JOSEF MYSLIVECEKS BEMÜHEN UM DIE INNERE REFORM DER

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SBORNlK P R A C i F I L O Z O F I C K E F A K U L T Y B R N E N S K E UNIVERZITY
STUDIA MINORA F A C U L T A T I S PHILOSOPHICAE UNIVERSITATIS BRUNENSIS
H 16, 1981
RUDOLF
PECMAN
JOSEF
DER
M Y S L I V E C E K S B E M Ü H E N UM DIE
INNERE REFORM
N E A P O L I T A N I S C H E N „OPERA SERIA"
Libretti legen ihre Zeugenschaft ab
Die vorliegende Studie verfolgt ein apologetisches Ziel. W i r möchten
darin die bestehenden fortlaufend verbreiteten Ansichten zerstreuen,
J o s e f M y s l i v e c e k , genannt II Boemo (1737—1781), habe die neapo­
litanische opera seria lediglich vermehrt, ohne zu ihrer inneren Reform
beigetragen zu haben. W i r gehen dabei von den w ä h r e n d der Erforschung
italienischer Quellen zu Mysliveceks Schaffen angesammelten Erkennt­
nissen aus. Aus diesen Quellen geht hervor, daß Mysliveäek anfänglich
an das neapolitanische Muster anknüpfte, seit 1771 jedoch die innere
Reform der opera seria anstrebte.
Im Jahre 1771 stand Josef Myslivecek mitten in schöpferischer Arbeit.
E r hat bedeutende Erfolge auf italienischen Opernbühnen hinter sich, er
ist Verfasser von zehn Opern — und ist im Begriffe, die elfte, II gran
Tamerlano, fertigzuschreiben. A m 15. M a i 1771 wird er zum Akademiker
in Bologna ernannt und seit der Zeit unterzeichnet er sich „Giuseppe
Misliwecek, detto il Boemo, Accademico Filarmonico". In Italien gilt er als
führender Künstler der Opernstagionen und wird mit dem Titel „Signor
Maestro" oder „Maestro di cappella" bezeichnet. Der Titel „II Maestro"
gebührte nur den hervorragenden Künstlerpersönlichkeiten; er kommt
z. B . in Verbindung mit dem Namen Mysliveceks in dem vom königlichen
Drucker Giovanni Battista Bianchi in Milano zum Karneval 1772 heraus1
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Vgl. Rudolf P e ü m a n , Tesori di musica Boema negli archivi Italiani. In: Vita
cecoslovacca 1975, Nr. 2, S. 22—23. Der Studienaufenthalt in Italien hat seit November
1973 bis Februar 1974 stattgefunden (Stipendium des Ministeriums für Schulwesen
der Tschechischen sozialistischen Republik). D e r s e l b e , Josef Mysliveöek
(250 Seiten
Maschinenschrift), wird 1981 im Verlag Supraphon, Prag, Edition „Musikprofile"
erscheinen.
II Parnaso confuso. Oper-Kantate. Parma 1765. — Medea (dubios). Parma. [?]. —
Bellerofonte. Neapel 1767. — II Farnace. Neapel 1767. — II Trionfo di Clelia. Torino
1767. Semiramide riconosciuta. Torino oder Venedig 1768. — Demofoonte. Venedig 1769.
— L'Ipermestra. Florenz 1769. — La Nitteti. Bologna 1770. — Motezuma. Florenz 1771.
Rudolf P e 6 m a n, Mozart a Myslivecek — dva bolons'ti akademikove (Mozart
und Myslivecek — zwei Bologneser Akademiker). In: Bertramka III, 1972, Nr. 3,
S. 98-102.
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gegebenen Libretto zur Oper Tamerlan vor. In den vorhergehenden L i b ­
retti, z. B . zur Oper Bellerofonte (Neapel 1767), liegt dieser Titel am
Namen des Komponisten nicht vor. Die angeführten Tatsachen dokumen­
tieren das große Ansehen, das Myslivedek im italienischen Musik- und
Opernmilieu genoß. E r war bereits ein erfahrener Opernkomponist, der die
Struktur der Oper neapolitanischen Typs um neue Züge bereicherte. Und
gerade in Tamerlan treten Mysliveceks Reformzüge in den Vordergrund.
Die offizielle Uraufführung der Oper I I g r a n T a m e r l a n o (Tamer­
lan der Große) fand in Teatro Ducale in Milano am 26. Dezember 1771
statt. Die zeitgenössische Abschrift dieser Oper mit dem Jahr 1772 wird
in der Bibliothek des Konservatoriums i n Florenz, das Autograph i n
der österreichischen Nationalbibliothek i n Wien aufbewahrt. Zur Ins­
zenierung hat sich auch ein Libretto aus dem Fonds von Livia Simoni erhal­
ten. Es handelt sich allem Anschein nach um einen Nachdruck vom Jahresbeginn 1772, als Tamerlan in Milano durchschlagende Erfolge hatte und
mehrmals wieder aufgeführt wurde.
F ü r die Inszenierung der Oper Tamerlan hatte Myslivecek beste Bedin­
gungen. Teatro Ducale, Vorgänger der Scala, stand an derselben Stelle
wie das berühmteste italienische Operntheater von heute. Die Herrschaften
hatten es nahe in das Theater, da der Herzogspalast gleich nebenan stand.
Charles B u r n e y beschreibt 1770 das Herzogliche Theater und ist ent­
zückt von dessen Schönheit und Geräumigkeit. A u f jeder Seite gab es
fünf Logen. Die große Loge war für den Mailänder Statthalter, den Her­
zog von Modena, und für seine Tochter („prineipessina ereditaria") reser­
viert. Das Publikum konzentrierte sich in der Regel auf die Vorführung
nur wenig, denn es unterhielt sich laut dabei; allerdings bei Arien und
Duetten hörte es mit scharf eingestellter Aufmerksamkeit zu und brach
oft in Begeisterung aus.
In ähnlicher Weise mag das Publikum bei der Erstaufführung von
Tamerlan reagiert haben. Die Handlung der auf das Libretto von Agostino
Piovene geschriebenen Oper stützt sich auf historische Tatsachen der
Kämpfe zwischen dem Khan Tamerlan und dem Sultan Bajazid. Sie
wickelt sich vom 20. Juli 1402 zum 8. März 1403 ab. Der Text ist ziemlich
kompliziert und neigt zu den üblichen spätbarocken Opernmanieren.
Der Tyrann Tamerlan entbrannte in Liebe zu Asteria, der Tochter des
besiegten Osmanenkönigs Bajazet; dieser beschwört seine Tochter, den
Verlockungen des Khans nicht zu unterliegen. Asteria ist entschlossen, den
Tyrannen im Brautbett zu ermorden. Tamerlan entdeckt ihre Absicht,
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Compositore della Musica: II Sig. Maestro Giuseppe Misliwecek detto il Boemo
Accademico Filarmonico. Vgl. das Libretto II gran Tamerlano [...] Nel Carnovale
dell'anno 1772. [...] Presso Gio. Bat[f]ista Bianchi Regio Stampatore. In Milano. Aus
den Fonds der Biblioteca teatralia Livia Simoni, Milano. Sign. Mus M XLVJI 2.
Rom, Biblioteca del Conservatorio di S. Cecilia, Sign. XVII 24.
Sign. D 209.
Sign. X-17797. Mikrofilm in der Universitätsbibliothek Brno, Sign. Skf. 17 -587553.
Vgl. Anm. 4.
