nationalismus (12 f)

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Italien im 19. Jh.
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00.07.17
• die Reformen der Aufklärungszeit des 18. Jh. entfalteten nur geringe Wirkung
− sie blieben regional beschränkt
− sie blieben zeitlich beschränkt
→ deshalb begrüßten die reformorientierten Kreise die Ideen der Französischen Revolution
→ 1794/95 ereigneten sich revolutionäre Aufstände jakobinisch gesinnter junger Revolutionäre
↔ sie wurden jedoch alle niedergeschlagen
• die französische Außenpolitik hatte sich bezüglich Italiens im Vergleich zur Zeit des Ancien régime nicht
verändert → Wiederherstellung der »natürlichen Grenzen« und Gleichgewicht zu Österreich
→ Napoleons Eroberungszug von 1796-1797 wurde beendet durch den Präliminarfrieden von Leoben,
dem sich der Frieden von Campo Formio anschloß
→ Napoleon wurde von vielen fortschrittlichen Italienern anfangs als Befreier begrüßt
• Neuordnung Italiens durch Napoleon 1797-1799:
− Cisalpinische Republik mit der Hauptstadt Mailand
− Ligurische Republik aus Genua
− Venedig und die Terraferma fielen an Österreich
− Piemont wurde von Frankreich annektiert
→ die neue politische Konstellation hatte sowohl positive als auch negative Aspekte
positiv → zum ersten Mal war durch die Cisalpinische Republik die Kleinstaaterei in Oberitalien beendet mit der Entstehung eines starken Staates
negativ → die französischen »Schwesterrepubliken« waren nur formal unabhängig und in Wirklichkeit von Frankreich ausgebeutet (Kontributionen, Kunstraub, Abhängigkeit der Regierungen vom Direktorium)
• 1799 brachen kurz nach der Abreise Napoleons nach Ägypten überall in Italien Aufstände aus, durch die die
Franzosen aus Italien vertrieben wurden
→ antifranzösische Guerilla aus enttäuschten Bauern und dem einfache Volk, unterstützt von der österreichisch-russischen Armee unter Suvorov
• nachdem Napoleon nach der Schlacht von Marengo Italien erneut erobert hatte, wurde die französische
Herrschaft restauriert
→ abermals stieß die Ankunft Napoleons auf Zustimmung, denn seine Herrschaft versprach Stabilität und
Ordnung, als Voraussetzung für Fortschritt und Erneuerung
• Neuordnung Italiens durch Napoleon seit 1800:
− Italienische Republik, seit der Kaiserkrönung Königreich Italien (mit Napoleon als Staatsoberhaupt,
der seinen Stiefsohn Eugène Beauharnais als Vizekönig einsetzte)
→ umfaßte anfangs das Territorium der ehemaligen Cisalpinischen Republik, und wurde nach und
nach um Venetien, die Marken und Trient erweitert
→ hatte den Charakter eines französischen Satellitenstaats (Kontributionen, allgemeine Wehrpflicht)
↔ allerdings enthielt der Staat auch viele Elemente des Fortschritts (zentralistische Verfassung nach
französischem Vorbild mit Departements als Verwaltungseinheiten, Rechtssystem des Code Napoléon, Umwandlung kirchlicher und staatlicher Güter in beweglichem Grund und Boden)
− die übrigen Gebiete Oberitaliens (Piemont, Ligurien, Parma, Toskana, Umbrien, Latium) wurden von
Frankreich annektiert
− das Königreich Neapel wurde bis 1808 von der Dynastie der Bourbonen regiert, 1806 wurden sie abgesetzt und durch Napoleons Bruder Joseph ersetzt, der 1808 durch Napoleons Schwager Joachim
Murat abgelöst wurde
− 1809 wurde der Kirchenstaat von Frankreich annektiert
Italien im 19. Jh.
