Flora Alpina

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4500
Pflanzenarten wachsen
in den Alpen.
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Schweizer Bauern bauen
Kräuter im Berggebiet an.
Hektaren Land werden im
Berggebiet mit Kräutern bestellt.
Edelweiss, Leontopodium alpinum
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Rapu nussöl
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Fotos :
Tonnen getrocknete Pflanzen werden für die Herstellung
von Bonbons, Kräutertee und Gewürzen verwendet.
arnika, arnica montana
Familie: Korbblütler (Asteraceae)
Habitat: 1800 bis 3000 Meter
Geschützt: Ja. Sammeln verboten
Anbau: Ja, etwa 1 Hektar
Verwendung: Bislang wurden vor allem die Edelweiss­säuren
verwendet. Sie stecken in vielen Kosmetik­produkten,
sollen die Erbsubstanz schützen und so der Hautalterung
­vorbeugen. Innsbrucker Forscher haben jüngst aus den
­Wurzeln des ­Edelweiss einen neuen Stoff isoliert: Leoligin. ­
Im Tierversuch zeigte sich, dass er der Verdickung von Gefässwänden und ­damit der Arteriosklerose entgegenwirken kann.
Künftig ­könnte Edelweiss also auch zur Therapie von Gefäss­
erkrankungen eingesetzt werden.
Familie: Korbblütler (Asteraceae)
Habitat: 600 bis 2700 Meter
Geschützt: Nein
Anbau: Nein (in der Schweiz). Es gibt aber eine Sorte,
die für den Feldanbau geeignet ist.
Verwendung: Verwendet werden die Blütenköpfchen.
Sie enthalten verschiedene Stoffe (ätherische Öle,
­Flavonoide, Sesquiterpenlactone), die entzündungshemmend und antiseptisch wirken. Da auch
­toxische Wirkungen bekannt sind, kann Arnika nur
äusserlich als Tinktur, Salbe oder Gel angewendet
werden. Einsatzgebiete sind: Verletzungen und
­rheumatische Muskel- und Gelenkbeschwerden.
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Familie: Glockenblumengewächse (Campanulaceae)
Habitat: Berg- und Magerwiesen, bis 2400 Meter
Geschützt: Nein
Anbau: Nein
Verwendung: Die Kugelige Teufelskralle, die auch den Namen
Rundköpfiger Rapunzel trägt, wird von alten Walliser Berg-­
völkern als Salat zubereitet. Die Blüten können ebenfalls
­gegessen ­werden. Sie schmecken sehr süss. Auch von anderen
Rapunzel­arten, beispielsweise der Betonienblättrigen Rapunzel
(Ph. betonicifolium) und der Ährigen Rapunzel (Ph. spicatum), ist
bekannt, dass sie sehr schmackhaft sind (siehe Rezept).
Echte Edelraute,
artemisiA umbelliformis
Familie: Korbblütler (Asteraceae)
Habitat: Hochgebirge, 1300 bis 3700 Meter
Geschützt: Ja. Sammeln verboten
Anbau: Ja. Auf etwa 1 Hektar
Verwendung: Im Wallis und in Savoyen wird
daraus ein aromatischer Likör gebraut –
der Génépi. Weil einige Edelraute-Sorten
recht viel vom Nervengift Thujon
­enthalten, das zu Wahn­
vorstellungen führen kann,
wurde eine Thujon-freie
Sorte gezüchtet. Der Maler
Van Gogh soll sich übrigens
im Thujon-Rausch das Ohr
abgeschnitten haben.
Familie: Enziangewächse (Gentianaceae)
Habitat: 750 bis 2500 Meter
Geschützt: Nein
Anbau: Nein. Wildsammlungen im Jura
Verwendung: Die Wirkstoffe stecken in der Wurzel. Der Gelbe
Enzian ist vor allem für seine Bitterstoffe bekannt (Gentian­
opicrin, Amarogentin). Sie schützen die Pflanze vor Tierfrass.