Charles B u r n e y , Tagebuch einer musikalischen Reise durch Frankreich und
Italien. Aus englischem Original übersetzt
von C. D. Ebeling. Hamburg 1772. Neuauf­
lage Leipzig 1969, S. 62-63, Verlag Philipp Reclam jun.
Rudolf P e c m a n , Tamerlan. In: Hudebni rozhledy 1968, Nr. 5, S. 124—126.
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allein er verzeiht ihr. Weil Asteria seine Liebe zurückweist, w i l l er ihren
Vater Bajazet hinrichten lassen. Inzwischen verdächtigt Bajazet Asteria,
sie sei Tamerlans Verführungen unterlegen, aber die Tochter rechtfertigt
sich vor ihm. Da Tamerlan Asterias Liebe nicht zu erlangen vermag,
erniedrigt er sie, indem er sie zu seiner Essenholerin macht. Asteria trach­
tet erneut nach seinem Leben und versucht ihn zu vergiften. N u r dank
der Wachsamkeit der Prinzessin Irene, die Tamerlan i m geheimen liebt,
kommt der Plan Asterias heraus. Bajazet erkennt die Charakterfestig­
keit seiner Tochter sowie seine eigene Aussichtslosigkeit. E r nimmt Gift
und stirbt. Z u m Schluß vergibt Tamerlan abermals der Asteria und gibt
ihre Hand ihrem Geliebten, dem griechischen Prinzen Andronikos; er
selbst nimmt Irene zur Frau, da er die Aufrichtigkeit ihrer Liebe erkannt
hat.
Das Libretto knüpft an Pietro Metastasio an. Die dramatischen Perso­
nen sind Träger der Ideen, sie lösen komplizierte Situationen und kommen
erst nach Seelenkämpfen zum Entschluß. Ihre Handlung w i r d von ideali­
sierten ethischen Ideen getragen. Die Reflexion hat die Oberhand über
die eigentliche dramatische Aktion, der Streit der Bühnengestalten wird
durch lyrischen Verston verdrängt. Daran schließt sich Mysliveceks Musik
eng an. Der Komponist teilt Rezitative von Arien und Ensembleszenen
folgerichtig ab. Die eigentliche dramatische Entwicklung der Oper kon­
zentriert er in die recitativi, kontemplative Stellen vertraut er den Arien
und Duetten an, gründlich arbeitet er die moralisierenden Monologe aus.
Von besonderer Wirksamkeit ist die Szene von Bajazets Tod. Durch die
Musikwerte der Oper Tamerlan sind auch neuzeitliche Inszenatoren ge­
fangengenommen worden.
Aus dem Libretto zur Mailänder Uraufführung können manche Details
hinsichtlich der eigentlichen Inszenierung herausgelesen werden. Zwischen
den Aufzügen wurden nach üblichem Brauch Ballette gespielt. Es läßt
sich nicht mehr ermitteln, ob der Tänzer und Komponist Carlo le Picq
(er stand im Dienste des polnischen Königs), der zwei von den Balletten
komponiert hat, deren Inhalt mit Myslivecek konsultiert hat; von Inte­
resse sind jedoch einige Angaben i m Libretto, aus denen hervorgeht, daß
Carlo de Picq sowie Myslivecek eine thematische Verknüpfung der Ballette
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Die neuzeitliche Weltpremiere von Mysliveceks Tamerlan fand am 8. Oktober
1967 in Brno im Rahmen des II. internationalen Musikfestivals „Musica antiqua" statt.
Sie wurde auch direkt vom Rundfunk Zagreb ausgestrahlt. Die Einstudierung bereitete
der Dirigent Vaclav Nosek mit Solisten und Ensemble des Staatstheaters Brno vor.
Die Regie führte Miloä Wasserbauer. Vgl. Vaclav N o s e k , Tamerlan, opera de Mysliveöek. (Remarques sur la realisation scenique.) In: Musica antiqua. Colloquium Brno
1967. On the Interpretation of Old Music. Brno 1968, S. 183-187 (in der Redaktion
von Rudolf Pecman). A m 1. Dezember 1977 wurde Tamerlan im Nationaltheater
in Prag uraufgeführt. Benutzt wurden die Notenmaterialien von Vaclav Nosek sowie
die Übersetzung von Eva Bezdekovä aus der Brünner Einstudierung, und zwar unter
der Leitung von Josef Kuchinka, in der Regie von Ladislav Stros, Bühnenbild Kvetoslav Bubenik, Kostüme Adolf Wenig und Choreograph Daniel Wiesner. Die Prager
Inszenierung wurde auf die Bühne des Teatro municipale in Reggio Emilia übertragen.
Am 29. März 1979 wurde hier die Premiere im italienischen Original verwirklicht.
Tschechische Spitzenkünstler (s. oben) brachten die Aufführung mit italienischen
Solisten, Orchester und Chor zustande. Im Mai d. J. wurde die Einstudierung aus dem
Reggio Emilia in die Kammerszene der Mailänder Scala übertragen.
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mit der Haupthandlung der Oper anstrebten. Dies beweist ihre Reform­
bestrebungen innerhalb der neapolitanischen musikdramatischen Kompo­
nistenschule. Wenn auch nicht alle drei in der Oper auftretenden Ballette,
doch das erste und dritte weisen schon einen Zusammenhang mit der
Handlung der Oper auf. Ballett 1 (nach dem ersten Aufzug) besaß eine
n ä h e r e Inhaltsbezeichnung „Gli Amanti protetti däll'Amore"
(„Die Ge­
liebten werden durch Liebe geschützt"); daraus folgt, daß es sich inhalts­
mäßig auf das Liebespaar Asteria und Andronikos bezieht und das glück­
liche Ende ihrer Liebe nach allen Qualen, die sie zu erleiden hatten,
antizipieren konnte. (Die Asteria tanzte Primaballerina Frau Anna Binetti,
im Dienste des polnischen Königs stehend, den Anronikos Carlo le Picq.)
Ballett 2 zeigt offensichtlich keinen Zusammenhang mit der Handlung;
hierin wird ballettmäßig der glückliche capitano (eine Gestalt aus der
comedia dell'arte) auf einer einsamen Insel, deren er sich bemächtigte,
dargestellt. Ballett 3 hing dagegen schon ausgesprochen mit der Handlung
des Tamerlans zusammen. Es wurde nach aem dritten Aufzug als Ballettlicenza von Tamerlan gespielt, der in der Oper eine Verwandlung aus einem
Bösewicht in einen gütigen Herrscher erfuhr, der der Asteria verzeiht und
die Liebe der Prinzessin Irene erwidert. Die Handlung des Abschluß­
balletts spielt sich auf Tamerlans Hochzeitsfeier („Festeggiamento
neue
Nozze di Tamerlano") ab. Im gedruckten Libretto wird angegeben, daß
sich an den Ballettkreationen neben C. le Picq und A. Binetti weitere
sieben Solotänzer und Solotänzerinnen beteiligten; außerdem trat eine
Ballettgruppe („figuranti") mit sieben Männern und sechs Weibern auf —
mit ihren Auftritten wirkten weitere Ballettkünstler mit (zwei Männer,
vier Frauen). A propos: Ballett 2 wurde nicht von Carlo le Picq, sondern
von Luigi Palladini komponiert; dieser tanzte offensichtlich auch die Rolle
des capitano (es ging evident um ein Ballett mit komödialen Elementen).
Nach der Uraufführung Tamerlans 1771 stieg Mysliveceks Ruhm wört­
lich zu den Sternen empor. Davon zeugt unter anderem die Tatsache, daß
die Abschriften seiner Partituren in vergoldeten, reich verzierten Mappen
gebunden wurden (z. B. in Neapel). Das neue Theater in Pavia betraut
den Komponisten mit der Abfassung der Oper D e m e t r i o zum Text von
Metastasio.
