Studentenseminar: Kompakte Stellare Röntgenquellen Sommersemester 2008 Röntgenstrahlung von kataklysmischen Variablen Stephan Hartmann Betreuer: Dr. Thorsten Nagel 26. Juni 2008 1 Einleitung Ein großer Teil aller mit bloßem Auge am Nachthimmel beobachtbaren Sterne ist, auf die eine oder andere Art variabel in der Leuchtkraft, sei es wegen Veränderungen der Sterne selbst oder auf Grund von Wechselwirkung mit einem Begleiter. Die Helligkeitsvariationen sind bereits mit einfachsten Mitteln feststellbar und daher häufiger Beobachtungsaspekte der Amateurastronomie. Insbesondere wechselwirkende Sterne sind jedoch auch für die moderne Astrophysik von großem Interesse, da an ihnen verschiedenste Modelle der Sternentwicklung, der MHD und auch der ART überprüft werden können. Dank ihres häufigen Auftretens in leicht zugänglicher Entfernung gilt hierbei ein besonderes Augenmerk der Klasse der Kataklysmischen Variablen. 2 Einführung in Kataklysmische Variablen 2.1 Aufbau einer Kataklysmischen Variablen Bei Kataklysmischen Variablen (cataclysmic variables, CVs) handelt es sich um enge Doppelstern-Systeme: • Primärkomponente: Weißer Zwerg (white dwarf, WD) mit MW D = (0, 3 − 1, 4) M und RW D = R♁ • Sekundärkomponente: Roter Zwerg (red dwarf, RD) mit MRD = 0, 12M und RRD = 0, 15R • bei ausgefülltem Roche-Volumen des Sekundärsterns findet Massentransfer über den inneren Lagrangepunkt L1 statt; Massentransferraten zwischen Ṁ ≈ 10−8 − 10−11 M /yr • auf Grund der Drehimpulserhaltung normalerweise keine direkte Akkretion möglich • Akkretionsring am Zirkularisationsradius rcirc (mit J (L1) = J (rcirc )) verschmiert zu einer ausgedehnten Akkretionsscheibe • Wechselwirkung zwischen Scheibe und Massenstrom führt zur Aufheizung des sogenannten Bright Spots (etwa 30% der gesamten Lichtleistung) Abbildung 1: Schematische Darstellung des Aufbaus eines CVs∗ 1 2.2 Beobachtungen Eine direkte Beobachtung der Einzelsterne eines CVs ist auf Grund des kleinen Abstands der Komponenten untereinander und der räumlichen Entfernung zum Beobachter ausgeschlossen. Lichtkurven und Spektren, ins besondere von bedeckenden Systemen lassen es jedoch zu Eigenschaften von bestimmten CV-Typen ableiten. 2.2.1 Lichtkurve Betrachtet man die Lichtkurve eines CVs mit hoher Inklination i, so zeigen sich deutliche Einbrüche im Photonenfluss, wenn die einzelnen Komponenten sich gegenseitig überdecken. Aus der Messung der Zeit zwischen Überdeckungsvorgängen kann die orbitale Periodendauer Porb des Systems bestimmt und über a3 = 2 G (MW D + MRD ) Porb 4π 2 Abbildung 2: Lichtkurve zu IY Uma∗ die räumliche Separation a der Sterne berechnet werden. Aus der zeitlichen Information der einzelnen Überdeckungsfeatures lassen sich zudem weitere Größen des Primär- und Sekundärsterns unter Verwendung weniger freier Parameter bestimmen. 2.2.2 Spektrum Das Gesamtspektrum eines CVs lässt sich aus den einzelnen Komponentenspektren zusammensetzen: WD: Schwarzkörper-Spektrum mit einer effektiven Temperatur von mehreren 10000K; Wellenlängenmaximum nach Wien’schen Verschiebungsgesetz λmax = (15 − 300) nm RD: Schwarzkörper-Spektrum mit einer effektiven Temperatur von mehreren 3000K; Wellenlängenmaximum nach Wien’schen Verschiebungsgesetz λmax = 950nm Scheibe: Temperaturverlauf von 50000K (nahe dem Weisen Zwerg) zu 5000K (am äußeren Rand); Abstrahlfläche nicht sphärisch-symmetrisch und daher inklinationsabhängiger Fluss Abbildung 3: Modellspektrum eines CVs∗ 2 3 Zwergnova-Ausbrüche Namensgebend für die Kataklysmischen Variablen sind charakteristische, teils periodisch Helligkeitsausbrüche um mehrere Magnituden (3m − 5m ). Der spontane Anstieg