Beim Menschen sollen sie die Sekretion von Magen- und
­Gallensaft und die Verdauung wie den Appetit anregen. Aus
dem Wurzelextrakt werden Tees, Tinkturen oder Bitterliköre
(Magenbitter) hergestellt. In den USA gibt es mit Moxie sogar
einen Softdrink, in dem Enzian steckt.
Alpenrose, Rhododendron FerRugineum
Familie: Heidekrautgewächse (Ericaceae)
Habitat: Ebene bis 2400 Meter
Geschützt: Nein
Anbau: Ja, etwa 45 Hektaren
Verwendung: Getrocknete Heidelbeeren sind
als Durchfallmittel bekannt. Eine neue kleine
Studie deutet darauf hin, dass sie auch bei
Gedächtnis­problemen helfen könnten. Neun
70-jährige ­Probanden, die an verfrühten Gedächtnisstörungen litten, tranken zwölf Wochen lang täglich
zwei Gläser Heidelbeersaft. In anschliessenden
­Gedächtnistests schnitt diese Gruppe viel besser ab
als eine Vergleichsgruppe, die einen anderen
Saft getrunken hatte.
Kugelige Teufelskralle, phyteuma orbiculare
18. September 2011
Gelber Enzian, Gentiana Lutea
HeidelBeere, Vaccinium Myrtillus
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AlpenpflanzenWissen
Familie: Heidekrautgewächse (Ericaceae)
Habitat: 500 bis 2800 Meter
Geschützt: Nein
Anbau: Nein. Wildsammlungen in Bergün
Verwendung: Die Alpenrose ist ein grosser Strauch, der
bis zu 100 Jahre alt werden kann. Dank einer vielfältigen
­Mischung aus Polyphenolen ist die Pflanze für extreme Wachstumsbedingungen in der Höhe gerüstet –
Temperaturwechsel, hohe UV-Strahlung, Trockenheit. Auf diese Polyphenole hat
es die Kosmetikfirma Mibelle
­Biochemistry abgesehen. Die Sub­
stanzen sollen auch die menschliche
Haut schützen. Das Alpen­
rosenextrakt, ­isoliert
aus den ­Blättern,
steckt bereits in
­einigen Kosmetik­
produkten.
FLORA Alpina
pina
Ethnobotaniker und Pharmakologen suchen nach alten Alpenpflanzen, um neue Wirkstoffe zu finden
Von Sabine Olff (Text) und
Birgit Lang (Illustrationen)
Somtgant
Tigignas
SAVOGNIN
Ausflugstipps
q Alpenflora-Erlebnispfad bei Savognin
Von der Bergstation Somtgant (2112 m) aus wandert man in
gut zwei Stunden über Mot Laritg und Monas nach Tigignas
(1600 m). Die Wanderung führt an rund 100 verschiedenen
Alpenblumen, Heilpflanzen und Alpenkräutern vorbei, die
­alle speziell gekennzeichnet sind. Infos: www.savognin.ch
q Alpinum Schatzalp bei Davos
Das Alpinum ist ein privater botanischer Garten. Insgesamt
können rund fünf Hektaren Gartenanlage durchwandert
­werden. Zu entdecken gibt es 3500 Pflanzen aus allen
­Gebirgen der Welt. Infos: www.alpinum.ch
SoZ Candrian; Quelle: Savognin
ALPENFLORA�ERLEBNISPFAD
Auf rund 10 000 Quadratmeter
Anbaufläche gedeiht in den
Schweizer Bergen die berühmteste aller Alpenblumen: das Edelweiss. Kosmetikfirmen sind die
Hauptabnehmer. Sie isolieren daraus ein Extrakt, das die Haut vor
Alterung schützen soll. Es steckt
bereits in vielen Cremetiegeln.
Das Edelweiss ist wie viele andere Bergpflanzen mit besonderen Inhaltsstoffen ausstaffiert.
Weil das Klima in hohen Lagen
rau, die UV-Strahlung hoch und
die Böden karg sind, synthetisieren die Pflanzen andere Substanzen als ihre Verwandten im Tal.
