cUVIllIéS - Residenztheater

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BUNBURY
oder
VON DER
NOTWENDIGKEIT,
ERNST ZU SEIN
cuvilliés
theater
Oscar Wilde befand sich auf dem Höhepunkt seiner
Karriere, als „Bunbury“ 1895 im St. James Theatre
seine Uraufführung erlebte. Während auf der Bühne
das Doppelleben der Figuren gefeiert wurde, brach
hinter der Bühne allmählich Wildes eigenes Doppelleben zusammen.
Wilde steckte wie die Figuren des Stücks in einem
Konflikt zwischen den ethisch-gesellschaftlichen
Forderungen und dem individuellen Trieb nach LustO S CA R W I L D E
befriedigung.
Der Marquess of Queensberry, der Vater von Wildes Geliebten Alfred Douglas
„Bosie“, versuchte bei der Premiere von „Bunbury“ einen Skandal zu provozieren und
hinterlegte einige Tage später im Albemarle Club eine Karte mit der Aufschrift:
„An Oscar Wilde, der als So[m]domit auftritt“. Wilde verklagte Queensberry wegen
Verleumdung, allerdings mit negativem Ergebnis: Der Vater wurde freigesprochen
und Oscar Wilde wurde wegen sogenannter „Unzucht“ der Prozess gemacht. Sein
schillerndes öffentliches Leben in London war jäh beendet. Er wurde verhaftet,
während des Prozesses für bankrott erklärt und schließlich zu zwei Jahren Gefängnis
und Zwangsarbeit verurteilt. Am Tag seiner Entlassung ging er nach Frankreich und
kehrte nie mehr nach England zurück.
Mr. Algernon Moncrieff
The Rev. Canon Chasuble, D. D.
Lane / Merriman
Lady Bracknell
The Hon. Gwendolen Fairfax
bunbury
oder
VON DER NOTWENDIGKEIT,
ERNST ZU SEIN
von
Deutsch von
Oscar Wilde
Marius von Mayenburg
Regie
Bühne + Kostüme Musik
Licht
Video
Dramaturgie
Marius von Mayenburg
Nina Wetzel
Nils Ostendorf
Markus Schadel
Sebastien Dupouey
Christina Hommel
Regieassistenz Gregor Turecek
Bühnenbildassistenz Bärbel Kober
Kostümassistenz Nina Hofmann
Regiepraktikum Carmen Schwarz
Bühnenbildpraktikum Franziska Huber
Kostümpraktikum Nathalie Hecht
Regiehospitanz Astrid Hornung
Miss Cecily Cardew
Miss Prism
dezember
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mantel der Narren ist, ist die
Narrheit in ihren erlesenen
Verkleidungen von Trivialität
und Gleichgültigkeit und
Sorglosigkeit das Gewand des
Weisen. In unserem vulgären
Zeitalter braucht jeder eine
Maske.“
Mr. John Worthing
U
Die beiden vergnügungssüchtigen Lebemänner Jack und Algernon führen ein aufregendes Doppelleben. Während Algernon als Alibi einen kranken Freund namens Bunbury
erfunden hat, um der Stadt und seinen Verpflichtungen zu entkommen und sich auf
dem Land zu amüsieren, hat sich Jack einen missratenen Bruder namens Ernst ausgedacht, um seinem Landsitz zu entfliehen und das Nachtleben in der Stadt zu genießen,
wo er selbst den Namen des fingierten Bruders annimmt.
Doch dann verlieben sich die beiden, und das Lügengebäude der Dandys
kommt ins Wanken. Jack verliebt sich in der Stadt als „Ernst“ in Algernons Cousine
Gwendolen. Seinem Heiratsantrag steht jedoch nicht nur Gwendolens Mutter, Lady
Bracknell, im Weg, die ihre Tochter keinesfalls mit einem Waisen wie ihm vermählen
will, sondern auch sein falscher Name. Denn Gwendolen ist völlig auf den Namen
„Ernst“ fixiert und will keinesfalls einen Mann heiraten, der anders heißt. Diese Obsession teilt sie mit Cecily, die als Jacks Mündel mit ihm auf dem Land lebt und nichts
über sein Doppelleben weiß.
