76 4500 Pflanzenarten wachsen in den Alpen. 300 /AT- Verlag , S iffert 160 120 Schweizer Bauern bauen Kräuter im Berggebiet an. Hektaren Land werden im Berggebiet mit Kräutern bestellt. Edelweiss, Leontopodium alpinum en t ü l b l e z n Rapu nussöl in Hasel S hutterstock Fotos : Tonnen getrocknete Pflanzen werden für die Herstellung von Bonbons, Kräutertee und Gewürzen verwendet. arnika, arnica montana Familie: Korbblütler (Asteraceae) Habitat: 1800 bis 3000 Meter Geschützt: Ja. Sammeln verboten Anbau: Ja, etwa 1 Hektar Verwendung: Bislang wurden vor allem die Edelweiss­säuren verwendet. Sie stecken in vielen Kosmetik­produkten, sollen die Erbsubstanz schützen und so der Hautalterung ­vorbeugen. Innsbrucker Forscher haben jüngst aus den ­Wurzeln des ­Edelweiss einen neuen Stoff isoliert: Leoligin. ­ Im Tierversuch zeigte sich, dass er der Verdickung von Gefässwänden und ­damit der Arteriosklerose entgegenwirken kann. Künftig ­könnte Edelweiss also auch zur Therapie von Gefäss­ erkrankungen eingesetzt werden. Familie: Korbblütler (Asteraceae) Habitat: 600 bis 2700 Meter Geschützt: Nein Anbau: Nein (in der Schweiz). Es gibt aber eine Sorte, die für den Feldanbau geeignet ist. Verwendung: Verwendet werden die Blütenköpfchen. Sie enthalten verschiedene Stoffe (ätherische Öle, ­Flavonoide, Sesquiterpenlactone), die entzündungshemmend und antiseptisch wirken. Da auch ­toxische Wirkungen bekannt sind, kann Arnika nur äusserlich als Tinktur, Salbe oder Gel angewendet werden. Einsatzgebiete sind: Verletzungen und ­rheumatische Muskel- und Gelenkbeschwerden. ersonen nzele für 4 P ene Rapu Vorspeis eschloss g h e c g o ri n h ll e und Ä 3 Handvo nblättrig n, ie re n a g to f e r Damp e blüten (B b ü te u e auc ) 1 Min mit der S ­Rapunze ssen und ren. la ie n rv le e h s ü t ausk utterbro B u z a D . ­mischen Sauce eersalz räuterm 1 Prise K nensaft ½ EL Zitro y rr e h ½ EL S ussöl ln e s a H lumenöl 1 EL Sonnenb s e d il m L 1E Familie: Glockenblumengewächse (Campanulaceae) Habitat: Berg- und Magerwiesen, bis 2400 Meter Geschützt: Nein Anbau: Nein Verwendung: Die Kugelige Teufelskralle, die auch den Namen Rundköpfiger Rapunzel trägt, wird von alten Walliser Berg-­ völkern als Salat zubereitet. Die Blüten können ebenfalls ­gegessen ­werden. Sie schmecken sehr süss. Auch von anderen Rapunzel­arten, beispielsweise der Betonienblättrigen Rapunzel (Ph. betonicifolium) und der Ährigen Rapunzel (Ph. spicatum), ist bekannt, dass sie sehr schmackhaft sind (siehe Rezept). Echte Edelraute, artemisiA umbelliformis Familie: Korbblütler (Asteraceae) Habitat: Hochgebirge, 1300 bis 3700 Meter Geschützt: Ja. Sammeln verboten Anbau: Ja. Auf etwa 1 Hektar Verwendung: Im Wallis und in Savoyen wird daraus ein aromatischer Likör gebraut – der Génépi. Weil einige Edelraute-Sorten recht viel vom Nervengift Thujon ­enthalten, das zu Wahn­ vorstellungen führen kann, wurde eine Thujon-freie Sorte gezüchtet. Der Maler Van Gogh soll sich übrigens im Thujon-Rausch das Ohr abgeschnitten haben. Familie: Enziangewächse (Gentianaceae) Habitat: 750 bis 2500 Meter Geschützt: Nein Anbau: Nein. Wildsammlungen im Jura Verwendung: Die Wirkstoffe stecken in der Wurzel. Der