Auswirkungen der Rodungsarbeiten an der HHB auf Fledermäuse 06.12.2016 Auswirkungen der Rodungsarbeiten am Nordportal des Hirsauer Tunnels auf Fledermäuse Von Dr. Christian Dietz, 06.12.2016 Vorbemerkungen Im November und Anfang Dezember 2016 wurden entlang der Strecke der in den 1980er Jahren stillgelegten Schwarzwaldbahn (geplante Hermann-­‐Hesse-­‐Bahn) Rodungsarbeiten im Auftrag des Landkreises Calw durchgeführt. Die Rodungsarbeiten erfolgen nach Aussage des Landkreises als „zulässige Unterhaltungsmaßnahmen der Bestandstrasse" und er komme mit den "Rodungsarbeiten seinen Verkehrssicherungspflichten gegenüber Anliegern" nach. Zur Vermeidung von Verbotstatbeständen nach §44 BNatSchG bei Fällarbeiten potentieller Fledermausquartierbäume wurden nach Angaben des Vorhabenträgers Vermeidungsmaßnahmen ergriffen (vgl. hierzu http://www.hermann-­‐hesse-­‐ bahn.de/service/downloads/__Downloads.html ! Schriftverkehr: Erwiderung auf Eilantrag des NABU in Sachen Fäll-­‐ und Rodungsarbeiten an das Verwaltungsgericht Karlsruhe). Obwohl die nationale Bedeutsamkeit von zwei Eisenbahntunneln auf der stillgelegten Strecke als Fledermaus-­‐Winterquartiere umfassend bekannt ist, wurden in ihrem direkten Umfeld ebenfalls Rodungsarbeiten durchgeführt. Die beiden Eisenbahntunnel gehören zu den größten Winterquartieren des Landes Baden-­‐Württemberg, der Hirsauer Tunnel gehört nach Arten-­‐ und Individuenzahl der überwinternden Tiere zu den drei größten Winterquartieren im Bundesland. Insbesondere am Nordportal des Hirsauer Tunnels wurde großräumig der Wald gerodet und komplett auf Stock gesetzt (siehe Abbildungen). Das Nordportal war bislang der Hauptzuflug für die Fledermaus-­‐Winterpopulation und v.a. der Hauptort des Schwärmens im Spätsommer. Von Ende Juli bis Ende Oktober suchen mehrere 1000 Fledermaus-­‐Individuen aus mindestens 15 Arten das Nordportal des Hirsauer Tunnels zum Schwärmen auf, darunter auch Bechsteinfledermäuse, Braune Langohren und sogar die Große Hufeisennase. Der Einflug ins Winterquartier erfolgt übergangslos, d.h. ab Mitte September ziehen sich die ersten überwinternden Tiere zum Winterschlaf zurück. Es besteht somit eine andauernde Flugaktivität vor dem Tunnelportal bzw. ein permanentes Erfordernis geschützter Anflugwege. Zu Details hierzu vergleiche Dietz (2016): Artenschutzrechtliches Konfliktpotential bei einer Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke Weil der Stadt – Calw als Hermann-­‐Hesse-­‐Bahn im Hinblick auf Fledermäuse in den Bestandstunneln. – Gutachten im Auftrag des NABU Landesverband Baden-­‐Württemberg, 52. S. ; https://baden-­‐ wuerttemberg.nabu.de/imperia/md/content/badenwuerttemberg/themen/verkehr/gu tachten_dietz_2016_-­‐_flederm__use_in_den_bestandstunneln_der_geplanten_.pdf . Unmittelbare und sofort wirksame Auswirkungen der Rodungsarbeiten Die Rodungsarbeiten im direkten Umfeld des Tunnelportals zu Beginn des Winterschlafes der Fledermäuse waren mit einer enormen Störung der Tiere verbunden. Untersuchungen aus früheren Jahren zeigen, dass ein erheblicher Teil der überwinternden Tiere in Gewölbespalten des Portalbereiches und damit nur wenige Meter vom Arbeitsbereich entfernt überwintert. Die Tiere waren damit dem Lärm direkt Seite 1 von 6 Auswirkungen der Rodungsarbeiten an der HHB auf Fledermäuse 06.12.2016 ausgesetzt, zumal auch mit schweren Maschinen vom Gleisbett aus direkt am Portalbereich gearbeitet wurde. Durch die Veränderung der gesamten Eingangssituation wurden eine Veränderung der mikroklimatischen Bedingungen (z.B. durch die Veränderung von Kaltluftabflüssen) sowie eine drastische Veränderung der Zuflugverhältnisse ausgelöst: • Störungen im Winterschlaf führen zu einem deutlich erhöhten Energieverbrauch und damit direkt zu einem stark erhöhten Mortalitätsrisiko für die betroffenen Tiere. Der Energieverbrauch ist die kritische Komponente im Winterschlaf, die im Herbst angelegten Fettreserven müssen über den gesamten Winter und bis ins