) werden
auch einen ersichtlichen Nutzen für den Konsumenten aufweisen (Jany 1997).
Allerdings herrschen in der Bevölkerung Verständnisprobleme zum Thema
Gentechnologie. Die österreichische Erhebung zeigte u.a., daß die Kaufbereitschaft für ein gentechnisch modifiziertes Produkt anstieg, wenn über das Lebensmittel informiert wurde. Im Rahmen einer sachlichen Aufklärung sollte
dem Recht des Verbrauchers nach Information nachgekommen werden.
Laut Novel-Food-Verordnung ist eine Etikettierung von Lebensmitteln mit der
Bezeichnung „gentechnikfrei“ möglich. Die freiwillige Kenntlichmachung
könnte allerdings leicht zur Verbrauchertäuschung führen, so lange der Begriff
„gentechnikfrei“ von der EU-Kommission nicht klar definiert ist.
Trotz der Schwierigkeit, einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen
einer gesundheitlichen Beeinträchtigung und dem Verzehr eines neuartigen
Lebensmittels nachzuweisen (Katzek und Gassen 1998), ist die Durchführung
einer post-marketing surveillance für neuartige Lebensmittel in jedem Fall zu
empfehlen, da nur ein Überwachungsprogramm nach dem Inverkehrbringen
des Produkts dazu geeignet ist, über langfristige Auswirkungen des Verzehrs
Auskunft zu geben. Es erlaubt sowohl die Kontrolle ernährungswissenschaftlich
relevanter Aspekte als auch eine weitere Überprüfung der Unbedenklichkeit
der Erzeugnisse. Erst dadurch wird es möglich, auf eventuell auftretende, unerwartete und unerwünschte Effekte durch entsprechende Maßnahmen zu reagieren.
Neuartige Lebensmittel, die den Anforderungen der Novel-Food-Verordnung
entsprechen, sind sichere Produkte und stellen ebenso wie die traditionellen
3.4 Neuartige Lebensmittel
3.65
Erzeugnisse bei richtigem Ernährungsverhalten keine Bedrohung für unsere
Gesundheit dar.
Zusammenfassung
Die derzeit geringe Akzeptanz neuartiger Lebensmittel und im speziellen gentechnisch modifizierter Lebensmittel in der österreichischen Bevölkerung läßt
sich großteils dadurch erklären, daß viele Konsumenten die gesundheitliche
Unbedenklichkeit dieser Produkte bezweifeln und sie als unsicher und unnatürlich ansehen. Während die Gentechnik von Österreichern auf dem Gebiet
der Medizin eher akzeptiert wird, stößt sie im Bereich der Lebensmittelproduktion fast ausschließlich auf Ablehnung.
Weltweit ist die Anwendung der Gentechnik jedoch so weit fortgeschritten,
daß immer mehr gentechnisch hergestellte Lebensmittel oder Rohstoffe in Verkehr gebracht werden können. Da sie aufgrund des gemeinsamen EU-Marktes
und anderer Handelsverflechtungen demnächst auch auf unseren Markt gelangen werden, ist vor allem die Frage nach der Unterscheidung von konventionellen Lebensmitteln (Kennzeichnung) sowie nach Nutzen der Gentechnik,
Akzeptanz und Nachfrage der Produkte in den Vordergrund getreten.
Mit Verabschiedung der Novel-Food-Verordnung sind die Bedingungen für das
Inverkehrbringen und die Kennzeichnung neuartiger Lebensmittel geregelt. Um
der Forderung nach einem sowohl aus toxikologischer wie auch aus ernährungswissenschaftlicher Sicht unbedenklichen Lebensmittel gerecht zu werden,
ist es unerläßlich, neben einer Feststellung der toxikologischen Sicherheit auch
die ernährungsphysiologische Qualität des Novel Foods zu bewerten. Die
Durchführung der Sicherheitsbewertung muß in allen EU-Staaten nach den
gleichen strengen Maßstäben erfolgen und das Ergebnis wissenschaftlich nachvollziehbar sein. Die Strategien zur Sicherheitsbeurteilung basieren auf dem
Konzept der „substantiellen Äquivalenz“ der OECD.
Sachgerechte, emotionsfreie Information zur Sicherheitsbeurteilung, eine klare
und nicht vordergründig diskriminierende Kennzeichnung sowie eine konsequente und effiziente Überwachung derartiger Lebensmittel sind für eine breitere Akzeptanz unabdingbar.
3.66
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Literatur
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on “The Novel Foods Regulation in the European Union - Integrity of the Process of Safety
Evaluation” (BgVV, Hrsg), Berlin, 253-258.
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Lebensmitteln in Österreich. Ernährung/Nutrition Vol. 21/Nr.10, 426-429.
3. Europäisches Parlament und Rat der Kommission: Verordnung (EG) Nr. 258/97 vom 27.
Jänner 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten. Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften Nr. L 43/1-6.
4. Europäisches Parlament und Rat der Kommission: Richtlinie Nr. 90/220/EWG vom 23.
April 1990 über die absichtliche Freisetzung von genetisch veränderten Organismen in die
Umwelt. Brüssel 1990, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 117/15.
5. Hoban TH (1997): Consumer acceptance of biotechnology: An international perspective.
Nature Biotechnology Vol. 15, 232-234.
6. Hugget AC, Conzelmann C (1997): EU regulation on novel foods: Consequences for the
food industry. Trends in Food Science & Technology Vol. 8, 133-139.
7. International Life Sience Institute (ILSI) (1996): The Safety Assessment of Novel Foods Guidelines prepared by ILSI Europe Novel Food Task Force. Food and Chemical Toxicology 34, 931-940.
8. Janssen I, Schmatzberger A, Hittinger H, Mraz G (1997): Möglichkeiten und Grenzen der
Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel. Endbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz. Ökologieinstitut für angewandte
Umweltforschung (Hrsg.), Wien.
9. Jany KD (1997): Gentechnik bei Lebensmitteln – Eine Chance oder die Bedrohung? Akt.
Ernähr.-Med. 22, 357-365.
10. Katzek J, Gassen HG (1998): Anforderungen an ein System zur Bewertung möglicher
Langzeitschäden durch den Einsatz gentechnischer Methoden im Lebensmittelbereich. Ernährungs-Umschau 45, Heft 1, 4-7.
11. Knudsen I (1995): Conventional foods vs. Genetically modified foods: Present knowledge
and possible safety issues. In Erbersdobler H (Hrsg.): Gentechnik und Lebensmittel. Wissenschaftl. VerlagsgesmbH, Stuttgart 104-116.
12. Kommission der Europäischen Union (1997): Empfehlungen der Kommission vom 29.Juli
1997 zu den wissenschaftlichen Aspekten und zur Darbietung der für Anträge auf Genehmigung des Inverkehrbringens neuartiger Lebensmittel und Lebensmittelzutaten erforderlichen Informationen sowie zur Erstellung der Berichte über die Erstprüfung gemäß der Verordnung (EG) Nr.258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates.
Amtsblatt Nr. L 253/1 (16.9.1997).
13. Loitzl G, Elmadfa I (1998): Das Konzept der substantiellen Äquivalenz bei der ernährungsspezifischen Sicherheitsbeurteilung neuartiger Lebensmittel. Ernährung/Nutrition Vol. 22
Nr.7/8, 1998, 293-302.
14. Wessels HP, Mathys P, Brauchbar M (1996): Biotechnologie und Lebensmittel – Akteure,
Einstellungen und Werte in der Schweiz. Technology Assessment TA 16, 1996, Schweizer
Wissenschaftsrat.
15. WHO (1991): Strategies for assessing the safety of foods produced by biotechnology. Report of a Joint FAO/WHO Consultation. World Health Organisation, Genf 1991.
3.4 Neuartige Lebensmittel
3.67
16. WHO (1995): Application of the Principles of Substantial Equivalence to the Safety Evaluation of Foods or Food Components From Plants Derived by Modern Biotechnology. Report
of a WHO Workshop, World Health Organisation, Food Safety Unit, Geneva 1995.
3.68
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
3.5 Light-Produkte
Mit Übergewicht als Folge unserer Wohlstandsgesellschaft sind nicht nur wesentliche gesundheitliche Risiken und eine Verminderung der Lebensqualität,
sondern auch explodierende Kosten im Gesundheitssystem verbunden. Zahlreiche Methoden wurden entwickelt, um dieses Problem zu bewältigen. Eine
davon ist der Einsatz von Light-Produkten.
3.5.1 Begriffsbestimmung, Abgrenzung und rechtliche Aspekte
Der Begriff "light" bzw. “leicht” ist im deutschen Sprachraum vielschichtig anwendbar, seine Bedeutung reicht von Gewichtsangaben über Charaktereigenschaften bis zur Einstufung von Schwierigkeitsgraden und vielem mehr. Bei
Lebensmitteln signalisiert "light" meist eine dem Bedarf angepaßte Abweichung
vom jeweiligen Standardprodukt und wird häufig im Sinne von "energiereduziert" verstanden, könnte aber ebenso "leicht bekömmlich", "leicht verdaulich",
"weniger konzentriert" und ähnliches bedeuten. Die Auslobung "light" auf
Verbrauchsgütern ist demnach ein Erkennungszeichen, das auf eine Ware hinweist, die spezielle Verbraucheranforderungen erfüllen soll, aber nicht zwingend ein Hinweis auf die Reduktion des Energie- und Nährstoffgehalts und
kann daher auch nicht als absolute (z.B. "kalorienarm") oder relative ("kalorienreduziert") Aussage eingestuft werden (Blass 1993).
Der österreichischen Gesetzeslage zufolge ist die Kennzeichnung "light" zwar
auch bei Vorhandensein bzw. geringerem Gehalt einer oder mehrerer Zutaten
nicht vorgeschrieben, sondern freiwillig gewählt, ermöglicht aber Rückschlüsse
auf Art und Beschaffenheit des Lebensmittels und gibt damit einen Umstand an,
der nach Verkehrsauffassung und Verbrauchererwartung wesentlich ist. Eine
derartige Angabe darf nach §8 LMG 1975 keine Irreführung und Täuschung
des Verbrauchers bewirken. Obwohl horizontale (für mehrere Lebensmittel
geltende) Regelungen für Light-Produkte zu begrüßen wären, gilt in Österreich
seit jeher eine vertikale (produktbezogene) Betrachtungsweise, die spezifische
Anforderungen an leichte Milch und Milchprodukte, Konfitüre und andere
Obsterzeugnisse, fettarme Würste, Mayonnaisen, Salatsoßen, Ketchup und Bier
in einzelnen Codexkapiteln (ÖLMB 1989, 1990, 1992, 1995) festlegt.
Auch auf den Märkten der Europäischen Union gibt es bisher keine gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften für Light-Produkte. Gemäß Art. 4 Z6 des EUArbeitspapiers des Verbraucherschutz-Services vom 26.6.1992 soll der Begriff
“light” bei nährwertbezogenen Aussagen nur für energiearme oder energiereduzierte Produkte verwendet werden, wobei die Voraussetzungen dafür im
einzelnen festgelegt werden. Anders als bisher wird nach neuerer Nährwertkennzeichnungs-Verordnung der EU-Richtlinie (90/496/EWG) allgemein jede
“besondere Nährwerteigenschaft” sowohl in Bezug auf Energie- als auch auf
3.5 Light-Produkte
3.69
Nährstoffgehalt als nährwertbezogene Angabe definiert (Mrohs 1995). EURegelungen zufolge bedeutet der Begriff “brennwertvermindert” mindestens
30% weniger Energie gegenüber dem ursprünglichen Lebensmittel oder einem
gleichartigen Erzeugnis. Eine Empfehlung des Europaparlaments zielt auf eine
Mindestenergiereduktion von 33% hin, während der Codex Alimentarius unter
“energiereduziert” eine 25%-ige Reduktion versteht (Keszthelyi 1993). Nach
österreichischem Gesetz ist das Vergleichslebensmittel eines der gleichen Produktgattung, gleichen Produktbezeichnung und gleichen ernährungsphysiologischen Funktion, während die Änderungsvorschläge der EU flexibler sind und
auch das unveränderte Lebensmittel selbst als Vergleichslebensmittel zulassen.
Für sog. “Lebensmittel für eine kalorienarme Ernährung zur Gewichtsverringerung”, die eine Tagesration ganz oder teilweise ersetzen sollen, gilt die Richtlinie 96/8/EG der Kommission vom 26.2.1996, die eine Reihe von Vorschriften
betreffend Zusammensetzung und Etikettierung umfaßt und eine Einzelrichtlinie basierend auf der Richtlinie über die Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften über Lebensmittel für die besondere Ernährung (89/398/EWG) darstellt.
Inhaltsstoffe von Light-Produkten (s.u.) sind einerseits in der EUSüßungsmittelrichtlinie (94/35/EG bzw. 96/83/EG) und andererseits in der EU“Miscellaneous”-Richtlinie (95/2/EG), die alle übrigen Zusatzstoffe - außer Süßstoffe und Farbstoffe - beschreibt, geregelt (s.a. Kap. 3.3).
3.5.2 Möglichkeiten zur Energiereduktion
Bei der Entwicklung von energiereduzierten Lebensmitteln spielt die richtige
Auswahl von Emulgatoren, Stabilisatoren, Verdickungsmitteln und ähnlichen
Zusatzstoffen eine große Rolle. So können Emulgatoren wie Lecithin oder Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren in fettreduzierten Light-Produkten
kleine Mengen Fett durch bessere Fettverteilung subjektiv mehr erscheinen lassen (fettsparender Effekt) und in vielen Lebensmitteln Teile oder das gesamte
Fett ersetzen.
Sog. Fettersatzstoffe haben meist ebenfalls Emulgatorfunktion. Hierbei kann
zwischen Fettersatzstoffen auf Kohlenhydrat-Basis (z.B. Stärken, Maltodextrine,
Zellulosen, Pektine, Glucane, Inulin), Fettersatzstoffen auf Protein-Basis (mikropartikuliertes Ei- oder Molkenprotein, mikropartikuliertes Zein, Gelatine)
und Mischungen derselben sowie synthetischen Fettersatzstoffen unterschieden
werden. Bei letzteren wird der Fettanteil im Lebensmittel durch einen anderen
Stoff in vergleichbaren Gewichtsverhältnissen ersetzt, während bei jenen auf
Kohlenhydrat- oder Proteinbasis die Einsatzmenge vergleichsweise geringer ist
und durch Erhöhung der Viskosität, des Volumens und des cremigen “Mundgefühls” eine Reduktion des Energiegehalts stattfindet.
Bekanntestes Beispiel für synthetische Fettersatzstoffe sind neben Polyglycerinbzw. Carboxylatestern, Acylierten Glyceriden oder Trialkanestern die Saccha-
3.70
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
rosepolyester (z.B. Olestra, s.a. Kap. 3.4), die von Verdauungsenzymen des
menschlichen Organismus nicht gespalten und damit nicht aufgenommen werden können. Ihre Zulassung im europäischen Raum wurde bisher nicht durchgesetzt, da die gesundheitliche Unbedenklichkeit noch nicht ausreichend bewiesen ist, die rechtlichen Aspekte derartiger Substanzen werden in jüngster
Zeit durch die Novel-Food-Verordnung abgedeckt (s. Kap. 3.4). In den USA
dürfen Saccharosepolyester und ähnliche bereits für bestimmte Produkte (Kartoffelchips) und in festgelegten Höchstmengen eingesetzt werden.
Aufgrund der Tatsache, daß Fettersatzstoffe im Gegensatz zu anderen Lebensmittel-Zusatzstoffen bis zu 1/3 der täglich aufgenommenen Energiemenge darstellen können, sind die strengeren Beurteilungskriterien nicht verwunderlich
(Harrigan und Breene 1993).
Da Fettersatzstoffe auf Kohlenhydrat-Basis aus Substanzen hergestellt werden,
die GRAS (generally recognized as safe)–Status haben, ist eine spezielle Genehmigung für ihr Inverkehrbringen - innerhalb der Grenzen der EUMiscelleanous-Richtlinie - nicht erforderlich. Proteinartige Fettersatzstoffe wie
z.B. Simplesse wurden ebenfalls als gesundheitlich unbedenklich eingestuft,
ihre Bestandteile sind im Rahmen der Zutatenliste in absteigender Reihenfolge
anzugeben (Lüth 1991).
Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind jene Fettersatzstoffe von Vorteil, die
nur durch Veränderung üblicher Lebensmittel mit Hilfe physikalischer Verfahren einen Fetteindruck hinsichtlich Geschmack und Textur bewirken. Die Endprodukte enthalten keine neuen chemischen Hilfsverbindungen. Nachteil ist
ihre fehlende Hitzebeständigkeit und ihr dadurch begrenzter Anwendungsbereich.
Die Präferenz für Süße in Lebensmitteln ist eine angeborene, nicht erlernte
Verhaltensweise (Newsome 1993). Da Zucker zur exzessiven Energieaufnahme
beiträgt und Zahnkariesbildung begünstigt, sind Zuckeraustauschstoffe und
Süßstoffe wichtige Komponenten in Light-Produkten.
Zugelassene Süßstoffe sind neben den bekannten Vertretern Saccharin, Cyclamat, Aspartam und Acesulfam-K heute auch die “exotischen” Süßungsmittel
Neohesperidin DC und Thaumatin, die bisher kaum eingesetzt werden (s.a.
Kap. 3.3). Süßstoffe zählen zu jenen Zusatzstoffen, die am intensivsten auf ihre
gesundheitliche Unbedenklichkeit geprüft wurden, ihre ADI-Werte (acceptable
daily intake, s. Kap. 3.3) beinhalten einen hohen Sicherheitsfaktor. Saccharin,
Cyclamat und Acesulfam sind synthetische Produkte, die im Verdauungstrakt
nicht verstoffwechselt werden und daher energiefrei sind. Bei Aspartam und
Thaumatin handelt es sich um Proteine bzw. bei Neohesperidin um eine glykosidische Substanz, deren Einsatzmengen in Lebensmitteln aufgrund ihrer hohen
Süßkraft (200 – 3000 x vgl. mit Zucker) so gering sind, daß ihr Beitrag zur
Energieversorgung vernachlässigbar ist.
Die wichtigsten Zuckeraustauschstoffe, die bislang in erster Linie in diätetischen bzw. Diabetiker-Produkten eingesetzt wurden, sind in Light-Produkten
3.5 Light-Produkte
3.71
neben Fructose (Fruchtzucker) zum einen sog. Monosaccharid-Alkohole (Sorbit, Xylit, Mannit) und zum anderen Disaccharid-Alkohole (Maltit, Lactit, Isomalt). Ihre meist langsame und unvollständige Resorption erfolgt im Gegensatz
zu Zucker größtenteils unabhängig von Insulin, wobei Maltit, Lactit und Isomalt
die Spaltung durch Verdauungsenzyme erfordern, bevor sie aus dem Darm in
die Blutbahn gelangen. Zuckeraustauschstoffe unterscheiden sich von Süßstoffen in ihrem höheren Energiegehalt (2-4 kcal/g), in ihrer weitaus geringeren
Süßkraft, aber auch in ihrem größeren Volumen in Lebensmitteln. Für Zukkeraustauschstoffe sind keine Verwendungshöchstmengen vorgeschrieben, sie
folgen dem “quantum satis”-Prinzip. Nachteil großer Mengen an Zuckeralkoholen ist ihre ungünstige Wirkung auf die Gasproduktion im Verdauungstrakt, die
– mit Berücksichtigung interindividueller Toleranzschwellen - Blähungen und
Völlegefühl hervorrufen kann (Würsch 1994).
Was die Gefahrlosigkeit und Sinnhaftigkeit von Süßstoffen betrifft, ist der Verbraucher sehr verunsichert. Daß Süßstoffkonsum nicht dazu beiträgt, die Vorliebe für Süßes in den Griff zu bekommen, gehört zu den berechtigten Kritikpunkten. Allen Vorurteilen zum Trotz ist ihr Einsatz im Rahmen einer Diät jedoch eine wichtige Alternative, süßen Geschmack bei reduziertem Energiegehalt, mehr Wahlfreiheit und eine Verbesserung des Lebensstils zu ermöglichen.
3.5.3 Einfluß der Nahrungszusammensetzung auf die Energieaufnahme
Für eine ausgeglichene Energiebilanz (Energieaufnahme entspricht Energieabgabe) und damit für konstantes Körpergewicht müssen die Anteile von Fett,
Kohlenhydraten und Proteinen in der Nahrung der vom Körper oxidierten Substratmischung entsprechen. Während eine hohe Kohlenhydratzufuhr die Oxidation (“Verbrennung”) von Kohlenhydraten steigert (jedoch ebenso die Fettoxidation unterdrückt) und bei einer gemischten Ernährung keine nennenswerte
Umwandlung in Körperfett zu erwarten ist, wird bei erhöhter Fettzufuhr die
Fettoxidation vielmehr vermindert und damit eine stärkere Fettspeicherung
ausgelöst.
Für eine Gewichtsabnahme bzw. die dauerhafte Gewichtserhaltung wäre demnach eine Reduktion des Fettgehalts in Lebensmitteln bedeutend sinnvoller als
eine Verminderung des Zuckergehalts, z.B. durch Süßstoffe.
Der Einfluß einer hohen Energiedichte der Nahrung, insbesondere ein hoher
Fettanteil, auf die Sättigung reicht nicht aus, um die dadurch bedingte höhere
Energiezufuhr zu kompensieren (Duncan et al. 1983, Lawton et al. 1993). Die
Wirkung eines höheren Fettanteils der Nahrung auf die Sättigung ist geringer
als aufgrund der höheren Energiedichte zu erwarten wäre. Auch wenn die Sättigungswirkung gleicher Mengen an Kohlenhydraten geringer als die von Fett
3.72
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
ist, fällt die Kompensation der Energieaufnahme25 durch die unterschiedliche
Energiedichte zu ungunsten von Fett aus (Reed et al. 1991).
Entgegen früherer Vermutungen (Blundell et al. 1988) stimulieren Süßstoffe das
Hungergefühl nicht, haben aber im Gegensatz zu z.B. Zucker keine sättigende
Wirkung, abgesehen von einer möglichen sensorischen und kognitiven Unterdrückung der Nahrungsaufnahme unmittelbar nach der Nahrungszufuhr.
Die Ergebnisse von Untersuchungen zu einer eventuellen kalorischen Kompensation durch den Verzehr von Light-Produkten sind widersprüchlich. Bei bewußtem Ersatz von hochkalorischen durch energiereduzierte Lebensmittel ist
letztendlich die Motivation des Einzelnen dafür ausschlaggebend, inwieweit
die “eingesparte” Energie durch Light-Produkt-Verzehr von einer gesteigerten
Nahrungsaufnahme kompensiert wird. Dient die Verwendung von “leichten”
Lebensmitteln nur als Vorwand, die Aufnahme energiereicher Lebensmittel zu
rechtfertigen, ohne Kontrolle der gesamten Energieaufnahme, bleibt letztere
unverändert. Sind z.B. Süßstoffe allerdings Teil einer geplanten Diät, könnten
sie sich insofern positiv auswirken, als sie süß schmeckende, kalorienarme Lebensmittel ermöglichen. Süßstoffe an sich bewirken weder eine Erhöhung der
Nahrungsaufnahme noch eine Gewichtszunahme.
Auch eine einfache Substitution von Fett durch Fettersatzstoffe ist für eine spontane Gewichtsreduktion nicht ausreichend, da die Energiereduktion völlig bzw.
zu einem Großteil ausgeglichen wird. Positiv ist jedoch die resultierende Verminderung des Anteils der Fettenergie an der Tagesenergiezufuhr zugunsten
des Kohlenhydratanteils. Da Fettersatzstoffe die rheologischen Eigenschaften
von konventionellem Fett gut imitieren und somit den Geschmack von fettreduzierten Lebensmitteln verbessern, könnte mit gezielter Kontrolle der Nahrungszufuhr eine Gewichtsabnahme erleichtert werden. Eine Erhöhung des
Ballaststoffanteils der Nahrung durch den Einsatz von ballaststoffreichen LightProdukten kann durch Vergrößerung des Volumens, längeres, intensiveres
Kauen und damit frühere Sättigung sowie verminderte Ausnutzung der übrigen
Nährstoffe im Magen-Darm-Trakt die Nahrungsaufnahme verringern.
3.5.4 Akzeptanz von Light-Produkten bei Erwachsenen
Ziel einer Untersuchung des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien war, die Akzeptanz von Light-Produkten bei Wiener Erwachsenen zu
erfassen, eventuell auftretende geschlechts-, gewichts- oder bildungsspezifische
Unterschiede bzgl. Akzeptanz aufzuzeigen und ihre Auswirkung auf den Konsum von Light-Produkten zu messen. Im speziellen sollte erhoben werden, inwieweit Personen mit hohem Verzehr an Light-Produkten hinsichtlich ihres
Körpergewichts bzw. ihres Ernährungsverhaltens von der Gesamtstichprobe
abwichen (Unger et al. 1997).
---------------------------------------------------------------------25
Veränderung in der Höhe der Nahrungsaufnahme infolge einer veränderten Energiedichte der
Lebensmittel
3.5 Light-Produkte
3.73
3.5.4.1 Methode
Im Februar 1995 wurden berufstätige bzw. in Ausbildung stehende Wienerinnen und Wiener im Alter von 20- über 60 Jahren zur Akzeptanz von LightProdukten befragt. Nach Ausschluß der formal oder inhaltlich falsch beantworteten Fragebögen konnten 647 (Endrücklaufquote= 68%) Fragebögen in die
Auswertung einbezogen werden.
Inhaltliche Schwerpunkte des Fragebogens waren Image und Konsum von
Light-Produkten, Ernährungswissen, die Anforderungen des Verbrauchers an
Light-Produkte und die individuelle Einstellung zur Ernährung.
3.5.4.2 Stichprobe
Im Zuge der Datenbearbeitung wurde das Kollektiv in die Altersgruppen 20-35jährige (AG 1) und 36- über 60-jährige (AG 2) unterteilt (Tab.3.5.1).
Tab.3.5.1: Stichprobenumfang des Gesamtkollektivs bzw. der Altersgruppen
Gesamtkollektiv
Altersgruppe 1
Altersgruppe 2
gesamt
n
647
339
308
Männer
n
183
102
81
Frauen
%
28
30
26
n
464
237
227
%
72
70
74
Ferner wurde aus den Angaben der Befragten zu Körpergröße und –gewicht
der jeweilige Body Mass Index (BMI26) berechnet. Letzterer diente zur Einteilung in die beiden Gruppen Normalgewichtige (BMI < 25 kg/m2) und Übergewichtige (BMI 25 kg/m2). Auch anhand von Bildungsgrad (mit/ohne Matura)
und Stand des Ernährungswissens27 (gutes/mäßiges Wissen) konnten Gruppen
gebildet werden. Am aussagekräftigsten erwies sich die Ermittlung der sog.
Viel- und Nichtverwender von Light-Produkten.28
Mit allen gebildeten Gruppen wurden zusätzlich zur Gesamtstichprobe Verknüpfungen zu den Antwortkategorien des gesamten Fragebogens erstellt, die
---------------------------------------------------------------------26
BMI = Körpergewicht (kg) / Körpergröße (m)2
27
Fragen zur Beurteilung des Ernährungswissens beinhalteten das Schätzen des Energie- und
Fettgehalts von Lebensmitteln, Schätzen des Energiebedarfs/d bzw. des Energieverbrauchs bei
körperlicher Aktivität und Fragen zur Technologie von Light-Produkten.
28
Die Bildung dieser Gruppen basierte auf Beantwortung der Frage nach der Häufigkeit der
Verwendung von Light-Produkten (”Wie häufig essen/trinken Sie die angegebenen LightProdukte”?”, s.u.) - mögliche Antworten waren: mehrmals/Woche (3 Punkte), 1mal/Woche (2
Punkte), 1-2mal/Monat (1 Punkt) und seltener/nie (0 Punkte) - bzw. auf der Antwort ”Ich verwende keine Light-Produkte” bei einer weiteren Frage. Personen, die ≥ 5 Punkte erreichten,
wurden zur Gruppe der Vielverwender gezählt, Personen mit 0 Punkten, welche zusätzlich
”Ich verwende keine Light-Produkte” angaben, der Gruppe der Nichtverwender zugeordnet.
3.74
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
auf statistisch signifikante Unterschiede und Abhängigkeiten geprüft wurden29.
Im folgenden sind nur die wesentlichsten Resultate dargestellt.
3.5.4.3 Ergebnisse und Diskussion
In der Altersgruppe 1 zählten wesentlich mehr Frauen als Männer zu den Vielverwendern - junge Frauen leben figurbewußt und achten sehr auf ihre Linie während in der Gruppe der 36-über 60-jährigen nahezu gleich viele Männer
und Frauen bei den Vielverwendern vertreten waren (Tab. 3.5.2). Das Ergebnis
könnte darauf hinweisen, daß Männer mit zunehmendem Alter z.B. aus Gewichts- oder Krankheitsgründen bewußter auf ihre Ernährung achten.
Tab. 3.5.2: Stichprobenumfang und Geschlechterverteilung in der Gruppe der
Viel- bzw. Nichtverwender von Light-Produkten
Altersgruppe 1
Altersgruppe 2
Gesamtkollektiv
Vielverwender %
Männer
Frauen
19
36
27
30
22
33
Nichtverwender %
Männer
Frauen
42
27
36
33
39
30
Im Zuge einer repräsentativen Analyse des Instituts für Markt und Sozialanalysen gaben nur 9% der befragten 16 bis über 50-jährigen Österreicherinnen und
Österreicher an, nach Möglichkeit Light-Produkte zu essen (8% der Männer,
10% der Frauen), wobei jene Selbsteinschätzung bedeutend enger zu betrachten ist als eine Verzehrshäufigkeit von ein- oder mehrmals pro Woche (IMAS
1993). In der Konsumanalyse 1994, die von einer Arbeitsgemeinschaft des Fessel&GfK, Gallup- und IFES-Instituts an Österreichern über 14 Jahren durchgeführt wurde, traf für 16% der Männer und 19% der Frauen “sehr zu”, leichte
und kalorienreduzierte Produkte zu verwenden (Arge Fessel & GfK 1994).
Der im Vergleich zu ähnlichen in Europa durchgeführten Untersuchungen hohe Anteil an Light-Produkt-Verwendern der vorliegenden Erhebung, ist auf die
demographische Zusammensetzung der Stichprobe (berufstätige Erwachsene
höherer sozialer Schichten), die im wesentlichen mit der Zielgruppe für LightProdukte übereinstimmt, zurückzuführen.
3.5.4.3.1 Verzehr von Light-Produkten
Im allgemeinen konsumierten30 Frauen häufiger Light-Produkte als Männer, der
größte Unterschied war bei den Süßstoffen zu verzeichnen (Männer 4%, Frauen 38%), wobei die 36- über 60-jährigen Frauen deutlich mehr Süßstoffe verwendeten als die 20-35-jährigen (23% AG1, 33% AG2). Abgesehen vom Süß---------------------------------------------------------------------29
Unterschiede zwischen den Ergebnissen galten als signifikant, wenn sie mit einer statistischen
Sicherheit von 95% nachgewiesen wurden (Signifikanzniveau p < 0,05). Die Auswertung
erfolgte mit SPSS für Windows 6.1.
30
Der Verzehr bezieht sich auf die Summe der Antworten “mehrmals pro Woche” und “einmal pro Woche”, entspricht folglich einem Konsum von mindestens einmal pro Woche (s.a.
Abb. 3.5.1).
3.5 Light-Produkte
3.75
stoff-Konsum (der weiblichen Befragten) lag der Verzehr von LightMilchprodukten sowohl bei Männern als auch bei Frauen eindeutig an erster
Stelle (insgesamt 29%). Leichte Milchprodukte haben sich auf dem Markt bewährt, ihre Akzeptanz ist auch auf das im Vergleich zu anderen LightProdukten relativ breit gefächerte Angebot zurückzuführen. Zu berücksichtigen
ist ferner der generelle Anstieg des Michproduktkonsums (ausgenommen
Trinkmilch) der letzten Jahre (s. Kap. 1.6).
Am zweithäufigsten wurde Light-Margarine verzehrt (25%), wobei die Befragten möglicherweise auch cholesterinreduzierte Diät-Margarine, die einen ebenso hohen Energiegehalt wie herkömmliche Margarine aufweist, zu den LightMargarinen zählten. Light-Käse, Light-Wurst(-waren) und Light-Limonaden lagen im mittleren Verzehrsbereich (24%/18%/17%), wobei der Konsum dieser
Produkte ebenfalls bei Frauen höher war als bei Männern. Auch Light- bzw.
Diät-Margarinen und Light–Limonaden nehmen einen festen Platz am Markt
ein. Bei den Light-Limonaden stagnierte der Absatz seit Anfang der 90er-Jahre,
seit 1994 ist sogar ein leichter Rückgang von 10 auf 9% des gesamtösterreichischen Marktes an kohlensäurehaltigen Limonaden zu beobachten (Wirtschaftskammer Österreich 1995), was allerdings nicht verwunderlich ist, wenn man
bedenkt, daß Getränke solcher Art schon seit rund 15 Jahren auf dem Markt
sind und das Angebot kaum noch erweiterbar ist. Das Angebot an ausdrücklich
mit “light” bezeichneten Wurst- und Käsesorten ist zur Zeit noch gering. Es gibt
allerdings seit jeher magere Sorten, die von den Befragten eventuell auch zu
den Light-Produkten gezählt werden, was die relativ häufigen Nennungen dieser beiden Kategorien erklären könnte.
Im unteren Drittel der Verzehrshäufigkeit wurden von Frauen LightFertiggerichte (10%), Light-Konfitüre (9%), Light-Eis/Süßwaren (8%) und LightMayonnaise (7%) genannt. Bei Männern rangiert hingegen Light-Mayonnaise
(7%) vor Light-Fertiggerichten und –Konfitüre (je 5%), Light-Süßwaren (4%)
standen an letzter Stelle hinter den Light-Konfitüren. Bei Frauen war Light-Bier
das am seltensten konsumierte Light-Produkt (Abb.3.5.1). Light-Fertiggerichte
werden von den Probanden selten verzehrt, sprechen den Verbraucher trotz
des bestehenden Trends zu Convenience-Produkten (vgl. Kuhnert 1992) demnach nicht in nennenswertem Ausmaß an. Der niedrige Verbrauch an LightSüßwaren/-Eis und Light-Konfitüren läßt sich dadurch erklären, daß der Anteil
dieser Produktgruppen an der täglichen Gesamtenergiezufuhr gering ist und
der Markt an Light- Süßwaren/Eis in Österreich – bis auf zuckerfreie Bonbons zur Zeit noch kaum existiert.
3.5.4.3.2 Übergewicht und Schwierigkeiten im Eßverhalten
Betrachtet man die Verteilung des Körpergewichts zwischen den beiden Altersgruppen, wird deutlich, daß der Anteil Übergewichtiger (BMI > 25 kg/m2) mit
zunehmendem Alter stark anstieg, wobei der Anteil übergewichtiger Männer
im Alter von 36-über 60 Jahren jenen der Frauen in dieser Altersgruppe wesent-
3.76
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
lich übertraf, während der Unterschied zwischen Männern und Frauen bezüglich Körpergewicht innerhalb der Gruppe der 20-35-jährigen nicht signifikant
war (Tab. 3.5.3).
"light"...
22
Milch(produkte)
32
4
Süßstoffe
33
Margarine
18
Käse
18
28
26
14
Wurst
20
15
Limonade
18
Fertigprodukte
5
Konfitüre
5
10
Männer
9
Frauen
7
7
Mayonnaise
4
Süßwaren
8
6
Bier
3
0
5
10
15
20
25
30
35
Personen in Prozent
Abb. 3.5.1:
Verzehr von Light-Produkten mindestens einmal pro Woche
Auf die Frage nach Schwierigkeiten im Eßverhalten gaben Personen aus der
Gruppe der Vielverwender im Vergleich zu Nichtverwendern bzw. dem Gesamtkollektiv wesentlich mehr Probleme an31 (Abb. 3.5.2), obwohl sich Vielbzw. Nichtverwender der jüngeren Befragten hinsichtlich ihres Körpergewichts
nicht statistisch signifikant voneinander unterschieden, während unter den 36über 60-jährigen Vielverwendern im Vergleich zu den Nichtverwendern wesentlich mehr Übergewichtige waren (Tab. 3.5.3). Personen der jüngeren Altersgruppe können folglich ihre Eßschwierigkeiten kompensieren (eventuell
auch mit Light-Produkten), während dies in der älteren Generation nur teilweise möglich ist.
---------------------------------------------------------------------31
Die Formulierung der Fragen zu Schwierigkeiten bzw. Störbarkeit im Eßverhalten orientierte
sich teilweise am Fragekatalog von Pudel und Westenhöfer (1989).
3.5 Light-Produkte
3.77
Tab. 3.5.3: Auftreten von Übergewicht (BMI ≥ 25 kg/m2) bei Männern (m)
und Frauen (w) beider Altersgruppen sowie bei Viel- und Nichtverwendern
(VV bzw. NV)
Altersgruppe 1
Altersgruppe 2
Gesamtkollektiv
m (%)
w (%)
gesamt (%)
VV (%)
NV (%)
9
43
26
8
31
19
9
34
21
10
45
27
7
29
18
Personen, die keine Light-Produkte verwenden, sind mit ihrem Körpergewicht
wesentlich zufriedener als Vielverwender (Abb. 3.5.3). Dieser Unterschied
zeigt sich auch bei 20-35-jährigen Frauen (51% der Vielverwender, 81% der
Nichtverwender), obwohl die BMI-Verteilung in beiden Gruppen ungefähr
gleich war (Tab. 3.5.3) und somit in dieser Gruppe die Zufriedenheit mit der
Figur nicht durch das tatsächliche Körpergewicht beeinflußt wurde. Folglich
stellen Nichtverwender an sich selbst nicht so hohe Schlankheitsanforderungen, während Vielverwender gerne schlanker wären. Da sich Nichtverwender
eher mit ihrem bestehenden Körpergewicht identifizieren können, stehen sie
weniger unter Druck, auf Energie- und Fettgehalt der Nahrung zu achten, was
zur Folge hat, daß Light-Produkte für sie wenig attraktiv sind.
18
Essen in Gesellschaft
24
19
Streß
Nichtverwender
26
Vielverwender
14
Langeweile
31
21
plötzlicher Heißhunger
45
32
Verlangen nach Süßem
53
47
keine Schwierigkeiten
19
0
10
20
30
40
50
60
Personen in Prozent
Abb. 3.5.2: Unterschiede bei Schwierigkeiten im Eßverhalten- Vielverwender und Nichtverwender von Light-Produkten
3.78
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Drei Viertel der Nichtverwender der Gesamtstichprobe gaben ferner an, ihr
Gewicht in den letzten 5 Jahren fast nicht verändert zu haben. Von den Vielverwendern traf das nur für rund die Hälfte der Befragten zu (Abb. 3.5.3), wobei sich die Zahl aus 71% der männlichen und im Vergleich nur 47% der
weiblichen Vielverwender zusammensetzte.
52
Gewicht seit 5 Jahren
stabil
75
45
mit Gewicht
zufrieden
74
Vielverwender
32
Diät in den letzten 12
Monaten
Nichtverwender
12
0
10
20
30
40
50
60
70
80
Personen in Prozent
Abb. 3.5.3: Unterschiede in der Einstellung zum Körpergewicht – Vielverwender und Nichtverwender von Light-Produkten
3.5.4.3.3 Image von Light-Produkten
Auch hinsichtlich ihrer Einstellung zu Ernährung und Image von LightProdukten waren in der Gruppe der Viel- bzw. Nichtverwender deutliche Unterschiede zu verzeichnen (Abb. 3.5.4). Die Angst vor einer höheren Zusatzstoffbelastung durch Light-Produkte war in beiden Gruppen relativ stark ausgeprägt, schien die Vielverwender aber nicht vom Verzehr der Produkte abzuhalten.
Fast einstimmig maßen Männer dem Geschmack und Genuß von Lebensmitteln größere Bedeutung bei als dem Energiegehalt (87%; AG 1: 90%, AG 2:
83%).
3.5 Light-Produkte
3.79
Light-Produkte...
75
sind zum Abnehmen
geeignet
36
bedeuten: "Voller
Geschmack bei
weniger Kalorien"
53
11
Vielverwender
Nichtverwender
45
enthalten mehr
Zusatzstoffe
62
42
verführen dazu,
mehr davon zu essen
60
0
10
20
30
40
50
60
70
80
Personen in Prozent
Abb. 3.5.4: Image von Light-Produkten
Signifikant weniger Frauen (73%; AG 1: 76%, AG 2: 71%) pflichteten der Aussage bei, wobei wiederum erhebliche Unterschiede zwischen Viel- und Nichtverwendern von Light-Produkten bestanden: Für 92% der Nichtverwender verglichen mit nur 59% der Vielverwender traf der Satz “Geschmack und Genußwert eines Lebensmittels sind mir wichtiger als der Kaloriengehalt” zu.
Daß trotz gesteigertem Ernährungs- und Gesundheitsbewußtsein “die Lust am
Genuß” der bedeutendste Trend in der 2. Hälfte der 90er-Jahre ist und nach
wie vor der Geschmack an oberster Stelle in der Konsumentenakzeptanz und
damit auch bei der Lebensmittelauswahl - noch vor Gesundheit, Convenience
und Preis - stehen, ist bekannt (Gatty 1993, Meister 1993, Gläser und Daly
1994).
3.5.4.3.4 Motive für den Kauf von Light-Produkten
An erster Stelle rangierte bei 20 bis 35-jährigen der Wunsch, ihr Körpergewicht
stabil zu halten, bei den Befragten der Altersgruppe 2 die Annahme, daß LightProdukte gesünder wären als herkömmliche Lebensmittel (Abb.3.5.5). Interessant war hierbei, daß innerhalb der Gruppe der 36 bis über 60-jährigen die
weiblichen Vielverwender zu ungefähr gleichen Teilen zwecks Figurerhaltung
(45%) oder aufgrund ihres Gesundheitsbewußtseins (48%) zu Light-Produkten
griffen, während bei den männlichen Vielverwendern die Vermittlung von Gesundheit (60%) weit vor der Erhaltung des Körpergewichts (41%) stand. Auch
in einer US-Studie des Calorie Control Councils gab die Mehrheit der befragten
Amerikaner an (82% der Verwender), Light-Produkte zu verzehren, um sich
gesund und fit zu halten (O´Brien Nabors 1992). Einer für Österreich repräsentativen Studie zum Thema Gesundheitsbewußtsein und Ernährung zufolge, ist
ein Viertel der österreichischen Bevölkerung gesundheitsbewußt und verhält
3.80
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
sich auch nach diesen Kriterien, knapp die Hälfte bezeichnete sich zwar als
gesundheitsbewußt, lebt aber nicht danach und nur ein Fünftel entwickelt kein
ausgeprägtes Gesundheitsbewußtsein (Schoberberger 1993).
Bei den 20-35-jährigen spielte der Wunsch, mit Hilfe von Light-Produkten abzunehmen eine deutlich geringere Rolle als bei den 36-über 60-jährigen (Abb.
5), wobei in beiden Gruppen dieses Motiv von bedeutend mehr Frauen als
Männern genannt wurde (AG 1: 33% der Frauen und 19% der Männer; AG 2:
49% der Frauen, 23% der Männer). Dieses Ergebnis spiegelte sich in der größeren Anzahl Frauen, die mit ihrem Gewicht nicht zufrieden waren und zahlreiche Diäten hinter sich hatten wider (s. Abb. 3.5.3), obwohl mehr Männer als
Frauen der Stichprobe übergewichtig waren. Auch für die US-Light-ProduktVerwender war Gewichtsstabilisierung (61%) ein bedeutenderes Kaufmotiv als
Gewicht zu verlieren (43%) (O´Brien Nabors 1992). Da Eitelkeit im Sinne von
Streben nach Schlankheit eher von Frauen als von Männern erwartet wird
(deutlich wird das auch in der Werbung für Light-Produkte, in der vorzugsweise attraktive Frauen dargestellt werden), und der Konsum oder die Ablehnung
bestimmter Produkte auch soziologische Bedeutung hat, könnte in ihr u.a. die
Begründung für das mangelnde Interesse junger Männer an Light-Produkten
liegen.
Deutlich mehr Personen der Altersgruppe 2 – und unter ihnen mehr Männer
(32%) als Frauen (15%) - begründeten den Kauf von Light-Produkten mit einer
bestehenden Erkrankung (Abb. 3.5.5). Besonders für Männer könnte eine verordnete Diät die Ursache für den Light-Produkt-Konsum darstellen, bei jüngeren Männern und Frauen machen sich im allgemeinen Auswirkungen einer
unvernünftigen Ernährung bzw. ernährungsabhängige Erkrankungen (s. Kap. 5)
noch kaum bemerkbar.
Der Geschmack war vor allem bei den 36 bis über 60-jährigen kein entscheidendes Kriterium für den Kauf von Light-Produkten (Abb. 3.5.5), da ältere Personen im allgemeinen etwas vom Gewohnten Abweichendes eher weniger
akzeptieren als jüngere. Von den Personen, die vom Calorie Control Council
zum Thema Light-Produkte befragt wurden, nannten zwar weniger Männer und
Frauen den besseren Geschmack der Produkte im Vergleich zu den übrigen
Kauf- bzw. Verzehrsmotiven (O´Brien Nabors 1992). Mit 38% der Verwender
waren es jedoch bedeutend mehr Befragte als bei der österreichischen Erhebung. Das Defizit, das viele Light-Produkte auf der geschmacklichen Ebene
trotz modernster Technologien auch heute noch aufweisen, und die Tatsache,
daß der Geschmack bei der Lebensmittelauswahl eine maßgebliche Rolle
spielt, ist einer der Hauptgründe für die mangelnde Akzeptanz.
3.5 Light-Produkte
3.81
Ich kaufe "light"-Produkte...
45
weil sie gesünder sind
51
um mein Gewicht zu
halten
51
44
31
um abzunehmen
42
weil sie besser
schmecken
17
4
AG 1
AG 2
2
krankheitsbedingt
19
0
10
20
30
40
50
60
Prozent der Vielverwender
Abb. 3.5.5: Kaufmotive für Light-Produkte
3.5.5 Ausblick
Für Anbieter von Light-Produkten bestehen mehrere Möglichkeiten zur Verbesserung zukünftiger Marktchancen:
Medien präsentieren der Bevölkerung eine von ihnen gewünschte Vereinfachung komplizierter Systeme, d.h. Lebensmittel entweder als gut oder als
schlecht zu klassifizieren, indem sie sie wahlweise als Wundermittel oder als
Gift darstellen. Der Konsument, der derartige Halbwahrheiten weder überprüfen noch nachvollziehen kann, übernimmt die Meinungen bzw. wird in seinem
Urteil verunsichert. Insofern werden natürliche Lebensmittel möglicherweise
als gesünder eingeschätzt bzw. natürliche Gifte als weniger gefährlich angesehen als jene, die bei der Verarbeitung von Lebensmitteln entstehen und zugesetzt werden. Dies spiegelt sich auch in dem verbreiteten Trend zu stärkerem
Gesundheitsbewußtsein und dem Wunsch nach mehr Naturbelassenheit im
Sinne von einem geringen Verarbeitungsgrad der Lebensmittel und keiner
Verwendung von Zusatzstoffen wider. Da aus diesen Gründen Vorurteile gegenüber Light-Produkten überwiegen, wäre es wichtig, dem Konsumenten die
Angst zu nehmen, daß Light-Produkte künstliche, mit gesundheitsschädlichen
Zusatzstoffen versehene Lebensmittel (s. Kap. 3.3) sind.
Der Begriff “light” wird weniger mit Genuß verbunden als mit Kalorien- und
Gewichtskontrolle – also mit Verzicht. Bezüglich Geschmack toleriert der Konsument jedoch kaum Einbußen. Sind Light-Produkte den entsprechenden Originalprodukten geschmacklich unterlegen und konsumiert der Verbraucher
nur, weil er z.B. im Zuge einer Gewichtsreduktion “muß” – aber mit Widerwillen – werden sich derartige Lebensmittel bei der breiten Bevölkerung nicht
3.82
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
durchsetzen. Durch Erweiterung der Zulassungen für technologische Hilfsstoffe
könnten geschmacklich attraktivere Produkte erzeugt und damit ihre Akzeptanz
auch bei jenen Personengruppen gesteigert werden, die sie nicht nur aus Figuroder Gesundheitsbewußtsein konsumieren.
Die “leichte” Variante eines Produktes neben dem Original zur Geltung zu
bringen, ist schwierig, da an Light-Produkte durch Werbung vermittelte hohe
Verbrauchererwartungen aufgrund technologischer Grenzen enttäuscht werden
und damit zu einer negativeren Beurteilung führen (“kognitive Dissonanz”).
Eine Lösung wäre, Light-Produkte nicht mehr als energiearme, ansonsten mit
ihren energiereichen Origninalversionen absolut vergleichbare Produkte zu
vermarkten. Verpackungen, Namen und Markenzeichen von Light-Produkten
sollten sich demnach bewußt deutlicher von denen ihrer zugrundeliegenden
Ausgangsprodukte abgrenzen.
In Zeiten wachsenden Umweltbewußtseins der Bevölkerung darf auch die
„moralische“ Funktion eines Lebensmittels nicht vernachlässigt werden. Heute
haben Produkte, die als “umweltfreundlich” deklariert werden, einen Marktvorteil. Durch Betonung der Werte, die mit einem Lebensmittel verbunden sind,
kann eine Vorliebe für das jeweilige Produkt entstehen. Für Light-Produkte wäre ein solcher Wert beispielsweise die Senkung der Kosten, welche durch ernährungsabhängige Erkrankungen verursacht werden.
Eine wirksame Methode wäre auch, auf die Kaufmotive der Konsumenten näher einzugehen. Da der Gesundheitsaspekt als wesentlicher Verwendungsgrund hervorgeht, werden auch jene Light-Produkte, deren Vergleichsprodukte
“ungesünder” sind, schlechter akzeptiert. Für den Verbraucher gilt, “Wenn
schon nicht sättigend und geschmacklich unbefriedigender, dann wenigstens
gesund!”. Damit wird jedoch die Sinnhaftigkeit von Produkten wie zuckerfreie,
fettreiche Light-Schokolade oder Light-Ketchup zu kalorienreichem Fastfood in
Frage gestellt.
Anzumerken ist an dieser Stelle auch, daß bei Verwendung “natürlicher” leichter Lebensmittel zusammen mit dem Einsatz moderner, nährstoffschonender
und kaloriensparender Garmethoden der Konsum von Light-Produkten gar
nicht notwendig wäre.
Unkontrollierter Umgang mit energiereduzierten Lebensmitteln hat wenig Einfluß auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung. Dies wird am amerikanischen Beispiel deutlich, wo trotz Expansion des Light-Marktsegments kein
Rückgang der Prävalenz von Übergewicht zu verzeichnen ist (Altschul 1993).
Dafür sind allerdings nicht Light-Produkte als solche, sondern der falsche Gebrauch verantwortlich. Light-Produkte dürfen nicht als Freibrief für ungehemmten Nahrungskonsum gesehen werden, können aber bei gleichzeitig bewußtem
Umgang mit Zucker und Fett, die Gewichtskontrolle flexibler gestalten.
Light-Produkte sind nur eine Möglichkeit, Ernährungs- und Figurproblemen zu
begegnen. Alleine und ohne grundlegende Veränderungen des Ernährungsverhaltens zeigen sie wenig Wirkung. Wenn man sie jedoch nicht als Wundermit-
3.5 Light-Produkte
3.83
tel betrachtet, sondern mit frischen, unverarbeiteten Lebensmitteln ausreichend
ergänzt, stellen sie, besonders im Rahmen einer Diät, eine vernünftige Bereicherung für eine ausgewogene, vollwertige Ernährung dar.
Zusammenfassung
Die Antwort der Lebensmittelindustrie auf die weit verbreitete Überernährung,
deren Folgen mit hohen Kosten bzw. mit einer Verminderung der Lebensmittelqualität verbunden sind, ist die Entwicklung von energiereduzierten LightProdukten. Der Begriff “light” ist in Österreich ebenso wie im gesamten EURaum noch nicht gesetzlich geregelt. Möglichkeiten zur Energiereduktion in
Lebensmitteln bestehen in einer Verringerung des Fettgehalts durch den Einsatz
von Fettersatzstoffen und/oder im Ersatz des Zuckeranteils durch Süßstoffe und
Zuckeraustauschstoffe. Ihre physiologischen Wirkungen auf die Nahrungsaufnahme sowie auf Hunger- und Sättigungsmechanismen sind hauptsächlich von
der bewußten Kontrolle der gesamten Energiezufuhr durch die betroffene Person abhängig.
Ziel der vorliegenden Untersuchung des Instituts für Ernährungswissenschaften
war die Erfassung der Akzeptanz von Light-Produkten bei Erwachsenen. Mittels
Fragebogen wurden 647 berufstätige, z.T. in Ausbildung befindliche Personen
im Alter von 20 bis über 60 Jahren zu Image, Konsum und Kaufmotiven von
Light-Produkten sowie zu Ernährungswissen und Eßverhalten befragt.
Anhand der Verzehrshäufigkeiten von Light-Produkten konnte eine Gruppe von
sog. Vielverwendern und eine Gruppe von sog. Nichtverwendern gebildet
werden (jeweils ca. ein Drittel der Befragten), welche sich in der Beantwortung
aller Fragen statistisch signifikant voneinander unterschieden. Zu den 20 bis
35-jährigen Vielverwendern zählten deutlich mehr Frauen, während bei den 35
bis über 60-jährigen Vielverwendern Männer und Frauen zu gleichen Teilen
vertreten waren. Ab 35 Jahren nahm der Anteil der Übergewichtigen (Basis
BMI ≥ 25) unter den Vielverwendern im Vergleich zu jüngeren Befragten wesentlich zu. Im Gesamtkollektiv gaben Vielverwender im Vergleich zu Nichtverwendern bedeutend mehr Schwierigkeiten im Eßverhalten an.
Größte Beliebtheit unter den Light-Produkten wiesen leichte Milchprodukte
auf, Light-Fertiggerichte, -Bier bzw. Süßwaren konnten sich bisher hingegen
wenig durchsetzen. Hauptmotive für die Verwendung von Light-Produkten waren generell die Erhaltung des Körpergewichts bzw. der Gesundheit, bei Befragten über 35 Jahren vermehrt auch eine bestehende Erkrankung.
Light-Produkte können größtenteils nur mittels Anwendung technologischer
Hilfsstoffe hergestellt werden. Die Angst des Konsumenten vor Zusatz- bzw.
Hilfsstoffen in derartigen Produkten ist aufgrund des Fehlens von sachlicher
Information groß und zusammen mit dem Trend zu naturbelassenen, unverarbeiteten Lebensmitteln Hauptursache für die mangelnde Akzeptanz.
3.84
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
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3.5 Light-Produkte
3.85
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26. Österreichisches Lebensmittelbuch (ÖLMB), III. Auflage: Kapitel B13 “Bier”; Abschnitt 1
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27. Österreichisches Lebensmittelbuch (ÖLMB), III. Auflage: Kapitel B24 “Gemüse und Gemüsedauerwaren” Teilkapitel “Erzeugnisse aus Paradeisern” Abs. 6 – Änderung und Ergänzung 1992.
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verwandte Erzeugnisse, Feinkosterzeugnisse und Mayonnaisesoßen” Abschnitte A, I. Abs.
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3.86
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
3.6 Qualität von Bioprodukten
3.6.1 Einleitung
Umwelt- und Qualitätsprobleme in der Landwirtschaft führten bereits in den
30er Jahren zu einem Umdenken in der Produktion in kleinen Dimensionen.
Die biologische Landwirtschaft des Biolandbaus trat in Österreich im Vergleich
zu den westlichen Nachbarländern jedoch zeitlich stark verzögert auf. Erst ab
dem Jahr 1976 ließ sich statistisch eine starke Zunahme der Umstellungen auf
biologische Landwirtschaft verzeichnen. Heute hat Österreich mit 19.433 Biobetrieben jedoch europaweit die meisten Biobauern zu verzeichnen (Gruber
1998).
Die Gründe für die Umstellungen sind dabei sehr unterschiedlicher Natur: sie
reichen von nachlassender Tiergesundheit und Artenrückgang über den Rückgang der Bodenfruchtbarkeit, der Grundwasserbelastung, Bodenerosion und
Bodendegradierung, bis hin zu gesundheitlichen Gründen, Einsparung von
Betriebsmitteln und besseren Absatzchancen. Ein wichtiges Motiv ist auch, qualitativ hochwertigere Lebensmittel zu erzeugen.
Eine Vielzahl von Kontrollinstanzen soll eine Täuschung des Konsumenten
verhindern. Betriebe, die Mitglieder von Markenschutzverbänden sind, werden
zum Teil strengeren Kontrollen von den Verbänden selbst unterzogen, als gesetzlich vorgeschrieben ist.
Bioprodukte werden derzeit auch mit dem Freisein von Gentechnik, Bestrahlung oder Zusatzstoffen beworben. Deren Einfluß auf die Qualität von Produkten soll jedoch nicht an dieser Stelle erläutert werden.
3.6.2 Was bedeutet biologischer Landbau?
Im biologischen Landbau soll möglichst nur mit eigenen Betriebsmitteln gewirtschaftet werden und geschlossene Kreisläufe herrschen. Das bedeutet für
die Tierhaltung, daß nur so viele Tiere gehalten werden, wie der Betrieb aus
eigenem Futter ernähren kann. Massentierhaltung ist generell nicht möglich, da
den Tieren eine bestimmte Fläche zur Verfügung gestellt werden muß. Eine
vorbeugende Anwendung von Medikamenten ist untersagt.
Im Pflanzenbereich ist die Anwendung leicht wasserlöslicher Mineraldünger
nicht erlaubt; statt dessen werden organische Dünger eingesetzt. Der Einsatz
chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel ist verboten. Durch entsprechende Bodenbearbeitung und Einhaltung einer bestimmten Fruchtfolge wird der
Boden nicht ausgelaugt, sondern nachhaltig genutzt.
3.6 Qualität von Bioprodukten
3.87
3.6.3 Gesetzliche Bestimmungen und Kontrollorgane
Für alle Biobauern gelten verbindlich die EU-Verordnung Nr. 2092/91 für biologischen Landbau und das Österreichische Lebensmittelcodex-Kapitel A 8.
„Grundlage aller dieser Regelungen ist die rechtsverbindliche Festlegung der
Arbeitsmethoden und Betriebsmittel, die im landwirtschaftlichen Betrieb angewandt werden dürfen, weiters jener Stoffe, die bei der Verarbeitung von
Bioprodukten verwendet oder zugesetzt werden dürfen und der Anforderungen, die das vorgeschriebene Kontrollsystem erfüllen muß“ (Maurer 1996). Jeder Betrieb, der erzeugt, verarbeitet oder importiert, unterliegt der Meldepflicht
und wird von staatlich anerkannten Kontrollstellen überprüft. Kontrolliert wird
dabei, ob nicht erlaubte Dünger- oder Pflanzenschutzmittel, Medikamente oder
Futterzusätze verwendet werden; Ernte und Tierhaltung werden ebenso geprüft
wie die Herkunft und Behandlung von Saatgut, Jungpflanzen und zugekauften
Nutztieren. Bei der Verarbeitung gibt es Mengenkontrollen und Überprüfungen
auf Einsatz verbotener Zusatz- und Hilfsstoffe. Ferner müssen die gesetzlich
vorgeschriebenen Mindestmengen an biologischen Zutaten gewährleistet werden.
Importprodukte aus Nicht-EU-Ländern müssen nachweislich gemäß den in der
EU vorgeschriebenen Methoden produziert werden, und es bedarf einer Importermächtigung. Diese entfällt nur dann, wenn sowohl die Produktionsregeln als
auch die Kontrollen im jeweiligen Drittland gleichwertig mit jenen in der EU
sind, und das Land in Folge in die „Drittlandliste“ aufgenommen wurde. Seit
1.3.1997 wurden Australien, Argentinien, Israel, die Schweiz und Ungarn in
diese Liste aufgenommen.
Die Bezeichnung „aus biologischer Landwirtschaft“ ist verbindlich; die Begriffe
„Landbau“ oder „Anbau“ können den Begriff „Landwirtschaft“ jedoch ersetzen
bzw. die Ausdrücke „organisch-biologisch“, „ökologisch“ oder „biologisch dynamisch“ den Begriff „biologisch“.
3.6.4 Österreich im Vergleich mit dem europäischen Ausland
Der schnelle Zuwachs an Biobetrieben, vor allem das verstärkte Auftreten verbandsloser Betriebe, löste in Österreich einen hohen Beratungsbedarf aus. Vor
allem in den westlichen Bundesländern wurde mit einiger Verzögerung gehandelt. Im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums wurde eine Studie durchgeführt, welche die Beratungssituation in Österreich mit jener in Deutschland,
der Schweiz, Dänemark und den Niederlanden verglich. Obwohl in diesen
Ländern der Zuwachs an Biobauern vergleichsweise gering ausfiel, wurde die
Beratung besser ausgebaut als in Österreich (Tab. 3.6.1).
3.88
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Tab.3.6.1: Ländervergleich: Betriebsstrukturen und hauptamtliche Bioberatungskräfte (Verbandsberatung, Offizinalberatung, Ringberatung, private Beratung) (Gruber 1998)
Österreich
Deutschland Schweiz
Dänemark
Niederlande
Biobetriebe
19.433
7.350
4.300
1.636
686
Biofläche in ha
ca. 300.000 354.171
59.570
63.120
17.000
Betriebe pro
Berater
991,5
85,7
39,9
27,4
5,8
3.6.5 Vergleichende Qualitätsuntersuchungen von Produkten biologischer und konventioneller Landwirtschaft
Vergleichende Qualitätsuntersuchungen von Produkten unterschiedlicher Anbauweise reichen von Analysen wertgebender Inhaltsstoffe (wie Vitamine, Mineralstoffe u.a.) über Rückstandsanalysen, Lagerversuche und sensorische Tests
bis hin zu Untersuchungen, wie weit die Herkunft des Futters die Fruchtbarkeit
von Tieren beeinflußt. Auch Futterwahlversuche werden durchgeführt.
Auffallend ist, daß nicht alle Lebensmittelgruppen gleich starkes Interesse erweckten: so wurde Gemüse sehr häufig, Obst jedoch relativ selten vergleichend untersucht.
3.6.5.1 Trockenmasse
Verschiedene Untersuchungen an Gemüsen konnten höhere Trockenmassegehalte (Lenz 1990, Schuphan 1974) bzw. niedrigere Trockenmasseverluste im
Winter (Matthies 1991) bei biologischem Gemüse aufzeigen. Dies ist als positives Qualitätsmerkmal von Gemüse aus biologischer Landwirtschaft festzuhalten. Auch die Trockensubstanzerträge von Sauerkrautfeldern wurden verglichen. Der Ertrag der biologischen war geringer als der konventionell bearbeiteter Felder. Die Trockenmasse des biologisch angebauten Gemüses war allerdings höher, wodurch insgesamt biologisch und konventionell bearbeitete Felder (mit der gleichen Größe) dieselben Trockenmasseerträge brachten. Die biologische Ware unterschied sich von der konventionellen in dieser Untersuchung durch höhere Vitamin C-Gehalte, niedrigere Nitratwerte und bessere
Haltbarkeit.