Gelbe Enzian ist vor allem für seine Bitterstoffe bekannt (Gentian­ opicrin, Amarogentin). Sie schützen die Pflanze vor Tierfrass. Beim Menschen sollen sie die Sekretion von Magen- und ­Gallensaft und die Verdauung wie den Appetit anregen. Aus dem Wurzelextrakt werden Tees, Tinkturen oder Bitterliköre (Magenbitter) hergestellt. In den USA gibt es mit Moxie sogar einen Softdrink, in dem Enzian steckt. Alpenrose, Rhododendron FerRugineum Familie: Heidekrautgewächse (Ericaceae) Habitat: Ebene bis 2400 Meter Geschützt: Nein Anbau: Ja, etwa 45 Hektaren Verwendung: Getrocknete Heidelbeeren sind als Durchfallmittel bekannt. Eine neue kleine Studie deutet darauf hin, dass sie auch bei Gedächtnis­problemen helfen könnten. Neun 70-jährige ­Probanden, die an verfrühten Gedächtnisstörungen litten, tranken zwölf Wochen lang täglich zwei Gläser Heidelbeersaft. In anschliessenden ­Gedächtnistests schnitt diese Gruppe viel besser ab als eine Vergleichsgruppe, die einen anderen Saft getrunken hatte. Kugelige Teufelskralle, phyteuma orbiculare 18. September 2011 Gelber Enzian, Gentiana Lutea HeidelBeere, Vaccinium Myrtillus , nküche» e Pflanze d il w e in Me segger, « Meret Bis 9.90 Franken 4 , g a rl AT-Ve AlpenpflanzenWissen Familie: Heidekrautgewächse (Ericaceae) Habitat: 500 bis 2800 Meter Geschützt: Nein Anbau: Nein. Wildsammlungen in Bergün Verwendung: Die Alpenrose ist ein grosser Strauch, der bis zu 100 Jahre alt werden kann. Dank einer vielfältigen ­Mischung aus Polyphenolen ist die Pflanze für extreme Wachstumsbedingungen in der Höhe gerüstet – Temperaturwechsel, hohe UV-Strahlung, Trockenheit. Auf diese Polyphenole hat es die Kosmetikfirma Mibelle ­Biochemistry abgesehen. Die Sub­ stanzen sollen auch die menschliche Haut schützen. Das Alpen­ rosenextrakt, ­isoliert aus den ­Blättern, steckt bereits in ­einigen Kosmetik­ produkten. FLORA Alpina pina Ethnobotaniker und Pharmakologen suchen nach alten Alpenpflanzen, um neue Wirkstoffe zu finden Von Sabine Olff (Text) und Birgit Lang (Illustrationen) Somtgant Tigignas SAVOGNIN Ausflugstipps q Alpenflora-Erlebnispfad bei Savognin Von der Bergstation Somtgant (2112 m) aus wandert man in gut zwei Stunden über Mot Laritg und Monas nach Tigignas (1600 m). Die Wanderung führt an rund 100 verschiedenen Alpenblumen, Heilpflanzen und Alpenkräutern vorbei, die ­alle speziell gekennzeichnet sind. Infos: www.savognin.ch q Alpinum Schatzalp bei Davos Das Alpinum ist ein privater botanischer Garten. Insgesamt können rund fünf Hektaren Gartenanlage durchwandert ­werden. Zu entdecken gibt es 3500 Pflanzen aus allen ­Gebirgen der Welt. Infos: www.alpinum.ch SoZ Candrian; Quelle: Savognin ALPENFLORA�ERLEBNISPFAD Auf rund 10 000 Quadratmeter Anbaufläche gedeiht in den Schweizer Bergen die berühmteste aller Alpenblumen: das Edelweiss. Kosmetikfirmen sind die Hauptabnehmer. Sie isolieren daraus ein Extrakt, das die Haut vor Alterung schützen soll. Es steckt bereits in vielen Cremetiegeln. Das Edelweiss ist wie viele andere Bergpflanzen mit besonderen Inhaltsstoffen ausstaffiert. Weil das Klima in hohen Lagen rau, die UV-Strahlung hoch und die Böden karg sind, synthetisieren die Pflanzen andere Substanzen als