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⇒ die Zeit der napoleonischen Herrschaft leitete den Emanzipationsprozeß des Bürgertums ein
− Einrichtung von (Militär)Akademien, Universitäten und Fachschulen für Offiziere und Beamten
− Entstehung einer bürgerlichen Öffentlichkeit
• nach der Niederlage Napoleons wurden die alten Grenzen in Italien wiederhergestellt und die alten Dynastien
nach den 1815 auf dem Wiener Kongreß gefaßten Prinzipien der…
− Restauration
…wieder eingesetzt
− Legitimität
− Solidarität
Verneinung des Nationalitätsprinzips in Mitteleuropa durch Staatenbund souveräner Fürsten (Deutscher Bund) bzw. durch überwiegende Fremdherrschaft in Italien (österreichische Herrschaft im
Norden, bourbonische Herrschaft im Süden, nur das Kgr. Sardinien-Piemont wurde autark regiert) →
Selbstständigkeit der deutschen und italienischen Kleinstaaten galten als Garantie der europäischen
Freiheit und des Gleichgewichts, weil so 1. für Distanz zwischen den Großmächten gesorgt wurde,
und 2. eine Machtkonzentration in Mitteleuropa eine zu große Gefahr für das Gleichgewicht wäre
(v.a. im Bündnis mit einer weiteren Großmacht)
⇒ Österreich wurde zur Führungsmacht in Italien → gemeinsames Feindbild der Nationalbewegung
− Eingliederung des Königreiches Lombardo-Venetien in den österreichischen Staat
− dynastische Verbindung mit italienischen Staaten durch Sekundogenituren
→ eine staatenbündische Zusammenfassung Italiens nach dem Vorbild des Deutschen Bundes (»Lega Italica«) konnte Metternich nicht verwirklichen (Italien blieb ein »geographischer Begriff«)
↔ doch auch in Italien stieß eine vollständige Restauration an ihre Grenzen
→ die tiefgreifenden sozialen Veränderungen konnten nicht rückgängig gemacht werden
→ anachronistische Stadtrepubliken wurden nicht erneuert (Venedig, Genua, Lucca)
• nach 1815 schlossen sich oppositionelle Kräfte und Reformer in Geheimbünden zusammen
→ die wichtigste war die in Neapel gegründete »Carboneria«
• 1820/1821 kam es in Italien zu mehreren Aufständen der patriotischen Bewegung, in deren Verlauf die
Forderung nach Verfassunggebungen artikuliert wurde
[ausgelöst durch die Nachricht, daß der spanische König 1820 auf revolutionärem Wege gezwungen wurde, eine Verfassung zu geben]
→ der König von Neapel versprach eine Verfassung
→ aus Anhängern Joachim Murats wurde ein Ministerium gebildet
→ im März 1821 schlugen österreichische Truppen den Aufstand nieder
2. im März 1821 in Piemont → Abdankung des Königs Viktor Emanuel I.
→ Einsetzung von Prinz Carlo Alberto, der eine Verfassung bewilligte
→ im April 1821 schlugen österreichische Truppen den Aufstand nieder
1. im Juli 1820 in Neapel
⇒ die Bewegung scheiterte, weil sie
1. noch zu uneinheitlich und zerrissen war
2. nur vom Adel und dem Bürgertum getragen wurde
3. österreichische Truppen von außen eingriffen
⇒ Konsequenzen aus den Aufständen 1. Stärkung der österreichischen Herrschaft (Garant der Dynastien)
2. Verhärtung der Innenpolitik durch reaktionäre Maßnahmen
3. Zunahme der Emigration aus Italien
• die französische Julirevolution von 1830 wirkte auch in Italien als Initialzündung für eine erneute Aufstandsbewegung der Patrioten → erfaßte v.a. den Kirchenstaat, wo die päpstliche Herrschaft beseitigt wurde
→ doch auch diese Bewegung scheiterte aus denselben Gründen
↔ allerdings bewirkte die franz. Julirevolution eine Veränderung der außenpolitischen Konstellation (zusammen mit dem Wahlsieg der Whigs in England 1831), die sich langfristig für Italien günstig auswirkte
⇒ langsamer Zerfall des Bündnisses der restaurativen und legitimistischen Mächte des Systems des
Wiener Kongresses mit der stärkeren außenpolitischen Eigeninitiative Frankreichs, von dessen Gegensatz zu Österreich Italien profitieren könnte
Italien im 19. Jh.
