N ATU R Der Braunbär Der Braunbär zählt zu den grössten am Land lebenden Raubtieren. Seit wenigen Jahren werden einzelne Jungtiere bei ihren Streifzügen auch wieder auf Schweizergebiet gesichtet. Wie lebt dieses scheue Wildtier? (rr) Ursus arctos, der Braunbär, gehört zur Familie der Grossbären; davon gibt es mehrere Unterarten. Er hat den stämmigen, kraftvollen Körperbau aller Bären. Charakteristisch ist der muskulöse Buckel auf den Schultern, der den Vorderbeinen zusätzliche Kraft verleiht. Der Kopf ist massiv, die rundlichen Ohren stehen seitlich ab, die Augen sind eher klein und liegen eng zusammen. Die Schnauze ist langgezogen und mit beweglichen Lippen ausgestattet. Das Fell des europäischen Braunbärs ist 58 Februar 2016 meist dunkelbraun, kann aber eine Vielzahl von Farbschattierungen annehmen. Das imposante Tier hat eine Schulterhöhe von bis zu anderthalb Metern und eine Kopf-Rumpflänge von bis über zwei Meter. Erwachsene Männchen können bis 200 Kilogramm schwer sein, Weibchen sind rund ein Viertel leichter und kleiner. Trotz dieser Körpermasse ist der Bär sehr beweglich, kann sich schnell fortbewegen und Geschwindigkeiten von 50 Kilometer pro Stunde erreichen. Dank den Krallen an seinen grossen Tatzen kann er auf Bäume klettern und nach Nahrung graben. Seine Bärentatzen setzt er mit der ganzen Sohle auf, ist also wie der Mensch ein Sohlengänger. Verbreitung Der Braunbär ist die am weitesten verbreitetste Bärenart. Sein Vorkommen erstreckt sich über das nordwestliche Nordamerika, Skandinavien, Russland bis Japan, Süd- und Osteuropa, dem Nahen Osten, China und der Mongolei. Die Zunahme der menschlichen Bevölkerung, der zunehmende Lebensraumschwund, aber auch die direkte Verfolgung durch den Menschen haben den Bären in grossen Teilen seines einstigen Verbreitungsgebietes zum Waldbewohner gemacht oder gar ganz zum Verschwinden gebracht. In der Schweiz wurde 1904 im Val S'charl der letzte Bär erlegt. Heute leben in Europa um die 50 000 Bären, davon aber nur etwa ein Drittel ausserhalb von Russland. In der Schweiz gibt es im Gegensatz zu Italien und Österreich kein Bärenansiedlungsprojekt. Allerdings wandert der Bär auf natürliche Art und Weise von selbst in die Schweiz ein. Ein erster Bär wurde im Juli 2005 im Nationalpark in Graubünden gesichtet. Er stammte aus der Population des Nationalparks Adamello-Brenta im Trentino. Seither wanderten fast jedes Jahr einzelne junge Männchen aus der Trentiner Bärenpopulation in die Schweiz ein. Bisher handelte es sich immer um temporäre Besuche. Die Zukunft wird zeigen, ob es in der Schweiz auf Dauer wieder ein Zusammenleben zwischen Mensch und Bär geben kann. Lebensweise Braunbären sind scheue Einzelgänger. Die Grösse ihrer Streifgebiete ist sehr unterschied- NAT UR lich und hängt vom Nahrungs- und Höhlenangebot ab. Bären sind nicht strikt territorial und dulden weitere Artgenossen in ihrem Lebensraum, falls genügend Nahrung vorhanden ist. Sie sind meist dämmerungs- und nachtaktiv. Die Tiere haben ein sehr feines Gehör und einen besonders guten Geruchssinn. Diesen verdanken sie ihrer Riechhaut, deren Fläche rund hundertmal grösser ist als diejenige des Menschen. Mit ihrer feinen Nase können sie Nahrung auf mehrere Kilometer riechen, sich über den Geruch mit Artgenossen verständigen und für die Paarungszeit eine Gefährtin finden. Besonders ist, dass Bären als einzige Raubtiere keine Tasthaare im Gesicht haben. Braunbären halten Winterruhe und verbringen den Grossteil der Wintermonate schlafend in einer Höhle. Während der Ruhezeit geht die Herzschlag- und Atemfrequenz deutlich zurück, die Körpertemperatur sinkt jedoch nur leicht. Die Tiere nehmen weder Wasser noch Nahrung auf und geben auch keinen Kot oder Urin ab. Die Energie für die Aufrechterhaltung der lebensnotwendigen Funktionen beziehen sie ausschliesslich über die in den Sommer- und Herbstmonaten angefressene