ihre Verwandten im Tal. Das macht sie für die Kosmetik-, Pharma- und Nahrungsmittelbranche interessant. Edelweiss, Enzian und Arnika werden längst entsprechend genutzt. «Ein grosses Potenzial liegt aber noch brach», sagt Christoph Carlen, Leiter des Forschungs­ departements von Agroscope Changins-Wädenswil (ACW) in Conthey. ACW hat deshalb kürz- lich zum ersten internationalen Symposium zu Medizinal- und Gewürzpflanzen aus dem Berg­ gebiet nach Saas-Fee geladen. Es ging um neue Entdeckungen, Anwendungen und Kultursorten. Allein in den Alpen gibt es etwa 4500 Pflanzenarten. «Nur ein Bruchteil davon ist genau beschrieben», sagt Carlen Die Fahndung nach interessanten Pflanzen gleicht der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Zunächst muss man eine Fährte haben. Diego Rivera, Ethnobotaniker an der Universität Murcia (Spanien), klappert dafür sechs traditionsreiche, isolierte Alpenvölker ab, etwa die Walser in Bosco Gurin. Er will herausfinden, welche Pflanzen die Alpenbewohner früher als Medizin oder als Salat genutzt haben. Dafür wühlt er sich durch alte Literatur, Lexika und Kochbücher und ­befragt die greise Bevölkerung. Ähnlich arbeitet eine Gruppe von Forschern der Abteilung für pharmazeutische Biologie an der Universität Basel. Sie suchen nach vergessenen Nahrungspflanzen, analysieren ihre Inhaltsstoffe und wollen langfristig die besonders gesunden Sorten anbauen. Christian Abbet ist dafür in seinen Heimatort Orsières im Wallis gereist und hat 20 Einheimische interviewt. Der älteste war 97 Jahre alt. 107 essbare Wildpflanzen hat Abbet so identifiziert; rund 30 besonders schmackhafte Arten sollen nun analysiert werden. Die Ziegenhirten assen die Blüten der Teufelskralle Beispielsweise die Alpenkratz­ distel – ein Snack der Schäfer. Der Name tönt wie die Pflanze ist: ziemlich stachelig. Gegessen wird der innere Teil des Blütenkelchs. «Er ähnelt einer Artischocke», sagt Abbet, der alle Gewächse selbst probiert hat. Auch die Erdkastanie. Die kugelige Knolle schmeckt wie eine Marroni. Sie sei früher während der Fastenzeit ­gegessen worden. Abbet warnt ­jedoch vor dem Sammeln: «Es gibt viele ähnliche Pflanzen, die sehr giftig sind.» Eine weitere Wiederentdeckung ist die Kugelige Teufelskralle. Die Einheimischen essen die jungen Blätter als Salat. Und die Ziegen­ hirten kauten früher die sehr süss schmeckenden Blüten. Die Teufelskralle ist die erste Pflanze, die Abbet und seine Kollegen jüngst im Chemielabor zu analysieren be­ gannen. Und sie wurden prompt überrascht: Sie entdeckten zwei völlig neue Substanzen aus der Gruppe der Saponine. Derzeit wird in biologischen Tests geklärt, welche Wirkungen sie haben. In Saas-Fee war die Teufelskralle bereits Gesprächsstoff. Ihr Name kursierte auch schon bei Ricola. Der Bonbonhersteller, der all seine Kräuter in den Schweizer Bergen anbauen lässt, hält ständig Ausschau nach neuen ­alten Pflanzen, die gut schmecken und bei Husten und Heiserkeit helfen können. Input holt sich Ricola von Kräuterbauern sowie von Agro­ scope ACW. Über neuste Projekte herrscht jedoch Stillschweigen. Auch bei Mibelle Biochemistry, die Kosmetikfirmen mit Pflanzenextrakten beliefert und die Alpenflora