Als Algernon schließlich auf’s Land reist und sich dort
„Für die Welt bin ich, und
als Ernst ausgibt, verliebt sich Cecily in den „versauten
Vetter“ und es werden sogleich Hochzeitspläne gebin es mit Absicht, bloß ein
schmiedet. Doch auch diese Hochzeit kämpft mit
Dilettant und ein Dandy – es
Hindernissen, als beide Frauen feststellen müssen,
ist nicht klug, der Welt sein
dass sie beide mit Jacks Bruder Ernst verlobt sind.
Herz zu zeigen -, und da gravi- Der Konflikt eskaliert und steuert auf den schlimmsten
tätisches Auftreten der Deck- anzunehmenden Ernstfall zu.
Gunther Eckes
Lukas Turtur
Thomas Gräßle
Simon Werdelis
Cornelia Froboess
Katrin Röver
Genija Rykova
Beatrix Doderer/
Ulrike Willenbacher
C
Zum Stück
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Premiere
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Bühnenmeister Reinhard Gomolka
Stellwerk Jakob Heise
Videotechnik Marie-Lena Eissing, Stefan Muhle
ton Alexander Zahel
Requisite Bernhard Flöder, Jens Mellar, Stefan Reti
maske Babett Wagner, Nora Köster, Anna Kerth
Garderobe Michaela Fritz, Marina Getmann, Franz Schuller
inspizienz Johanna Scriba soufflage Anna Dormbach
Lukas Turtur
Gunther Eckes
Oscar
Wilde:
De
Profundis
Gunther Eckes
Katrin Röver
Katrin Röver
Genija Rykova
Lukas Turtur
Genija Rykova
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Beatrix Doderer
Thomas Gräßle
Katrin Röver
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Die Götter hatten mir beinahe alles gegeben. Ich besaß Genie,
einen angesehenen Namen, eine Stellung in der Gesellschaft,
Witz, intellektuellen Mut: ich machte aus der Kunst eine
Philosophie und aus der Philosophie eine Kunst: ich änderte
das Denken der Menschen und die Farbe der Dinge: was immer ich tat oder sagte, wirkte erstaunlich: ich nahm das Drama, die objektivste Kunstform, und schuf daraus eine ebenso
subjektive Ausdrucksform wie Lied oder Sonett, während
ich zugleich seinen Geltungsbereich erweiterte und seine
Möglichkeiten vervielfachte. Drama, Roman, Versdichtung, Prosadichtung, subtiler oder phantastischer Essay, was immer ich anfaßte, wurde durch mich schön
in einer neuen Art Schönheit: der Wahrheit selbst wies ich das Falsche und das
Wahre als ihr legitimes Reich zu und zeigte auf, daß das Falsche wie das Wahre
lediglich geistige Seins-Formen sind. In der Kunst sah ich die höchste Form der
Realität, im Leben nur eine Spielart des Romans: ich weckte die Phantasie meines
Jahrhunderts, und es umwob mich mit Mythen und Legenden: alle Systeme faßte
ich in einen Satz, die ganze Existenz in ein Epigramm.