(Die Uraufführung fand 1772 statt, eine weitere Aufführung
ist zum 21. Januar 1773 belegt.) F ü r Neapel schreibt Myslivecek in Eile
die Oper R o m o l o e d E r s i l i a (Romulus und Hersilia);
das Werk
wird in Teatro S. Carlo am 13. August 1773 uraufgeführt. Es handelt sich
um eine bedeutende Arbeit zum Text von Metastasio. Das Libretto handelt
über den Raub der Sabinerinnen aus der Zeit des Gründers von Rom, des
Königs Romulus. Romulus bewirbt sich (nach dem Mädchenraub) um die
Prinzessin Ersilia (Tochter des Atemnatenprinzen Curtius). Aber Ersilia
weist seine Liebe aus Gehorsam zu ihrem Vater zurück. Romulus erreicht
schließlich Ersilias Zuneigung, überwindet alle Ränke der Liebe, besiegt
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Detailliertes Verzeichnis von Mysliveceks Kompositionen s. Rudolf P e c m a n,
Finzione poetica e veritä su Josef Myslivecek, im Sammelband: Josef Myslivecek,
Reggio Emilia 1979, S. 17—46 (herausgegeben von Teatro municipale).
Konservatorium S. Pietro, Neapel. Sign. 29. 3. 4. a 6.
Ibidem. Sign. 29. 3. 18 a 20.
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den ursprünglichen Geliebten Ersilias Acron von Caenina und erlangt u n ­
erwartet die Einwilligung des Prinzen Curtius zur Eheschließung mit
Ersilia.
A u f Grund antiker Quellen kann man die geschichtlichen Vorlagen des
Sujets ergründen. Romulus ist traditionsgemäß der Gründer Roms und
dessen erster König. Ersilia (= Hersilia) ist Tochter eines vornehmen
Sabiners. Sie kam nach Rom als verheiratete Frau (nach Plutarchos und
Maerobius), w ä h r e n d Livius, Ovidius, Silius Italicus u. a. berichten, erst
Romulus, der i m Kampf mit den Sabinern seinen Rivalen Acron, König
von Caenina (nach Livius und Dionysius von Halikarnaß) getötet haben
soll, habe Ersilia zur Frau genommen. In dieser Oper ist also eine engere
Verknüpfung der Handlung mit der historischen Grundlage festzustellen
als i n anderen Libretti von Metastasio.
Die Arbeit mit den Texten Metastasios hat Myslivecek konveniert.
Der Dichter forderte theoretisch beispielsweise die Reform des Rezitativs
(Myslivecek setzte sich praktisch dafür ein). II Boemo bekannte sich nicht
zu Glucks Opernreform, obwohl er das Werk von Gluck kannte. (Er
brachte Orpheus und Eurydike am 4. November 1774 mit eingefügten
Arien Johann Christian Bachs zur Aufführung und erzielte sechs Repri­
sen). Mysliveceks Interesse wurde u. a. durch Metastasios Grundsatz ge­
weckt, die Musik sei i n der Oper mit der Poesie, d. i . mit dem Operntext
gleichwertig und die orchestrale Komponente einer Oper solle Gemüts­
zustände der handelnden Personen ausdrücken und das dramatische G e ­
schehen vervielfältigen. Immer wieder griff er nach Metastasios V o r ­
lagen, denn dieser „poeta cesareo" schrieb melodisch — sein Vers forderte
geradezu zu einer Musikbearbeitung auf. Myslivecek vertonte insgesamt
zwanzig Metastasios Opern- und Oratoriumtexte. E r wählte umsichtig
Werke, die der Dichter in seiner besten schöpferischen Periode verfaßte.
Nach der Oper Romolo ed Ersilia wird i n den Verzeichnissen von M y s l i ­
veceks Werken die näher unbekannte Oper E r i f i l e (Eriphyle) vom
Jahre 1773 angegeben; sie sollte vermutlich ihre Premiere i n München
haben, aber die Uraufführung fand angeblich in Torino statt. Das Material
zu dieser Oper ist bis jetzt nicht aufgefunden worden. Unter Annahme
der Urheberschaft von Myslivecek gerät man mit einem Schlag in einen
Themenkreis von hochgehobener dramatischer und theaterpsychologischer
Darstellungskraft. Die Hauptdarstellerin der Sage ist Eriphyle, Tochter
des Königs Talaos von Argos, Ehefrau des Amphiaraos, Mutter A l k maions. Diese Eriphyle galt schon i n der Antike als Personifizierung der
Habgier. Amphiaraos wählte sie zum Schiedsrichter im Streit mit seinem
Vetter Adrastos. Beide verpflichteten sich, ihr zu gehorchen. Bestochen
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Rudolf P e c m a n , Pietro Metastasio jako libretista Mysliveökovych
oper (Pietro
Metastasio als Librettist von Mysliveceks Opern. In: (Sammelband) Otäzky divadla
a filmu II, Brno 1971, 83—100 (Red. Artur Zävodsky); Spisy U J E P (Schriften der J . - E . Purkyne-Universität), Facultas philosophica, Bd. 170.
Romain R o l l a n d , Musikalische Reise ins Land der Vergangenheit, Frankfurt
am Main 1922. Kapitel VI - Metastasio als Vorläufer Glucks (S. 147-163).
Z. B. Ulisse P r o t a G i u r l e o i n Enciclopedia dello spettacolo, Bd. VII, Spalte
990, Rom 1960; Jan R a c e k im Musiklexikon Ceskoslovensky hudebni slovnik II,
Prag 1965, S. 140.
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von Polyneikes, dem vertriebenen Thebenkönig, der ihr ein kostbares
Halsband geschenkt hatte, veranlaßte sie ihren Gemahl, dem Polyneikes
die Herrschaft in Theben zurückgewinnen zu helfen. Amphiaraos gab
nach, schloß sich dem „Zug der Sieben gegen Theben" an, kam jedoch aus
dem Kampf nicht mehr zurück. Alkmaion, Sohn der Eriphyle, erfuhr
später, daß seine Mutter Amphiaraos wegen des Halsbands in den Tod
schickte: er schlug sie mit eigener Hand tot. Wegen Muttermordes haben
ihn die Erinyen bestraft, indem sie seinen Geist vom Wahnsinn befallen
ließen.
Nach dem Erfolg von Romolo ed Ersilia nahm Myslivecek das Einstu­
dieren des späteren Mozartlibrettos L a C l e m e n z a d i T i t o für das
Theater S. Benedetto in Venedig in Angriff; Verfasser des Operntextes
war wiederum Metastasio. Das Sujet ist der römischen Geschichte ent­
nommen; es geht um Verherrlichung von Titus, „Wonne der Menschheit".
Zwei Feinde Titus' trachteten vergeblich nach seinem Leben. Ihre Ver­
schwörung wurde vom Senat entdeckt und beide wurden zum Tode ver­
urteilt. Titus gewährt ihnen großzügig Verzeihung und begnügt sich mit
väterlicher Ermahnung.
Es w ü r d e zu weit führen, wollten wir alle Opernerfolge Mysliveceks
in jener Zeit erwähnen. Nur A n t i g o n e wollen w i r nennen, um auf
einen Irrtum aufmerksam zu machen, der sich in eine Reihe Enzyklo­
pädien und Studien eingeschlichen hat. Antigone wurde mit der Oper
Antigono identifiziert, was nicht wenig Verwirrung in den Angaben ver­
ursachte. Die Antigone bearbeitete für Myslivecek G. Roccaforte in A n ­
lehnung an die Tragödie von Sophokles.