3.6.5.2. Protein
Untersuchungen zum Proteingehalt pflanzlicher Lebensmittel sind nicht nur
quantitativer Natur, sondern betreffen auch die Eignung eines Lebensmittels zu
seiner Verarbeitung.
3.6 Qualität von Bioprodukten
3.89
Matthies (1991) stellte fest, daß erst durch die Winterlagerung Unterschiede im
Proteingehalt zwischen konventionell und biologisch erzeugten Karotten zu
finden waren: er nahm bei Karotten aus biologischer Landwirtschaft ab, stieg
aber bei den konventionellen Proben an. Woese et al. (1995) fanden beim Vergleich von 19 Studien über den Proteingehalt von Getreide einen Trend zu
geringerem Gehalt bei biologischen Proben. Dies hat bei Weizen einen negativen Einfluß auf die Backeigenschaften, ist bei Roggen aber ohne Bedeutung
(Seibel 1984, Bolling et al. 1986).
3.6.5.3. Nitrat
Die Nitratproblematik ist vor allem in Bezug auf Trinkwasser ein aktuelles
Thema (siehe Kap. 3.2). Nitrat wird nach seiner Aufnahme mit Nahrung oder
Trinkwasser zu Nitrit reduziert, welches im Blut mit Hämoglobin zu Methämoglobin reagiert, das nicht mehr zum Sauerstofftransport fähig ist. Die Rückreduktion von Methämoglobin zu Hämoglobin läuft beim Erwachsenen in ausreichender Geschwindigkeit ab, ist jedoch beim Säugling stark verlangsamt.
Hohe Nitrataufnahmen können bei Säuglingen daher zur lebensbedrohlichen
„Blausucht“ führen. Eine entsprechende Nahrungsmittelauswahl ist in dieser
Hinsicht sehr wichtig.
Es liegen zahlreiche vergleichende Untersuchungen hinsichtlich des Nitratgehaltes von biologischen und konventionellen Gemüsen vor, welche deutlich
niedrigere Nitratgehalte in biologisch-dynamisch angebautem Gemüse fanden
(Lindner 1985, Regierungspräsidium Stuttgart 1987, Kaeppel 1982, Schuphan
1974). Woese et al. (1995) kamen bei der Betrachtung 41 vergleichender Studien ebenso zum Ergebnis, daß biologische Gemüse geringere Nitratkonzentrationen aufweisen. Matthies (1991) konnte keinen Unterschied feststellen.
3.6.5.4. Mineralstoffe und Vitamine
Bei der Literaturauswertung des Regierungspräsidiums Stuttgart (1987), welcher
etwa 400 Zahlenpaare zugrunde lagen, konnten keine eindeutigen Unterschiede zwischen den beiden Anbaumethoden festgestellt werden. Woese et al.
(1995) fanden bei der Auswertung von 27 Studien über Gemüse keine Unterschiede zwischen den Anbaumethoden bei den Vitaminen B1 und B2. und bei
β-Carotin Lediglich bei Vitamin C wurde bei etwa der Hälfte der Studien ein
Trend zu höheren Gehalten in biologischen Gemüsen gefunden. Auffallend
dabei war, daß die Unterschiede vor allem in Blattgemüsen auftraten.
3.6.5.5. Rückstände von Pflanzenschutzmitteln, Schwermetallbelastung
Die Definition des Gesundheitswertes eines Lebensmittels beinhaltet auch seine wertmindernden Inhaltsstoffe, zu denen u.a. Rückstände und Schwermetalle
gezählt werden. Gerade in diesem Punkt werden hohe Erwartungen an die biologische Landwirtschaft und die daraus resultierenden Produkte gestellt. Tatsächlich ist konventionelle Ware vielen Literaturangaben zufolge stärker pesti-
3.90
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
zidbelastet als biologische Ware (Regierungspräsidium Stuttgart 1987, Grosch
und Schuster 1985). Die Kontamination von Milch mit Pestiziden oder Polychlorierten Biphenylen (PCBs) ist zahlreichen Untersuchungen zufolge jedoch
nicht von der Produktionsart abhängig (Guinot-Thomas et al. 1991, Lund 1991,
Chemische Landesuntersuchungsanstalt Stuttgart 1993).
3.6.5.6. Sensorik
Sensorische Untersuchungen sind zur Qualitätsbeurteilung eines Lebensmittels
unerläßlich. Die Ergebnisse zahlreicher sensorischer Untersuchungen, welche
Produkte aus biologischem und konventionellem Anbau verglichen, sind allerdings sehr widersprüchlich. Leitzmann und Sichert (1985) weisen in diesem
Zusammenhang darauf hin, daß das Gewohnte oft bevorzugt wird.
In einer am Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien durchgeführten sensorischen Untersuchung wurden Apfelsäfte biologischer und konventioneller Herkunft hinsichtlich Farbe, Aussehen, Geruch, Geschmack und
Harmonie verglichen. Nach Gewichtung dieser Kriterien wurden Qualitätszahlen (=Gesamtqualität) ermittelt, wobei in Summe die Säfte aus biologischer
Landwirtschaft etwas besser abschnitten. In einer Folgestudie wurden biologisch produzierte Schafkäse (5 Produkte) hinsichtlich ihrer sensorischen Eigenschaften (idF Aussehen, Geruch, Geschmack und Gefüge) bewertet und mit
jenen von konventionell hergestellten Schafkäsesorten (4 Produkte) verglichen.
Das Testergebnis verdeutlicht, daß für eine hohe sensorische Qualität des Endprodukts der „biologische“ Ursprung alleine nicht ausreicht, sondern vielmehr
durch den technologischen und Hygiene-Standard der Käseproduktion geprägt
wird. Auch subjektive Vorlieben kamen hierbei stark zum Ausdruck.
Bei einem sensorischen Vergleich von Gemüsen aus biologischer und konventioneller Anbauweise kam Lindner (1985) zu folgendem Ergebnis: Hausfrauen
gaben mittels Beliebtheitsprüfungen den biologischen Produkten Sellerie, Karotte, Kohl, Buschbohnen und Rote-Rüben-Saft den Vorzug, während geschulte
Sensoriker beim sogenannten Triangeltest (einer Unterschiedsprüfung) keine
Unterschiede schmeckten.
Auch die Ergebnisse von Aromastoffgehaltanalysen sind unterschiedlich: Lenz
(1990) stellte hochsignifikante Unterschiede zugunsten der biologischen Ware
fest; Diehl & Wedler (1978) fanden bei Sellerie keinen düngungsabhängigen
Unterschied im Gehalt ätherischer Öle.
3.6.5.7. Lagerverluste, Haltbarkeit
Auch die Haltbarkeit eines Lebensmittels ist ein wichtiger Qualitätsparameter.
Studien zu diesem Qualitätsmerkmal beurteilen biologische Produkte meist
besser als solche herkömmlicher Anbauweise.
Eine Literaturauswertung von Vogtmann (1991) zeigte deutlich geringere Lagerverluste bei biologischen Produkten. Matthies (1991) wies bessere Haltbarkeit im Winterlager bei biologisch angebauten Karotten nach. Auch die Litera-
3.6 Qualität von Bioprodukten
3.91
turauswertung des Regierungspräsidiums Stuttgart (1987) stellte bessere Haltbarkeit bei verschiedenen biologischen Früchten fest; lediglich Kartoffelproben
zeigten eine umgekehrte Tendenz.
3.6.5.8. Fütterungsversuche
Bei Untersuchungen an Hauskaninchen brachten Häsinnen, welche mit konventionellem Futter ernährt wurden, weniger Jungtiere zur Welt als jene, die
biologisches Futter erhalten hatten, obwohl gleich viele Tiere in beiden Gruppen befruchtet waren (Staiger 1986). Auch die Erkrankungsrate war bei den
biologisch-dynamisch ernährten Häsinnen geringer. Nachdem die beiden Diäten chemisch-analytisch übereinstimmten, kann die Wirkung nicht durch Nährstoffunterschiede erklärt werden.
Fütterungsversuche an Hühnern wiesen eine positive Wirkung von biologisch
angebautem Futter auf Fruchtbarkeit und Eiqualität nach. Auch „Rinder, die mit
Futter aus biologischem Anbau versorgt werden, haben in der landwirtschaftlichen Praxis weniger Fruchtbarkeitsstörungen“ (Maurer 1996).
Die Ergebnisse von Fütterungsversuchen, vor allem in Hinblick auf die Fruchtbarkeit der Tiere, erscheinen von großer Bedeutung. Durch die Möglichkeit
einer negativen Beeinflussung der Fruchtbarkeit durch qualitativ minderwertige
Lebensmittel erlangt die Diskussion bezüglich Nahrungsmittelqualität eine
neue Dimension. Diese Ergebnisse unterstreichen ferner das Bestreben nach
ganzheitlichen Beurteilungsmaßstäben zur Bewertung der Lebensmittelqualität,
da die ausschließlich chemisch-analytische Bonitierung der Futtermittel offensichtlich nicht alle qualitativen Unterschiede erfaßt (Astl 1993).
Futterwahlversuche bei verschiedenen Tierspezies zeigten, daß Tiere biologischem Futter gegenüber konventionellem den Vorzug geben (Plochberger
1989, Mäder et al. 1993). Diese Präferenz ist auch dann gegeben, wenn beide
Futterarten den Nährstoffbedarf der Tiere decken (Plochberger & Velimirov
1992).
3.6.6 Vergleich von Fleisch aus biologischer und konventioneller
Produktion in Österreich
Im Frühjahr / Sommer 1997 wurden in einer Studie des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien im Auftrag des Kuratoriums Wiener Pensionistenwohnhäuser (KWP) und des ERNTE Verbandes für Wien und NÖ Unterschiede
zwischen biologischem und konventionellem Fleisch untersucht (Elmadfa 1998).
Dabei konnten durch Befragung von Konsumenten in Wiener Pensionistenwohnhäusern folgende sensorische Unterschiede zwischen Gerichten mit
Fleisch aus biologischer Produktion und jenen aus konventioneller Produktion
beobachtet werden:
Es zeigte sich, daß bei Rindfleisch die biolologische Ware sowohl bei “im Ganzen zubereitetem Fleisch” als auch bei “geschnittenem Fleisch” tendenziell
positiver beurteilt wurde. Bei Schweinefleisch konnte bei keiner Zubereitungs-
3.92
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
form ein Unterschied festgestellt werden (Abb. 3.6.1).
Ferner wurde auf Unterschiede hinsichtlich der Gehalte an den Vitaminen B1,
B2, A und E geprüft.
100%
80%
Gerichte haben ...
nicht geschmeckt
geschmeckt
gut geschmeckt
60%
40%
Rindfleisch
konv. n = 903 bio n = 581
- bio
- konv.
- bio
G
an
ze
n
G
an
ze
n
im
im
ge
sc
hn
itt
ge
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itt
en
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im
n
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ze
n
0%
ge
sc
hn
itt
ge
en
sc
hn
itt
en
- konv.
20%
Schweinefleisch
konv. n= 1722 bio n= 2060
Abb. 3.6.1: Ergebnisse der sensorischen Beurteilung von Rind- und Schweinefleischgerichten durch Bewohnerinnen und Bewohner von Pensionistenwohnhäusern
–
allgemeine Geschmacksbewertung
3.6 Qualität von Bioprodukten
3.93
mg Thiamin /100 g Trockensubstanz
4
konventionell
biologisch
3
2
1
vor der Zubereitung
Hu
hn
Sc
hw
ei
n
Ka
lb
R
in
d
Ju
ng
rin
d
Hu
hn
Sc
hw
ei
n
Ka
lb
R
in
d
Ju
ng
rin
d
0
nach der Zubereitung
Abb. 3.6.2: Thiamingehalt in konventionell und biologisch produzierten
1,2
mg Riboflavin / 100 g Trockensubstanz
konventionell
biologisch
1
0,8
konventionell
0,6
Jungrind
Rind
Kalb
Schwein
Huhn
0,4
biologisch
0,21
0,22
0,29
1,78
0,24
0,19
0,29
2,03
0,45
0,2
vor der Zubereitung
n
uh
H
Sc
hw
ei
n
Ka
lb
R
in
d
Ju
ng
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d
n
uh
H
Sc
hw
ei
n
Ka
lb
R
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d
Ju
ng
rin
d
0
nach der Zubereitung
Fleischproben vor und nach der Zubereitung
Abb. 3.6.3: Riboflavingehalt in konventionell und biologisch produzierten
Fleischproben vor und nach der Zubereitung
3.94
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
60
µg Retinol / 100 g Trockensubstanz
konventionell
biologisch
50
40
30
20
10
vor der Zubereitung
n
H
uh
n
ei
hw
Sc
Ka
lb
rin
ng
Ju
R
in
d
d
n
H
uh
n
ei
hw
R
in
d
Ka
lb
Sc
Ju
ng
rin
d
0
nach der Zubereitung
Abb. 3.6.4: Retinolgehalt in konventionell und biologisch produzierten
Fleischproben vor und nach der Zubereitung
3.6 Qualität von Bioprodukten
1,2
3.95
mg α−Tocopherol / 100 g Trockensubstanz
konventionell
biologisch
1
0,8
0,6
0,4
0,2
vor der Zubereitung
Hu
hn
Sc
hw
ei
n
Ka
lb
R
in
d
Ju
ng
rin
d
Hu
hn
Sc
hw
ei
n
Ka
lb
R
in
d
Ju
ng
rin
d
0
nach der Zubereitung
Abb. 3.6.5: Tocopherolgehalt in konventionell und biologisch produzierten
Fleischproben vor und nach der Zubereitung
Bei Thiamin (Vitamin B1) wurden bei Kalb, Huhn und besonders deutlich beim
Schwein in konventionell produzierten Fleischstücken etwas höhere Vitamingehalte gemessen als in biologisch produzierten, bei Rindfleisch war der Gehalt in biologisch produziertem Fleisch etwas höher. Die Riboflavingehalte
(Vitamin B2) waren in den biologisch produzierten Fleischstücken bei allen untersuchten Fleischsorten höher als in den konventionell produzierten (siehe
Abb. 3.6.2 und 3.6.3).
Bei Retinol (Vitamin A) waren etwas höhere Gehalte in den biologisch produzierten Rindfleischstücken zu finden, alle anderen Fleischsorten zeigten keine
Unterschiede. Die Tocopherolgehalte (Vitamin E) waren in Rind- und Schweinefleisch aus biologischer Produktion höher als vergleichbare konventionell
produzierte Fleischstücke, bei Kalb und Huhn bestanden keine Unterschiede
(siehe Abb. 3.6.4 und 3.6.5).
Alle festgestellten Unterschiede im Vitamingehalt waren jedoch statistisch nicht
signifikant.
3.6.7 Weitere Methoden der Qualitätsbeurteilung von biologischen
Lebensmitteln
Neben den unter 3.6.6 genannten Methoden der laborchemischen Analyse zur
Beurteilung der Lebensmittelqualität wurden auch „alternative“ Methoden, z.B.
die Biophotonenanalyse, die Messung elektrochemischer Merkmale (pH-Wert,
Redoxpotential und elektrischer Widerstand), sog. „bildschaffende“ Methoden
3.96
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
(Kupferkristallisation, Steigbilder) und die Bestimmung des „physiologischen
Index“ (PI) diskutiert. Letztere finden jedoch nur geringe Anwendung und werden in ihrer Aussagekraft eher kritisch beurteilt.
3.6.8 Qualität aus der Sicht des Konsumenten
Für den Konsumenten sprechen neben Genußwert, Gesundheitswert und ökologischem Wert viele andere Gründe für oder gegen „bio“. So werden Rohstoffe für die Produktion biologischer Lebensmittel ohne die modernen AgroChemikalien hergestellt. Daß deren Verarbeitung auch ohne technologische
Hilfsmittel wie Aromastoffe, Geschmacksverstärker und ähnliche angestrebt
wird, wird vom Konsumenten generell begrüßt. Auch die Sozialverträglichkeit
eines Produktes ist ein Ansatzpunkt für eine ganzheitliche Qualitätsbetrachtung.
Konventionelle Produkte haben Gewohnheitswert, und der Preis der Produkte
ist niedriger, auch wenn Studien belegen, daß Haushalte, die sich ausschließlich biologisch ernähren, insgesamt sogar etwas weniger Geld für Essen ausgeben. Letzteres läßt sich durch ein verändertes Konsum- und Ernährungsverhalten erklären (Brombacher und Hamm 1990).
3.6.9 Schlußfolgerung
Mit dem Trend zu höherem Gesundheitsbewußtsein erlebten Bioprodukte einen enormen Aufschwung. Die Nachfrage nach biologischen Lebensmitteln ist
in Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr hoch; das
Angebot ständig im Steigen. Durch die derzeitigen Vermarktungsformen ist es
für den Konsumenten leicht, sich biologisch zu ernähren.
Die Qualität von Produkten aus biologischem Anbau wird anhand einer Vielzahl von Parametern beurteilt, die nicht nur das Lebensmittel an sich, sondern
auch seine Auswirkungen auf die Umwelt betreffen. Untersuchungen biologischer und konventioneller Lebensmittel beurteilen Bioprodukte zwar nicht generell besser, doch schneidet die biologische Ware tendenziell besser ab. Vor
allem bei der Nitrat- und Rückstandsproblematik können biologische Lebensmittel punkten. Der Gesundheitswert eines Lebensmittels hängt jedoch nicht
nur von der ursprünglichen Qualität ab, sondern auch sehr stark vom Grad der
Verarbeitung.
Zusammenfassung
Vergleichende Untersuchungen von Produkten biologischer und konventioneller Landwirtschaft beurteilten Bioprodukte anhand umweltrelevanter Parameter
wie Nitratgehalt und Pestizidrückständen besser als konventionelle Produkte.
Konventionell angebaute pflanzliche Lebensmittel tendieren hingegen zu höhe-
3.6 Qualität von Bioprodukten
3.97
ren Proteingehalten. Bei Kohlenhydraten, Vitaminen und Mineralstoffen sowie
bei sensorischen Untersuchungen gibt es keine eindeutigen Unterschiede.
In einer am Institut für Ernährungswissenschaften durchgeführten Studie über
Fleisch biologischer und konventioneller Herkunft wurde biologisches Rindfleisch von Pensionisten geschmacklich besser beurteilt; bei Schweinefleisch
traten keine Unterschiede auf. Untersuchungen zum Vitamingehalt ergaben bei
den Vitaminen B2, A und E höhere Werte bei biologischem Fleisch; für Vitamin
B1 wurden in konventionellem Fleisch höhere Gehalte nachgewiesen. Alle festgestellten Unterschiede in den Vitamingehalten waren jedoch nicht signifikant.
3.98
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
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3.99
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Lebensmittel im Vergleich. Eine Literaturstudie. Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (Hrsg.). Hefte 04, 05.
3.100
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
3.7 Einfluß der Verarbeitung auf die Fettqualität: Die Problematik
der Trans-Fettsäuren
3.7.1 Allgemeines zum Begriff Qualität
Ein für den Konsumenten verzehrsfertiges Nahrungsmittel hat im Zuge des Produktionsprozesses bereits viele Verarbeitungsschritte hinter sich. Durch Überwachung und Kontrolle soll jene Sorgfalt an den Tag gelegt werden, die notwendig ist, um beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln Gesundheitsrisiken
jeder Art zu vermeiden. Die Überwachung und Optimierung dieser Verfahrensschritte ist in den letzten Jahren durch die Einführung staatlich überwachter
Qualitätsnormen erheblich verbessert worden. Die Einführung und Anwendung von Zertifizierungen (ISO-Normen) führte zum Erkennen und Beheben
von Schwachstellen in der Produktion, was letztendlich zu einer Optimierung
der Produktionsbedingungen für Lebensmittel führte. Durchgesetzt wurde dies
durch interne HACCP (Hazard Analysis Critical Control Point) Konzepte. Sie
dienen zur Kontrolle bzw. Steuerung kritischer Punkte im Verfahrensablauf, um
auftretende Mängel zu erkennen. Nach der Erkennung werden diese dokumentiert und Richtlinien erstellt, um ein wiederholtes Auftreten zu vermeiden und
die gewünschte Produktqualität wiederherzustellen. Diese Richtlinien beziehen
sich auf das Personal, die Betriebsräume, Anforderungen an die Hygiene, Herstellung, Prüfung, Freigabe, Lagerung und Kennzeichnung sowie auf die Dokumentation. Ziel ist es, die Produktion zu optimieren, bei gleichzeitig bestmöglicher Qualität des Produktes für den Endverbraucher. Durch die Dokumentationspflicht ist es möglich, z.B. nach einer Produktbeschwerde, die Produktionsbedingungen nachzuprüfen und die Beherrschung des Prozesses beweisen zu können.
Für die Produktqualität sind solche Überwachungssysteme insofern wichtig, als
daß sie optimiert und konstant gehalten wird, Nährstoffverluste verringert werden, gleichzeitig aber die Produktsicherheit gewährleistet wird.
In der Fettindustrie wurden solche Optimierungsverfahren in den letzen Jahren
durchgeführt. Betroffen ist einerseits die Raffination von Ölen, die Margarineherstellung sowie die partielle oder vollständige Hydrierung von Ölen.
Fette und Öle enthalten im nativen Zustand unerwünschte Begleitstoffe wie
Schleimstoffe, freie Fettsäuren, Blutfarbstoffe (bei Tierkörperfett), unerwünschte
Geruchs- und Geschmacksstoffe, Metalle oder fettlösliche Umweltkontaminanten. Um diese, die Sensorik und Weiterverarbeitung beeinträchtigenden Bestandteile zu entfernen, wird eine Raffination in vier Teilschritten durchgeführt.
Endprodukt ist ein entschleimtes, entsäuertes, gebleichtes und desodoriertes
Öl. Im Zuge der Raffination, die teilweise unter hohen Temperaturen abläuft,
kommt es zu Verlusten von wertgebenden Inhaltsstoffen v.a. an Vitamin E. Viele Pflanzenöle sind reich an natürlichem Vitamin E (Abb. 3.7.1), sie stellen da-
3.7 Einfluß der Verarbeitung auf die Fettqualität: Die Problematik der Trans-Fettsäuren
3.101
her die Hauptquelle für das fettlösliche Vitamin in der menschlichen Ernährung
dar. Vitamin E ist ein Sammelbegriff strukturverwandter Tocochromanole, zu
denen die Tocopherole und Tocotrienole zählen, die schützend in den Radikalstoffwechsel eingreifen und die Bildung freier Radikale unterdrücken. Um
Verluste an Vitamin E so gering wie möglich zu halten, mußte ein schonenderes Verfahren entwickelt werden, bei gleichzeitig langer Haltbarkeit des Endproduktes.
80
α-Tocopherol
γ-Tocopherol
δ-Tocopherol
60
40
20
0
Olivenöl Sonnenblumenöl Maiskeimöl
Leinöl
Sojaöl
Rapsöl
Baumwollsaatöl
Abbildung 3.7.1: Tocopherolgehalte ausgewählter Pflanzenöle in mg/100g
(Elmadfa und Wagner 1997)
Anders verhält sich der Einsatz von Fetten in der Margarineindustrie. Für die
gewünschte Erhaltung der Konsistenz und die Verbesserung der plastischen
und physikalischen Eigenschaften der Margarine, kommen partiell oder komplett gehärtete Fette zum Einsatz. Gehärtete Fette haben die Eigenschaft, bei
Raumtemperatur fest zu sein - eine wesentliche Eigenschaft der Margarine,
aber auch der Brat- und Backfette sowie der Fritierfette. Nachteil der hydrierten
Fette und in geringerem Ausmaß auch einiger raffinierter Öle ist das Vorkommen von Trans-Fettsäuren.
Chemisch gesehen zählen Trans-Fettsäuren zu der Gruppe der ungesättigten
Fettsäuren, jedoch mit räumlicher Anordnung der olefinischen H-Atome, die in
entgegengesetzter Stellung der Bindungsebene lokalisiert sind.
3.7.2 Entstehung von Trans-Fettsäuren (TFS32)
Die in den Nahrungsfetten vorkommenden Trans-Fettsäuren stammen im wesentlichen aus 2 Quellen. Einerseits werden sie bei der Biohydrierung im Pansen von Wiederkäuern gebildet, andererseits stammt der Großteil der aufgenommenen Menge aus industriell gehärteten Fetten. Partiell hydrierte Fette
---------------------------------------------------------------------32
trans fatty acids ... TFA
3.102
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
wiederum werden bei der Produktion von Nuß-Nougat-Cremes, zum Fritieren
von Kartoffelchips, extrudierten Snacks und Pommes frites eingesetzt.
Trans-Fettsäuren entstehen sowohl bei der destillativen Entsäuerung und Bleichung im Zuge eines Raffinationsprozesses von Speiseölen als auch, wie schon
erwähnt, bei der katalytischen Hydrierung (Härtung).
Der Vorgang der katalytischen Hydrierung besteht aus Fraktionierung, Winterisierung, Umesterung und Härtung, mit dem Ergebnis, daß aus einem Pflanzenöl ein bei Raumtemperatur festes Fett wird.
Die Härtung verfolgt daher den Zweck, physikalische Eigenschaften von Fetten
und Ölen zu verändern, den Schmelzpunkt zu erhöhen, sowie Haltbarkeit,
Oxidationsstabilität und Hitzestabilität zu optimieren. Es werden Fette unterschiedlichen Härtegrades erzeugt (Tab. 3.7.1) und weiter in der Gebäckindustrie eingesetzt sowie zur Herstellung von Margarine, Back- und Fritierfetten,
Pflanzencremes und gesüßten Brotaufstrichen verwendet. Im Zuge des Fritierprozesses nimmt das Fritiergut einen großen Gehalt an Trans-Fettsäuren auf.
Beim Fritieren selbst entstehen nur geringe Mengen an Trans-Fettsäuren.
Tab. 3.7.1: Einteilung hydrierter Fette nach Hydrierungsgrad und Anteil an
TFS bezogen auf den Gesamtfettgehalt
Fette
Hydrierungsgrad
in %
Halbflüssig
Weichfette
Hartfette
Hochgehärtet
15 – 30
30 – 50
20 – 65
90 – 100
Steig.
Schmelzpunkt
°C
< 20
24 – 36
42 – 44
30 – 70
TFS
in %
10 – 30
30 – 65
10 – 50
1 – 10
3.7 Einfluß der Verarbeitung auf die Fettqualität: Die Problematik der Trans-Fettsäuren
3.103
Tab. 3.7.2: Trans-Fettsäuregehalte (TFA) und Gehalte an gesättigten (SFA),
einfach ungesättigten (MUFA) und mehrfach ungesättigten (PUFA) Fettsäuren
ausgewählter Lebensmittel in % bezogen auf Gesamtfett33.
Produktgruppen
Margarinen (n=9 )
Pflanzenöle,
raffiniert (n=3)
Pflanzenöle,
kalt gepreßt (n=6)
Knabbersnacks
(n=12)
Fast Foodprodukte (n=16)
Haselnußcremes
(n=4)
MW
Maximum
Minimum
MW
Maximum
Minimum
MW
Maximum
Minimum
MW
Maximum
Minimum
MW
Maximum
Minimum
MW
Maximum
Minimum
SFA
32.6
49.4
10.1
9.5
12.2
6.6
11.1
16.4
8.9
39.0
61.6
13.7
35.3
47.0
14.2
20.5
29.4
11.9
MUFA
29.0
43.4
14.0
35.1
56.9
22.1
32.2
72.3
10.1
34.4
40.1
19.1
34.9
43.6
24.5
33.5
43.2
29
PUFA
28.9
53.9
11.4
48.7
61.9
29.0
50.3
73.2
7.2
14.9
39.2
1.5
14.9
38.5
10.5
33.2
41.9
31.3
TFA
1.5
3.7
0.3
0.3
0.8
0.0
0.0
0.1
0.0
2.6
16
0.5
5.3
21
0.5
4.5
8.9
0.6
3.7.3 TFS in Lebensmitteln und deren Aufnahme
Der Anteil an Lebensmitteln, die einen hohen Trans-Fettsäure-Gehalt besitzen,
beschränkt sich auf einen kleinen Kreis (Tab. 3.7.2), die Akzeptanz dieser Produkte ist jedoch, speziell im Klientel der jüngeren Bevölkerungsgruppe, sehr
hoch. Die durchschnittliche Aufnahme an TFS ist zwar rückläufig (4-6 g/d), eine
schlechte Nahrungsmittelauswahl kann allerdings zu einer weit höheren Aufnahme führen (> 30 g/d), im besonderen durch einen häufigen Besuch von
Schnellimbißketten, die hauptsächlich fritierte Produkte verkaufen, und hydrierte Fette zum Fritieren einsetzen (Enig 1995). So führt z.B. die Auswahl eines kleinen Menüs mit Hamburger, Pommes frites und einer fritierten Nachspeise zu einer TFS-Aufnahme von ca. 6 - 9 g (Tab.3.7.3).
Tab. 3.7.3: TFS-Aufnahme nach Verzehr eines typischen Fast Food Menüs
Pommes frites
Hamburger (100 g)
Apfeltasche (80 g)
Summe
g
3.3 (110g)
0.2
2.6
6.1
g
6.6 (220 g)
0.2
2.6
9.4
---------------------------------------------------------------------33
Daten aus Auer 1997
% von Gesamtfett
18.0
2.5
21.0
∅13.8
3.104
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Wie sehr der Gehalt an TFS von der Art des Fettes abhängig ist, zeigen die TFSGehalte in Pommes frites, die aus drei verschiedenen Restaurants stammen
(Abb. 3.7.2).
% Fettsäuren im Fettanteil
50
40
SFA
30
TFA
MUFA
20
PUFA
10
0
Pommes frites
(Mensa)
Abb. 3.7.2:
frites
Pommes frites
(Gastronomie)
Pommes frites
(Schnellimbißkette)
Prozentueller Anteil der Fettsäuren im Fettanteil von Pommes
Die getestete Schnellimbißkette verwendet ein genau definiertes, gehärtetes
Fett mit einem hohen Anteil an Rapsöl, das von allen Zulieferfirmen ebenfalls
verwendet werden muß. Der Einsatz des gehärteten Fettes spiegelt sich in dem
vergleichsweise hohen Gehalt an TFS in Pommes frites wider. Andere Produkte
der gleichen Schnellimbißkette zeigen ebenfalls hohe Gehalte an TFS (Abb.
3.7.3).
3.7 Einfluß der Verarbeitung auf die Fettqualität: Die Problematik der Trans-Fettsäuren
3.105
Hühnerburger
Fischburger
Frühstück*
Schinkencroissant
Hühnersticks, geb.
Apfeltasche
0
5
10
15
20
Gew.-% der Gesamtfettsäuren
25
*bestehend aus Weißgebäck, Eierspeise und gebratenem Speck
Abb. 3.7.3: Prozentueller Gehalt an trans-Fettsäuren in Produkten einer
Schnellimbißkette in Gew.-% der Gesamtfettsäuren
3.7.4 Trans-Fettsäuren und diskutierte Gesundheitsrisiken
Trans-Fettsäuren werden mit einer Vielzahl physiologischer Wirkungsmechanismen im menschlichen Körper in Verbindung gebracht, wobei die Interpretation der Studienergebnisse oft sehr kontrovers ist. Viele metabolische und epidemiologische Studien befassen sich mit dem Zusammenhang von TFSGehalten in Plasma und Geweben und dem Risiko von koronaren Herzerkrankungen (Willet et al. 1993, Roberts et al. 1995). Ergebnisse zeigen, daß TFS die
Konzentration an Cholesterin in den LDL erhöhen, aber im Gegensatz zu gesättigten Fettsäuren die Konzentration an HDL-Cholesterin senken (Willet und
Ascherio 1994, Ascherio und Willet 1997). Die LDL-HDL-Cholesterin-Ratio,
ein Risikofaktor für die Entstehung von koronaren Herzerkrankungen, wird somit erhöht (Mensink und Katan 1990). Im Gegensatz dazu konnte bei Studien
mit gesunden Probanden, Patienten nach einem Herzinfarkt und durch einen
Herztod plötzlich Verstorbenen kein Zusammenhang zu TFS gefunden werden
(Aro et al. 1995).
Gehärtetes Fett führt im Gegensatz zu tierischem Fett aufgrund des pflanzlichen
Ursprungs zu einer Verringerung des Serum-Triglyceridspiegels, dessen Ersatz
durch pflanzliche Öle hingegen senkt den Serum-Triglyceridspiegel noch weiter ab (Judd et al. 1994).
Eindeutige Beweise für eine gesundheitsschädigende Wirkung von TransFettsäuren sind bis heute noch nicht erbracht worden, eine mögliche Beeinflus-
3.106
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
sung der Entstehung von koronaren Herzerkrankungen ist aber nicht auszuschließen.
3.7.5 Ausblick
Das Beispiel der TFS zeigt die Qualitätsbeeinflussung von Produkten durch
technologische Veränderungen besonders gut. Einerseits wird versucht, streng
kontrolliert und genormt zu arbeiten, um ein zuverlässiges und relativ standardisiertes Produkt zu erhalten, mit der entsprechenden Sicherheit für den Konsumenten. Andererseits können im Zuge des Produktionsprozesses unerwünschte Nebenprodukte gebildet werden, im besonderen dann, wenn mit
höheren Temperaturen gearbeitet werden muß. Im Falle der bei der Margarineherstellung gebildeten TFS wurde das Problem schon erkannt und durch
einen vermehrten Ersatz von gesättigten Fetten zu lösen versucht, d. h. es sind
heute Margarinen mit < 1% TFS am Markt, allerdings mit einem P/SQuotienten34 von < 0,5. Dieser hohe Anteil an gesättigten Fettsäuren wirkt
sich jedoch wieder negativ auf die Blutlipide aus. Hatten im Jahr 1991/92 15,4
% der Margarinen einen P/S-Quotienten von 0,5, so waren dies im Jahr 1996
etwa 50% (Henninger und Ulberth 1996).
Letztendlich hat der Konsument selbst in der Hand, die TFS-Aufnahme niedrig
zu halten. Grundsätzlich sollte Pflanzenölen der Vorzug gegenüber hydrierten
Fetten gegeben und der Konsum an TFS-reichen Produkten (s. Tab. 3.7.2) verringert werden.
Zusammenfassung
Trotz Überwachung und Kontrolle durch Qualitätssicherungskonzepte kann es
im Zuge von Produktionsprozessen zur Entstehung unerwünschter Nebenprodukte kommen, wie z.B. der Bildung von Trans-Fettsäuren (TFS). Ein hoher Einsatz hydrierter Fette zum Fritieren sowie in der Produktion von Margarinen und
gesüßten Brotaufstrichen führt zu einer erhöhten Aufnahme an Trans-Fettsäuren
über die Nahrung. Die höchsten Gehalte an TFS wurden in jenen Produkten
analysiert, die in teilweise- oder vollständig hydrierten Fetten zubereitet wurden, oder die hydrierte Fette enthalten.
Obwohl im Zuge des Fritiervorgangs keine Trans-Fettsäuren gebildet werden,
gehen sie vom hydrierten Fett in das Fritiergut über.
Die pathophysiologische Wirkung von Trans-Fettsäuren ist letztendlich noch
nicht eindeutig geklärt. Sie werden jedoch als Risikofaktoren mit der Entstehung koronarer Herzerkrankungen in Verbindung gebracht.
Man sollte daher den Verzehr Trans-Fettsäure-reicher Produkte zu Gunsten des
Verzehrs an Pflanzenölen reduzieren.
---------------------------------------------------------------------34
Verhältnis mehrfach ungesättigter (polyunsaturated) zu gesättigten (saturated) Fettsäuren, im
Idealfall 0,5 – 1,0.
3.7 Einfluß der Verarbeitung auf die Fettqualität: Die Problematik der Trans-Fettsäuren
3.107
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3.108
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
3.8 Anreicherung von Lebensmitteln mit Mikronährstoffen
3.8.1 Einleitung
Nahezu alle Ernährungserhebungen, die in den europäischen Ländern durchgeführt werden, zeigen immer wieder eine mangelhafte oder unerwünscht niedrige Aufnahmen mehrerer Nährstoffe (SCOOP 1997). In erster Linie beruhen
diese niedrigen Nährstoffaufnahmen auf einem falschen Ernährungsverhalten,
so daß das wichtigste Ziel der Ernährungsaufklärung eine Optimierung dieses
Ernährungsverhaltens sein sollte. Von den meisten europäischen Regierungen
wird die Möglichkeit der selektiven Anreicherung einer Reihe von Lebensmitteln als Teil der nationalen Gesundheitspolitik in Betracht gezogen, um den
Ernährungsstatus der Bevölkerung zu verbessern. Dabei existieren für die meisten europäischen Länder nur sehr wenige Informationen, die eine genauere
Abschätzung der Nährstoffaufnahme über angereicherte Lebensmittel erlauben.
Was ist nun unter dem Begriff „Nährstoffanreicherung“ (englisch: food fortification oder food enrichment) zu verstehen? Die Food and Agricultural Organization (FAO) definiert Nährstoffanreicherung als die Zugabe eines oder mehrerer
essentieller Nährstoffe zu einem Lebensmittel, unabhängig davon, ob diese
Nährstoffe normalerweise in dem betreffenden Lebensmittel enthalten sind, mit
dem Zweck, einen erwiesenen Mangel eines oder mehrerer essentieller Nährstoffe in der Bevölkerungsgruppe zu verhindern oder zu korrigieren (Codex
Alimentarius 1994). Hierbei ist zwar der vorherige Nachweis eines erwiesenen
Mangels an diesen Nährstoffen in der Bevölkerung vorgesehen, in der Praxis
wird diese Bedingung aber meist nicht erfüllt. Ebenso wird oft eine Anreicherung auch mit Nährstoffen durchgeführt, die in dem betreffenden Lebensmittel
normalerweise gar nicht vorhanden sind, wodurch sich deutliche Überschneidungen zu der Gruppe der „functional foods“ ergeben.
3.8.2 Regulierung der Nährstoffanreicherung
Nährstoffe, insbesondere die meisten Mikronährstoffe wie Vitamine und Spurenelemente, sind ähnlich den Medikamenten hochwirksame Verbindungen.
Daher gibt es für die meisten Nährstoffe nicht nur Grenzen, bei deren Unterschreitung mit den verschiedenen Mangelsymptomen zu rechnen ist, sondern
umgekehrt auch obere Grenzen, bei deren Überschreitung mit mehr oder weniger ausgeprägten toxischen Auswirkungen zu rechnen ist (upper safe limits).
Eine beliebig hohe Dosierung der Nährstoffe in Form einer Anreicherung von
Lebensmitteln kann daher nicht erfolgen; es müssen wissenschaftlich fundierte,
gesetzlich verordnete Höchstmengen für jeden einzelnen Nährstoff und für die
jeweiligen Lebensmittel festgelegt werden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen,
daß es unter bestimmten Bedingungen (Schwangerschaft, Stillzeit, Wachstum,
Alter) und durch den Konsum bestimmter Lebensmittel (z.B. Grundnahrungs-
3.8 Anreicherung von Lebensmitteln mit Mikronährstoffen
3.109
mittel), aber auch für einige Sonderfälle (z.B. exzessiver Konsum von Vitaminsäften) zu deutlich erhöhten Aufnahmen der angereicherten Nährstoffe kommen kann. Die gesetzlichen Regelungen müssen dafür Sorge tragen, daß es
auch durch angereicherte Lebensmittel nicht zu negativen Auswirkungen auf
die Gesundheit des Konsumenten kommt.
Tabelle 3.8.1: Zehn allgemeine Grundsätze zur Nährstoffanreicherung von
Lebensmitteln (Codex Alimentarius 1994)
1.
Der essentielle Nährstoff sollte in einer Menge vorhanden sein, die weder
zu einer exzessiv hohen, noch zu einer unzureichenden Aufnahme des
zugesetzten Nährstoffes führt, unter Berücksichtigung der Aufnahme aus
anderen Nahrungsquellen.
2.
Der Zusatz eines essentiellen Nährstoffes zu Lebensmitteln sollte nicht zu
unerwünschten Auswirkungen auf den Stoffwechsel der anderen Nährstoffe führen.
3.
Der essentielle Nährstoff sollte unter normalen Bedingungen von Verpakkung, Lagerung, Auslieferung und Gebrauch eine ausreichende Stabilität
aufweisen.
4.
Der essentielle Nährstoff sollte bioverfügbar aus dem Lebensmittel sein.
5.
Der essentielle Nährstoff sollte frei von unerwünschten Eigenschaften gegenüber dem Nahrungsmittel sein (z.B. Farbe, Geruch, Geschmack, Textur, Zubereitungseigenschaften) und die Haltbarkeitszeit eines Lebensmittels nicht wesentlich beeinflussen.
6.
Möglichkeiten zur Technologie und Verarbeitung sollten verfügbar sein,
so daß der Zusatz des essentiellen Nährstoffes zufriedenstellend möglich
ist.
7.
Der Zusatz eines essentiellen Nährstoffes zu Lebensmitteln sollte nicht so
verwendet werden, daß die Verbraucher über den ernährungsphysiologischen Wert des Lebensmittels irregeführt werden.
8.
Die zusätzlichen Kosten sollten für die geplante Zielgruppe nachvollziehbar sein.
9.
Methoden zur Messung, Kontrolle und/oder Erhöhung der Gehalte von
zugesetzten Nährstoffen sollten verfügbar sein.
10. Wenn bei der Erstellung von Lebensmittelstandards, Regulierungen oder
Richtlinien, die Möglichkeiten der Nährstoffanreicherung miteinbezogen
werden, so sollten explizit erwähnt werden, welche essentiellen Nährstoffe berücksichtigt werden sollen oder erforderlich sind, und in welcher
Höhe die Zusätze erfolgen sollen, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen.
Ja
Ja
Nein
Nein
Ja
Ja
Ja
Ja (Vitamine) X
Ja
Ja
Ja
Ja
Griechenland
Island
Italien
Luxemburg
Holland
Norwegen
Schweden
Schweiz
UK
Australien
Canada
USA
X
X
X
X
X*
X*
X*
X*
X
Ja
Deutschland
X*
Ja
Finnland
X
X
X
X
X
X
X
X
Nein
Nein
Ja
Nein
Nein
Ja
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Ja
Nein
l-
Lebensmittelstandards spezifizieren die Zulassung von Nährstoffen
zur Anreicherung. Nährstoffe müssen zur Substitution zugesetzt we rden.
Lebensmittel, zugelassene Nährstoffe und deren Gehalte geregelt
Zusatz bestimmter Vitamine für alle Lebensmittel erlaubt, Maxima lgehalte
Zusatz nicht beschränkt, solange keine Beeinträchtigung der G
esundheit
Lebensmittel, zugelassene Nährstoffe und deren Gehalte geregelt
* Für fettreduzierte Milch, Fette, Salz, Mehle, Nudeln
Nährstoffanreicherung verboten außer verpflichtender Zusatz zu
Margarinen und Brotsalz und optionalem Zusatz zu Speisesalz
* Für Margarinen, Butter, Fette, Salz und Ziegenfrischkäse
Nährstoffanreicherung von Grundnahrungsmitteln nur nach Gene hmigung durch das Gesundheitsministerium
Nährstoffgehalte nicht höher als durchschnittliche Aufnahme
* Für Margarinen
Zusatz bestimmter Vitamine ohne Einschränkung erlaubt. Maxima
gehalte für Vitamin D und A
* Für Margarinen, Fettemulsionen, Salz
* Für Margarinen
Tabelle 3.8.2: Grundsätze der gesetzlichen Regelungen zur Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitaminen und Mineralstoffen in Ländern der Europä
ischen Union (TEMA Nord 1995)
Land
Gesetzliche Allgemeine Individuelle Meldefrei
Positivli- Bemerkungen
Regelung
Zulassung
Zulassung
pflicht
ste
Österreich
Nein (AusX
Nein
Nährstoffanreicherung ist frei solange keine gesundheitlichen Beei nnahme: Salz)
trächtigungen existieren und die Nährstoffkennzeichnung nicht irr eführt oder täuscht
Belgien
Ja
X
X
Ja
Nährstoffanreicherung für alle Lebensmittel erlaubt, aber meld
epflichtig. Definierte minimale und maximale Endgehalte für Nährsto ffe in den Lebensmitteln.
Dänemark
Ja
X*
X
Ja
* Für Mehle, Haferkekse, Zerealien, Säfte
3.110
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
3.8 Anreicherung von Lebensmitteln mit Mikronährstoffen
3.111
Derzeit ist in Österreich der Zusatz von Vitaminen und Spurenelementen zu
Lebensmitteln ohne definierte Höchstmengen erlaubt. Eine Auslobung der angereicherten Nährstoffe mit gesundheitsbezogenen Argumenten darf allerdings
nicht erfolgen, und wie für alle in den Verkehr gebrachten Lebensmittel gilt
selbstverständlich auch für angereicherte Lebensmittel, daß sie die Gesundheit
des Konsumenten nicht beeinträchtigen dürfen. Warnhinweise, daß angereicherte Lebensmittel nur in bestimmten Situationen mit erhöhtem Bedarf oder
unter entsprechenden Lebensumständen konsumiert werden sollten, oder daß
es bei exzessivem Konsum zu unerwünschten Nebenerscheinungen kommen
kann, sind in Österreich nicht vorgeschrieben. Ob diese Hinweise unbedingt
erforderlich sind, bleibt zu diskutieren. Wichtig wäre dennoch, bei diesen Lebensmitteln darauf hinzuweisen, wie die zugesetzten Nährstoffe auf andere
Weise, das heißt letztendlich durch eine vernünftige Auswahl an natürlicherweise nährstoffreichen Lebensmitteln, aufgenommen werden können. Sichergestellt werden muß nämlich, daß alle Menschen in der Lage sind, aufgrund
der verfügbaren und verständlichen Informationen eine selbständige Entscheidung zu treffen, ob überhaupt und auf welche Weise sie die für sie optimale
Ernährung zusammenstellen. Wenn die staatliche Gesundheitspolitik ein vorhandenes unzureichendes Ernährungsverhalten korrigieren will, so sollte diese
nicht nur auf Nährstoffanreicherung beschränkt bleiben. Wird der Einsatz dieser Maßnahme dennoch erwogen, muß dies als kurzfristiges Mittel eingesetzt
werden und immer von langfristigen Maßnahmen der Ernährungsaufklärung
zur Optimierung des Ernährungsverhaltens begleitet werden.
Bei einer zufällig ausgewählten 2%igen Bevölkerungsstichprobe von 1015
Schulkindern im Alter von 12-15 Jahren in Nordirland konnte festgestellt werden, daß angereicherte Frühstücksgetreideprodukte von einem Großteil der
Kinder konsumiert wurden (94% der Jungen, 83% der Mädchen) und daß dieser Konsum mit höheren täglichen Nährstoffaufnahmen der meisten Mikronährstoffe und Ballaststoffen einherging. Gleichzeitig war die Aufnahme der Hauptnährstoffe im Einklang mit den Ernährungsempfehlungen. Ein beträchtlicher
Teil der Kinder, die keine angreicherten Frühstücksprodukte konsumierten,
zeigten täglliche Nährstoffaufnahmen unterhalb der empfohlenen Mengen bei
Riboflavin, Niacin, Folsäure, Vitamin B12 und Eisen (Mädchen) (McNulty et al.
1996). Ähnliche Ergebnisse konnten auch in Untersuchungen aus Spanien ermittelt werden.
Die gesetzlichen Regelungen über die unterschiedlichen Formen der Nährstoffanreicherung sind in den einzelnen europäischen Ländern sehr unterschiedlich
(Tabelle 3.8.2). Typische Lebensmittel, die in Europa angereichert werden, sind
Margarinen und andere Brotaufstriche (Vitamine A und D), Mehle und Getreideprodukte (Thiamin, Riboflavin, Niacin, Folsäure, Calcium, Eisen), Milch und
Milchprodukte (Vitamin A und D), Fruchtsäfte und –nektare (Vitamin C, Thiamin, Riboflavin, Niacin, Calcium, Magnesium, Eisen) und Speisesalz (Jod, Fluor). Darüber hinaus existieren in einigen Ländern für die jeweilige Region typi-
3.112
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
sche Lebensmittel, die ebenfalls Ziel der Anreicherung sein können. Mehrere
Untersuchungen haben eindeutige positive Effekte der Anreicherung von Lebensmitteln gezeigt. Die freiwillige Anreicherung von Margarine in Großbritannien führte zu einem Anteil dieser Produkte von 40% an der Gesamtaufnahme an Vitamin D. Der regelmäßige Verbrauch von angereicherten Getreideprodukten führte zu signifikant höheren Aufnahmen an Thiamin, Riboflavin,
Pyridoxin, Vitamin D und Eisen in Frankreich, ähnliche Ergebnisse wurden in
Irland und Großbritannien festgestellt. So gibt es keine Zweifel an der Effizienz
solcher Anreicherungsprogramme zur Verbesserung der Nährstoffaufnahme.
Dennoch ist andererseits immer noch unklar, ob es Risiken der Anreicherung
mit bestimmten Nährstoffen gibt, vor allem wenn angereicherte Lebensmittel
exzessiv konsumiert werden und so zu einer Nährstoffaufnahme jenseits der
Sicherheitsgrenzen führen. Diese Punkte sind derzeit Gegenstand ausgedehnter
und heftiger Diskussionen in vielen europäischen und internationalen Gremien
der Gesundheitspolitik.
Auf der Grundlage dieser wenigen verfügbaren Ergebnisse kann die höchste
freiwillige Aufnahme an angereicherten Lebensmitteln bei Frühstückszerealien
und Fruchtsäften erwartet werden. Nährstoffanreicherungen auf verpflichtender
Basis, wie z.B. bei der Speisesalzjodierung oder verschiedenen angereicherten
Mehlen und Mehlprodukten sind wesentlich effektiver zur Verbesserung der
Nährstoffaufnahme, beinhalten aber ein größeres Risiko der Überdosierung.
3.8.3 Aufnahme an Nährstoffen über angereicherte Lebensmittel in
Österreich
Auch für Österreich existieren nur wenige Daten über den Beitrag von nährstoffangereicherten Lebensmitteln zur gesamten Nährstoffaufnahme, was hauptsächlich auf einer unzureichenden Verfügbarkeit von Analysenwerten bzw.
Herstellerangaben für die einzelnen zugesetzten Nährstoffe beruht. Die verschiedenen Untersuchungen des Institutes für Ernährungswissenschaften zum
Ernährungsstatus der österreichischen Personengruppen (s. Kap. 2.1-2.5) lassen
jedoch zumindest eine Abschätzung der Aufnahme an nährstoffangereicherten
Lebensmitteln zu.
Wie bereits erwähnt, ist die wirksamste Methode zur Optimierung der Zufuhr
eines bestimmten Nährstoffes die gesetzliche Verpflichtung zur Anreicherung
bestimmter Grundnahrungsmittel. In Österreich gibt es eine derartige Verpflichtung lediglich für den Zusatz des Spurenelementes Jod zu Speisesalz, um die
Häufigkeit von jodmangelbedingten Vergrößerungen der Schilddrüse und anderer Stoffwechselsstörungen zu reduzieren. Die meisten Untersuchungen zur
Anreicherung von Lebensmitteln wurden am Beispiel der Speisesalzjodierung
und seinem Beitrag zur Gesamtjodaufnahme durchgeführt. In Österreich liefert
jodiertes Speisesalz etwa 40-45% der Gesamtjodaufnahme von Kindern und
Jugendlichen, was zu einer allgemeinen durchschnittlichen Jodaufnahme von
3.8 Anreicherung von Lebensmitteln mit Mikronährstoffen
3.113
105-130% der empfohlenen Mengen führt. So ist die Jodanreicherung notwendig, um die Anforderungen der Empfehlungen überhaupt erfüllen zu können,
da das typische Ernährungsverhalten in Österreich keine anderen guten
Jodquellen einschließt.
Obwohl dieser verpflichtende Zusatz nur für Speisesalz für den Gebrauch im
Privathaushalt gilt und nicht für den wesentlich größeren Anteil von Speisesalz
in der Lebensmittelindustrie und im lebensmittelproduzierenden Einzelhandel
(Bäckereien, Fleischereien), zeigt Abbildung 3.8.1 doch deutlich, in welch großem Ausmaß diese Mengen an jodiertem Speisesalz zur Jodversorgung der
österreichischen Bevölkerung – hier am Beispiel österreichischer Schulkinder –
beitragen.
300
250
200
Gesamtjodaufnahme [µg/d]
Jod aus Lebensmitteln
jodiertes Salz
Empfehlung
150
100
50
0
4-6
7-9
10-12
Alter [Jahre]
13-14
15-19
IfEW 1996
Abbildung 3.8.1: Beitrag an jodiertem Speisesalz zur Gesamtjodaufnahme
österreichischer Schulkinder (Elmadfa und König 1998)
Die Aufnahme an angereicherten Fruchtsäften in Österreich liegt bei etwa 1020 g/d für Kinder und Jugendliche im Alter von 6-18 Jahren, was etwa 3% der
Gesamtaufnahme an nichtalkoholischen Getränken entspricht. Unter der Annahme, daß eine Portion dieser Produkte eine Menge an zugesetztem Nährstoff
im Bereich von etwa einem Viertel der empfohlenen Tagesmengen liefert, kann
davon ausgegangen werden, daß diese Lebensmittelgruppe zu einer zusätzlichen Aufnahme an Nährstoffen von ca. 1-3% der Tagesempfehlung führt (Abbildung 3.8.2) (Elmadfa et al. 1994).
Neben jodiertem Speisesalz und vitaminierten Fruchtsäften werden andere angereicherte Lebensmittel aus einer relativ breiten Produktpalette konsumiert,
wie angereicherte Getreideprodukte (Frühstücksflocken), Süßigkeiten, Margarinen, u.a. (Tabelle 3.8.3). Eine genaue Abschätzung der durch diese Produkte
zusätzlich aufgenommenen Nährstoffmengen ist jedoch nicht möglich, da die
3.114
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
zur Anreicherung zugesetzten Nährstoffmengen in einem weiten Bereich
schwanken und kaum Verzehrsdaten für die angereicherten Lebensmittel ne-
1000
(g/d)
800
angereicherte Fruchtsäfte (10-20 g/d)
alkoholische Getränke
Kaffee
Tee
1000
100
800
80
600
60
400
40
200
20
(%)
Limonaden
600
Fruchtsäfte
400
200
Wasser
0
0 0
Gesamtaufnahme an
Gesamtaufnahme an
Getränken
Nährstoffen
ben den Verzehrsdaten für die nichtangereicherten Produkte vorliegen.
Abbildung 3.8.2: Beitrag an vitaminierten Fruchtsäften zur Gesamtaufnahme
an Nährstoffen bei österreichischen Schulkindern (nach Elmadfa et al. 1994)
Tabelle 3.8.3: Nährstoffangereicherte Lebensmittel in Österreich
Lebensmittel
Zerealien
Müsli
Müsliriegel
Milchprodukte
Lösliche Kakaogetränke
Limonaden
Obstsäfte
Tee
Sportlergetränke
Energy drinks
Süßigkeiten
Marmelade
Gesamt
Anzahl Marken
7
4
4
14
7
6
16
8
7
38
25
2
138
Anzahl Produkte
33
8
10
40
8
13
44
27
15
39
87
3
327
Bezeichnenderweise besteht der Hauptanteil an nährstoffangereicherten Lebensmitteln aus Produkten wie Energy drinks und Süßigkeiten, beides Produktklassen, die hauptsächlich von Kindern und Jugendlichen konsumiert werden.
3.8 Anreicherung von Lebensmitteln mit Mikronährstoffen
3.115
Gerade diese Personengruppe ist allerdings auch besonders anfällig gegenüber
potentiellen Gefahren für die Gesundheit, welche für hohe Dosierungen bei
einigen Nährstoffen nicht ausgeschlossen werden können. Darüber hinaus bestehen auch gewisse Einwände, ausgerechnet solche Produkte mit Nährstoffen
anzureichern, die „natürlicherweise“ (so weit in diesem Zusammenhang überhaupt von Natur gesprochen werden kann) keine oder nur äußerst geringe
Mengen an Mikronährstoffen enthalten, durch einen künstlichen Zusatz quasi
zu einem wertvollen Lebensmittel zu machen und deren Konsum weiter zu
erhöhen. Hierdurch werden an sich zu vermeidende Produkte durch die Nährstoffanreicherung legitimiert und ein ungünstiges Ernährungsverhalten eher
gefördert als verhindert.
Unter den in Österreich konsumierten nährstoffangereicherten Produkten machen die sogenannten Frühstückszerealien nur einen kleinen Teil der konsumierten Produkte aus, im Gegensatz zu insbesondere den nordeuropäischen
Ländern. Die wichtigste Gruppe angereicherter Lebensmittel in Österreich sind
die Fruchtsäfte, wie bereits in Abbildung 8.3.2 angegeben, da gerade bei Kindern nach Mineralwasser die Fruchtsäfte an vorderster Stelle an Durstlöschern
stehen (Elmadfa et al. 1994). Ein Drittel aller österreichischer Schulkinder
nimmt Nahrungsergänzungen in irgendeiner Form zu sich; von diesen Kindern
konsumieren 50% vitaminierte Fruchtsäfte gefolgt von Supplementen in Tablettenform (20%).
Problematisch im Umgang mit nährstoffangereicherten Lebensmitteln kann neben der Gefahr einer Überdosierung von bestimmten Nährstoffen insbesondere
bei exzessivem Konsum einzelner Lebensmittel auch die Sicherstellung der
Gehalte an zugesetzten Nährstoffen sein. Einerseits werden in einigen Fällen
die angegebenen Konzentrationen der Nährstoffe nicht erreicht, in vielen Fällen jedoch werden die angegebenen Konzentrationen auch überschritten, wie
die laborchemische Analyse der tatsächlichen Gehalte ergab (Tabelle 3.8.4).
Beide Fälle sind unerwünscht, weil weder eine Risikoabschätzung noch eine
Nutzenanalyse bei derart fehlerhaften Angaben mit der erforderlichen Zuverlässigkeit erfolgen kann, wie es aber gerade bei der Anreicherung von Nährstoffen von besonderer Bedeutung ist.
Auch die Kennzeichnung dieser Lebensmittel mußte in vielen Fällen als unzureichend eingestuft werden. So wurde festgestellt, daß von 55 untersuchten
Produkten 7 Produkte die Anforderungen der europäischen Kennzeichnungsvorschriften und weitere 4 Produkte die Anforderungen der österreichischen
Lebensmittelkennzeichnungsverordnung nicht erfüllen konnten. Abweichungen von diesen gesetzlichen Regelungen bestanden in: fehlende Nährstoffe in
der Zutatenliste, falsche Reihenfolge in der Nennung der Nährstoffe, Verwendung ernährungsbezogener Werbung wie „enthält weniger Energie“ ohne entsprechende Nährstoffangaben, usw.
3.116
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Allgemein muß festgestellt werden, daß gerade in Österreich der Markt für angereicherte Lebensmittel rapide wächst, insbesondere auf dem Marktsegment
der angereicherten Fruchtsäfte. Bei einer so großen Anzahl an verschiedenen
Lebensmittelprodukten mit besonderer Ausrichtung auf Kinder und Jugendliche
sind exzessive Aufnahmen in dieser Personengruppe durchaus möglich, insbesondere bei Nährstoffen, für die keine kritischen Versorgungszustände festgestellt werden konnten, z.B. bei Biotin. Zumindest wird hierdurch von den Konsumenten für ein Produkt bezahlt, für das kein ernährungsphysiologisch begründbarer Bedarf existiert.
3.8.4 Schlußfolgerung
Auch wenn eine obligatorische Anreicherung von Grundnahrungsmitteln mit
Nährstoffen in Hinblick auf die Gesundheitsvorsorge der verschiedenen Personengruppen sehr erfolgreich ist, müssen auch die Risiken derartiger Maßnahmen berücksichtigt werden. Besonders schwierig ist in diesem Zusammenhang
das Risiko einer Überdosierung mit dem zugesetzten Nährstoff vor allem bei
extremen Konsumgewohnheiten einzuschätzen.
Letztendlich besteht ein sehr unzureichender Kenntnisstand zur Aufnahme an
angereicherten Lebensmitteln und deren Beitrag zur Nährstoffaufnahme. Zusätzliche und detailliertere Informationen werden dringend benötigt, insbesondere um möglicherweise exzessive Aufnahmen einzelner Nährstoffe mit geringen Sicherheitsmargen abzuschätzen.
3.8 Anreicherung von Lebensmitteln mit Mikronährstoffen
3.117
Tabelle 3.8.4: Vergleich von angegebenen Gehalten an Nährstoffen mit analysierten Gehalten nährstoffangereicherter Lebensmittel in Österreich (International Consumer Research and Testing 1998)
Nährstoff
N
Vitamin E (mg)
Thiamin (mg)
Riboflavin (mg)
Niacin (mg)
Pantothensäure (mg)
Vitamin B6 (mg)
Biotin (mg)
Folsäure (µg)
Vitamin B12 (µg)
Vitamin C
Eisen (mg)
2
4
4
4
4
4
1
4
4
1
5
β-Carotin (mg)
Vitamin D (µg)
Vitamin E (mg)
Thiamin (mg)
Riboflavin (mg)
Niacin (mg)
Pantothensäure (mg)
Vitamin B6 (mg)
Biotin (mg)
Folsäure (µg)
Vitamin B12 (µg)
Vitamin C
Calcium (mg)
Magnesium (mg)
2
2
9
8
8
6
5
10
14
3
7
8
8
3
Vitamin A (µg)
β-Carotin (mg)
Vitamin E (mg)
Thiamin (mg)
Riboflavin (mg)
Niacin (mg)
Pantothensäure (mg)
Vitamin B6 (mg)
Biotin (mg)
Folsäure (µg)
Vitamin B12 (µg)
Vitamin C
Calcium (mg)
Zink (mg)
6
9
19
18
12
17
17
18
14
6
6
21
5
1
Angabe
MW
Max
Min
Zerealien (8 Produkte)
8.0
10
6
1.1
1.4
0.7
1.3
1.6
0.8
14.3
18.0
9.0
5.0
6.0
4.0
1.6
2.0
0.9
0.1
0.1
0.1
164.0
200.0 120.0
0.9
1.0
0.8
51
51
51
12.5
23.0
6.0
Milchprodukte (19 Prod.)
1.4
1.9
0.9
1.5
2.5
0.5
3.3
10.0
1.5
0.3
0.7
0.1
0.5
1.7
0.2
3.6
9.