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• von seinem Exil in Marseilles aus wirkte der nationaldemokratisch-revolutionär gesinnte Giuseppe Mazzini
(1805-1872) für die Einigung Italiens
⇒ 1831 gründete er die Organisation La Giovine Italia (= Junges Italien)
→ das Ziel der Organisation war die Gründung einer unitarischen italienischen Republik, das durch das
Mittel einer allgemeinen Volkserhebung erreicht werden sollte
→ Mazzini erkannte, daß die vorangegangenen Erhebungsversuche gescheitert waren, weil an ihnen nur
ein kleiner Kreis intellektueller bürgerlicher und adliger Eliten beteiligt war
→ dazu bedarf das Volk aber einer allgemeinen Nationalerziehung durch öffentliche Agitation in Wort
und Schrift
⇒ die von Mitgliedern des Jungen Italien initiierten Aufstandsversuche von 1834 wurden niedergeschlagen
→ viele politische Flüchtlinge mußten Italien verlassen und gingen nach Spanien, Frankreich, England
und Südamerika (wo sie in Urugay und Brasilien italienische »Legionen« gründeten und sich an den
dortigen Befreiungskämpfen beteiligten)
→ Mazzini selbst mußte 1837 nach London fliehen, wo er das Junge Italien reorganisierte
• gegenüber der revolutionär-demokratischen Bewegung formierte sich die gemäßigt-liberale Partei
(»Moderati«) erst relativ spät (ab 1840) → v.a. Angehörige des Besitz- und Bildungsbürgertums
→ bedeutendste Vertreter der Formierungsphase waren:
− Vincenzo Gioberti (»Il primato morale e civile degli Italiani«, 1844)
→ These von der moralischen und politischen Überlegenheit der Italiener
→ Papsttum als zentrale Kraft im italienischen Einigungsprozeß → Neoguelfentum
→ Vision einer Konföderation der italienischen Staaten unter Führung des Papstes
→ dafür bedürfte es allerdings erst einmal umfassender Reformen, bes. im Kirchenstaat
− Cesare Balbo (»Speranza d’Italia«, 1845)
→ gedachte Piemont die Führungsrolle im nationalen Einigungsprozeß zu
→ kritisierte die österreichische Fremdherrschaft und widmete sich der Frage, wie es für den Verlust seiner oberitalienischen Sekundogenituren entschädigt werden sollte (auf dem Balkan)
− Massimo d’Azeglio (»Programma per l’opinione nazionale italiana«, 1847)
→ Forderung von umfassenden Reformen zur Modernisierung der italienischen Staaten
⇒ diese Gruppe versammelte sich in Piemont, das sich unter Führung des Königs Carlo Alberto somit zur
führenden Macht des Risorgimento entwickelte
• im Vormärz hatte Italien große wirtschaftliche Probleme
→ sinkende Getreidepreise ruinierten viele Kleinbetriebe, die größeren stellten die freigewordenen Arbeitskräfte billig ein, um ihre Produktivität zu erhöhen
• trotz einer großen Reformwelle in den Jahren 1846-1847 in allen italienischen Staaten außer Neapel, stieß die
europäische Revolution von 1848 in Italien auf fruchtbaren Boden
→ v.a. sozialer Protest der ehem. Kleinbauern, die zu Landarbeitern und Tagelöhnern geworden sind
⇒ es kam in allen italienischen Staaten zu Volksaufständen
→ in Piemont wurde durch den König Carlo Alberto eine Verfassung (= »Statuto Albertino«) erlassen
und militärisch gegen die österreichische Herrschaft in Oberitalien vorgegangen
↔ endete jedoch 1849 in den Niederlagen von Custoza und Novara
→ in Rom wurde eine Nationalversammlung eingesetzt, die den Papst für abgesetzt erklärte und die
»Römische Republik« proklamierte
↔ die Republik wurde jedoch durch ein französisches Expeditionskorps gestürzt und der Papst wieder eingesetzt (die französische Schutztruppe verblieb fortan in der Stadt)
⇒ die Revolution scheiterte, doch blieb die Frage der nationalen Einigung weiter auf der Tagesordnung
Italien im 19. Jh.