Antigone, Tochter des Oidipus und der lokaste, kehrte nach dem Tode
ihres Vaters nach Theben zurück und bestattete gegen das Verbot des
dortigen Herrschers Kreon den Laichnam ihres beim Angriff auf die
Vaterstadt als Landesverräter gefallenen Bruders Polyneikes. Wegen
dieser Tat wurde sie in ein unterirdisches Gemach gesperrt, wo sie sich
das Leben nahm. Ihre Handlung besaß eine moralische und menschliche
Höhe, denn sie legte die Geschwisterliebe (das Naturrecht) über die Men­
schengesetze.
Obgleich wir das Prinzip einer chronologischen Beschreibung verletzten,
wollen w i r im Zusammenhang mit der Antigone nach Roccaforte sofort
auch die Oper A n t i g o n o (Antigonos) nennen, die Myslivecek sechs
Jahre später während seines römischen Aufenthaltes zu Metastasios L i b ­
retto komponierte. Er tat es auf Bestellung des weniger bedeutenden
Damentheaters (Teatro delle dame); die Bestellung erfolgte offensichtlich
gegen das Ende des Jahres 1779, denn die Erstaufführung der neuen Oper
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Nach der Enzyklopädie Friedrich Lübkers Reallexikon des klassischen Altertums.
Berlin 1914 (Stichwort „Alkmaion", S. 48). Ebenfalls Vojtech Z a m a r o v s k y , Bohove a hrdinove antickych bäji (Götter und Helden der antiken Sagen), Prag 1970
(Stichwort „Erifyla", S. 115).
Mysliveceks Titus wurde zur Eröffnung der Wintersaison im Theater S. Bene­
detto am 26. Dezember 1773 uraufgeführt.
Die Uraufführung der gleichnamigen Oper von Myslivecek fand im Teatro Regio
in Torino beim Fastnachtfest 1774 statt.
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fand i m Frühling 1780 statt. Hauptakteure sind Antigonos, König von
Makedonien, der die ägyptische Prinzessin Berenike liebt, und sein Sohn
Demetrius. Beide Gestalten sind der Geschichte entnommen. Im Libretto
gewährt Demetrios seinem Vater Antigonos Schutz vor Gefahr. Der groß­
mütige Antigonos gibt ihm die Hand der Berenike.
Die Handlung der Oper ist durchaus traditionell und schematisch. Von
Bedeutung ist, d a ß Mysliveceks Vertonung i n Rom mit aller äußeren
Pracht ausgestattet wurde. Der erste Aufzug spielt im Laubengang vor
dem großen Tor in Thessalonike, der zweite i m A t r i u m des königlichen
Saals und der dritte im Arbeitszimmer des Antigonos (mit einer Aussicht
in die Gärten). Die Oper wird zwischen den einzelnen Aufzügen mit
Ballettszenen begleitet, die jedoch mit der Handlung der Oper in keinem
Zusammenhang stehen; das erste Ballett stellt eine Jagdszene mit Hein­
rich IV. (1050—1106) dar, der die lombardische Krone aufnahm und zum
Herrn Roms wurde („La Caccia die Enrico IV"). Das zweite Ballett, eben­
falls programmeingestellt, trägt die Bezeichnung Landgeschichten („Gli
Avvimenti Campestri"). Beide Ballette sind scherzhaft, weil in der Cha­
rakteristik der Tänzer, die auch die Weiberrollen darstellten, das Epitheton
grottesco (grotesk, tragikomisch) auftritt. Verfasser der Choreographie war
Onorato Viganö, dem 24 Ballettchoristen zur Verfügung standen. Die
Ballettmusik komponierte Luigi Marescalchi (1750?—1800?), Schüler von
Padre Martini und Musikverleger in Venedig, der oft Viganos Ballette i n
Musik setzte. Im Libretto ist er als „Maestro di Cappella Bolognese" be­
titelt.
Nach dieser kurzen Information über Antigone und Antigono kommen
wir nun zum Jahr 1775 zurück. Fünf Jahre lang stand schon Myslivecek
im Zenit seines Schaffens. Er gebrauchte immer wieder erprobte und mehr­
mals vertonte Sujets, als wollte er mit jenen Komponisten wetteifern, die
sie vor ihm in Noten setzten. Schon in Prag lernte er E z i o mit Musik
von Pescetti kennen; er wollte gewiß mit seinem venezianischen Lehrer
wetteifern, aber es schwebte ihm wohl vor Augen auch der Wunsch, den
größten Meistern, die Metastasios Ezio vor ihm vertont hatten, gleichzu­
kommen. Die neue Oper komponiert Myslivecek wieder für das Teatro
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Vgl. das Libretto zur Oper Antigono in der Bibl. di S. Cecilia Rom, Sign.
XVIII 28.
Plutarchii
Vitae parallelae. Iterum recognovit Carolus Sintenis. Leipzig
1863. Zitiert nach der tschechischen Übersetzung P l u t a r c h o s , Zivotopisy slavnych
Rekü a Rimanü (Lebensgeschichten berühmter Griechen und Römer), II, Prag 1967,
S. 577—616 (übersetzt von Ferdinand Stiebitz).
Vgl. Otakar K a m p e r , Hudebni Praha v XVIII. veku (Die Musikstadt Prag
im XVIII. Jahrhundert), Prag 1936, S. 246.
VgL u. a. das Libretto aus dem Fonds in Kfimice, Nr. 3134, Beiheft 2: Ezio.
Dramma per musica da rappresentarsi nel Nuovo teatro di Praga Nell'Autunno 1760.
(La Musica e del [...] Giambattista Pescetti.) [Praga]. Nella Stamperia di Ignati
Pruscha [1760]. Angaben von Pravoslav K n e i d 1, IAbreta italske opery v Praze
v 18. stoleti (Die Libretti der italienischen Oper in Prag im 18. Jahrhundert), im Sam­
melband: Strahovskä knihovna 2, Prag 1967, S. 139, Nr. 139.
Bei Pescetti studierte Myslivecek gleich nach seiner Ankunft in Venedig, d. i.
in den Jahren 1763-1764.
Es waren Händel (1732), Jommelli (1748) und Hasse (1755) — neben einer Reihe
von anderen Komponisten.
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S. Carlo in Neapel. Es geht um einen der häufigsten Librettostoffe. (Auch
Beethoven gedachte eine Oper aus diesem Themenkreis zu schaffen.)
Als das Prager Konservatorium den 200. Geburtstag Mysliveceks 1937
ehren wollte, wählte es ebenfalls Ezio und führte einen Querschnitt durch
die Oper am 4. M a i 1937 auf.
Die Fabel der Oper spielt unter Valentinian III. (425—455), dem Sohn
Konstantin III. Das Land litt unter den Streifzügen der Barbaren. Valentinians Feldherr Aetius (italienisch Ezio) zeichnete sich besonders w ä h r e n d
der Hunneneinfälle aus. Als Attila mit seinem Heer nach Gallien einge­
brochen ist, gelang es Aetius die Visigoten mit anderen germanischen
Stämmen zu vereinigen und Attila in der Schlacht auf den Katalaunischen
Feldern zu besiegen (451). Aetius ging aus dem Kampf als Sieger hervor,
aber schon ein Jahr darauf brachen die Hunnen nach Norditalien ein,
machten die Stadt Aquilleia dem Erdboden gleich und plünderten eine
Reihe Städte aus. Im Land brach die Pest aus, Attila marschierte ab und
starb bald (453). Aetius wurde dann falsch der Verschwörung gegen V a ­
lentinian III. beschuldigt und von ihm 454 getötet.