1.8
1.3
3.0
0.6
0.4
1.0
0.2
0.0
0.08
0.02
53
100
20
0.2
0.5
0.1
22
60
9
130
200
82
42
80
16
Verschiedene (28 Produkte)
218
400
110
1.2
2.7
0.7
4.7
40.0
1.4
0.7
6.0
0.2
0.9
6.0
0.2
8.0
75.0
2.5
3.5
35.8
0.8
0.9
8.0
0.3
0.0
0.2
0.0
55
100
30
0.4
1.0
0.2
29
240
9
307
1297
27
1.6
1.6
1.6
Analyse
MW
Max
Min
6.8
1.4
1.8
24.7
7.8
2.4
0.2
344
1.5
75
11.0
13.5
1.6
2.0
28.1
9.7
2.6
0.2
535
2.7
75
25.0
0.03
1.1
1.5
22.9
5.7
1.9
0.2
170
0.8
75
1.0
1.3
0.6
3.0
0.2
0.4
3.2
1.4
0.4
0
42
5.2
21
137
16
2.0
0.6
5.4
0.4
0.6
4.5
2.1
0.6
0
53
20.0
34
205
17
0.7
0.6
1.9
0.1
0.3
1.7
0.8
0.2
0.02
36
0.2
3
98
14
188
0.9
4.7
0.7
0.9
10.0
4.0
0.9
0.0
81
0.9
36
486
1.5
370
1.7
37.5
6.1
6.3
102.0
32.9
7.3
0.1
160
2.9
245
2200
1.5
100
0.5
1.3
0.0
0.2
2.7
0.8
.3
0.0
42
0.2
11
34
1.5
3.118
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
Literatur
1. Scientific Co-operation on Questions Relating to Food (SCOOP) (1997): Report of SCOOP
Task 7.1.1 Working Group. Brussels.
2. Elmadfa I, Godina-Zarfl B, Gruber B, König J, Mayer B, Horacek C, Dichtl M, Kloimüller I,
Szallai M, Ertl-Huemer C (1994): Der erste Wiener Ernährungsbericht. Dokumentationen
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Stadt) Wien.
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cereals in schoolchildren. Archives of Disease in Childhood 75(6):474-481.
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5. TEMA Nord 1995.
6. Elmadfa I, König J (1998): Iodine Status of Austrian School Children and Adolescents. Bibl
Nutr Dieta 54: 58-66
7. International Consumer Research and Testing Ltd.: Parallel Food Testing: Fortified Food
(1998). EC Subsidy: B5-1050/96/000219, London.
Kapitel
4
Gemeinschaftsverpflegung
Zusammenfassung
Ein immer größer werdender Personenkreis wird durch Einrichtungen
der Gemeinschaftsverpflegung, insbesondere in Form einer Teilverpflegung als Mittagessen, versorgt. Neben dem Genuß- und Eignungswert sowie der psychosozialen Komponente stellt der ernährungsphysiologische Wert der Menüs der Gemeinschaftsverpflegung
eines der wichtigsten Qualitätskriterien dar. Schulen, Betriebe aber
auch Pensionistenheime und sog. „mobile Mahlzeitendienste“ sind
wesentliche Abnehmer der Speisenprogramme, die von einer überschaubar geringen Zahl an Großküchen angeboten werden.
Im Rahmen dieses Kapitels werden zunächst die Ergebnisse der ernährungsphysiologischen Bewertung zweier Anbieter von Schulspeisungsprogrammen (Kühlkost und Tiefkühlkost) dargestellt. Die Menüs beider Anbieter zeigten sowohl für Volksschulen als auch für
Hauptschulen bzw. AHS-Unterstufen ein den Empfehlungen entsprechendes Angebot an Eiweiß, Vitamin A und E sowie Jod, jedoch ein
Überangebot an Fett und Cholesterin. Bei beiden Anbietern vergleichbar und wenig zufriedenstellend waren die Defizite an Kohlenhydraten, Vitamin D, Folsäure, Pyridoxin, Eisen, Zink und Calcium. Der Schulverpflegung käme auch ein wichtiger erzieherischer
Wert zu. Sie kann durch ein entsprechendes Vorzeigen gesundheitsfördernder Ernährung die praktische Umsetzung von im Unterricht
vermittelten Inhalten zeigen. Häufig werden von den Schülern und
Schülerinnen die Ernährungsweisen des Elternhauses übernommenen. Im Fall der in Österreich immer noch verbreiteten Vorherrschaft
ungünstiger Mahlzeitengestaltung könnte die Schulverpflegung mit
einem optimierten Angebot Alternativen vorzeigen.
Schätzungen zufolge nehmen in Österreich rund 1,5 Millionen Beschäftigte Betriebsverpflegung in Anspruch. Eine Analyse der Speisepläne ergab, daß aufgrund der hohen Angebotshäufigkeit von Fleisch
und Fleischwaren zu Lasten von Fisch und fleischarmen Nudel- oder
Kartoffelgerichten die Energie-, Fett- und Eiweißaufnahme durch die
Betriebsverpflegung zu hoch und die Aufnahme an Kohlenhydraten,
Vitamin B1, B2, B6 und Folsäure sowie Magnesium, Calcium und Eisen unzureichend war. Vielversprechend und großteils erfolgreich
sind allerdings österreichische Projekte zur betrieblichen Gesundheitsförderung.
Ein großer Teil der österreichischen Senioren wird in Pensionistenheimen verpflegt. Mobile Mahlzeitendienste ermöglichen alten Menschen hingegen ein langes Verbleiben in ihrem vertrauten Lebensumfeld. Die ernährungsphysiologische Beurteilung der Verpflegungssysteme zeigt – abhängig von der Kostform – Defizite an Ballaststoffen,
Vitamin D, B6, Folsäure, Magnesium und Jod. Gerade im Alter steigen allerdings die Anforderungen an die Nahrungsqualität, da der
Energiebedarf abnimmt, der Bedarf an anderen Nährstoffen wie Vitaminen und Mineralstoffen jedoch nicht.
Nachdem bei den beschriebenen Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung das Angebot, nicht aber der tatsächliche Konsum evaluiert wurde, kann die effektive Versorgungslage nur grob beurteilt
werden.
4.1. Allgemeines
4.1
Kapitel 4
Gemeinschaftsverpflegung
4.1. Allgemeines
Durch den Wandel der Produktionsbedingungen und durch die Innovationen
auf dem Gebiet der Speisenfrischhaltung und -konservierung wird ein immer
größer werdender Personenkreis durch eine relativ überschaubare Anzahl von
Großküchen versorgt. Dieser Umstand bietet theoretisch eine gute Grundlage,
um Fortschritte auf dem Gebiet der Ernährungsaufklärung zu erzielen, indem
eine Optimierung des Speisenangebotes hinsichtlich ernährungswissenschaftlicher Anforderungen angestrebt wird. In Anbetracht der ständig wachsenden
Kosten für die Behandlung ernährungsbedingter Krankheiten sollte das gesundheitspolitische Potential der Gemeinschaftsverpflegung unbedingt besser genutzt werden. In Form einer „praktischen Ernährungslehre am Mittagstisch“
kann ein wichtiger Beitrag im Rahmen der Prävention häufiger Krankheitsursachen geleistet werden (Elmadfa et al. 1994).
In Krankenhäusern, Altenheimen, Strafanstalten und Kasernen wird in der Regel
Vollverpflegung angeboten, wobei die Betreffenden mit sämtlichen Mahlzeiten
des Tages versorgt werden. In den meisten Einrichtungen (Betriebe, Schulen
und sonstige Ausbildungsstätten) wird Gemeinschaftsverpflegung in Form einer
Teilverpflegung als Mittagessen und/oder als Zwischenmahlzeiten angeboten.
Mit diesen Mahlzeiten werden etwa 30 % des individuellen Tagesbedarfs an
Energie gedeckt. Tabelle 4.1.1 gibt eine Übersicht über die äußeren Strukturen
der Gemeinschaftsverpflegung.
Tab. 4.1.1: Formen
der
(nach Elmadfa et al. 1994)
Gemeinschaftsverpflegung
Art der GV
Bezieher/ Kunden
Versorgungsform
Betriebsverpflegung
Mitarbeiter, Lieferanten,
Teilverpflegung
Betriebskunden
Anstaltsverpflegung
kranke & alte Menschen,
Präsenzdiener,
Vollverpflegung
Strafgefangene, etc.
Verpflegung in
Kinder, Schüler und
Ausbildungsstätten Studenten
Teilverpflegung
mobile
Pflegebedürftige,
Mahlzeitendienste Behinderte
Teilverpflegung
in
Österreich
Ort der Speisenabgabe
Arbeitsplatz
Pflegeheime, Krankenhäuser, Justizvollzugsanstalten,
Kasernen
Schulen, Kindergärten, sonst. Bildungseinrichtungen,
Mensen
zu Hause
4.2
4.1.1
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
Produktionsformen
Während in den klassischen Zubereitungsküchen alle Schritte der Speisenbereitung und –verteilung in der produzierenden Küche selbst erfolgen, verringert
sich der Anteil an eigener Speisenproduktion bei den anderen Küchentypen
zunehmend. Die Aufbereitungsküche und die Verteilerküche zeigen in ihrer
typischen Ausprägung keinerlei Eigenleistung bei der Speisenproduktion. Diese
beiden Küchentypen werden vor allem für die Ausgabe von industriell gefertigten Menüs in der Betriebsverpflegung eingesetzt. Eine zusammenfassende
Übersicht über die Küchentypen in der Gemeinschaftsverpflegung gibt Tabelle
4.1.2.
Tab. 4.1.2:
Produkte
sind ...
Prozeßstufen
Küchentypen und deren Produktpaletten und Arbeitsprozesse
ZubereiVerteilerAufbereitungstungsküche
küche
küche
frisch bereitet warm gehalten warm gehalten
gekühlt
pasteur./gekühlt
tiefgefroren
sterilisiert
lagern
vorbereiten
zubereiten
ausgeben
reinigen
ausgeben
reinigen
lagern
zubereiten
aufbereiten
ausgeben
reinigen
Mischküche
frisch bereitet
warm gehalten
gekühlt
pasteur./gekühlt
tiefgefroren
sterilisiert
lagern
zubereiten
aufbereiten
ausgeben
reinigen
Bei Zubereitungsküchen besteht der größte räumliche, küchentechnische, organisatorische und personelle Aufwand. Je weniger an eigener Leistung für die
Speisenbereitung erbracht wird, desto geringer wird dieser Aufwand, da die Leistungen von Dritten zugekauft werden können. Diese vorgefertigten Produkte
erfordern jedoch den Einsatz bestimmter Konservierungstechniken (Elmadfa
und Zarfl 1995).
Ø Warmgehaltene Speisen sind verzehrsfertige Speisen, die nach dem Garen
in isolierten und/oder beheizbaren Behältnissen aufbewahrt werden. Diese
sehr traditionsreiche Form des Caterings wird vor allem in den ‘Zentraloder Fernküchen’ eingesetzt, die ihre Speisen für ‘Verteilerküchen’ bzw.
‘Satellitenküchen’ in der näheren Umgebung oder für Endabnehmer im näheren Umfeld produzieren (z.B. ‘Essen auf Rädern’). Die Aufgaben der ‘Verteilerküche’ ihrerseits bestehen nur mehr darin, die warm angelieferten
Speisen auszugeben, eventuell das als Nachtisch zu reichende Frischobst zu
waschen oder empfindliche Blattsalate mit der Marinade anzurichten.
Die Dauer der Warmhaltung bei einer wünschenswerten Warmhaltetemperatur von +70 °C soll zwei bis drei Stunden nicht überschreiten, damit die
4.1. Allgemeines
4.3
Beeinträchtigungen der mikrobiologischen, ernährungsphysiologischen oder
sensorischen Qualität nicht zu stark sind. Eine Warmhaltetemperatur von
mehr als +80° C soll aus Gründen der Qualitätsverluste (Vitamingehalt und
Genußwert) vermieden werden. Bei einer maximalen Warmhaltezeit von
ein bis zwei Stunden bleiben die Vitaminverluste begrenzt. Wenn die
Warmhaltedauer zwischen zwei und drei Stunden liegt, sind diese Verluste
beachtlich. Ein zusätzliches Angebot von vitaminreichen Lebensmitteln (z.B.
frisches Gemüse und Obst) ist zum Ausgleich dieser Veränderungen zu
empfehlen.
Ø Speisen und Menüs, die nach dem Verfahren der Kühlkost („Cook and
Chill“) haltbar gemacht sind, werden direkt nach der Zubereitung portioniert, verpackt und in kürzest möglicher Zeit auf eine Temperatur von 0 °C
bis max. +15 °C abgekühlt. Eine höhere mikrobiologische Sicherheit kann
durch Pasteurisation der Speisen bei + 80 °C Kerntemperatur nach dem
Verpacken erreicht werden. Die Mehrheit der industriell gefertigten Kühlkost wird jeweils am Tag vor dem Verzehr bereitet und bei einer Temperatur von +2 bis +5 °C gelagert. Sofern eine Pasteurisierung der verpackten
Speisen erfolgt, kann die Lagerung der Lebensmittel auf maximal 3 Wochen
ausgedehnt werden.
Besondere Anforderungen werden in hygienischer Hinsicht an die Speisenproduktion gestellt. Sofern Mikroorganismen in gekühlten Speisen vorhanden sind, können sie sich während der Kühllagerung vermehren und möglicherweise zu Lebensmittelvergiftungen führen. Die Speisen sollen unmittelbar nach der Zubereitung noch mit einer Temperatur von 80°C verpackt
werden, da unnötiges Warmhalten zu Verlusten an Vitaminen und Genußwert führt1. Der Prozeß des Abkühlens muß zur Beibehaltung von hohen
sensorischen Eigenschaften sehr schonend verlaufen. Als besonders wichtig
erweist sich in diesem Zusammenhang die möglichst homogene Verteilung
der Temperatur innerhalb des Kühlgutes, da durch die Ausbildung von Gefrierkristallen in den Randzonen bei andauernder höherer Temperatur in
den Kernbereichen eine nicht erwünschte Veränderung der sensorischen
Qualität der Speisen eintritt.
Ergebnisse von Nährwertuntersuchungen der Kühlkost nach einem Tag im
Vergleich zu frisch hergestellter Kost ergaben, daß keine Unterschiede im
Gehalt an Hauptnährstoffen, Mineralstoffen, Vitamin A und β−Carotin zu
bemerken waren. Der Gehalt an wasserlöslichen, hitzelabilen Vitaminen
war jedoch bereits nach 24 Stunden deutlich niedriger als bei frischer Kost.
Regeneration: Um die erforderliche Ausgabetemperatur zu erreichen, sind
gekühlte Speisen vor der Ausgabe auf mindestens +70 °C Kerntemperatur
zu erwärmen, nach dem Erwärmen sollte möglichst innerhalb einer halben
1
Verpackungsmaterial: Ein- und Mehrportionengebinde aus Kunststoffen, Aluminium oder beschichtetem Karton
4.4
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
Stunde der Verzehr erfolgen (Bognar et al. 1993). Die Regeneration erfolgt
in Aufbereitungsküchen mit Hilfe verschiedener Verfahren, wobei jedoch
die Verwendung von Konvektionsöfen mit Dampf-Luft-Gemischen besonders günstige Erwärmungszeiten ermöglicht.
Ø Tiefgefrorene Speisen werden direkt nach der Zubereitung in verschließbare Behältnisse verpackt und in kürzester Frist auf eine Lagertemperatur von 18 °C abgekühlt2. Aus hygienischen Gründen soll die Abfülltemperatur der
Speisen oberhalb von 80°C liegen. Die Lagerung bei -18 °C oder tiefer bewirkt eine lange Haltbarkeit, wobei zeitabhängige Qualitätsabnahmen in
Kauf zu nehmen sind. Ergebnisse von Untersuchungen zum Nährwert von
Tiefkühlkost zeigen, daß in bezug auf den Gehalt an Hauptnährstoffen keine
Unterschiede zu frisch bereiteter Kost bestehen. Ferner zeigte sich, daß
deutlichere Verluste der Vitamingehalte bei Tiefkühlkost erst nach etwa drei
Monaten Lagerzeit auftreten, sodaß ein Verbrauch der Produkte innerhalb
dieser Frist am günstigsten erscheint. Bei längerer Lagerdauer sollten als Ergänzung der Tiefkühlkost entsprechend vitaminreiche, frische Lebensmittel
angeboten werden.
Als besonders wichtiges Kriterium für das Erreichen einer ausreichend hohen sensorischen Qualität ist zu beachten, daß bedingt durch die Phasenveränderungen während des Gefrierens, Modifikationen der Gewebestrukturen und der Lösungen auftreten können. Besondere Bindemittel
(z.B. modifizierte Stärken zum Binden von Saucen) oder das Beigeben von
Fett zum Verhindern des Verklebens von Teigwaren und Reis sind als Beispiele für die Notwendigkeit derartiger technologiebedingter Modifikationen
der Rezepturen zu nennen.
Ähnlich wie bei der Erwärmung der Kühlkost werden die besten Ergebnisse
der Regeneration durch die Verwendung von Dampf-Luft-Gemischen als
Wärmeüberträger erzielt.
4.1.2
Aktuelle Situation der Gemeinschaftsverpflegung in
Österreich
Es wird geschätzt, daß derzeit in Österreich an Werktagen rund 1.9 Millionen,
an Freitagen rund 1.7 Millionen Personen und an Wochenenden rund 1 Million
Menschen im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung versorgt werden (BMLF
1997; s. Tab. 4.1.3).
Anhand von Trendanalysen lassen sich steigende Tendenzen bezüglich der
durch die Gemeinschaftsverpflegung (GV) versorgten Personenzahlen erkennen. Eine Untersuchung der Arbeitsgemeinschaft Großküchen Österreichs
(AGÖ) zu Ende der 80er Jahre berichtet von 1,6 bis 1,8 Millionen Menschen,
die werktags durch Gemeinschaftsverpflegung versorgt wurden. An Freitagen
2
Verpackungsmaterial: lackierte oder unlackierte Aluminiumfolien bzw. Weichpackungen aus
diversen Kunststoffen
4.1. Allgemeines
4.5
wurden um etwa 6 % weniger und an Wochenenden zwischen 0,8 und 0,9
Millionen Menschen verpflegt (BMLF 1997). Dies verdeutlicht den hohen Anteil der Gemeinschaftsverpflegung in der Personengruppe der Berufstätigen
(1,55 Mio. täglich). Ca. 52 % aller Berufstätigen nehmen GV am Arbeitsplatz in
Anspruch. Etwa 9 % werden in verschiedenen Anstalten (Spitälern, Pflege- und
Altenheimen, Kur- und Erholungsanstalten, Kasernen, Gefängnissen etc.) verpflegt. Rund 7 % der Gemeinschaftsverpflegung entfallen auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Ausbildungsstätten. Einen relativ geringen Prozentsatz
(1,3 %) nimmt der Bereich der mobilen Mahlzeitendienste für alte und pflegebedürftige Menschen an deren Wohnorten ein.
Tab. 4.1.3: Anzahl der an der Gemeinschaftsverpflegung in wesentlichen
Versorgungsbereichen teilnehmenden Personen in Österreich (nach BMLF
1997).
Art der GV
Betriebsverpflegung
Behinderteneinrichtungen
Kinderheime
Justizvollzugsanstalten
Kur- und Erholungseinrichtungen
Altenheime
Bundesheer
Krankenhäuser
Anstaltsverpflegung insgesamt
Krippen, Kindergärten, Horte
Schulen, Internate
Hochschulen, sonstige Fortbildungsstätten
Bildungsbereich insgesamt
Mobile Mahlzeitendienste
Gemeinschschaftsverpflegung gesamt
4.1.3
verpflegte Personen/Tag
1.551.413
1.762
4.600
6.714
7.065
42.911
43.709
65.612
172.373
101.938
17.715
15.500
135.153
23.836
1.882.775
Qualitätskriterien für die Gemeinschaftsverpflegung
Charakteristikum der Gemeinschaftsverpflegung ist nicht nur die Herstellung
und Verteilung der „Sachgüter Speisen und Getränke“, es wird vielmehr unmittelbar am und mit dem Tischgast die „Dienstleistung Verpflegung“ erstellt. Diese Dienstleistung setzt sich aus den Komponenten der physischen Versorgung
(Sättigung, Erhaltung bzw. Verbesserung des Gesundheitszustandes) und der
psychischen Regeneration (Entspannung, Kommunikation, etc.) zusammen.
Lange Zeit war das oberste Kriterium bei der Zusammenstellung des Speiseplans, ein möglichst preiswertes Angebot zu garantieren. Die neuen sozialen
Aufgaben der Gemeinschaftsverpflegung (Ersatz der Familienmahlzeit etc.)
wurden lange Zeit nicht wahrgenommen. Diese „Altlasten“ bedingen ein negatives Image (Kantine als „Massenabfertigung“, das Essen schmeckt nicht, ist un-
4.6
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
gesund etc.), das dem Begriff „Gemeinschaftsverpflegung“ auch heute noch
anhaftet. Dazu kommt die häufig eingeschränkte Wahlmöglichkeit an Speisen
für die Essensteilnehmer, die zur Unzufriedenheit führen kann. Die subjektive
Bewertung einer Speise, die vom Essensteilnehmer selbst ausgewählt wurde,
wird alleine durch diese Wahlmöglichkeit besser („ich habe mir die Speise
selbst ausgesucht“). Ohne Wahlmöglichkeit hat der Konsument schnell das Gefühl, die Speisen essen zu „müssen“.
Mit den heutigen neuen Produktions-, Konservierungs- und Verteilungsmöglichkeiten von Speisen kann jedoch eine große Anzahl an Essensteilnehmern optimal versorgt sowie das Angebot vergrößert und an den entsprechenden Zielgruppen orientiert werden. Viele Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen haben ihr Angebot stark erweitert und verbessert, meistens hat man es jedoch verabsäumt, diese positive Arbeit auch in das Bewußtsein der Essensteilnehmer zu
bringen. Es ist daher unbedingt notwendig, gleichzeitig mit der Verbesserung
des Angebotes, der Qualität und des Umfeldes in der Gemeinschaftsverpflegung, auch Maßnahmen zur Imageverbesserung zu setzen.
Die Optimierung der Qualität ist nur durch die Synergie aller im folgenden aufgelisteten Qualitätskriterien zu erreichen. Das Vernachlässigen einzelner Komponenten zugunsten anderer führt zu suboptimalen Gesamtqualitäten.
Der Gesundheitswert der Gemeinschaftsverpflegung ist davon abhängig, inwieweit Energie- und Nährstoffbedarf des Versorgten durch das Angebot abgedeckt werden. Methoden zur Beurteilung der Angebote aus ernährungswisssenschaftlicher Sicht wurden im Ersten Wiener Ernährungsbericht (Elmadfa et al.
1994) und in der Ernährungswissenschaftlichen Expertise zur Betriebsverpflegung in Österreich (Elmadfa und Zarfl 1995) zusammengefaßt. Darüber hinaus
sind für die Beurteilung des Gesundheitswertes die Kriterien „Sättigungswert“,
„Bekömmlichkeit der Speisen“ sowie die Erfüllung von Hygienemaßnahmen
zur Gewährleistung toxikologischer und mikrobieller Unbedenklichkeit maßgebend.
Die Voraussetzung für die Erfüllung eines optimalen Genußwertes besteht in
einer zielgruppenspezifischen Angebotspalette, die sich an den Eßbedürfnissen
und Wünschen der Konsumenten orientiert. Zusätzlich muß die Eignung einzelner Rezepturen und Rohwaren für die angewandte Form der Speisenproduktion und Konservierung überprüft werden, um sensorische Beeinträchtigungen
der Gerichte durch notwendige Produktionsprozesse zu vermeiden.
Ausschlaggebend für sensorische Qualität und somit für die Akzeptanz des Angebotes ist der Eignungswert. Die Einsetzbarkeit der Lebensmittel für die Gemeinschaftsverpflegung ist zunächst abhängig von der Eignung der Rohware für
die Produktion und die verwendeten Konservierungs und Produktionsmethoden. Bei Cateringprodukten muß ferner die Eignung der Verpackung für die Art
und Handhabung der fertigen Speisen berücksichtigt werden. Ökonomische
Rahmenbedingungen, bedingt durch die Art der Rohwaren, des Küchentyps
oder der personellen Ausstattung der Küche, sind ebenso wichtige Kriterien, die
4.1. Allgemeines
4.7
die Eignung eines Lebensmittels für die Großküchenverwendung prägen.
Essen ist nicht nur Nahrungsaufnahme, eine Vielzahl weiterer Komponenten
sind bei der Wahl der Lebensmittel und Speisen sowie für die Einnahme der
Mahlzeit verantwortlich. Die Beachtung dieser psychosozialen Komponenten
steht in direktem Zusammenhang mit der Akzeptanz des Angebots. Wichtige
Rahmenbedingungen für einen hohen psychosozialen Wert sind das Umfeld
(z.B Speisesaalgestaltung) und die für die Mahlzeiten verfügbare Zeit (z.B. Dauer der Pausen, Distanz Arbeitsstätte - Speisesaal). Ein angenehmes, d.h. den
Bedürfnissen der Konsumenten entsprechendes, sowie streßfreies Ambiente
fördert die Kommunikation der Essensteilnehmer und liefert damit einen Beitrag
zum psychischen und sozialen Wohlbefinden. Darüber hinaus ist die Art der
Essenspräsentation (z.B. das Tischgedeck) eine wichtige Voraussetzung für die
Akzeptanz des Speisenangebotes und für das Erleben der positiven Aspekte, die
mit gemeinsamem Essen verbunden sind, wie das Gefühl der Gemeinschaft und
der Geborgenheit. Außerdem sollten Verantwortliche verstärkt dafür sorgen,
daß die für die Mittagspause zur Verfügung stehende Zeit für die Einnahme des
Mittagessens und den Weg zwischen beispielsweise Betriebsstätte und Speisesaal ausreicht, da aus Nichterfüllung dieses Umstandes häufig mangelnde Akzeptanz resultiert.
4.1.4 Richtlinien zur Speiseplangestaltung
Eine der zentralen Anforderungen an die Gemeinschaftsverpflegung besteht in
der optimalen Versorgung der Essensteilnehmer mit Nährstoffen und Nahrungsenergie (= Gesundheitswert der angebotenen Menüs). Der Beurteilung der
Nährstoff- und Energiezufuhr werden die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für die verschiedenen Bereiche der GV zugrunde
gelegt, die einige Besonderheiten für die verschiedenen Bezieher (Schüler, Alte,
Berufstätige etc.) aufweisen. Sie berücksichtigen darüber hinaus die Produktionsbedingungen und sollen weitgehend unabhängig von der Verteilung und
Angebotsform realisierbar sein.
Bei allen Bemühungen, Nährstoffempfehlungen umzusetzen, müssen die aktuellen Ernährungsgewohnheiten mit berücksichtigt werden. Die Speiseplanempfehlungen für das Mittagessen sind optimalerweise so auszulegen, daß die ungünstigen Gewohnheiten bei den übrigen Mahlzeiten des Tages zumindest
teilweise ausgeglichen werden können. Wegen der großen Lebensmittelvielfalt
beim Mittagessen und der guten Möglichkeit, Gemüse einzusetzen, erscheint
gerade diese Mahlzeit für die ausgleichende Funktion gut geeignet.
Die Richtlinien für die Gestaltung der GV wurden auf zwei Ebenen formuliert,
wobei die eine das Nährstoffangebot und die andere das Lebensmittelangebot
zur Erreichung der Optimierung des Nährstoffangebots definiert. Die Realisierung dieser Richtlinien stellt in der Regel eine Gratwanderung dar, da einerseits
die Nährstoffempfehlungen erreicht und andererseits auch die Ernährungsgwohnheiten berücksichtigt werden sollen. Sie stellen wertvolle Anhalts-
4.8
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
punkte für die Speisplangestaltung dar, sind jedoch auch eine objektive Basis
für die ernährungsphysiologische Bewertung der angebotenen Menüs. Letztere
erfolgt meist nicht aufgrund des tatsächlichen Verzehrs der Essensteilnehmer,
sondern auf Basis des Angebots. Erst die Erfassung der effektiv verzehrten Mengen und ausgewählten Speisen erlaubt eine Beurteilung der Versorgung der
Teilnehmer über die entsprechende Mahlzeit sowie der subjektiven Präferenzen, die sich vor allem bei Angeboten mit Menükompenentenwahl auswirken.
Derartige Verzehrserhebungen sind allerdings zeit- und kostenaufwendig und
werden daher nur selten durchgeführt. Da es bei der Mehrheit der österreichischen Anbieter konventionelle Menüs ohne umfangreiche individuelle Komponentenwahl gibt, kann über die Evaluation des Angebots eine vorsichtige Schätzung des effektiven Konsums durch die GV erfolgen.
Für die Anwendung der Richtlinien sowohl bei der Speiseplangestaltung als
auch bei der Evaluation vorhandener Speisepläne wurden unterschiedliche Methoden entwickelt, wobei prinzipiell zwei Verfahren unterschieden werden, die
Menükomponentenanalyse und die Energie- und Nährstoffanalyse. Letztere
erfordert gute Kenntnisse der durchschnittlich angebotenen Portionen sowie die
Berücksichtigung von Besonderheiten der großküchentechnischen Rezepturen.
Ziel ist die Übereinstimmung mit den Empfehlungen der DGE im Durchschnitt
einer Woche.
Die Menükomponentenanalyse dient primär zur Analyse der Varianz innerhalb
der Speisepläne (Menü- und Speisenvielfalt) und gibt Aufschluß über die Angebotshäufigkeit verschiedener Speisen bzw. Lebensmittel. Sie kann daher auch
dann ohne methodische Fehler angewandt werden, wenn rein qualitative Angaben zu den Speiseplänen vorliegen. Da eine adäquate Nährstoffversorgung
nur durch möglichst abwechslungsreiche Menüs erfolgt, kann über die Auszählung der relativen Häufigkeiten einzelner Speisen pro Zeiteinheit (Woche, Monat) eine grobe Beurteilung des Gesundheitswertes erfolgen.
Die DGE formulierte Richtlinien für die optimalen Speisefrequenzen und
durchschnittlichen Portionen von Menükomponenten (s. Tab. 4.1.4). Diese
macht eine Erreichung der Nährstoffempfehlungen möglich (DGE 1995).
Die Aufnahme einzelner Nährstoffe ist häufig auf eine kleine Auswahl an Lebensmittelgruppen beschränkt (z.B. Vitamin D v.a. aus Fisch, Calcium v.a. aus
Milchprodukten, Ballaststoffe v.a. aus Gemüse und Getreide etc.). Sind diese als
Hauptlieferanten für einzelne Nährstoffe bekannten Lebensmittel in den Speiseplänen unterrepräsentiert, muß mit einem Defizit an diesen Nährstoffen gerechnet werden.
4.1. Allgemeines
4.9
Tab. 4.1.4: Richtwerte für die Speisenzusammensetzung des Mittagessens in
der Gemeinschaftsverpflegung: Angebotshäufigkeit und Portionsgrößen einzelner Speisen und Lebensmittel in 5 Tagen (DGE 1995)
Angebotshäufigkeit
(in 5 Tagen)
Suppe (vf)
1-2x
Hauptspeise (vf)
5x
- Fleisch (vf)
1x
- Fisch (vf)
1x
- ovo-lacto-vegetabil (vf)
3x
Gemüsebeilage
6x
- Salat (vf)
2x
- gegartes Gemüse (vf)
4x
Stärkebeilage (vf)
5x
- Teigwaren (TP)
frei
- Reis/Hirse (TP)
frei
- Kartoffeln (vf)
frei
Nachspeise
3-4x
- Milchspeise (vf)
1-2x
- Obstspeise (vf)
1x
- sonstige (z.B. Kuchen)
1x
Menge (g)
200-250
100-200
100
150
150
100-200
100
200
150-200
60-70
50-60
200
100-150
150
150
75-150
Grundlage der Portionsgrößenberechnung ist der Bedarf eines Erwachsenen mit leichter körperlicher Tätigkeit.
Bratfett für Hauptspeisen: 5-10 g, Öl für Salate: bis 5 g, Fett für Stärkebeilagen: bis 5 g
TP = Trockenprodukt, vf = verzehrsfertig
4.10
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
4.2 Schulspeisungsprogramme
Die in den letzten Jahrzehnten stattfindenden Veränderungen der sozialen
Strukturen der Familien haben zur Folge, daß zunehmend Institutionen der
Gemeinschaftsverpflegung auch für die Bereitstellung des Mittagstisches für
schulpflichtige Kinder verantwortlich sind. Diesem Bedarf wird durch die steigende Anzahl von Ganztagesschulen, Tagesheimschulen und offenen Schulen
Rechnung getragen.
Bereits 1991 - 1992 konnten im Rahmen der vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst beauftragten und vom Institut für Ernährungswissenschaften
durchgeführten Untersuchungen zum Ernährungsstatus österreichischer Schulkinder erste Daten auch über die Situation der Schulspeisung in Wien erhoben
werden (Elmadfa et al. 1991). Im Rahmen dieser umfassenden Untersuchung
wurden die an 37 Wiener Schulen angebotenen Schulspeisungsprogramme
erhoben. Bei der Auswahl der Schulen wurde Wert darauf gelegt, alle betroffenen Altersgruppen (6-10-jährigen Volksschüler, 10-14-jährige Hauptschüler
und Gymnasiasten) zu erfassen. Zusätzlich sollten möglichst alle Formen der
großküchentechnischen Speisenproduktion, die für die Schulspeisung von Bedeutung sind, berücksichtigt werden. Um eventuelle soziokulturelle Einflüsse
ebenfalls einbeziehen zu können, wurden Schulen aus allen Wiener Gemeindebezirken sowie unterschiedlichen Schultypen (Offene Schulen und Tagesheimschulen) untersucht. Allein in der Altersgruppe der Volksschulkinder wurden ausschließlich Ganztagesschulen berücksichtigt.
Ziel der Untersuchung war die ernährungsphysiologische Beurteilung des Angebots an Gerichten und Menüs in der Schulspeisung. Von besonderem Interesse war, inwieweit das Angebot der Schulspeisung den Empfehlungen der
Deutschen Gesellschaft für Ernährung nahekommt. Um Aussagen über die effektive Versorgung der Schüler mit Nährstoffen durch das Schulmenü machen
zu können, ist jedoch eine genaue mengenmäßige Erfassung der von den Schülern verzehrten Mengen nötig. Da in der Untersuchung des Angebots der
Schulmenüs keine exakte Ermittlung der von den Schülern verzehrten Mengen
beim Mittagstisch vorgesehen war, mußte bei der quantitativen Beurteilung der
konsumierten Portionen auf durchschnittliche Portionsgrößenangaben zurückgegriffen werden. Eine Bestimmung des effektiv verzehrten Anteils des Angebotes erfolgte 1993. Den diesbezüglichen detaillierteren Ausführungen der Ergebnisse des Ersten Wiener Ernährungsberichts lagen qualitative Angaben von Wochenspeiseplänen einzelner Schulen aus dem Zeitraum März bis Mitte November 1991 zugrunde (Elmadfa et al. 1994). Aufgrund dieser Ergebnisse veränderten die Schulmenü-Anbieter teilweise ihre Speiseprogramme, um näher an die
ernährungsphysiologischen Anforderungen heranzukommen. Im Jahr 1995 erfolgte demnach im Auftrag des Magistrats der Gemeinde Wien, MA 54, eine
weitere ernährungsphysiologische Bewertung der Schulverpflegung im Wiener
4.2 Schulspeisungsprogramme
4.11
Pflichtschulbereich, die sich allerdings wiederum auf die angebotenen Mengen
beschränkte (Kap. 4.2.2 und 4.2.3).
4.2.1
Organisation und Typen der Schulspeisung
Bei der Ermittlung von Art und Ablauf der an der Schule durchgeführten Schulspeisung wurde besonderes Augenmerk auf die Art der Speisenverteilung und
die Vorgangsweise bei der Auswahl der angebotenen Menüs gelegt.
4.2.1.1 Herstellersysteme in der Schulspeisung
Aufgrund der hohen Produktionskosten von betriebs- oder schuleigenen Küchen entstanden in den letzten beiden Jahrzehnten immer mehr Großküchenbetriebe. Bei diesen Großküchen werden für die Haltbarmachung der Gerichte
zwischen Produktion und Verzehr der Menüs sowohl die Technik der Kühlung
als auch die Technik der Tiefkühlung angewandt, wobei einzelne Schulen zumeist das Menüangebot der Großküchenunternehmen mit täglich frisch zubereiteten Menüs aus Betrieben der Gastronomie erweitern. Je nach Methode der
Speisenbereitung und Haltbarmachung können die einzelnen Anbieter von
Schulmenüs in folgende Gruppen zusammengefaßt werden:
•
Kühlkost und
•
Tiefkühlkost.
Kühlkostmenüs werden vor allem in Volksschulen und Hauptschulen angeboten. Die als Tagesheimschulen geführten AHS bieten vor allem Tiefkühlkost an,
es gibt aber auch Schulen dieser Art, die Kühlkost anbieten.
Anstaltseigene Küchen gibt es nur in Internatsschulen. Der Stellenwert dieser
letztgenannten ist im Vergleich zu den anderen Schulspeisungsformen jedoch
weniger bedeutend, sodaß auf eine Analyse verzichtet wurde.
4.2.1.2 Schulspeisung an Ganztagesschulen
Menüauswahl und Bestellsystem: Der Kühlkost-Anbieter stellt den einzelnen
Schulen verschiedene Wochenmenüs zur Auswahl. Folgende Bezeichnungen
kennzeichnen diese Menüs, wobei die wichtigsten Merkmale der Menütypen in
der Klammer zusammengefaßt wurden:
•
Tagesmenü (normale österreichische Mischkost),
•
Alternativmenü (weniger Fleischmahlzeiten, dafür häufiger Gerichte aus
der sog. 'Vollwertkost'),
•
Schonkost (verstärkt Kalbfleisch- und Truthahngerichte)
•
Diabetesmenü (kohlenhydratreduzierte Kost),
•
islamisches Menü (keine Schweinefleischgerichte, sonst normale österreichische Mischkost).
Diese fünf Menüs werden als eigene Menüs für die Volksschulen und Hauptschulen angeboten, die sich in der Menüzusammenstellung und den angebotenen Mengen unterscheiden. Die Wochenpläne werden vor Ausgabe an die
Schulen durch ein Gremium begutachtet, das sich aus Vertretern der Firma, des
4.12
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
schulärztlichen Dienstes der Gemeinde Wien und Vertretern der belieferten
Schulen zusammensetzt.
Die angebotenen Menüs werden vom Kühlkost-Anbieter sowohl in Einzelportionenschalen als auch in Mehrportionenschalen angeboten, wobei im Regelfall
letzteres bevorzugt wird. Ausnahmen davon sind Bestellungen für Sondermenüs (z.B. Diabeteskost).
Es steht den Schulen frei, die vorgeschlagenen Wochenpläne zu übernehmen
oder sich aus den einzelnen Plänen bestimmte Tage auszusuchen und einen
neuen Plan zu gestalten. Von den meisten Schulen wird jedoch das "Tagesmenü" ausgewählt. Die Menüpläne für letzteres wurden aus diesem Grund auch
als Grundlage bei der Nährwertberechnung aus Plänen des Kühlkost-Anbieters
herangezogen. Die Speiseplanauswahl an den einzelnen Ganztagesschulen
wird im Regelfall durch die Direktion oder durch eine besonders engagierte
Person des Lehrkörpers durchgeführt. Die meisten Ganztagesschulen bieten
den Schülern keine direkte tägliche Menüwahl an, die prinzipiell durch das
Bestellsystem des Kühlkost-Anbieters möglich wäre. Einzelwünsche bedeuten
erhöhten organisatorischen Aufwand für die Schule und sind daher die seltene
Ausnahme.
4.2.1.3 Schulspeisung an offenen Schulen
Offene Schulen sind Hauptschulen mit Halbtagesunterricht, die für Schüler mit
entsprechendem Bedarf einen Mittagstisch anbieten. Die Teilnahme an diesem
Mittagstisch ist freiwillig und wird meist nur von ca. 30 - 40 % der jeweiligen
Schüler der einzelnen Schulen in Anspruch genommen. Lieferant der Mittagsmenüs an offenen Schulen ist der Kühlkost-Anbieter.
Menüauswahl und Bestellsystem: Das angebotene Menüprogramm für die
Hauptschulen entspricht in seiner Vielfalt an verschiedenen Wahlmenüs dem
Angebot, das unter 4.2.1.2 bereits beschrieben wurde. Von den offenen Schulen werden fast immer die Tagesmenüs der Menüpläne der Firma gewählt.
4.2.1.4 Schulspeisung an Tagesheimschulen
An den Tagesheimschulen werden zum Teil Menüs von Kühlkostherstellern
angeboten. Der Hauptteil der Schulen bezieht die angebotenen Menüs jedoch
durch Produzenten der Tiefkühlkost.
Menüauswahl und Bestellsystem:
Für die Schulspeisung gibt es nur einen Anbieter für Tiefkühlkost. Die Produktpalette dieser Firma umfaßt ca. 300 Gerichte, aus denen von den Konsumenten
beliebige Menüs zusammengestellt werden können. Der Produktionsschwerpunkt des Anbieters lag ursprünglich in der Herstellung von Erwachsenenmenüs vor allem für die Betriebsverpflegung.
Die Firma arbeitet unter Einbeziehung einer Fachkraft Menüpläne aus, die jeweils aus den erzeugten Gerichten zusammengestellt sind. Die Menüs, die
durch die Firma angeboten werden, müssen immer vom Endverbraucher durch
4.2 Schulspeisungsprogramme
4.13
frische Lebensmittel (Salat, Gebäck als Beilage, diverse Obstsorten und Milchprodukte als Dessert etc.) ergänzt werden. Vorschläge für die Gestaltung dieser
ergänzenden Menükomponenten sind im Plan der Firma enthalten.
Daneben steht es den einzelnen Schulen frei, sich aus der angebotenen Produktpalette eigene Menüs zusammenzustellen. Die Gerichte werden in Einzelund Mehrportionenschalen abgefüllt.
4.2.2 Ernährungsphysiologische Beurteilung des Energie- und
Nährstoffangebots der Schulspeisung
Die Bewertung der offerierten Mittagsmenüs im Wiener Pflichtschulbereich
basiert auf Speiseplänen eines Kühlkost- und eines Tiefkühlkostanbieters. Es
handelt sich dabei um je drei Wochenspeisepläne für Volksschulen und Hauptschulen des einen Herstellers sowie um einen sechswöchigen Speiseplan des
anderen, der unterschiedliche Portionsgrößen für beide Altersgruppen beinhaltet.
Die Berechnung der Energie- und Nährwertgehalte erfolgte mit dem Ernährungswissenschaftlichen Programm EWP 3.0 auf Basis des Bundeslebensmittelschlüssels (BLS) Version 2.1 des Bundesgesundheitsamtes Berlin. Da deutsche
Rezepturen nicht unbedingt auf österreichische Gegebenheiten übertragbar
sind, wurde diese Datensammlung um typisch österreichische Gerichte ergänzt.
Typische Spezifikationen einzelner Rezepturen bei den Anbietern konnten
nicht berücksichtigt werden, da die entsprechenden Angaben nicht vorhanden
waren. Die Menükomponenten wurden landesüblichen Mittelwertsrezepturen
für die einzelnen Speisen zugeordnet.
Der BLS 2.1 ermöglichte keine Bewertung des Angebotes an Vitamin C, sodaß
auf diese Ergebnisse verzichtet werden mußte.
Nährstoffveränderungen bei der Zubereitung von Speisen wurden in der Analyse in dem Ausmaß berücksichtigt, wie sie bei der Zubereitung von Frischkost zu
erwarten sind. Alle weiteren Ursachen der Nährstoffveränderungen (unterschiedlich lange Lagerung oder unsachgemäßes Regenerieren der Speisen),
können in dieser Bewertung nicht berücksichtigt werden. Zusätzliche Verluste,
vor allem bei den wasserlöslichen und hitzelabilen Vitaminen (z.B. einzelne BVitamine, Vitamin C) sind jedoch bei beiden Technologien anzunehmen.
Aus der im folgenden dargestellten Bewertung können noch keine direkten
Schlüsse auf den effektiven Beitrag der Mittagsmenüs zur Versorgung der jeweiligen Altersgruppen gezogen werden, da lediglich das Angebot bewertet wurde. Der Beurteilung des Angebotes an Energie und Nährstoffen in der Schulverpflegung wurden die Empfehlungen der DGE für die Gemeinschaftsverpflegung
in Schulen zugrundegelegt (DGE 1991 und 1993). Die Bewertung des Mittagessens erfolgt mit dem sogenannten Drittelansatz. Dies bedeutet, daß das Mittagessen ein Drittel der empfohlenen Tages-Nährstoffmengen liefern soll. Da das
Mittagessen im Vergleich zu anderen Mahlzeiten des Tages die höchste Nährstoffdichte aufweist (größter Mengeneinsatz von Gemüse), sollte es einige
4.14
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
Nährstoffe (Vitamin A, B1, B6, Folsäure, Eisen usw.) zu 50 % der Tageskost liefern. Auch die Empfehlungen für die Schulverpflegung (Tab. 4.2.1) sollten im
Durchschnitt einer Woche erreicht werden, da die Vielfalt der menschlichen
Ernährung durch den Versuch der täglichen Einhaltung dieser Empfehlungen
eingeschränkt würde.
Energie: Die Nahrungsenergie wird durch die Hauptnährstoffe Protein, Fett und
Kohlenhydrate geliefert. Es wird davon ausgegangen, daß ein Schulkind ca.
10 % seiner Energiezufuhr in Form von Süßigkeiten o.ä. einnimmt. Diese Art
der Zufuhr wird auch als 'Luxuskonsum' bezeichnet. Da ein Verantwortlicher in
der Schulverpflegung diesen Betrag berücksichtigen sollte, damit die empfohlene Energiezufuhr insgesamt nicht überschritten wird, ist der Energiegehalt des
Mittagessens um diesen Prozentsatz niedriger zu halten.
Nährstoffrelation: Da die ideale Relation der Hauptnährstoffe (Eiweiß : Fett :
Kohlenhydrate = 10-15% : 25-30% : 55-65% der Energiezufuhr) in der Praxis
nur sehr schwer erreichbar ist und nur bei sehr überlegter Auswahl der Lebensmittel sowie der Zubereitungsverfahren erreicht werden kann, ist für ein
Mittagessen unter Berücksichtigung der Ernährungsgewohnheiten eine Energieaufnahme zu 15-20% aus Eiweiß, 30% in Form von Fett aber 50-55% mittels
Kohlenhydraten anzustreben.
Mineralstoffe und Vitamine: Sofern bei den Mineralstoff- und VitaminEmpfehlungen der DGE für beide Geschlechter unterschiedliche Werte ausgesprochen wurden, wird bei den Empfehlungen für das Mittagessen grundsätzlich der höhere Wert zugrundegelegt. Das Mittagessen weist im Vergleich zu
anderen Mahlzeiten des Tages die höchste Nährstoffdichte auf, weshalb bei
einigen Nährstoffen eine Deckung von 50% der Tageskost gefordert werden
kann. Dies trifft für Magnesium, Eisen, Vitamin A, Folsäure, Vitamin B6 und
Vitamin C zu, deren Aufnahme vor allem durch diese Hauptmahlzeit zu bewerkstelligen ist.
4.2.2.1 Bewertung von Energie, Hauptnährstoffen und Ballaststoffen
Die detaillierten Ergebnisse sind Tabelle 4.2.2 zu entnehmen. Im folgenden
werden die einzelnen Parameter kommentiert.
Energie:
Die größten Unterschiede bei den Anbietern ergeben sich in den Mengen und
Energiegehalten der Menüs. In allen beiden Angebotsformen (Volksschule und
Hauptschule/AHS-Unterstufe) bietet der Kühlkost-Anbieter höhere Mengen und
mehr Energie pro Mahlzeit an als der Tiefkühlkost-Anbieter.
4.2 Schulspeisungsprogramme
4.15
Tab. 4.2.1: Nährstoff-Richtlinien für die Gemeinschaftsverpflegung in Schulen (Basis: DGE 1991, DGE 1993)
7-9 Jährige
TagesMittagkost
essen
Energie (kcal)2
1800
600
Energie (kJ)2
7530
2510
Eiweiß (%3)
≤ 15
≤ 20
Fett (%3)
≤ 35
≤ 35
Cholesterin (mg) ≤ 300
≤ 100
P/S-Quotient
1
1
SFA:MUFA:PUFA4 33:33
33:33
Kohlenhydrate
≥ 50
≥ 45
(%3)
Ballaststoffe (g)
≥ 30
≥ 10
Magnesium (mg)5 170 (20) 85
Calcium (mg)5
800 (95) 267
Zink (mg)5
11 (1,3) 3,7
5
Eisen (mg)
10 (1,2) 5,0
Jod (µg)5
140 (17) 47
Vitamin-A-Äq.
0,8 (0,09) 0,4
(mg)5
Vitamin D (µg)5
5
1,7
Vitamin E-Äq.
9 (1,1)
3,0
(mg)5
Vitamin B1 (mg)5 1,2 (0,13) 0,4
Vitamin B2 (mg)5 1,2 (0,14) 0,4
Vitamin B6 (mg)5 1,4 (0,16) 0,7
Folsäure-Äq. (µg)5 200 (24) 100
Vitamin C (mg)5
65 (8)
33
10-12 Jährige
TagesMittagkost
essen
1980
660
8290
2760
≤ 15
≤ 20
≤ 35
≤ 35
≤ 300
≤ 100
1
1
33:33
33:33
≥ 50
≥ 45
13-14 Jährige
TagesMittagkost
essen
2160
720
9040
3010
≤ 15
≤ 20
≤ 35
≤ 35
≤ 300
≤ 100
1
1
33:33
33:33
≥ 50
≥ 45
≥ 30
250 (28)
900 (100)
12 (1,3)
15 (1,7)
180 (20)
0,9 (0,1)
≥ 10
125
300
4,0
7,5
60
0,45
≥ 30
≥ 10
310 (32) 155
1000 (104)333
15 (1,3) 5,0
15 (1,6) 7,5
200 (21) 67
1,1 (0,1) 0,55
5
10 (1,1)
1,7
3,3
5
12 (1,1)
1,7
4,0
1,2 (0,13)
1,4 (0,15)
1,6 (0,17)
240 (24)
70 (8)
0,4
0,467
0,8
120
35
1,4 (0,13)
1,5 (0,15)
1,8 (0,17)
300 (32)
75 (8)
0,467
0,5
0,9
150
38
1
modifiziert nach: Referat Gemeinschaftsverpflegung der DGE 1993.
Luxuskonsum von 10 % wurde abgezogen (= Konsum reiner energieliefernder Lebensmittel
wie Süßigkeiten und Alkohol)
3
Anteil in % der Gesamtenergieaufnahme.
4
Verhältnis der gesättigten zu einfach ungesättigten zu mehrfach ungesättigten Fettsäuren.
5
Werte in Klammern sind die entsprechenden Empfehlungen für die Nährstoffdichte (pro MJ);
bei geschlechtsspezifischen Unterschieden wurde die Empfehlung für Mädchen herangezogen.
2
Das Angebot des Kühlkost-Anbieters liegt für alle Altersgruppen im Durchschnitt etwa 20% über dem DGE-Richtwert für das Mittagessen (Tab. 4.2.1).
Die im 1. Wiener Ernährungsbericht veröffentlichten Untersuchungen ergaben,
daß Kinder in der Regel dieses Überangebot nicht verzehren (Elmadfa et al.
1994). Da die Ergebnisse das reine Angebot bewerten, darf keine in jedem Fall
überhöhte Energieaufnahme erwartet werden. Die Ergebnisse widerspiegeln
jedoch das maximal erreichbare Ausmaß der Nährstoffaufnahme.
Das Angebot an Energie des Tiefkühlkost-Anbieters liegt bei den 10- bis
14jährigen leicht, nämlich 10-15% über der DGE-Empfehlung, bei den Volksschulkindern jedoch etwas unter dem von der DGE ausgesprochenen Richtwert
von 2.5 MJ/Mittagmahlzeit (2.4±0.4 MJ). Besonders unter Berücksichtigung der
bei den Wiener Kindern gefundenen Schwankungsbreite der realen Energieauf-
4.16
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
nahmen beim Mittagessen (Elmadfa et al. 1994) sollte in dieser Angebotsform
eine geringfügige Anhebung der Portionsgrößen überdacht werden. Bei optimaler Menüzusammenstellung ließe sich dadurch auch eine Verbesserung der
Nährstoffdefizite des vorliegenden Angebots erreichen.
Tab. 4.2.2 : Aufnahme an Energie, Hauptnährstoffen und Ballaststoffen über
die Mittagsmenüs der Wiener Schulspeisung
Volksschule
Kühlkost
Tiefkühlkost
Energie, MJ
3,4±0,3
2,4±0,4
1
Kohlenhydrate, En% 41±3
41±4
Fett, En%1
39±3
39±3
1
Eiweiß, En%
15±2
14±1
Ballaststoffe, g
7±1
7±1
1
AHS-Unterstufe, Hauptschule
Kühlkost
Tiefkühlkost
3,57±0,30
3,22±0,70
40±5
40±4
41±5
41±4
15±1
14±1
7±1
9±2
Anteil in % an der Gesamtenergieaufnahme.
Hauptnährstoffe: Die Relation der energieliefernden Nährstoffe ist bei beiden
Anbietern und in beiden Anbotsformen sehr ähnlich (Tab. 4.2.3). Das Angebot
an Protein, das weniger als 20% der Energie ausmacht, entspricht den Richtlinien der DGE. Der Anteil an Energie aus Kohlenhydraten ist jedoch zugunsten
des Anteils an Energie aus Fett verringert. Diese Situation ist charakteristisch für
traditionelle Menüfolgen. Die Kohlenhydrat-Aufnahme erfolgt bei der Mittagsmahlzeit vor allem über Beilagen, Mehlspeisen, Nachtische sowie Gemüse und
Salate. Die Dominanz der Speisen auf Fleischbasis trägt zu einer untergeordneten Rolle der kohlenhydratliefernden Speisen beim Mittagessen bei.
Eine Konsequenz dieser Nährwertrelation ist auch der relativ niedrige Ballaststoffanteil. Bei den Volksschulmenüs liefern beide Anbieter im Durchschnitt
gleiche Mengen an Ballaststoffen (7 g). Das Angebot des Tiefkühlkost-Anbieters
ist als ernährungsphysiologisch günstiger zu bewerten, da eine höhere Ballaststoffdichte pro angebotener Energieeinheit besteht. Während das Menü des
Kühlkost-Anbieters etwa 2 g Ballaststoffe pro Megajoule bereitstellt, liefern die
Menüs des Tiefkühlkost-Anbieters 3 g Ballaststoffe/MJ. Diese Ballaststoffdichte
entspricht den aktuellen Empfehlungen der DGE, woraus gefolgert werden
kann, daß bei einer leichten Anhebung der angebotenen Energie auch ein entsprechend gutes Angebot an Ballaststoffen erfolgt. Bei den Menüs des KühlkostAnbieters würde eine Reduktion der überhöhten Energie ohne Umstellung der
Speisefolgen zu einer weiteren Verschlechterung der Ballaststoffangebote führen.
Ähnliches gilt auch für die Menüs der 10- bis 14jährigen, wobei sich die Angebote beider Firmen auch schon in den mittleren Ballaststoffgehalten deutlich
unterscheiden. Die Kühlkost-Menüs bieten trotz höherer Energie die gleichen
Ballaststoffgehalte an wie die Volksschulmenüs. Die Tiefkühl-Menüs hingegen
liefern 9 statt 7 g/Mahlzeit. Ähnlich günstiger zeigt sich auch die Ballaststoffdichte, da das Verhältnis von 2 g/MJ beim Kühlkost-Anbieter und 3 g/MJ beim
4.2 Schulspeisungsprogramme
4.17
Tiefkühlkost-Anbieter gefunden wurde.
Ursachen dieser anbieterspezifischen Unterschiede beim Ballaststoffangebot
liegen in der Zusammenstellung der Menükomponenten (s. Tab. 4.2.5). Für das
bessere Ballaststoffangebot der tiefgekühlten Menüs ist das häufigere Angebot
an Gemüse und Getreidebeilagen, aber auch fleischarmen Menühauptkomponenten verantwortlich.
4.2.2.2 Bewertung des Gehaltes an Vitaminen und Mineralstoffen
Die angebotenen Mittagsmenüs wurden hinsichtlich ihres Gehaltes an den folgenden Vitaminen untersucht: Vitamin A, Vitamin D, Vitamin E und Vitamine
des B-Komplexes. Eine Bewertung der Zufuhren von Vitamin C konnte nicht
erfolgen, da die im BLS 2.1 enthaltenen Angaben für Vitamin C aus Fleisch und
Wurstwaren nicht verwendbar waren. Die Richtwerte und Empfehlungen für
die ernährungsphysiologische Bewertung sind in Tab. 4.2.1 zusammengefaßt.
Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß gerade für einige Vitamine und Mineralstoffe ein höherer Beitrag des Mittagessens als das obligatorische Drittel empfohlen wird, da das Mittagessen im Vergleich zu anderen Mahlzeiten des Tages
die höchste Nährstoffdichte aufweist (größerer quantitativer Einsatz von Gemüsen möglich). Tab. 4.2.3 zeigt die durchschnittlich geschätzte Aufnahme an
Vitaminen und Mineralstoffen über die Mittagsmenüs.
Tab. 4.2.3 : Aufnahme an Vitaminen und Mineralstoffen über die Mittagsmenüs der Wiener Schulspeisung
Kühlkost
Vitamin A-Äq. (mg) 0,38±0,2
Vitamin D (µg)
0,5±0,2
Vitamin E-Äq. (mg) 3,8±1,2
Vitamin B1 (mg)
0,47±0,2
Vitamin B2 (mg)
0,45±0,1
Vitamin B6 (mg)
0,62±0,2
Folsäure (µg)*
40±8
Calcium (mg)
199±45
Magnesium (mg) 107±25
Eisen (mg)
4,7±1,4
Zink (mg)
4,2±2,0
Jod (µg)
129±31
Volksschule
Tiefkühlkost
0,40±0,1
0,5±0,2
3,5±1,2
0,26±0,02
0,33±0,1
0,41±0,1
31±6
164±42
80±16
3,5±0,5
2,7±0,6
92±23
AHS-Unterstufe, Hauptschule
Kühlkost
Tiefkühlkost
0,47±0,21
0.52±0.10
0,5±0,1
0.7±0.3
4,2±0,17
4.8±1.8
0,52±0,14
0.34±0.04
0.46±0.07
0.44±0.09
0.63±0.11
0.55±0.07
41±5
41±6
221±62
216±71
115±17
106±23
4.9±0.9
4.7±0.9
4.6±1.5
3.6±0.9
120.1±41.7
126.5±23.6
* Gesamtfolat
Da die absoluten Vitamin- und Mineralstoffaufnahmen auch abhängig vom Angebot an Energie sind, findet sich in Tab. 4.2.4 die Auswertung der Vitamindichten und in Tab. 4.2.5 jene zu Mineralstoffdichten. Diese Betrachtungsweise
erlaubt eine Bewertung der Qualität des Angebots, da höhere Vitamin- bzw.
Mineralstoffgehalte pro Energieeinheit auf eine optimalere Lebensmittelwahl
schließen lassen.
4.18
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
Das Angebot an Vitamin A und E ist zufriedenstellend. Ein einheitliches Bild
zeigt sich bei Vitamin D und Folsäure, deren Angebot bei beiden Anbietern
deutlich unter den vorgeschlagenen Richtgrößen liegt und nur etwa ein Viertel
bzw. die Hälfte der wünschenswerten Mengen erreicht. Die Vitamindichten
sind bei dem Angebot des Tiefkühlkost-Anbieters zwar etwas besser, da sich vor
allem das bessere Angebot an Gemüse und Salaten günstiger auf die Folsäuredichten auswirkt. Das Angebot insgesamt ist dennoch zu gering.
Die Folsäureangebote könnten durch einen verstärkten Einsatz von grünen
Blattgemüsen verbessert werden. Die Verbesserung des Angebotes an Folsäure
in einer Form, die auch für Kinder ansprechend ist, erscheint auch in Hinblick
auf die Ergebnisse zur effektiven Aufnahme der Folsäure relevant (s. Kap. 2.1).
Gemüsegerichte, die auch mit Tiefkühlung oder Kühlung eine gute sensorische
Akzeptanz bei Kindern aufweisen, sollten in die Menüpläne aufgenommen
werden.
Beim Angebot an den Vitaminen B1, B2 und B6 ist das Bild nicht einheitlich. Sie
zählen zu den wasserlöslichen und sehr hitze- und oxidationsempfindlichen
Vitaminen, deren Gehalt in Speisen sehr von der schonenden Zubereitung, Lagerung und Regeneration abhängt. Da die Evaluation nur die während der Zubereitung zu erwartenden Verluste berücksichtigt, muß auf die durch unsachgemäßes Lagern und Regenerieren sicher zu erwartenden zusätzlichen Verluste
hingewiesen werden.
Tabelle 4.2.4: Vitamindichten der angebotenen Schulmenüs
Volksschule
Hauptschule, AHS Unterstufe
Kühlkost
Tiefkühlkost Kühlkost
Tiefkühlkost
Vitamin A-Äq. (µg/MJ) 110±51
173±57
130±52
167±47
Vitamin D (µg/MJ)
0.1±0.05
0.21±0.0 0.13±0.03
0.25±0.01
Vitamin E-Äq. (mg/MJ) 1.1±0.3
1.4±0.4
1.1±0.3
1.5±0.4
Vitamin B1 (µg/MJ)
136±45
111±21
148±46
109±17
Vitamin B2 (µg/MJ)
133±28
141±14
130±16
137±15
Vitamin B6 (µg/MJ)
182±37
176±42
178±32
176±39
Folsäure-Äq. (µg/MJ) 12±2
14±5
11±1.5
13±4
Bei Thiamin (Vitamin B1) bieten die Schulmenüs des Tiefkühlkost-Anbieters geringere absolute Gehalte und Vitamindichten an und liegen deutlich unter den
von der DGE empfohlenen Werten. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die
geringeren Fleischgaben, da z.B. Schweinefleisch zu den thiaminreichsten Lebensmitteln zählt.
Bei Riboflavin (Vitamin B2) zeigen sich nur bei den Volksschulmenüs Unterschiede zwischen den Anbietern, sie bestehen jedoch nicht mehr bei den Menüs für die 10- bis 14jährigen. Die Riboflavindichten sind aufgrund des niedrigeren Energieangebotes der Tiefkühlkost besser als die des Kühlkost-Anbieters.
Ein regelmäßiges Angebot von Milchprodukten als Menübestandteil (Vanille-
4.2 Schulspeisungsprogramme
4.19
saucen, Desserts auf Milchbasis etc.) und die Verwendung von Käse als Verfeinerung von Aufläufen etc. kann diesen Mängeln entgegenwirken.
Ähnlich verhält sich das Angebot an Pyridoxin (Vitamin B6), da besonders bei
den Volksschulmenüs der Unterschied zwischen den Angebotsformen sichtbar
ist. Bei einer Reduktion des Energieangebots des Kühlkost-Herstellers ohne
gleichzeitige Umstellung der Vitamindichten und Speisefolgen ist auch bei jenem Anbieter mit einem unzureichenden Angebot an Pyridoxin zu rechnen.
Eine Verbesserung des Angebotes könnte durch verstärkten Einsatz von Vollkornteigwaren erreicht werden.