Frühjahr ausreichen. Bereits geringe Veränderungen im Aktivitätsverhalten haben gravierende Auswirkungen auf den Energieverbrauch und damit die Reichweite der Energiereserven. • Die veränderten mikroklimatischen Verhältnisse werden eine Veränderung der Quartiertemperaturen nach sich ziehen. Auf diese müssen die bisher im Portalbereich und in den portalnahen Bereichen überwinternden Tiere durch Quartierwechsel reagieren. Diese Wechsel sind energiezehrend und erhöhen damit das Mortalitätsrisiko. • Für Fledermäuse die erst jetzt das Winterquartier aufsuchen (Männchen vieler Arten, kälteharte Arten wie z.B. Zwerg-­‐, Breitflügel-­‐ oder Mopsfledermaus und das Graue Langohr finden eine komplett veränderte Eingangssituation vor. Die zur Schwärmzeit erkundeten Flugrouten existieren nicht mehr. Die Fledermäuse haben damit einen deutlich erhöhten Energieverbrauch bei der Suche nach dem Quartiereingang, dessen Erkundung und dem Auffinden des Winterquartieres. Zudem sind sie in der nun offenen Landschaft leichte Beute für Prädatoren, insbesondere den Waldkauz. Sie sind damit einem deutlich erhöhten Tötungsrisiko ausgesetzt. • Einige Arten wie z.B. das Braune Langohr oder die Fransenfledermaus paaren sich bis in den Winter hinein am Winterquartier, für das Paarungsverhalten spielen die eingangsnahen Quartierbereiche ein große Rolle, da hier die Tiere aktiv aufeinander treffen und die Männchen hier ihre Quartierspalten und Paarungsquartiere etablieren. Dieses Paarungsverhalten wurde direkt durch die Lärmauswirkungen und das damit verbundene Verlassen der eingangsnahen Bereiche und indirekt durch die komplette Veränderung der Eingangssituation beeinträchtigt. • Ein Teil der Tiere wird das beim Schwärmen als Winterquartier erkundete Tunnelportal nicht auffinden oder aufgrund der veränderten Bedingungen nicht aufsuchen. Zu dem erhöhten Energieverbrauch der vergeblichen Suche nach dem Winterquartier kommt der energiezehrende Wechsel in ein anderes (aller Wahrscheinlichkeit nach suboptimales) Winterquartier. Beide Faktoren erhöhen das Mortalitätsrisiko weiter. Daraus ergibt sich eine eindeutige Störung der Fortpflanzungsstätte (Paarungsquartier) und eine eindeutige Beeinträchtigung der Ruhestätte (Winterquartier) nach § 44 BNatSchG. Zudem wurden in dem laufenden Verfahren zu den Klagen gegen das Planfeststellungsverfahren, bei dem der Schutz der Fledermausvorkommen eine maßgebliche Rolle spielt, Tatsachen geschaffen, die sich auf absehbare Zeit nicht rückgängig machen lassen. Darüber hinaus kann die Rodung auch als unzulässiger Versuch einer Vergrämung gedeutet werden. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass eine Vergrämung der Tiere so sicher nicht möglich ist, die o.g. Faktoren aber zu einer deutlich erhöhten Mortalität bzw. einem deutlich erhöhten Tötungsrisiko führen. Seite 2 von 6 Auswirkungen der Rodungsarbeiten an der HHB auf Fledermäuse 06.12.2016 Später wirksame Auswirkungen der Rodungsarbeiten Neben der Eingangssituation zu einem sehr großen Winterquartier müssen gute Schwärmquartiere weitere Anforderungen erfüllen: über Leitlinien an die umgebenden Landschaft angebundene Flugwege, einen dunklen großvolumigen Schwärmraum und durch starke Beschattung oder Abdunklung weitgehende Unabhängigkeit von den Mondphasen. Diese drei Anforderungen stehen zum einem mit dem Schutz vor Beutegreifern, insbesondere vor Eulen, aber auch mit dem Verhalten der strukturgebunden fliegenden und Licht meidenden Waldfledermausarten zusammen. Der Waldbestand schützt zudem die Eingänge von Winterquartieren im Sommer zur Schwärmzeit vor einer schnellen Auskühlung und dämpft insgesamt die Temperaturschwankungen. Bei Tunnelbauwerken spielt aufgrund von zwei Eingängen mit unterschiedlicher Meereshöhe und der Durchquerung von Bergrücken die umgebende Vegetation + eine große Rolle bei der Dämpfung von Kaltluftabflüssen, da sie die Rauigkeit der Landschaft maßgeblich beeinflussen. Die Rodungen im Bereich des