Eine interessante Rolle spielt Valentinians Schwester Justa Grata Honoria. Der Kaiser traf die Entscheidung, daß sie nicht heiraten darf und
schloß sie aus der Thronfolgerschaft aus. E r verbannte sie nach Konstan­
tinopel, weswegen sie Stellung gegen ihn nahm und sich an einer Ver­
schwörung beteiligte (449). Sie schickte zum Hunnenkönig Attila einen
Eunuchen mit vielen Geschenken und bat ihn, sie zu retten. Attila trat
gegen Valentinian mit der Anforderung auf, Honoria solle sein Weib wer­
den. Der Kaiser sollte der Schwester Gallien als Mitgift abtreten. Die
Eheschließung kam nicht zustande, aber Honorias geheime Verhandlungen
beschleunigten die Entwicklung politischer und militärischer, zur Schlacht
auf den Katalaunischen Feldern führender Ereignisse.
Drei Personen im Operntext Metastasios sind historisch (Valentinian
III., Aetius [Ezio] und Honoria). Sonst wird die Handlung mit verschie­
denen Verwicklungen, Früchten der poetischen Lizenz, bereichert. Die
Handlung spielt nach Ezios Sieg über Attila 451 u. Z.
Ezio kehrt als Sieger heim. E r wird von Valentinian begrüßt, dem zum
Bewußtsein kommt, daß durch Ezios Sieg über Attila auch sein eigener
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Uraufgeführt in Neapel, Teatro S. Carlo, am 30. Mai 1775. Die zeitgenössische
Partiturabschrift von Mysliveceks Oper Ezio befindet sich in der Bibliothek des Kon­
servatoriums in Neapel, Sign. 29. 3. 10. a 12, das Autograph in der österreichischen
Nationalbibliothek in Wien, Sign. IX-16419. Im Archiv der Gesellschaft der Musik­
freunde in Wien ist ein Bruchstück der Abschrift des 2. Aufzuges aufbewahrt.
Rudolf P e c m a n , Beethoven dramatik (Der Dramatiker Beethoven), Hradec Krälove 1978, S. 38—44 und S. 107. Für die beabsichtigte Vertonung des Ezio-Stoffes
standen Beethoven zur Verfügung das Libretto von Kotzebue, das Drama von Friedrich
Ludwig Zacharias Werner und das Libretto von Ludwig Reilstab. Es ging durchweg
um Werke mit der Bezeichnung Attila.
Der Querschnitt durch die Oper Ezio wurde gemeinsam mit der Mapro von
Strawinski im Ständetheater aufgeführt. Librettoübersetzung Jan Branberger, die
Leitung Pavel Dedecek, Regie Ing. Ferdinand Pujman, Austattungsentwurf Frantisek
Zelenka.
Leopold von R a n k e , Weltgeschichte, Bd. 5: Das Altrömische
Kaisertum. Heraus­
gegeben von Horst Michael. Wien—Zürich—Hamburg—Budapest, nicht datiert, S. 401
bis 411.
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Ruhm wächst. Nach feierlichem Triumph begrüßt Ezio seine Geliebte
Fulvia, Tochter des römischen Patriziers Massimo, von dem er erfährt,
Valentinian selbst gedenke Fulvia zu heiraten. Massimo sucht Ezio zu
überreden, einen Mordanschlag auf den Kaiser zu verüben, weil er vor
Jahren Massimos Gemahlin entehrt hat. Doch Ezio nimmt Massimos Vor­
schlag nicht an. Er glaubt, seine Berühmtheit als Feldherr werde Valen­
tinian erweichen und ihn veranlassen, auf Fulvia zu verzichten. In diesem
Sinne führt er später ein Gespräch mit Fulvia. Aber Massimo gibt seine
Pläne zu Kaisers Leblosigkeit nicht auf; er zwingt seine Tochter, Frau des
Kaisers zu werden und dann den Kaiser umzubringen. Fulvia beschwört
den Vater, sie zu einer solchen Tat nicht zu zwingen. Massimo entscheidet
also, daß sein Diener Emilio den geplanten Mord vollbringen soll (der
Mordsverdacht soll auf Ezio fallen).
A u f die Bühne kommt Valentinians Schwester Onoria und erkundigt
sich bei Varo, dem Kommandanten der kaiserlichen Wachen, ü b e r Ezio,
den sie im geheimen liebt. Inzwischen intrigiert Massimo gegen Ezio, i n ­
dem er den Kaiser vor dem Wachstum dessen Macht warnt. Valentinian
schenkt dem Massimo Glauben und teilt dem Ezio mit, daß er ihm seine
Schwester Onoria zur Frau gibt. (Valentinian glaubt nämlich, daß Ezio
seinen Thron nicht bedrohen wird, wenn er mit ihm verschwägert sein
wird.) Ezio lehnt den Vorschlag des Kaisers ab und bekennt vor ihm seine
Liebe zu Fulvia. Das veranlaßt Valentinian zum Befehl, Fulvia soll sich
zur Eheschließung mit ihm selbst vorbereiten. Ezios Beziehung zum Kaiser
verwandelt sich in Haß. Die vereinsamte Fulvia faßt Mut, denn sie w i l l
das böse Schicksal bezwingen.
Emilio verübte einen mißlungenen Mordanschlag auf den Kaiser. Valen­
tinian ist der Meinung, die Hand des Attentäters habe Ezio geführt. Er
schmiegt sich daher enger an seinen verräterischen Vertrauten Massimo
an, dem Fulvia bitter vorwirft, daß er gegen Ezio intrigiert. Massimo ver­
treibt sie. Die verzweifelte Fulvia begegnet auf dem Spaziergang dem
Ezio, der entschlossen ist, den Kaiser vor allen, die nach seinem Leben
trachten, persönlich zu schützen. Fulvia und Ezio werden von Varo über­
rascht, der dem Ezio auf Kaisers Befehl die Waffe abnimmt und ihn ver­
haftet. Er tut das ungern, denn er zählt zu Ezios Freunden. Der verein­
samten Fulvia rät er, ihr Einverständnis mit der Ehe mit Valentinian
vorzutäuschen, denn auf diese Weise kann sie Ezio retten. Fulvia richtet
sich nach Varos Rat.
Onoria, die im geheimen Ezio liebt und auf dessen Unschuld glaubt,
sucht den Bruder zu überreden, daß er den Unschuldigen begnadigt.
Immer hofft sie, Ezios Liebe zu gewinnen. Der Kaiser bekam Kenntnis
von dem Entschluß Fulvias, sein Weib zu werden, glaubt jedoch nicht auf
ihren plötzlichen Gesinnungsumschwung. Er läßt Ezio aus dem Gefängnis
herbeiführen und stellt ihn der Fulvia gegenüber. Fulvia hält in dieser
Prüfung nicht durch und bekennt vor dem Kaiser ihre wahre Liebe; zu
Valentinian fühlt sie nur Verachtung. Der wutentbrannte Kaiser läßt Ezio
ins Gefängnis zurückwerfen. Dort besucht ihn später Onoria und offen31
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Vgl. das ähnliche Motiv in Tamerlan.
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RUDOLF PECMAN
bart ihm ihre Liebe. Sie dringt auf ihn, das Haupt der Verschwörung zu
nennen; sie glaubt für ihn unter dieser Bedingung Freiheit zu erwerben.
Ezio hat aber keine Ahnung von Massimos Ränken und spricht vor Onoria
nur von seiner Unschuld.