Tabelle 4.2.5: Mineralstoffdichten der angebotenen Schulmenüs
Volksschule
Kühlkost
Tiefkühlkost
Magnesium (mg/MJ) 31.4±6
34.0±6.2
Calcium (mg/MJ)
59±13
68.7±11.9
Zink (mg/MJ)
1.24±0.5 1.17±0.1
Eisen (mg/MJ)
1.38±0.4 1.46±0.1
Jod (µg/MJ)
37.8±8.5 39.8±12.0
Hauptschule, AHS Unterstufe
Kühlkost
Tiefkühlkost
32.5±6.9
33.2±5.7
61.8±15.3
66.3±11.1
1.3±0.5
1.1±0.1
1.4±0.3
1.4±0.1
34.0±12.0
41.3±13.4
Bei Jod zeigt sich ein zufriedenstellendes Angebot, das deutlich über den
Richtwerten liegt.
Calcium wird von beiden Anbietern in zu geringer Menge in den Menüs vorgesehen. Das Angebot ist dringend verbesserungswürdig. Der Einsatz von Milchprodukten könnte zu einer optimaleren Bilanz beitragen.
Das Magnesium-Angebot entspricht in Volksschulen den Richtlinien, bei
Hauptschulen/AHS-Unterstufen sollte jedoch eine Anhebung des Angebots erfolgen. Die Anbieter zeigen dabei keine gravierenden Unterschiede.
Das Angebot an Zink erreicht nur bei den Menüs des Kühlkost-Anbieters in etwa die Höhe der Empfehlung. Die Tiefkühlkost-Menüs liegen deutlich unter
den Richtwerten. Dieser Unterschied zeigt sich auch in den Nährstoffdichten.
Als Ursache dafür kann das etwas geringere Fleischangebot des TiefkühlkostAnbieters genannt werden.
Die Menüs beider Anbieter zeigen ein unter den Empfehlungen liegendes Angebot an Eisen. Unterschiede zwischen den Anbietern zeigen sich nur bei den
Absolutmengen der Volksschulmenüs. Die Eisendichten der Menüs sind bei
beiden Anbietern vergleichbar. Eine Verbesserung des Angebotes ist zu empfehlen und kann über den gezielten Einsatz von magerem Fleisch, Gemüse und
Getreideprodukten erfolgen. Eine Kombination von tierischen, eisenhaltigen
Lebensmitteln (z.B. Fleisch, Innereien) mit pflanzlichen Lebensmitteln, die reich
an Vitamin C sind, erhöht die Verfügbarkeit des in den Speisen gebundenen
Nährstoffs.
4.20
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
4.2.3 Ergebnisse der Menükomponentenanalyse
Die zuvor dokumentierten nährstoffspezifischen Unterschiede der Angebotsformen lassen sich sehr gut mit der spezifischen Menükomposition der beiden
Anbieter interpretieren (Tab. 4.2.6).
Die Angebotshäufigkeit von Suppen war bei beiden Anbietern und beiden Angebotsformen gleich, sie werden im Durchschnitt zweimal pro Woche gereicht.
Ähnlich homogen ist die Angebotshäufigkeit der Nachspeisen, die an drei Tagen pro Schulwoche angeboten werden. Als Nachspeise werden vor allem
Obst/Kompotte gereicht, die das Angebot bei beiden Anbietern dominieren (an
1.8 von 5 Tagen). Sie werden gefolgt von Kuchen und Milchdesserts. Gerade
der Einsatz von Milchdesserts wäre sehr geeignet, das Calciumangebot des Mittagessens zu verbessern. Die Angebotshäufigkeit ist jedoch bei beiden Anbietern zu gering.
Die Zusammenstellung der Menühauptkomponenten zeigt unterschiedliche
Ausprägungen: Die Speisepläne des Kühlkostanbieters weisen in etwa der Hälfte aller Menüs Fleisch- oder Fleischwaren als maßgebenden Menübestandteil
auf. Vorzugsweise werden diese Menüs mit einem Kartoffelgericht und einer
Salat- oder Gemüsebeilage gereicht. Fisch als Menühauptkomponente steht in
den Volksschulen etwa einmal pro Woche auf dem Speiseplan, bei den Hauptschulmenüs jedoch zugunsten von Fleisch- oder Wurstgerichten seltener. Mehlspeisen und ‘andere Gerichte’, deren Zusammenstellung keine dominierende
Hauptkomponente enthält (z.B. Nudelgerichte, Pizzen etc.), werden an je einem der fünf Tage angeboten.
Diese Ergebnisse sind typisch für die österreichische Ernährungssituation. Das
Ziel der Empfehlungen der DGE (s. Tab.4.1.4) sollte jedoch in Zukunft verstärkt
angestrebt werden.
Bei den Menüs des Tiefkühlkost-Anbieters nehmen Fleischgerichte nur eine
untergeordnete Rolle ein, ein Fleischhauptgericht steht etwa einmal alle zwei
Schulwochen am Menüplan. Der Hauptanteil der Menüs besteht aus ‘anderen
Gerichten’ (Nudelgerichten, Gemüse-, Kartoffel- oder Reishauptgerichten), die
gemeinsam mit einer Salat- und/oder Gemüsebeilage gereicht werden. Fleisch
oder Wurstwaren sind in diesen Gerichten als untergeordnete Menükomponenten enthalten. Fischgerichte und Mehlspeisen werden einmal pro Schulwoche
gereicht.
Die angebotenen Menüfolgen sind den Empfehlungen der DGE (s. Tab. 4.1.4)
relativ nah. Inwieweit diese Rezepturen bereits optimiert sind, kann jedoch auf
der Grundlage der durch den Magistrat vorgelegten Produktspezifikation nicht
beurteilt werden.
4.2 Schulspeisungsprogramme
4.21
Tabelle 4.2.6: Ergebnisse der Menükomponentenanalyse auf Basis der Wo
chenpläne
Menükomponente
Volksschule
Frequenz in
Anteil an allen
5 Tagen
Menüs in %
KK1
TK2
KK1
TK2
Hauptschule/AHS-Unterstufe
Frequenz in
Anteil an allen
5 Tagen
Menüs in %
KK1
TK2
KK1
TK2
Suppen
2x
2x
40
40
2.3x
2x
40
40
Hauptspeisen
Fleisch/Fleischwaren3
2x
0.5x
47
10
2.7x
0.5x
53
10
Fisch
1x
1x
20
20
0.3x
1x
7
20
andere Gerichte
1x
2.5x
20
40
1x
2.5x
20
40
Mehlspeisen
0.6x
1x
13
20
1x
1x
20
20
Beilagen
Kartoffelbasis
2x
1.2x
46
23
1.3x
1.2x
27
23
Getreidebasis
1x
1.5x
20
30
1.3x
1.5x
27
30
Gemüse
1.3x
1.5x
27
30
1.3x
1.5x
27
30
Salat
1x
1.5x
20
30
1x
1.5x
20
30
Mus/Kompott
0.3x
0.3x
6
6
0.3x
0.3x
6
6
Milchbasis
0.2x
0
3
0.2x
0
3
Nachspeisen
Kuchen
0.7x
0.5x
13
10
0.3x
0.5x
20
10
Obst/Kompott
1.3x
1.8x
26
36
2x
1.8x
40
36
Milchspeisen
0.3x
0.7x
6
13
0.7x
0.7x
13
13
Süßigkeiten
0.7x
13
1
Kühlkost-Anbieter, 2Tiefkühlkost-Anbieter
3
Bei der Bewertung der Komponenten wurden die mengenmäßigen Hauptkomponenten berücksichtigt. In den Gerichten von den Mengen her untergeordnete Fleischbestandteile wurden
nicht als Hauptkomponente ‘Fleisch’ bewertet. Fleisch ist regelmäßiger Bestandteil in den ‘anderen Gerichten’, die von den wertgebenden Bestandteilen her aus Gemüse, Fleisch und stärkehaltigen Lebensmitteln bestehen.
Die Gestaltung der Beilagen zeigt keine deutlichen Unterschiede. Auffällig ist
die hohe Angebotsfrequenz der Kartoffelbeilagen bei den Volksschulmenüs des
Kühlkost-Anbieters, bei den Hauptschulmenüs zeigt sich diese Betonung jedoch
nicht mehr. Die von der DGE bei jedem Mittagessen empfohlene stärkehaltige
Beilage wird von beiden Anbietern nicht erreicht; statt fünfmal pro Woche
werden an drei Tagen diese Beilagen angeboten.
Gemüsegerichte und Salate werden häufiger zu Gerichten des TiefkühlkostAnbieters gereicht (an 3 von 5 Tagen, an 2.3 von 5 Tagen beim KühlkostAnbieter). Die empfohlene Frequenz von 6 Portionen wöchentlich bei den
Schulmittagessen wird nicht erreicht.
Im für die Untersuchung vorliegenden Zeitraum wurden nur vom TiefkühlkostAnbieter Beilagen in Form von Milchgerichten angeboten, der KühlkostHersteller sah keines dieser Gerichte (z.B. Vanillesauce) als Ergänzung zu
Mehlspeisen vor.
Individuelle Menüwahl, wie sie zum Teil in einigen Betriebskantinen praktiziert
wird, ist im Schulalltag vor allem an den Volksschulen nicht denkbar. Als wesentliches Kriterium für die Zufriedenheit mit dem Angebot hat sich die Möglichkeit der wahlweisen Menüzusammenstellung aus verschiedenen Kostfor-
4.22
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
men beim Anbieter von Kühlkost bewährt. Wie im 1. Wiener Ernährungsbericht
dokumentiert, nutzen vor allem einige Volksschulen diese Möglichkeit und
stellen aus den unterschiedlichen Menüfolgen individuelle Speisepläne für ihre
Schule zusammen (z.B. Montag Tagesmenü, Dienstag islamisches Menü, Mittwoch Alternativmenü, Donnerstag Schonkost, Freitag Tagesmenü). Eine Beibehaltung dieser Wahlmöglichkeit ist zu begrüßen.
4.2.4 Akzeptanz von Schulmenüs
Eine Untersuchung zum Thema „Akzeptanz der Schulmenüs“ wurde erstmals
an Wiener Schulen durchgeführt. Die Studie gibt einen Überblick, wie die Einstellung der Schulkinder zum Mittagessen zu bewerten ist. Die Untersuchung
erfolgte an 416 Schulkindern im Alter von 6-18 Jahren mittels Fragebogen
(Caesar 1996).
Bei den Angaben zur Lieblingssuppe gaben nahezu 38% der Kinder eher ausgefallene Suppen an. Suppen mit Fleisch- und Gemüseeinlagen wurden sehr
schlecht, die Cremesuppen etwas besser bewertet. Folglich wird von Kindern
eine andere Vorspeise bevorzugt.
Bei den Lieblingshauptspeisen der Kinder konnten zwei Tendenzen aufgezeigt
werden: sie geben zu einem hohen Prozentsatz an, daß sie Fleischspeisen gerne essen und internationale Küche bevorzugen. Auch bei der Benotung der
einzelnen Speisen zeigte sich, daß Fleischspeisen und Pizza die Gerichte sind,
die insgesamt am besten benotet werden. Innerhalb der Fleischspeisen nimmt
das Wiener Schnitzel den ersten Platz ein. Bei der Frage nach der gewünschten
Häufigkeit von Fleischspeisen konnten die Kinder zwischen „fast jeden Tag
Fleisch“ und „1 bis 2 mal pro Woche Fleisch“ wählen. Nahezu 90% der Schulkinder entschieden sich für die zweite Antwort. Darüber hinaus wollen jüngere
Schulkinder weniger Fleisch als ältere.
Bei der Frage nach der bevorzugten Nachspeise wurden unterschiedliche
Nachspeisen „zu Hause“ und „im Gasthaus“ gewählt. Als positiv kann bewertet
werden, daß immerhin 20% der Befragten Obst als ihre Lieblingsnachspeise
nannten. Auch bei der Benotung schnitt Obst relativ gut ab. Daher liegt der
Vorschlag nahe, daß die generell unbeliebten Suppen durch ein verstärktes
Obstangebot ersetzt werden.
Zur Frage nach der Akzeptanz der Schulmenüs im allgemeinen konnte in dieser
Untersuchung im Vergleich zu früheren Erhebungen eine Verbesserung nachgewiesen werden. Mehr als die Hälfte der Schulkinder bewertet das Mittagessen als „sehr gut“ und „gut“. Die möglichen Gründe in der höheren Akzeptanz
sind einerseits die verbesserte Qualität der angebotenen Speisen, die Möglichkeit der Einflußnahme auf die Menüplanung durch die Kinder und der Ersatz
der Kühlkost durch Tiefkühlkost (Qualitätsverbesserung).
Dennoch meinten immerhin 77% der Kinder, lieber zu Hause zu Essen. Neben
der zu kurzen Zeit, die zum Essen zur Verfügung steht, scheint die räumliche
Situation für dieses Ergebnis ausschlaggebend zu sein. Verbesserungen der Ge-
4.2 Schulspeisungsprogramme
4.23
staltung der Speisesäle sind deshalb unbedingt anzustreben, um auch das psycho-soziale Wohlbefinden der Kinder beim Mittagessen zu gewährleisten.
Schulspeisungsprogramme sind nicht nur ein rein quantitatives Mittel zur Versorgung der Schüler mit Lebensmitteln. Die Schulspeisung kann weitaus größere Aspekte umfassen. Eine ernährungsphysiologisch sinnvolle, qualitativ und
quantitativ ausreichende Versorgung mit den einzelnen Nährstoffen ist die
Mindestanforderung, die an derartige Einrichtungen gestellt werden muß . Zusätzlich umfaßt die Schulspeisung aber die wichtige Möglichkeit und Aufgabe,
eine "hausgemachte" schlechte oder unzureichende Versorgung der Schüler zu
verbessern. Diese Verbesserung sollte dabei nicht nur auf die Verpflegung in
der Schule beschränkt bleiben. Gerade die schulische Infrastruktur mit didaktisch und pädagogisch ausgebildetem Personal bietet ein wertvolles Multiplikatorenforum für eine gesundheitspolitisch äußerst wichtige und sinnvolle Veränderung des Ernährungsverhaltens. Die Einbeziehung der Schulspeisung in einen
vorhandenen oder einzuführenden Ernährungsunterricht von in Ernährungsfragen gut ausgebildetem Lehrkörper sei an dieser Stelle dringend empfohlen (s.a.
Kap. 6.1, 6.2).
4.24
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
4.3 Betriebsverpflegung
Die Betriebsverpflegung hat die Aufgabe, mit einem ernährungswissenschaftlich
ausgewogenen und zielgruppenorientierten Essensangebot die optimale und
leistungserhaltende Versorgung der Betriebsangehörigen zu garantieren.
Die Schätzung der täglichen Inanspruchnahme der Betriebsverpflegung kann
durch Hochrechnung der Beschäftigtenzahlen und den Ergebnissen einer
schriftlichen Befragung zur Verpflegungssituation in ausgewählten Produktionsbereichen durchgeführt werden (Dworschak et al. 1995). Demnach nehmen in
der Metall- und Chemieindustrie rund ¾ der Beschäftigten die Betriebsverpflegung in Anspruch, bei Banken und Versicherungen sind nur ca. 40% durch die
Gemeinschaftsverpflegung versorgt (Tab. 4.3.1).
Tab. 4.3.1: Betriebsverpflegung nach Wirtschaftsbereichen 1994 (Dworschak
et al. 1995).
Beschäftigte
insgesamt
Metall- und Chemieindustrie
Industrie (übrige)
Baugewerbe,
Transport, Energie
Metallverarbeitende
Gewerbe
Banken, Versicherungen, Realitäten
Handel
Sonstiges
Summe
davon mit
Verpflegung
relativ (%) absolut
davon ohne
Verpflegung
relativ (%) absolut
100.352
75
75.453
25
24.899
328.263
61
201.837
39
126.426
520.426
41
212.419
59
308.007
296.083
58
170.817
42
125.266
245.529
40
98.212
60
147.317
431.800
1.071.302
2.993.755
54
53
52
233.892
563.843
1.556.472
46
47
48
197.908
507.459
1.437.283
Zum ernährungsphysiologischen Wert der Angebote liegt wenig Information
vor. In Zusammenarbeit mit dem BM für Gesundheit und Konsumentenschutz
wurde 1995 jedoch eine erste ernährungswissenschaftliche Expertise zur Situation der Betriebsverpflegung erstellt, deren Ergebnisse hier kurz zusammengefaßt werden (Elmadfa und Zarfl 1995). Für die Erhebung wurde das Menüangebot für ca. 60.000 Essensteilnehmer in Wiener Betriebsrestaurants (Dienstleistungsunternehmen und Produktionsbetriebe) untersucht. Diese Zahl wird
durch Catering-Anbieter oder auch durch betriebseigene Küchen unterschiedlicher Art verpflegt.
Die ernährungsphysiologische Bewertung erfolgte meist auf Basis der angebotenen Portionen und nicht aufgrund der tatsächlich von den Essensteilnehmern
verzehrten Mengen, da derartige individuelle Verzehrserhebungen extrem zeitund kostenintensiv sind (s. auch Kap. 4.1.5).
4.3 Betriebsverpflegung
4.3.1
4.25
Speiseplangestaltung, Nährstoffangebot
In den untersuchten Betrieben wurden mindestens 2 Menüs zur Auswahl gestellt, ein preiswertes „Sozialmenü“ mit österreichischer Hausmannskost und
ein teureres Menü, das sich an der europäischen Küche orientiert. Darüber hinaus werden sehr häufig Tagesteller (Hauptgerichte ohne Vor- und Nachspeise),
eine Salatbar, Mehlspeisen und diverse Desserts zur Auswahl angeboten. Für
die vorliegende Bewertung wurde allerdings wieder die am häufigsten konsumierte Menüart, das „Sozialmenü“, ausgewählt.
Im Jahresdurchschnitt werden 68 % der ausgegebenen Gerichte mit Fleischund Fleischwaren als Hauptkomponenten angeboten. Der Anteil liegt im Sommer höher als im Winter. Somit wird in der Wiener Betriebsgastronomie innerhalb von 5 Versorgungstagen pro Woche drei- bis viermal Fleisch als Hauptkomponente des Mittagsmenüs serviert. Diese Angebotshäufigkeit liegt somit
sehr stark über den von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlenen
Frequenzen (DGE 1995). Im Gegensatz dazu wird Fisch, mit einer Angebotshäufigkeit von nur einmal pro Monat (!) deutlich unter der empfehlenswerten
Angebotsfrequenz auf den Speiseplan gestellt.
Fleischarme ‘andere Gerichte’, unter anderem Pasta- und Kartoffelgerichte, erscheinen nur zweimal pro Monat auf dem Speiseplan. Dabei könnten höhere
Angebotsfrequenzen derartiger ‘fleischarmer’ Hauptspeisen als Alternative zu
den häufig abgelehnten fleischfreien Menüs ernährungswissenschaftlich einen
positiven Effekt ausüben.
Mehlspeisen als Hauptgericht werden etwa einmal pro Monat angeboten. Hierbei muß bedacht werden, daß alle Anbieter in der Betriebsverpflegung täglich
als Zusatzangebot Mehlspeisen zum Verkauf anbieten.
Im Beilagenangebot sind deutliche saisonale Unterschiede festzustellen. Im
Jahresdurchschnitt wird von den untersuchten Anbietern in der Betriebsverpflegung bei 43 % der Hauptspeisen Salat angeboten. Saisonbedingt ist dieser Anteil im Sommer höher als im Winter. Beilagen auf Kartoffelbasis werden
im Winter zu 40 %, im Sommer zu 30 % angeboten. Gemüse wird, trotz des
hohen Einsatzes von Tiefkühlprodukten, im Sommer deutlich häufiger (bei
30 % der Menüs) als im Winter (20 % der Menüs) offeriert. Vollkornprodukte
werden niemals als Beilagen in das Angebot genommen.
Kuchen und Mehlspeisen sind mit 35 % Anteil im Winter und 30 % im Sommer die am häufigsten angebotene Nachspeise. Obst und milchprodukthaltige
Kuchen oder Mehlspeisen (wie Obstschnitten, Topfenteige,...) machen nur 5 %
dieses Angebotes aus. Da Kuchen und Mehlspeisen die bevorzugten Desserts
darstellen, sollten bei der Angebotsgestaltung in der Betriebsverpflegung ernährungswissenschaftlich „günstigere“ Rezepturen gewählt werden. So kann durch
eine Zuckerverminderung in den Teigen, durch den teilweisen Ersatz von
Weißmehl durch Vollkornmehl und durch die verstärkte Verwendung von Obst
und Milchprodukten ein ernährungsphysiologisch hochwertiges Dessert ange-
4.26
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
boten werden. Die Angebotshäufigkeit von Milchprodukten in der Betriebsverpflegung ist mit nur zweimal pro Monat sehr gering.
Nährstoffangebot: Für die Bewertung des Nährstoffangebots wurde wiederum
die am häufigsten konsumierte Menüart (‘Sozialmenü’ mit Hausmannskost)
ausgewählt. Die Berechnung des Nährstoffangebots erfolgte mit Hilfe des Programms EWP 2.5 auf Basis des BLS 2.1 (BGA 1991). Die angebotenen Portionsgrößen wurden von den jeweiligen Anbietern bekanntgegeben und bildeten die
Basis der Kalkulation. Der Energie- und Nährstoffgehalt aus jeweils 4 Wochenspeiseplänen im Zeitraum Oktober bis Jänner sowie Mai bis Juni wurden mit
den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ‘Nährstoffempfehlungen für die Betriebsverpflegung in Betriebskantinen (19-65 Jahre)’ (DGE
1995), sowie den ‘Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr’ der DGE (DGE 1993)
verglichen. Demnach sollte die Mittagsverpflegung ein Drittel der empfohlenen
Tageszufuhr abdecken. Bei einigen Nährstoffen (Magnesium, Eisen, Vitamin A,
Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin C) sollten durch das Mittagessen 50 % der
wünschenswerten Tagesaufnahme verzehrt werden. Die Ergebnisse der Berechnungen sind in Tab. 4.3.2 zusammengefaßt3.
Das Angebot an Energie ist mit 3.6 bis 4.6 MJ überreichlich und entspricht im
Durchschnitt der DGE-Richtgröße für Schwerarbeiter. Der Großteil der in den
Betrieben Beschäftigten hat jedoch einen Energieumsatz, der leichter bzw. mittelschwerer Tätigkeit entspricht.
Energieliefernde Hauptnährstoffe (Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate) sowie Ballaststoffe und Cholesterin: Die Nährstoffrelation unterscheidet sich mit 19 % der
Energie aus Eiweiß, 47 % der Energie aus Fett und 34 % der Energie aus Kohlenhydraten deutlich von den Empfehlungen (Eiweiß unter 20, Fett unter 30
und Kohlenhydrate über 50 Energieprozent). Die überhöhte Aufnahme an Eiweiß (2/3 der empfohlenen Tagesaufnahme), an Fett (mehr als das Doppelte
über dem Richtwert für leichte bis mittelschwere Tätigkeit) und Cholesterin (bereits 80 % der täglich tolerierbaren Zufuhr) über das Mittagessen sowie der zu
geringe P/S-Quotient (0.3–0.4) der Menüs sind auf die zu hohe Angebotsfrequenz und die zu großen Portionen bei tierischen Produkten zurückzuführen.
Das Angebot an Kohlenhydraten liegt gerade im Bereich dessen, was für leichte
körperliche Tätigkeit empfohlen wird, die Zusammensetzung der Kohlenhydrate ist jedoch suboptimal (zu hohe Aufnahme an Saccharose). Der Ballaststoffverzehr liegt unter dem laut Drittelansatz empfohlenen Wert von 10 g.
3
Genauere Angaben, z.B. bzgl. Nährstoffdichten sind der „Ernährungswissenschaftlichen Expertise zur Betriebsverpflegung“ zu entnehmen (Elmadfa und Zarfl 1995).
Angebot pro leichte mittlere
Schwer- Schwerst- Anbieter 1 Anbieter 2 Anbieter 3 Anbieter 4 Anbieter 5 Anbieter 6 Anbieter 7 Anbieter 8
Mittagessen Tätigkeit1 Tätigkeit2 arbeiter3 arbeiter4
Bank
KK
TK
Bank
P/V
P/V
P/V
P/V
Energie MJ
2.8
3.2
4.6
5.1
4.0±0.4 4.4±0.3 4.1±0.5 4.2±0.4 4.6±0.3 3.6±0.7 4.5±0.3 3.7±0.4
davon % aus
Eiweiß
18
20
20
19
20
18
19
21
≤ 20
≤ 20
≤ 20
≤ 20
Fett
49
45
46
46
46
48
46
47
≤ 30
≤ 30
≤ 30
≤ 30
Kohlenhydr.
33
35
34
35
34
34
35
32
≥ 50
≥ 50
≥ 50
≥ 50
Menge ges. g
651±47 743±51 776±90 729±33 759±41 670±90 820±23 720±31
Eiweiß g
31
40
53
59
36±5
47±5
42±6
40±4
46±5
34±7
42±4
39±4
Fett g
22
27
36
40
49±8
50±6
48±8
50±8
54±7
44±12
52±6
45±3
Kohlenhydr. g
79
100
132
146
76±6
89±10
79±12
84±7
89±9
68±12
90±12
67±11
Ballaststoffe
10
10
10
10
6.9±1.1 7.4±0.8 7.8±2.0 8.0±1.3 7.5±1.3 8.1±2.5 7.7±0.6 8.1±1.6
Cholest. mg
100
100
100
100
214±46 228±30 260±73 253±50 266±31 210±53 266±39 201±44
Calcium mg
333
390
557
617
203±37 231±15 232±30 208±33 209±26 193±33 227±55 205±29
Eisen mg
7.5
8.6
12.4
14
5.6±1.1 5.9±0.6 6.2±1.2 6.3±0.8 6.7±0.6 5.8±1.7 6.0±1.2 5.8±0.9
Magnes. mg
175
202
290
320
109±12 125±12 116±13 117±10 120±12 104±26 119±11
114±8
Zink mg
5
5.8
8.3
9.2
5.0±1.0 6.0±0.7 6.1±1.2 6.0±0.7 6.4±1.1 4.6±0.9 5.5±0.9 5.5±1.2
Jod µg
67
77
110
122
109±13 146±36 130±19 118±18 136±24 133±39 132±36 134±30
Vitamin A mg
0.5
0.6
0.8
0.9
0.5±0.1 0.4±0.1 0.8±0.4 0.7±0.6 0.6±0.3 0.4±0.1 0.7±0.6 0.7±0.7
Carotine mg
1
1
1
1
1.3±0.5 1.3±0.4 1.7±0.7 1.2±0.5 1.6±1.1 1.0±0.5 0.9±0.2 1.4±0.5
Vitamin B1 mg 0.5
0.5
0.8
0.9
0.5±0.2 0.6±0.2 0.6±0.1 0.7±0.1 0.6±0.2 0.6±0.3 0.7±0.2 0.6±0.1
Vitamin B2 mg 0.6
0.7
0.9
1.0
0.5±0.1 0.6±0.1 0.7±0.1 0.7±0.2 0.7±0.1 0.5±0.1 0.7±0.2 0.6±0.3
Vitamin B6 mg 0.9
1.0
1.5
1.7
0.7±0.1 0.8±0.1 0.8±0.1 0.8±0.1 0.8±0.2 0.7±0.2 0.9±0.1 0.8±0.1
Folsäure µg
75
86
124
138
45±7
49±11
52±13
52±19
53±9
46±12
53±12
51±18
Vitamin D µg
1.7
1.7
1.7
1.7
1.7±2.0 1.0±0.6 1.2±1.1 0.8±0.2 1.4±1.2 0.9±0.6 2.2±2.0 0.8±0.4
Vitamin E mg
4.0
4.5
6.4
7
6.7±2.8 5.2±1.5 4.7±1.3 6.0±1.6 6.4±1.2 4.8±2.0 6.0±2.6 4.4±0.6
Bank...Betrieb aus dem Banken- und Versicherungsbereich; P/V...Betrieb mit Produktions- und Verwaltungsstätten; KK, TK...Angebot durchCateringbetrieb mit Kühlkost (KK) bzw. Tiefkühlkost (TK) bereitgestellt
1 Berechnungsbasis: mittlerer Bedarf der 19 bis 65-jährigen abzüglich 10% Luxuskonsum; 2 Berechnungsbasis: mittlerer Bedarf der 19 bis 65-jährigen
plus Zuschlag von 2.5 MJ/D abzüglich 10% Luxuskonsum; 3 Berechnungsbasis: mittlerer Bedarf der männlichen 19 bis 50-jährigen plus Zuschlag von 5
MJ/D abzüglich 10% Luxuskonsum
4 Berechnungsbasis: mittlerer Bedarf der männlichen 19 bis 50-jährigen Zuschlag von 6.7 MJ/D abzüglich 10% Luxuskonsum
Tab. 4.3.2:
Ergebnisse der Berechnung des Energie- und Nährstoffangebots bei der Betriebsverpflegung verglichen mit den DGEEmpfehlungen (nach Elmadfa und Zarfl 1995)
4.3 Betriebsverpflegung
4.27
4.28
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
Der Beurteilung der Vitaminangebote wurden die entsprechenden Vitamindichten der Mittagsmenüs zugrundegelegt. Bezüglich der Vitamine B1, B2, B6 und
Folsäure zeigte sich, daß die Vitamindichten unter den wünschenswerten Bereichen lagen. Auch bei den fettlöslichen Vitaminen wurden zum Teil unzureichende Vitamindichten der Menüs bei einzelnen Anbietern beobachtet. Bei
den Mineralstoffen Magnesium, Calcium und Eisen konnte durch keinen der
Anbieter die empfohlene Nährstoffdichte erreicht werden.
Die Richtlinien für die Betriebsverpflegung sind in der Regel nur mit deutlichen
Umstellungen der Menüfolgen und Änderungen der bestehenden Gewohnheiten einzuhalten, wobei eine bestmögliche Annäherung Ziel eines optimierten
Angebots sein sollte. Diese Annäherung ist erst nach einer Übergangsphase und
einer Umstellung der Erwartungen der Konsumenten realisierbar (Peinelt 1992,
1993).
4.3.2 Betriebliche Gesundheitsförderung
Die Europäische Kommission entwickelte infolge der Einführung des Artikels
129 im Maastricht-Vertrag ein Aktionsprogramm zur Gesundheitsförderung,
Aufklärung, Erziehung und Ausbildung, wobei die Erstellung eines integrierten
Handlungskonzeptes für die betriebliche Gesundheitsförderung in der Europäischen Gemeinschaft zu den Handlungsfeldern mit der größten Priorität zählte.
Als Leitlinie für die Qualitätsanforderungen betrieblicher Gesundheitsförderung
setzten sich die von den deutschen Betriebskrankenkassen entwickelten Qualitätskriterien durch, die auch den österreichischen Pilotprojekten zugrunde gelegt wurden. Zu diesen Kriterien zählen beispielsweise eine Integration der Gesundheitsförderung in sämtliche betriebliche Strukturen, eine interdisziplinäre
sowie hierarchieübergreifende Zusammenarbeit, die Durchführung einer IstAnalyse vor Projektbeginn u.v.m. (Demmer und Stein 1995). Österreichs „Model of good practice“ im Rahmen des „Europäischen Netzwerks zur betrieblichen Gesundheitsförderung“ ist das Projekt „Lenzesa“ der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (s.a. Kap. 6.1).
4.4
Verpflegung älterer Menschen
4.4
4.29
Verpflegung älterer Menschen
Die im Alter auftretenden physiologischen Veränderungen bedingen einen reduzierten Bedarf an Energie, aber nicht generell an lebensnotwendigen Nährstoffen. Folglich steht die Forderung nach verstärkter Aufnahme von Lebensmitteln mit hoher Nährstoffdichte und nach vielseitiger Speisenauswahl im Vordergrund.
Die folgenden Kapitel haben die Beurteilung des Verpflegungsangebotes für
ältere Menschen über mobile Mahlzeitendienste einerseits und in Pensionistenheimen andererseits zum Gegenstand. Schwerpunkt der Darstellung bildet
die Erhebung der Verpflegungssituation in Wien, ergänzend wird anhand eines
Beispiels auch das Angebot „Essen auf Rädern“ in kleineren Gemeinden charakterisiert. Detaillierte Ergebnisse zur Erhebung des Angebotes an Gemeinschaftsverpflegungsdiensten für ältere Menschen in Wien liegen in einer weiteren im
Rahmen des WHO-Projektes „Wien - Gesunde Stadt“ verfaßten Veröffentlichung des Instituts für Ernährungswissenschaften vor (Elmadfa et al. 1996).
4.4.1
Mobile Mahlzeitendienste
Die sozial- und gesellschaftsstrukturellen Gegebenheiten der mitteleuropäischen Volkswirtschaften müssen Betreuungskonzepte für die älteren und alten
Menschen forcieren, die ein langes Verbleiben im vertrauten Lebensumfeld
(eigene Wohnung) ermöglichen. Pflegeheime und Spitäler sollen durch das
vermehrte Angebot an mobilen Pflege- und Versorgungseinrichtungen entlastet
werden. Nur durch den Ausbau dieser Einrichtungen kann den gesellschaftsund gesundheitspolitischen Anforderungen, die aufgrund der soziodemographischen Entwicklungen in den nächsten Jahren gestellt werden, entsprochen werden. Tabelle 4.4.1 zeigt aktuelle Schätzungen der Inanspruchnahme mobiler
Mahlzeitendienste in Österreich.
In den öffentlichen Alten- und Pflegeheimen wurden im Jahr 1994 bzw. 1995
insgesamt 42.911 Bewohner betreut, wobei der Großteil auch täglich verpflegt
wird. Pflegebedürftige werden darüber hinaus auch direkt an ihrem Wohnort
durch mobile Mahlzeitendienste versorgt.
In Wien sind mehrere mobile Mahlzeitendienste etabliert, der weitaus dominierende Anteil an Essensbeziehern wird durch „Essen auf Rädern“ versorgt, wobei
die Mittagsmenüs in Form von Kühlkost angeliefert werden. Ergänzend dazu
gibt es mobile Mahlzeitendienste anderer Trägerorganisationen, deren Bezug
jedoch nicht finanziell gestützt wird (z.B. „Essen à la carte“, organisiert durch
das „Wiener Rote Kreuz“; „Gusto Service“, vertrieben durch „Sozial Global“
und den „Arbeiter – Samariterbund“).
4.30
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
Tab. 4.4.1: Mobile Mahlzeitendienste (Essen auf Rädern) in Österreich 1996
(BMLF 1997)
Trägerorganisation
täglich
Ausliefebelieferte rungsform
Personen
Burgenland
Kärnten
Niederösterreich
Oberösterreich
Gemeinden
Gemeinden
555
671
Gemeinden
6.228
Rotes Kreuz u.
Volkshilfe
4.760
Salzburg
Rotes Kreuz
750
Steiermark
Vorarlberg
Wien
Gesamt
*
Volkshilfe, Rei1.690
nisch, Integra
Caritas, Lebenshilfe, Gemein- 455
den
Sozial Global,
Wr. Volkshilfe,
8.727
Wr. Hilfswerk,
Rotes Kreuz
23.836
Auslieferfredurchquenz
schnittl. Kosten pro
Menü (öS)
täglich
57,00
täglich
k. A.
warm
warm
warm, tiefgewöchentl.
kühlt
warm, tiefgebeides*
kühlt
warm, tiefgebeides*
kühlt
warm, tiefgebeides*
kühlt
k. A.
k. A.
83,00
70,00
warm, tiefgebeides*
kühlt
k. A.
warm, tiefgebeides*
kühlt
k. A.
Die Auslieferung erfolgt – je nach Organisation – sowohl täglich als auch wöchentlich
4.4.1.1
„Essen auf Rädern“ im Raum Wien4
„Essen auf Rädern“ bietet vier Kostformen zur Auswahl an. Neben der am häufigsten konsumierten „Normalkost“ wird auch eine „Leichte Vollkost“, eine
„Diabeteskost“ und eine „Vitalkost“ angeboten. Die Ergebnisse der ernährungsphysiologischen Beurteilung der Speisen von „Essen auf Rädern“ werden im
folgenden kurz zusammengefaßt.
4.4.1.1.1 Menükomponenten
In der Mehrheit der Menüs wird eine Suppe als Vorspeise angeboten, der Anteil
der gebundenen Suppen beträgt nur etwa 10 % (entspricht zwei- bis dreimal
pro Monat). Bei Art und Häufigkeit der Suppen sind weder zwischen den
Kostformen noch saisonbedingt Unterschiede zu beobachten.
4
Detaillierte Darstellung der Ergebnisse bei Elmadfa et al. 1996
4.4
Verpflegung älterer Menschen
4.31
Tab. 4.4.2 : Suppenangebot der vier Kostformen bei „Essen auf Rädern“ in
Wien – Sommer- und Winterspeiseplan.
Kostform
Normalkost
Diabeteskost
Leichte Vollkost
Vitalkost
Sommer
Winter
Suppen mit Flei- Suppen mit GeSuppen mit
Suppen mit
scheinlage
müse-/ Getreide- Fleischeinlage Gemüse-/ Geeinlage
treideeinlage
4
24
3
25
3
25
2
26
3
25
2
26
1
25
1
24
Bei den Hauptgerichten bestehen die Hauptkomponenten von “Normal-“,
“Diabetes-“ und “Leichter Vollkost” im Jahresdurchschnitt zu 40 – 50 % aus
Fleisch und Fleischwaren, geringere Frequenzen finden sich bei der “Vitalkost”,
wo nur etwa 20 % der Mittagsmenüs aus Fleisch- und Fleischgerichten bestehen. Umgelegt bedeutet dies, daß bei den drei erstgenannten Kostformen
durchschnittlich 3 bis 4 Mal pro Woche, bei der “Vitalkost” nur ein- bis zweimal eine fleischdominierte Mittagsmahlzeit angeboten wird. Die Geflügelgerichte tragen zu etwa 10 % zur Gestaltung der Hauptkomponenten bei. Überdurchschnittlich hohe Anteile haben Geflügelgerichte nur bei der “Leichten
Vollkost”, wo in 10 – 20 % der Mittagsmenüs Geflügelgerichte angeboten werden.
Die DGE unterscheidet in ihren Empfehlungen nicht zwischen Fleisch- und Geflügelgerichten. Beide gemeinsam sollten 20 % der Hauptkomponenten nicht
überschreiten, in der Realität zeigt sich, daß nur die “Vitalkost” den Richtlinien
nahekommt, alle anderen Kostformen liegen weit darüber.
Die Angebotshäufigkeit von Fisch liegt unabhängig von der Kostform mit einbis zweimal pro Monat deutlich unter der empfohlenen Frequenz von ein- bis
zweimal pro Woche.
Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede zwischen den Kostformen auch in
Hinblick auf die Angebotshäufigkeit für andere Gerichte. Gemäß der zugegebenermaßen als ideale Richtlinie zu verstehenden Empfehlungen der DGE sollten 60 % der Hauptgerichte dieser Kategorie zuzuordnen sein. Erreicht werden
diese Richtlinien von der Kostform “Vitalkost”, die “Diabeteskost” hat etwa 40
% der Hauptkomponenten in dieser Gruppe, die beiden anderen Kostformen
hingegen nur etwa 20 %.
Mehlspeisen als Hauptgericht werden ebenfalls in etwa 20 % der Fälle (ca.
einmal pro Woche) angeboten. Niedrigere Anteile sind in der Diabeteskost zu
finden, die nur ein- bis zweimal pro Monat entsprechend modifizierte Gerichte
anbietet.
Die Gestaltung der Desserts bei „Essen auf Rädern“ wird primär durch das Angebot Kuchen dominiert. Vielfach wird das Dessert erst zur Nachmittagsjause
konsumiert. Der Anteil an Kuchen mit Obstbelag ist bei der „Leichten Vollkost“
und der „Vitalkost“ deutlich höher. Obstkuchen sind in der Regel reicher an
4.32
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
Vitaminen und Mineralstoffen und daher ernährungsphysiologisch sinnvoller
als andere Kuchen. Etwa 2mal pro Woche wird als Dessert ein Milchprodukt
oder eine Creme auf Milchbasis angeboten. Hier finden vor allem Sauermilchprodukte Verwendung. Gemäß den DGE-Richtlinien sollten die Anteile an
Milchprodukten jedoch etwas höher sein.
4.4.1.1.2 Energie- und Nährstoffangebot
Das angebotene Menü der “Normalkost” stellt im Durchschnitt 3.62 MJ
(861 kcal) zur Verfügung und hat damit einen Anteil von etwas mehr als 50 %
an der empfehlenswerten Tagesenergiezufuhr. Die Versorgung geht damit deutlich über die eines Mittagessens (Drittelansatz) hinaus. Die Energieangebote der
anderen Kostformen liegen im selben Bereich.
Die Versorgung mit Eiweiß ist mit durchschnittlich 35 g pro Portion als ausreichend einzustufen. Bedingt ist dieser hohe Deckungsgrad durch die in der Menükomponentenanalyse aufgezeigte zu hohe Angebotshäufigkeit von Fleisch
und Fleischwaren bei der “Normalkost”, aber auch bei der “Diabetiker-“ und
der “Leichten Vollkost”. Bei der "Vitalkost" ist das Angebot an Eiweiß beim Mittagessen ebenfalls im Bereich zwischen 30 und 40 g, so daß auch bei dieser
Kostform ein ausreichendes Angebot besteht.
Die ausgegebene “Normalkost” von "Essen auf Rädern" deckt etwa 60 % der
empfohlenen Fettaufnahme eines Tages ab, alle anderen Kostformen sind im
selben Bereich, die niedrigsten Fettgehalte werden bei der “Vitalkost" angeboten. Der P/S-Quotient liegt bei der “Normalkost”, der "Diabetikerkost" und der
“Leichten Vollkost” zwischen 0.3 und 0.4, nur die "Vitalkost" weist einen Wert
von 0.5 auf, die somit etwas günstiger von der Fettqualität her bewertet werden
kann. Der zu niedrige P/S-Quotient ist durch die hohe Angebotsfrequenz von
tierischen Lebensmitteln, wie Fleisch und Fleischwaren bedingt (s. Menükomponentenanalyse).
Die Menüs von "Essen auf Rädern" erreichen im Durchschnitt etwas mehr als
60 % der täglich tolererierbaren Cholesterinaufnahme. Auch hier liegt die Ursache in der hohen Angebotsfrequenz von tierischen Produkten.
Bezüglich Kohlenhydrate wird die empfohlene Tageszufuhr durch die Menüs
zu etwa 40 % abgedeckt. Auffallend ist der etwas höhere Anteil bei der "Vitalkost", der eindeutig auf die andere Menükomposition zurückzuführen ist. Mit
Ausnahme des Diabetesmenüs, bei dem der Zuckeranteil unter 10 % der gesamten Kohlenhydrate liegt, werden bei "Essen auf Rädern" im Durchschnitt,
bedingt durch das täglich angebotene Dessert, etwa 20 % der Kohlenhydrate in
Form von Haushaltszucker angeboten. Auch die regelmäßige Frequenz von
Gerichten der österreichischen Mehlspeisküche als Hauptkomponenten trägt zu
diesem Ergebnis bei.
Der Anteil der Ballaststoffe bei den Mittagsmenüs liegt etwa im Bereich von
30 % der täglich empfohlenen Aufnahme, erreicht also einen deutlich geringeren Deckungsgrad als die anderen Nährstoffe. Ausgenommen davon ist wieder-
4.4
Verpflegung älterer Menschen
4.33
um die "Vitalkost", die doch etwa 50 % der täglich empfohlenen 30 g erreicht.
Obstipation und Divertikel im Enddarm sind vor allem in den letzen Lebensjahren häufige Ursachen für eine Verschlechterung des Wohlbefindens. Somit muß
einer ausreichenden Ballaststoffzufuhr auch in der Verpflegung von Senioren
und alten Menschen große Aufmerksamkeit geschenkt werden. Als kurz- und
mittelfristig wirksame Maßnahme sollte vor allem die Optimierung der Rezepturen und der ‘versteckte’ Einsatz von Vollkornmehlen erfolgen.
Bezüglich der nichtenergieliefernden Nährstoffe (Vitamine und Mineralstoffe)
wurde beobachtet, daß das Angebot an einzelnen B-Vitaminen, wie Folsäure
und Vitamin B6, deutlich unter den empfohlenen Werten liegt. Folglich wäre
eine Verbesserung des Angebotes an Gemüse und Getreideprodukten anzustreben und eine lange Warmhaltedauer zu vermeiden. Auch das Magnesiumangebot könnte durch verstärkten Einsatz magnesiumreicher Lebensmittel
(Vollkornerzeugnisse, Milchprodukte, Kartoffeln und Gemüse) erhöht werden.
Kritische Ergebnisse wurden auch hinsichtlich des Gehaltes an Vitamin D in
den Menüs nachgewiesen, die sicherlich auf die zu geringe Angebotshäufigkeit
an Fisch zurückzuführen sind.
4.4.1.2
„Essen auf Rädern“ in kleineren Gemeinden 5
Exemplarisch soll die Erhebung der kommunalen Versorgung in St. Andrä Wördern (Niederösterreich) herangezogen werden.
Die Aktion „Essen auf Rädern“ wurde auf Initiative der Gemeinde 1987 erstmals gestartet. Im Sommer 1995 wurden täglich rund 60 Portionen ausgeliefert,
an der Herstellung der Speisen waren drei Gastwirte beteiligt. Die Zustellung
erfolgte mittels eines speziell dafür angeschafften und ausgerüsteten Kleintransporters und wird von Montag bis Freitag durch eine Gemeindebedienstete bewerkstelligt, an Samstagen, Sonn- und Feiertagen übernehmen Gemeinderäte
diese Aufgabe unentgeltlich. Das Spezialgeschirr sowie der Kleintransporter
wird prinzipiell von der Gemeinde finanziert, Spenden sind jedoch üblich.
Die Speisen werden im monatlichen Turnus von den 3 Gastwirten täglich frisch
hergestellt und in speziellen Verteilerboxen portionsweise warmgehalten und
verteilt.
Pro Tag wird lediglich ein Menü nach „traditioneller österreichischer Kost“ angeboten, die Bezieher haben somit keine Wahlmöglichkeit. Auf Sonderwünsche bei Unverträglichkeiten oder Abneigungen wird von den Gastwirten, soweit es ihre zeitlichen, personellen und finanziellen Möglichkeiten nicht überschreitet eingegangen; dies ist jedoch nicht der Regelfall. Es besteht keine Möglichkeit, eine „spezielle Diät“ zu beziehen. Diabetiker bekommen das gleiche
Menü, der Kuchen wird aber durch Obst oder Kompott ersetzt bzw. das Dessert
entfällt.
Bei der gemeinsamen Betrachtung der Ergebnisse der Menükomponentenanalyse und der ernährungsphysiologischen Beurteilung der Nährstoffe konnte beob5
Ausführliche Beschreibung der vorgestellten Ergebnisse bei Schmid-Vender 1996.
4.34
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
achtet werden, daß im Angebot die tierischen Lebensmittel deutlich überwiegen und der Anteil an Fleisch und Fleischwaren zu hoch ist. Gemüseportionen
und Sättigungsbeilagen werden zu selten angeboten. Eine Erhöhung des Ballaststoffgehaltes des Mittagessens sollte angestrebt werden (Vollkornprodukte).
Darüber hinaus ist die Angebotsfrequenz an Obst und Milchprodukten zu niedrig. Schließlich sollte zur Optimierung der Vitamin D- und Jod-Versorgung zumindest einmal pro Woche Fisch auf dem Speiseplan stehen.
4.4.2
Pensionistenheime
Tabelle 4.4.3 zeigt die Situation hinsichtlich der Zahl an Pensionistenheimen
und der in Heimen lebenden Personen in Österreich.
Tab. 4.4.3: Anzahl der täglich verpflegten Personen in Alten- und Pflegeheimen, 1994/95 (BMLF 1997)
Burgenland
Kärnten
Niederösterreich
Oberösterreich
Salzburg
Steiermark
Tirol
Vorarlberg
Wien
Österreich gesamt
Anzahl der Heime
8
70
78
98
78
47
68
70
30
517
Bewohner
1.282.
3.250
5.600
10.800
2.857
3.726
4.486
2.100
8.810
42.911
Die Stadt Wien beherbergt unterschiedlich organisierte stationäre Altenbetreuungseinrichtungen, die einerseits Angebote für die Betreuung von nicht
pflegebedürftigen Senioren (Pensionistenwohnheime) und andererseits die effektive Pflege von kranken, älteren Menschen (Pflegeheime) umfassen. Den
weitaus größten Teil an Wohnheimplätzen in Wien bietet das Kuratorium Wiener Pensionistenheime (KWP), daneben sind Heime der Caritas und anderer
privater bzw. gemeinnütziger Vereine von Bedeutung. Im ersten Wiener Ernährungsbericht wurde dem Angebot und dessen ernährungsphysiologischer Beurteilung sowie dem Umfeld bei der Mahlzeiteneinnahme an den Wiener Pensionistenheimen des KWP, der Wiener Kaufmannschaft und der Caritas großes
Augenmerk geschenkt (Elmadfa et al. 1994). Da die Situation im allgemeinen
unverändert ist, soll im folgenden nur eine kurze Übersicht über die wichtigsten Ergebnisse unter Berücksichtigung aktueller Änderungen gegeben werden.
4.4.2.1 Verpflegungsangebote an den Häusern des KWP
Speisenbereitung: Die Mahlzeiten für Frühstück, Mittagessen und Abendessen
werden in allen Heimen in der hauseigenen Küche zubereitet. Für die Gestaltung der Zwischenmahlzeiten ist in der Regel der Pensionär selbst verantwortlich.
4.4
Verpflegung älterer Menschen
4.35
Die jeweiligen Küchenleitungen an den Heimen sind bei der Rezepturengestaltung und Menüplanung eigenständig. Als ökonomische Rahmenbedingung wird von der Trägerorganisation ein Kostenrahmen für den Wareneinsatz
pro Kopf und Tag festgelegt. Innerhalb dieses Rahmens agieren die jeweiligen
Küchenverantwortlichen autonom, d.h. sie erstellen Rezepturen und Menüs
selbständig und verwalten auch den Einkauf. Seit Mitte 1995 wurde an zwei
Häusern über Vermittlung des KWP ein Modellversuch gestartet, der den Einsatz von biologisch produziertem Obst und Gemüse in den einzelnen Küchen
ermöglicht.
Sofern das Personal fachkompetente Unterstützung für die ernährungsphysiologische Rezepturenoptimierung und Menüplanung benötigt, kann diese von einer Diätassistentin angefordert werden, die an der Zentrale des KWP die Rezepturenoptimierung leitet und auf Wunsch KWP-interne Fortbildungen durchführt.
Menüwahl: In den Heimen des KWP stehen traditionell drei Kostformen zur
Auswahl: es sind dies die Normalkost (= traditionelle Hausmannskost), die
Leichtkost (Leichte Vollkost = leicht verdauliche Menüs, bei denen auf blähende, stark fetthaltige, fettgebackene oder panierte Speisen verzichtet wird) und
die Diabeteskost ("zuckerfreie" Kost = ohne Zucker zubereitet, ca. 14 BE6 werden angeboten; auf die jeweilige BE-Zufuhr hat der Pensionär selbst zu achten7).
Seit Ende1994 ist eine individuelle Menüwahl an allen Häusern des KWP möglich. Aus den drei Kostformen können jeweils in der Vorwoche die Menüs für
die Einzeltage gewählt werden (z. B. Montag Normalkost, Dienstag Schonkost,
Mittwoch Normalkost, Donnerstag zuckerfreie Kost etc.). Bis Sommer 1995 war
das Abendessen an ein bestimmtes Mittagessen gebunden, es bestand keine
freie Wahlmöglichkeit. Seit Sommer 1995 kann jedoch auch das Abendessen
auf die individuellen Wünsche der Senioren abgestimmt werden.
Einnahme der Mahlzeiten: Das Frühstück wird als einzige Mahlzeit im Speisesaal eingenommen, so daß eine Mindestmobilität der Pensionäre gefördert
wird.
In den Heimen des KWP wird die Lieferung der Hauptmahlzeiten auf das Zimmer mittags und abends bevorzugt, um dem Pensionär die Nahrungsaufnahme
zu erleichtern. Jeder Pensionär soll in Ruhe, ungestört und zu der für ihn passenden Zeit seine Mahlzeit einnehmen.
Maßnahmen gegen eine dadurch möglicherweise auftretende Inaktivität sind
das gemeinschaftliche Frühstück im Speisesaal oder andere gezielte Aktionen.
Eine dieser Aktivitäten ist das „Club-Café“. Dieses lädt in den Nachmittagsstunden kostenlos8 zu Kaffee und einer Mehlspeise und dem Gespräch mit anderen
6
BE...Broteinheit; 1 BE = 12 g Kohlenhydrate
Die Einstellung und Information der Diabetiker erfolgt in der Regel an den Krankenhäusern
bzw. durch die niedergelassenen Ärzte. Nach Absolvierung der Schulungen sollten die Patienten fähig sein, ihre Ernährung entsprechend zu gestalten.
8
Diese Aktivität wird von der MA 12 und den jeweiligen Bezirksleitungen getragen, das KWP
stellt jedoch die Räumlichkeiten zur Verfügung.
7
4.36
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
Senioren ein.
Das kalte Abendessen wird bereits mit dem Mittagessen mitgeliefert und wird
vom Pensionär in den persönlichen Kühlschränken bis zum Verzehr gelagert.
Auch aufgehobene Menübestandteile oder selbst gekaufte Waren können so
ohne Probleme gelagert werden. Jede Wohnung enthält eine Kochnische, in der
Speisen erwärmt werden können.
4.4.2.2 Energie- und Nährstoffangebot
Frühstück, Mittag- und Abendessen decken durchschnittlich 140 % der empfohlenen Tagesenergieaufnahme. Die empfohlene Nährstoffrelation (prozentueller
Anteil der Hauptnährstoffe an der Energiedeckung) für die Tagesverpflegung in
Altenheimen beträgt 15 % Eiweiß : 30 % Fett : 55 % Kohlenhydrate; wobei die
Angaben für Eiweiß und Fett nicht überschritten und die für Kohlenhydrate
nicht unterschritten werden sollen. Die Daten der untersuchten Einrichtungen
weisen auf einen zu hohen Fettanteil (43 %) zu Lasten des viel zu geringen
Kohlenhydratanteils (43 %) hin. Der relative Eiweißgehalt liegt im Bereich der
Empfehlungen. Die absolut (in Gramm) zugeführte Eiweißmenge liegt jedoch
bereits über der Tagesempfehlung.
Fette: 30 % der empfohlenen Gesamtenergiezufuhr entsprechen in der Altersgruppe der über 65-jährigen einer täglichen Fettmenge von unter 60 g. Im Mittel beträgt das Angebot an Hauptmahlzeiten jedoch mehr als 100 g. Die beim
Frühstück regelmäßig und abends häufig (beinahe jeden zweiten Tag) angebotene Butter bzw. Margarine liefert beispielsweise bereits knapp 25 g täglich.
Reichliche Wurst- und Käseportionen beliebter fetter Sorten zum Abendessen,
sowie "üppige" Haupt- und Nachspeisen ergänzen das Bild.
Der Großteil des Fettangebotes stammt aus tierischen Quellen. Das Fettsäuremuster zeigt dementsprechend einen zu hohen Anteil gesättigter (49 % statt
maximal 33 %) und einen zu geringen Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren
(14 %). Die Cholesterinmenge liegt mit durchschnittlich 425 mg weit über dem
Tagesrichtwert von 300 g.
Eiweiß: Die bereitgestellte Eiweißmenge ist mehr als ausreichend. Der Angebotsschwerpunkt sollte vom Eiweißträger "Fleisch- und Wurstwaren" auf pflanzliche Eiweißquellen (Hülsenfrüchte, Getreide), magere Milchprodukte und
Fisch verlagert werden.
Kohlenhydrate: Kohlenhydrate können in unterschiedlicher Form, beispielsweise als Saccharose (Haushaltszucker), als Polysaccharide (Stärke) oder als Cellulose (Ballaststoffe) aufgenommen werden. Der Kohlenhydratanteil des Verpflegungsangebotes ist, wie bereits dargestellt, zu gering und sollte auf Kosten der
Fette primär in Form von Stärke erhöht werden. Der Saccharosegehalt liegt mit
55 g bereits über der tolerierbaren Tageszufuhr.
Die Ballaststoffmenge ist - entsprechend der heute üblichen Ernährungsweise –
mit 17 g zu gering.
4.4
Verpflegung älterer Menschen
4.37
Bei der nachfolgenden Bewertung der Mikronährstoffe wird von folgender Annahme ausgegangen: Frühstück, Mittag- und Abendessen sind so konzipiert,
daß damit auch die Zwischenverpflegung abgedeckt ist. Es wird daher ein gewünschter Deckungswert von 100 % der Tagesempfehlungen angenommen.
Die Bewertungen sind unter dem Gesichtspunkt der Gesamtenergiezufuhr zu
sehen. Die geforderte Nährstoffdichte ist daher erst erreicht, wenn die Deckung
140 % (wie Energiezufuhr) der Tagesempfehlung entspricht.
Die durchschnittlichen Vitamin A-Gehalte des Speisenangebotes sind ausreichend. Bei Vitamin E sind die Unterschiede zwischen den Anbietern groß. Die
geringste Deckung der Empfehlungen wurde mit 69 %, die höchste mit 106 %
gemessen. Das Vitamin D-Angebot in den betrachteten Altenheimen deckt die
empfohlene Zufuhr zu 42 % ab. Häufiger Verzehr von Vitamin D-reichen
Fischgerichten könnte die Versorgungslage verbessern. Die Versorgung mit Vitamin B12 ist reichlich. Auch für B1 ist das Angebot zufriedenstellend. Den Empfehlungen für Vitamin B2 und B6 wird durchschnittlich zu 80 %, der für Folsäure zu 70 % entsprochen.
Das Verpflegungsangebot deckt die Empfehlungen für Calcium (80 %), Magnesium (84 %) und Zink (86 %) im Mittel nicht vollständig ab. Die Analyse der
einzelnen Heime zeigt, daß die geringsten Werte um 70 % und die höchsten
über 90 % liegen, 100 % jedoch nicht erreichen. Das Calcium-PhosphatVerhältnis liegt bei 0,43. In keiner analysierten Speiseplanwoche konnte das
empfohlene Mindestverhältnis von 0,65 gemessen werden. Eisen und Jod finden sich in den gewünschten Mengen, wobei die wichtigste Jodquelle das
Kochsalz ist. Knapp 60 % des Jodangebotes ist auf die Speisesalzjodierung zurückzuführen.
Abschließend muß festgehalten werden, daß die Evaluation des Angebots jedoch nur recht grobe Beurteilungen der effektiven Versorgungslage der älteren
Menschen erlaubt, da nicht erfaßt wurde, wieviel effektiv konsumiert wird oder
sogar selbständig gekauft wurde. Aus diesem Grund wurde mit einer Studie des
Instituts für Ernährungswissenschaften der effektive Konsum sowie der individuelle Versorgungszustand von Pensionären, die in vom KWP verwalteten
Heimen leben, gemessen. Da dieser Träger den größten Teil der Wiener Heimplätze verwaltet, erscheint diese Vereinfachung zulässig. In Kap. 2.3 wurden
die Ergebnisse dieser Erhebung dargestellt, eine detaillierte Beschreibung der
Untersuchung liegt ferner in der Expertise „Ernährung älterer Menschen in
Wien“ (Elmadfa et al. 1996) vor.
4.38
Kapitel 4: Gemeinschaftsverpflegung
Literatur
1. Bundesgesundheitsamt BGA (1991): Bundeslebensmittelschlüssel 2.1, Berlin.
2. Bognar A, Piekarski J, Stübler E, Werner R, Zacharias R (1993): Verpflegungssysteme in der
Gemeinschaftsverpflegung. AID Verbraucherdienst Band 3247, Hefte 3.1 - 3.3, Köllen
Druck und Verlags GmbH, Bonn.
3. Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft BMLF (1997): Lebensmittelbericht Österreich, Wien.
4. Caesar G (1996): Akzeptanz der Schulmenüs von Wiener Schulkindern im Alter von 6 – 13
Jahren. Diplomarbeit am Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien.
5. Dato Denkwerkzeuge (1995): Ernährungswissenschaftliches Programm EWP 3.0.
6. Demmer H, Stein M (1995): Qualitätskriterien betrieblicher Gesundheitsförderung. Die
Betriebskrankenkasse, 83. Jg., Heft 10.
7. Deutsche Gesellschaft für Ernährung DGE (1991): Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr, 5.
Auflage, Umschau Verlag, Frankfurt/Main.
8. Deutsche Gesellschaft für Ernährung DGE (1993): Nährstoffempfehlungen für die Betriebsverpflegung, Referat Betriebsverpflegung der DGE, Frankfurt/Main.
9. Deutsche Gesellschaft für Ernährung DGE (1995): Richtlinien für die Speiseplangestaltung
in der BV. Grundsätzliche Überlegungen für die Erstellung von Speiseplänen für Kinder
und Erwachsene unter Berücksichtigung von ernährungsphysiologischen Empfehlungen,
Ernährungsgewohnheiten und Angebotsformen. Eigenverlag der DGE Frankfurt/Main .
10. Dworschak H, Elsigan G, Gründler NI, Leodolter K, Pesendorfer C (1995): Gesundheitsförderung im Betrieb - Gemeinschaftsverpflegung, Linz.
11. Elmadfa I, Godina-Zarfl B, Dichtl M, König J (1991): Untersuchungen zum Ernährungsstatus
österreichischer Schulkinder, Bericht zum Forschungsvorhaben GZ 4000/15-III/12-91,
Wien.
12. Elmadfa I, Godina-Zarfl B, Gruber B, König J, Mayer B, Horacek C, Dichtl M, Kloimüller I,
Szallai M, Ertl-Huemer C (1994): Erster Wiener Ernährungsbericht. WHO-Projekt Wien –
Gesunde Stadt, Vol. 7, Wien.
13. Elmadfa I, Zarfl B. (1995): Ernährungswissenschaftliche Expertise zur Betriebsverpflegung in
Österreich, Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz, Wien.
14. Elmadfa I, Zarfl B, König J (1996): Ernährung älterer Menschen in Wien, WHO-Projekt
Wien - Gesunde Stadt, Wien.
15. Peinelt V (1992): Empfehlungen für die Speiseplangestaltung des Mittagessens in Betriebsrestaurants unter Berücksichtigung anderer Mahlzeiten, Wissenschaftlicher Fachverlag,
Gießen.
16. Peinelt V (1993): Umsetzung der Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr in der Betriebsverpflegung, Ernährungs-Umschau 40/4, 156-163.
17. Schmid-Vender R (1996): „Essen auf Rädern“, Kommunale Versorgung von Pensionisten/innen in St. Andrä Wördern/Niederösterreich. Diplomarbeit am Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien.