innerhalb kürzester Zeit führte bei den ersten Beobachtern zur Vorstellung einer katastrophalen Veränderung auf dem Stern“, (altgr. κατ ακλνσµóζ: ” Überschwemmung, Sinnflut, Vernichtung). Zur Unterscheidung von den nochmals deutlich leuchtstärkeren Novae werden die Ausbruchsphasen Zwergnovae (dwarf novae, DN) genannt. Abbildung 4: Lichtkurve zu SS Cyg∗ Betrachtet man die Veränderungen der Lichtkurven eines bedeckenden Systems während des Ausbruchs, zeigt sich, dass entgegen der ersten Vermutungen, die Zwergnova kein Ereignis auf dem Weißen Zwerg ist, sondern vielmehr innerhalb der Akkretionsscheibe stattfindet. Da sich die Leuchtkraft aus der Temperaturschichtung und diese wiederum aus der Massendichte der Scheibe hervorgeht, hängt der Ausbruch demnach mit den Massentransferraten des Sekundärsterns (Ṁ2 ) und der Akkretionsrate auf den WD (Ṁ ) zusammen. 3.1 MTB-Modell gegen DIM In den 70er Jahren entwickelten Yoij Osaki und Geoff Bath zeitgleich zwei Modelle zur Erklärung der Zwergnovae, wobei Osakis disc-instability“ Modell (DIM) eine grundsätzlich zu geringe Transportrate Ṁ , Baths mass” ” transfer-burst“ Modell (MTB) aber eine erhöhte Massentransferrate Ṁ2 als Ausbruchsursache annahm. MTB: – Roter Zwerg übterträgt auf Grund einer Instabilität mehr Material als üblich auf die Scheibe – Anhäufung am Zirkularisationsradius – überhöhte Materiedichte führt zur Aufheizung und damit zum Ausbruch ⇒ erhöhter Massendurchfluss verstärkt Bright Spot ⇒ Scheibe zieht sich auf Zirkularisationsradius zusammen und weitet sich erst in der anschließenden Ruhephase wieder über Drehimpulsübertrag aus. DIM: – im Ruhezustand werden Bereiche der Scheibe langsamer entleert als von außen nachgefüllt – thermische Instabilität innerhalb Staugebiets – großräumige Ausdehnung der Scheibe auf Grund des effektiveren α-viskosen Transport in ionisierten Gasen ⇒ viel größere Abstrahlfläche erzeugt einen wesentlich höheren Fluss ⇒ Expansion und viskoser Transport senken die Dichte, die thermische Instabilität verschwindet ⇒ Scheibe kehrt in die Ausgangslage zurück und sammelt erneut Masse an Da Beobachtungen zeigen, dass die Helligkeit des Bright Sports während des Ausbruchs nicht zunimmt und die Scheibe in Ruhe ihren kleinsten Radius zu besitzen scheint, hat sich im Allgemeinen Osakis DIM durchsetzen können, wobei ein gewisser Einfluss von Ṁ2 auf die Initialisierung der thermischen Instabilität nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. 3.2 Magnetische Turbulenz nach Balbus und Hawley Für das DIM spricht auch, dass mit der Balbus-Hawley-Theorie eine gute Erklärung für den spontanen Anstieg des viskosen Transports innerhalb der Scheibe gefunden wurde. In ionisierten Gasen koppeln geladenen Teilchen und Magnetfelder sehr stark aneinander. Auf Grund der unterschiedlichen Geschwindigkeiten innerhalb der Scheibenebene werden Magnetfeldlinien zunehmend verformt und schnüren sich schlussendlich ab, um energetisch günstigere Konfigurationen einzunehmen. Solche magnetisch gebundene Materieballungen können als Einheit wesentlich leichter in der Scheibe transportiert werden, gerade so, wie es das DIM vorhersagt. Bedingung für diese magnetischen Turbulenzen ist jedoch ein ionisiertes Gas in der Scheibe. 