Onoria besucht abermals den Kaiser, um für Ezio Gnade zu erbitten.
Valentinian leistet zum Schein ihren Bitten Folge. In Wirklichkeit be­
fiehlt er dem Varo, Ezio i m Kerker zu ermorden. Varo tut es nicht, trotz­
dem meldet er dem Kaiser die Ausführung seines Befehls.
Emilio fühlt Gewissensbisse und verrät Onoria die Wahrheit. Dadurch
wird jeder Verdacht gegenüber Ezio gegenstandslos. Aber der Verräter
Massimo hetzt das Heer Ezios gegen den Kaiser auf. E r vermutet, Ezio
sei tot — und sein Heer soll am Kaiser für seinen Feldherrn Rache üben.
Die Handlung geht ihrem dramatischen Gipfelpunkt entgegen. Die Armee
soll unter Massimos F ü h r u n g Valentinian stürzen und ums Leben bringen.
Im äußersten Augenblick wird Ezio von Varo aus dem Gefängnis befreit;
augenblicklich tritt er für den Kaiser ein und rettet ihn vor dem Tod.
Valentinian erkennt Ezios unerschütterliche Treue sowie seinen eigenen
Irrtum. Gern gibt er seine Einwilligung zur Ehe von Ezio und Fulvia und
auf ausdrückliche Bitte Ezios verzeiht er auch dem Massimo.
Nach der Uraufführung Ezios i n Neapel wird Myslivecek zur b e r ü h m ­
testen Persönlichkeit des italienischen Opernhimmels. E r erreichte den
Gipfelpunkt i n der wirksamen Konzeption der Opernkomplexe. In der
Oper Ezio w u ß t e er i n hinreißender Weise die Gemütszustände der han­
delnden Personen, die komplizierte Situationen durchliefen, zu schildern.
In Gestalt des Haupthelden verherrlichte er die Vaterlandstreue, treffend
brachte er die innere Verwirrung in Fulvias Herzen und deren uner­
schütterlichen Glauben an Ezios Unschuld zum Ausdruck. Damals ver­
mochte nur selten jemand die Charaktere der handelnden Personen so
vollkommen auszuarbeiten wie Myslivecek. V o r ihm hat nur Händel ein
so hervorragendes Niveau erreicht. II Boemo schloß an italienische Muster
an, besonders an Jommelli, und entdeckte die Wichtigkeit eines durch­
komponierten Rezitativs bei der Schilderung verschiedenartiger Gemüts­
zustände. E r vertiefte das recitativo accompagnato i n Augenblicken der
großen Entschlüsse von handelnden Personen.
In der österreichischen Nationalbibliothek i n Wien blieb das Autograph
der Oper Ezio erhalten. In der Überschrift zum Anfang der Ouvertüre
schrieb Myslivecek: „Overtura dell'Ezio Scritta in Napoli nell'Teatro
Reale p. i. 30 Maggio dell'Anno 1775 da Giuseppe Misliwecek detto il
Boemo"
Das Datum der Vollendung der aller Wahrscheinlichkeit nach
ausdrücklich für Ezio geschriebenen O u v e r t ü r e deckt sich mit dem von
Francesco F l o r i m o
angegebenen Datum für die Uraufführung der
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„Die Ouvertüre
wurde in Neapel im königlichen
Theater am 30. Mai 1775 von
Josef Myslivecek, genannt II Boemo, geschrieben."
Bis zum Augenblick ist es nicht gelungen, eine mit dieser Opernouvertüre iden­
tische und zugleich auch für die Konzertaufführung bestimmte Sinfonia zu finden.
In anderen Fällen war es bei Myslivecek üblich.
' Francesco F l o r i m o , La Scuola musicale di Napoli e i suoi Conservatori, con
uno sguardo sulla storia della musica in Italia. Vol. TV. Elenco di tutte le opere
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Oper; Florimo führt auch die Besetzung bei der Premiere an. Schon die
Tatsache, daß die Rollen mit hervorragenden Sängern besetzt wurden,
beweist das große Ansehen, das Myslivecek genoß. A m meisten wurde er
in Neapel bewundert. Es ist leicht möglich, daß er die Notenparte von
Ezio und Fulvia gerade für den Sopransänger Gasparo Pacchiarotti und
die Koloratursopranistin Anna Lucia de Amicis schrieb. E i n derartiges
Verfahren beim Komponieren war damals vollkommen üblich.
Manche Forscher reihen in das Jahr 1775 noch Mysliveceks Oper M er o p e ein. Jaroslav C e 1 e d a e r w ä h n t , daß sie hundert Reprisen erfuhr,
was in jener Zeit ganz ungewöhnlich war. Vom Ertrag der Merope soll sich
Myslivecek i n Rom einen Palast in Piazza del Popolo gekauft haben. Beim
Besuch der Stadt habe ich den sog. Mysliveceks Palast nicht gefun­
den (auch Marietta S c h a g i n j a n bestreitet seine Existenz). Uber
den Aufenthalt Mysliveceks in Rom handeln wir in einem anderen Z u samenhang. Obwohl keine Dokumente zur Oper Merope vorliegen, wollen
wir wenigstens dem Sujet dieses Werkes Beachtung schenken; mit ihm
dürfte Myslivecek die Galerie seiner Librettisten um Apostolo Zeno
(1668—1750), Metastasios Vorgänger i m A m t des kaiserlichen Poeten am
Hofe K a r l VI., bereichert haben. A l s Librettist oszillierte Zeno zwischen
der venezianischen Tradition und neueren dramatischen Forderungen. E r
neigte fast ausschließlich zur französischen Tragödie des 17. Jahrhunderts
hin und strebte die innere Einheit des Operntextes an.
In Merope bearbeitete Apostolo Zeno denselben Stoff wie sein italieni­
scher Zeitgenosse Francesco Scipione Maffei. Der alten griechischen Sage
nach war Merope Gattin von Kresphontes, König von Messenien, Sohn des
Helden Herakles. Doch ihr Schwager Polyphontes verübte eine Gewalttat,
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in musica rappresentate nei teatri di Napoli dal 1651 dl 1881 con cenni sui teatri
e sui poeti melodrammatici. Neapel 1881, S. 244—245.
Protagonistin der neuen Einstudierung war Anna Lucia de Amicis (geb. 1740?)
in der Rolle der Fulvia. Diese aus Neapel stammende Koloratursopranistin gehörte
in ihrer Zeit zu den besten Sängerinnen. Sie war wahrscheinlich Schülerin der Sänge­
rin Vittoria Tessi aus Florenz, die sich ihrer Erfolge in der ganzen Welt, auch in Wien,
rühmen konnte. A. L . de Amicis debütierte in London 1763 unter der Leitung von
Johann Christian Bach und nach ihrer Heirat 1771 sang sie andauernd in Neapel bis
1789. Nicht weniger berühmt war der Kastrat (Sopransänger) Gasparo Pacchiarotti
(1740—1821), dem die Rolle von Ezio anvertraut wurde. Er wurde in Fabriano bei
Ancona geboren, starb in Padua. Seine Gesangausbildung erhielt er bei Ferd. Gius.
Bertoni, dem Organisten bei S. Marco in Venedig und später Direktor des dortigen
Konservatoriums De'Medicanti. Nach den Erfolgen in Venedig, Wien und Milano
wurde er 1769 als primo musico ins Theater S. Benedetto in Venedig berufen. Seine
künstlerische Karriere führte ihn dann nach Palermo, Neapel und London (seit 1778).