Kapitel
5
Mortalität an ernährungsabhängigen Erkrankungen
Zusammenfassung
In Österreich sind Herz/Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen bei Frauen und bei Männern für über 77 % der Todesfälle
verantwortlich. 1996 lag die Mortalität an Herz/KreislaufErkrankungen bei einem Anteil von insgesamt 53.7 % und die an
Krebserkrankungen bei einem Anteil von 23.5 %. Bei Frauen war
der Anteil der Herz-Erkrankungen sowie Hirngefäß-Erkrankungen
höher als bei Männern, der Anteil der Krebserkrankungen und der
Unfälle aber niedriger. Die Gesamtmortalität nahm seit 1986 kontinuierlich ab (–19 %). Bei einigen Krebserkrankungen besteht aber
ein ungünstiger Trend. So kam es in den letzten zehn Jahren bei
Männern zu einer Zunahme der Mortalität an bösartigen Neubildungen des Darmes, der Speiseröhre, Leber, Galle, Bauchspeicheldrüse
und Prostata, während bei Frauen ein Anstieg der Sterblichkeit an
Lungenkrebs, an Leberkrebs und an bösartigen Erkrankungen der
Lippe, Mundhöhle und des Rachens zu verzeichnen war. Weiters
kam es bei Männern auch zu einem Anstieg der Sterblichkeit an ernährungsabhängigen Erkrankungen und Stoffwechselkrankheiten und
hier vor allem an Diabetes mellitus. Entsprechend der abnehmenden
Gesamtmortalität kam es zu einer Zunahme der Lebenserwartung,
zu einer Erhöhung des mittleren Sterbealters und zu einem Rückgang der verlorenen Lebensjahre (YPLL). Laut Prognosen wird sich
dieser günstige Trend noch weiter fortsetzen.
5.1 Mortalitätskennzahlen
Kapitel 5
5.1
Mortalität an ernährungs
abhängigen Erkrankungen1
5.1 Mortalitätskennzahlen
Die Mortalität (Sterblichkeit) ist ein Maß für die Häufigkeit von Todesfällen in
einer Bevölkerung. Normalerweise wird sie als Zahl der an einer bestimmten
Krankheit verstorbenen Personen, bezogen auf die Gesamtbevölkerung (oder
definierte Teile davon, zum Beispiel pro 100.000 männlicher Gesamtbevölkerung) ausgedrückt [Ackermann-Liebrich et al. 1986; Abelin et al. 1996].
Alle der WHO (World Health Organisation) angeschlossenen Länder kennen
die Meldepflicht der Sterbefälle. Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, die Todesursache in den Totenschein (Österreich) einzutragen. Die Todesursachenstatistik wird von den entsprechenden statistischen Ämtern (Statistisches Zentralamt in Österreich) jährlich nach der internationalen Klassifikation der Krankheiten und Todesursachen publiziert. Die internationale Klassifikation der Krankheiten (International Classification of Diseases, ICD) wird periodisch von einer
Expertenkommission der WHO revidiert, wobei die zehnte Revision (ICD-10)
im Jahre 1993 herausgegeben wurde. Diese Revisionen müssen vor allem bei
längerfristigen Entwicklungen der Mortalität berücksichtigt werden. So führte
beispielsweise die im Jahre 1949 durchgeführte Revision der ICD zu einer Reduktion der ausgewiesenen Diabetesmortalität auf die Hälfte.
Die Qualität der Mortalitätsstatistik ist vor allem davon abhängig, ob die Befunde der Totenbeschauärzte zuverlässig sind, bzw. davon, wie hoch die Obduktionsrate der Verstorbenen ist. In Österreich wird eine große Zahl der Verstorbenen einer Obduktion unterzogen (ein großer Teil der Menschen verstirbt
im Krankenhaus und wird fast routinemäßig obduziert). Damit sind auch die
Mortalitätsstatistiken für Österreich ausreichend verläßlich.
Die Sterblichkeit in einer Bevölkerung kann auch als Lebenserwartung bei der
Geburt dargestellt werden. Zur Berechnung geht man von einer hypothetischen
Kohorte von n Personen aus, die man von Geburt an verfolgt. Auf sie wendet
man für jede Altersgruppe während einer bestimmten Kalenderperiode beobachtete Sterblichkeitsrisiken an und summiert diese durch die Kohorte gelebter
Personenjahre. Die durchschnittliche Lebenserwartung ergibt sich, indem man
die Gesamtzahl der durch die Kohorte gelebten Personenjahre durch n dividiert.
1
Mag. I. Kiefer, Univ.-Prof. Dr. M. Kunze
5.2
Kapitel 5: Mortalität an ernährungsabhängigen Erkrankungen
Für jedes Lebensalter und Geschlecht kann eine mittlere Lebenserwartung errechnet werden. Ein 30jähriger Mann hatte im Jahr 1996 eine mittlere (altersspezifische) Lebenserwartung von 45,32 Jahren, das heißt, es kann damit gerechnet werden, daß dieser 30jährige mit hoher Wahrscheinlichkeit insgesamt
75,32 Jahre alt wird. Ein 75jähriger Mann hatte 1996 noch immer eine mittlere
Lebenserwartung von 9,21 Jahren. Eine 30jährige Frau hatte 1996 eine mittlere
Lebenserwartung von 51,00 Jahren. Sie erreicht mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ein Lebensalter von 81,00 Jahren, während eine 75jährige Frau noch
eine Lebenserwartung von 11,18 Jahren hatte.
Die mittlere Lebenserwartung ist abhängig von der Sterblichkeit einer Bevölkerung und wird jährlich vom ÖSTAT (Österreichisches Statistisches Zentralamt)
veröffentlicht.
Da sich die Mortalitätsraten im Laufe der Zeit verändern, wird die so berechnete Lebenserwartung in Wirklichkeit für keine einzelne Person prognostische
Gültigkeit haben. Trotzdem erlaubt die Lebenserwartung eine klarere Vorstellung von der Größenordnung der Sterblichkeit als etwa die Sterblichkeitsraten,
und zudem ist ihre Berechnung unabhängig von der Altersstruktur der untersuchten Bevölkerung. Die durchschnittliche Lebenserwartung dient deshalb als
häufig benützter Gesundheitsindikator [Abelin et al. 1996].
Für die gesundheitspolitische Bewertung von Todesursachen werden die verlorenen Lebensjahre (Personal Years of Life Lost, PYLL oder Years of Potential Life
Lost, YPLL) herangezogen. Unter dem Terminus „Verlorene Lebensjahre“ versteht man eine Maßzahl zur Charakterisierung von Einflüssen bestimmter Todesursachen auf die Lebenserwartung. Man geht von der Zahl der Sterbefälle in
einem bestimmten Alter und der altersspezifischen Lebenserwartung aus. Das
Produkt dieser Größen ergibt die Zahl der Jahre, die theoretisch noch hätten
gelebt werden können, wäre der Grund für den Todesfall (zum Beispiel Unfall)
nicht eingetreten. Da alle anderen Bedingungen aus Gründen der praktischen
mathematischen Anwendbarkeit konstant gehalten werden, handelt es sich bei
den YPLL nur um einen groben Quantifizierungsversuch, der aber seiner Aufgabe als orientierendes Kriterium gerecht wird. Für die Vergleiche verschiedener Perioden oder auch zwischen Regionen muß die Anzahl der verlorenen
Jahre auf die entsprechende Wohnbevölkerung altersbereinigt werden [Bisig
und Paccaud 1996].
Die YPLL können einerseits für Todesursachen-Gruppen, und andererseits für
Einzelpersonen berechnet werden. Es lassen sich also die aufgrund einer Todesursache insgesamt in einem Jahr verlorenen Lebensjahre berechnen (für jede Altersgruppe: Todesfälle x Lebenserwartung), und andererseits jene Zahl
von Jahren, die jede an dieser Todesursache verstorbene Person im Durchschnitt verloren hat (Verlorene Lebensjahre/Todesfälle), wobei aber von einem
5.1 Mortalitätskennzahlen
5.3
bestimmten „idealen“ Alterslimit ausgegangen wird. In der Regel ist dies das
70. Lebensjahr. Falls die Bedeutung des Verlustes von sogenannten aktiven
Lebensjahren gemessen und damit der dabei entstehende volkswirtschaftliche
Verlust geschätzt werden soll, wird das Rentenalter, daß heißt das 65. Lebensjahr, als Bezugsgrenze verwendet [Bisig und Paccaud 1996]. In den folgenden
Berechnungen wurde das 70. Lebensjahr als Bezugsgrenze herangezogen.
Um den YPLL international vergleichbar zu machen und zu standardisieren,
können die Berechnungen für eine Norm-Lebenserwartung von zum Beispiel
65, 70 oder 75 Jahren modifiziert werden. Es werden nicht die nationalen Lebenserwartungsdaten zur Berechnung der verlorenen Lebensjahre herangezogen, sondern ein willkürlich angenommener Wert. Diese Form der Berechnung
setzt sich international immer mehr durch. Zu beachten ist, daß beim Vergleich
von Daten aus verschiedenen Ländern (oder aus verschiedenen Berechnungen)
dieselbe Norm-Lebenserwartung verwendet werden muß. Bei der Bewertung
der Ergebnisse ist weiters zu beachten, daß für beide Geschlechter die gleiche
Lebenserwartung angenommen wird, was in der Realität jedoch selten der Fall
ist (z. B. Österreich 1996 - Lebenserwartung bei der Geburt: Männer 73,9 Jahre, Frauen: 80,2 Jahre, eine Differenz von 6,3 Jahren). Die Ergebnisse dienen
daher vor allem zum Vergleich einzelner Todesursachen zwischen Staaten, der
unterschiedliche geschlechtsspezifische Bevölkerungsaufbau sollte aber bedacht werden [Kunze et al. 1998].
Um verschiedene Bevölkerungsgruppen miteinander vergleichen zu können
oder auch um für einzelne Bevölkerungen über längere Zeit Trends zu untersuchen, bedarf es entweder einer altersspezifischen Darstellung bzw. der Berechnung einer alterskorrigierten bzw. -standardisierten Rate. Werden rohe
Sterblichkeitsraten zur Beurteilung herangezogen, werden die echten Unterschiede in der Sterblichkeit durch den Effekt einer unterschiedlichen Altersstruktur überschattet.
Die Zahl der Todesfälle und der Anteil der Todesursachen dürfen nicht zur
Bewertung der Sterblichkeit herangezogen werden. Die Zahl der Todesfälle
dient lediglich als Basisgröße zur Berechnung von Sterblichkeitsmaßen.
Die standardisierte Sterbeziffer wird durch Multiplikation der altersspezifischen
Sterbeziffern je Geschlecht auf 100.000 Personen mit der Altersstruktur der
Standardbevölkerung und anschließendes Aufsummieren über alle Altersgruppen ermittelt. Sie gibt an, wie viele Sterbefälle aufgrund der jeweils herrschenden Sterblichkeitsverhältnisse auf 100.000 Lebende (gleichen Geschlechts) in
der betreffenden Berichtsperiode dem der Standardbevölkerung entsprochen
hätten. Der vergleichsstörende Einfluß der Besonderheiten des jeweiligen Altersaufbaues ist dadurch ausgeschaltet. Als Standardbevölkerung dient der von der
5.4
Kapitel 5: Mortalität an ernährungsabhängigen Erkrankungen
WHO entwickelte Altersaufbau für die „Europäische Bevölkerung“ oder für die
„Weltbevölkerung“ [WHO 1996, ÖSTAT 1998].
Zur Beurteilung von Trends wird die altersstandardisierte Sterbeziffer / 100.000
Lebende benutzt.
Wird bei der Betrachtung der einzelnen Todesursachen auch berücksichtigt, in
welchem Alter sie auftreten, so ist das durch das mittlere Sterbealter möglich.
Das durchschnittliche Sterbealter ergibt sich aus der Summe der gelebten Personenjahre dividiert durch die Summe der Anteile Verstorbener aller Altersklassen [Heinemann und Sinnecker 1994].
Es ist nicht nur entscheidend, wie häufig einzelne Todesursachen auftreten,
sondern auch, in welchem Alter sie auftreten. So ist ersichtlich, daß bei der
Todesursache Nummer eins, den Herz/Kreislauf-Erkrankungen, das mittlere
Sterbealter bei Männern bei 75,5 Jahren und bei Frauen bei 82,5 Jahren liegt.
Dieses liegt im Durchschnitt bei den Männern 1,6 Jahre und bei den Frauen
2,3 Jahre über der Lebenserwartung. Anders ist die Situation bei den Krebserkrankungen. Hier liegt das mittlere Sterbealter bei Männern bei 69,9 Jahren
und bei Frauen bei 72,9 Jahren. Dieses liegt damit bei der männlichen österreichischen Bevölkerung im Durchschnitt 4,0 Jahre und bei den Frauen sogar 7,3
Jahre unter der Lebenserwartung.
5.2 Lebenserwartung
5.5
5.2 Lebenserwartung
Die durchschnittliche Lebenserwartung lag in Österreich 1996 bei der Geburt
bei 77,1 Jahren, wobei die der Männer 73,9 Jahre und die der Frauen 80,2 Jahren betrug. Seit dem Jahre 1950 zeigt sie eine steigende Tendenz, wobei alleine in den letzten sechs Jahren bei Männern eine Steigerung um 1,6 Jahre und
bei Frauen um 1,3 Jahre stattfand (Abb. 5.1).
Jahre
85
Frauen
80
Gesamt
75
Männer
70
65
60
1950
1960
1970
1980
1990
1996
Abb. 5.1: Entwicklung der Lebenserwartung in Österreich 1950-1996
Eine Gegenüberstellung der verschiedenen Lebensalter zeigt, daß die Lebenserwartung aufgrund der Senkung der Säuglings- und Kindersterblichkeit vor
allem für die Jüngeren stark zugenommen hat. Bei den Betagten hat die absolute Zahl der zusätzlichen Lebensjahre nur gering zugenommen, das heißt, daß
die effektive Lebensverlängerung gegenüber früher im Vergleich zu den Jüngeren geringer ausfällt [WHO 1997, Kunze et al. 1998].
Die höchste Lebenserwartung, sowohl bei Männern als auch Frauen, findet
man in Japan, gefolgt von Schweden und der Schweiz. Österreich liegt im Mittelfeld. Besonders ungünstige Lebenserwartungen sind nach wie vor in der Russischen Föderation, in Rumänien und in Ungarn zu finden (Tab. 5.1).
5.6
Kapitel 5: Mortalität an ernährungsabhängigen Erkrankungen
Tab. 5.1: Lebenserwartung 1996 bei der Geburt. Internationale Vergleiche
[ÖSTAT 1998]
Land
Japan
Schweden
Schweiz
Norwegen
Italien
Island
Spanien
Kanada
Australien
Niederlande
1)
Lebenserwartung bei der Land
Geburt (in Jahren)
Lebenserwartung bei der
Geburt (in Jahren)
Gesamt Männer Frauen
Gesamt Männer Frauen
80,2
77,0
83,3 Österreich
77,1
73,9
80,2
79,0
76,5
81,5 Belgien
76,9
73,5
80,2
78,8
75,7
81,9 Finnland
76,8
73,0
80,5
78,1
75,1
81,1 Griechenland
76,8
75,0
78,5
78,1
74,9
81,3 Neuseeland
76,1
72,7
79,4
78,0
75,92)
80,02) USA
76,1
72,7
79,4
78,0
74,4
81,6 Deutschland
76,0
72,7
79,3
77,9
74,81)
81,01) Ungarn
72,3
65,3
79,3
77,9
75,02)
80,82) Rumänien
69,2
65,3
73,1
77,5
74,7
80,3 Russ. Födera- 64,4
57,62)
71,22)
tion
1993; 2) 1995
Bei der Lebenserwartung in Deutschland ist zu berücksichtigen, daß es hier
Unterschiede zwischen Ost und West gibt. Die Lebenserwartung in WestDeutschland entspricht annähernd der Lebenserwartung von Österreich, während die der ehemaligen DDR viel niedriger liegt, und ab Ende der 70er Jahre
sogar hin und wieder Rückgänge zu verzeichnen waren [DGE 1996].
Laut Prognosen soll in den EU-Staaten im Jahr 2020 die Lebenserwartung der
Frauen 83 Jahre, die der Männer 78 Jahre betragen. Es werden in bezug auf die
Entwicklung der Lebenserwartung unterschiedliche Szenarien skizziert. Werden Prognosen aufgrund eines „low mortality“ Szenarios berechnet, ergibt sich
für das Jahr 2030 eine mittlere Lebenserwartung für Männer von 90 Jahren und
für Frauen von 95 Jahren. Das Eintreffen dieser Prognosen wird jedoch für unwahrscheinlich gehalten, da sie voraussetzen würde, daß jedes zweite weibliche Neugeborene älter als 97 Jahre alt werden müßte, jedes zweite männliche
Neugeborene älter als 92 Jahre. Die Lebenserwartungsgewinne sind aber nur
dann in diesem Ausmaß realisierbar, wenn die zukünftigen Altengenerationen
deutlich gesünder sind als heute [Kytir 1994].
5.3 Gesamtmortalität
5.7
5.3 Gesamtmortalität
Im Jahre 1996 verstarben in Österreich insgesamt 80.790 Personen. Das entspricht einer altersstandardisierten Sterbeziffer von 764,7 Personen je 100.000
Lebende. Von allen Verstorbenen waren 37.268 Männer (955,1/100.000) und
43.522 Frauen (574,3/100.000).
Den größten Anteil an der Gesamtsterblichkeit hatten Herz/Kreislauf-Erkrankungen mit einem Anteil von 53,7 %, gefolgt von den Krebs-Erkrankungen mit
23,5 %. Bei Frauen war der Anteil der Herz-Erkrankungen sowie HirngefäßErkrankungen höher als bei Männern, der Anteil der Krebserkrankungen, der
Erkrankungen der Atmungs- und Verdauungsorgane und der Unfälle aber niedriger (Abb. 5.2, Abb. 5.3, Tab. 5.2, Tab. 5.3).
Verdauungsorgane, 5,6%
Atmungsorgane, 4,9%
Verdauungsorgane, 3,8%
Atmungsorgane, 3,9%
Unfälle, 2,5%
Unfälle, 4,7%
Rest, 11,1%
Rest, 9,1%
Krebs, 21,2%
Krebs, 25,8%
Hirngefäße, 15,3%
Herz, 38,0%
Herz, 44,0%
Hirngefäße, 9,9%
Abb. 5.2: Todesursachen 1996
- Männer
Abb. 5.3: Todesursachen 1996
- Frauen
Das mittlere Sterbealter lag 1996 bei Männern bei 70,7 Jahren bzw. bei Frauen
bei 79,1 Jahren, wobei dieses bei den einzelnen Erkrankungen sehr unterschiedlich ist.
Das höchste Sterbealter war bei den Männern beim Prostatakarzinom (78,4
Jahre), bei den Hirngefäßerkrankungen (77,4 Jahre) und bei den Herzkrankheiten (75,0 Jahre) zu finden, während bei den bösartigen Erkrankungen der Lippe, der Mundhöhle und des Rachens sowie bei der Leberzirrhose dieses bei
jeweils 60,5 Jahren lag.
Bei den Frauen lag das höchste mittlere Sterbealter bei den Hirngefäßerkrankungen (82,6 Jahre), bei den Herzerkrankungen (82,4 Jahre) und bei den bösartigen Neubildungen der Harnblase (80,4 Jahre) und das niedrigste Sterbealter
beim Zervix-Uteri-Karzinom (64,7 Jahre).
5.8
Kapitel 5: Mortalität an ernährungsabhängigen Erkrankungen
Durchschnittlich kam es 1996 zu einem Verlust an 25,8 Jahren pro Todesfall,
wobei die Männer durchschnittlich 24,3 Jahre pro Todesfall und die Frauen
27,4 Jahre pro Todesfall verloren. Die meisten Jahre verloren die Männer bei
ernährungsabhängigen Erkrankungen und Stoffwechselkrankheiten (26,8 Jahre/Todesfall) und die wenigsten Jahre beim Prostatakarzinom (16,8 Jahre/Todesfall). Bei den Frauen gingen die meisten Jahre beim Zervix-UteriKarzinom (28,8 Jahre/Todesfall) und die wenigsten bei bösartigen Neubildungen der Schilddrüse (22,3 Jahre/Todesfall) verloren (Tab. 5.2, Tab. 5.3).
5.4 Trends
5.9
5.4 Trends
Bei der Entwicklung der Mortaliät in den letzten Jahren, muß berücksichtigt
werden, daß es bei der Gliederung nach Todesursachen Revisionen der ICDKlassifikationen gab. Ab 1980 wurde nach der 9. Revision klassifiziert. Zur besseren Vergleichbarkeit wurden die Todesursachen aus früheren Jahren, in denen die 8. ICD-Revision in Verwendung war, soweit wie möglich auf die 9.
ICD-Revision umgeschlüsselt [ÖSTAT 1998]. Diese Umschlüsselung reicht bis
zum Jahre 1970 zurück. Vergleiche mit früheren Jahren sind demnach nicht
exakt.
5.4.1 Gesamtsterblichkeit
Alle in den Abbildungen 5.2 und 5.3 dargestellten Todesursachen weisen in
Österreich eine abnehmende Sterblichkeit auf. Entsprechend nimmt die Gesamtsterblichkeit kontinuierlich ab (Abb. 5.4) und daher die Lebenserwartung
zu (s. Abb. 5.1).
Seit den achtziger Jahren ist dieser Rückgang fast ausschließlich auf eine Reduktion der Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen.
Bei näherer Betrachtung ist aber ersichtlich, daß bei einigen Erkrankungen,
speziell bei einigen Krebserkrankungen, ein ungünstiger Trend besteht. So kam
es in den letzten zehn Jahren (1986 bis 1996) bei den Männern zu einer Zunahme der Mortalität an folgenden Krebserkrankungen: bösartige Neubildungen des Darms, der Speiseröhre, der Leber, Galle, Bauchspeicheldrüse, Schilddrüse und Prostata. Weiters kam es zu einem Anstieg der Sterblichkeit an ernährungsabhängigen und Stoffwechsel-Erkrankungen und vor allem an Diabetes mellitus.
Bei Frauen gab es insbesondere einen Anstieg der Sterblichkeit an Lungenkrebs
(+ 27,7 %), aber auch an Leberkrebs und bösartigen Erkrankungen der Lippe,
Mundhöhle und des Rachens (Tab. 5.2, Tab. 5.3).
Bei der Mortalität aller Erkrankungen kam es seit 1970 zu einem Rückgang von
38,2 % bei den Männern und 41,2 % bei den Frauen (Abb. 5.4). In den letzten
10 Jahren sank sie sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen um ungefähr 19 % (Tab. 5.2). Seit 1986 kam es aber auch zu einer Erhöhung des mittleren Sterbealters, das 1996 bei den Männern bei 70,7 Jahren und bei den Frauen bei 79,1 Jahren lag. Weiters kam es zu einem Rückgang der verlorenen Jahre (YPLL) (1 bis 70 Jahre) pro Todesfall, wobei hier speziell bei den Männern
ein Rückgang um 18,2 % feststellbar ist.
Die Mortalitätsunterschiede zwischen Männern und Frauen sind zum Großteil
auf den unterschiedlichen Lebensstil zurückzuführen. Rauchen, Alkoholkon-
5.10
Kapitel 5: Mortalität an ernährungsabhängigen Erkrankungen
sum, „coronary prone behavior“ und Unfälle sind am häufigsten für die höhere
Mortalität der Männer nach dem 65. Lebensjahr verantwortlich [Speroff 1993].
M
davon: Diabetes mellitus
1.049
613
1.116
732
648
1.447
6.667
25.894
17.857
2,4
1,7
2,6
2,0
1,5
3,9
15,3
9,9
44,2
38,0
59,5
47,9
100
100
%
M = Männer; F = Frauen
*) International Classification of Diseases
**) standardisiert nach der Europäischen Standardbevölkerung der WHO
F
F
Erkrankungen (240-279)
(250)
M
F
(430-438)
Ernährungs- und Stoffwechsel-
M
Hirngefäß-Erkrankungen
F
401-405, 410-429, 440-459) F
(571)
3.687
M
davon: Herzkrankheiten (390-398
M
19.227
F
(390-459)
Leberzirrhose
14.170
M
Herz/Kreislauf-Erkrankungen
43.522
F
(001-999)
37.268
M
Anzahl
Todesfälle Anteil der
Todesursachen
ALLE
Todesursachen
(ICD, 9. Revision*)
13,4
15,4
14,8
18,3
12,6
37,6
76,9
94,2
226,2
364,1
303,1
458,2
574,3
-6,3
+7,0
-8,1
+9,6
-4,5
-14,7
-37,5
-39,0
-12,0
-13,9
-20,3
-20,7
-19,7
Gestorbene Änderung
je 100.000 1986-1996
Lebende
%
955,1
-19,2
Standardisierte
Sterbeziffer**)
Tab.5.2: Mortalitätsstatistik für Österreich 1996 [ÖSTAT 1987; ÖSTAT 1998] ;
79,6
71,4
77,8
68,8
65,8
60,5
82,6
77,4
82,4
75,0
82,5
75,5
79,1
70,7
Jahre
Verlorene Jahre**)
(Alter 1 - 70 Jahre)
+6,1
+4,6
+5,7
+2,7
+0,8
-0,8
+3,0
+2,0
+3,5
+1,9
+3,3
+1,6
+2,9
23,5
19,3
28,7
26,8
26,9
23,4
25,7
20,1
25,6
20,0
24,8
20,0
27,4
-8,9
-14,6
+0,7
-3,6
-3,9
-2,9
+3,6
-6,5
-14,4
-20,0
-15,1
-17,4
-2,5
Änderung
Jahre/
Änderung
1986-1996 Todesfall 1986-1996
%
%
+1,3
24,3
-18,2
Mittleres
Sterbealter
5.4 Trends
5.11
Anteil der
Todesursachen
%
Todesfälle
Anzahl
Standardisierte
Sterbeziffer**)
Mittleres
Sterbealter
Verlorene Jahre**)
(Alter 1 - 70 Jahre)
Gestorbene Änderung
Jahre
Änderung
Jahre/
Änderung
je 100.000 1986-1996
1986-1996 Todesfall 1986-1996
Lebende
%
%
%
Krebs-Erkrankungen
M
9.614
25,8
245,3
-8,6
69,9
+1,2
20,6
-15,2
(140-208)
F
9.205
21,2
146,6
-10,0
72,9
+2,0
26,1
-4,0
davon: Magenkrebs
M
787
2,1
20,0
-33,8
71,8
+1,4
20,3
-7,7
(151)
F
725
1,7
10,6
-30,7
76,0
+2,4
24,6
-6,5
Darmkrebs
M
870
2,3
22,1
+6,8
71,9
+1,4
19,2
-15,4
(152, 153)
F
935
2,2
13,4
-11,3
76,1
+2,2
25,6
+3,2
Mastdarmkrebs
M
503
1,4
12,9
-4,4
74,2
-0,8
19,5
-15,2
(154)
F
396
0,9
5,6
-21,3
75,6
-0,1
25,0
-0,4
Speiseröhre
M
209
0,6
5,4
+3,9
63,7
-2,3
21,1
-20,7
(150)
F
56
0,1
1,0
+11,1
69,9
-5,9
24,4
-14,1
Lippe/Mundhöhle,
M
324
0,9
8,5
-1,2
60,5
-0,8
21,9
-18,9
Rachen (140-149)
F
86
0,2
1,6
+14,3
70,1
+2,9
26,0
-11,9
Harnblase
M
288
0,8
7,2
-30,8
76,1
+1,3
18,0
-12,2
(188)
F
161
0,4
2,0
-23,1
80,4
+6,2
23,3
-7,9
Niere
M
189
0,5
7,7
-7,2
69,7
+2,1
19,7
-17,9
(189)
F
256
0,6
4,0
-13,0
73,4
+1,5
25,1
-0,4
Bauchspeicheldrüse
M
543
1,5
13,8
+3,0
70,2
+2,5
19,6
-14,4
(157)
F
609
1,4
8,9
-5,3
75,6
+2,4
24,2
-3,6
Leber
M
427
1,2
10,9
+14,7
68,2
+1,3
18,8
-14,9
(155)
F
234
0,5
3,6
+20,0
74,7
+1,9
23,6
-9,9
Galle
M
161
0,4
4,1
+2,5
71,3
-0,6
17,9
-19,4
(156)
F
295
0,7
4,3
-34,8
76,4
+1,6
24,8
+1,6
Schilddrüse
M
193
0,5
1,3
+18,2
66,1
-1,9
19,4
-3,5
(193)
F
51
0,1
0,7
-41,7
71,5
-3,1
22,3
-13,2
Lunge
M
2.373
6,4
60,8
-13,3
68,2
-0,6
20,8
-7,6
(162)
F
868
2,0
15,2
+27,7
69,9
-0,6
24,9
+0,4
Prostata (185)
M
1.170
3,1
29,8
+8,8
78,4
+2,0
16,8
-12,0
Brustkrebs (174, 175)
F
1.712
3,9
30,0
-5,4
69,7
+3,1
27,3
+1,1
Gebärmutter (179, 182) F
344
0,8
5,2
-34,2
74,3
+5,1
25,2
-5,3
Zervix uteri (180)
F
182
0,4
3,5
-34,0
64,7
+1,9
28,8
+2,9
M = Männer; F = Frauen, *) International Classification of Diseases, **) standardisiert nach der Europäischen Standardbevölkerung der WHO
Todesursachen
(ICD, 9. Revision*)
Tab.5.3: Mortalitätsstatistik für Österreich 1996 [ÖSTAT 1987; ÖSTAT 1998] ;
5.12
Kapitel 5: Mortalität an ernährungsabhängigen Erkrankungen
5.4 Trends
5.13
5.4.2 Herz/Kreislauf-Erkrankungen
Bei der Mortalität an Herz/Kreislauf-Erkrankungen kam es in den letzten 26
Jahren zu einem Rückgang von über 30 % (Abb. 6). Sehr hoch und mit steigender Tendenz zeigt sich hier das mittlere Sterbealter. Bei allen
Herz/Kreislauf-Erkrankungen liegt es bei den Männern bei 75,5 und bei den
Frauen bei 82,5 Jahren. Dieses ist aber bei den Hirngefäß-Erkrankungen noch
um 2,4 Jahre bei den Männern und um 0,1 Jahre bei den Frauen höher. Bei der
Sterblichkeit an Hirngefäß-Erkrankungen zeigt sich zwar bei Frauen und Männern ein günstiger Trend bis 1995 (Abb. 5.7), dies ist aber bei den verlorenen
Lebensjahren nicht mehr ersichtlich. Hier kam es bei den Frauen in den letzten
10 Jahren zu einer Zunahme um 3,6 %.
5.4.3 Krebserkrankungen
Krebserkrankungen stehen an zweiter Stelle der Todesursachen. Die Gesamtsterblichkeit an Krebserkrankungen änderte sich für Männer seit dem Jahre
1970 um - 15 % und für Frauen um - 22,5 % (Abb. 5.5).
Obwohl die Gesamt-Krebsmortalität rückläufig ist, zeigt sich bei einigen Tumoren eine steigende Tendenz, speziell wenn der Beobachtungszeitraum bis 1970
zurückreicht.
Eine steigende Tendenz ist bei den Männern bei Prostatakrebs (Abb. 5.13) und
Darmkrebs (Abb. 5.8) zu verzeichnen, obwohl hier seit 1993 ein Abwärtstrend
besteht. Eine fallende Tendenz ist auch beim Magenkrebs (Abb. 5.9), Mastdarmkrebs (Abb.5.10) und Lungenkrebs (Abb. 5.11) feststellbar.
Bei den Frauen sind der Magen-, Darm- und Mastdarmkrebs rückläufig (Abb.
5.8, Abb. 5.9, Abb. 5.10), während der Lungenkrebs (Abb. 5.11) stetig ansteigt.
Die Tendenz für Brustkrebs war bis 1990 steigend, geht aber in den letzten
Jahren wieder etwas zurück (Abb. 5.12).
Betrachtet man die Entwicklung der Sterblichkeit vor 1970, so ist ersichtlich,
daß beispielsweise der Magenkrebs erst seit 1955 bei den Männern und seit
1960 bei den Frauen rückläufige Tendenzen zeigt. Besonders stark war auch
der Anstieg des Lungenkrebs bis zum Jahre 1965 bei den Männern. Auch vor
1970 kam es zu einer Zunahme der Mortalität an Darm- und Prostatakrebs
beim Mann und an Lungen-, Darm- und Brustkrebs bei der Frau, während die
Gebärmutterkrebs-Sterblichkeit stark zurückging.
Das mittlere Sterbealter aller Krebserkrankungen liegt aber deutlich unter dem
der Herz/Kreislauf-Erkrankungen. Bei der männlichen Bevölkerung beträgt die
Differenz 5,6 Jahre und bei der weiblichen 6,8 Jahre. Damit ist die hohe vorzeitige Sterblichkeit der Frauen besonders auffällig. Auch innerhalb der einzelnen Krebserkrankungen gibt es deutliche Unterschiede. Das höchste mittlere
Sterbealter wird bei den Männern beim Prostatakrebs erreicht, bei dem auch
die wenigsten Jahre verloren gehen (16,8 Jahre/Todesfall).
5.14
Kapitel 5: Mortalität an ernährungsabhängigen Erkrankungen
Trotz rückläufiger Mortalität kam es in den letzten zehn Jahren aber zu einer
Zunahme der Krebsinzidenz. Im Jahre 1995 wurde bei insgesamt 16.768 Männern (434,0/100.000) und bei 17.500 Frauen (318,1/100.000) die Erstdiagnose
Krebserkrankung gestellt. Die Erfassung der Inzidenz erfolgt über das Krebsregister. Die Inzidenz aller Krebserkrankungen änderte sich in den letzten zehn
Jahren bei Männern um + 4,5 % und bei Frauen um + 1,5 %.
Bei den Männern kam es zu einem besonders starken Anstieg der Inzidenz
beim Prostatakrebs (von 54,2/100.000 auf 88,7/100.00) und bei den Frauen
beim Brustkrebs (von 75,7/100.000 auf 89,8/100.000) und beim Lungenkrebs
(von 14,4/100.000 auf 18,2/100.000). Zu diskutieren wäre, ob die Zunahme
der Erkrankungszahlen lediglich auf die Erhöhung der mittleren Lebenserwartung, auf eine bessere Diagnostik oder auf Erfolge der Therapie anderer Erkrankungen zurückgeht [Okamoto und Marosi 1996].
5.4.4
Ernährungsabhängige
kungen
Erkrankungen/Stoffwechselerkran-
Unter ernährungsabhängigen Erkrankungen und Stoffwechselkrankheiten werden unter anderem Erkrankungen der Schilddrüse, Diabetes mellitus, Krankheiten sonstiger endokriner Drüsen, Mangelernährung und Stoffwechselstörungen
zusammengefaßt. Den größten Anteil an der Mortalität dieser Erkrankungen hat
Diabetes mellitus. Die Tendenz in den letzten Jahren ist bei Männern rückläufig und bei Frauen ansteigend, wobei 1990 bei beiden Geschlechtern die
höchste Mortalität zu finden war (Abb. 5.15).
5.4.5 Chronische Lebererkrankungen und Leberzirrhose
Besonders hoch ist in Österreich im internationalen Vergleich die Mortalität an
chronischen Lebererkrankungen und Leberzirrhose. Die Tendenz ist bei den
Männern in den letzten Jahren fallend, während sich bei den Frauen nur geringfügige Veränderungen seit 1970 zeigen (Abb. 5.14). Besonders niedrig ist
aber hier das mittlere Sterbealter, das bei Männern bei 60,5 Jahren und bei
Frauen bei 65,8 Jahren liegt.
In der Zukunft könnte es durch wirksame Primär- und Sekundärpräventionsmaß-nahmen zu einer Kompression der Morbidität (= Maß für die Häufigkeit
von Krankheit in der Bevölkerung ohne Unterscheidung zwischen Inzidenz
und Prävalenz) [Ackermann-Liebrich et al. 1986], speziell bei den ernährungsassoziierten Erkrankungen kommen. Das heißt, daß die Morbidität im
Alter auf eine relativ kurze Periode vor dem Sterben beschränkt sein könnte,
und daß vermutlich bis zum 85. Lebensjahr die Bevölkerung relativ gesund
bliebe [Fries 1980, Fries 1989].
5.4 Trends
5.15
Standardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende
1600
Standardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende
300
1400
250
Männer
1200
200
1000
Männer
150
800
Frauen
600
Frauen
100
400
ALLE
200
0
1970
ERKRANKUNGEN
1975
1980
KREBS-
50
1985
ERKRANKUNGENN
1990
1995
0
1970
1975
1980
1985
1990
1995
Abb. 5.4: Entwicklung der Sterblichkeit Abb. 5.5: Entwicklung der Sterblichkeit aller Erkrankungen von 1970-1996 an Krebserkrankungen von 1970[ÖSTAT 1998]
1996 [ÖSTAT 1998]
Standardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende
700
Standardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende
250
600
200
500
Männer
400
150
Männer
300
Frauen
100
200
Frauen
50
HERZ/KREISLAUF100
0
1970
ERKRANKUNGEN
1975
1980
1985
HIRNGEFÄSSERKRANKUNGEN
1990
1995
0
1970
1975
1980
1985
1990
1995
Abb. 5.6: Entwicklung der Sterblichkeit Abb. 5.7: Entwicklung der Sterblichkeit an Herz/Kreislauf-Erkrankungen
an Hirngefäßerkrankungen von 1970von 1970-1996 [ÖSTAT 1998]
1996 [ÖSTAT 1998]
5.16
Kapitel 5: Mortalität an ernährungsabhängigen Erkrankungen
Standardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende
25
Männer
20
Standardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende
25
20
15
15
Frauen
Männer
10
10
5
5
DARMKREBS
Frauen
MASTDARMKREBS
(außer Mastdarm)
0
1970
1975
1980
1985
1990
1995
0
1970
1975
1980
1985
1990
1995
Abb. 5.8: Entwicklung der Sterblichkeit Abb. 5.10: Entwicklung der Sterblichkeit an Darmkrebs von 1970-1996 an Mastdarmkrebs von 1970-1996
[ÖSTAT 1998]
[ÖSTAT 1998]
Standardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende
60
Standardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende
80
70
50
60
Männer
40
50
40
30
Männer
30
LUNGENKREBS
20
20
10
0
1970
MAGENKREBS
1975
1980
1985
Frauen
1990
1995
10
0
1970
Frauen
1975
1980
1985
1990
1995
Abb. 5.9: Entwicklung der Sterblichkeit Abb. 5.11: Entwicklung der Sterblichkeit an Magenkrebs von 1970-1996 an Lungenkrebs
von 1970-1996
[ÖSTAT 1998]
[ÖSTAT 1998]
5.4 Trends
5.17
Standardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende
35
Standardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende
35
30
30
Frauen
25
25
20
20
15
15
10
10
BRUSTKREBS
5
0
1970
1975
1980
1985
5
1990
1995
0
1970
Männer
PROSTATAKREBS
1975
1980
1985
1990
1995
Abb. 5.12: Entwicklung der Sterblich- Abb. 5.13: Entwicklung der
keit an Brustkrebs von 1970-1996
Sterblichkeit an Protatakrebs von 1970
[ÖSTAT 1998]
-1996 [ÖSTAT 1998]
Standardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende
60
Standardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende
20
18
50
16
14
40
Männer
30
Männer
12
Frauen
10
LEBERZIRRHOSE
8
20
6
10
0
1970
Frauen
1975
1980
1985
1990
1995
4
DIABETES
2
MELLITUS
0
1970
1975
1980
1985
1990
1995
Abb. 5.14: Entwicklung der Sterblich- Abb. 5.15: Entwicklung der Sterblichkeit an Leberzirrhose von 1970-1996 keit an Diabetes mellitus von 1970[ÖSTAT 1998]
1996 [ÖSTAT 1998]
5.18
Kapitel 5: Mortalität an ernährungsabhängigen Erkrankungen
5.5 Internationale Vergleiche der Mortalität
Die Mortalität infolge ernährungsabhängiger Krankheiten variiert weltweit beträchtlich. Zum Vergleich wurde die nach der Europäischen Bevölkerung standardisierte Sterbeziffer/100.000 Lebende herangezogen.
Bei den Herz/Kreislauf-Erkrankungen haben die Länder Ungarn und Polen sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen die höchste Mortalitätsrate; die
niedrigsten findet man in Japan und Frankreich (Abb. 5.16, Abb. 5.17).
Aber auch bei der Sterblichkeit an Krebserkrankungen liegen bei den Männern
Ungarn und Polen, gefolgt von Frankreich an der Spitze, während bei den
Frauen in Ungarn, Großbritannien und USA die höchste Mortalitätsrate zu finden sind. Die niedrigste Krebsmortalität findet man in Japan und Griechenland
(Abb. 5.18, Abb. 5.19).
Beim Brustkrebs haben die Frauen aus Großbritannien und Ungarn den höchsten Anteil, gefolgt von der Schweiz, Deutschland, Canada und Österreich.
Sehr niedrig ist die Mortalitätsrate an Brustkrebs in China und Japan (Abb.
5.22).
Ganz anders ist die Situation beim Magenkrebs; hier liegen sowohl bei den
Männern als auch bei den Frauen Japan und China weit über den restlichen
Ländern. Bei den Frauen liegt Österreich nach Ungarn bereits an der vierten
Stelle der ausgewählten Länder (Abb. 5.20, Abb. 5.21).
Beim internationalen Vergleich der Mortalität an chronischen Lebererkrankungen und der Leberzirrhose liegt Ungarn an erster Stelle. Bei den Männern folgt
Österreich bereits nach Ungarn. Der Anteil der Mortalität ist in Österreich um
70 % niedriger. In Großbritannien und Griechenland ist der Anteil der Mortalität an chronischen Lebererkrankungen und Leberzirrhose bei beiden Geschlechtern am geringsten (Abb. 5.23, Abb. 5.24).
5.5 Internationale Vergleiche der Mortalität
5.19
330,2
Canada*
354,2
Italien**
464
316,3
398,6
300
400
221,8
Spanien**
780,6
200
198
Schweiz
Ungarn
100
436,8
Polen
322
0
305,6
Österrreich
705,2
Polen
USA**
237,1
153,8
Japan
Österrreich
Spanien**
249,1
Großbritannien
232,7
Schweiz
304,7
Griechenland
416,6
Großbritannien
Japan
148,7
Frankreich*
377,8
Italien**
286,8
Deutschland
253,9
Frankreich*
Griechenland
318,8
China
451,7
Deutschland
195,2
Canada*
427,9
China
493,3
Ungarn
247,4
USA**
500
600
700
800
0
Standardisierte Sterbeziffer/100.000 Lebende
100
200
300
400
500
Standardisierte Sterbeziffer/100.000 Lebende
*) 1993; **)1992
*) 1993; **) 1992
Abb. 5.16: Mortalität an Herz/Kreislauf- Abb. 5.17: Mortalität an Herz/KreisErkrankungen (Männer) 1994 ausgelauf-Erkrankungen (Frauen) 1994
wählter Länder [WHO 1996]
ausgewählter Länder [WHO 1996]
244,7
Canada*
Italien**
Italien**
227,5
298,1
Polen
248
Schweiz
391,3
247,9
100
200
155,2
Polen
154,6
138
300
117,4
Spanien**
Ungarn
0
111
Österrreich
Schweiz
257,7
USA**
144,2
Japan
250,9
Spanien**
176,8
Großbritannien
278,1
Japan
116,3
Griechenland
261,7
Österrreich
129,3
Frankreich*
219,4
Griechenland
158,9
Deutschland
293,2
Frankreich*
Großbritannien
125,8
China
265,7
Deutschland
159,7
Canada*
233,8
China
203
Ungarn
162
USA**
400
Standardisierte Sterbeziffer/100.000 Lebende
*) 1993; **)1992
Abb. 5.18: Mortalität an Krebs-Erkrankungen (Männer) 1994 ausgewählter Länder [WHO 1996]
0
100
200
300
Standardisierte Sterbeziffer/100.000 Lebende
*) 1993; **) 1992
Abb. 5.19: Mortalität an Krebs-Erkrankungen (Frauen) 1994 ausgewählter Länder [WHO 1996]
5.20
Kapitel 5: Mortalität an ernährungsabhängigen Erkrankungen
9,6
Canada*
Frankreich*
16,3
Italien**
Griechenland
6,6
Großbritannien
6,7
24,3
Italien**
47,5
Japan
22,2
Österrreich
29,5
20,2
14,9
Ungarn
7,2
3,4
USA**
20
30
40
50
Standardisierte Sterbeziffer/100.000 Lebende
*) 1993; **)1992
0
5
10
15
20
Standardisierte Sterbeziffer/100.000 Lebende
*) 1993; **) 1992
Abb. 5.20: Mortalität an Magenkrebs-Erkrankungen (Männer) 1994 ausgewählter Länder [WHO 1996]
Canada*
31,1
8,7
Deutschland
31,3
Frankreich*
28,4
Griechenland
23,3
37,1
Großbritannien
Italien**
28,4
9,6
Japan
31
Österrreich
Polen
22,3
33,1
Schweiz
24,4
Spanien**
Ungarn
35,4
USA**
30,5
0
9,4
Spanien**
33,5
Ungarn
China
10,6
5,7
Schweiz
Spanien**
10
19,4
12
Polen
12,6
0
11,9
Japan
Österrreich
Polen
USA**
5,1
Frankreich*
12,5
Schweiz
10,6
Deutschland
12,1
Großbritannien
16,7
China
20,2
Deutschland
Griechenland
4,5
Canada*
38,5
China
10
20
30
40
50
Standardisierte Sterbeziffer/100.000 Lebende
*) 1993; **)1992
Abb. 5.22: Mortalität an Brustkrebs-Erkrankungen (Frauen) 1994 ausgewählter Länder [WHO 1996]
Abb. 5.21: Mortalität an Magenkrebserkrankungen (Frauen) 1994
ausgewählter Länder [WHO 1996]
5.5 Internationale Vergleiche der Mortalität
5.21
11,8
Canada*
China
30
Italien**
17
38,7
13
Österrreich
20
7
Polen
12,7
4,8
Schweiz
27,8
Spanien**
129,9
15,2
0
8,9
Spanien**
Ungarn
USA**
13,2
6
Japan
Österrreich
Schweiz
4,8
Großbritannien
Italien**
Polen
3,3
Griechenland
7,9
Japan
9,2
Frankreich*
10,4
Griechenland
12,9
Deutschland
22,9
Großbritannien
8,4
China
31,2
Deutschland
Frankreich*
5
Canada*
18,1
40,5
Ungarn
6,5
USA**
50
100
150
Standardisierte Sterbeziffer/100.000 Lebende
*) 1993; **)1992
Abb. 5.23: Mortalität an chronischen
Lebererkrankungen und Leberzirrhose
(Männer) 1994 ausgewählter Länder
der
[WHO 1996]
0
10
20
30
40
50
Standardisierte Sterbeziffer/100.000 Lebende
*) 1993; **) 1992
Abb. 5.24: Mortalität an chronischen
Lebererkrankungen und Leberzirrhose (Frauen) 1994 ausgewählter Län[WHO 1996]
5.22
Kapitel 5: Mortalität an ernährungsabhängigen Erkrankungen
Literatur
1. Abelin TH, Junker CH, Perneger TH (1996): Epidemiologie und Gesundheitsstatistik. In:
Sozial- und Präventivmedizin (Gutzwiller, F.; Jeanneret, O.; Hrsg.). Public Health. Verlag
Hans Huber.
2. Ackermann-Liebrich U, Gutzwiller F, Keil U, Kunze M (1986): Epidemiologie. Lehrbuch
für praktizierende Ärzte und Studenten. Meducation Foundation.
3. Bisig B, Paccaud F (1996): Wichtigste demographische und gesundheitsbezogene Indikatoren. In: Sozial- und Präventivmedizin (Gutzwiller, F.; Jeanneret, O.; Hrsg.). Public Health.
Verlag Hans Huber.
4. DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) (1996): Ernährungsbericht 1996.
5. Fries JF (1980): Aging, natural death and the compression of morbidity. N Engl J Med 303,
130.
6. Fries JF (1989): Erfolgreiches Altern: Medizinische und demographische Perspektiven. In:
Erfolgreiches Altern: Bedingungen und Variationen (Baltes, M. M.; Kohli, M.; Sames K.;
Hrsg.). Huber Verlag.
7. Heinemann L, Sinnerecker H (1994): Epidemiologische Arbeitsmethoden. Gustav FischerVerlag.
8. Kunze M, Schmeiser-Rieder A, Kunze U, Böhm G, Bernhard G, Mitsche N, Rosenberger
A, Kiefer I, Gredler B, Schoberberger R (1998): Vorsorgebericht Niederösterreich. Institut
für Sozialmedizin, in Druck.
9. Kytir J (1994): Lebenserwartung frei von Behinderung. Statistische Nachrichten 8, 650 657.
10. Okamoto I, Marosi C (1996): Karzinogene und Prävention maligner Erkrankungen. In:
Klinische Onkologie (Pirker, R.; Fiegl, M.; Huber, H.; Hrsg). Facultas, 28 - 41.
11. ÖSTAT (Österreichisches Statistisches Zentralamt) (1987): Bericht über das Gesundheitswesen in Österreich im Jahre 1986.
12. ÖSTAT (Österreichisches Statistisches Zentralamt) (1998): Gesundheitsstatistisches Jahrbuch 1995/96.
13. Speroff L (1993): The Menopause. In: Treatment of the postmenopausal women: Basic and
clinical aspects (Lobo R. A.; Hrsg.). Raven Press, New York.
14. WHO (Word Health Organization) (1996): World Health Statistics Annual 1995.
15. WHO (World Health Organization) (1997): The World Health Report 1997.
Kapitel
6
Public Health / Gesundheitsförderung /
Prävention
Zusammenfassung
Mit der Aufnahme der Gesundheitsförderung in das ASVG als
Pflichtaufgabe der Sozialversicherung sowie dem kürzlichen Erlaß
des Gesundheitsförderungsgesetzes hat die Gesundheitsförderung einen wichtigen Schritt in Richtung einer gleichrangigen Position innerhalb der Gesundheitsversorgung in Österreich geschafft. Wie Projektdokumentationen zeigen, stehen bei Programmen zur Prävention
und Gesundheitsförderung Aktivitäten in Lebensstilbereichen wie Ernährung und Bewegung im Vordergrund. Aus diesem Grund sind gesundheitsfördernde Maßnahmen auf dem Gebiet der Ernährung eine
gesundheitspolitisch und ökonomisch sinnvolle Möglichkeit zur Optimierung der Ernährungssituation in der Bevölkerung.
Effektiv sind Projekte, die verschiedene Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention im sog. Setting-Ansatz miteinander
verbinden. Beispiele derartiger Interventionen, bei denen Ernährung
eine bedeutende Rolle spielt, sind z.B. die Netzwerke „Gesunde
Städte“, „Gesundheitsfördernde Schulen“ oder „Betriebliche Gesundheitsförderung“, deren Grundlage das Gesundheitsförderungskonzept der WHO ist. Die Effizienz bestehender Konzepte und
Maßnahmen sollte kontrolliert und überwacht werden. Durch langfristige und kontinuierliche Evaluation können Optimierungen von
Programmen erreicht werden. Qualitätssicherung und –management
in der Gesundheitsförderung werden sowohl für innovative Interventionen als auch für deren praktische Umsetzung benötigt.
Da es kein Nahrungsmittel gibt, das alle Nährstoffe in ausreichender
Menge enthält, muß jeder Mensch lernen, welche Nahrungsmittel er
in Kombination und Menge, wann und wie häufig aufnehmen sollte.
Nur auf Basis eines ausreichenden Ernährungswissens kann eine bedarfsgerechte Nahrungsauswahl vorgenommen werden. Das Erlernen
von Ernährungswissen und Ernährungsverhalten ist Bestandteil der
Sozialisation des Menschen. Deshalb spielen bei der Vermittlung von
Ernährungswissen Familie, Kindergarten und Schule eine wichtige
Rolle.
Die Ergebnisse bezüglich Ernährungswissen österreichischer Erwachsener zeigen, daß unbedingt Maßnahmen gesetzt werden sollten, um
auch informationspassive, desinteressierte Gruppen durch eine zielgruppenorientierte Aufklärung zu erreichen. Da durch schriftliche
Ernährungsinformation vorwiegend gut informierte und interessierte
Bevölkerungsgruppen angesprochen werden, sollten zur zielgruppenorientierten, effektiven und objektiven Ernährungsaufklärung
Massenmedien genutzt werden.
Die vorliegende Arbeit zeigt Ansatzpunkte für notwendige Interventionsmaßnahmen auf. Da die mediale Botschaft zeitlichen Veränderungen unterworfen ist, sollte die Inhaltsanalyse der massenmedialen
Botschaft periodisch wiederholt werden. Ebenso ist eine Ausdehnung
auf elektronische Medien anzuraten.
6.1 Stellenwert der Ernährung in Projekten zur Gesundheitsförderung in Österreich
Kapitel 6
6.1
Public Health / Gesundheitsförderung
Prävention
6.1 Stellenwert der Ernährung in Projekten zur Gesundheitsförderung in Österreich
6.1.1 Allgemeines/Definitionen
Gesundheitsförderung gewinnt im europäischen Raum seit Beginn der 90er
Jahre zunehmend an Bedeutung. Im November 1986 wurde in Ottawa die „Ottawa Charta für Gesundheitsförderung“ von der WHO (World Health Organisation) verabschiedet. Dieses Dokument wurde zum Signal für eine neue Prioritätensetzung in der Gesundheitspolitik, für eine neue Sichtweise der öffentlichen
Gesundheit und für neue Methoden und Vorgehensweisen zur Erreichung von
Gesundheit1.
Der Ottawa-Charta zufolge ist Gesundheitsförderung der Prozeß der Befähigung
von Menschen, ihre Gesundheit zu verbessern, erhalten oder wiederzuerlangen, indem sie bemächtigt werden, Faktoren, die für ihre Gesundheit relevant
sind, strategisch zu beeinflussen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches
und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, daß „sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. sie verändern können“ (WHO 1986). Bedeutendstes Kennzeichen der Gesundheitsförderung ist, daß sie im Gegensatz zur Medizin oder auch zur Gesundheitserziehung (s. Kap. 6.2) nicht als Maßnahme verstanden wird, die sich an Einzelpersonen richtet. Man geht vielmehr davon aus, daß Gesundheit am besten
durch die Entwicklung der alltäglichen Lebenswelten (sog. Settings2) von vielen
Menschen gleichzeitig unter Partizipation möglichst aller Beteiligten und Betroffenen gefördert wird (Pelikan et al. 1998). So entwickelt sich bei gesundheitsfördernden Aktivitäten z.B. in Schulen im Unterschied zur Gesundheitserziehung ein Prozeß des Miteinander- und Voneinanderlernens, indem die Schüler aktiv in den Unterricht eingebunden werden und sowohl Schüler als auch
Lehrer zu Beteiligten, Lernenden und Lehrenden, sowie zu Agierenden und
Reagierenden werden (Eder und Mitterbauer 1998).
Die Gesundheitsförderung unterscheidet sich in ihrer Konzeption von der Prävention, deren Hauptaspekt das Verhindern bzw. Verringern der Manifestation
1
Die WHO beschreibt „Gesundheit“ als einen „Zustand völligen körperlichen, seelischen und
sozialen Wohlbefindens und nicht als bloßes Freisein von Krankheit oder Schwäche“ (WHO
1948)
2
Der Setting-Ansatz der Gesundheitsförderung zielt auf die Veränderung von kommunikativ
erreichbaren Lebensbedingungen und Lebenszusammenhängen im engeren und mittelbaren
Umfeld von Individuen und ermächtigt letztere dazu, die relevanten Faktoren ihrer Umwelt so
weit zu kontrollieren, daß sie darin ihre Bedürfnisse und Lebensziele realisieren können.
6.2
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
und Progression von Erkrankungen und letztlich der Mortalität ist. Während die
Prävention „weniger Krankheit“ zum Ziel hat, will die Gesundheitsförderung
„mehr Gesundheit“ erreichen (s. Tab. 6.1.1).
Langfristig gesehen sind gesundheitsorientierte Programme wahrscheinlich
wirksamer und in der Regel kosteneffektiver als krankheitsorientierte, da die
Förderung salutogener Faktoren immer mehrere Gesundheitsbereiche gleichzeitig beeinflußt, Prävention und Kuration jedoch definitionsgemäß auf ganz bestimmte Risiken beschränkt bleiben.
Tab. 6.1.1: Unterschiede zwischen den Konzepten der Gesundheitsförderung
und der Prävention (Elmadfa und Zarfl 1997)
Prävention
Gesundheit = objektive Abwesenheit von Krankheitssymptomen
Strategien sind auf Risikogruppen in
der Bevölkerung gerichtet
spezifische Einflüsse - Ätiologie und
Pathogenese
Ansatzpunkt der Maßnahmen ist die
Minimierung eines bestehenden
Risikos
Maßnahmen sind stets expertenabhängig (Fremdkontrolle)
Ziel = weniger Krankheit
Gesundheitsförderung
Gesundheit = positives, multidimensionales Konzept des Wohlbefindens
Strategien haben die gesamte Bevölkerung und Umwelt als Zielgruppe
allgemeine Einflüsse - Salutogenese
Ansatzpunkt der Maßnahmen ist die
Optimierung aller bestehenden Ressourcen
Maßnahmen befähigen Laien und Betroffene zur Selbsthilfe (Setting-Ansatz)
Ziel = mehr Gesundheit
6.1.1.1 Notwendigkeit gesundheitsfördernder Maßnahmen im Bereich Ernährung
In den letzten Jahrzehnten erfolgte in den Industrieländern ein historischer
Wandel des Krankheitsspektrums in Richtung sog. Zivilisationskrankheiten, die
als Resultat krankheitsbegünstigender Verhaltensweisen bzw. Risikofaktoren
gewertet werden. Während zu Beginn dieses Jahrhunderts Infektionskrankheiten die Haupttodesursache darstellten, sind heute chronische und degenerative
Erkrankungen im Mittelpunkt des Krankheitsgeschehens (s.a. Kap. 5). Wenngleich ein exakter naturwissenschaftlicher Nachweis für die Zusammenhänge
von Ernährung und Erkrankung nicht herstellbar und ihre Genese multifaktorieller Natur ist, besteht unter Ernährungswissenschaftern, Epidemiologen und Medizinern fundamentale Übereinstimmung, daß die Ernährung bzw- die Eßgewohnheiten als bedeutende Risikofaktoren die Inzidenzrate von Karies, HerzKreislauferkrankungen, Herz- und Gefäßerkrankungen, Stoffwechselstörungen
und Krebserkrankungen beeinflussen. Die mit der Behandlung derartiger Erkrankungen verbundenen Kosten stellen eine große Belastung für das Gesundheitssystem dar. Für Österreich existieren keine Daten über ernährungsbezogene Gesundheitsaufwendungen, die auch mögliche indirekte Kosten ernährungsabhängiger Erkrankungen oder Gesundheitsschäden, die durch unterbliebene Krankenversorgung entstanden, berücksichtigen. Es ist allerdings bekannt,
6.1 Stellenwert der Ernährung in Projekten zur Gesundheitsförderung in Österreich
6.3
daß der weitaus größte Teil des Ressourceneinsatzes der stationären Behandlung der Erkrankungen bzw. der Zahnbehandlung dient. Der Mitteleinsatz für
Maßnahmen der Gesundheitsförderung bzw. Primärprävention hingegen wird
derzeit auf nur etwa 1-5% der Gesundheitsausgaben geschätzt.
Die in Kap. 2 detailliert beschriebenen Ergebnisse zum Ernährungszustand bzw.
zu Ernährungsgewohnheiten einzelner Bevölkerungsgruppen sprechen gemeinsam mit den o.g. ökonomischen Faktoren für umfassende Interventionen zur
Optimierung des Ernährungsstatus als effiziente gesundheitsfördernde Maßnahme.
6.1.1.2 Gesetzliche Bestimmungen/Strukturen in Österreich
Im Jahr 1992 wurde den sozialen Krankenversicherungen per Gesetz (ASVG)
die Aufgabe übertragen, Gesundheitsförderung in ihren Leistungskatalog zu
übernehmen. Somit ist ihre Berechtigung, Teil der Gesundheitsversorgung zu
sein, gesetzlich anerkannt. Über einen beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger eingerichteten Arbeitskreis für Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt wurden vor allem klare Grundsätze und Handlungsanleitungen für
betriebliche Gesundheitsförderung entwickelt (Meggeneder 1995), wobei man
sich an den mehrjährigen Erfahrungen der deutschen Betriebskrankenkassen
orientierte.
Im Februar 1998 wurde vom Nationalrat das Bundesgesetz über Maßnahmen
und Initiativen zur Gesundheitsförderung, -aufklärung und –information (Gesundheitsförderungsgesetz – GfG; BGBl.Nr. 51/1998) beschlossen, dessen Ziele
an die Ottawa Charta der WHO anschließen. Mit dem GfG erfolgte eine Definition von Zielen und Strategien für die Verwendung zweckgebundener finanzieller Mittel, die aus dem Aufkommen der Umsatzsteuer (von Bund, Ländern,
Gemeinden und Städten) zur Verfügung gestellt und beim Bundesministerium
für Arbeit, Gesundheit und Soziales budgetiert werden. Diese ab dem Inkrafttreten des GfG jährlich zur Verfügung gestellten Mittel sollen eine kohärente,
langfristige Planung und Umsetzung im Bereich der Gesundheitsförderung, aufklärung und –information ermöglichen, indem sie in Ergänzung der bereits
etablierten Vorsorgemaßnahmen praktische Aktivitäten und wissenschaftliche
Studien in dem Bereich fördern und gleichzeitig eine nachhaltige unterstützende Struktur für derartige Initiativen und Maßnahmen schaffen.
Die Verwaltung der Mittel sowie die administrative und inhaltliche Abwicklung
von Projekten im Rahmen des GfG werden vom Fonds "Gesundes Österreich"
(FGÖ) – im Sinne des Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetzes BGBl. 11/1975 vorgenommen. Zweck des Fonds sind evaluierte, qualitätsgesicherte Maßnahmen und Initiativen zur Erhaltung, Förderung und Verbesserung der Gesundheit
der österreichischen Bevölkerung im ganzheitlichen Sinn in allen Phasen des
Lebens sowie Information und Aufklärung über vermeidbare Krankheiten und
die Gesundheit beeinflussende, seelische, geistige und soziale Faktoren.
6.4
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
Gründer des Fonds sind der Bund, der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, die Österreichische Ärztekammer, die Österreichische
Apothekerkammer und der Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs. Präsidentin ist Eleonora Hostasch, Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Durch die Neufassung der Satzung des FGÖ haben sowohl
die Bundesebene als auch die Landes-, Gemeinde- und Städteebene die Möglichkeit, Vertreter in entsprechender Zahl in die Organe des Fonds zu entsenden, wodurch die Entscheidung über die Mittelverwendung in partnerschaftlicher Form gewährleistet sein soll. Ziel des FGÖ ist es, langfristig die Gesundheitsförderung als dritten Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens neben
der Krankenversorgung und dem Gesundheitsschutz in Österreich zu etablieren. Der FGÖ sollte das Ressort bei der Umsetzung der Gesundheitsförderungsmaßnahmen unterstützen.