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• nach der Restauration, die der Revolution folgte, blieb Piemont der einzige konstitutionelle Staat und nahm
die vorrevolutionäre Reformpolitik wieder auf
→ da diese Reformvorhaben gegen den Wiederstand von Konservativen und König durchgesetzt werden
mußten, kam es 1852 zu einer Regierungskrise → Rücktritt von Ministerpräsident d’Azeglio
⇒ sein Nachfolger wurde Graf Camillo Benso di Cavour
→ er war gemäßigt-liberal, ohne Sympathien für die revolutionäre Bewegung Mazzinis, doch gleichzeitig darüber im klaren, nicht gegen die demokratischen Hoffnungen des Bürgertums und des
Kleinbürgertums regieren zu können
→ deshalb strebte er ein Bündnis aus gemäßigten Linken und gemäßigten Rechten an (»connubio« =
Ehebund)
→ Vertreter des Prinzips der »Revolution von oben« (vgl. Bismarck)
• Cavour forcierte die Liberalisierung und Modernisierung des piemontesischen Staates
⇒ für die wirtschaftliche Freiheit Piemonts:
→ Vertreter des Wirtschaftsliberalismus Adam Smiths, deshalb:
− Liberalisierung des Marktes
− Freihandelsabkommen mit Frankreich, England, Belgien und Österreich
− Ausbau der Infrastruktur (Kanal, Tunnel, Eisenbahn*)
− Gründung der staatlichen Zentralbank »Banca Nazionale« (Vorläuferin der »Banca d’Italia«)
⇒ für die politische Freiheit Piemonts:
− gegen den Einfluß der Kirche
− Verwirklichung der Presse-, Versammlungs- und Lehrfreiheit
*
1859 verfügte Piemont über 850 Eisenbahnkilometer gegenüber 986 km im ganzen übrigen Italien
• Piemont wurde ein Anziehungspunkt für politische Flüchtlinge aus anderen italienischen Staaten
→ 1857 Gründung der Società Nazionale als Sammlung aller patriotischen Kräfte
• die italienische Einigung wurde in den 1850er Jahren begünstigt durch die außenpolitische Konstellation,
die das System des Wiener Kongresses ablöste
→ das Frankreich Napoleons III. beendete die isolationistische Politik
→ England engagierte sich wieder verstärkt auf dem europäischen Kontinent
→ die österreichisch-russischen Beziehungen verschlechterten sich
⇒ 1855 auf Veranlassung Cavours Teilnahme Piemonts am Krimkrieg und ab 1856 am Pariser Friedenskongreß
→ engere Anbindung an die Westmächte Frankreich und England und Hinweisen auf die italienische
Situation (»italienische Frage«)
• die nationale Einigung konnte nur durch einen Krieg gegen Österreich erreicht werden konnte
⇒ militärisches Bündnis mit Frankreich und provozieren einer österreichischen Kriegserklärung an Piemont
(damit dieses nicht selber als Aggressor dasteht) waren nun notwendig
→ auf dem Geheimtreffen von Plombières 1858 sicherte Napoleon III. Cavour Waffenhilfe zu
− Napoleon III.verlangte dafür aber die Abtretung Savoyens und Nizzas
− ganz Oberitalien sollte an Piemont fallen
− Mittelitalien (außer Rom) sollte unter einen noch zu bestimmenden Souverän vereinigt werden
− Süditalien sollte unter einen anderen Dynastie erhalten bleiben
⇒ alle drei Staaten sollten unter dem Vorsitz des Papstes eine Konföderation bilden
→ provozieren eines österreichischen Ultimatums
auf einem Empfang Napoleons III. äußerte dieser einem österreichischem Diplomaten gegenüber die Worte: »Ich bedaure, daß
die Beziehungen zwischen unseren Regierungen nicht mehr so gut sind wie früher«, was die Österreicher aus Furcht vor einem
anstehenden Krieg zu militärischen Vorbereitungsmaßnahmen an der piemontesischen Grenze veranlaßte
Italien im 19. Jh.