Nach zweijährigem Aufenthalt in London kehrt er zurück und begibt sich in den
Ruhestand in Padua.
Jaroslav C e 1 e d a, Josef Myslivecek. Tvürce prazskeho näfeci hudebniho rokoka
tereziänskeho
(Josef Myslive&ek. Schöpfer des Prager Dialekts des theresianischen
Musikrokokos). Prag 1946, S. 245.
Marietta S c h a g i n j a n , Zapomenutä
historie (Eine vergessene Geschichte), Prag
1965, S. 293-294.
Rudolf P e c m a n , Finzione poetica [...], S. 27 (vgl. Anm. 12).
Rudolf P e f m a n , Apostolo Zeno und sein Libretto „II Venceslao" zu dem
gleichnamigen Pasticcio von Georg Friedrich Händel. Im Sammelband G. F. Händel
und seine italienischen Zeitgenossen (= Wissenschaftliche Beiträge der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg 1979, Nr. 8/G 5/). Halle (Saale) 1979, S. 66-93.
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RUDOLF PECMAN
indem er seinen Bruder Kresphontes ermordete und Merope gesetzwidrig
zu einer neuen Ehe mit ihm zwang. Auch alle ihre Kinder brachte er um
mit Ausnahme des jüngsten Sohnes Aipytos, den Merope nach dem ent­
fernten Aitolien in Erziehung gab. Sie hoffte, er werde zum Rächer heran­
wachsen, und irrte sich darin nicht. A l s Aipytos herangereift war, kehrte
er zur Mutter zurück und ermordete Polyphontes.
Wie verhält es sich mit Mysliveceks Merope? Sie scheint in das Ver­
zeichnis seiner Kompositionen aus Versehen geraten zu sein. Hundert Re­
prisen — das ist eine recht beachtliche Zahl, ein außerordentlicher Erfolg!
Wäre es nun möglich, daß von einer so bemerkenswerten Oper keine ein­
zige Abschrift erhalten worden w ä r e ? Wäre es möglich, daß in der italie­
nischen Presse keine Nachricht über die Premiere erschienen w ä r e ? Das
sind Fragen, die bis jetzt nicht beantwortet werden können. Dergleichen
liegen die Dinge mit dem „Palast" i n der Piazza del Popolo von Rom. E r
kann nicht nachgewiesen werden, statt dessen wissen wir, daß Myslivecek
in der Piazza di Otto Cantoni Nr. 465 wphnte.
Die siebziger Jahre sind arm an Dokumenten zu Mysliveceks Leben und
Schaffen. Aber die Archive sprechen auch von weniger populären Werken
von Myslivecek. In Neapel wurde am 13. August 1774 in Teatro S. Carlo
die auf Metastasios Text geschriebene Oper A r t a s e r s e uraufgeführt.
Aber auch andere Städte erteilen an Myslivecek Aufträge, Opern für sie
zu komponieren. F ü r Padua, wo schon seine Oratorien von Erfolg begleitet
waren, schreibt II Boemo die Oper A t i d e zum Text von Tommaso
Stanzani. Sie wurde im Juni 1774 in Teatro Nuovo in der Nähe der präch­
tigen Kirche II Santo, wo vor Jahren Bohuslav Matej Cernohorsky Orgel­
spieler war, uraufgeführt. Die Bedeutung des Werkes liegt in der Beto­
nung des Hirtenmotivs; es geht ebenso wie in Nitteti um einen Stilbereich
rokokomäßiger Schilderung, den ich am anderen Ort behandelt habe.
Der schöne aus Phrygien stammende Hirt Atys (Atide) weckte Interesse
der Göttin Kybele. A u f seiner Hochzeit mit der Tochter des Königs von
Phrygien betrat die Göttin den Schmaussaal, um Atys fortzuführen. Alle
Gäste liefen auseinander, Atys flüchtete in die Berge und verübte unter
einer hohen Kiefer Selbstmord. Aus seinem Blut sind Veilchen aufge­
wachsen. — Myslivecek hat gut die Tendenz der Zeit zu Hirtensujets
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S c h a g i n j a n, op. cit. S. 314-321; P e c m a n , Finzione poetica [„..], S. 27.
Rudolf P e i m a n , Pietro Metastasio jako libretista Mysliveckovych oper (P. Metastasio als Librettist von Mysliveceks Opern). In: Otäzky divadla a filmu II, Brno
1971, S. 96 (= Spisy UJEP, fakulta filozofickä, Bd. 170, Red. Artur Zävodsky).
L'Ascenza S. Benedeite (Premiere Padua 1768), Narcisso al fönte (ebd. 1768),
II Tobia (1769), Giuseppe riconosciuto (1769), La morte di Gesü (1770).
Von neueren Arbeiten vgl. z. B. Leonardo F r a s s o n , II P. M " Bohuslav Czernohorsky primo maestro di Giuseppe Tartini per la composizione musicale. Im Sammel­
band: II Santo. Rivista Antoniana di Storia dottrina arte. Jahrg. XIII, Padua 1973,
Bd. 2-3, S. 279—134.
Ivo S t o l a f i k , Leningradsky rukopis opery Josefa Myslivecka „Nitteti" (Lenin­
grader Handschrift der Oper „Nitteti" von J. Myslivecek). Opava 1963. Rudolf
P e c m a n im zitierten Sammelband Otäzky divadla a filmu, S. 94—95 (vgl. Anm. 41).
Das Autograph der Oper ist in Leningrad (Leningradskij gossudarstvennyj institut
teatra, muzyki i kinematografii, Inventarnummer N 752—753, Sign. 10438—10439) auf­
bewahrt. Die zeitgenössische Abschrift befindet sich in der Bibliothek des Florenzer
Konservatoriums, Sign. D 210.
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herausgefühlt. Doch nur noch ein Teil des Publikums w u ß t e sich für
eine so lyrische Oper zu begeistern. Dieser allmähliche Bruch in der
Operndramaturgie wurde feinfühlig von Mozart erfaßt, der sieben Jahre
später seine Entführung aus dem Serail, K . 384, schreibt. E r begann sich
damit zu befassen, als Myslivecek nicht mehr unter den Lebenden weilte.
Mozart brauchte offensichtlich eine Zeit dazu, um sich stilmäßig umzu­
orientieren und sich enger dem Singspiel bzw. der Bujja anzuschließen.
Dadurch unterschied er sich von Myslivecek, der nie eine Buffa geschrie­
ben hatte. Es ist schwer zu sagen, ob er deren Bekenner geworden wäre,
wenn er sich von deren durchschlagendem, dauerhaftem Erfolg überzeugt
hätte. Die Oper Atide entsprach allerdings dem Geschmack derer, denen
es um die ernste Oper ging. Übrigens kehrt denn nicht auch Mozart, wenn­
gleich gelegentlich, gegen Ende seines Lebens 1791 mit dem Titus, K . 621,
zur opera seria z u r ü c k ? Vollenden w i r nun die Beurteilung des Sujets
über Atys. Scheint dieses Thema Stimmungen aus dem Ende des Jahr­
hunderts nicht vorwegzunehmen, also präromantisch zu sein? Bedenke
man: E i n junger Mann, der sein Mädchen und seine Braut liebt, wird
durch leidenschaftliche Liebe eines reifen Weibes überrascht. Den inneren
Zwiespalt vermag er nicht anders zu lösen als durch Selbstmord. Das
Motiv des Selbstmordes ist im gleichen Jahr, als Mysliveöek Atys kompo­
nierte, auch in den Leiden des jungen Werthers vorzufinden. Dieses Werk
von Goethe drückte bekanntlich sehr intensiv die schon auf frühroman­
tische Lebens- und Weltauffassung gerichteten Gefühle seiner Zeit aus —
einschließlich der Apotheose des befreienden Todes. Goethe stand über der
ihn verurteilenden Zeit, weil er das sagte, was ohnehin in der Luft hing.