3 3.3 Thermische Instabilität Kalte, neutrale Gase besitzen nur eine geringe Opazität κ, die hierbei auch nur eine schwache Funktion der Temperatur ist. Sammelt sich jedoch immer mehr Masse auf kleinem Raum an, steigt also die Oberflächendichte Σ, so verändert sich auch die Temperatur in dem Ballungsgebiet (Σ ∝ T 4 ), bis bei einer kritischen Oberflächendichte Σmax die Temperatur etwa 7000K erreicht und das hauptsächlich aus Wasserstoff bestehende Scheibengas teilweise ionisiert. Da Photonen als Austauschteilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung stark an elektrische Ladungen koppeln, steigt die Opazität κ des zum Teil ionisierten Gases schlagartig an (κ ∝ T 10 ) und heizt die Region noch weiter auf. Bei Temperaturen T > 20000K ionisiert der Wasserstoff vollständig und die Scheibe wird ∗ Abbildung 5: S-Kurve“ der thermischen Instabilität ” mit Hilfe des erhöhten Massentransport durch die in dieser Phase effektiven magnetischen Turbulenzen der Balbus-Hawley-Theorie schneller entleert, so dass die Oberflächendichte und damit auch die Temperatur des Gebiets sich wieder verringert. Der Wasserstoff rekombiniert, wird dabei optisch dünn und kehrt über Phtotonenabstrahlung schnell in seinen ursprünglich neutralen Ausgangszustand Σmin zurück. 3.4 Heating- und Cooling-Waves Die obigen Überlegungen beschreiben den Vorgang der durch den im Ruhezustand zu langsamen Massenabfluss verdichteten Scheibenbereiche. Es ist offensichtlich, dass der Anstieg der Temperatur einer Region der Scheibe um mehrere Tausend K auch einen Einfluss auf die Temperatur der umliegenden Bereiche haben muss. Zudem wird bei Erreichen der vollionisierten Phase auf Grund der Drehimpulserhaltung das heißes Material nicht nur nach innen entleert, sondern auch nach außen transportiert und treibt damit den Temperaturanstieg in den anliegenden Region weiter an. Erreicht die Temperatur hierauf auch dort den kritischen Wert, so dass Wasserstoff teilweise ionisieren kann, durchläuft dieser Scheibenbereich ebenfalls den beschrieben Vorgang der thermischen Instabilität. Formal kann somit eine Art Heizwelle (heating wave) durch die Scheibe propagieren und die Leuchtkraft auf Grund der dabei immens großen Abstrahlfläche um ein Vielfaches der Ruhezustandsleuchtkraft erhöhen. Analog kann der Vorgang des Abkühlens in der Scheibe als eine cooling wave angesehen werden. Da der Ausbruch in der Scheibe im Gebiet mit erhöhter Massendichte zuerst Auftritt, können grundsätzlich zwei Formen der heating wave unterschieden werden. Ist der Massenzufluss vom Sekundärstern nicht allzu groß, sammelt sich das Material im Innenbereich der Scheibe und initialisiert die heating wave von innen nach außen. Bei hohem Massenübertrag erreicht die Scheibe zuerst im äußeren Bereich die für den Ausbruch kritische Oberflächendichte und propagiert hierauf in den zentralen Scheibenbereich. Im Gegensatz dazu, fällt die Scheibe auf Grund der Abhängigkeit der Oberflächendichte vom Radius immer zuerst im Außenbereich unter den kritischen Wert für die Rekombination, so dass die Kühlwelle unabhängig von der vorangegangenen Heizwelle immer von außen nach innen propagiert. 4 Röntgen-Emission eines CVs 4.1 Röntgenemission nicht-magnetischer CVs Boundary-Layer und Korona Die effektiven Oberflächen-Temperaturen der Scheibe und des Weißen Zwerges reichen im Normalfall nicht aus einen starken Photonenfluss im weichen und schon gar nicht im harten Röntgenbereich zu erzeugen. Ursprung des dennoch messbaren Röntgenflusses mit LX = 1029 − 1032 erg · s−1 muss daher eine besonders heiße Region des CVs sein. Das mit hohen keppler’schen Geschwindigkeiten rotierende Material nahe der Primärstern-Oberfläche muss für die Akkretion auf die um 90% langsamere Rotationsgeschwindigkeit des Weißen Zwergs abgebremst werden. Die dabei freigesetzte Energie (etwa die Hälfte der ursprünglichen potentiellen Energie des Akkretionsmaterials bei L1) heizt die boundary layer (BL) genannten Übergangszone so stark auf, dass hier durchaus Röntgenund EUV-Strahlung erzeugt werden kann, wobei die Effektivität der Abstrahlung je nach Materialdichte zu unterschiedlichen Randeffekten führt. 