21.4 Linsen Eine Linse ist ein optisches Gerät, dessen Funktion auf dem Brechungsgesetz beruht. Dadurch erfährt der Lichtstrahl eine Richtungsänderung beim Ein- und Austritt. Die Oberflächen von Linsen sind im allgemeinen sphärisch geformt. Der Krümmungsradius und der Brechungsindex des Materials, aus dem die Linse besteht, bestimmt die Brechungseigenschaften der Linse. Betrachten wir zunächst den Strahlengang beim Durchgang durch eine planparallele Glasplatte. Eine solche Glasplatte ist gewissermaßen eine Linse mit unendlichem Krümmungsradius auf beiden Seiten. Nach dem Brechungsgesetz von Snellius hat der ausfallende Strahl die gleiche Richtung wie der einfallende Strahl, die Strahl ist lediglich parallel verschoben. Entscheidend für die Funktion einer Linse ist daher, dass die beiden Oberflächen zueinander gekrümmt sind. α1 α2 n1 α2 n2 α1 n1 Wir unterscheiden zwischen konvex geschliffenen Sammellinsen und konkav geschliffenen Zerstreuungslinsen. Wenn der Krümmungsradius der sphärischen Oberfläche groß ist gegen die Dicke der Linse, so spricht man von einer dünnen Linse. In diesem Fall kann man eine vereinfachte Bildkonstruktion vornehmen, indem man annimmt, dass die Brechung in einer einzigen Ebene, der Hauptebene der Linse erfolgt. Sammellinse Zerstreuungslinse F F F F Hauptebene Fällt ein achsenparalleles Strahlenbündel auf eine Sammellinse, so werden die Strahlen zum Brennpunkt auf der Transmissionsseite fokussiert. Achsenparallele Strahlen, die auf eine Zerstreuungslinse treffen, werden von der optischen Achse weg gebrochen. Ihre rückwärtigen Verlängerungen vereinigen sich im Brennpunkt auf der Einfallsseite. Neben der Brennweite f benutzt man zur Charakterisierung einer Linse auch die Brechkraft D, die als der Kehrwert der Brennweite definiert ist: 1 D= Einheit : [D ] = 1 m −1 = 1 dpt (Dioptrie) f Brennebene einer Sammellinse Jedes parallel einfallende Strahlenbündel wird in einen Punkt in der Brennebene fokussiert. Die Brennebene ist die zur Hauptebene parallel verlaufende Ebene, die die optische Achse im Brennpunkt schneidet. (Speziell: das achsenparallele Strahlenbündel wird in den Brennpunkt fokussiert.) Hauptebene Brennebene F Bildkonstruktion bei der Sammellinse Für die Bildkonstruktion bei der Sammellinse gelten folgende Regeln: • Der Mittelpunktstrahl, der durch den Schnittpunkt von Hauptachse und optischer Achse verläuft, wird nicht gebrochen. • Der achsenparallele Strahl wird durch den jenseitigen Brennpunkt F‘ gebrochen • Der Brennpunktstrahl verläuft durch den Brennpunkt auf der Einfallsseite und verlässt die Linse achsenparallel. Mittelpunktstrahl Der Bildpunkt liegt dann im Schnittpunkt der gebrochenen Strahlen. G achsenparalleler Strahl F F‘ g b f Brennpunktstrahl B Wir erinnern uns an die Definition des Abbildungsmaßstabes: sowie an die Abbildungsgleichung: V= 1 1 1 fg = + ⇒b= f g b g −f und diskutieren drei mögliche Fälle für die Sammellinse: 1) g > 2f Æ -1 < V < 0, b > 0 F Æ reelles, verkleinertes, umgedrehtes Bild 2) f < g < 2f Æ V < -1, b > 0 Æ reelles, vergrößertes, umgedrehtes Bild B b =− G g F 3) 0 < g < f Æ V > 1, b < 0 Æ virtuelles, vergrößertes, aufrechtes Bild F Bildkonstruktion der Zerstreuungslinse Bei der Zerstreuungslinse gibt es auf der