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• Österreichs Ultimatum an Piemont zur Aufforderung einseitiger Abrüstung führte am 25. April 1859 zum
Ausbruch des Kriegs
→ Siege der Verbündeten französisch-piemontesischen Streitkräfte bei Magenta und Solferino
⇒ nach dem Sieg über Österreich kam es zu nationalen Aufstandsbewegungen in Mittelitalien, die die
habsburgischen und kirchlichen Herrscher beseitigten und liberale pro-piemontesische provisorische
Regierungen installierten, die den Anschluß an Piemont forderten
• Beendigung des Kriegs durch den Präliminarfrieden von Villafranca am 11. Juli 1859 zwischen Napoleon
III. und Franz Joseph
→ Abtretung der Lombardei an Frankreich, das sie an Piemont weiterreichte, ansonsten aber Verbleib der
österreichischen Herrschaft in Oberitalien
⇒ Rücktritt Cavours wegen des bezichtigten Verrats durch Viktor Emanuel II., weil er diese Bedingungen angenommen hat und aus Enttäuschung über Napoleon III.
↔ der aber aus außenpolitischen (drohende Haltung Preußens gegen eine zu große Stärkung
Frankreichs bei einem absoluten Sieg über Österreich) und innenpolitischen (wachsende
Unzufriedenheit der Katholiken gegen den Krieg) Zwängen gebunden war
diese Begebenheit erinnert in gewisser Hinsicht an das bekannte Phänomen seit 1494
(Ludovico Sforza), daß die italienischen Fürsten immer wieder fremde Mächte zu Hilfe
geholt haben, um ihre Unabhängigkeit zu garantieren → mit dem Ergebnis, daß diese
Mächte ihre Herrschaft über Italien ausdehnten
• 10. November 1859 Abschluß des Friedens von Zürich, der den Grundsatz der Nichteinmischung fremder
Staaten in die Angelegenheiten Italiens vertraglich sanktionierte
⇒ am 10. Januar 1860 Rückkehr Cavours als Ministerpräsident von Piemont, der auf dem Verhandlungsweg
die Annexion Toskanas und der Emilia durch Plebiszite erreichte
• nach dem Krieg drohte der Einigungsprozeß vorläufig ins Stocken zu geraten, da sowohl Frankreich als auch
Piemont die äußerste Grenze ihres diplomatischen Handlungsspielraums erreicht zu haben schienen
⇒ die Initiative ging wieder über auf das Volk und radikalere Teile der Nationalbewegung
→ sizilianische Emigranten griffen die alte Idee von Mazzini wieder auf, einen Zug in den Süden zu
unternehmen, um zusammen mit der Bevölkerung gegen die dortigen Herrschaften zu kämpfen
• für dieses Unternehmen konnte Giuseppe Garibaldi (1807-1882) gewonnen werden, der am 6. Mai 1860 mit
einem Haufen schlecht bewaffneter »Zug der Tausend« aufbrach
→ am 11. Mai Landung in Sizilien, und in der Folgezeit zur Überraschung ganz Europas militärische Siege
gegen die regulären bourbonischen Truppen
→ Garibaldi ernannte sich zum »Diktator von Sizilien«
→ als nächstes beschloß Garibaldi, auf Rom zu marschieren
• Cavour war darauf bedacht, die Initiative wieder zu ergreifen
→ er war gegen eine Annexion Süditaliens, weil die dortige Sozial- und Wirtschaftsstruktur nicht mit
der piemontesischen kompatibel war
→ er war gegen eine Revolutionierung der Volksmassen
⇒ deshalb ließ er wie schon in Oberitalien am 21. Oktober 1860 Plebiszite durchführen, um den Anschluß
Süditaliens vorzubereiten
⇒ durch von Norden heranrückende piemontesische Truppen, die sich am 26. Oktober 1860 mit den Freischärlern verbanden, wurde der Krieg in einen Nationalkrieg der königlichen Armee umgepolt
• 1861 trat in Turin das erste italienische Parlament zusammen, das dem piemontesischen König Viktor Emanuel II. einstimmig die Annahme des Titels »König von Italien« billigte
→ staatliche Einigung war erst einmal auf Kosten der inneren Einigung und Reformen geschaffen, denn die
Verfassung von Piemont wurde einfach übertragen (»Piemont wurde auf ganz Italien ausgedehnt«)
→ Aufbau eines rigiden Zentralismus (kein Föderalismus)
→ Einführung des Zensuswahlrechts (das bes. im Süden die Zahl der Wahlberechtigten sehr einschränkte)
Italien im 19. Jh.