Das macht sie für die Kosmetik-,
Pharma- und Nahrungsmittelbranche interessant. Edelweiss,
Enzian und Arnika werden längst
entsprechend genutzt.
«Ein grosses Potenzial liegt
aber noch brach», sagt Christoph
Carlen, Leiter des Forschungs­
departements von Agroscope
Changins-Wädenswil (ACW) in
Conthey. ACW hat deshalb kürz-
lich zum ersten internationalen
Symposium zu Medizinal- und
Gewürzpflanzen aus dem Berg­
gebiet nach Saas-Fee geladen. Es
ging um neue Entdeckungen, Anwendungen und Kultursorten.
Allein in den Alpen gibt es etwa 4500 Pflanzenarten. «Nur ein
Bruchteil davon ist genau beschrieben», sagt Carlen
Die Fahndung nach interessanten Pflanzen gleicht der Suche
nach der Stecknadel im Heuhaufen. Zunächst muss man eine
Fährte haben. Diego Rivera, Ethnobotaniker an der Universität
Murcia (Spanien), klappert dafür
sechs traditionsreiche, isolierte
Alpenvölker ab, etwa die Walser
in Bosco Gurin. Er will herausfinden, welche Pflanzen die Alpenbewohner früher als Medizin oder
als Salat genutzt haben. Dafür
wühlt er sich durch alte Literatur,
Lexika und Kochbücher und
­befragt die greise Bevölkerung.
Ähnlich arbeitet eine Gruppe
von Forschern der Abteilung für
pharmazeutische Biologie an der
Universität Basel. Sie suchen nach
vergessenen Nahrungspflanzen,
analysieren ihre Inhaltsstoffe und
wollen langfristig die besonders
gesunden Sorten anbauen.
Christian Abbet ist dafür in seinen Heimatort Orsières im Wallis
gereist und hat 20 Einheimische
interviewt. Der älteste war 97 Jahre alt. 107 essbare Wildpflanzen
hat Abbet so identifiziert; rund 30
besonders schmackhafte Arten
sollen nun analysiert werden.
Die Ziegenhirten assen die
Blüten der Teufelskralle
Beispielsweise die Alpenkratz­
distel – ein Snack der Schäfer. Der
Name tönt wie die Pflanze ist:
ziemlich stachelig. Gegessen wird
der innere Teil des Blütenkelchs.
«Er ähnelt einer Artischocke», sagt
Abbet, der alle Gewächse selbst
probiert hat. Auch die Erdkastanie.
Die kugelige Knolle schmeckt wie
eine Marroni. Sie sei früher während der Fastenzeit ­gegessen worden. Abbet warnt ­jedoch vor dem
Sammeln: «Es gibt viele ähnliche
Pflanzen, die sehr giftig sind.»
Eine weitere Wiederentdeckung
ist die Kugelige Teufelskralle. Die
Einheimischen essen die jungen
Blätter als Salat. Und die Ziegen­
hirten kauten früher die sehr süss
schmeckenden Blüten. Die Teufelskralle ist die erste Pflanze, die
Abbet und seine Kollegen jüngst
im Chemielabor zu analysieren be­
gannen. Und sie wurden prompt
überrascht: Sie entdeckten zwei
völlig neue Substanzen aus der
Gruppe der Saponine. Derzeit
wird in biologischen Tests geklärt,
welche Wirkungen sie haben.
In Saas-Fee war die Teufelskralle bereits Gesprächsstoff. Ihr
Name kursierte auch schon bei
Ricola. Der Bonbonhersteller, der
all seine Kräuter in den Schweizer
Bergen anbauen lässt, hält ständig
Ausschau nach neuen ­alten Pflanzen, die gut schmecken und bei
Husten und Heiserkeit helfen
können. Input holt sich Ricola von
Kräuterbauern sowie von Agro­
scope ACW. Über neuste Projekte
herrscht jedoch Stillschweigen.
Auch bei Mibelle Biochemistry,
die Kosmetikfirmen mit Pflanzenextrakten beliefert und die Alpenflora in einem Schwerpunktprogramm erforscht, gibt man sich
zugeknöpft. Mibelle-Forscher
In der Ausstellung
«Edelweiss – Mythos
und Paradox» zeigen
die Botanischen Gärten
von Genf und Zürich
­alles Wissenswerte
über die Schweizer
Symbolpflanze.