Transmissionsseite keinen Schnittpunkt der gebrochenen Strahlen. Es gibt also kein reelles Bild, sondern es entsteht ein virtuelles Bild am Ort, wo sich die rückwärtigen Verlängerungen der gebrochenen Strahlen treffen. • Der Mittelpunktstrahl verlässt die Linse ohne Richtungsänderung. • Der achsenparallele Strahl wird so gebrochen, dass seine rückwärtige Verlängerung durch den Brennpunkt auf der Einfallsseite läuft. • Der auf den Brennpunkt auf der Transmissionsseite gerichtete Strahl verlässt die Linse achsenparallel. F‘ F Abbildungsfehler Linsen weisen bestimmte Abbildungsfehler auf, die prinzipieller Natur sind und auch bei perfekter Herstellung der Linsen auftreten. Achsenferne Strahlen werden nicht in einem einzigen Brennpunkt fokussiert, sondern näher an der Linse. Man bezeichnet dies als sphärische Aberration. Sie kann vermindert werden, indem man achsenferne Strahlen ausblendet, man verliert dann jedoch an Lichtstärke. Da der Brechungsindex leicht von der Wellenlänge abhängig ist, kommt es in der Linse zur Dispersion. Die verschiedenfarbigen Anteile des weißen Lichts werden also nicht in den selben Punkt fokussiert. Diesen Effekt bezeichnet man als chromatische Aberration. Beide Effekte lassen sich durch Verwendung von Korrekturlinsen weitgehend beheben. 22. Optische Systeme 22.1 Das Auge Die Augenlinse funktioniert wie eine Sammellinse, die das einfallende Licht auf die Netzhaut fokussiert. Der Abstand zwischen Linse und Netzhaut beträgt etwa 25 mm, dies entspricht der maximalen Brennweite der Linse. Objekte, die im „Unendlichen“ stehen (paralleler Lichteinfall) werden also auf die Netzhaut fokussiert. Befindet sich der Gegenstand näher am Auge, kann die Brennweite der Linse durch Anspannung des Ziliarkuskels verkleinert werden, um ein scharfes Bild auf der Netzhaut zu erzeugen (Akkomodation). Der minimal Abstand, bei dem dies möglich ist, ist die deutliche Sehweite s0, die bei jedem Mensch anders ist und vom Alter abhängt. Als Bezugswert werden s0 = 25 cm festgelegt. Das Objekt befindet sich dann am so genannten Nahpunkt. Weitsichtigkeit Weitsichtigkeit liegt vor, wenn nur weit entfernte Gegenstände scharf wahrgenommen werden können. Die Lichtstrahlen, die von näher am Auge liegenden Gegenständen ausgehen, können von der Augenlinse nicht ausreichend gebrochen werden und werden hinter der Netzhaut fokussiert. Diese Sehstörung kann durch eine Sammellinse ausgeglichen werden. Kurzsichtigkeit Das kurzsichtige Auge kann weit entfernte Gegenstände nicht scharf wahrnehmen, da selbst die völlig entspannte Augenlinse eine zu große Brechkraft hat. Die Lichtstrahlen werden vor der Netzhaut fokussiert. Kurzsichtigkeit kann durch eine Zerstreuungslinse ausgeglichen werden. Sehwinkel Die Größe, mit der ein Gegenstand vom Auge wahrgenommen wird, ist durch die Größe des Bildes auf der Netzhaut gegeben. Wir können dies durch den so genannten Sehwinkel ε ausdrücken. Je näher ein Gegenstand gegebener Größe G sich am Auge befindet, umso größer ist das Bild auf der Netzhaut und damit der entsprechende Sehwinkel. G ε1 g1 G ε2 25 mm ε2 ε1 B1 B2 Für kleine Winkel gilt: ε= B 25 mm bzw. ε= G g ⇒ B = 25 mm ⋅ G g 22.2 Die Lupe Eine Lupe dient dazu, kleine Gegenstände größer wahrnehmen zu können, als