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00.07.17
• der Preis der Einigung war die Unpopularität des neuen Staates und die wachsende Distanz zwischen Regierenden und Regierten → im rückschrittlichen Süden Italiens organisierten sich die Unzufriedenen in Banden,
die Aufstände anzettelten und gegen die königliche Armee kämpften
• die restlichen noch nicht vereinigten Gebiete Italiens (v.a. Venetien und der Kirchenstaat mit Rom) fielen
durch europäische Kriege an Italien (es war ein behutsames Vorgehen notwendig, um nicht eine antiitalienische europäische Koalition heraufzubeschwören, hätte man sich die Gebiete direkt und sofort einverleibt)
⇒ 1866 wurde Venetien mit Italien vereinigt
→ möglich durch ein Militärbündnis mit Preußen
→ obwohl die Italiener gegen Österreich bei Custoza und der Seeschlacht von Lissa Niederlagen erlitten,
profitierten sie letztendlich von dem preußischen Sieg bei Königgrätz
⇒ die Vereinigung mit Rom (= »Römische Frage«) erwies sich schwieriger
→ Abschaffung der weltlichen Macht des Papstes stieß auf Widerstand bei den europäischen Katholiken
(insbesondere in Frankreich, da sich Napoleon III. aus innenpolitischer Rücksichtnahme zum Schutz
des Papstes verpflichtet hatte)
− anfänglich Versuch, mit Frankreich eine diplomatische Lösung zu finden
→ Zwischenlösung der September-Konvention von 1864, mit der sich Frankreich verpflichtete, seine Schutztruppen innerhalb von zwei Jahren aus Rom abzuziehen, während Italien
stattdessen die Sicherheit des Kirchenstaats gewährleisten wollte
− Zuspitzung des Konflikts mit Rom, nachdem Papst Pius IX. 1864 eine Enzyklika (»Syllabus
Errorum«) veröffentlichte, die den Liberalismus als Irrlehre verurteilte und die Verkündung des
Unfehlbarkeitsdogmas vorbereitete (Unterordnung unter die kirchliche Autorität)
→ darauf reagierte die liberale Öffentlichkeit mit einer Welle des Antiklerikalismus (in der
Folge eine Reihe staatlicher Maßnahmen gegen die Kirche [Auflösung von Orden, Konfiskation ihrer Güter, Zivilehe, Wehrdienst für Priesterschüler])
→ erst nach dem Abzug der französischen Schutztruppen an den Kriegsschauplatz des deutschfranzösischen Krieges 1870 konnten der Kirchenstaat und Rom (künftige Hauptstadt) mit Italien vereinigt werden
↔ gleich nach der Einnahme Roms verabschiedete das Parlament das Garantie-Gesetz, in dem
sich der Staat zum Schutz des Papstes und zu seiner Finanzierung verpflichtete, doch der
Papst zeigte eine intransigente Haltung und akzeptierte es nicht (bis zum Abschluß der Lateranverträge 1929 betrachteten sich die Päpste als Gefangene im Vatikan)
• von 1861-1876 stellte in Italien die »liberale Rechte« die Regierung
→ gemäßigte Liberale in der Tradition Cavours, die fast alle Piemontesen waren
− wirtschaftsliberaler Kurs
− Ausbau der Infrastruktur
− Abbau der Staatsschulden durch Erhöhung der Steuern
• mit dem Ende des Risorgimento richtete sich die Aufmerksamkeit auf die innenpolitischen Probleme
→ 78% der Bevölkerung waren Analphabeten
→ Lebensbedingungen auf dem Land z.T. unter dem Existenzminimum
→ im Süden große Rückständigkeit
⇒ in den 1870er Jahren formierte sich eine Opposition (»junge Linke«)
→ die Partei war sehr heterogen und bestand aus unterschiedlichen politischen Richtungen und sozialen Kräften:
− Bürgertum und Kleinbürgertum aus dem Norden (für Steuersenkungen, Ausweitung des
Wahlrechts, Dezentralisation der Verwaltung)
− Grundbesitzer (Aristokraten) und Bürgertum aus dem Süden (Steuersenkungen und finanzielle
Unterstützung für den Süden)
⇒ 1876 erzielte die linke Opposition einen Wahlsieg und löste die »liberale Rechte« ab
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