Die Hauptakteure der Gesundheitsförderung in Österreich sind heute – sowohl
in bezug auf die Finanzierung als auch auf die Initiierung von Projekten - die
Bundesländer. Einige Bundesländer sind auch für die Koordination von Gesundheitsförderungsaktivitäten verantwortlich. So haben Kärnten und Wien für diesen
Zweck innerhalb der Gesundheitsverwaltung eigene Abteilungen für Gesundheitsförderung geschaffen, über die das Land direkt neben der Koordination auch
mit der Umsetzung von Gesundheitsföderungsaktivitäten befaßt ist. In den übrigen Bundesländern werden die Aktivitäten von Partnern außerhalb der Verwaltung umgesetzt. Enge Verbindungen im Sinne von langfristigen Kooperationen
bestehen auch zwischen den Gesundheitsverwaltungen der Länder und den
Fonds, Plattformen und Vereinen der Gesundheitsförderung (z.B. Fonds „Gesundes Vorarlberg“, Steirische Gesellschaft für Gesundheitsschutz etc.) sowie zu Arbeitskreisen für Präventiv- und Sozialmedizin. Daneben gibt es noch eine Reihe
anderer „Bündnispartner“, mit denen zeitlich, sachlich oder sozial begrenzte Allianzen bestehen. Jene Organisationen, Vereine und Initiativen, die aufgrund ihrer Ziele und Anliegen projektspezifisch, temporär oder als Nebenbeschäftigung
an Gesundheitsförderung interessiert sind, können einerseits als Finanziers oder
Projektträger und andererseits als Lieferanten von Fachwissen in den unterschiedlichen Phasen von Gesundheitsförderungsaktivitäten fungieren. Dazu zählen z.B.
Krankenkassen, Kammern, Universitäts- und Forschungsinstitute, Bünde, Bildungsinstitute, Versicherungen, Wirtschaftsbetriebe und Medien. Das in Österreich stark ausgebaute Netzwerk (privater) Vereinigungen bietet einen strukturellen Vorteil für die Entwicklung der Gesundheitsförderungsbewegung. Wesentliche Träger von Gesundheitsförderungsprojekten in Österreich sind auch Gemeinden, Schulen und Krankenhäuser (Dür 1997).
Leider existiert in Österreich im Gegensatz zu einigen anderen europäischen
Ländern bisher keine geeignete Institution für die spezifische Ausbildung von
Public Health3-Experten, die für entsprechendes Wissen und für zum Teil sehr
3
Public Health = Gesundheitswissenschaften, Wissenschaft und Praxis der Krankheitsverhütung, der Lebensverlängerung und Förderung physischen und psychischen Wohlbefindens
6.1 Stellenwert der Ernährung in Projekten zur Gesundheitsförderung in Österreich
6.5
anspruchsvolle Aufgaben im Rahmen von Gesundheitsförderungprojekten erforderlich wären. Fehlendes Know-how müßte durch Weiterbildungsveranstaltungen und Schulungen vermittelt werden (s. Kap. 6.1.5). Gesundheitsförderung als praxisorientierter Prozeß benötigt GesundheitswissenschafterInenn, die
einerseits in Verbindung mit der Praxis den wissenschaftlichen Forschungsverlauf erarbeiten und die andererseits, ausgerüstet mit einem fundierten Public
Health-Wissen, in der Lage sind, solche Prozesse in der Praxis zu initiieren und
zu steuern.
6.1.2 Ziele und Strategien der Gesundheitsförderung
Da die Gesundheit als wesentlicher Bestandteil des Alltags und nicht als vorrangiges Lebensziel zu verstehen ist, liegt die Verantwortung nicht nur beim
Gesundheitssektor, sondern bei allen zuständigen Bereichen in Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Zielsetzung der Gesundheitsförderung ist die Vermittlung von Informationen
über gesunde Lebensgestaltung, die Entwicklung positiver Verhaltensweisen
und die Förderung von umfassendem Wohlbefinden, unter der Voraussetzung
der Erweiterung des Wissensstandes der Bevölkerung bezüglich Gesundheitsgefahren und gesundheitsfördernder Maßnahmen. Sie befaßt sich mit der Schaffung von unterstützenden Umfeldern und Rahmenbedingungen. Dabei wird die
Verbindung zwischen den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung, der
praktischen Umsetzung und der Evaluation immer notwendiger.
Dies erfordert die Entwicklung einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik und
sektorübergreifender, multidisziplinärer Ansätze in einer Vielzahl von Tätigkeitsbereichen (öffentliche Gesundheit, Prävention, Gesundheitsförderung und
sonstige Bereiche im Zusammenhang mit Gesundheit) sowie eine Neuorientierung der Gesundheitsdienste. Wichtig für die Effizienzkontrolle von langfristigen Umsetzungsstrategien sind Faktoren wie Epidemiologie, Evaluation, Qualitätsmanagement und Fortbildung.
Schwerpunkte bzw. Zielgruppen für die Umsetzung der Initiativen zur Gesundheitsförderung sind:
• Kinder und Jugendliche (im schulischen und außerschulischen Bereich)
• Arbeitsplatz/Arbeitsumfeld (Betriebsverpflegung, Gesundheitszirkel,...)
• chronisch Kranke (z.B. Diabetiker)
• ältere Menschen
• Schwangere/Stillende.
Ziel von ernährungsbezogenen Gesundheitsförderungsaktivitäten ist die Optimierung der Ernährungssituation (Lebensmittelverzehr, Ernährungsgewohnheidurch bevölkerungsbezogene Maßnahmen. Gesundheitswissenschaften beschäftigen sich in
Forschung und Lehre vor allem mit den Bedingungen für Gesundheit und Ursachen von Krankheit, den Wechselwirkungen zwischen Menschen und ihren natürlichen, technischen und sozialen Umwelten, der Gesundheitsförderung und Krankheitsbewältigung, den Leistungen des
Gesundheitssystems und den Möglichkeiten, dieses politisch und ökonomisch zu steuern, sowie der Evaluation und Qualitätskontrolle dieses Systems.
6.6
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
ten, Ernährungsverhalten, Stoffwechselparameter) aller Bevölkerungsgruppen
und der individuellen Lebensmittelwahl sowie des Lebensmittel- und Speisenangebotes und damit eine langfristige Erhöhung des Gesundheitsstatus, die mit
einer Reduktion der Inzidenz ernährungsabhängiger Erkrankungen einhergeht.
Derartige Gesundheitsförderungsmaßnahmen sollen außerdem Unsicherheiten
in Ernährungsfragen durch Vermittlung von Ernährungswissen reduzieren, das
Voraussetzung für eine bedarfsgerechte Ernährung wäre. Insgesamt wird versucht, durch die Anleitung zur Übernahme von Verantwortung für die eigene
Gesundheit, die Ernährung im Gesundheitsbewußtsein der Bevölkerung stärker
zu verankern.
6.1.2.1 Maßnahmen: Gesundheitsförderungsprojekte in Österreich und europaweit
Die Zahl der Projekte zur Prävention und Gesundheitsförderung nimmt erfreulicherweise auch in Österreich zu. Um den Erfahrungsaustausch zwischen den
zahlreichen österreichischen Projekten und Akteure zu ermöglichen, wurde
vom Gesundheitsministerium gemeinsam mit dem FGÖ eine Datenbank für die
Dokumentation von Gesundheitsförderungsprojekten aufgebaut (Lins 1998). Sie
zeigt, daß Aktivitäten im Bereich Bewegung, Ernährung, Psychische Gesundheit
und Vorsorgemedizin bei den einzelnen Projekten im Vordergrund stehen
(Abb. 6.1.1).
Relativ unterrepräsentiert sind in Österreich jedoch nach wie vor Projekte, die
unterschiedliche Aktivitäten der Gesundheitsförderung und Prävention miteinander verbinden. Beispiele solch integrierter Ansätze in Settings, bei denen
Maßnahmen am Lebenskontext der Menschen ansetzen, können in den Arbeiten der Netzwerke „Gesunde Städte“, „Gesundheitsfördernde Schulen“, „Gesundheitsförderung im Betrieb“ sowie „Gesundheit und Krankenhaus“ gefunden werden. Grundlage für diese Modelle ist das Gesundheitsförderungskonzept der WHO, das am Beginn der Gesundheitsförderung im Setting-Ansatz
stand.
Das WHO-Projekt „Gesunde Stadt“ wurde als erstes in Ergänzung der von Beginn an bestehenden WHO-Strategie der Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene projektmäßig entwickelt. Wien ist eine der größten
Städte innerhalb des Projekts und als einzige österreichische Stadt seit 1988
direktes Mitglied. 1994 wurde ein Referat für Gesundheitsförderung der Abteilung für Gesundheitswesen der Stadt Wien permanent eingerichtet, das auch
die Koordinationsaufgaben des WHO-Projekts wie Information, Aufbau von
Gesundheitslobbies, Projektberatung und –management sowie die Vernetzung
von Basis und Entscheidungsträgern in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik
wahrnimmt. Im Rahmen des WHO-Projekts „Wien - Gesunde Stadt“ entstanden
bisher mehrere ernährungsrelevante Projekte wie z.B. der Erste Wiener Ernährungsbericht (Elmadfa et al. 1994), der Bericht Ernährung älterer Menschen in
6.1 Stellenwert der Ernährung in Projekten zur Gesundheitsförderung in Österreich
6.7
Wien (Elmadfa et al. 1996) und Ernährung und Prävention in Wien (Elmadfa
1997).
50
39
38
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Abb. 6.1.1: Themenschwerpunkte von Gesundheitsförderungsprogrammen
in Österreich (mod. nach Lins 1998)
Voraussetzung für die Teilnahme einer Stadt an der dritten Phase des Gesunde
Städte-Projekts ist die Erstellung eines sog. Gesundheitsförderungsplans, der
gemäß WHO „die allgemeinen und strategischen Zielsetzungen zur Verbesserung des Gesundheitszustandes und zur Reduktion gesundheitlicher Ungleichheiten in einer Stadt“ beschreibt. Er enthält auch die „praktischen Schritte, die
zur Erreichung bestimmter, konkreter Zielsetzungen in einer festgelegten Zeit
unternommen werden“ (Grießler et al. 1997) und unterstützt die Umsetzung
der WHO-Strategie „Health for All4“ im Rahmen der lokalen Gegebenheiten
(WHO 1985). Der Wiener Gesundheitsförderungsplan, der im Auftrag von Gesundheits-Stadtrat Sepp Rieder seit Anfang 1997 vom Dezernat für Gesundheitsplanung der Magistratsabteilung 15 entwickelt wird, enthält bisher Programmkonzepte zu den Themen Unfallprävention, Betriebliche Gesundheitsförderung, Modernes Bluthochdruckmanagement, Gesunde Schule, Gesundheit
älterer Menschen, Strukturen zur Projektunterstützung sowie ein Maßnahmenkonzept zum Thema Ernährung. Diese Programme werden von anerkannten
4
„Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000“ ist eine WHO-Strategie, die 38 Ziele – für die Bereiche „bessere Gesundheit“, „gesundheitsförderliche Lebensweise“, „gesunde Umwelt“ und „bedarfsgerechte Versorgung“ - umfaßt. Strategien und Zielsetzungen wurden 1984 verlautbart und
in den Jahren 1989-1991 revidiert, 1998 erfolgt eine weitere Überarbeitung.
6.8
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
Experten in dem jeweiligen Bereich erstellt. Mit der breiten Umsetzung des
Wiener Gesundheitsförderungsplans soll Anfang 1999 begonnen werden,
wenngleich einige Pilotprojekte bereits durchgeführt werden.
Das österreichische Netz „Gesundheitsfördernde Schulen“ wurde im Jahr 1993
vom Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz und vom
Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten als dreijähriges Pilotprojekt (1993-1996) initiiert. Es ist Teil des „European Network of
Health Promoting Schools“, das von der WHO, dem Europarat und der Kommission der Europäischen Gemeinschaft 1991 ins Leben gerufen wurde (Lobnig
et al. 1997). In der Pilotphase waren 11 Schulen aus allen Schultypen und Bundesländern beteiligt, die insgesamt 218 Projekte zu den unterschiedlichsten
gesundheitsrelevanten Themen durchführten. Zielsetzungen waren u.a. die
Schaffung eines gesundheitsfördernden Arbeits- und Lernumfeldes (Raumgestaltung, Ambiente etc.), die Förderung des Verantwortungsbewußtseins und das
Anbieten realistischer, attraktiver Gesundheitsalternativen für Schüler und Lehrer. So wird versucht, die soziale Kompetenz, die Selbststeuerung, die Körperund Selbstwahrnehmung sowie die Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten der Kinder und Jugendlichen zu fördern und Gesundheitsförderung als fächerübergreifende Aufgabe zu sehen. Koordination und Management
des Projekts sowie die Motivation der Schüler, Lehrer und Eltern obliegen einem Schulprojektteam unter der Leitung eines Schulkoordinators. Die Erfahrungen der Pilotphase mündeten in die Herausgabe eines „Grundsatzerlasses
Gesundheitserziehung“ für Schulen (Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten 1997). Seit Anfang 1997 wurde das Konzept auch in
die österreichischen Bundesländer, vor allem Wien, die Steiermark und Vorarlberg, transferiert.
Das Programm der „Gesunden Volksschule“ als Substruktur des Programms der
„Gesunden Gemeinden“ (Kálnoky et al. 1998) zeigte, daß fächerübergreifendes
Arbeiten in der Volksschule wesentlich einfacher ist als in anderen Schultypen.
Auf regionaler Ebene ist z.B. die Steirische Gesellschaft für Gesundheitsschutz
(SGG) Projektkoordinator der „Gesunden Volksschule – Schule zum Wohlfühlen“ für 42 steirische Volksschulen, die neben Ernährungsprogrammen (Gesunde Jause, Kochkurse etc.) Projekte zu den Themen Bewegung, Natur/Umwelt/Ökologie, Pädagogik/Psychosoziales und Vorsorgemedizin für die
Dauer von 4 Jahren durchführen. Abb. 6.1.2 zeigt die Schwerpunkte bei Gesundheitsförderungsaktivitäten in österreichischen Schulen, die vom Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheit (ÖBIG) 1994 dokumentiert wurde5.
5
Die Projektdokumentation des ÖBIG wurde vom
kreuz/Servicestelle für Gesundheitsbildung (GIVE) fortgesetzt.
Österreichischen
Jugendrot-
6.1 Stellenwert der Ernährung in Projekten zur Gesundheitsförderung in Österreich
6.9
25 %
20 %
15 %
10 %
5%
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Abb. 6.1.2: Themenschwerpunkte von Gesundheitsförderungsaktivitäten
(n= 2.496) in österreichischen Schulen (mod. nach Svoboda 1997)
Weitere Subprogramme der “Gesunden Gemeinden” sind das steirische Gütesiegel “Gesundheitsbewußte Gaststätte” sowie die österreichweite Auszeichnung “Grüne Haube” (Schwerpunkt: Lebensmittel aus biologischem Anbau,
Fleisch aus artgerechter Tierhaltung), die Gastronomiebetriebe für ihr Engagement und Verantwortungsbewußtsein in der “Naturküche” auszeichnen. Verleihungsinstitution ist derzeit die SGG, in Zukunft werden aber auch bundesländereigene, unabhängige Gesundheitsorganisationen mit dieser Aufgabe betraut werden. Die ausgezeichneten Betriebe müssen bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich der Qualität des Speisenangebotes erfüllen, die von Ernährungswissenschaftern geprüft und laufend kontrolliert werden. Das Service inkludiert jährliche Fortbildungsseminare (z.B. in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer), regelmäßigen Erfahrungsaustausch bei Regionaltreffen, fachgerechte Beratung hinsichtlich Angebot,
Speisplangestaltung, küchentechnischer Probleme und Ernährungsrichtlinien
sowie die Organisation gemeinsamer Werbeaktivitäten.
Auch beim „Österreichischen Netzwerk zur Betrieblichen Gesundheitsförderung“ im Rahmen der EU spielt Ernährungsinformation und –aufklärung eine
bedeutende Rolle (s.a. Kap. 4.3.2). Besonders in der Arbeitswelt sind Projekte,
die nur individuell ansetzen und einzelne Verhaltenskomponenten der Menschen "korrigieren" möchten, wenig effektiv. Der Betrieb ist ein System, in dem
nachhaltige Veränderungen nur möglich sind, wenn auch die Beziehungs- und
Entscheidungsstrukturen sowie die Arbeitsorganisation in ein Gesundheitsförderungsprogramm mit einbezogen werden. Am wichtigsten ist die Teilnahme aller
6.10
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
Beteiligten bereits in der Planungsphase. Sowohl betriebsbezogene als auch
konsumentenbezogene Faktoren haben einen wesentlichen Einfluß auf die Ziele gesunder Gemeinschaftsverpflegung im Betrieb: Faktoren, die das Angebot
der Kantinen in Betrieben und damit die Akzeptanz beeinflussen, sind neben
Betriebsgröße, Betriebstyp und Betriebskultur auch die „Kantinenkultur", die
Entfernung vom Arbeitsplatz, die Wahlmöglichkeit für einzelne Speisen sowie
die Ernährungsgewohnheiten und der Lebensstil der Konsumenten (Svoboda
1997).
Die Aufgabe des Europäischen Netzwerks zur betrieblichen Gesundheitsförderung (Koordinationsstelle in Dortmund) besteht darin, alle in den Mitgliedsstaaten und der Gemeinschaft zu dem betreffenden Thema zur Verfügung stehenden Informationen wie neueste Forschungsergebnisse, Konzepte und bereits
durchgeführte Projekte zu sammeln und allen Interessierten zugänglich zu machen. Es führt selbst keine eigenständigen Interventionen durch, sondern nimmt
Informationen über Gesundheitsförderungsprojekte auf lokaler, nationaler und
gemeinschaftlicher Ebene auf, verarbeitet diese in einer Datenbank und sorgt
für deren Verbreitung (Meggeneder 1997). Das europaweite Netzwerk wird von
den nationalen Kontaktstellen der Mitgliedsländer getragen, die eine Vielzahl
von Aufgaben zu erfüllen haben (nationaler Statusbericht, Organisation nationaler Informationstage, Öffentlichkeitsarbeit, Evaluierungen durchgeführter Programme etc.) Da die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse (OÖGKK) in
Österreich die erste Institution war, die den Qualitätskriterien entsprechende
Gesundheitsförderungsprogramme durchführte, wurde sie mit der Aufgabe der
nationalen Kontaktstelle betraut, mit deren Einrichtung im Juli 1995 begonnen
wurde.
Der erste Statusbericht zu betrieblichen Gesundheitsförderungsprojekten lieferte folgende Ergebnisse:
• Insgesamt wurde in der Ersterhebung von 24 bereits etablierten Projektaktivitäten berichtet.
• Projektträger sind Interessenvertretungen der Arbeitnehmer (n=7), Unternehmen (n=7), Versicherungsanstalten (n=6), Krankenkassen (n=6), Bund
(n=5) und die Europäische Union (n=2).
• Bei den Initiatoren standen wiederum die Arbeitnehmervertretungen (n=12)
an erster Stelle, gefolgt von den Krankenkassen (n=8), Versicherungen
(n=3) und der Europäischen Union (n=2).
• Projektthemen sind in erster Linie die „Vorsorgemedizin“, sowie „Arbeitsumfeld“, „Ernährung“ und „Bewegung“.
• Die wichtigsten Projektziele waren „Minderung der Gesundheitsrisiken am
Arbeitsplatz“, „Streßbewältigung“ und „Veränderung des Gesundheitsbewußtseins“.
• Von insgesamt 12 verhaltensorientierten Projekten hatten 3 „Gesunde Ernährung“ zum Thema. Von 24 Projekten wurden nur sechs österreichweit
durchgeführt.
6.1 Stellenwert der Ernährung in Projekten zur Gesundheitsförderung in Österreich
6.11
Beispiele für „Models of good practice“, die aufgrund der „Quality criteria for
workplace health promotion“ der Europäischen Union ausgewählt wurden und
„Gesundheit und Ernährung“ im Projektziel enthalten, sind das Projekt „Die
zeitgemäße Betriebsküche“ (Zielgruppe: Mitarbeiter der Kammer für Arbeiter
und Angestellte für Oberösterreich), das Projekt „Betriebliche Gesundheitsförderung“ (Zielgruppe: Mitarbeiter der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten) sowie das Projekt „Lenzesa – Gesunde Betriebsverpflegung in der
Lenzing AG“ (Zielgruppe: Küchenpersonal sowie Belegschaft der Lenzing AG
und deren Angehörige).
Die OÖGKK setzt seit einigen Jahren Schwerpunkte im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung. Bei dieser „Pflichterfüllung“ steht der verhältnisorientierte Ansatz im Vordergrund, es sind aber auch verhaltenspräventive Elemente enthalten. Im Rahmen des Projekts „Lenzesa“ wurde versucht, die Kunden des Betriebsrestaurants (ca. 1.800 Personen) in ihrem Gesundheitsverhalten
zu unterstützen. So wurde 1994 die Betriebsküche völlig neu organisiert und
gestaltet, wobei vor allem darauf Wert gelegt wurde, daß die Kunden ihre
Mahlzeiten aus einem breiten Angebot individuell gestalten können. Darüber
hinaus wurde angestrebt, mit der Betriebsverpflegung positiven Einfluß auf das
Ernährungsverhalten zu nehmen.
Tab. 6.1.2: Wesentliche Maßnahmen und Inhalte des Projekts LENZESA (mod.
nach Kiesewetter und Zillner 1997)
Schulungen für Küchen- und
Ausgabepersonal
Hilfestellungen bei der Umsetzung im Alltag
Angebot von „Greif zu Gerichten“
Kennzeichnung der „Fettaugen6“
begleitende Maßnahmen /
Marketingmaßnahmen
Thema „gesunde Ernährung“ inkl. Praxisblock, durch
Ernährungsmedizinische Berater (EMB)
Unterstützung der Küchenmitarbeiter von einer EMB
für 8 Monate
= aus ernährungswissenschaftlicher Sicht günstig zusammengesetzte Gerichte
Informationsvermittlung bei Vorträgen und durch Broschüren
Vorträge über gesunde Ernährung, Ideen und Ziele des
Projekts (auch für Angehörige); Informationsfalter „Gesunde Ernährung“ der OÖGKK; Angebot eines Büchertisches, Rezeptdienstes; Nutzung interner und externer
Medien während der gesamten Projektphase; Durchführung einer Rückmeldeaktion während der Umsetzungsphase (kombiniert mit Gewinnspiel).
Die Speisenausgabe im Betriebsrestaurant der Lenzing AG wurde als Selbstbedienungssystem mit verschiedenen Buffets und Stationen für die einzelnen
Warm- und Kaltspeisen organisiert. Die Speisenzubereitung erfolgt durch die
Mitarbeiter, die auch die Speisenausgabe übernehmen und zum Teil für die
Auswahl der angebotenen Gerichte zuständig sind. Im Rahmen des Projekts
sollten die Angebote um speziell gekennzeichnete, gesunde Angebote („Greif
6
Hilfsgröße zum Erlernen fettarmer Nahrungsmittel; 1 Fettauge = 3 g Fett; Normalgewichtiger
soll täglich ca. 25 Fettaugen zu sich nehmen.
6.12
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
zu-Gerichte“) ergänzt werden. Dabei wurde vermieden, den Kunden den Eindruck zu vermitteln, man wolle sie zu einer Änderung des Ernährungsverhaltens zwingen. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf begleitenden Marketingmaßnahmen (Tab. 6.1.2).
Die Projektergebnisse zeigen, daß sich das Konsumverhalten der Restaurantgäste verbesserte. So wurde beispielsweise der tägliche Verbrauch an Alternativgerichten innerhalb eines Jahres deutlich gesteigert (z.B. Gemüseschnitzel 14
Port./Tag auf 35 Port./Tag). Auch der Salatverbrauch stieg innerhalb eines Jahres
um 21 %. Fast die Hälfte des Mehlanteils aller Mehlspeisen wurde durch Vollkornmehl ersetzt und der Fett- und Eieranteil aller Rezepturen reduziert. Ferner
erhöhte sich das Speisenangebot deutlich, da im besonderen die Eigeninitiative
der sehr engagierten Mitarbeiter wesentlich zum Projekterfolg beitrug und laufend neue Rezepte erprobt wurden (s. a. Kap. 4.3.2).
Das Projekt LENZESA wurde mit Unterstützung des Bundesministeriums für
Arbeit, Gesundheit und Soziales wissenschaftlich begleitet. Die Erfahrungen
und Erkenntnisse fließen in ein „Handbuch Gesunde Gemeinschaftsverpflegung“ ein und stehen damit anderen Unternehmen, die ähnliche Aktivitäten
planen, zur Verfügung.
Erfolgreiches Beispiel für ein ernährungsbezogenes Gesundheitsförderungsprogramm ist das Projekt „Durch dick und dünn“, ein integriertes Langzeitprogramm für stark übergewichtige (adipöse) Kinder und Jugendliche (10 bis 16
Jahre) sowie deren Eltern. Es verbindet Methoden der Medizin (Pädiatrie), der
Ernährungswissenschaft, der Psychologie und Pädagogik sowie der Sport- und
Bewegungstherapie zu einem spezifischen und ganzheitlich-multiprofessionellen Konzept. Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß eindimensionale
Behandlungskonzepte die Gesamtproblematik und Langzeitentwicklung des
übergewichtigen Kindes in dessen Familienverband nicht erfassen können und
langfristig nicht zum Ziel führen. So wird in diesem Programm auf zugrundeliegende innerpsychische Konflikte, Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung und
Möglichkeiten der Verhaltensänderung im psychosozialen Kontext eingegangen. Sportpädagogisch werden z.B. Störungen des Körperschemas, der Beweglichkeit und des Bewegungsverhaltens berücksichtigt. Der ernährungsorientierte
Teil des Programms enthält eine ausgewogene, energiereduzierte Mischkostdiät, nachhaltige Wissensvermittlung in den Bereichen Ernährungslehre und Folgen von Übergewicht und zielt auf eine langfristige Änderung des spezifischen
Ernährungsverhaltens in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Das neun Monate dauernde Programm beinhaltet u.a. „Diätferien“ (drei Wochen in den
Sommerferien) und anschließende wöchentliche Gruppentreffen. Träger von
„Durch dick und dünn“ und durchführende Institution ist die gemeinnützige
Arbeitsgemeinschaft für Psychosomatik und Ernährung in Wien (Ertl-Huemer et
al. 1998).
Die Entwicklung der Gesundheitsförderung in Österreich wurde zu Beginn in
erster Linie von den Richtlinien und Konzepten der Weltgesundheitsorganisati-
6.1 Stellenwert der Ernährung in Projekten zur Gesundheitsförderung in Österreich
6.13
on getragen. International betrachtet behandeln verschiedene wichtige Akteure
Gesundheitsförderungsinterventionen und –projekte. So ist seit der Einrichtung
des „Aktionsprogramms Gesundheitsförderung“ im Rahmen der Gesundheitsagenden der Europäischen Union ein weiterer supranationaler Partner hinzugekommen. Diese Initiative der Europäischen Kommission hat zum Ziel, ein
horizontales Programm zur Umsetzung von allgemeinen Aspekten der Gesundheitsförderung zu schaffen, das einer weiteren Zersplitterung der Gesundheitsförderung in einzelne Themenbereiche entgegenwirkt. Mithilfe des Aktionsprogramms der Gemeinschaft zur Gesundheitsförderung soll die Bewertung
der Auswirkungen von Maßnahmen und Instrumente zur Gesundheitsförderung
sowie die Entwicklung eines Ansatzes der Gesundheitsförderung in den Mitgliedstaaten unterstützt werden, indem Strategien und Strukturen für Gesundheitsförderung konzipiert und beurteilt und Modelle für bewährte Praktiken
verbreitet werden. Darüber hinaus soll durch internationalen Erfahrungsaustausch und die wissenschaftliche Zusammenarbeit eine Qualitätsverbesserung
der Gesundheitsförderungsmaßnahmen erzielt werden.
Schwerpunkte des Arbeitsprogramms 1998 für das Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft zur Gesundheitsförderung, -aufklärung, -erziehung
und –ausbildung bilden Ansatzpunkte im Bereich von Herz-KreislaufErkrankungen, Krebs und Diabetes (Tab. 6.1.3). Besonderes Augenmerk soll
auch bestimmten Bevölkerungsgruppen, wie Kindern, Jugendlichen, Schwangeren, älteren Menschen, chronisch Kranken und Behinderten sowie bestimmten
Umfeldern, wie Schule und Arbeitsplatz gewidmet werden.
Tab. 6.1.3: Prioritäre Bereiche des EU-Aktionsprogrammes 1998 in Zusammenhang mit Ernährung
•
•
•
•
•
•
•
•
Fortführung der Arbeit an Leitlinien für eine gesunde Ernährung in Europa
und an Modalitäten für eine Lebensmittelkennzeichnung
Ausarbeitung von Gesundheitsförderungsmaßnahmen zum Thema Körpergewicht (Übergewicht, Eßstörungen, Körperbild)
Planung einer Konferenz zum Thema Ernährung und Gesundheit;
Unterstützung für eine Europäische Initiative „Gesundes Herz“
Gespräche und Diskussionspapier über Dimensionen des Themas Alkohol
und Gesundheit
Förderung der gesunden körperlichen Betätigung
Förderung der psychischen Gesundheit
Entwicklung von Leitlinien zur Osteoporoseverhütung
Wesentlicher Punkt des EU-Aktionsprogramms ist auch die Aus- und Weiterbildung. So wurde z.B. eine Europäische Sommerschule für Gesundheitsförderung
und öffentliche Gesundheit eingerichtet. Weiteres Ziel war die Etablierung von
Europäischen Ausbildungsgängen in Öffentlicher Gesundheit, die neben öffentlicher Gesundheit und Gesundheitsförderung im allgemeinen auch Kurse mit
anderen Schwerpunktthemen wie z.B. Kinder und Ernährung beinhalten sollen.
6.14
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
Als Ergebnis der Initiierung und Entwicklung dieses Projekts im Rahmen des
Aktionsprogramms 1997 wurde der Europäische Studiengang für Gesundheitswissenschaften mit Magisterabschluß (European Master’s Degree in Public
Health) eingeführt.
Im Rahmen der Aktivitäten der EU-Kommission (DG V) erfolgte neben der für
die ernährungsbezogene Gesundheitsförderung essentiellen Entwicklung von
„Dietary Guidelines on Food Basis“ (s. Kap. 7) auch die Initiierung eines Forschungsvorhabens zum Thema „Nutrition and Diet for Healthy Lifestyles in
Europe“, dessen Ergebnisse in einem europäischen Kongreß im Mai 2000 präsentiert werden.
6.1.3 Qualitätssicherung und Evaluation in der Gesundheitsförderung
In der gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Diskussion muß die
Gesundheitsförderung konkreten „Spielregeln“ und Anforderungen gerecht
werden. Sie muß sich entsprechend präsentieren und ihre Daseinsberechtigung
nachvollziehbar dokumentieren können. Qualitätssicherung als eine zentrale
Managementaufgabe, wie sie im kurativen Bereich zunehmend gefordert und
umgesetzt wird, muß daher auch im Bereich der Gesundheitsförderung stattfinden.
Neben dem allgemein sichtbaren Trend zum Qualitätsmanagement in Wirtschaft und Medizin und der Möglichkeit der Kostensenkung im Gesundheitswesen könnte auch die Konkurrenz um begrenzte finanzielle Mittel, die für das
Gesundheitswesen (insbesondere für die Krankenbehandlung, aber auch für
Gesundheitsförderung) zur Verfügung stehen, Ursache für die zunehmende
Qualitätsdiskussion in der Gesundheitsförderung sein.
Qualitätssicherung beinhaltet in einem umfassenden Sinn alle Maßnahmen des
Qualitätsmanagements, der Qualitätskontrolle und der Qualitätsverbesserung.
Zielsetzung letzterer ist das Erreichen von Veränderungen durch Rückkopplung,
indem die aus Erhebungen gewonnenen Erkenntnisse die weiteren Entscheidungen und Handlungen beeinflussen. Jede Abweichung von der Sollqualität
wird durch entsprechende Maßnahmen korrigiert, wobei drei Dimensionen –
Ergebnisqualität, Strukturqualität und Prozeßqualität - unterschieden werden.
Dazu müssen alternative Lösungsvorschläge erarbeitet und die jeweils geeigneten ausgewählt werden (Pelikan et al. 1998).
Unter Evaluation versteht man Techniken und Methoden, die zur Diagnose,
Dokumentation und Analyse von Projektprozessen und –ergebnissen dienen.
Sie ermöglichen die Identifizierung von Stärken und Schwächen sowie der Effektivität und Effizienz von Projekten und liefern so den Projektverantwortlichen und Auftraggebern Entscheidungsgrundlagen über das Beibehalten, Verändern oder Beenden von Projekten bzw. Projektteilen. Positive Projekterfahrungen sollen anschaulich aufbereitet und als „Models of good practice“ auch
anderen Personen als Lernbeispiele zur Verfügung gestellt werden. Auf diese
6.1 Stellenwert der Ernährung in Projekten zur Gesundheitsförderung in Österreich
6.15
Weise kann die Evaluation einen Beitrag zur Qualitätsentwicklung bzw. Optimierung von Projekten und zur Erweiterung des Know-hows der Akteure leisten
(Dietscher und Lobnig 1998).
Eine Intervention kann nach unterschiedlichen Dimensionen bewertet werden,
wobei es in erster Linie um die Akzeptanz, die technische und praktische
Machbarkeit unter bestimmten lokalen Bedingungen, die Effektivität, die Effizienz und die Nachhaltigkeit geht. Bei einer nachhaltigen Intervention müßten
die angestrebten Effekte auch längerfristig und ohne problematische Nebenwirkungen möglich sein.
In der Forschung existieren für die Messung des Gesundheitsgewinns hauptsächlich zwei Ansätze, nämlich die Messung der Lebenserwartung (s. Kap. 5)
und/oder der Lebensqualität. Beide setzen an Personen an und sind nicht einfach zu messende Erfolgsindikatoren für Gesundheitsförderungsinterventionen,
vor allem im Rahmen von lokalen Interventionen (Pelikan et al. 1998).
Grundlage für die Beurteilung der Effizienz der geleisteten Arbeit und Zielvorgaben für Maßnahmen und Aktivitäten im Bereich Ernährung ist eine kontinuierlich und sorgfältig aufbereitete Dokumentation hinsichtlich ihrer Akzeptanz
und ihres Erfolges. Konkret wäre eine Evaluation in folgenden Bereichen sinnvoll:
• Volksgesundheitliche Auswirkungen: (Rückgang der Inzidenz ernährungsabhängiger Erkrankungen) mittels Krankenanstaltenstatistik bzw. repräsentativer Umfragen
• Auswirkungen auf die ernährungsbezogenen Gesundheitsaufwendungen
• Auswirkung auf Veränderung des Ernährungswissens und der Ernährungseinstellung der Bevölkerung mittels laufenden Umfragen
• Auswirkung auf Ernährungsverhalten, Lebensmittelauswahl mittels regelmäßiger Berichterstattung über Ernährungserhebungen bzw. Lebensmittelverbrauch (Ernährungs- und Verbrauchsbilanzen)
• Auswirkungen auf den Ernährungsstatus von Bevölkerungsgruppen mittels
regelmäßiger Statusermittlungen
• Bekanntheit und Bewertung/Akzeptanz des Gesundheitsförderungsprogrammes in der Bevölkerung
• Häufigkeit der Berichterstattung in den Medien, Einschaltquoten bei Ernährungsinformationssendungen (Radio und Fernsehen)
Prinzipiell werden Erfolge von Interventionen im Bereich Ernährung bezüglich
Verbesserung der Ernährungssituation nur bei längerer Projektdauer meßbar
sein, da eine Verhaltensänderung nur langfristig erreichbar ist. Eine positive
Auswirkung derartiger Programme auf die ernährungsbezogenen Gesundheitsaufwendungen bzw. Erkrankungen ist nur für bedeutend längere Zeitabschnitte
evaluierbar.
International gesehen befassen sich verschiedene wichtige Akteure mit der
Qualität von Gesundheitsförderunginterventionen und –projekten. Im WHORegionalbüro für Europa wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet sowie ein Wor-
6.16
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
king Paper herausgegeben, die Methoden der Evaluation vorstellen und analysieren (Ziglio 1993). Eine entsprechende Buchpublikation ist in Vorbereitung
(Rootman 1998, im Erscheinen). Die Europäische Union verfolgt im Projekt
„Presentation of existing standards for evaluation and quality assessment of
health promotion projects in the EU member states“ das Ziel, den Stand der
Qualitätssicherung in der Gesundheitsförderung in den Mitgliedsstaaten zu erheben und eine Synthese der Ergebnisse zu bilden, wobei noch keine einheitliche Terminologie in der Qualitätssicherung der Gesundheitsförderung in Europa vorliegt. Auch die Internationale Vereinigung für Gesundheitserziehung und
Gesundheitsförderung (International Union for Health Promotion and Education, IUHPE) hat die Entwicklung eines professionellen Profils und die Erarbeitung von Qualitätssicherungsansätzen als Schwerpunkt. In Österreich widmete
sich bisher vor allem der FGÖ dem Thema Qualität in der Gesundheitsförderungsforschung (Pelikan et al. 1998).
Evaluationsmaßnahmen als integraler Bestandteil gesundheitsfördernder Aktivitäten inklusive der Umsetzung der daraus gewonnenen Erkenntnisse sind Voraussetzung für die dauerhafte Etablierung der Gesundheitsförderung als ernst zu
nehmender, d.h. wissenschaftlich fundierter, effizienter und professionell organisierter Teil des Gesundheitswesens.
6.1 Stellenwert der Ernährung in Projekten zur Gesundheitsförderung in Österreich
6.17
Literatur
1. Bundesgesetz über Maßnahmen und Initiativen zur Gesundheitsförderung, -aufklärung und
–information (Gesundheitsförderungsgesetz – GfG) vom 20.1.1998. 1043 der Beilagen zu
den Stenographischen Protokollen des Nationalraates XX.GP.
2. Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten (1997): Grundsatzerlaß
zum Unterrichtsprinzip Gesundheitserziehung, Rundschreiben Nr. 7 - GZ 27.909/115V/3/96. Wien.
3. Dietscher C, Lobnig H (1998): Evaluation als Beitrag zur Qualitätsentwicklung von Gesundheitsförderungsprojekten, 182-187. In: Dür, W.; Pelikan J.M. (Hrsg.): Qualität in der
Gesundheitsförderung. Facultas Universitätsverlag, Wien.
4. Dür W (1997): Regional, aktionistisch, konzeptlos? 37-59. In: Dür, W.; Pelikan J.M. (Hrsg.):
Gesundheitsförderung regional. Facultas Universitätsverlag, Wien.
5. Eder A, Mitterbauer E (1998): Qualitätssicherung im Wiener Netzwerk gesundheitsfördernder Schulen, 174-181. In: Dür, W.; Pelikan J.M. (Hrsg.): Qualität in der Gesundheitsförderung. Facultas Universitätsverlag, Wien.
6. Elmadfa I, Godina-Zarfl B, Gruber B, König J, Mayer B, Horacek C, Rützler H, Dichtl M,
Kloimüller I, Szallai M, Ertl-Huemer C (1994): Der erste Wiener Ernährungsbericht. Dokumentation des WHO-Projektes: „Wien - Gesunde Stadt“, Vol. 7, (Hrsg. WHO-Projekt Wien
Gesunde Stadt) Wien.
7. Elmadfa I, Zarfl B (1997): Prävention und Gesundheitsförderung, 1-12. In: Elmadfa, I.
(Hrsg.): Ernährung und Prävention in Wien, Beiträge des Symposiums vom 13. Und 14. Juni 1996, Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien und WHO-Projekt:
„Wien – Gesunde Stadt“.
8. Ertl-Huemer C, Pennauer J, Slotta-Bachmayr B (1998): „durch dick und dünn“, 130-138. In:
Dür W, Pelikan JM (Hrsg.): Qualität in der Gesundheitsförderung. Facultas Universitätsverlag, Wien.
9. Grießler E, Krajic K, Pelikan JM (1997): Grundlagen für einen Gesundheitsförderungsplan
in Wien – nationale und internationale Erfahrungen. Ludwig Boltzmann-Institut für Medizin- und Gesundheitssoziologie, im Auftrag der MA 15/Dezernat für Gesundheitsplanung.
Gesundheitswesen der Stadt Wien, Dokumentation 11.
10. Kálnoky L, Neuhold C, Reis-Klingspiegl K (1998): „Gesunde Gemeinde“, 149-157. In: Dür
W, Pelikan JM (Hrsg.): Qualität in der Gesundheitsförderung. Facultas Universitätsverlag,
Wien.
11. Kiesewetter E, Zillner A (1997): Das Projekt „LENZESA“. In: „LENZESA“ Gesunde Betriebsverpflegung in der Lenzing AG. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse – Forum Gesundheit, Linz.
12. Lins A (1998): Projektdokumentation Gesundheitsförderung in Österreich. Erhebung von
Programmen, Projekten und Aktivitäten. Bericht 1998. Fonds „Gesundes Österreich“
(Hrsg.), Wien.
13. Lobnig H, Dietscher C, Riepl B (1997): Österreichisches Netz „Gesundheitsfördernde Schulen“ – Evaluation 1995/96, 202-204. In: Dür W, Pelikan JM (Hrsg.): Gesundheitsförderung
regional. Facultas Universitätsverlag, Wien.
14. Meggeneder O (1995): Gesundheitsförderung im Betrieb durch Krankenkassen. In: Grossmann, R. (Hrsg.): Gesundheitsförderung und Public Health, Wien.
15. Meggeneder O (1997): Betriebliche Gesundheitsförderung im Rahmen der EU, 169-182. In:
Dür W, Pelikan JM (Hrsg.): Gesundheitsförderung regional. Facultas Universitätsverlag,
Wien.
16. ÖBIG (Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen) (1994): Gesundheitsförderung in österreichischen Schulen. Unveröffentl. Bericht. Wien
6.18
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
17. Pelikan JM, Dietscher C, Novak-Zezula S (1998): Evaluation als Strategie der Qualitätssicherung in der Gesundheitsförderung, 11-40. In: Dür W, Pelikan JM (Hrsg.): Qualität in der
Gesundheitsförderung. Facultas Universitätsverlag, Wien.
18. Svoboda B (1997): Aktuelle Projekte der Prävention und Gesundheitsförderung in Österreich, 65-69. In: Elmadfa I (Hrsg.): Ernährung und Prävention in Wien, Beiträge des Symposiums vom 13. Und 14. Juni 1996, Institut für Ernährungswissenschaften der Universität
Wien und WHO-Projekt: „Wien – Gesunde Stadt“.
19. WHO (1985): Targets for health for all. Kopenhagen, WHO Regional Office for Europe.
20. WHO, Health and Welfare Canada, Canadian Public Health Association (1986): OttawaCharta zur Gesundheitsförderung. Nachdruck 1993, Verlag für Gesundheitsförderung,
Gamburg.
21. Ziglio E (1993): Evaluation of Health Promotion within the Settings-based Approach. WHO
Regionalbüro Europa, Kopenhagen.
6.2 Rezeption der Ernährungsbotschaft in den Medien
6.19
6.2 Rezeption der Ernährungsbotschaft in den Medien
Seit mehreren Jahren ist in Industrieländern eine steigende Thematisierung von
ernährungsrelevanten Inhalten in Massenmedien7 zu beobachten.
• Einerseits werden Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel u. a. Produkte
mit wachsender Intensität und Aggressivität beworben. Diese Entwicklung
ist darauf zurückzuführen, daß die Industrie eine Fülle an Innovationen im
grundsätzlich gesättigten Nahrungsmittelmarkt zu positionieren versucht,
die sich von traditionellen Grundnahrungsmitteln abheben und daher mittels Werbung bekanntgemacht und gegen Konkurrenzprodukte verteidigt
werden müssen. Insbesondere versucht die Lebensmittelwirtschaft, mit neuen Produkten Marktsegmente zu erobern, die den veränderten Lebensumständen von Konsumentinnen und Konsumenten (geringeres Zeitbudget,
etc.), veränderten Erwartungshaltungen (Gesundheits-, Figurbewußtsein)
und der gestiegenen Kaufkraft Rechnung tragen.
• Andererseits hat die - grundsätzlich interessensunabhängige - Berichterstattung zum Themenkreis Ernährung zugenommen, was mit dem vermehrten
Interesse der Bevölkerung an Ernährungsfragen in ursächlichem Zusammenhang stehen dürfte, da Medien nicht nur Trends vorgeben, sondern zu einem gewissen Grad Spiegel des Publikumsinteresses sind. Insbesondere Zusammenhänge zwischen Lebensmitteln bzw. Inhaltsstoffen und der Gesundheit, die Belastung von Produkten mit Schadstoffen und Mikroorganismen sowie der Herstellungsprozeß (Tierhaltung, Gentechnik, u. a.) sind
Thema kontroversieller medialer Debatten.
Beide Segmente der Ernährungsbotschaft8 - Werbung und redaktionelle Berichterstattung - beeinflussen das Ernährungswissen der Bevölkerung und damit
auch Einstellungen und Verhaltensweisen in großem Maße. Insbesondere die
Wahrnehmung von Risiken wird durch Medienbotschaften gesteuert. Beide
Segmente verbreiten unterschiedliche Botschaften, was zu Widersprüchlichkeiten und Verwirrung bei Verbrauchern führen kann. Hinzu kommt, daß diese
die Ernährungsbotschaft unterschiedlich aufnehmen bzw. interpretieren.
Elektronische Medien und Printmedien besitzen ungeachtet dessen ein hohes
theoretisches Potential zur Gesundheitsförderung: Erhebungen zum Informationsverhalten der Bevölkerung attestieren Fernsehen, Radio, Tageszeitungen
und Zeitschriften einen hohen Stellenwert als Informationsquelle über Ernährungsthemen (Nennungen zwischen 50 und 80%). Zwar ist davon auszugehen,
daß Individuen mehrere Informationsquellen nutzen - neben Massenmedien
7
Das vorliegende Kapitel beschäftigt sich ausschließlich mit Botschaften von Massenmedien,
also mit optischen und akustischen Mitteilungen, die über technische Hilfsmittel an einen prinzipiell unbegrenzten, räumlich verstreuten Personenkreis verbreitet werden.
8
Unter dem Begriff Ernährungsbotschaft werden folgende Themenbereiche subsummiert: gesundheitsbewußte Ernährung, Hygiene, politische und rechtliche Aspekte der Tätigkeit der Lebensmittelbehörden, Genuß und Ernährung, Nahrungsmittelkunde (z. B. Lagerung) und Lebensmittelpreise.
6.20
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
sind dies vor allem Familienangehörige, Freunde, der Arzt oder Apothekenpersonal - es ist jedoch zu beachten, daß auch personale Informationsquellen von
Massenmedien beeinflußt werden. Massenmedien wirken also auch indirekt
über Informationsmittler.
Im folgenden Kapitel wird die qualitative und quantitative Zusammensetzung
der Ernährungsbotschaft bewertet. Anhand der Ergebnisse wird diskutiert, inwieweit die zufällig gestreute Botschaft geeignet ist, das Ernährungswissen der
Bevölkerung günstig zu beeinflussen. Aus den Ergebnissen dieser Analyse lassen sich massenmediale Interventionsstrategien im Rahmen von Public-HealthProgrammen ableiten, welche gegebenenfalls die verbreitete Ernährungsbotschaft in wünschenswerter Weise korrigieren können. Ferner soll ein Beitrag
zur Erklärung der teilweise widersprüchlichen und ungünstigen Konsummuster
in der Bevölkerung geleistet werden.
6.2.1 Datengrundlage/Methodik
Zur Datengrundlage ist anzumerken, daß im deutschen Sprachraum bisher
kaum empirische Untersuchungen zur Ernährungsbotschaft gemacht wurden.
Auch aus dem angloamerikanischen Raum liegen lediglich fragmentarisch Daten zu diesem jungen, interdisziplinären Forschungsgebiet vor. Am Institut für
Ernährungswissenschaften der Universität Wien wurde daher eine umfangreiche inhaltsanalytische und ernährungsphysiologische Pilotstudie durchgeführt
und 1997 fertiggestellt (LEIMÜLLER, 1997).
Da die Analyse von Printmedien technisch einfacher ist, konzentrierte sich die
Untersuchung auf Zeitungen und Zeitschriften9. Die Stichprobe ist repräsentativ
für den Raum Wien und umfaßt 29 verschiedene Titel, darunter alle sechs überregionalen Tageszeitungen Österreichs, drei Wiener Gratiszeitungen und 20
illustrierte Zeitschriften, von denen 11 im Inland und neun in Deutschland verlegt werden. Der Untersuchungszeitraum umfaßte ein Jahr (1.3. 1993 bis 28.2.
1994). In dieser Zeit wurde eine Vollerhebung über die Berichterstattung und
Werbung in 2528 Zeitungs- und Zeitschriftenausgaben durchgeführt. Basis der
Analyse waren 3452 Artikel und 10.020 Inserate mit relevanten Inhalten.
Zusammen mit internationalen Befunden bildet diese Basisstudie - sofern keine
andere Quelle genannt wird - die Datengrundlage dieses Kapitels.
6.2.2 Umfang der Ernährungsbotschaft
Der Raum, welcher den Ernährungsinformationen in Printmedien eingeräumt
wird, ist überraschend groß. Inserate und Artikel zu diesem Themenkomplex
nehmen in Summe 6% des Seitenumfangs ein (Durchschnitt aller Printmedien).
9
Grundsätzlich ist von parallel verlaufenden inhaltlichen Entwicklungen in elektronischen und
Printmedien auszugehen. Von einer zusätzlichen Untersuchung von Fernseh- und Radiobotschaften war daher im Rahmen dieser Basisstudie nicht unbedingt ein Informationsgewinn zu
erwarten.
6.2 Rezeption der Ernährungsbotschaft in den Medien
6.21
Es zeigen sich jedoch auffällige Unterschiede je nach Zeitungs- bzw. Zeitschriftentyp: Am umfangreichsten ist die Information in Frauenzeitschriften (17% des
Seitenumfangs) und Gesundheitszeitschriften (12%), deutlich geringer in Tageszeitungen (3%) und lokalen Gratiszeitungen (7%). Generell wird dem Themenkomplex Ernährung in Medien für untere und mittlere Sozialschichten mehr
Gewicht zugemessen als in Medien, die überwiegend von hohen Sozialschichten konsumiert werden. Dies ist damit zu begründen, daß Boulevardmedien
u.ä. generell Bereiche des alltäglichen Lebens stärker thematisieren.
Gruppen mit überdurchschnittlich gutem Ernährungswissen und -interesse werden häufiger mit Ernährungsbotschaften konfrontiert als Gruppen mit geringem
Wissen und Interesse: In Frauen- und Gesundheitszeitschriften sind 12 bzw.
17% des Gesamtseitenumfangs dem Thema Ernährung gewidmet (Werbung
und redaktionelle Beiträge); in Tageszeitungen und Life-Style-Zeitschriften Medien mit einem höheren Anteil von Männern in der Leserschaft - beträgt der
Anteil lediglich 3 bis 4%. Frauen werden also häufiger angesprochen als Männer, was darauf zurückzuführen ist, daß die Inhalte von Medien entsprechend
den Interessen des jeweiligen Publikums ausgewählt werden.
Über den Umfang von Ernährungsbotschaften in elektronischen Medien liegen
lediglich fragmentarische Daten vor: Ältere US-amerikanische Studien berichten
über einen Anteil der Ernährungswerbung an der gesamten TV-Werbung von
25 bis 50% (KAUFMAN, 1980; TARAS et al., 1989; TARAS und GAGE, 1995).
6.2.3. Quantitatives Verhältnis Werbung zu redaktionell verfaßten
Beiträgen
Die Ernährungsbotschaft besteht, gemessen am Seitenumfang, je zur Hälfte aus
Inseraten und redaktioneller Information (Artikel und Rezepte). Es handelt sich
aber nur um ein rechnerisches 1 : 1-Verhältnis in der gesamten Stichprobe. Die
Detailanalyse zeigt, daß gerade Segmente, die für die Vermittlung von Ernährungswissen relevant wären, von Werbung dominiert werden:
• Im Teilbereich „Ernährung und Gesundheit“ ist der Anteil der Werbung mit
68% der gesamten Ernährungsbotschaft überproportional groß (in Frauenzeitschriften und lokalen Gratiszeitungen erreicht er sogar 87%, in Tageszeitungen liegt er nur bei 50%). Das heißt, daß in Printmedien Informationen
über gesunde Ernährung zu einem beträchtlichen Teil von der Nahrungsmittelindustrie bestimmt werden. In Frauenzeitschriften fällt weiters auf, daß ähnlich wie in lokalen Gratiszeitungen - die Botschaft zum Thema „gesunde
Ernährung“ fast zur Gänze aus Inseraten besteht. Dies ist insofern problematisch, als daß entsprechend dem tradierten Rollenbild Frauen zumeist noch
für die Lebensmittelversorgung der Familie verantwortlich sind. Lesen sie
Frauenzeitschriften, so ist damit zu rechnen, daß Wissen und Einstellungen
stark von kommerziellen Botschaften geprägt werden.
• Werbebotschaften wirken unter Umständen stärker verhaltensrelevant als redaktionelle Texte (Kauf eines Produkts als klare Handlungsanleitung; wiederholte
6.22
•
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
Einschaltungen; kurze, einprägsame Botschaften; auffällige Gestaltung). Auch
können viele der beworbenen Produkte im Rahmen einer bedarfsdeckenden,
gesundheitsbewußten Ernährung nicht oder nur bedingt empfohlen werden.
In Medien, die überdurchschnittlich stark von älteren Leuten (lokale Gratiszeitungen: Verhältnis Werbung zu redaktioneller Information 9 zu 1), jungen
Lesergruppen und Männern (Life-Style-Zeitschriften: 2 zu 1) sowie generell
von weniger gebildeten und einkommensschwachen Schichten konsumiert
werden (1,3 zu 1), besteht ein Großteil der Botschaft aus Werbung. Abgesehen davon gilt: Je niedriger die soziale Schicht, desto größer ist der Anteil der
Werbung an der Ernährungsinformation. Dies ist insofern bedenklich, da diese Gruppen häufig ein subobtimales Ernährungsverhalten aufweisen und daher zur primären Zielgruppe der Ernährungsaufklärung gehören.
6.2.4. Transportierte Inhalte
6.2.4.1 Lebensmittel
• Fernsehen: Zahlreiche qualitative Untersuchungen von Werbesendungen
für Lebensmittel belegen (s. Tab. 6.2.1), daß im Fernsehen primär fett-, zukker- und salzreiche sowie stark verarbeitete Lebensmittel beworben werden
(TARAS und GAGE, 1995). Konkret handelt es sich um Süßigkeiten, süße
Getränke, Snacks, Knabberartikel und Fastfood. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, daß zahlreiche Unterhaltungssendungen versteckte, jedoch langfristig
wirksame Ernährungsbotschaften enthalten. Beispielsweise ist zu beobachten, daß viele „Filmhelden“ alkoholische Getränke konsumieren.
Tabelle 6.2.1: Lebensmittelwerbung im Fernsehen (ab 1990)
Autor,
Jahr
Land, Sendung,
Tageszeit
Lebensmittel1
STORY
35%
USA
und FAUL- 11 führende
KNER,
Prime-time-Se1990
rien
LANK et
al., 1992
USA
9 führende
Soap Operas
(untertags)
36%
TARAS
USA, Kinder- 47,8%
und GA- fernsehen, 15 GE, 1995 18 Uhr und
Samstag vormittag
1
2
Ernährungsphysiologische Qualität
Anmerkung
25% Fastfoodrestaurants
21% Getränke
13% Süßigkeiten
3% Früchte
0% Salat, Gemüse
53% Desserts, Süßigkeiten, Convenience,
Cereals, Brot
57% fettreich
40% salzreich
70% zuckerreich
40% fettreich
20% salzreich
9% zucker-, fett- u.
salzarm
häufigste Werbeargumente: Geschmack,
„frisch und natürlich“
: Anteil der Lebensmittel an der gesamten Werbung
: Nahrungsergänzungsmittel u.ä.
Werbeargumente: zu
85% Geschmack
12 Lebensmittelspots
pro Stunde
34% Getreide
29% Süßigkeiten,
Snacks
16% Restaurants
21% and. Lebensmittel2
6.2 Rezeption der Ernährungsbotschaft in den Medien
•
6.23
Printmedien: Zwar sind 60% der Ernährungsinserate und 90% der ernährungsbezogenen Artikel Lebensmitteln gewidmet, die propagierten Lebensmittel sind jedoch bis auf wenige Ausnahmen nicht geeignet, vorhandene
Fehlernährung bei Leserinnen und Lesern zu korrigieren. Tabelle 6.2.2 zeigt
eine Übersicht über die thematisierten Lebensmittelgruppen.
Tabelle 6.2.2: Informationen über Lebensmittel in Printmedien
Lebensmittelgruppe
Fleisch und Eier
Getreide und Kartoffeln
Gemüse und Obst
Alkoholische Getränke
Süßigkeiten und Zucker
Fisch und Meeresfrüchte
Milch und Milchprodukte
Alkoholfreie Getränke
Gewürze
Fettreiche Snacks und Fette
mehrere Lebensmittelgruppen
•
•
•
•
•
% aller Informationen über Lebensmittel
redaktionelle Beiträge
Werbung
15.2
7.4
13.9
5.9
12.6
3.8
5.2
14.7
4.4
4.5
3.1
0.3
2.9
12.8
2.7
12.3
0.9
2.8
0.2
6.0
39
29.5
100.0
100.0
Wiewohl ein weiterer Rückgang des Verzehrs von Fleisch, Fleischwaren
und Eiern wünschenswert wäre, wird diese Gruppe im redaktionellen Teil
der untersuchten Printmedien häufiger behandelt als andere Lebensmittelgruppen - sowohl in Form von Rezepten als auch Artikeln. Vor allem in Rezepten werden Fleisch, Fleischwaren und Eier kaum kritisch, sondern zumeist positiv bewertet.
Süßigkeiten werden ebenso überwiegend positiv dargestellt, aber insgesamt
selten thematisiert. Gezuckerte Erfrischungsgetränke spielen in der Ernährungswerbung hingegen eine bedeutende Rolle.
Ausreichend ist der Stellenwert, der Kartoffel- und Getreidegerichten zugemessen wird. Allerdings zeigt die Detailanalyse, daß es sich überwiegend
um Süßspeisen mit geringer Nährstoffdichte handelt; Vollkornprodukte
werden kaum thematisiert, ebensowenig die Bedeutung des Ballaststoffgehalts von Vollkornprodukten.
Anstatt fettarmer Milchprodukte werden in der Werbung großteils stark verarbeitete, gezuckerte und fettreiche Milchprodukte (Desserts, Käsezubereitungen) propagiert. Die redaktionelle Ernährungsbotschaft korrigiert dieses
Bild nicht. Hier werden Milchprodukte vergleichsweise selten thematisiert.
Fisch und Meeresfrüchte, eine Gruppe, deren Verzehr dringend gesteigert
werden sollte, werden in verschwindendem Umfang propagiert. Wird über
Fisch berichtet, so wird er aufgrund seines Genußwertes positiv bewertet,
gesundheitliche Vorteile werden hingegen kaum erwähnt.
6.24
•
•
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
Zufriedenstellend ist die quantitative Bedeutung von Obst und Gemüse in
Artikeln und Rezepten; in Inseraten sollte jedoch mehr für diese Lebensmittelgruppe geworben werden.
Alarmierend hoch ist der Umfang, der alkoholischen Getränken gewidmet
wird: Sie stellen die am häufigsten in Inseraten beworbene Lebensmittelgruppe dar (15%), in redaktionellen Botschaften handelt es sich um die am
vierthäufigsten behandelte Gruppe. Alkohol wird darin überwiegend positiv
bewertet. Dies ist darauf zurückzuführen, daß Genußaspekte im Vordergrund stehen. Toxikologische und langfristige gesundheitsschädigende Wirkungen werden kaum angesprochen. Medien, die verstärkt von Angehörigen hoher Sozialschichten gelesen werden, propagieren den Konsum von
Alkoholika wesentlich häufiger als primär von unteren Sozialschichten konsumierte Medien.
6.2.3.2 Propagierte Nährstoffe
Die oben skizzierte „Lebensmittelbotschaft“ fördert indirekt die Aufnahme von
tierischen Fetten, Saccharose und Alkohol. Ein Teil der Informationen beschäftigt sich auch direkt mit Nährstoffen und hat daher Einfluß auf das Ernährungswissen der Bevölkerung. Bei der Untersuchung von Printmedien kristallisierten
sich zwei Problemfelder heraus:
• Das Verhältnis der Hauptnährstoffe Fett, Kohlenhydrate und Eiweiß wird im
allgemeinen und speziell in Berichten über gesunde Ernährung kaum thematisiert.
• Mikronährstoffe werden hingegen überbetont. Ein Viertel der redaktionellen
Botschaft empfielt direkt oder indirekt die zusätzliche Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen. Verstärkt wird diese Aussage von der Werbebotschaft: In jedem vierten Inserat werden Nahrungsergänzungsmittel beworben. Die Argumente der Werbung bauen auf Ängsten auf, die in der Bevölkerung vorhanden sind. Demnach „erhöhen Umweltverschmutzung und
Streß den Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen derart, daß dieser über
Lebensmittel kaum noch gedeckt werden kann - auch deshalb, weil moderne, industrielle Herstellungsmethoden den Nährstoffgehalt der Lebensmittel
verringern“.
Die empfohlenen Präparate enthalten großteils Nährstoffe, bei denen kaum Defizite auftreten (s.a. Kap. 3.8). Kritische Nährstoffe wie Vitamin D, B6, B2 und
Folat, bei denen Defizite oder marginale Versorgungslagen in der Bevölkerung
tatsächlich ein Problem darstellen, sind kaum Bestandteil der beworbenen Produkte. Daher ist damit zu rechnen, daß die verbreitete Information sowie eventuelle folgende Verhaltensmuster - z.B. Kauf von Nahrungsergänzungsmitteln vorhandene Versorgungslücken in der Bevölkerung nicht ausgleichen.
Die Aufforderung, Supplemente zu konsumieren, richtet sich überwiegend an
gesunde Erwachsene. Tatsächliche Risikogruppen werden äußerst selten angesprochen. Zum Teil fehlen wissenschaftliche Beweise für die versprochenen
6.2 Rezeption der Ernährungsbotschaft in den Medien
6.25
(präventiven und kosmetischen) Wirkungen. Auch die These, daß eine hohe
Zufuhr von Antioxidantien - Bestandteil der meisten Präparate - der Entstehung
von Krebs und Koronarerkrankungen vorbeugt, wird in der Literatur kontroversiell diskutiert. Jüngere Interventionsstudien deuten darauf hin, daß die langfristige Aufnahme hochdosierter Mikronährstoffe möglicherweise Morbidität und
Mortalität erhöht (OMENN et al, 1996; STEPHENS et al, 1996).
Weiters können ungünstige physiologische Interaktionen mit anderen essentiellen Nährstoffen nicht ausgeschlossen werden. Auch bestehen Unsicherheiten
hinsichtlich der sicheren Dosis. Der Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln
kann zur Folge haben, daß die Lebensmittelwahl vernachlässigt wird und die
Gesamtqualität der Ernährung abnimmt. Wird aufgrund der Aufnahme von
Nahrungsergänzungsmitteln der Obst- und Gemüseverzehr verringert, sinkt
dadurch die Aufnahme anderer präventiv wirkender Substanzen, vor allem von
sekundären Pflanzeninhaltsstoffen. Aus diesen Gründen ist von einer Selbstmedikation ohne ärztliche Überwachung abzuraten.