Nordportales am Hirsauer Tunnel haben entsprechend auf Jahre hinaus folgende Auswirkungen auf die Fledermausvorkommen: • Dramatische Veränderung der gesamten Eingangssituation. • Kappung von Leitstrukturen und Flugwegen. • Komplettes Wegfallen geschützter Flugwege. • Kompletter Wegfall des geschützten Schwärmraumes vor dem Tunneleingang. Das Schwärmen wird damit in die Tunnelöffnung verlagert. • Gravierende Veränderung der klimatischen Bedingungen vor dem Tunnel. • Gravierende Veränderung der Rauigkeit im gesamten Tunnelvorfeld, dadurch bedingt verstärkter Kaltluftabfluss und somit stark veränderte klimatische Bedingungen im Tunnel. • Das Tunnelportal wird aufgrund der nunmehr ungeschützten Lage von strukturgebunden fliegenden Arten in hohem Maße gemieden. Der Tunnel ist damit nur mehr erschwert, mit erhöhtem Energieverbrauch und erhöhtem Tötungsrisiko durch Prädatoren erreichbar, dies betrifft insbesondere die Arten Braunes Langohr, Bechsteinfledermaus und Große Hufeisennase. • Leichte Zugriffsmöglichkeit für Prädatoren wie Eulen auf Fledermäuse beim Überfliegen der offenen Flächen. Daraus ergibt sich für das Schwärmen der Fledermäuse in Zukunft eine eindeutige Störung einer Fortpflanzungsstätte nach § 44 BNatSchG. Zudem wurden in dem laufenden Verfahren zu den Klagen gegen das Planfeststellungsverfahren, bei dem der Schutz der Fledermausvorkommen eine maßgebliche Rolle spielt, Tatsachen geschaffen, die sich auf absehbare Zeit nicht rückgängig machen lassen. Damit lassen sich die jetzt schon absehbaren Störungen kurzfristig nicht verhindern bzw. rückgängig machen. Seite 3 von 6 Auswirkungen der Rodungsarbeiten an der HHB auf Fledermäuse 06.12.2016 Möglichkeiten zur Minimierung des entstandenen Umweltschadens Die ausgelösten direkten Schäden und zwingend zu erwarteten Folgeschäden am Nordportal des Hirsauer Tunnels sind kurzfristig nicht zu beheben. Höchste Priorität muss daher der Erhalt der jetzigen Zuflugsituation am Südportal des Hirsauer Tunnels und an den beiden Portalen des Forsttunnels haben, um den Fledermäusen dort die gewohnten Zugänge zu erhalten. Weitere Rodungsarbeiten sind entsprechend im Bereich der Tunnelportal und der anschließenden Böschungen zu unterlassen. Am Nordportal des Hirsauer Tunnels ist sicherzustellen, dass keine weiteren Arbeiten, z.B. Ausstockungen etc. durchgeführt werden. Stockausschläge und neuer Vegetationsaufwuchs sind bis an das Tunnelportal heran zuzulassen. Da diese natürliche Vegetationsentwicklung zu langsam vorangeht, um die Auswirkungen mittelfristig zu beheben, sind Zusatzmaßnahmen erforderlich. Im Portalbereich, entlang der Trasse im Bereich der zuführenden Strecke bis zur Brücke über die Fuchsklinge und zu den zurückgenommenen Waldrandbereichen sind Neuanpflanzungen mit Laubgehölzen und mit möglichst großer Pflanzwahre zum nächst möglichen Zeitpunkt im Frühjahr durchzuführen. Das Lichtschrankenmonitoring ist zumindest im Hinblick auf den Einsatz der Kameramodule abzubrechen, um eine zusätzliche Störung der einfliegenden Tiere durch die Blitzgeräte zu verhindern. Jegliche weitere Störungen der Winterpopulation, möglicherweise angedachte Vergrämungsversuche oder Erkundungsarbeiten zu Statik, Standsicherheit, Sanierungsbedarf oder Entwässerungssituation im Tunnel sind während der Winterzeit zu unterlassen. Abbildung 1: Nordportal des Hirsauer Tunnels am 05.07.2016. Foto: C. Dietz. Seite 4 von 6 Auswirkungen der Rodungsarbeiten an der HHB auf Fledermäuse 06.12.2016 Abbildung 2: Nordportal des Hirsauer Tunnels am 03.12.2016 nach den Rodungsarbeiten. Foto: C. Dietz. Abbildung 3: Nordportal des Hirsauer Tunnels am 05.12.2016 nach den Rodungsarbeiten. Foto: C. Dietz. Seite 5 von 6 Auswirkungen der Rodungsarbeiten an der HHB auf Fledermäuse 06.12.2016 Abbildung 4: Nordportal des Hirsauer Tunnels am 05.12.2016 nach den Rodungsarbeiten. Foto: C. Dietz. Von: Dr. Christian Dietz Balinger Straße 15 72401 Haigerloch christian@fledermaus-­‐dietz.de Seite 6 von 6