Doch zu diesen Dingen kamen andere. Ich ließ mich in lange Perioden
sinnlosen, sinnlichen Behagens locken. Ich amüsierte mich damit, als flâneur
auf-zutreten, als Dandy, als Modeheld. Ich umgab mich mit dürftigeren Naturen,
geringeren Geistern. Ich wurde zum Verschleu„Es tut mir leid, daß ich durch meine derer meines eigenen Genies; eine ewige Jugend
Extravaganz mein Leben so verpfuzu vergeuden, bereitete mir ein prickelndes
sche und vertue. Aber ich kann anVergnügen. Müde, auf den Höhen zu wandeln,
ders nicht leben. Und ich büße auch stieg ich absichtlich in die Tiefe und suchte
dort neue Reize. Was das Paradoxe mir im Bemit meinen Leiden dafür.“
reich des Denkens war, wurde mir im Reich der
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Leidenschaften die Perversion. Am Ende war
die Begierde zu Krankheit oder Wahnsinn oder zu beidem geworden. Ich nahm
keine Rücksicht mehr auf andere. Ich nahm die Freuden, wo sie sich mir boten,
und ging meines Wegs. Ich vergaß, daß jede kleine Alltagshandlung den Charakter
formt oder verformt und daß man
„Denn das Geheimnis des Lebens heißt
daher eines Tages laut vom Dache
ausschreit, was man bislang im
Leiden. Hinter allem verbirgt sich nur
verschwiegenen Zimmer tat. Ich war
dies. Zu Anfang unseres Lebens schmeckt
nicht mehr Herr über mich selbst.
Ich war nicht mehr Steuermann
das Süße uns so süß, das Bittere so bitter,
meiner Seele, und ich wußte es
daß wir unweigerlich unser ganzes
nicht. Ich ließ mich von Dir beherrStreben auf den Genuß richten und nicht
schen und von Deinem Vater einschüchtern. Ich endete in grauennur ‚einen Monat oder zwei von Honig
voller Schmach. Mir bleibt nur noch
leben‘, sondern am liebsten unser
eines, äußerste Demut: genau wie
Leben lang keine andere Nahrung kosten
Dir nur noch eines bleibt, äußerste Demut. Wirf Dich in den Staub
möchten und dabei nicht wissen, daß wir
und lerne sie an meiner Seite. Seit
unsere Seele Hunger leiden lassen.“
beinahe zwei Jahren liege ich nun
im Kerker. Mein Wesen machte sich
O S CA R W I L D E
Luft in wilder Verzweiflung; in der Hingabe an den
Gram, dessen Anblick allein Mitleid erregte: in schrecklicher und ohnmächtiger
Wut: in Bitterkeit und Verachtung: in Angst, die laut weinte: in Elend, das keinen
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Genija Rykova
Thomas Gräßle
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Simon Werdelis
Laut finden konnte: in stummem Leid. Jede erdenkliche Phase des Leidens habe
ich durchlebt. Besser als Wordsworth selbst weiß ich, was Wordsworths Verse
besagen:
Lukas Turtur
Genija Rykova
Katrin Röver
Gunther Eckes
„Ich sagte Dir,
es schmerze, die
Wahrheit zu sagen.
Zum Lügen
gezwungen zu
sein, schmerzt
noch viel mehr.“
Cornelia Froboess
Genija Rykova
​ as Leiden ist beständig, trüb und finster
D
​Und hat das Wesen der Unendlichkeit.
Zuzeiten labte mich sogar der Gedanke, daß meine Leiden endlos sein mochten, doch daß sie bedeutungslos
sein sollten, konnte ich nicht ertragen. Jetzt entdeckte
ich auf dem verborgenen
Grund meines Wesens et„Ganz anders verhält es sich mit
was, das mir sagt, nichts in
den dynamischen Lebenskräften
der Welt sei bedeutungslos, und mit den Menschen, in denen
am wenigsten das Leiden.
diese dynamischen Kräfte lebenDieses Etwas, das wie ein
O S CA R W I L D E
Schatz auf dem Grunde mei- dig sind. Wer einzig nach Selbstnes Wesens verborgen liegt, verwirklichung strebt, weiß nie,
wohin er geht. Er kann es nicht
ist die Demut. Sie ist das Letzte, was noch in mir lebt,
und das Beste: die endliche Entdeckung, bei der ich
wissen. In einem bestimmten Sinn
angelangt bin: der Ausgangspunkt für eine neue Entdes Wortes ist es natürlich nötig,
wicklung. Sie ist aus mir selbst gekommen, daher weiß daß man, wie das griechische
ich, daß sie zur rechten Zeit kam. Sie hätte nicht früher
Orakel sagte, sich selbst erkennt.