6.2.3.3 Gewichtsreduktion
Verschiedene Methoden bzw. Produkte zur Gewichtsreduktion belegen (nach
Lebens- und Nahrungsergänzungsmitteln) das drittgrößte Segment der Ernährungswerbung. 11% der Inserate (gemessen am Seitenumfang) beschäftigen sich
mit Gewichtsreduktion. Im redaktionellen Teil von Zeitungen und Zeitschriften
nimmt dieses Thema im Schnitt 7% des Seitenumfangs der gesamten Ernährungsbotschaft ein, wobei es in Gesundheitszeitschriften mit 17% am höchsten
ist (s. Tab. 6.2.3).
Tabelle 6.2.3: Umfang des Themas Gewichtsreduktion in % der gesamten Ernährungsbotschaft
Tageszeitungen
lokale Gratiszeitungen
Life-Style-Zeitschriften
Frauenzeitschriften
General-Interest-Zeitschriften
Gesundheitszeitschriften
Durchschnitt aller Medien
redaktionelle Beiträge
4.0
8.2
9.5
7.5
5.0
17.3
7.2
Werbung
10.9
32.0
8.5
10.5
10.9
13.3
11.3
Die Botschaft in Printmedien vermittelt, daß Gewichtsreduktion aus kosmetischen Gründen nötig und in kurzer Zeit erreichbar ist. In der Gesellschaft vorhandene, aus gesundheitlicher Sicht problematische Schlankheitsnormen werden damit verstärkt; gleichzeitig werden Personengruppen, die aus gesundheitlicher Sicht ihr Körpergewicht reduzieren sollten, nicht motiviert. Gesundheitsund Frauenzeitschriften widmen sich zudem Schlankheitsprodukten (insbesondere Blitzdiäten) und Abführmitteln in stärkerem Ausmaß als andere Medien.
Wird nicht gegengesteuert, so fördert diese Botschaft - vor allem unter jungen
6.26
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
Leserinnen – extrem verzerrte Einstellungen zum Körpergewicht und in weiterer Folge die Entwicklung von Eßstörungen.
80% aller Schlankheitsinserate und ein Drittel aller Methoden, die im redaktionellen Teil von Printmedien empfohlen werden, ermöglichen keine dauerhafte
Gewichtsreduktion.
Tabelle 6.2.4: Propagierte Methoden der Gewichtsreduktion
Propagierte Methoden
PRÄPARATE (Σ)
Wundermittel #
zur Entwässerung. Entschlackung. Blutreinigung #
Appetitzügler #
Abführmittel #
Sonstige
Werbung Redaktionell
(% der
(% der
Inserate)
Artikel)
42.1
8.9
23.7
6.6
9.9
8.5
0.6
1.1
0.6
DIÄTEN (Σ)
Wunderdiäten #
Reduktionsdiäten mit einseitiger Lebensmittelwahl #
Formuladiäten #
andere (Halb-)Fertigdiäten #
Saftfasten. Heilfasten #
Weight-Watchers+
Reduktionsdiät mit ausgewogener Lebensmittelwahl+
sonstige bzw. mehrere Diäten
27.4
0.7
2.9
2.2
7.6
8.8
3.1
0.8
1.3
49.8
2.8
17.2
0.6
1.1
2.2
18.2
7.7
LIGHT-PRODUKTE *
ÄUSSERLICHE ANWENDUNGEN ZUR GEWICHTSREDUKTION #
BEWEGUNG *
KEINE METHODE EMPFOHLEN BZW. SONSTIGES
13.9
10.2
1.4
5.0
100.0
5.0
1.1
3.9
31.3
100.0
empfehlenswert (+); bedingt zur Gewichtsreduktion geeignet (*), nicht geeignet (#)
Die Informationen in redaktionellen Diätbeiträgen sind darüber hinaus unvollständig; Wissen, welches Leserinnen und Lesern eine Beurteilung der Diät ermöglichen bzw. zur Beibehaltung des erwünschten Körpergewichts befähigen
würde, wird großteils nicht vermittelt. Die im Schnitt versprochene Gewichtsabnahme liegt mit 2,5 Kilogramm pro Woche beträchtlich über den Empfehlungen von maximal einem Kilogramm (siehe Tabelle 6.2.5).
Im redaktionellen Teil werden untere Sozialschichten häufiger mit Falschaussagen und nicht empfehlenswerten Methoden der Gewichtsreduktion konfrontiert. Je niedriger die Schicht, desto größer sind die versprochenen Gewichtsabnahmen pro Woche. In der obersten betragen sie im Schnitt 0,70 kg pro Woche, in der untersten 3,75 kg - ein Wert, der als unrealistisch hoch und gesundheitsschädlich einzustufen ist.
Da problematische Schlankheitsnormen gefördert werden und die fehlende
Langzeitwirkung der propagierten Methoden zu wiederholtem Diäthalten und
6.2 Rezeption der Ernährungsbotschaft in den Medien
6.27
damit „Weight Cycling“ führen kann, muß postuliert werden, daß die Botschaft
in Printmedien die Entstehung von Gesundheitsstörungen begünstigen kann.
Tabelle 6.2.5: Versprochene Gewichtsreduktion in Kilogramm pro Woche10
Mittelwert ± SD
25. Perc. 50. Perc. 75. Perc.
Medien mit .... Leserschicht
niedriger (n = 10)
mittlerer (n = 21)
hoher (n = 3)
3,35 ± 1,97
2,32 ± 1,74
0,70 ± 0,18
2,00
0,68
0,50
3,75
2,50
0,75
4,25
3,50
-
Tageszeitungen (n = 7)
1,48 ± 1,31
0,50
0,85
2,50
Frauenzeitschriften (n = 12)
Sonstige General-I.-Z. (n = 4)
3,75 ± 1,59
2,55 ± 3,04
2,75
0,60
3,75
1,30
4,75
5,75
Gesundheitszeitschriften (n = 10)
1,82 ± 1,19
2,48 ± 1,85
0,63
2,00
2,85
0,71
2,50
3,63
alle Medien (n = 34)
6.2.3.4 Falschaussagen
Im Gegensatz zu angloamerikanischen Ländern, wo die wissenschaftliche Korrektheit der ernährungsbezogenen Berichterstattung in Massenmedien periodisch von einem Expertenpanel bewertet wird [ACSH, 1988], existiert keine
systematische Bewertung europäischer Medienberichte. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde eine standardisierte, an die Ernährungsberichterstattung
und Fragestellung der Arbeit angepaßte Meßmethodik für redaktionelle Berichte
entwickelt. Als Falschaussagen wurden Aussagen gewertet, die der wissenschaftlichen Lehrmeinung grob widersprechen. Im Folgenden werden einige
Beispiele dargestellt:
... Fast jeder Mensch erkrankt aufgrund einer Selbstvergiftung aus seinen Eingeweiden! Jede
Speise, die nicht richtig verdaut wird, fault oder gärt im Darm. ... Unser körpereigner Brutschrank wird zur Giftquelle! (Bunte, 9.6.93)
Kommentar: Bei geringer Darmperistaltik ist es durchaus möglich, daß es zu langen Darmpassagezeiten kommt. Eine Selbstvergiftung, Verfaulung bzw. Gärung von Speiseresten im Darm
findet jedoch nicht statt.
... Weihnachtsbäckerei ist völlig zu Unrecht als wertloser Dickmacher verrufen, wie eine neue
Nährstofftabelle (...) zeigt. Einige der Köstlichkeiten liegen danach um ein Drittel unter dem
Kaloriengehalt von Kartoffelchips. Dafür enthalten sie reichlich Vitalstoffe. (Freizeitrevue,
21.12.93)
10
Artikel, in denen die Höhe der zu erwartenden Gewichtsabnahme nicht angegeben war, wurden bei der Berechnung der Werte nicht berücksicht. Die Medientypen lokale Gratiszeitungen
sowie Life-Style-Zeitschriften fehlen in der Aufstellung, da darin im Untersuchungszeitraum
keine Diäten propagiert wurden. Aufgrund der hohen Streuung werden neben dem Mittelwert
auch Percentilen angegeben.
6.28
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
Kommentar: Weihnachsbäckerei gilt aufgrund des hohen Fett- und Zuckergehalts als hochkalorisch, die Nährstoffdichte bei Vitaminen - sie dürften mit dem Ausdruck „Vitalstoffe“ zum Teil
gemeint sein - ist wesentlich geringer als jene vieler anderer Lebensmittelgruppen..
.. Essen Sie richtig, leben Sie 10 Jahre länger! Wenn Sie vielseitig und ausgewogen essen, wird
der Körper mit all den Nährstoffen versorgt, die für Aufbau, Erhalt und Regeneration von Blut,
Gewebe und Organen notwendig sind. Folge: Sie leben länger (mindestens 10 Jahre), weil sich
die Anfälligkeit für Krankheiten drastisch verringert. (Freizeitrevue, 28.12.93)
Kommentar: Die Lebenserwartung wird von einer Vielzahl an Faktoren bestimmt. Einer bedarfsdeckenden Ernährung alleine kann genauso wenig wie anderen Faktoren auch eine in
Zahlen ausdrückbare lebensverlängernde Wirkung zugeschrieben werden.
... Normale Frischmilch, die oft als Calciumlieferant hochgelobt wird, enthält kaum noch Vitalstoffe. Nur Vorzugsmilch liefert ausreichend Inhaltsstoffe. Zur Stärkung Ihrer Abwehrkräfte
sollten Sie 1 g Vitamin C pro Tag zusätzlich einnehmen. (Vital, 28.7.93)
Kommentar: Aus wissenschaftlicher Sicht läßt sich die Bevorzugung von Vorzugsmilch gegenüber normaler Frischmilch nicht nachvollziehen. Beide weisen einen ähnlichen Gehalt an Mikronährstoffen auf. Die Wirksamkeit des Konsums hoher Dosen an Vitamin C ist umstritten.
... Welche Ernährungsformen haben sich für allergiegepeinigte Menschen bewährt? Grundsätzlich ist es chronische Übersäuerung, die belastet. (Medizin populär, 1.5.93)
Kommentar: Die Puffersysteme des Blutes verhindern unter normalen physiologischen Bedingungen jede Übersäuerung.
... Veränderte Lebens- und Eßgewohnheiten sowie die sich ständig verschärfende Umweltsituation führen zu einem steigenden Verbrauch an Vitaminen, der mit herkömmlicher Ernährung
kaum mehr befriedigt werden kann. (Die Presse/Magazin, 5.3.93)
Kommentar: Der Bedarf an Vitaminen kann durch eine Optimierung der Lebensmittelwahl
durchaus gedeckt werden.
Tabelle 6.2.6 gibt den Anteil jener ernährungsbezogenen Artikel wieder, die
zumindest eine Falschaussage enthalten.
Tabelle 6.2.6: Falschaussagen in verschiedenen Medientypen
Medientyp
Tageszeitungen
lokale Gratiszeitungen
Life-Style-Zeitschriften
Frauenzeitschriften
General-Interest-Zeitschriften
Gesundheitszeitschriften
Durchschnitt aller Medien
% der Artikel über gesunde Ernährung
14.1%
55.0%
28.9%
29.9%
25.0%
17.5%
18.6%
Ein Fünftel der redaktionellen Artikel über gesunde Ernährung enthält eine oder
mehrere Falschaussagen. Mit Ausnahme der Gesundheitszeitschriften ist die
wissenschaftliche Korrektheit von Zeitschriften geringer als jene von Tageszeitungen. Dieser Befund ist u.a. auf unterschiedliche Prioritätensetzung bei der
Gestaltung der Medien zurückzuführen. In Boulevardmedien und Zeitschriften
haben Unterhaltung und Sensationen einen hohen Stellenwert, auf die wissenschaftliche Korrektheit von Aussagen wird weniger Wert gelegt. Dies spiegelt
6.2 Rezeption der Ernährungsbotschaft in den Medien
6.29
sich auch darin wieder, daß zumeist nur in jenen Redaktionen von Gesundheitszeitschriften und Tageszeitungen, welche zu den Qualitätsmedien gezählt
werden, eigene Wissenschafts- oder Gesundheitsressorts (mit Fachjournalisten)
vorhanden sind.
Insgesamt zeigt sich eine deutliche Abhängigkeit von der sozialen Schicht der
Leser: Je niedriger die Schicht, desto häufiger werden Leser mit Falschinformationen konfrontiert. Generell ist in Medien mit überwiegend gering gebildeten und einkommensschwachen Lesern die Qualität der Ernährungsinformation geringer.
6.30
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
Literatur
1. ACSH/American Council on Science & Health (1988): The 1986 - 1988 ACSH survey on
nutritional accuracy in American magazines. ACSH, New York.
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on
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12. Wallack L (1990): Two approaches to health promotion in the mass media. World Health
Forum 11, 143 - 154.
6.3 Ernährungswissen und Ernährungserziehungssysteme in Österrreich
6.3 Ernährungswissen
Österrreich
und
Ernährungserziehungssysteme
6.31
in
6.3.1 Ernährungswissen
Ernährungswissen wird definiert als „das von der Ernährungswissenschaft erarbeitete Wissen über die Ernährung des Menschen“. Dabei finden sowohl die
physiologischen und medizinischen als auch die psycho-sozialen und soziokulturellen Aspekte der menschlichen Ernährung Berücksichtigung [Becker
1990].
Die Vermittlung von Ernährungswissen hat vor allem in der modernen Wohlstandsgesellschaft westlicher Industriestaaten große Bedeutung. Die zumeist
durch Lebensmittelknappheit gekennzeichnete Ernährungssituation vergangener
Jahrhunderte hat sich grundlegend verändert und ist heute durch große Wahlfreiheit gegenüber einem fast unübersehbaren Lebensmittelangebot charakterisiert. So wird das Eßverhalten in Überflußsituationen in verstärktem Ausmaß
von psychologischen Eßbedürfnissen und weniger vom physiologischen Bedarf
des Organismus gesteuert.
Das Ernährungswissen des Einzelnen kann auf verschiedene Weise erworben
werden:
• durch die Erziehung der Eltern, den Unterricht in der Schule, durch Lesen,
Massenmedien usw.
• durch Erfahrung mit der eigenen Ernährung, wie Bekömmlichkeit, Geschmack, Vorlieben, Sättigungswirkung usw.
Da in der Kindheit und Jugend Entwicklungsprozesse ablaufen, die das spätere
Ernährungsverhalten stark prägen, kommt der Ernährungserziehung in den ersten beiden Lebensjahrzehnten besondere Bedeutung zu. Verschiedene Autoren betonen, daß durch systematische Ernährungserziehung in Familien, Kindergärten und Schulen ein entsprechendes Ernährungsbewußtsein bei Kindern
und Jugendlichen geschaffen werden sollte [Becker 1990, Diedrichsen 1990].
Die Prüfung des Ernährungswissens erfolgt mit Hilfe spezifischer Tests. Beispiel
hierfür ist der von Pudel und Richter konzipierte Basis-Wissens-Test, der auf
einem Multiple-Choice-Verfahren beruht. Schwerpunktmäßig wird abstraktes
Wissen erfragt. Es werden aber auch Fragen gestellt, die handlungs- und erfahrungsbezogene Kenntnisse betreffen. Mittels eines Punkteschemas kann der
Grad des individuellen Ernährungswissens eruiert werden [Pudel 1993].
Übliche Inhalte solcher Tests sind [Oltersdorf 1995]:
• Kenntnisse über Nährstoffe, deren Wirkung und Bedarf
• Kenntnisse über Qualität und Zusammensetzung der Lebensmittel
• Einkauf, Lagerung, Zubereitung der Lebensmittel, Kochkenntnisse
• Kenntnisse von Lebensmittel-Verordnungen und –Gesetzen (Packungsaufschriften, Zusatzstoffe etc.)
• Folgen von Fehlernährung
6.32
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
Empirische Untersuchungen haben gezeigt, daß die Erkenntnisse der Ernährungswissenschaft über eine bedarfsgerechte Ernährung nicht in dem Maße an
den Verbraucher weitervermittelt werden können, wie es gesundheitspolitisch
und ökonomisch wünschenswert wäre. Es gibt allerdings verschiedene Möglichkeiten, ernährungswissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse in einem breiteren Umfang, und effektiver an den Verbraucher weiterzuvermitteln.
Im wesentlichen können drei Interventionsebenen zur Vermittlung von Ernährungswissen unterschieden werden:
• Ernährungsaufklärung
• Ernährungsberatung
• Ernährungserziehung
Ernährungsaufklärung soll beim Verbraucher das Bewußtsein für Ernährung
und das Interesse an Ernährungsfragen wecken. Beispiele dafür sind Aufklärungsbroschüren, Faltblätter, Informationsschriften zum Thema Ernährung und
ernährungsbezogene Beiträge in den Massenmedien.
Unter Ernährungsberatung versteht man den persönlichen Kontakt zwischen
Berater und Konsument. Die Ernährungsberatung hat zum Ziel, Ernährungsprobleme zu lösen und Fehlernährung sowie ernährungsbedingten Krankheiten
vorzubeugen.
Die Ernährungserziehung versucht, das Ernährungsverhalten durch pädagogische Maßnahmen in Richtung gesundheitserhaltender bzw. –fördernder Eßund Trinkgewohnheiten zu beeinflussen. Die Ernährungserziehung richtet sich
vor allem an Kinder und Jugendliche und soll in der Familie, im Kindergarten
und in der Schule ansetzen.
6.3.2 Ernährungserziehung
Ernährungserziehung wird definiert als „das Bemühen, Ernährungsverhalten
durch pädagogische Maßnahmen planmäßig in Richtung gesundheitserhaltender bzw. –fördernder Eß- und Trinkgewohnheiten zu beeinflussen“ [Becker
1990].
Ernährungserziehung ist Bestandteil der Sozialisation des Menschen, also das
Hineinwachsen des Individuums in die für eine Kultur typischen Normen und
Werthaltungen. In diesem Sinne kommt der Familie bei der Vermittlung grundlegender Kenntnisse, Einstellungen und Verhaltensweisen im Bereich Ernährung
eine wichtige Bedeutung zu.
Im Rahmen des Deutschen Ernährungsberichts [DGE 1992] wurde eine repräsentative Erhebung zum Ernährungsstatus und –wissen von Kindern und Jugendlichen durchgeführt. Dabei wurden auch die Quellen ihres Ernährungswissens untersucht. Als wichtigste Informationsquelle nannten die Schülerinnen
und Schüler dabei Schule und Elternhaus mit 52% bzw. 48%. Fernsehen wurde
von 34% der Befragten und Zeitungen und Zeitschriften von 31% angegeben.
6.3 Ernährungswissen und Ernährungserziehungssysteme in Österrreich
6.33
Andere Informationsquellen wie Radio, Werbung oder Arzt hatten einen sehr
geringen Stellenwert.
Ähnliche Ergebnisse konnten in einer aktuellen Studie an Kindern in Frankreich, Deutschland, Italien und England erzielt werden. Durchschnittlich gaben
67% der 8-15-jährigen die Familie als Hauptinformationsquelle an, 41% bzw.
34% nannten die Schule bzw. Lehrer, und Massenmedien wurden nur von
37% genannt [European Food Information Council 1996].
Im Bereich der Familie dienen Familienmitglieder als Vorbilder und Modelle,
die beobachtet und in ihrem Verhalten nachgeahmt werden. Die Feststellung,
daß das Ernährungsverhalten der Eltern einen starken Einfluß auf die Eß- und
Trinkgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen hat, konnte in zahlreichen
Studien bewiesen werden [Seer et al. 1996].
Obwohl der Stellenwert einer adäquaten Ernährungserziehung in der Familie
außer Frage steht, beschränkt sich die Ernährungserziehung in der Familie häufig auf die Weitergabe bestimmter Ernährungsstandards und traditioneller Verhaltensweisen, die kaum an ernährungsphysiologischen Grundsätzen orientiert
sind. Als Ursache dafür gilt vor allem das unzureichende Ernährungswissen vieler Eltern. Aus diesem Grund wäre eine gezielte Verbesserung des Ernährungswissens von Eltern durch entsprechende Information und Beratung wünschenswert. Zur Vermittlung von Ernährungswissen durch die Familie kommt
im weiteren Verlauf der Entwicklung eines Kindes die sekundäre Ernährungserziehung im Kindergarten und in der Schule hinzu.
Der Kindergarten bietet durch die Gruppensituation und die zum Teil gemeinsame Mahlzeiteneinnahme geeignete Ansatzpunkte zur Ernährungserziehung.
Das Vorschulalter stellt eine besonders günstige Entwicklungsphase zum Erlernen von Ernährungsgewohnheiten dar. Seer et al. [1996] stellten fest, daß Nahrungspräferenzen von Kindern und deren Bezugspersonen – also ihren Müttern,
Erzieherinnen, aber auch Kindern derselben Kindergartengruppe – besser übereinstimmten, als die von Kindern und fremden Personen (z.B. Kinder einer anderen Kindergartengruppe). Für eine optimale Ernährungserziehung im Kindergarten ist einerseits eine entsprechende Ausbildung des Erziehungspersonals im
Ernährungsbereich, andererseits eine auf Kinder abgestimmte Form der Weitervermittlung des Wissens nötig. Da die Zusammenarbeit von Kindergarten und
Elternhaus eine wesentliche Voraussetzung einer effizienten Ernährungserziehung von Kindern ist, wäre es wünschenswert, die Ernährungsziele von Kindergarten und Elternhaus aufeinander abzustimmen und die Eltern in die Aktivitäten des Kindergartens einzubeziehen.
Als wirksames Instrument für die Vermittlung von Ernährungswissen und die
Erziehung zu einem gesundheitsbewußten Verhalten gilt auch die Schule. Ernährungserziehung wird in der Volksschule vorwiegend im Sachunterricht und
in Hauptschule und AHS schwerpunktmäßig in den Fächern „Biologie und
Umweltkunde“, „Wirtschaftserziehung“, „Umwelterziehung“ und „politische
Bildung“ behandelt. Ob Ernährungserziehung im Unterricht tatsächlich Berück-
6.34
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
sichtigung findet, hängt jedoch von der Einstellung des Lehrpersonals zu ernährungsabhängigen Aspekten ab. Ernährungslehre wird in erster Linie in einzelnen
Unterrichtsfächern, selten aber als eigenständiger Themenkomplex behandelt.
Eine Analyse von Lehrplänen österreichischer Schulen zeigt, daß das Unterrichtsfach „Ernährungslehre“ nur im „Wirtschaftskundlichen Realgymnasium“
und einigen „Berufsbildenden Höheren Schulen (BHS)“ als eigenständiges
Pflichtfach angeboten wird. In der AHS besteht die Möglichkeit, diesen Gegenstand als Freifach zu belegen. Die praktische Seite ist ebenfalls nur teilweise in
die Lehrpläne integriert. Die fehlende Koordination zwischen den einzelnen
Unterrichtsinhalten erschwert die Anwendung und Umsetzung der Ernährungsinformation ins tägliche Leben. Durch die Zersplitterung des ernährungsbezogenen Stoffes geht der Gesamtzusammenhang verloren und verhindert die Entwicklung eines Problembewußtseins bei den Schülerinnen und Schülern.
Im Rahmen einer Dissertation am Institut für Ernährungswissenschaften der
Universität Wien wurden 1994 die in Österreich für das Fach „Ernährungslehre“ verwendeten Schulbücher untersucht und bewertet. Das befragte Lehrpersonal fordert Schulbücher, die vor allem der Vermittlung von Basiswissen dienen und den Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit stärker zum
Ausdruck bringen. Von den Schülern wurde der Wunsch nach weniger umfangreichen Schulbüchern mit mehr Erläuterungen zu Fremdworten und Fachausdrücken laut. In den Büchern sollten außerdem aktuelle Themen, wie „Alternative Ernährungsformen“ und „Eßstörungen“ Berücksichtigung finden [DjalloGinstl 1994].
Um die Wirksamkeit der schulischen Ernährungserziehung zu erhöhen, wäre es
nötig, die verschiedenen ernährungsbezogenen Lehrinhalte im Gesamtzusammenhang darzustellen. Voraussetzung für eine effektive Vermittlung von
Ernährungskenntnissen ist auch eine entsprechende Motivation der Schülerinnen und Schüler. Die Vermittlung von Ernährungskenntnissen sollte speziell bei
jüngeren Kindern durch den praktischen Umgang mit Nahrungsmitteln und
durch das tägliche Erleben erfolgen. Um eine Übereinstimmung zwischen ernährungsbezogenen Lehrinhalten und der täglichen Praxis in der Schule zu
schaffen, ist eine nach ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten zusammengestellte Schuljause von großer Bedeutung.
Die Aktion „Gesunde Pausenvesper“ stellt ein gutes Beispiel für diese Forderung dar [Muth et al. 1993, Herrmann und Ehrentreich 1995]. An 11 Esslinger
Grundschulen wurden den Kindern in spielerischer Form wichtige Grundzüge
über die richtige Zusammenstellung der Pausenmahlzeit vermittelt. Im praktischen Teil durften die Mädchen und Buben gesunde Zwischenmahlzeiten
selbst zubereiten und verzehren. Diese Untersuchung zeigte, daß Maßnahmen
zu einer gesundheitsbewußteren Gestaltung der Pausenverpflegung in der
Schule wünschenswert wären, um eine Übereinstimmung zwischen ernährungsbezogenen Lehrinhalten und der Praxis zu schaffen.
6.3 Ernährungswissen und Ernährungserziehungssysteme in Österrreich
6.35
Österreich nimmt seit 1992 am „Europäischen Netzwerk Gesundheitsfördernder Schulen“, einem Gemeinschaftsprojekt der WHO, der Europäischen Union
und des Europarates teil. Ziel dieses Projektes ist die Erarbeitung verschiedener
Programme für eine gesundheitsfördernde Schule, wobei auch die Ernährung
Berücksichtigung findet [Clausen 1995, Bundesministerium für Gesundheit und
Konsumentenschutz 1996]. (siehe Kapitel 6.1)
Die Vermittlung von Ernährungswissen erfolgt aber auch über die Massenmedien. Dabei können grundsätzlich zwei Formen unterschieden werden:
• Nicht-interessensgebundene, nicht-kommerzielle Ernährungsaufklärung
• Interessensgebundene, kommerzielle Ernährungsaufklärung (Werbung für
Nahrungs- und Genußmittel)
Wesentlich bei der nicht-interessensgebundenen, nicht-kommerziellen Ernährungsaufklärung ist eine sachliche und möglichst objektive Information für den
Konsumenten. Dabei sollte eine ausgewählte Zielgruppe in einer für sie verständlichen und motivierenden Form angesprochen werden. Mittels Fernsehen
und Radio können Kinder und Jugendliche sowie informationspassivere Personen erreicht werden.
In den Industrieländern spielt die Werbung für Nahrungs- und Genußmittel eine bedeutende Rolle. Die mit Abstand am meisten beworbenen Produkte sind
Süßigkeiten, Fertiggerichte, Snacks, alkoholische Getränke sowie stark gezukkerte Getränke und Milchprodukte. Zudem ist die Werbung größtenteils an
Kinder gerichtet, die besonders leicht beeinflußbar sind. Diehl [1995] konnte
jedoch feststellen, daß die Beeinflussung des Ernährungsverhaltens durch die
Werbung mit steigendem Alter deutlich abnimmt. Die Nahrungs- und Genußmittelwerbung in den Medien ist in Hinblick auf die Entwicklung eines gesundheitsbewußten Eßverhaltens vor allem bei Kindern als kritisch zu bewerten.
6.3.3 Ernährungswissen von Schülerinnen und Schülern in Österreich
Als Teil der ÖSES/ASNS (=Österreichische Studie zum ErnährungsStatus) untersuchte das Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien zwischen
1991 und 1993 im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst neben dem Ernährungsstatus - die Ernährungsgewohnheiten und das Ernährungswissen von österreichischen Schülerinnen und Schülern im Alter von 6 bis
18 Jahren (n=4736).
Ziel der Untersuchung zum Ernährungswissen war es, den aktuellen Wissensstand zu dokumentieren, sowie gruppenspezifische Unterschiede und Besonderheiten aufzuzeigen. Die Fragen zum Ernährungswissen wurden entsprechend der verschiedenen Altersgruppen unterschiedlich formuliert, nämlich für
6-9-jährige, 10-14-jährige und 15-18-jährige. Der Fragebogen für Volksschulkinder beinhaltete vorwiegend praxisnahe Fragen, mit zunehmendem Alter
wurden vermehrt Fragen zum theoretischen Ernährungswissen gestellt.
6.36
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
Da das Ernährungswissen eine der wichtigsten Einflußgrößen auf das Verhalten
darstellt, gilt die Förderung des Ernährungswissens als grundlegende Voraussetzung, Ernährungsgewohnheiten und Ernährungsverhalten zu verbessern. Die
Ergebnisse der Studie zeigen, daß die Mehrheit der österreichischen Kinder und
Jugendlichen über gute Kenntnisse auf dem Gebiet der Ernährung verfügt.
In allen Altersgruppen liegt der Anteil der untersuchten Schülerinnen und Schüler, deren Ernährungswissen mit „gut“ beurteilt werden kann, über 55%. Die
relativ schlechtesten Resultate wurden bei den theoretischen Fragen ermittelt.
Während die Kinder und Jugendlichen über gute praxisbezogene Kenntnisse
verfügen, konnte gezeigt werden, daß das Verständnis für Funktionszusammenhänge besonders bei den Jüngeren fehlt. Diesem Umstand sollte im Rahmen
der Ernährungserziehung Rechnung getragen werden.
Geschlechtsspezifische Unterschiede im Ernährungswissen treten erst mit zunehmendem Alter auf. Während sich Mädchen und Burschen in der Volksschule nicht in ihrem Ernährungswissen unterscheiden, verfügen ab der AHSUnterstufe bzw. der Hauptschule die Schülerinnen über signifikant bessere ernährungsbezogene Kenntnisse. Der Grund hierfür dürfte die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau sein, da die Frau noch immer für die
Nahrungsbeschaffung und –zubereitung hauptverantwortlich ist. Daher sollte
vermehrt versucht werden, Mädchen und Burschen gleichermaßen in die Ernährungserziehung einzubeziehen. Ein weiterer Erklärungsansatz für die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Ernährungswissen und auch –verhalten
ist das gängige Schlankheitsideal, durch das in erster Linie Mädchen und Frauen
zu Ernährungsfragen motiviert werden. Die Tatsache, daß sich weibliche Jugendliche stärker mit dem Thema „Ernährung“ auch in Zusammenhang mit dem
Körpergewicht auseinandersetzen, konnte in zahlreichen Studien ermittelt
[Diedrichsen 1990] und auch in der ÖSES-Studie bestätigt werden [Elmadfa et
al. 1994]. Bei der Frage nach dem Energiegehalt verschiedener Lebensmittel im
Fragebogen der Schülerinnen und Schüler der AHS-Oberstufe und der BHS,
erzielten Mädchen jeweils die besseren Ergebnisse (Abb. 6.3.1).
Einige Fragen wurden in mehreren Altersgruppen gestellt, so daß eine Entwicklung des Wissenstandes mit dem Alter nachvollziehbar ist. Grundsätzlich gilt es
zu bedenken, daß die vorliegenden Daten keine longitudinal an Einzelpersonen
erhobenen Ergebnisse repräsentieren. Da die untersuchten Kollektive jedoch
vergleichbaren Einflüssen ausgesetzt sind, ist eine zeitliche Beobachtung des
Wissenszuwachses zulässig. Schultypische Unterschiede konnten insofern festgestellt werden, daß sowohl Mädchen als auch Burschen der AHS-Unterstufe
über ein signifikant besseres Ernährungswissen verfügten als jene der Hauptschule.
Die ermittelten Daten zeigen auch, daß sich das Ernährungswissen der befragten Schülerinnen und Schüler mit zunehmendem Alter deutlich verbessert.
Die Förderung des Ernährungswissens ist eine der ersten Möglichkeiten, Ernährungsgewohnheiten und Ernährungsverhalten zu verbessern. Im Rahmen einer
6.3 Ernährungswissen und Ernährungserziehungssysteme in Österrreich
6.37
umfassenden Ernährungserziehung reicht es aber nicht aus, kognitives Wissen
im Sinne eines Frontalunterrichts an die Schüler weiterzugeben. Erst praxisorientierte Maßnahmen, wie z.B. gemeinsames Kochen und Essen, ein ernährungsphysiologisch gutes Schulbuffet und eine optimale Schulspeisung, Projektwochen mit Ernährungsthemen usw. können zu Änderungen der Ernährungsgewohnheiten motivieren.
überschätzt
unterschätzt
richtig
100
% der Antworten
80
60
40
20
Apfel
Big Mac
Fruchtjoghurt
mä
nn
lic
h
ich
ibl
we
ich
mä
nn
lic
h
ibl
we
ich
mä
nn
lic
h
ibl
we
mä
nn
lic
h
we
ibl
ich
0
Orangensaft
Abbildung 6.3.1: Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Einschätzung
des Energiegehalts von Lebensmitteln (n=4736)
Die entsprechende Vermittlung von Ernährungswissen in Kindergärten und
Schulen sollte ein fixer Bestandteil für die Gesundheitsförderung sein (s.a. Kap.
6.1). Theoretisches Wissen ist zwar nicht der einzige Faktor, der das Verhalten
beeinflußt; es kann aber eine wichtige Voraussetzung sein.
6.3.4 Ernährungswissen von Erwachsenen
Im Rahmen des Forschungsprojektes „Aufnahme von Zusatzstoffen in Österreich“, welches vom Institut für Ernährungswissenschaften im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz durchgeführt wurde
(siehe Kapitel 3.3), wurde das Ernährungswissen, das Ernährungsverhalten und
die allgemeine Einstellung zu Zusatzstoffen der erwachsenen Bevölkerung
Österreichs untersucht (n=3278).
Ziel der Studie war es, aus den Daten durch eine differenzierte Betrachtung
nach Alter und Geschlecht, Bildungsgrad und Beruf Besonderheiten zu ermitteln, um aufgrund der erhaltenen Resultate eine effiziente und zielgruppenorientierte Ernährungsaufklärung zu ermöglichen.
Die Studienergebnisse zeigen, daß Frauen ihr Ernährungswissen besser einschätzen als Männer. Am schlechtesten wird das Wissen zum Thema „Ernährung“ von den unter 20-jährigen Studienteilnehmern empfunden. Zudem
6.38
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
nimmt das subjektiv empfundene „sehr gute bis gute“ Ernährungswissen mit
steigendem Bildungsgrad zu.
Bei der persönlichen Einschätzung des täglichen Energiebedarfs wurde der tatsächliche Energiebedarf unterschätzt. Ein Drittel der Befragten konnte den Bedarf gar nicht schätzen. Als positiv konnte jedoch das Ergebnis auf die Frage
nach dem wesentlichen Inhaltsstoff der Milch bewertet werden. 80% des Studienkollektivs gaben „Calcium“ als Antwort.
Der Anteil an richtigen Antworten war bei Frauen signifikant höher als bei
Männern, stieg mit dem Ausbildungsgrad und war in der Gruppe, die ihr Ernährungswissen als „sehr gut bis gut“ beurteilte, signifikant größer als bei jenen, die
ihr Wissen als „ungenügend“ bewerteten.
Bei der Frage zum Vergleich von Margarine und Butter zeigte sich ein deutliches Defizit an Ernährungswissen. 42% der Studienteilnehmer gaben an, daß
Margarine viel weniger Kalorien als Butter enthält, und nur 35%, daß Margarine
kein Cholesterin enthält. Diese Fehleinschätzung könnte die Entstehung von
Übergewicht begünstigen. Mit steigendem Ausbildungsgrad der Untersuchten
nahm die Häufigkeit der richtigen Antworten jedoch zu.
Es sind sowohl geschlechtsspezifische als auch bildungsspezifische Zusammenhänge zwischen subjektiv eingeschätztem Ernährungswissen und den richtigen
Antworten zu erkennen. Allgemein gilt, je höher das subjektiv eingeschätzte
Ernährungswissen und je höher der Ausbildungsgrad, desto größer ist der Anteil
der richtigen Antworten.
Bei der Beurteilung des Ernährungswissens wurde außerdem nach den wesentlichen Nährstoffen täglich verwendeter Lebensmittel gefragt (Abb. 6.3.2).
70
% der Antworten
60
richtig
nicht richtig
weiß nicht
50
40
30
20
10
0
Fisch
Obst/
Schokolade
Gemüse
Fleisch
Brot
Käse
Zucker
Abbildung 6.3.2: Vergleich des Wissens von Erwachsenen über die Inhaltsstoffe verschiedener Lebensmittel (n=3278)
6.3 Ernährungswissen und Ernährungserziehungssysteme in Österrreich
6.39
Zwei Drittel der Befragten konnten Kohlenhydrate als Inhaltsstoff des Zuckers
angeben. Bei Käse und Brot führte jeder zweite Studienteilnehmer die beiden
richtigen Nährstoffe, Fett und Eiweiß bzw. Kohlenhydrate und Ballaststoffe an,
bei Fleisch nannten 38% als wichtigste Nährstoffe Fett und Eiweiß. Etwa ein
Drittel wußte beide Hauptnährstoffe (Kohlenhydrate und Fett) der Schokolade.
Die Hauptnährstoffe in Obst und Gemüse (Kohlenhydrate und Ballaststoffe)
kannte nur noch jeder Fünfte. Dem Fisch konnten nur 8% der Befragten Eiweiß
und Fett als wesentliche Nährstoffe zuordnen. Da 69% Eiweiß als Hauptnährstoff für den Fisch nannten, ist weitgehend unbekannt, daß Fisch auch ein fetthaltiges Lebensmittel ist.
Auch hier zeigte sich, daß Studienteilnehmer, die ihr Ernährungswissen als
„sehr gut bis gut“ beurteilten, Nährstoffe zu den jeweiligen Lebensmitteln signifikant häufiger richtig zuordnen konnten als jene, die ihr Wissen als „genügend
bis nicht genügend“ einschätzten.
Differenziert nach Ernährungsformen konnten Vegetarier vor Studienteilnehmern mit einer bewußten gesundheitsorientierten gemischten Kost die besten
Ergebnisse erzielen. Befragte mit einer normalen gemischten Ernährungsform
hatten das geringste Ernährungswissen.
Die Ergebnisse zeigen, daß das Ernährungswissen der erwachsenen Bevölkerung Österreichs als nicht zufriedenstellend eingestuft werden kann. Auch bei
Erwachsenen gilt, daß Ernährungswissen nicht unbedingt mit einem günstigen
Ernährungsverhalten korrelieren muß, aber eine wichtige Voraussetzung für
gesundheitsbewußtes Eßverhalten ist. Ohne die Basis eines entsprechenden
Ernährungswissens kann keine effektive Verbesserung des Verhaltens gewährleistet werden.
Wie schon bei den Kindern und Jugendlichen festgestellt werden konnte, weisen auch bei Erwachsenen Frauen ein signifikant besseres Wissen zum Thema
„Ernährung“ auf als Männer. Dieser Unterschied ist vermutlich auf die traditionelle Rolle der Frau zurückzuführen. Verschiedene Studien zeigten auch, daß
Frauen ein größeres Interesse an Ernährungsthemen haben als Männer und vielleicht auch daher mehr Ernährungsfragen beantworten können [Pudel und Richter 1980, Shepherd und Towler 1992].
Ein direkter Zusammenhang konnte zwischen dem Ausbildungsgrad und dem
Ernährungswissen der Befragten festgestellt werden. Akademiker ordneten bei
allen Lebensmitteln signifikant häufiger die richtigen Nährstoffe zu als Personen
der niedrigsten Bildungsebene (Hauptschule ohne Lehre). Ein positiver Zusammenhang zwischen Bildungsgrad und Gesundheitswissen wurde auch von der
DGE ermittelt [DGE 1992].
Männer, junge Studienteilnehmer, sowie Personen mit geringer Schulbildung
wiesen ein besonderes Desinteresse an Informationen zum Thema „Ernährung“
auf. Diese Ergebnisse sollen Anlaß dafür geben, daß zielgruppenspezifische
Ernährungsaufklärung, die auch desinteressierte Gruppen mit nicht zufriedenstellendem Ernährungswissen erreicht, verstärkt erfolgen muß.
6.40
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
Die Studie überprüfte neben dem Interesse an Ernährungsfragen auch die
Hauptquellen für die Ernährungsinformation. Auch sollten die Erwachsenen die
Qualität der vermittelten Botschaften beurteilen.
Das Interesse an Informationen über Ernährungsthemen war bei drei Viertel
der Befragten vorhanden, 23 % bekundeten sogar sehr großes Interesse. Es zeigten sich dabei signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern, den Altersgruppen und dem Bildungsgrad (p<0.05, siehe Tab. 6.3.1). Das größte Interesse an Informationen über Ernährung zeigen Frauen, Personen mit höherer
Bildung und die über 30-jährigen. Männer, Personen unter 30 Jahren und solche mit niedrigerer Bildung zeigen wenig bis gar kein Interesse.
Tabelle 6.3.1: Interesse an Ernährungsinformation bei erwerbstätigen Erwachsenen (%) (n=3278)
An Informationen über Ernährung bin ich …
sehr
weniger innicht ininteressiert
interessiert teressiert
teressiert
gesamt
23
52
22
3
weiblich
28
54
16
2
männlich
15
49
31
5
unter 30 J.
21
49
25
5
31 bis 50 J.
23
52
22
3
51 J. und älter
22
54
21
3
niedrige Bildung
18
52
24
6
mittlere Bildung
23
54
20
3
höhere Bildung
32
54
12
2
subjektiv beurteiltes Ernährungswissen ist…
sehr gut bis gut
37
50
11
2
befriedigend
14
58
25
2
eher ungenügend
7
38
46
9
Als Quellen der Information zu und über Ernährung spielen die Massenmedien Radio und Fernsehen sowie Tageszeitungen eine große Rolle, bedeutsam
sind auch Informationen aus dem Bekanntenkreis (siehe Tab. 6.3.1). Frauen
holen sich die Informationen hauptsächlich über Fachzeitschriften und –bücher, Männer bevorzugen vor allem die Massenmedien. Kurse an Volkshochschulen, Apotheken und Reformhäusern sind bislang eher von untergeordneter
Bedeutung bei der Vermittlung von Ernährungsinformation. Der Arzt wird vor
allem von älteren Personen als Ansprechpartner bei Ernährungsfragen angegeben. Eine Erklärung dafür könnte sein, daß aufgrund der erhöhten Morbidität
medizinische Einrichtungen häufiger in Anspruch genommen werden als vom
jüngeren Studienkollektiv. Je niedriger der Ausbildungsgrad, desto häufiger
werden Radio, TV und Zeitungen als Informationsquelle genutzt. Universitätsund Kollegabsolventen hingegen informieren sich hauptsächlich über Fachzeitschriften und -bücher.
6.3 Ernährungswissen und Ernährungserziehungssysteme in Österrreich
6.41
Interessant ist auch, daß rund die Hälfte der Studienteilnehmer, die ihr Ernährungswissen als "sehr gut bis gut" einschätzten, sich die Informationen aus
Fachzeitschriften und Fachbüchern besorgen, während diese Wissensquelle
vom Studienkollektiv mit subjektiv schlecht beurteiltem Wissen nur zu 23 %
genutzt wird.
Informationen auf Verpackungen können wichtige Mediatoren von lebensmittelspezifischen Eigenschaften und dadurch indirekt von Ernährungswissen darstellen. Aus diesem Grund interessierte auch, wie häufig und vor allem welchen Inhalten auf der Verpackung (Herstell- /Ablaufdatum, Preis, Ursprungs- /Herstellerland, Bestandteile/Zusammensetzung) Beachtung geschenkt
wird. Die größte Aufmerksamkeit gilt dem Herstellungs- bzw. Ablaufdatum
(87 %) und in zweiter Linie dem Preis (72 %). Dem Herstellungs- bzw. Ursprungsland (43 %) und den Bestandteilen bzw. der Zusammensetzung der Lebensmittel (39 %) wurde ein weitaus geringeres Interesse beigemessen. Frauen
zeigen an letzeren Informationen ein signifikant größeres Interesse als Männer
(p < 0,05).
Tabelle 6.3.2: Quellen der Ernährungsinformation bei Erwachsenen (% der
Mehrfachantworten)
Weiblich
Männlich
unter 30 J.
31 – 50 J.
51 J. u. älter
niedr. Bildung
mittl. Bildung
höh. Bildung
Gesamt
Radio/
TV
40
47
43
41
50
50
42
32
43
Tageszeitung
28
40
32
35
34
36
35
27
34
Zeitschriften, Fachzeitschr.
43
23
33
36
25
23
38
42
34
Arzt,
Apotheker
20
15
14
21
23
20
13
16
17
Bekanntenkreis
Kurse
u.a.
35
38
33
35
31
32
40
40
36
13
7
9
9
6
6
12
16
10
Beurteilung der angebotenen Ernährungsinformationen: Von besonderer Wichtigkeit bei der Beschaffung von Informationen ist deren Verständlichkeit. Einerseits fehlt den Konsumenten der Zugang zu wissenschaftlich fundierten Informationen, andererseits stellt die Informationsbeschaffung für den Verbraucher
einen Kosten- und Zeitfaktor dar. Der Verbraucher ist meist auch nicht in der
Lage, aus der Vielzahl von widersprüchlichen und schwer verständlichen Informationsangeboten die richtigen zu selektieren. Eine Beurteilung der angebotenen Ernährungsinformationen im Abstand von 10 Jahren in Deutschland hat
gezeigt, daß sowohl die Widersprüchlichkeit als auch die schwere Verständlichkeit des Informationsangebotes zugenommen hat (DGE 1992). Auffallend
häufig (zwei Drittel) ist bei den Untersuchungsteilnehmern (sowohl bei Frauen
als auch bei Männern) die Meinung vertreten, daß die angebotenen Informatio-
6.42
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
nen zum Thema Ernährung entweder schwer verständlich, oder verwirrend
bzw. widersprüchlich sind.
Je geringer der Ausbildungsgrad (vor allem Arbeiter und Pensionisten) der Studienteilnehmer, desto häufiger wird die Verständlichkeit der Informationen kritisiert, je höher der Ausbildungsgrad, desto häufiger die Widersprüchlichkeit.
Studienteilnehmer, die ihr Ernährungswissen als sehr gut bis gut einstuften, gaben wesentlich öfter an, die angebotenen Informationen gut zu verstehen als
Personen mit subjektiv schlecht eingeschätztem Ernährungswissen (siehe Abb.
6.3.3).
angebotene Ernährungsinformation ist ...
gut
schwer
widersprüchlich
verständlich
verständlich
verwirrend
gesamt
niedrige Bildung
mittlere Bildung
höhere Bildung
subjektiv eingestuftes Wissen ist
schlecht
befriedigend
sehr gut oder gut
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Abbildung 6.3.3: Beurteilung der angebotenen Ernährungsinformation
6.3.5 Ernährungswissen von Senioren
Im Rahmen des WHO-Projektes „Wien - Gesunde Stadt“ wurde 1996 das Ernährungswissen von österreichischen Senioren (n=78) erfaßt (Elmadfa et al.
1996).
Etwa 40% der Befragten sind sehr an Information über Ernährung interessiert,
wobei vor allem Einflüsse des Alters festgestellt wurden. Das Interesse nimmt
mit zunehmendem Alter signifikant ab, ein Ergebnis, das vermutlich nicht spezifisch für Ernährungsinformation ist, sondern Ausdruck eines allgemein sinkenden Interesses an jeglicher Information (Abb. 6.3.4).
Hauptinformationsquellen zu Ernährungsthemen sind bei den befragten Senioren Medien (Radio/TV bzw. Printmedien; je 47%), sowie der Arzt und Apotheker (5 bzw. 4%).
6.3 Ernährungswissen und Ernährungserziehungssysteme in Österrreich
6.43
Interesse an Ernährungsinformation ist ....
100%
gering oder fehlt
groß
Befragten
80%
60%
40%
20%
0%
bis 74
75 - 84
>85
Alter (Jahre)
Abbildung 6.3.4: Interesse an Ernährungsinformation bei Senioren (n=78)
Die Fragen zum Ernährungswissen der Senioren waren bewußt eher praxisorientiert gewählt. Als Themenschwerpunkte wurden Ballaststoffe (Obstipation)
und Milchprodukte (Osteoporose) aufgegriffen. Die Bewertung der Antworten
zeigte signifikante Unterschiede bei Berücksichtigung des Bildungsgrades der
Senioren. Auf die Frage nach der Wirkung von Ballaststoffen antworteten 90%
der Senioren mit höherer Bildung und 68% jener mit geringer Bildung richtig.
Fragen zum Stellenwert von Milchprodukten in der Ernährung wurden von fast
allen richtig beantwortet (95%). Die Bedeutung dieser Lebensmittel für den
Calcium- bzw. Knochenstoffwechsel wurde in der Gruppe mit geringer Bildung
von 50% erkannt, bei der Gruppe mit höherer Bildung von 80% (Abb. 6.3.5).
Antworten der Senioren auf Fragen nach der Bedeutung der...
Milchprodukte
Ballaststoffe
der Befragten
100%
richtig
80%
falsch
weiß nicht
60%
40%
20%
0%
geringe Bildung
höhere Bildung
geringe Bildung
höhere Bildung
Abbildung 6.3.5: Wissen der Senioren um die Bedeutung der Ballaststoffe
und Milchprodukte (n=78)
6.44
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
Obwohl das Interesse an Ernährungsinformation mit zunehmendem Alter sinkt,
besteht bei der Mehrzahl der Senioren Bewußtsein über den Einfluß der Ernährung auf Gesundheit und Wohlbefinden.
6.3.6 Ernährungswissen von Schwangeren
Eine Studie des Instituts für Ernährungswissenschaften in Zusammenarbeit mit
der I. Universitätsfrauenklinik Wien zeigte, daß ein Großteil der befragten Frauen wußten, daß der Nährstoffbedarf während einer Schwangerschaft verändert
ist (Abb. 6.3.6). Die meisten Schwangeren konnten jedoch keine konkreten
Veränderungen in der Schwangerenernährung nennen [Brettl 1992].
Wissen der Schwangeren um die Bedeutung der Ernährung ......
schlechtes Wissen
18.0%
gutes Wissen
66.0%
sehr gutes Wissen
16.0%
Abbildung 6.3.6: Ernährungswissen schwangerer Frauen (n=100)
Des weiteren konnte eine Abhängigkeit des Ernährungswissens vom Bildungsniveau festgestellt werden. Schwangere mit Matura wiesen im Vergleich zu jenen ohne Matura ein doppelt so gutes Wissen auf.
Eine andere Studie des Instituts für Ernährungswissenschaften zeigte ähnliche
Ergebnisse bezüglich des Ernährungswissens schwangerer Frauen. Von den befragten Frauen gaben 60% an, sich über Besonderheiten der Ernährung in der
Schwangerschaft informiert zu haben [Gruber 1993].
Als Hauptinformationsquellen für Besonderheiten der Ernährung während der
Schwangerschaft gaben die Schwangeren den Arzt, Bücher, Zeitschriften und
Bekannte an. Dabei zeigte sich, daß bei jenen Frauen, die Bücher als Informationsquelle verwendeten, der Anteil mit „sehr gutem“ Ernährungswissen am
größten war (Abb. 6.3.7).
6.3 Ernährungswissen und Ernährungserziehungssysteme in Österrreich
6.45
100%
schlecht
gut
80%
sehr gut
60%
40%
20%
0%
Arzt
Bücher
Zeitschriften
Bekannte
Abbildung 6.3.7: Ernährungswissen und Informationsquellen schwangerer
Frauen (n=100)
Insgesamt konnte beobachtet werden, daß in Österreich die Kenntnisse bezüglich Ernährung während der Schwangerschaft gering sind. Dennoch zeigten
Schwangere große Bereitschaft, etwas über Ernährung zu lernen. Aus diesem
Grund kann Ernährungserziehung während der Schwangerschaft einen bleibenden Einfluß auf Frauen und ihre Familien ausüben.
6.46
Kapitel 6: Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention
Literatur
1. Becker W (1990): Zur Problematik der Weitervermittlung von Ernährungswissen. Verlag
Peter Lang, Frankfurt/Main.
2. Brettl T (1992): Ernährungsempfehlungen kontra Ernährungsverhalten während der
Schwangerschaft in gesundheitserzieherischer Sicht. Diplomarbeit, Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien.
3. Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz (1996): Gesundheitsfördernde
Schulen auf dem Weg. Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz, Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, Wien.
4. Clausen A (1995): Gesundes Pausenfrühstück – Zwischenmahlzeiten in der Schule. Hauswirtschaftliche Bildung 71, 150-4.
5. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (1992): Gesundheitswissen/Ernährungs-verhalten. In:
Ernährungsbericht 1992. Frankfurt am Main, 92.
6. Djallo-Ginstl E (1994): Das Schulbuch zur Ernährungslehre in Österreich – Eine vergleichende Untersuchung und kritische Beurteilung der für Allgemeinbildende und Berufsbildende Höhere Schulen approbierten Schulbücher. Dissertation, Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien.
7. Diedrichsen I (1990): Ernährungspsychologie. Springer Verlag, Berlin, 15-50.
8. Diehl JM (1995): TV-Werbung für Nahrungs- und Genußmittel. Hauswirtschaft und Wissenschaft 43, 107-13.
9. Elmadfa I, Godina-Zarf B, König J (1994): Untersuchungen zum Ernährungsstatus von österreichischen Schulkindern – GZ 40.000/105-III/13-92 – Ergebnisse aus den Bundesländern,
Bundesministerium für Unterricht und Kunst, Wien.
10. Elmadfa I. Zarfl B. König J (1996): Ernährung älterer Menschen in Wien. Dokumentation
des WHO-Projektes: „Wien - Gesunde Stadt“, Vol. 10, (Hrsg. WHO-Projekt Wien Gesunde
Stadt) Wien.
11. European Food Information Council (1996): Ansichten und Wissen von Kindern und Jugendlichen über Ernährung. Ernährungs-Umschau 43, 26-7.
12. Gruber B (1993): Ernährung und Ernährungsverhalten in der Schwangerschaft. Diplomarbeit, Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien.
13. Herrmann E, Ehrentreich M (1995): Evaluation der Aktion „Gesundes Pausenvesper“ an
Esslinger Grundschulen. Ernährungs-Umschau 42, B1-B4.
14. Muth M, Dürr S, Fiess-Heizmann E, Waizenegger R (1993): Aktion „Gesundes Pausenvesper“ an Esslinger Grundschulen. Ernährungs-Umschau 40,B45-B48.
15. Oltersdorf US (1995): Ernährungsepidemiologie. Ulmer Verlag, 223-34.
16. Pudel V (1993): Praxis der Ernährungsberatung. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg.
17. Pudel V, Richter W (1980): Psychosoziale Bewertung der Ernährung. Eine Repräsentativerhebung in der Bundesrepublik Deutschland. Forschungsbericht an den Bundesminister für
Jugend, Familie und Gesundheit. Göttingen.
18. Seer C, Winter C, Weggemann S (1996): Lieblingsspeisen und Einflüsse auf die Nahrungspräferenzen von Kindergartenkindern. Zeitschrift für Ernährungswissenschaft 35, 143-9.
19. Shepherd R, Towler G (1992): Nutrition knowlege, attidudes and fat intake: application of
the theory of reasoned action. The Journal of Human Nutrition and Dietetics 7,283-94.
Kapitel
7
Ausblick auf Richtlinien zur Optimierung
des Ernährungsstatus in Österreich
Zusammenfassung
Empfehlungen auf Lebensmittelbasis sind für die meisten Personen
hilfreicher als die bisher üblichen Empfehlungen auf Nährstoffbasis.
Hierbei stellt sich jedoch die Frage, ob bei der Übernahme derartiger
relativ undifferenzierter Empfehlungen zur Reduktion bestimmter Lebensmittelgruppen die Gefahr besteht, daß die für diese Lebensmittel
ebenfalls typischen essentiellen Nährstoffe unter den hierzulande üblichen Ernährungsgewohnheiten in zu geringen Mengen konsumiert
werden. Daher sollen die Ergebnisse aus den unterschiedlichen
Teilstudien im Rahmen der Österreichischen Studie zum Ernährungsstatus unter dem Aspekt der Zufuhr von Fett und fettreichen Lebensmitteln vorgestellt werden.
Auf Basis dieser Ergebnisse kann eine Ernährungsempfehlung auf Lebensmittelbasis in einem ersten Ansatz zur Verbesserung des Ernährungsstatus so einfach formuliert werden: „Weniger Fett und fettreiche Lebensmittel verzehren“. Eine Vielzahl anderer Ziele der Ernährungserziehung, sei es die Erhöhung des Obst- und Gemüsekonsums,
des Konsums an Getreideprodukten oder die Erhöhung der Ballaststoffaufnahme, oder gar die Senkung der Cholesterinaufnahme, gehen mit einer Reduzierung des Fettkonsums einher, während eine
Unterversorgung mit Nährstoffen, die mit dem Fettgehalt in Verbindung stehen, nicht zu befürchten ist.
7.1 Einleitung
Kapitel 7
7.1
Ausblick auf Richtlinien zur Optimierung
des Ernährungsstatus in Österreich
7.1 Einleitung
Ernährungsempfehlungen basieren in den meisten Fällen auf der Festlegung der
jeweils erforderlichen Mengen an einzelnen Nährstoffen, es handelt sich also
um Empfehlungen auf Nährstoffbasis. Auch in Österreich wurden bisher solche
Empfehlungen herangezogen, um die Versorgung bestimmter Personengruppen
mit diesen Nährstoffen zu beurteilen und um letztlich Maßnahmen auszuarbeiten, die eventuell auftretende Unterversorgungen verhindern können. Solche
Empfehlungen werden meistens mit dem englischen Sammelbegriff „Recommended Dietary Allowances“ (RDA) umschrieben und in der Regel von den
nationalen Gesellschaften für Ernährung herausgegeben. Im Falle Österreichs
wurde auf die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)
zurückgegriffen und – da es keinen Grund zur Annahme von wesentlichen Unterschieden in der Ernährung zwischen Deutschland und Österreich gab – ohne
weitere Bearbeitung oder Veränderung übernommen.
Prinzipiell ist der Grundgedanke bei allen Empfehlungen in Form von Nährstoffen, daß die Aufnahme von allen Nährstoffen in der jeweils empfohlenen Höhe
für den Großteil der Individuen in den Personengruppen, für die diese Empfehlung ausgesprochen wurde, eine lebenslange Aufrechterhaltung der Gesundheit
und Leistungsfähigkeit sicherstellt. Mit wenigen Ausnahmen erfolgt die Ermittlung der Empfehlung durch Feststellung der mindestens erforderlichen Menge
des jeweiligen Nährstoffes, die ausreicht, um die spezifischen Mangelerscheinungen zu verhindern (Mindestbedarf). Da dieser Mindestbedarf individuell
unterschiedlich ist, wird der Mittelwert an einer ausreichend großen Stichprobe
ermittelt. Um nun sicherzustellen, daß auch Personen mit einem überdurchschnittlich hohen Bedarf bei Aufnahme der empfohlenen Nährstoffmenge ausreichend versorgt sind, wird zu diesem durchschnittlichen Mindestbedarf meistens die zweifache Standardabweichung des untersuchten Kollektivs dazugerechnet, woraus sich statistisch eine ausreichende Versorgung für 98% aller
Individuen einer bestimmten Personengruppe ergibt (Abb. 7.1).
Aufgrund dieser Methode zur Entwicklung solcher Nährstoffempfehlungen bedeutet dies also, daß 98% der Bevölkerung mit einer Nährstoffaufnahme in der
empfohlenen Höhe ausreichend versorgt sind. Dabei ist es aber auch durchaus
möglich, daß die einzelne Person trotz einer niedrigeren Zufuhr optimal versorgt ist, während die Wahrscheinlichkeit, bei einer Zufuhr in der empfohlenen
Höhe nicht ausreichend versorgt zu sein, außerordentlich gering ist. Eine wesentliche Einschränkung ist mit dieser Form der Entwicklung von Empfehlungen
7.2
Kapitel 7: Richtlinien zur Optimierung des Ernährungsstatus
deshalb verbunden: die individuelle Versorgung einer einzelnen Person mit
einem oder mehreren Nährstoffen läßt sich nicht hinreichend beurteilen, es
kann lediglich die Aussage getroffen werden, daß eine Person mit relativ großer
Wahrscheinlichkeit ausreichend versorgt ist, während kaum Aussagen über eine
Unterversorgung getroffen werden können. Daher sollte nur die Nährstoffversorgung von Personengruppen mit dieser Art von Empfehlungen beurteilt werden.
2 sd
2 sd
a
c
b
Abb. 7.1: Häufigkeitsverteilung des Nährstoffbedarfes einer Population und
darauf basierende Ermittlung der Nährstoffempfehlung
(b = durchschnittlicher Bedarf, c = durchschnittlicher Bedarf + doppelte Standardabweichung
= Empfehlung)
7.2 Möglichkeiten und Grenzen nährstoffbasierter Empfehlungen
Die Besonderheiten von nährstoffbasierten Empfehlungen werden unglücklicherweise selbst von Ernährungsexperten oft nicht berücksichtigt, woraus in
vielen Fällen Fehlinterpretationen resultieren und letztendlich teilweise gravierende Veränderungen des Ernährungsverhaltens empfohlen werden, ohne daß
diese dann den erwünschten Erfolg bringen können. Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr betreffen aber nicht nur Menschen mit einem unzureichenden Ernährungsverhalten, sondern es sind alle Menschen betroffen, da z.B. die Kennzeichnung von Lebensmitteln auf der Basis dieser Empfehlungen durchgeführt
werden kann. Wenn etwa ein Lebensmittel eine besonders große Menge an
einem bestimmten Nährstoff enthält, kann dieses Lebensmittel mit einer Angabe
in der Art „eine Portion liefert xxx Prozent des täglichen Bedarfes oder der täglich empfohlenen Menge an Nährstoff yyy“ beworben werden, obwohl dies
7.2 Möglichkeiten und Grenzen nährstoffbasierter Empfehlungen
7.3
strenggenommen in dieser Form gar nicht so definitiv und für alle Konsumenten
ausgesprochen werden kann. Oft werden jedoch solche Kennzeichnungen von
den Konsumenten gar nicht wahrgenommen; die meisten Menschen können
nur bei sehr wenigen Nährstoffen sagen, ob sie in einem bestimmten Lebensmittel in größerer Menge enthalten sind. Bei der Fülle an Nährstoffen, die heute
für die Ernährung des Menschen als lebensnotwendig angesehen werden, ist
das auch nicht weiter überraschend: einschließlich der essentiellen Aminosäuren, der essentiellen Fettsäuren, sowie Energie und Wasser sind dies laut den
derzeit gültigen Empfehlungen zur wünschenswerten Nährstoffzufuhr der Deutschen Gesellschaft für Ernährung 28 verschiedene Nährstoffe.
Gerade weil die Nährstoffkennzeichnung in ihrer derzeitigen Fülle nur von wenigen Menschen beachtet wird, sind Hervorhebungen von einzelnen Nährstoffen im Vergleich zu den jeweiligen Empfehlungen für diesen Nährstoff besonders kritisch zu betrachten. Durch diesen Vergleich wird suggeriert, daß dieses
Lebensmittel besonders reich an einem bestimmten Nährstoff ist, obwohl keine
Vergleiche mit anderen Lebensmitteln möglich sind und obwohl der Vergleich
mit der Empfehlung selbst problematisch ist. In den USA sind Angaben über
den Nährstoffgehalt eines Lebensmittels auf der Verpackung sehr beliebt, dort
ist jedoch die zusätzliche Angabe von bestimmten Nährstoffen vorgeschrieben.