in einem Schwerpunktprogramm erforscht, gibt man sich zugeknöpft. Mibelle-Forscher In der Ausstellung «Edelweiss – Mythos und Paradox» zeigen die Botanischen Gärten von Genf und Zürich ­alles Wissenswerte über die Schweizer Symbolpflanze. Bis 16. Oktober 2011, www.expo-edelweiss.ch Die vielen Namen des edelweiss: Löwenfüsschen, Wollblume, Stella alpina (Stern der Alpen), Alv etérn (Ewigweiss), Bauchwehblüml Frank Gafner sagt: «Alpenpflanzen sind nicht nur wissenschaftlich interessant, sondern auch weil sie sich gut vermarkten lassen.» Man assoziiere sie mit Reinheit, Swissness, Exklusivität. Ihr neustes Produkt ist ein Extrakt aus den Blättern der Alpenrose. Es enthält Polyphenole, die antioxidativ wirksam sind und vor Alterungsprozessen schützen sollen, sowie Stoffe, die Viren und Bakterien in Schach halten. Das Blattmaterial wird derzeit von Biobauern in Bergün gesammelt. «Der Anbau erweist sich als ziemliche Knacknuss», sagt Gafner. Die beste Rosenwurz stammt aus dem Walliser Saastal Die Anbaufähigkeit ist bei der Suche nach neuen alten Arten ein wichtiges Kriterium. Schliesslich gewährleisten die Kulturpflanzen einen guten Ertrag sowie eine konstante Menge an Inhaltsstoffen; und sie wirken dem Sammeln von Wildpflanzen entgegen. Agroscope ACW hat in den vergangenen Jahren bereits einige Alpenkulturpflanzen auf den Markt gebracht, etwa Edelweiss, Schafgarbe, Frauenmantel und die Echte Edelraute (Génépi). Der jüngste Zuchterfolg ist die Rosenwurz. 2003 weckte ein Artikel in der Zeitschrift «Newsweek» das Interesse der ACW-Forscher. Darin wurden die stresslindernden Eigenschaften der Pflanze beschrieben. Bereits in der Antike wurde sie entsprechend genutzt; in Russland und Skandinavien ist sie fester Bestandteil der Volksmedizin. Hierzulande geriet die Pflanze hingegen in Vergessenheit. Dabei wächst sie auch in den Schweizer Bergen. Die hiesige Rosenwurz ist sogar reicher an den ­gewünschten Inhaltsstoffen ­(Salidrosid und Rosavin) als die russischen und skandinavischen Ökotypen. Am robustesten und ­ertragreichsten erwiesen sich Pflanzen aus den Hängen um den Mattmarkdamm im Saastal. Die ­besten unter ihnen haben die Forscher zur Züchtung der Sorte Mattmark ausgewählt. Erste Kulturen wurden auf 2000 Quadrat­metern im Berggebiet angelegt. Rosenwurz, Rhodiola rosea Familie: Dickblattgewächse (Crassulaceae) Habitat: 1000 bis 3000 Meter Geschützt: Nein. Anbau: Ja, erste Kulturen angelegt Verwendung: Nach vier Jahren ist die Rosenwurz reif für die Ernte. Die begehrten Inhaltsstoffe (v. a. Rosavin, Tyrosol, Salidrosid) stecken in der Wurzel. Um Stress zu lindern und die körperliche wie die geistige Leistungsfähigkeit zu steigern, haben schon russische Kosmonauten das Wurzelextrakt genutzt. Und selbst Spitzensportler setzen auf die Pflanze. Seit letztem Jahr ist in der Schweiz mit Vitango das erste Rosenwurzpräparat als Antistressmittel zugelassen. Im Februar trugen britische Experten alle qualitativ hochwertigen Studien zur Rhodiola zusammen und kamen zu dem Schluss, dass das Extrakt mental wie physisch wirksam sein könnte. Sie bemängeln jedoch, dass einzelne Studien noch nicht von unabhängigen Forschern repliziert worden sind.