kommen können und nicht später. Hätte mir jemand
Darin besteht die erste Stufe des
davon gesprochen, ich hätte abgewehrt. Hätte man
sie mir gebracht, ich hätte sie zurückgewiesen. Da ich Wissens. Und die letzte Stufe der
selbst sie fand, will ich sie behalten. Ich muß sie behal- Weisheit ist die Erkenntnis, daß
ten. Sie ist das einzige, was das Element des Lebens in die Menschenseele unerforschlich
sich trägt, eines neuen Lebens, meiner Vita Nuova. Sie ist. Das letzte Geheimnis sind wir
ist das seltsamste aller Dinge. Man kann sie nicht weg- selbst. Wir mögen das Gewicht
schenken, niemand kann sie einem geben. Man kann
der Sonne bestimmen, die Bahn
sie nicht erwerben, wenn man nicht alles hingibt, was
man besitzt. Erst wenn man alles andere verloren hat, des Mondes messen und die
sieben Himmel Stern für Stern
dann weiß man, daß man sie besitzt.
auf Karten verzeichnen, dann
Jetzt, da ich weiß, daß sie in mir wohnt, sehe
ich ganz klar, was ich zu tun habe, unbedingt tun muß. bleiben immer noch wir selbst.
Und wenn ich mich so ausdrücke, brauche ich Dir nicht Wer kann den Lauf der eigenen
zu sagen, daß ich nicht von äußerem Zwang oder GeSeele berechnen?“
bot spreche. Ich unterwerfe mich keinem von beiden.
O S CA R W I L D E
Mehr denn je bin ich Individualist. Mir erscheint alles
wertlos, was nicht aus dem eigenen Innern kommt.
Mein Wesen sucht eine neue Möglichkeit der Selbstverwirklichung.
RESIDENZTHEATER Spielzeit 2013/2014
INTENDANT Martin Kušej GESCHÄFTSFÜHRENDER DIREKTOR Holger von Berg TECHNISCHER DIREKTOR
Aufführungsrechte henschel SCHAUSPIEL
Thomas Bautenbacher KOSTÜMDIREKTORIN Elisabeth Rauner KÜNSTLERISCHER DIREKTOR Roland Spohr
TEXTNACHWEIS Norbert Kohl: „Oscar Wilde.
CHEFDRAMATURG Sebastian Huber PRESSE- U. ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Sabine Rüter TECHNIK Matthias
Das literarische Werk zwischen Provokation und
Neubauer, Natascha Nouak WERKSTÄTTEN Michael Brousek AUSSTATTUNG Bärbel Kober, Maximilian Lindner
Anpassung“, Heidelberg 1980.
BELEUCHTUNG/VIDEO Tobias Löffler TON Michael Gottfried REQUISITE Dirk Meisterjahn PRODUKTIONSLEITUNG
Oscar Wilde: „Briefe“, Hamburg 1966.
KOSTÜM Enke Burghardt DAMENSCHNEIDEREI Gabriele Behne, Petra Noack HERRENSCHNEIDEREI
Oscar Wilde: „De Profundis“, Hamburg 1966.
Carsten Zeitler, Aaron Schilling MASKE Andreas Mouth GARDEROBE Cornelia Faltenbacher SCHREINEREI
Redaktion Christina Hommel
Stefan Baumgartner SCHLOSSEREI Ferdinand Kout MALERSAAL Katja Markel TAPEZIERWERKSTATT Peter Sowada
Fotos Matthias Horn
HYDRAULIK Karl Daiberl GALERIE Christian Unger TRANSPORT Harald Pfähler BÜHNENREINIGUNG Adriana Elia
GESTALTUNG Herburg Weiland, München
DRUCKEREI Weber Offset
HERAUSGEBER Bayerisches Staatsschauspiel, Max-Joseph-Platz 1, 80539 München
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„Die Wahrheit ist niemals simpel und
erst recht nicht rein.“
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