dies bei gegebener deutlicher Sehweite der Fall wäre. Befindet sich der Gegenstand am Nahpunkt, also in einem Abstand vom Auge, der der deutlichen Sehweite s0 entspricht, dann ergibt sich der maximale Sehwinkel ε0, unter dem der Gegenstand vom bloßen Auge noch scharf wahrgenommen werden kann: ε0 = G ε0 ε0 s0 Lupe G ε ε f G s0 Eine Lupe ist eine Sammellinse mit Brennweite f. Hält man eine Lupe vor das Auge und bringt den Gegenstand in ihre Brennebene, so werden die vom Gegenstand ausgehenden Lichtstrahlen von der Lupe in parallele Lichtbündel gebrochen, und erscheinen dem Auge als virtuelles Bild, das im Unendlichen steht. Dieses Bild kann vom Auge mühelos abgebildet werden. Der Sehwinkel, unter dem der Gegenstand mit Verwendung der Lupe wahrgenommen wird, ist dann ε= G f Man definiert die Vergrößerung vL einer Lupe mit Brennweite f als den den Sehwinkel ε unter Verwendung der Lupe geteilt durch den Sehwinkel ε0, unter dem der Gegenstand im Abstand der deutlichen Sehweite mit bloßem Auge wahrgenommen werden kann: vL = ε s0 = ε0 f Die Vergrößerung ist nicht zu verwechseln mit dem Abbildungsmaßstab V = B/G = -b/g, der eine Kenngröße der Linse ist. Die Vergrößerung ist bezogen auf die durchschnittliche Leistungsfähigkeit des bloßen Auges, der eine Konvention zugrunde liegt, nämlich die deutliche Sehweite s0. In der Praxis können höhere Vergrößerungen erzielt werden, wenn der Gegenstand näher an die Linse herangebracht wird. Dann erscheint der Gegenstand dem Auge aber nicht mehr im Unendlichen, das Auge muss akkomodieren. 22.3 Das Mikroskop Ein Mikroskop dient dazu, sehr kleine Gegenstände für das Auge sichtbar zu machen. Ein Mikroskop ist im einfachsten Fall ein System von zwei Sammellinsen. Der Gegenstand G befindet sich dicht vor dem Brennpunkt der ersten Sammellinse, dem so genannten Objektiv. Das Objektiv erzeugt ein reelles Zwischenbild B am Ort der Brennebene der zweiten Sammellinse, dem Okular. Objektiv fOb G Okular t fOk β β B Das Okular funktioniert wie eine Lupe, durch die das reelle Zwischenbild betrachten werden kann. Da das Zwischenbild in der Brennebene des Okulars steht, treffen die vom Zwischenbild ausgehenden Lichtstrahlen als parallele Lichtbündel auf das Auge des Betrachters, das Bild erscheint dem Betrachter also aus dem Unendlichen stehend und kann mühelos von der Augenlinse auf die Netzhaut abgebildet werden. Den Abstand zwischen der Brennebene des Objektivs und der Brennebene des Okulars bezeichnet man als die Tubuslänge t des Mikroskops. Ein typischer Wert ist t = 16 cm. Für das Objektiv gilt: tan β = G B =− fOb t Damit folgt für den Abbildungsmaßstab des Objektivs: VOb = B t =− G fOb Für die Vergrößerung des Okulars (Lupe) gilt: v Ok = s0 fOk Daraus erhält man die Vergrößerung des Mikroskops: v M = VOb ⋅ v Ok = − t fOb ⋅ s0 fOk Beispiel zum Mikroskop: Die Brennweite des Objektivs betrage fOb = 1,2 cm, die Brennweite des Okulars fOk = 2 cm. Der Abstand der beiden Linsen beträgt 20 cm. Wie groß ist die Vergrößerung des Mikroskops? Die Tubuslänge t ist der Abstand der Brennebenen von Objektiv und Okular, also t = 20 cm − fOb − fOk = 20 cm − 1,2 cm − 2 cm = 16,8 cm Damit ergibt sich für die Vergrößerung vM = − t ⋅ s0 16,8 cm ⋅ 25 cm =− = −175 fOb ⋅ fOk 1,2 cm ⋅ 2 cm