Fettschicht. So verlieren sie während der Winterruhe bis zu einem Drittel ihres Körpergewichtes. Braunbären können ein Alter von bis zu 30 Jahren erreichen. Wie viele andere Tiere auch können sie in Gefangenschaft ein deutlich höheres Alter erreichen. es genügend Fettreserven zu bilden, um die lange Ruhezeit überstehen zu können. Quellen und weitere Informationen: www.ursina.org, www.kora.ch, www.wwf.ch Wandern mit dem Bären Nachwuchs Mit drei bis fünf Jahren werden die Braunbären geschlechtsreif. Die Paarungszeit, in der Fachsprache «Bärzeit» genannt, fällt in die Monate Mai bis Juli. Bärin und Bär paaren sich in der Regel mit mehreren Partnern. Die Embryonalentwicklung ruht dann bis im November. Während der Zeit der Winterruhe Ende Januar bringt das Weibchen bis zu drei Junge zur Welt. Die Abstände zwischen erfolgreichen Würfen betragen zwei bis drei Jahre. Bei der Geburt wiegen die Säugetiere nur ein halbes Kilogramm. Sie werden von der Bärin mit äusserst nahrhafter fetthaltiger Milch versorgt, die ein schnelles Wachstum ermöglicht. Im Mai, beim Verlassen der Höhle, wiegen sie gegen 15 Kilogramm und folgen ihrer Mutter schon bald auf ausgedehnte Wanderungen. Die Jungen bleiben bis zu zwei Jahre bei der Mutter und lernen in dieser Zeit alle Verhaltensweisen, die es zum Überleben braucht. Die Bärin verteidigt ihre Jungen vehement, auch gegen stärkere und grössere Bärenmännchen. Trotz dieser mütterlichen Fürsorge erreicht nur etwa die Hälfte der Jungtiere das erste Lebensjahr und nur ein Drittel der Bären wird über fünf Jahre alt. Nahrung Bären sind Allesfresser mit einem breiten Nahrungsspektrum. Drei Viertel des Nahrungsbedarfs wird mit pflanzlicher Kost wie Beeren, Früchten, Honig, Nüssen, Wurzeln, Kräutern und Gräsern gedeckt. Daneben fressen sie auch Aas, Fische, Kleintiere und Insekten, die eine wichtige Quelle tierischer Proteine sind. In ihren Nahrungsansprüchen sind sie extrem anpassungsfähig und fressen jeweils jene Nahrung, die saisonal am häufigsten vorhanden oder am leichtesten zu erreichen ist. Zudem variiert ihr Nahrungsverhalten im Laufe des Jahres stark. Nach der Winterruhe muss der Verdauungsapparat erst wieder an die Nahrungsaufnahme gewöhnt werden und im Spätsommer gilt Ursina ist ein grenzüberschreitendes Bärenprojekt im Gebiet des rätischen Dreiländerecks zwischen der Schweiz, Österreich und Italien. «Wandern mit dem Bären» ist Teil des vom WWF Schweiz initiierten Projekts, das in Zusammenarbeit mit den lokalen Gemeinden und Tourismusregionen, dem Schweizerischer Nationalpark und dem Bündner Kantonalen Patentjäger Verband entstanden ist. Machen Sie sich auch auf den Weg und erfahren Sie mehr über den Braunbären und die Verhaltensregeln in einer Bärenregion. Die Bären-Wanderwege richten sich vor allem an Familien mit Kindern. Verschiedene Aktivitäten auf den Wanderungen und Informationen zum Downloaden sorgen für ein bäriges Erlebnis. S-charl: Senda da l'uors – Ein bärenstarkes Erlebnis Wo Meister Petz überall seine Nase reinsteckt und welche Spuren er hinterlässt. Der Erlebnisweg in S-charl bringt grosse und kleine Gäste über das geheimnisvolle Wesen des Bären zum Staunen. Val Müstair: Süls stizis da l'uors – Bärenthemenweg Kommen Sie mit auf den Bärenthemenweg «Süls stizis da l`uors» im Val Müstair! Die sechs Ausflüge nehmen Themen auf wie: Verhalten im Bärengebiet, Herdenschutz, Bären und Bienen, Geschichte des Braunbären in der Schweiz, Lumpaz und kleine Bärengeschichten. Die Wanderungen dauern zwischen einer und sechs Stunden. Schweizer Nationalpark: Per GPS dem Bären auf der Spur Wissenswertes über den Bären liefert auch der digitale Wanderführer WebPark des Schweizerischen Nationalparks. Entdecken Sie mit WebPark die Bärenregion. Auf der Nationalparkroute Margunet erhalten Sie automatisch vom WWF aufbereitete Bären-Informationen via Satellit. weitere Informationen: www.ursina.org Februar 2016 59