4 Eine hohe Akkretionsrate und somit hohe Materiedichte innerhalb der BL heizt auf Grund der damit verbundenen ebenfalls hohen optischen Dicke die BL immer weiter auf, so dass die Temperatur des Akkretionsgebietes typischerweise um die 200000K liegt. Die Emission entsprechender Photonen (EX ≈ 20eV) erfolgt hauptsächlich im weichen Röntgen- bzw. EUV-Bereich des Spektrums. Bei niedrigen Akkretionsraten und Dichten hingegen, sind die Kühlprozesse derartig ineffektiv, dass sich das heiße Gas immer weiter ausdehnt, dabei die Dichte weiter reduziert wird und ob der noch schlechteren Kühlung auf Temperaturen von T = 2 · 108 K erhitzt wird. Bei Kontakt mit dem Scheibenrand verdampft dieser und bildet eine Korona, die den ohnehin schon hohen Fluss der harten Röntgenphotonen (EX = 20keV) aus der ursprünglichen BL über Comptonstreuung zusätzlich verstärken kann. Der Unterschied der Härte der Röntgenstrahlung macht sich besonders im Zwergnova-Ausbruch bemerkbar. Dominiert in der Ruhephase, also bei niedrigen Akkretionsraten noch die harte 20keVRöntgenstrahlung, erreicht kurz nach Ausbruch der Anteil weicher Röntgenstrahlung sein Maximum, da die heating wave mehr Material an den Weißen Zwerg herangebracht hat und sich damit die Akkretionsrate über einen kritischen Wert erhöht. Der beob- Abbildung 6: Lichtkurven im V-, EUV- und achtete zeitliche Versatz von optischem und EUV-Ausbruch bzw. X-Ray-Band für SS Cyg im Einbruch der harten Röntgenstrahlung kann mit dem Ausfüllen Ausbruch∗ des Bereiches nahe der Primärstern-Oberfläche durch die heating wave erklärt werden. Kurz vor Ende der Ausbruchsphase, wenn sich das Scheibenmaterial über die cooling wave wieder zurückzieht, erreicht die Akkretionsrate erneut den kritischen Wert. Die BL beginnt wieder harte Röntgenstrahlung zu emittieren und es bildet sich erneute eine Korona aus. 4.2 Röntgenemission magnetischer CVs In alle bisher angesprochenen Phänomenen wurde das Magnetfeld des Weißen Zwerges völlig vernachlässigt. Für den Großteil der bekannten CVs scheint das Magnetfeld den Akkretionsfluss auch tatsächlich nur äußerst schwach zu beeinflussen. Es gibt jedoch auch eine Reihe von CVs, in denen das Feld des Primärsterns durchaus eine Rolle spielt. Je nach Magnetfeldstärke ist die Ausdehnung der sogenannten Magnetosphäre, also des Bereichs in dem der Einfluss des magnetischen Feldes alle anderen Einflüsse dominiert, mehr oder weniger ausgeprägt. Geladene Körper innerhalb der Magnetosphäre werden keine keppler’schen Bewegungen ausführen, sondern direkt den Magnetfeldlinien des Primärsterns folgen. Die Akkretion erfolgt somit nicht mehr in der Scheibenebene sondern in der Polregion des CVs. 4.2.1 Polare Besitz der Primärstern ein derart hohes magnetisches Feld (B = (10 − 80) MG), das dessen Ausdehnung bis zum deutlich schwächeren Magnetfeld des Sekundärsterns reicht, kommt es zu einer Synchronisation der Umlauf- und Rotationsbewegung, die bei genauerer Betrachtung ein typisches Erkennungszeichen für die sogenannten Polare ist. • Magnetosphäre dominiert das Gebiet jenseits des Zirkularisationsradius rcirc • Materiefluss vom Sekundärstern koppelt direkt an die Feldlinien und akkretiert auf die magentischen Pole • geladene Teilchen strahlen stark polarisierte Zyklotronstrahlung ab ⇒ POLARE (etwa 70 bekannt) • in der Nähe der Pole verdichten sich die Feldlinien und damit das mitgeführte Material auf ein extrem kleines Gebiet (r ≈ 0.01rW D ) • Schocks bilden sich aus und strahlen ihre Energie in Form von 20keV-Röntgenstrahlung