Bis 16. Oktober 2011,
www.expo-edelweiss.ch
Die vielen Namen des edelweiss:
Löwenfüsschen, Wollblume, Stella alpina
(Stern der Alpen), Alv etérn (Ewigweiss),
Bauchwehblüml
Frank Gafner sagt: «Alpenpflanzen sind nicht nur wissenschaftlich interessant, sondern auch
weil sie sich gut vermarkten lassen.» Man assoziiere sie mit Reinheit, Swissness, Exklusivität.
Ihr neustes Produkt ist ein Extrakt aus den Blättern der Alpenrose. Es enthält Polyphenole, die
antioxidativ wirksam sind und
vor Alterungsprozessen schützen
sollen, sowie Stoffe, die Viren und
Bakterien in Schach halten. Das
Blattmaterial wird derzeit von
Biobauern in Bergün gesammelt.
«Der Anbau erweist sich als ziemliche Knacknuss», sagt Gafner.
Die beste Rosenwurz stammt
aus dem Walliser Saastal
Die Anbaufähigkeit ist bei der Suche nach neuen alten Arten ein
wichtiges Kriterium. Schliesslich
gewährleisten die Kulturpflanzen
einen guten Ertrag sowie eine
konstante Menge an Inhaltsstoffen; und sie wirken dem Sammeln
von Wildpflanzen entgegen.
Agroscope ACW hat in den vergangenen Jahren bereits einige
Alpenkulturpflanzen auf den
Markt gebracht, etwa Edelweiss,
Schafgarbe, Frauenmantel und
die Echte Edelraute (Génépi). Der
jüngste Zuchterfolg ist die Rosenwurz. 2003 weckte ein Artikel in
der Zeitschrift «Newsweek» das
Interesse der ACW-Forscher. Darin wurden die stresslindernden
Eigenschaften der Pflanze beschrieben. Bereits in der Antike
wurde sie entsprechend genutzt;
in Russland und Skandinavien ist
sie fester Bestandteil der Volksmedizin.
Hierzulande geriet die Pflanze
hingegen in Vergessenheit. Dabei
wächst sie auch in den Schweizer
Bergen. Die hiesige Rosenwurz ist
sogar reicher an den ­gewünschten
Inhaltsstoffen ­(Salidrosid und Rosavin) als die russischen und skandinavischen Ökotypen. Am robustesten und ­ertragreichsten erwiesen sich Pflanzen aus den
Hängen um den Mattmarkdamm
im Saastal. Die ­besten unter ihnen
haben die Forscher zur Züchtung
der Sorte Mattmark ausgewählt.
Erste Kulturen wurden auf 2000
Quadrat­metern im Berggebiet angelegt.
Rosenwurz,
Rhodiola rosea
Familie: Dickblattgewächse (Crassulaceae)
Habitat: 1000 bis 3000 Meter
Geschützt: Nein.
Anbau: Ja, erste Kulturen angelegt
Verwendung: Nach vier Jahren ist die Rosenwurz reif für die Ernte. Die begehrten Inhaltsstoffe (v. a. Rosavin, Tyrosol, Salidrosid) stecken in der Wurzel. Um Stress zu lindern und
die körperliche wie die geistige Leistungsfähigkeit zu steigern, haben schon russische
Kosmonauten das Wurzelextrakt genutzt. Und
selbst Spitzensportler setzen auf die Pflanze.
Seit letztem Jahr ist in der Schweiz mit Vitango das erste Rosenwurzpräparat als Antistressmittel zugelassen. Im Februar trugen
britische Experten alle qualitativ hochwertigen Studien zur Rhodiola zusammen und kamen zu dem Schluss, dass das Extrakt mental
wie physisch wirksam sein könnte. Sie bemängeln jedoch, dass einzelne Studien noch nicht von unabhängigen
Forschern repliziert worden sind.
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