Dadurch kann ein Vergleich zwischen einzelnen Lebensmitteln sowohl auf Basis des hervorgehobenen Gehaltes an Nährstoffen als auch auf Basis der Mindestkennzeichnung erfolgen, also z.B. des Energiegehaltes oder des Gehaltes an
Fett, Natrium oder Cholesterin. Daß dieses System auch nicht immer unbedingt
zum Vorteil des Konsumenten reicht, kann man an Angaben wie „100% cholesterinfrei“ auf Mineralwasserflaschen erkennen, ein Lebensmittel, das nie Cholesterin enthielt. Durch die besondere Hervorhebung wird jedoch suggeriert,
daß diese spezielle Marke einen Vorteil gegenüber anderen Marken habe.
Neben diesen eher praxis- und konsumentenorientierten Besonderheiten der
Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr sind jedoch von wissenschaftlicher Seite ähnlich den Formulierungen des amerikanischen Food and Nutrition Board einige kritische Anmerkungen angebracht:
Ein großes Problem bei der Erstellung von Empfehlungen ist die Verfügbarkeit
ausreichender wissenschaftlicher Ergebnisse zur jeweiligen Nährstoffmenge, die
erforderlich ist, alle Mangelerscheinungen deutlich zu verhindern. Während
dies für die Personengruppe der Erwachsenen meistens auf keine größeren
Schwierigkeiten stößt, sind Daten über andere Personengruppen, wie Säuglinge
und Kleinkinder, aber auch Jugendliche oder ältere Menschen nur in meist unzureichendem Umfang verfügbar. Daher wird für diese Personengruppen meistens unter Berücksichtigung der verschiedenen physiologischen Unterschiede
von den Empfehlungen, die als gesichert gelten können, rückgeschlossen, ein
Vorgang, der mit mehr oder weniger großen Ungenauigkeiten verbunden ist.
7.4
Kapitel 7: Richtlinien zur Optimierung des Ernährungsstatus
Wie alle Prozesse, die mit gesundheitspolitischen Konsequenzen verbunden
sind, gilt auch für die Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr, daß unterschiedliche
Interessen, Meinungen oder wissenschaftliche Sichtweisen einen großen Einfluß ausüben können. Durch die entsprechende Wahl von unabhängigen Gremien aus allen Kreisen, die mit diesen Fragen zu tun haben, sollen diese Unterschiede ausgeglichen werden. Daß dies nicht immer gelingt, ist vor allem an
den teilweise beträchtlichen Unterschieden zu erkennen, die zwischen den
Empfehlungen der verschiedenen nationalen Ernährungsgesellschaften bestehen, obwohl die Basis der Ermittlung dieser Empfehlungen prinzipiell gleich ist.
So wird in Großbritannien z.B. eine Vitamin C-Zufuhr von 40 mg für gesunde
Erwachsene für ausreichend erachtet, während in Deutschland (und damit auch
in Österreich) erst bei 75 mg die Empfehlung erfüllt sein soll.
Heftig diskutiert wird, ob die Empfehlungen auch Zuschläge für die Zufuhr von
Nährstoffen berücksichtigen sollen, wenn besondere Lebens- oder Konsumgewohnheiten vorliegen, die zu einer höheren Häufigkeit bestimmter Erkrankungen führen können. Ist es also Aufgabe der Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr
z.B. für Raucher, die bekanntermaßen einen deutlich höheren Bedarf an Vitamin C haben, eine entsprechend angepaßte Empfehlung auszusprechen, obwohl Rauchen gesundheitsschädlich ist? Oder müssen Empfehlungen ausgesprochen werden, die einen präventiven Schutz vor bestimmten Zivilisationskrankheiten bieten, wenn die allgemeine Lebensweise so ungünstig ist, daß die
Erkrankungsgefahr für diese Krankheiten gestiegen ist? Wie groß ist die Gefahr,
daß diese höhere Empfehlung falsch verstanden wird, und die Konsumenten
glauben, sich vor allen Gefahren einer ungesunden Lebensweise schützen zu
können, wenn sie die Nährstoffe in diesen Mengen konsumieren?
In diesem Zusammenhang ergibt sich ein weiteres Problem: müssen die Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr nicht auch berücksichtigen, daß viele Nährstoffe
nicht in unbedenklich hohen Mengen konsumiert werden dürfen, sondern daß
diese Nährstoffe ab einer bestimmten Menge toxisch sind? Dies gilt in ganz besonderem Maße bei der Zufuhr von isolierten Nährstoffen in Form von Nahrungsergänzungsmitteln (Supplementen). Ist es daher also Aufgabe dieser Empfehlungen, obere Grenzen zu definieren, die nicht überschritten werden sollten, und wie sind die wissenschaftlichen Daten zur Festlegung dieser Grenzen
zu ermitteln bzw. auszuwerten?
Die Empfehlungen könnten dabei entweder als fixe Werte für die einzelnen
Alters- und Geschlechtsgruppen angegeben werden, oder aber als Bereiche,
innerhalb derer sich die Zufuhren bewegen sollten.
Reichen unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse aus, um die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Nährstoffen zu verstehen, Wechselwirkungen in natürlichen Lebensmitteln und Wechselwirkungen in Supplementen?
Kennen wir überhaupt alle Nährstoffe bzw. die ernährungsphysiologischen
Wirkungen aller Inhaltsstoffe unserer Lebensmittel?
7.3 Lebensmittelbasierte Richtlinien und Empfehlungen
7.5
7.3 Lebensmittelbasierte Richtlinien und Empfehlungen
Auf Basis all dieser Fragen, Einschränkungen und Besonderheiten, die mit den
Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr verbunden sind, wird leicht verständlich,
daß derartige Werte eigentlich nur von Fachleuten mit dem erforderlichen
Sachverstand und der notwendigen Umsicht eingesetzt und interpretiert werden können. Schon der Einsatz dieser Empfehlungen in der individuellen Ernährungsberatung stößt auf alsbaldige Grenzen, während die Verwendung der
Empfehlungen für die Nährwertkennzeichnung und Konsumenteninformation
im günstigsten Falle verwirrend sein kann. Daher wird in letzter Zeit vermehrt
auf Empfehlungen auf Lebensmittelbasis zurückgegriffen, ein Konzept, das nicht
nur leichter zu vermitteln und zu verstehen ist, sondern letztendlich wahrscheinlich auch leichter umzusetzen und daher erfolgreicher anzuwenden ist.
Tabelle 7.1: Prinzipielle Kriterien zur Formulierung von lebensmittelbasierten
Ernährungsempfehlungen (FAO/WHO 1996):
Ernährungsmuster
• Die komplette Ernährung und nicht einzelne Nährstoffe oder Lebensmittel
sollte angesprochen werden.
• Ernährungsempfehlungen sollten sich auf Ernährungsmuster beziehen und
nicht auf eine numerisch zu erfüllende Nährstoffzufuhr.
• Viele verschiedene Ernährungsmuster können mit einer guten Gesundheit
im Einklang stehen.
Durchführbarkeit
• Die empfohlenen Lebensmittel oder Lebensmittelgruppen sollten für einen
Großteil der Bevölkerung erschwinglich, verfügbar und zugänglich sein.
• Empfehlungen sollten so flexibel sein, daß sie von Personen mit unterschiedlichen Lebensgewohnheiten, unterschiedlichem Alter und unterschiedlichen physiologischen Gegebenheiten eingehalten werden können.
Verständlichkeit
• Allgemein bekannte Lebensmittelgruppen sollten ausgewählt werden.
• Die Wortwahl und Grammatik der Empfehlungen sollten der Zielgruppe
angepaßt, Abbildungen sollten leicht zu verstehen sein.
• Alle Materialien sollten vor ihrer Verbreitung getestet werden.
Kulturelle Akzeptanz
• Die Auswahl der Lebensmittel selbst, aber auch von Farben und Illustrationen sollten dem Kulturkreis entsprechen.
• Radikale Veränderungen des kulturell üblichen Ernährungsverhaltens sollten
nicht empfohlen werden.
• Die Empfehlungen sollten positiv formuliert sein und zum genießerischen
Umgang mit der geeigneten Ernährung ermutigen.
Für die Entwicklung von lebensmittelbasierten Ernährungsempfehlungen wurden von der FAO/WHO einige prinzipiellen Kriterien festgelegt, die bei der
Formulierung beachtet werden sollten (Tab. 7.1).
7.6
Kapitel 7: Richtlinien zur Optimierung des Ernährungsstatus
Für diese Art an Ernährungsempfehlungen gibt es inzwischen eine Vielzahl von
Beispielen. Am bekanntesten dürften hierbei der Ernährungskreis (Abb. 7.2) der
Deutschen Gesellschaft für Ernährung, basierend auf den „10 Regeln für eine
vollwertige Ernährung“, sowie die „Ernährungspyramide“ (Food Guide Pyramid)
aus den USA sein. Bei beiden Konzepten wird eine direkte Empfehlung von
einzelnen Lebensmitteln vermieden, indem nur Vorschläge für Portionen oder
Verzehrshäufigkeiten für ganze Lebensmittelgruppen ausgesprochen werden.
Dies soll dem Verbraucher helfen, seinen eigenen Vorlieben für bestimmte Lebensmittel innerhalb dieses Bereiches nachgehen zu können, so daß weder Genoch Verbote ausgesprochen werden müssen.
Abb. 7.2: Der Ernährungskreis
Wie funktioniert der Ernährungskreis?
Basis des Ernährungskreis sind die 10 Regeln der Deutschen Gesellschaft
für Ernährung für eine vollwertige Ernährung. Die erste Regel, die auch
den Ernährungskreis beinhaltet besagt: Abwechslungsreich Essen - das
schmeckt und ist vollwertig. Je vielfältiger Sie Ihre Speisen zusammenstellen, desto mehr lebensnotwendige Nährstoffe erhalten Sie, und desto weniger werden Sie durch unerwünschte Stoffe in der Nahrung belastet. Und
was die Nahrungsmenge bzw. die Joule oder Kalorien betrifft: Essen Sie
gerade soviel, daß Sie kein Über- oder Untergewicht bekommen.
Nur vielseitiges Essen ist vollwertig. Unser Körper stellt hohe Ansprüche an
die Ernährung: Er verlangt jeden Tag eine Vielzahl von Nährstoffen: Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate, Vitamine, Mineralstoffe, Wasser und Ballaststoffe. Er fordert jeweils eine ganz bestimmte Menge davon. Kein einzelnes
Lebensmittel erfüllt diese Bedingungen, denn jedes liefert immer nur einen
Teil aller lebensnotwendigen Nährstoffe. Wer aber täglich verschiedene
7.3 Lebensmittelbasierte Richtlinien und Empfehlungen
7.7
Lebensmittel ißt - was ganz normal ist -, nimmt automatisch viel mehr
Nährstoffe auf. Damit der Körper alle Nährstoffe in der richtigen Menge
erhält, müssen wir die Lebensmittel geschickt kombinieren. Wie, das zeigt
der Ernährungskreis.
Auf eine einfache Formel gebracht, gilt:
Wählen Sie täglich und reichlich Lebensmittel aus den Gruppen 1 bis 5.
Essen Sie weniger Lebensmittel aus den Gruppen 6 und 7.
Wechseln Sie vor allem bei den Lebensmitteln aus der Gruppe 6 konsequent ab.
Bevorzugen Sie Fisch!
Die Auswahl der Lebensmittel könnte beispielsweise so aussehen:
Lebensmittel
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Verzehrsempfehlungen
Getreide, Getreideprodukte und
Kartoffeln
Täglich 5-7 Scheiben Brot (ca. 250-350g). 1
Portion Reis oder Nudeln (roh ca. 75-90 g,
gekocht 220-270 g) oder 1 Portion Kartoffeln (ca. 250-300 g = 4-5 mittelgroße)
Gemüse und Hül- Täglich mindestens 1 Portion Gemüse (ca.
senfrüchte
200 g) und 1 Portion Salat (ca. 75 g)
Obst
Täglich mindestens 1-2 Stück oder 1-2 Portionen Obst (ca. 200-250 g)
Getränke
Täglich 1 1/2 l Flüssigkeit (z. B. Mineralwasser, ungesüßte Kräuter- und Früchtetees, Gemüsesäfte, verdünnte Obstsäfte, in
Maßen Kaffee und schwarzen Tee)
Milch und MilchTäglich 1/4 l fettarme Milch und 3 Scheiprodukte
ben Käse (à 30 g)
Fisch, Fleisch und Wöchentlich 2 Portionen Seefisch (à 150
Eier
g), höchstens 2-3 mal pro Woche 1 Portion
Fleisch (max. 150 g) und 2 bis 3 mal Wurst
(max. 50 g), wöchentlich bis zu 3 Eier
Fette und Öle (But- Täglich höchstens 40 g Streich- und Kochter, Pflanzenmarga- fett, z. B. 2 Eßlöffel Butter oder Margarine
rine oder -öle)
und 1 Eßlöffel hochwertiges Pflanzenöl
Auch diese Art von Ernährungsempfehlungen müssen natürlich an die besonderen Gegebenheiten der Zielgruppen angepaßt werden. Die unterschiedlichen
Anforderungen an eine gesunde Ernährung der verschiedenen Kulturkreise und
der verschiedenen Personengruppen innerhalb einer Gesellschaft müssen berücksichtigt werden, wobei auch typische Ernährungsfehler beachtet werden
sollten. Wie bereits erwähnt hat Österreich bei diesen Empfehlungen, ähnlich
wie die Schweizerische Gesellschaft für Ernährungsforschung, bisher immer die
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung übernommen (DGE
1991). Die Frage, ob diese Empfehlungen aufgrund vergleichbarer Gewohnheiten im Ernährungsverhalten in allen drei Ländern die gleiche Gültigkeit besitzen, konnte zumindest in Österreich zunächst nicht beantwortet werden, da
entweder keine oder qualitativ nur unzureichende Daten über dieses Ernährungsverhalten der verschiedensten Bevölkerungsgruppen (Kinder, Jugendliche,
7.8
Kapitel 7: Richtlinien zur Optimierung des Ernährungsstatus
Erwachsene, schwangere und stillende Frauen, ältere Menschen) vorlagen. Diese Situation hat sich erst mit den Anfängen zur Erstellung einer repräsentativen
und landesweiten Ernährungsstudie, der österreichischen Studie zum Ernährungsstatus (Austrian Study on Nutritional Status – ASNS) durch das Institut für
Ernährungswissenschaften der Universität Wien, verändert (Elmadfa et al.
1995). Letztendlich war das Ziel der ASNS die Beobachtung des Ernährungsverhaltens der österreichischen Bevölkerung und die Herausarbeitung etwaiger
Besonderheiten, um auf dieser Basis erforderlichenfalls spezifische Empfehlungen zu formulieren. Diese Empfehlungen sollten dann sowohl auf der Formulierung einer wünschenswerten Zufuhrhöhe an Nährstoffen für den professionellen Bereich der Ernährungswissenschaften als auch auf der Formulierung von
lebensmittelbezogenen Empfehlungen für die österreichische Bevölkerung basieren. Ob für diesen Zweck die bereits bestehenden Programme übernommen
werden können, müssen die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen zeigen, da bei manchen Nährstoffen eine Adaptierung erforderlich werden könnte.
Je nach Situation in den einzelnen Bevölkerungsgruppen ist z.B. die Forderung
nach einer relativ radikalen Senkung der Fettzufuhr kritisch zu überprüfen, da
mit diesem Hauptnährstoff nicht nur Energie sondern auch fettlösliche Vitamine
transportiert werden, so daß mit der Reduktion des Fettanteiles an der Energiezufuhr auch eine Reduktion der Zufuhr an fettlöslichen Vitaminen einhergehen
könnte. Die folgenden Ausführungen sollen diesen Aspekt etwas näher beleuchten.
7.4 Konsequenzen von lebensmittelbasierten Richtlinien – ein Beispiel für Österreich
Für die Beurteilung der Zufuhr an Lebensmitteln wird in derartigen Untersuchungen die Nahrungsaufnahme über zumindest einen Fragebogen zur Ermittlung der Verzehrshäufigkeiten (Food Frequency Questionnaire) sowie ein 24-hProtokoll erhoben. So liegen für Österreich aus der Teilstudie zum Ernährungsstatus österreichischer Schulkinder ein Gesamtstichprobenumfang von 2.173
Protokollen von Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 18 Jahren vor, die
auf einem 7-Tage-Wiegeprotokoll basierten, während die Teilstudie an gesunden österreichischen Erwachsenen 2.488 24-h-Protokolle von 18 bis 60Jährigen beinhaltete. Von einer weiteren Unterstichprobe der Schulkinder liegen darüber hinaus noch 1.400 Einzelwerte für verschiedene Biomarker des
Ernährungsstatus aus laborchemischen Bestimmungen vor (s.a. Kap. 2.1 und
2.2).
Die Ergebnisse der Food Frequency Questionnaires, der 24-h-Protokolle bzw.
der 7-Tage-Wiegeprotokolle wurden für die computerunterstützte Auswertung
digitalisiert und entsprechend dem Bundeslebensmittelschlüssel (BLS), teilweise
ergänzt durch typisch österreichische Speisen und Rezepturen [dato 1995], co-
7.4 Konsequenzen von lebensmittelbasierten Richtlinien – ein Beispiel für Österreich
7.9
diert. Somit standen einerseits die Mengen der einzelnen Lebensmittel sowie nach der Verknüpfung dieser Werte mit der Nährwerttabelle des BLS - die jeweils konsumierten Mengen an Nährstoffen aus diesen Lebensmitteln für jedes
untersuchte Individuum zur Verfügung. Daher liegen für andere Untersuchungen Informationen über alle vom BLS aufgenommenen Nährstoffe vor, für den
vorliegenden Beitrag werden jedoch lediglich die direkt aus den Protokollen
übernommenen Ergebnisse zur Aufnahme an Fett, gesättigten Fettsäuren und
Ballaststoffen dargestellt.
Aufgrund der Erhebungsmethodik kann für einen Teil der untersuchten Bevölkerungsgruppen der Beitrag von nur selten verzehrten Lebensmitteln zur Nährstoffzufuhr nicht exakt ermittelt werden. Gemeinsam mit den Einschränkungen
der Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr der Deutschen Gesellschaft für Ernährung können daher die Ergebnisse zur Nährstoffaufnahme nicht auf individueller Ebene, sondern nur auf der Ebene der untersuchten Bevölkerungsgruppen
betrachtet werden. Darüberhinaus müssen auch aufgrund der Übertragungsart
der einzelnen Protokolle in die computergestützte Auswertung einige Einschränkungen beachtet werden, da in der verwendeten Datenbank des Bundeslebensmittelschlüssels für die vorhandenen Rezepturen keine Aufschlüsselung
in die einzelnen, hierfür verwendeten Lebensmittel erfolgt. Daraus ergibt sich,
daß für den Konsum von Obst und Gemüse zwar die Aufnahmen an frischem
Obst und Gemüse, zubereitetem Obst und Gemüse als Hauptkomponente von
Gerichten sowie Obst- und Gemüseprodukten wie Marmelade, Ketchup oder
auch Konserven erhoben werden konnten, nicht jedoch die Aufnahme an Obst
und Gemüse in Form von Rezepturbestandteilen (z.B. Tomaten auf der Pizza,
Zwiebeln in Fleischgerichten, Kirschen in Kuchen, usw.).
Einen Überblick über die aufgenommenen Mengen an Nährstoffen und Lebensmittelgruppen der verschiedenen Altersgruppen in Österreich innerhalb
der ASNS gibt Tabelle 7.2.
7.10
Kapitel 7: Richtlinien zur Optimierung des Ernährungsstatus
Tabelle 7.2: Aufnahme an Fett, gesättigten Fettsäuren (SFA), Obst und Gemüse
verschiedener Altersgruppen der österreichischen Bevölkerung
Alter
(Jahre)
4-6
7-9
10-12
13-14
15-18
19-25
26-35
36-45
46-56
> 56
Fett (% kJ)
SFA (% kJ)
Obst (g/d)
Gemüse (g/d)
Fett (% kJ)
SFA (% kJ)
Obst (g/d)
Gemüse (g/d)
Fett (% kJ)
SFA (% kJ)
Obst (g/d)
Gemüse (g/d)
Fett (% kJ)
SFA (% kJ)
Obst (g/d)
Gemüse (g/d)
Fett (% kJ)
SFA (% kJ)
Obst (g/d)
Gemüse (g/d)
Fett (% kJ)
SFA (% kJ)
Obst (g/d)
Gemüse (g/d)
Fett (% kJ)
SFA (% kJ)
Obst (g/d)
Gemüse (g/d)
Fett (% kJ)
SFA (% kJ)
Obst (g/d)
Gemüse (g/d)
Fett (% kJ)
SFA (% kJ)
Obst (g/d)
Gemüse (g/d)
Fett (% kJ)
SFA (% kJ)
Obst (g/d)
Gemüse (g/d)
Min
25.
50.
75.
Max
Mittel- Std.- Empf.
wert abw.
21
7
20
0
11
4
0
0
12
5
0
0
13
5
0
0
7
1
0
0
2
0
0
0
14
3
0
0
4
1
0
0
13
3
0
0
3
0
0
0
30
13
88
18
30
12
121
42
29
11
124
43
29
12
125
48
28
11
144
79
32
13
0
0
32
13
0
0
33
14
0
5
34
14
0
0
34
14
0
50
34
14
117
42
34
14
149
72
33
13
170
80
34
14
175
86
32
13
206
121
37
16
125
100
38
16
50
130
38
17
53
150
39
17
0
120
38
17
105
150
40
17
169
80
37
16
193
114
38
15
231
120
38
16
257
144
37
15
295
170
43
19
348
200
43
20
250
225
44
20
300
200
45
20
223
200
45
21
250
200
48
23
331
229
54
29
447
308
58
28
710
390
63
25
745
498
52
22
1525
458
68
33
2510
1150
68
33
1500
1160
68
32
1800
1509
65
31
915
640
60
32
1100
490
34
14
132
57
33
14
162
82
33
14
183
89
34
14
195
104
32
13
236
130
37
16
244
132
38
16
176
174
38
17
204
148
39
17
133
124
39
18
160
145
6.2
2.9
62
57
6.2
3.3
79
60
6.5
3.1
103
66
6.9
3.3
124
78
7.1
3.1
161
77
8.9
4.6
347
155
8.4
4.6
248
544
8.8
4.7
297
150
8.4
4.5
203
118
7.9
4.8
203
116
30
10
30
10
30
10
30
10
30
10
30
10
30
10
30
10
30
10
30
10
7.4 Konsequenzen von lebensmittelbasierten Richtlinien – ein Beispiel für Österreich
12
7.11
Aufnahme an Obst und Gemüse (Median, % der Gesamtaufnahme)
Obst
Gemüse
10
8
6
4
2
0
4-6
7-9
10-12
13-14
15-18
19-25
26-35
36-45
46-56
> 56
Alter (Jahre)
Abbildung 7.3: Durchschnittliche Aufnahmen an Obst und Gemüse (% der
Gesamtaufnahme an Lebensmitteln) von verschiedenen Altersgruppen der
österreichischen Bevölkerung
Um einen schnelleren Vergleich der Gruppen zu ermöglichen, zeigt die Abbildung 7.3 zusätzlich die durchschnittlichen Aufnahmen an Obst und Gemüse.
Aus Tabelle 7.2 ist zu erkennen, daß der Beitrag an Fetten zur Gesamtaufnahme
an Energie in allen Altersgruppen über der empfohlenen Menge von 30 Energieprozent liegt; zwischen den Gruppen zeigen sich hierbei keine signifikanten
Unterschiede, obwohl eine Tendenz zu höheren Anteilen mit steigendem Alter
beobachtet werden kann. Mindestens etwa 75% der österreichischen Bevölkerung nehmen mehr als die empfohlenen 30 Prozent der Energie in Form von
Fetten zu sich, wobei wieder die älteren Personen eine höhere Prävalenz für
eine hohe Fettaufnahme zeigen. Ähnliche Beobachtungen gelten für die Aufnahmen an gesättigten Fettsäuren; in allen Altersgruppen werden zwischen 40
und 46 Prozent der Energie in Form von gesättigten Fettsäuren zugeführt, was
deutlich über dem empfohlenen Wert von einem Drittel der Gesamtfettzufuhr
liegt.
Aus Abbildung 7.3 ist das interessante Ergebnisse abzulesen, daß der Konsum
an Obst und Gemüse, ähnlich wie die Aufnahme an Ballaststoffen, von wachsender Bedeutung im Laufe des Heranwachsens der Kinder und Jugendlichen
ist, was als Zeichen der wachsenden Selbstverantwortlichkeit für das eigene
Ernährungsverhalten und das Interesse an der Ernährung dieser Altersgruppen
gesehen werden kann. Dennoch kann auch diese Tendenz nicht bis zum und
während des Erwachsenenalters aufrecht erhalten werden. Die stetig wieder
absinkenden Zufuhren an Obst und Gemüse in den Altersgruppen über 18 Jah-
7.12
Kapitel 7: Richtlinien zur Optimierung des Ernährungsstatus
ren reflektieren das wieder geringer werdende Interesse an „gesunder Ernährung“. Dieser Rückgang geht sogar so weit, daß bei der Frage an österreichische
Erwachsene im Alter von 46-56 Jahren nach ihrem Lebensmittelverzehr am Vortag über 50% antworten, daß sie an diesem Tag überhaupt kein Obst zu sich
genommen haben (vgl. Tab. 7.2). Wenn aber in dieser Altersgruppe Obst und
Gemüse verzehrt wurde, waren dies relativ hohe Mengen im Vergleich zu den
Erwachsenen im Alter von 36-45 Jahren. Im höheren Alter werden dann wieder
steigende Aufnahmen an Obst und Gemüse gefunden, wobei diese Mengen
immer noch unter den relativen Aufnahmemengen (Aufnahme bezogen auf die
Gesamtmenge an konsumierter Nahrung, vgl. Abb. 7.3) der Kinder und Jugendlichen liegen.
Auf Basis der aufgenommenen Mengen an Fett wurden die verschiedenen Personengruppen als Konsumenten mit hoher Fettaufnahme klassifiziert, wenn die
Fettaufnahme über 37% der täglich aufgenommenen Energiemenge lag (75.
Perzentile, n = 1.050) und als Konsumenten mit niedriger Fettaufnahme, wenn
die Fettaufnahme einen Wert von 31 Energieprozent unterschritt (25. Perzentile, n = 350). Anschließend wurden die Charakteristika sowohl der Aufnahme
an Nährstoffen als auch an Lebensmitteln auf Basis der statistischen Unterschiedsprüfung mit dem t-Test ermittelt. Die Ergebnisse dieses Vergleiches von
einigen ausgewählten Variablen sind in den Tabellen 7.3 und 7.4 dargestellt.
Hierbei wurde festgestellt, daß Personen mit einer (relativ) niedrigen Fettaufnahme höhere Aufnahmen an Gesamtkohlenhydraten, Saccharose, Ballaststoffen, Kalium, Magnesium und Folsäure aufweisen. Niedrigere Aufnahmen sind
bei Cholesterin, Vitamin B2, Vitamin B6 und Vitamin D zu beobachten (Tab.
7.3). Die Auswertung auf der Basis von Lebensmitteln zeigt, daß Personen mit
niedriger Fettaufnahme auch geringere Mengen an Butter, Margarine, Fisch,
Fleisch und Fleischprodukten sowie Hülsenfrüchten konsumieren, jedoch höhere Mengen an Getreideprodukten, Vollkornbrot, Milch und Milchprodukten,
sowie Obst und Obstsäften. Bei allen anderen Lebensmittelgruppen wurden
keine Unterschiede zwischen Personen mit hohem und niedrigem Fettkonsum
festgestellt (Tab. 7.4).
Letztendlich sind diese Ergebnisse nicht außerordentlich überraschend: Personen mit einer niedrigeren Fettaufnahme zeigen das relativ typische Ernährungsverhalten mit einer charakteristisch niedrigen Zufuhr an tierischen Lebensmitteln, was auch zu einer niedrigeren Zufuhr an Cholesterin führt, während im
Gegensatz hierzu typischerweise vermehrt Saccharose konsumiert wird. In diesem Zusammenhang ist jedoch anzumerken, daß Personen mit einer niedrigen
Fettaufnahme interessanterweise keine niedrigeren Plasmaspiegel an Cholesterin aufweisen als Personen mit einer höheren Fettaufnahme (166 ± 35 gegenüber 168 ± 36 mg/dl, p = 0.611) oder etwa niedrigere Plasmakonzentrationen
an fettlöslichen Nährstoffen wie α-Tocopherol, β-Carotin oder Phyllochinon.
Eine Ernährung mit einem relativ niedrigen Anteil an Fett beinhaltet daher keineswegs das Risiko einer eventuellen Mangelversorgung mit jenen Nährstoffen,
7.4 Konsequenzen von lebensmittelbasierten Richtlinien – ein Beispiel für Österreich
7.13
die mit dem Nahrungsfett assoziiert sind und kann daher auf Basis der 25. Perzentile (entsprechend 30% der Energie) des derzeitigen Konsums uneingeschränkt empfohlen werden. Es muß allerdings nochmals deutlich darauf hingewiesen werden, daß auch dieses Niveau der Fettzufuhr immer noch relativ
hoch liegt und teilweise im Bereich bzw. sogar noch über den empfohlenen
Mengen zur wünschenswerten Zufuhr an Fetten. Daher sollte als erster Schritt
zur Optimierung des Ernährungsverhaltens die Fettaufnahme aller Personen
oberhalb der 25. Perzentile auf das Niveau der Empfehlung reduziert werden.
Tabelle 7.3: Nährstoffaufnahme von Personen mit niedrigerer Fettaufnahme
(Fettaufnahme unter der 25. Perzentile) und mit höherer Fettaufnahme
(Fettaufnahme über der 75. Perzentile)
Cholesterin (mg)
gesättigte Fettsäuren (g)
Einf. Unges. Fettsäuren (g)
Energie (kJ)
Kochsalz (g)
Gesamtmenge (g)
Saccharose (g)
Calcium (mg)
Eisen (mg)
Jod (µg)
Kalium (mg)
Magnesium (mg)
Natrium (mg)
Phosphor (mg)
Zink (mg)
Retinol (µg Äquivalente)
β-Carotin (mg)
Thiamin (µg)
Cobalamin (µg)
Riboflavin (µg)
Pyridoxin (µg)
freie Folsäure (µg)
Calciferole (µg)
Tocopherole (mg)
Ethanol (g)
Ballaststoffe (g)
Protein (g)
Kohlenhydrate (g)
Wasser (g)
niedrige Fettaufn.
Mittelw. Std.Abw.
256
107
25
10.0
20
8.0
7839
2933
6.1
3.1
1924
739
78
37.8
742
358
10
4.2
117
74.2
2192
1429
257
116
2537
1279
1382
512
8
3.5
638
457
1.6
1.3
909
471
3.4
2.7
1217
616
1130
568
97
45.7
1.4
1.1
7.9
4.1
0.8
2.5
18
8.7
54
22.2
254.5
95
1500
609
hohe Fettaufn.
Mittelw. Std.Abw.
361
125
37
11.0
30
9.0
8347
2436
6.8
2.4
1720
546
58
26.0
751
310
11
3.5
115
57.1
2165
736
250
80
2841
1001
1426
420
9
2.9
766
552
1.6
1.0
1013
379
4.5
3.0
1278
494
1188
413
92
36.7
1.9
1.3
9.1
3.8
0.8
2.2
15
5.5
64
19.5
210
65
1315
453
p
0.039
0.063
0.076
0.161
0.294
0.000
0.000
0.401
0.109
0.064
0.008
0.000
0.268
0.075
0.279
0.286
0.148
0.142
0.358
0.043
0.005
0.006
0.007
0.509
0.524
0.000
0.981
0.000
0.000
7.14
Kapitel 7: Richtlinien zur Optimierung des Ernährungsstatus
Tabelle 7.4: Aufnahme an Lebensmitteln von Personen mit niedrigerer
Fettaufnahme (Fettaufnahme unter der 25. Perzentile) und mit höherer
Fettaufnahme (Fettaufnahme über der 75. Perzentile)
alkoholische Getränke (g)
Butter (g)
Reis (g)
Fisch (g)
Fleisch (g)
frisches Gemüse (g)
Geflügel (g)
Gemüse gesamt (g)
Getreideprodukte gesamt (g)
Faschiertes (g)
Honig (g)
Hülsenfrüchte (g)
Joghurt (g)
Käse (g)
Kaffee (g)
Kakao (g)
Kartoffeln (g)
Snacks (g)
Limonaden (g)
Margarine (g)
Milch (g)
Milchprodukte (g)
Frühstückszerealien (g)
Nudeln (g)
Obst (g)
Pommes frittes (g)
Obstsäfte (g)
Salate (g)
dunkles Brot (g)
Schweineschinken (g)
Zitrusfrüchte (g)
Süßigkeiten (g)
Tee (g)
Vollkornbrot (g)
Weißbrot (g)
fette Wurst (g)
magere Wurst (g)
niedrige Fettaufn. hohe Fettaufn.
MitStd.MitStd.telw.
Abw.
telw.
Abw.
35
130
32
120
8
8
14
12
43
72
61
73
34
60
53
80
111
69
163
88
87
76
101
69
64
89
86
108
95
77
110
72
843
454
638
330
26
54
41
74
10
15
9
14
24
57
36
75
129
164
84
117
50
55
50
58
56
106
65
105
128
153
144
150
119
91
133
82
22
53
21
49
350
323
267
236
2.6
6.0
3.9
9,1
297
211
294
181
153
154
120
122
43
88
25
53
140
141
145
154
223
140
176
109
37
97
47
79
353
269
217
190
75
66
82
65
89
57
76
47
21
30
27
39
159
145
114
114
62
54
61
45
176
167
157
163
28
46
25
40
74
42
73
38
43
39
75
53
27
31
36
38
p
0,569
0,000
0,062
0,000
0,001
0,327
0,002
0,354
0,000
0,000
0,776
0,000
0,000
0,901
0,138
0,340
0,203
0,954
0,000
0,000
0,241
0,031
0,000
0,229
0,003
0,236
0,000
0,750
0,002
0,001
0,175
0,099
0,234
0,100
0,082
0,000
0,000
Wie aus den Ergebnissen der Tabelle 7.4 leicht erkennbar ist, kann eine Ernährungsempfehlung auf Lebensmittelbasis in einem ersten Ansatz zur Verbesserung des Ernährungsstatus so einfach formuliert werden: „Weniger Fett und fettreiche Lebensmittel verzehren“. Eine Vielzahl anderer Ziele der Ernährungser-
7.5 Schlußfolgerungen und Ausblick
7.15
ziehung, sei es die Erhöhung des Obst- und Gemüsekonsums, des Konsums an
Getreideprodukten oder die Erhöhung der Ballaststoffaufnahme, oder gar die
Senkung der Cholesterinaufnahme, gehen mit einer Reduzierung des Fettkonsums einher. Vom psychologischen Standpunkt aus könnte jedoch die Formulierung einer positiven Empfehlung angebracht sein (im Sinne von „Du darfst“
anstatt „verzichte“), so daß sich letztendlich eine motivierende sowie verständliche und damit leicht zu befolgende Lebensmittelempfehlung ergibt.
7.5 Schlußfolgerungen und Ausblick
An diesem Beispiel zur Zufuhr fettlöslicher Nährstoffe wird deutlich, daß zumindest diese Empfehlung auf Lebensmittelbasis von anderen Organisationen
ohne Änderung auch in Österreich übernommen werden kann, ohne daß befürchtet werden müßte, daß es zu Mangelversorgungen bei den meisten Personengruppen kommt.
Lebensmittelbasierte Ernährungsempfehlungen versprechen hierbei jedoch ein
wesentlich größeres Potential zur Beeinflussung des Ernährungsverhaltens der
verschiedenen Personengruppen, weil sie flexibel einsetzbar sind und an alle
individuellen und kulturellen Ernährungsgewohnheiten angepaßt werden können, dabei jedoch einfach zu merken und damit leicht umsetzbar sind. Mit dem
entsprechenden Einsatz an Marketinginstrumenten, der natürlich ein gewisses
Maß an Ressourcen erfordert, können derartige Lebensmittelempfehlungen
schnell und effektiv einer großen Menge an Personen vermittelt werden. Dies
wurde eindrucksvoll durch das „Five-A-Day“-Programm bewiesen, das - bei
aller berechtigter Kritik an einigen Detailfragen des Programmes – mit teilweise
immensem Marketingaufwand beworben wurde und inzwischen einen hohen
Bekanntheitsgrad in den USA erreicht hat. Daraus wird aber leider auch ersichtlich, daß sich Ernährungsempfehlungen der gleichen Methoden bedienen müssen, die auch von der kommerziellen Werbeindustrie eingesetzt werden. Der
präventivmedizinische Effekt einer nachhaltigen Veränderung des Ernährungsverhaltens steht jedoch sowohl in finanzieller als auch in ethischer Hinsicht
weit über den Kosten solcher Kampagnen, so daß letztendlich alle gesundheitspolitisch verantwortlichen Behörden und Institutionen in gemeinsamer und vor
allem einheitlicher Weise solche Ernährungsprogramme unterstützen und vermitteln sollten. Bei der heutigen Fülle an Informationen, die der Bevölkerung
zur Verfügung steht, auch was das Thema Ernährung betrifft, ist der Aspekt der
Einheitlichkeit offizieller Ernährungsprogramme von besonderer Bedeutung.
Auch wenn daher einzelne Organisationen teilweise abweichende Ansichten
oder berechtigte Kritik an Detailfragen solcher Programme geltend machen
können, müssen zumindest auf einer bestimmten Basis diese Empfehlungen mit
einer eindeutigen und unmißverständlichen Stimme vermittelt werden. Sind
alle beteiligten Einrichtungen zu dieser Konformität in der Lage, besteht eine
7.16
Kapitel 7: Richtlinien zur Optimierung des Ernährungsstatus
große Chance auf eine Verbesserung der Lebensqualität von vielen Menschen
aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen.
Literatur:
1. Dato Denkwerkzeuge und Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien
(1995): Österreichischer Bundeslebensmittelschlüssel. Wien.
2. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (German Society of Nutrition) (1991): Empfehlungen
für die wünschenswerte Nährstoffzufuhr. Umschau Verlag, Frankfurt am Main.
3. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (German Society of Nutrition) (1991): Zehn Regeln für
eine vollwertige Ernährung. Umschau Verlag, Frankfurt am Main.
4. Elmadfa I, Godina-Zarfl B, Gruber B, König J, Mayer B, Horacek C, Dichtl M, Kloimüller I,
Szallai M, Ertl-Huemer C (1994): Der erste Wiener Ernährungsbericht. Dokumentationen
des WHO-Projektes: ‘Wien Gesunde Stadt’, Vol. 7, (Hrsg. WHO-Projekt Wien Gesunde
Stadt) Wien.
5. Elmadfa I, Godina-Zarfl B, Dichtl M, König J (1994): The Austrian Study on Nutritional Status of 6 to 18 Years old Pupils. Biblio Nutritio et Dieta; 51: 62-67.
6. Elmadfa I, Zarfl B, König J (1994): Untersuchungen zum Ernährungsstatus österreichischer
Schulkinder. Bericht zum Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Unterricht und
Kunst, GZ 40000/105-III/13/92, Wien.
7. Elmadfa I, Zarfl B (1996): Lebensmittelverbrauch und Lebensmittelverzehr in Österreich.
Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Wien.
8. FAO/WHO (1996): Preparation and use of food based dietary guidelines. Report of a joint
FAO/WHO consultation Nicosia, Cyprus, Nutrition Programme WHO, Geneva.
9. Food and Nutrition Board (1994): How should the recommended dietary allowances be
revised? National Academy Press, Washington D.C.
10. Shaw A, Fulton L, Davis C, Hogbin M (1995): Using the Food Guide Pyramid. US Department of Agriculture, Washington D.C..
Zusammenfassung
1
Österreichischer Ernährungsbericht 1998
365 Seiten in 7 Kapiteln
Herausgeber: Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien
Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales und
des Bundesministeriums für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz
ZUSAMMENFASSUNG
Entwicklung des Lebensmittelverbrauchs in Österreich von 1947 bis 1997: Auf Basis von Nahrungs- bzw. Versorgungsbilanzen werden im Rahmen von Agrarstatistiken alljährlich die verbrauchten Mengen an Lebensmitteln in Österreich bestimmt. Sie ermöglichen die Darstellung der zeitlichen Entwicklung und Veränderungen des Verzehrsverhaltens sowie die Beurteilung und den Vergleich von Trends im Lebensmittelkonsum, lassen aber weder geschlechts-, alters- oder zielgruppenspezifische Auswertungen noch regionale Unterscheidungen zwischen den österreichischen Bundesländern zu. So ermittelte Verbrauchsdaten liegen unter den verfügbaren Nahrungsmittelmengen,
diese können mittels Korrekturfaktoren abgeschätzt werden.
Die ermittelten Trends werden im folgenden zusammengefaßt: Brotgetreide, Kartoffeln und Trinkmilch zeigen einen in den vergangenen 50 Jahren rückläufigen Verbrauch. Das über Agrarstatistiken
ermittelte Angebot der meisten anderen Lebensmittel und Lebensmittelgruppen ist mehr oder weniger gleichgeblieben bzw. angestiegen. Letzteres trifft insbesondere für Fleisch und Fleischwaren,
Obst/Gemüse und Milchprodukte (außer Trinkmilch) zu, wobei die Entwicklungen sowohl positive
als auch negative ernährungsphysiologische Aspekte mit sich bringen. Eine Interpretation, die Aufschluß über die Versorgungslage einzelner Bevölkerungsgruppen und damit Ansatzpunkte für die
Planung und Realisierung präventiver bzw. gesundheitsfördernder Maßnahmen aufzeigt, ist nur
zusammen mit Ergebnissen zum Ernährungsstatus der Österreicher sinnvoll.
Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung: Die Österreichische Studie zum Ernährungsstatus OSES (Austrian Study on Nutritional Status, ASNS) hat zum Ziel, Informationen zum Ernährungszustand in Österreich zu erheben und zu dokumentieren. Als Teilstudien zu diesem Vorhaben
wurden Untersuchungen an Schulkindern (n=2173), Erwachsenen (n=2488), schwangeren
(n=350) und stillenden Frauen (n=43) und älteren Menschen (n=78) mit verschiedenen Instrumentarien zur Erhebung der Nährstoffaufnahme und über die laborchemische Analyse von Blut und
Harn durchgeführt.
Die Energieaufnahmen der österreichischen Schüler liegen in allen Altersgruppen im Bereich der
Empfehlungen, geringfügig unter den Empfehlungen liegen die Schülerinnen; Abweichungen hiervon sind in einzelnen Fällen sowohl nach oben als auch nach unten festzustellen. Bei etwa einem
Drittel der Schülerinnen und Schüler entspricht die Fettaufnahme den Empfehlungen (ca. 30% der
Energiezufuhr). Diese Gruppe weist signifikant höhere Aufnahmen an Ballaststoffen, Kohlenhydraten, β-Carotin und Folsäure und signifikant niedrigere Aufnahmen an Protein und Cholesterin auf als
die übrigen Gruppen mit einer Fettaufnahme von 38-40% der Energie. Gut ist der Status aller Altersgruppen bei Retinol, Tocopherol, Vitamin D und Cobalamin sowie Magnesium und Kalium. Die
Verbreitung eines leichten Jodmangels liegt vor allem in der Steiermark und Oberösterreich zwischen 30 und 50%. Suboptimal war der Status in einigen Fällen auch für Calcium, Zink, Vitamin B6
und Folsäure.
Die Energieaufnahme der erwachsenen Österreicher und Österreicherinnen lagen im Bereich der
Empfehlungen mit teilweise großen Streuungen. Auf Basis der Aufnahmen an Eiweiß, Fett und Cholesterin kann auf einen unerwünscht hohen Anteil tierischer Nahrungsmittel in der Kost der erwachsenen Österreicher geschlossen werden. Bei den Vitaminen D, B1, B2, B6 sowie bei den Mineralstoffen Calcium, Magnesium, Zink und Jod ist mit einer unzureichenden Zufuhr zu rechnen, während
bei den übrigen Nährstoffen im allgemeinen eine zufriedenstellende Situation festgestellt wurde.
Ähnlich wie bei den Kindern und Erwachsenen wurde auch bei den älteren Menschen eine wenig
zufriedenstellende Fettaufnahme und gleichzeitig ungünstige Fettzusammensetzung ermittelt. Als
dringend verbesserungswürdig stellt sich die Versorgung mit Vitamin B6 und Vitamin D dar. In geringerem Maße ist auch bei den Nährstoffen Vitamin C, Folsäure und β-Carotin eine Optimierung
erforderlich.
Besondere Anforderungen werden an die Ernährung der Schwangeren gestellt, da der Ernährungsstatus sowohl die Gesundheit der Mutter als auch die fetale Entwicklung beeinflußt. Die empfohlenen Aufnahmemengen an Energie, Kohlenhydraten und Ballaststoffen werden unter-, jene an Protein und Fett überschritten. Die Ergebnisse zeigen ferner, daß gerade die Nährstoffe, deren Zufuh-
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Zusammenfassung
rempfehlungen in der Schwangerschaft deutlich erhöht sind (Vitamin D, B1, B6, Folsäure, Eisen und
Zink) von schwangeren Frauen in unzureichenden Mengen aufgenommen werden. Laborchemische
Auswertungen ergaben besonders niedrige Statusdaten bei den Vitaminen B2, B6, Folsäure und βCarotin sowie bei Calcium und Eisen.
Auch in der Stillzeit ist auf eine höhere Nährstoffdichte zu achten. Die Untersuchungen der österreichischen Stillenden zeigen, daß nicht bei allen Nährstoffen immer die optimale Versorgung sichergestellt werden kann. Bei den Mikronährstoffen ist hierbei insbesondere auf die Aufnahme der Vitamine A, D, E, B1, B6 und Folsäure sowie der Mineralstoffe Calcium und Eisen zu achten. Aufgrund
der Bedeutung dieser Nährstoffe für die normale Entwicklung des Kindes und die Regeneration der
mütterlichen Speicher kann in bestimmten Fällen eine Optimierung über Nährstoffsupplemente
oder angereicherte Lebensmittel erfolgen.
Lebensmittelqualität: Die Lebensmittelkontrolle in Österreich dient dem Schutz des Verbrauchers
vor gesundheitlichen Gefahren und vor Täuschung. Vom Landeshauptmann eingesetzte Lebensmittelaufsichtsorgane ziehen Proben von Lebensmitteln, Verzehrprodukten, Zusatzstoffen, Kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenständen gemäß dem vom Ministerium jährlich erstellten Revisions- und Probenplan. Die Untersuchung der Proben erfolgt in staatlichen Untersuchungsanstalten.
Ergebnisse der Betriebsrevisionen zeigen, daß die Beanstandungen auf hygienischem Gebiet die
Dienstleistungsbetriebe und kleineren Erzeuger, die ihre Produkte direkt im Einzelhandel verkaufen,
stärker betreffen als die großen Erzeugungsbetriebe.
Im Jahr 1996 wurden größere Anteile an gesundheitsschädlichen Proben bei Fleisch(-produkten),
Fisch(-produkten), Meeresfrüchten, Eiern und vor allem Geflügel(-produkten) gefunden, wobei das
Risiko einer mikrobiellen Kontamination (z.B. durch Salmonellen) für den Konsumenten durch
sachgemäße Zubereitung minimiert werden kann. Bei Geflügel(-produkten) konnten in den letzten
Jahren Fortschritte erzielt werden. Bei Speiseeis ist die hygienische Situation schon sehr zufriedenstellend.
Trinkwasser als Lebensmittel wird u.a. in Grundwassergüteuntersuchungen in allen Bundesländern
nach einheitlichen Methoden und Untersuchungsumfang auf Basis der WassergüteErhebungsverordnung (WGEV) im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft
und der Bundesländer kontrolliert. Eine Reihe von Institutionen und Sachverständigen überprüfen
periodisch die mikrobiologisch-chemische Qualität des Grundwassers, wobei der Schwerpunkt bei
chemischen Parametern wie Nitrat- oder Atrazinanalysen liegt, die Ergebnisse bakteriologischer
Untersuchungen jedoch kaum registriert werden und nur Momentaufnahmen darstellen. Im allgemeinen ist die Wasserqualität in Österreich als zufriedenstellend anzusehen. Die Errichtung einer
zentralen, unabhängigen Stelle zur Erfassung, Koordination und Evaluation von Wasseruntersuchungen sowie die Verbesserung der mikrobiologischen Analytik ist allerdings anzustreben.
Entgegen der verbreiteten Auffassung der Konsumenten werden bei Zusatzstoffen nur in Ausnahmefällen – und selbst dann nur vom “high consumer” - Aufnahmen erreicht, die den tolerierbaren täglichen Konsum an Zusatzstoffen überschreiten. Daher ist es notwendig, die österreichische Bevölkerung über den Einsatz von Zusatzstoffen und über deren Deklaration aufzuklären, um ihr auf diese
Weise die Möglichkeit einer bewußten und eigenverantwortlichen Produktauswahl zu ermöglichen.
Die Akzeptanz von Light-Produkten bei Erwachsenen wurde mittels Fragebogen bei 647 berufstätigen, z.T. in Ausbildung befindlichen Personen im Alter von 20 bis über 60 Jahren erhoben. Größte
Beliebtheit unter den Light-Produkten wiesen leichte Milchprodukte auf, Light-Fertiggerichte, -Bier
bzw. Süßwaren konnten sich bisher hingegen wenig durchsetzen. Hauptmotive für die Verwendung
von Light-Produkten waren generell die Erhaltung des Körpergewichts bzw. der Gesundheit, bei
Befragten über 35 Jahren vermehrt auch eine bestehende Erkrankung. Die Angst des Konsumenten
vor Zusatz- bzw. Hilfsstoffen in derartigen Produkten ist aufgrund des Fehlens von sachlicher Information groß und zusammen mit dem Trend zu naturbelassenen, unverarbeiteten Lebensmitteln
Hauptursache für die mangelnde Akzeptanz.
Die derzeit geringe Akzeptanz neuartiger Lebensmittel und im speziellen gentechnisch modifizierter Lebensmittel in der österreichischen Bevölkerung läßt sich großteils dadurch erklären, daß viele
Konsumenten die gesundheitliche Unbedenklichkeit dieser Produkte bezweifeln und sie als unsicher und unnatürlich ansehen. Während die Gentechnik von Österreichern auf dem Gebiet der
Medizin eher akzeptiert wird, stößt sie im Bereich der Lebensmittelproduktion fast ausschließlich
auf Ablehnung.
Sachgerechte, emotionsfreie Information zur Sicherheitsbeurteilung, eine klare und nicht vordergründig diskriminierende Kennzeichnung sowie eine konsequente und effiziente Überwachung
derartiger Lebensmittel sind für eine breitere Akzeptanz unabdingbar.
Vergleichende Untersuchungen von Produkten biologischer und konventioneller Landwirtschaft
beurteilten Bioprodukte anhand umweltrelevanter Parameter wie Nitratgehalt und Pestizidrückstän2
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den besser als konventionelle Produkte. Lebensmittel aus Rohstoffen des konventioneller Landwirtschaft tendieren hingegen zu höheren Proteingehalten. Bei Kohlenhydraten, Vitaminen und Mineralstoffen sowie bei sensorischen Untersuchungen gibt es keine eindeutigen Unterschiede.
Trotz Überwachung und Kontrolle durch Qualitätssicherungskonzepte kann es im Zuge von Produktionsprozessen zur Entstehung unerwünschter Nebenprodukte kommen, wie z.B. der Bildung
von Trans-Fettsäuren (TFS). Ein hoher Einsatz hydrierter Fette zum Fritieren sowie in der Produktion
von Margarinen und gesüßten Brotaufstrichen führt zu einer erhöhten Aufnahme an TransFettsäuren über die Nahrung. Die höchsten Gehalte an TFS wurde in jenen Produkten analysiert, die
in teilweise oder vollständig hydrierten Fetten zubereitet wurden, oder die hydrierte Fette enthalten.
Die pathophysiologische Wirkung von Trans-Fettsäuren ist letztendlich noch nicht eindeutig geklärt.
Sie werden jedoch als Risikofaktoren mit der Entstehung koronarer Herzerkrankungen in Verbindung gebracht. Man sollte daher den Verzehr Trans-Fettsäure-reicher Produkte zu Gunsten des Verzehrs an Pflanzenölen reduzieren.
Die Nährstoffanreicherung von Grundnahrungsmitteln ist in Hinblick auf die Gesundheitsvorsorge
der verschiedenen Personengruppen eine sehr erfolgreiche Möglichkeit der raschen und effizienten
Verbesserung des Ernährungsstatus. Dennoch müssen auch die Risiken derartiger Maßnahmen berücksichtigt werden. Besonders schwierig ist in diesem Zusammenhang das Risiko einer Überdosierung mit dem zugesetzten Nährstoff vor allem bei extremen Konsumgewohnheiten einzuschätzen.
Letztendlich besteht ein sehr unzureichender Kenntnisstand zur Aufnahme an angereicherten Lebensmitteln und deren Beitrag zur Nährstoffaufnahme. Zusätzliche und detailliertere Informationen
werden dringend benötigt, insbesondere um möglicherweise exzessive Aufnahmen einzelner Nährstoffe mit geringen Sicherheitsmargen abzuschätzen.
Gemeinschaftsverpflegung: Ein immer größer werdender Personenkreis wird durch Einrichtungen
der Gemeinschaftsverpflegung, insbesondere in Form einer Teilverpflegung als Mittagessen, versorgt. Neben dem Genuß- und Eignungswert sowie der psychosozialen Komponente stellt der ernährungsphysiologische Wert der Menüs der Gemeinschaftsverpflegung eines der wichtigsten Qualitätskriterien dar. Schulen, Betriebe aber auch Pensionistenheime und sog. „mobile Mahlzeitendienste“ sind wesentliche Abnehmer der Speisenprogramme, die von einer überschaubar geringen
Zahl an Großküchen angeboten werden.
Im Rahmen dieses Kapitels werden zunächst die Ergebnisse der ernährungsphysiologischen Bewertung zweier Anbieter von Schulspeisungsprogrammen (Kühlkost und Tiefkühlkost) dargestellt. Die
Menüs beider Anbieter zeigten sowohl für Volksschulen als auch für Hauptschulen bzw. AHSUnterstufen ein den Empfehlungen entsprechendes Angebot an Eiweiß, Vitamin A und E sowie Jod,
jedoch ein Überangebot an Fett und Cholesterin. Bei beiden Anbietern vergleichbar und wenig
zufriedenstellend waren die Defizite an Kohlenhydraten, Vitamin D, Folsäure, Pyridoxin, Eisen, Zink
und Calcium. Der Schulverpflegung käme auch ein wichtiger erzieherischer Wert zu. Sie kann
durch ein entsprechendes Vorzeigen gesundheitsfördernder Ernährung die praktische Umsetzung
von im Unterricht vermittelten Inhalten zeigen. Häufig werden von den Schülern und Schülerinnen
die Ernährungsweisen des Elternhauses übernommenen. Im Fall der in Österreich immer noch verbreiteten Vorherrschaft ungünstiger Mahlzeitengestaltung könnte die Schulverpflegung mit einem
optimierten Angebot Alternativen vorzeigen.
Schätzungen zufolge nehmen in Österreich rund 1,5 Millionen Beschäftigte Betriebsverpflegung in
Anspruch. Eine Analyse der Speisepläne ergab, daß aufgrund der hohen Angebotshäufigkeit von
Fleisch und Fleischwaren zu Lasten von Fisch und fleischarmen Nudel- oder Kartoffelgerichten die
Energie-, Fett- und Eiweißaufnahme durch die Betriebsverpflegung zu hoch und die Aufnahme an
Kohlenhydraten, Vitamin B1, B2, B6 und Folsäure sowie Magnesium, Calcium und Eisen unzureichend war. Vielversprechend und großteils erfolgreich sind allerdings österreichische Projekte zur
betrieblichen Gesundheitsförderung.
Ein großer Teil der österreichischen Senioren wird in Pensionistenheimen verpflegt. Mobile Mahlzeitendienste ermöglichen alten Menschen hingegen ein langes Verbleiben in ihrem vertrauten
Lebensumfeld. Die ernährungsphysiologische Beurteilung der Verpflegungssysteme zeigt – abhängig von der Kostform – Defizite an Ballaststoffen, Vitamin D, B6, Folsäure, Magnesium und Jod.
Gerade im Alter steigen allerdings die Anforderungen an die Nahrungsqualität, da der Energiebedarf
abnimmt, der Bedarf an anderen Nährstoffen wie Vitaminen und Mineralstoffen jedoch nicht.
Mortalität an ernährungsabhängigen Erkrankungen: In Österreich sind Herz/Kreislauf-Erkrankungen
und Krebserkrankungen bei Frauen und bei Männern für über 77 % der Todesfälle verantwortlich.
1996 lag die Mortalität an Herz/Kreislauf-Erkrankungen bei einem Anteil von insgesamt 53.7 % und
die an Krebserkrankungen bei einem Anteil von 23.5 %. Bei Frauen war der Anteil der HerzErkrankungen sowie Hirngefäß-Erkrankungen höher als bei Männern, der Anteil der Krebserkran-
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kungen und der Unfälle aber niedriger. Die Gesamtmortalität nahm seit 1986 kontinuierlich ab (–19
%). Bei einigen Krebserkrankungen besteht aber ein ungünstiger Trend. So kam es in den letzten
zehn Jahren bei Männern zu einer Zunahme der Mortalität an bösartigen Neubildungen des Darmes, der Speiseröhre, Leber, Galle, Bauchspeicheldrüse und Prostata, während bei Frauen ein Anstieg der Sterblichkeit an Lungenkrebs, an Leberkrebs und an bösartigen Erkrankungen der Lippe,
Mundhöhle und des Rachens zu verzeichnen war. Weiters kam es bei Männern auch zu einem
Anstieg der Sterblichkeit an ernährungsabhängigen Erkrankungen und Stoffwechselkrankheiten und
hier vor allem an Diabetes mellitus. Entsprechend der abnehmenden Gesamtmortalität kam es zu
einer Zunahme der Lebenserwartung, zu einer Erhöhung des mittleren Sterbealters und zu einem
Rückgang der verlorenen Lebensjahre (YPLL). Laut Prognosen wird sich dieser günstige Trend noch
weiter fortsetzen.
Public Health/Gesundheitsförderung/Prävention: Mit der Aufnahme der Gesundheitsförderung in
das ASVG als Pflichtaufgabe der Sozialversicherung sowie dem kürzlichen Erlaß des Gesundheitsförderungsgesetzes hat die Gesundheitsförderung einen wichtigen Schritt in Richtung einer gleichrangigen Position innerhalb der Gesundheitsversorgung in Österreich geschafft. Wie Projektdokumentationen zeigen, stehen bei Programmen zur Prävention und Gesundheitsförderung Aktivitäten
in Lebensstilbereichen wie Ernährung und Bewegung im Vordergrund. Aus diesem Grund sind
gesundheitsfördernde Maßnahmen auf dem Gebiet der Ernährung eine gesundheitspolitisch und
ökonomisch sinnvolle Möglichkeit zur Optimierung der Ernährungssituation in der Bevölkerung.
Effektiv sind Projekte, die verschiedene Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention im
sog. Setting-Ansatz miteinander verbinden. Beispiele derartiger Interventionen, bei denen Ernährung
eine bedeutende Rolle spielt, sind z.B. die Netzwerke „Gesunde Städte“, „Gesundheitsfördernde
Schulen“ oder „Betriebliche Gesundheitsförderung“, deren Grundlage das Gesundheitsförderungskonzept der WHO ist. Die Effizienz bestehender Konzepte und Maßnahmen sollte kontrolliert und
überwacht werden. Durch langfristige und kontinuierliche Evaluation können Optimierungen von
Programmen erreicht werden. Qualitätssicherung und –management in der Gesundheitsförderung
werden sowohl für innovative Interventionen als auch für deren praktische Umsetzung benötigt.
Da es kein Nahrungsmittel gibt, das alle Nährstoffe in ausreichender Menge enthält, muß jeder
Mensch lernen, welche Nahrungsmittel er in Kombination und Menge, wann und wie häufig aufnehmen sollte. Nur auf Basis eines ausreichenden Ernährungswissens kann eine bedarfsgerechte
Nahrungsauswahl vorgenommen werden. Das Erlernen von Ernährungswissen und Ernährungsverhalten ist Bestandteil der Sozialisation des Menschen. Deshalb spielen bei der Vermittlung von Ernährungswissen Familie, Kindergarten und Schule eine wichtige Rolle.
Die Ergebnisse bezüglich Ernährungswissen österreichischer Erwachsener zeigen, daß unbedingt
Maßnahmen gesetzt werden sollten, um auch informationspassive, desinteressierte Gruppen durch
eine zielgruppenorientierte Aufklärung zu erreichen. Da durch schriftliche Ernährungsinformation
vorwiegend gut informierte und interessierte Bevölkerungsgruppen angesprochen werden, sollten
zur zielgruppenorientierten, effektiven und objektiven Ernährungsaufklärung Massenmedien genutzt
werden.
Die vorliegende Arbeit zeigt Ansatzpunkte für notwendige Interventionsmaßnahmen auf. Da die
mediale Botschaft zeitlichen Veränderungen unterworfen ist, sollte die Inhaltsanalyse der massenmedialen Botschaft periodisch wiederholt werden. Ebenso ist eine Ausdehnung auf elektronische
Medien anzuraten.
Ausblick auf Richtlinien zur Optimierung des Ernährungsstatus in Österreich: Empfehlungen auf
Lebensmittelbasis sind für die meisten Personen hilfreicher als die bisher üblichen Empfehlungen
auf Nährstoffbasis. Hierbei stellt sich jedoch die Frage, ob bei der Übernahme derartiger relativ undifferenzierter Empfehlungen zur Reduktion bestimmter Lebensmittelgruppen die Gefahr besteht,
daß die für diese Lebensmittel ebenfalls typischen essentiellen Nährstoffe unter den hierzulande
üblichen Ernährungsgewohnheiten in zu geringen Mengen konsumiert werden. Daher sollen die
Ergebnisse aus den unterschiedlichen Teilstudien im Rahmen der Österreichischen Studie zum Ernährungsstatus unter dem Aspekt der Zufuhr von Fett und fettreichen Lebensmitteln vorgestellt werden.
Auf Basis dieser Ergebnisse kann eine Ernährungsempfehlung auf Lebensmittelbasis in einem ersten
Ansatz zur Verbesserung des Ernährungsstatus so einfach formuliert werden: „Weniger Fett und
fettreiche Lebensmittel verzehren“. Eine Vielzahl anderer Ziele der Ernährungserziehung, sei es die
Erhöhung des Obst- und Gemüsekonsums, des Konsums an Getreideprodukten oder die Erhöhung
der Ballaststoffaufnahme, oder gar die Senkung der Cholesterinaufnahme, gehen mit einer Reduzierung des Fettkonsums einher, während eine Unterversorgung mit Nährstoffen, die mit dem Fettgehalt in Verbindung stehen, nicht zu befürchten ist.
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