ab; zusätzliche ergibt sich eine Bremstrahlungskomponente von Elektron-Ion-Stößen im Verdichtungsgebiet • eigentliche Akkretionsregion wird durch die abgestrahlte Energie der Schockzone auf 200000K aufgeheizt und emittiert weiche Röntgenstrahlung • größere Materiekonglomerate schirmen sich über Oberflächenströme ab und entkoppeln noch vor der Schockzone vom Magnetfeld; freifallend durchdringen sie die Schockzone und heizen die Atmosphäre des Weißen Zwergs beim Einschlag direkt auf 5 Je nach Inklination der Magnetfeldachse des Weißen Zwergs zur Orbitalebene ist der Materietransport zu beiden Polen unterschiedlich. Wird der größte Teil des Materials (95%) aus energetischen Gründen dem nächstliegenden Pol entgegenfließen und vermehrt als Konglomerate akkretieren, erreicht ein kleinerer Anteil auch den zweiten Pol, über welchem sich eher eine Schockzonen ausbildet. Mit der synchronisierten Orbital- und Rotationsperiode der Polare zeigt sich in den Röntgen-Lichtkurven damit ein regelmäßiger Wechsel der harten und weichen Röntgenstrahlung. Abbildung 7: Periodischer Wechsel zwischen weicher (oben) und harter (unten) Röntgenstrahlung bei AM Her (EXOSAT-Data) ∗ 4.2.2 Intermediate Polars Zwischen den nicht-magnetischen CVs und den Polaren kann eine weitere Klasse von etwa 30 CVs, die sogenannten Intermediate Polars (IP) beobachtet werden. • deutlich schwächeres Magnetfeld (B = (1 − 10) MG) dominiert meist erst im Bereich innerhalb des Zirkularisationsradius • bei der ersten elliptischen Annäherung wird leichtes Material entlang der Magnetfeldlinien absorbiert; größere Konglomerate schirmen sich hingegen über induzierte Oberflächenströme ab und können zur Bildung einer Akkretionsscheibe beitragen • innerer Scheibenrand und Magnetoshäre koppeln und synchronisieren über abwechselndes Abbremsen und Beschleunigen die Rotationsperiode des Weißen Zwerges mit der keppler’schen Geschwindigkeit des Scheibenrandes • Akkretion aus der Scheibe auf ein Gebiet A = 0, 001AW D erfolgt wie bei den polaren über die Magnetfeldlinien • Variationen des Röntgenflusses stammen auf Grund der rotationssymmetrisch Verteilung des Akkretionmaterials nicht aus dem Wechsel zwischen unterschiedlich akkretierenden Polen • beobachteter Unterschied der Variationen des hochenergetischer und niederenergetischen Röntgenflusses deuten auf einen Absorptionsvorgang im entsprechenden Energiebereich • optisch dicker Akkretionsstrom entlang der Feldlinien wirkt als Vorhang für direkt entgegengesetzt emittierte Photonen (accretion curtain model) Bei günstigen Bedingungen kann auch die Scheibe eines IP eine Zwergnova-Ausbruch durchlaufen. Die heating wave treibt dabei Material näher an den WD heran, wobei seine Magnetosphäre drastisch zurückgedrängt wird und eine vorherige Korotation mit dem Scheibenrand zunächst verloren geht. Die überschüssige kinetische Energie des Scheibenmaterials erlaubt es auch auf den vormals energetisch ungünstigeren Pol zu akkretieren, so dass sich die Akkretionsregion stark vergrößert bzw. einen vollständige Ringe um die magnetischen Pole bildet. Mit der folgenden cooling wave kehrt das System wie gewohnt in seine Ruhelage zurück und stellt die synchrone Rotation des WD zum Material am Magnetosphärenrand langsam wieder her. 6 4.3 Klassische und wiederkehrende Novae Unabhängig davon, ob die Akkretion über eine BL oder die magnetischen Pole erfolgt, sammelt sich im Laufe der Zeit immer mehr hauptsächlich aus Wasserstoff bestehendes Gas auf dem Primärstern an, so dass bei einer kritischen Masse ein Nova-Ausbruch mit einer Helligkeitssteigerung von 8m − 15m ausgelöst wird: • bei einer akkretierten Masse Macc = 3 · 10−5 − 5 · 10−3 M setzt Kernfusion des Wasserstoffs ein • Fusionsenergie kann auf Grund der Entartung des Gases nicht durch normale Expansion entweichen sondern steigert die Temperatur • weitere Fusions-Zyklen können einsetzten und reichern über Konvektion den Weißen Zwerg mit schwereren Elementen an • etwa 1000 Sekunden nach einsetzen des Wasserstoffbrennens übersteigt der thermische Druck die bindenden Kräfte und treibt die Fusionsschalen mit bis zu 3000km/s nach außen • trifft die Expansionsfront auf zirkumstellares Material können sich Schocks ausbilden, deren Energie Eshock = (0, 2 − 15) keV als harte Röntgenstrahlung emittiert wird • bei einigen Novae verbleibt fusionierender Wasserstoff auf demWeißen Zwerg und erzeugt eine sogenannte constant bolometric luminosity”(CBL) mit LX = 1037 − 1038 erg · s−1 ∼ = LEdd • nach einigen Monaten wird die abgestoßene Hülle optisch dünner und die CBL erscheint als super-soft“” Röntgenstrahlung mit EX = (20 − 85) eV Trotz der bei solchen Nova-Ausbrüchen auftretenden starken Störungen, sind auf menschlichen Beobachtungsskalen meist keine wesentliche Veränderung zwischen dem CV vor und nach dem Nova-Ausbruch festzustellen. Für CVs mit extrem schweren Zentralsternen (MW D = 1, 4M ) und hohen Akkretionsraten (Ṁ ≥ 10−8 M /yr) konnten sogar wiederkehrende Nova-Ausbrüche (∆T < 100yr) beobachtet werden, zwischen denen das System auch Zwergnova-Ausbrüche durchläuft. Abbildung 8: RS Oph: Widerkehrender Nova-Ausbruch und zwischenzeitliche Variabilitäten∗ 5 Ausblick Wie zu Anfangs erwähnt stehen eine große Zahl an Kataklysmischen Variablen in geringen Entfernungen zur Beobachtung bereit, wobei sich die dabei gewonnen Erkenntnisse auf eine große Zahl von astrophysikalischen Systemen erweitern lässt, deren Zugang auf Grund der geringen Anzahl oder der großen Entfernung nicht so einfach ist. Die Vorgänge in der Akkretionsscheibe, ähneln in vielen Punkten denen in protoplanetaren Scheiben (viskoser Materietransport und Drehimpulsverteilung). Auch scheinen spezielle CV-Konfigurationen zu weiteren interessanten Objekten zu führen. So verbleiben einige Weiße Zwerge auf Grund von Massentransferraten im Bereich von 10−7 M /yr < Ṁ < 4·10−7 M /yr dauerhaft im Wasserstoffbrennen und sind entsprechend des anhaltenden CBL-Zustands super-soft-X-ray-sources“, kurz SSS. ” Die Weißen Zwerge wiederkehrender Nova-Ausbrüche hingegen, besitzen bereits eine Masse extrem nahe der kritischen Chandrasekhar-Grenze, so dass ein SN-Ausbruch vom Typ 1a möglich erscheint, bei dem der Weiße Zwerg entweder vollständig zerstört oder zu einem Neutronenstern umgewandelt wird. Übersteht das ehemalige CVSystem die SN-Explosion und kann der Materietransfer weiterhin stattfinden, akkretiert also ein Neutronenstern Masse von seinem Begleiter, bildet sich eine dem CV ähnliches Binärsystem, die LMXB. 7 Bildnachweis Alle Bilder entstammen * C. Hellier: Cataclysmic Variable Stars, 4. Auflage, ISBN 1-8522-211-5 Literatur [1] C. Hellier: Cataclysmic Variable Stars, 4. Auflage, ISBN 1-8522-211-5 [2] E. Kuulkers et al: X-rays from cataclysmic variables, [arXiv:astro-ph/0302351v2] [3] M. Orio et al: The X-ray emission from Nova V382 Velorum, [arXiv:astro-ph/0205121v1] [4] Oppenheimer et al: Analysis of long-term AAVSO observations of RS Ophiuchi, 1993JAVSO..22..105O [5] P.J. Wheatley et al: The X-ray and extreme-ultraviolet flux evolution of SS Cygni throughout outburst, [arXiv:astro-ph/0306471v1] [6] J. Heise et al: An X-ray study of AM Herculis, 1985A&A...148L..14H [7] J. Patterson et al: Superhumps in Cataclysmic Binaries. XVIII. IY Ursae Majoris, 2000PASP..112.1567P 8