Auch Myslivecek ist eigentlich mit seiner Oper Atide seiner Zeit thema­
tisch zuvorgekommen.
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Von lockenden Arbeitsangeboten sei wenigstens kurz Teatro del Cocomero erwähnt; es war ein kleineres, doch dramaturgisch bahnrechendes
Theaterinstitut, das Myslivecek aufforderte, die Oper A d r i a n o i n
S i r i a nach Metastasio zu schaffen. Die Uraufführung sollte im Herbst
1776 stattfinden. Mysliveöek ging gern an die Arbeit für dieses Theater,
das ununterbrochen um eine führende Stellung in Florenz wetteiferte. M i t
den Theatern in Florenz hatte er ü b e r h a u p t gute Erfahrungen. Das Theater
Cocomero war wenig akustisch, auch konnte er mit allzu prunkvoller Aus­
stattung nicht rechnen, weil die Bühne verhältnismäßig klein war. Aber
das beeinträchtigte Myslivecek nicht allzusehr und er konzipierte Hadrianus — bildlich gesprochen — als K a m m e r s t ü c k .
Die Handlung der Oper spielt unter der Regierung von Pubius Aelius
Hadrianus (er lebte von 76 bis 138 und regierte von 117 bis 138 u. Z.).
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Kurz darauf schreibt (1775) Mozart beispielsweise II Re pastore, K . 208, auf
Metastasios Text.
La Clemenza dl Tito, K. 621. Der Text wurde nach Pietro Metastasio von Caterino Mazzolä geschrieben.
Die Premiere in Padua, Teatro Nuovo, Fiera del Santo, am 13. Juni 1774 (am
Feiertag des hl. Antonius von Padua). Ebenda wurde von Marietta S c h a g i n i a n
(op. cit., S. 294—295) eine zeitgenössische Abschrift der Oper gefunden (Sign. 1880).
Die zeitgenössische Abschrift der Oper befindet sich in der Bibliothek des Flo­
renzer Konservatoriums, Sig. D 213.
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RUDOLF PECMAN
Er nahm eine Menge besiegter Truppenabteilungen gefangen; unter den
Gefangenen war auch die anmutige Emirena, Tochter des besiegten Königs
Chosroes I. (im Libretto Osroa). Der neue Kaiser verliebt sich in sie, ob­
wohl er sich schon früher der Enkelin seines einstigen Wohltäters Sabina
anverlobt hat. Hadrianus ist großmütig. Die besiegten Parther setzt er in
Freiheit und den König Chosroes beruft er nach Rom, wo er ihn mit hohen
staatlichen Funktionen betraut. E r glaubt sich auf diese Weise den Weg
zur Vermählung mit Emirena zu erschließen. E r hofft auch dadurch das
Band zwischen den Parthern und Römern zu festigen. Aber Chosroes
nimmt eine feindliche Haltung gegenüber Hadrianus an. Er stachelt den
Magnaten Farnaspes auf, seine Tochter, die immer noch als Hadrians Gei­
sel zurückgehalten wird, zu befreien. Zur selben Zeit kommt zu Hadrianus
Sabina an, um die zugesagte Ehe mit ihm zu schließen. Sie hat keine
Ahnung von der Beziehung des Kaisers zu Emirena, aber auch wenn sie
die Wahrheit erfährt, bleibt sie in ihrer Liebe zum Kaiser standhaft. H a ­
drianus m u ß nun einen ernsten Entschluß fassen: er soll zwischen E m i ­
rena und Sabina wählen. Als weiser und tugendhafter Herrscher ist er
hingerissen von Beständigkeit und Toleranz der Prinzessin Sabina, w ä h ­
rend verräterisches Wesen von Chosroes wie auch Farnaspes ihm Betrüb­
nis zufügt. Er überwindet seine Leidenschaft, bringt Emirena in die väter­
lichen Arme zurück und sein Herz gibt er der Sabina hin. E r rettet so
seine Ehre und seinen Ruhm für die Zukunft.
Die Oper Adriano in Siria bearbeitet ein populäres und oft komponiertes
Libretto von Metastasio und gehört folglich thematisch zu konventionellen
Arbeiten. Myslivecek komponierte offensichtlich in aller Eile und dachte
daher kaum an eine durchgreifendere Bearbeitung der Operntextvorlage.
U m so mehr wurde sein Interesse durch einen neuen Auftrag geweckt,
diesmal von der Stadt Lucca. Das dortige, im Jahre 1675 gegründete
Teatro Pubblico auf dem Del Giglio-Platz hatte eine große Besucherkapa­
zität von 1200 Sitzen und wetteiferte lebhaft mit anderen Theatern nicht
nur in der Stadt, sondern auch in Italien (Lucca war ja Hauptstadt eines
selbständigen kleinen Staates). Die Theaterdirektion wollte die Herbst­
saison am 15. August 1778 mit irgend einer Oper von Myslivecek er­
öffnen. Die Wahl des Sujets stand dem Komponisten frei. Dieses M a l
griff er nach einem französischen Muster. Schon seit Lully erfreute sich
großer Beliebtheit ein Sujet aus Tassos Befreitem Jerusalem (Gerusalemme liberata), das in der Literatur unter dem Titel A r m i d a bekannt
ist. Nach gleichnamigem Drama von Quinault verfaßte Ambrogio Migliavacca den Operntext für Myslivecek. Das Werk weist Züge einer Zauber­
oper auf.
Die schöne, mit Zauberkunst begabte Königin Armida verliebt sich in
den Feldherrn Rinaldo, der während des Kreuzzuges in Damaskos um
1099 weilt. Wegen ihrer Liebe zu Rinaldo verschmäht Armida auch den
König Hidraotes, der sie zur Frau nehmen möchte.
Ritter Artemidor, der von Rinaldo aus der Knechtschaft befreit wurde,
warnt den Feldherrn vor Verlockungskünsten der Königin. Rinaldo
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Das Libretto liegt in der Bibliothek di S. Cecilia, Rom, Sign. Vol. N. 21. 1.
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scheint es unnötig zu sein, denn er empfindet keine Liebe zu Armida.
Armida zitiert die Geister der Rache, und während sich Rinaldo mitten
im Wald seinen Träumen hingibt, befiehlt sie ihren Naiaden, den Ritter
zu umringen. Sie gedenkt ihn mit dem Dolch zu ermorden. Sobald sie
aber auf Rinaldo zukommt, entbrennt sie von neuem in Liebe zu ihn und
ist nicht in der Lage, ihm das Leben zu nehmen. Sie geht fort und i n ­
mitten der Felsen klagt sie um ihre unverwirklichte Liebe. Sie gerät ins
Phantasieren und lechzt aufs neue nach Rache. Sie beschwört eine Schar
Furien herauf, die das Bild Rinaldos aus ihrem Herzen herausreißen sol­
len. Aber nicht einmal ihnen gelingt es.
Armida sinkt zu Boden und bittet mit letzten Kräften die Götter, ihr
Los zu ändern. Ihre Bitte wird erhört. Durch ihre Zauberkünste gewinnt
sie Rinaldo, der sie erst jetzt tief zu lieben beginnt. Doch ihre Welt ist Welt
eines mysteriösen Unwirklichen. Sobald sie diese Welt betritt, um mit
ihren Göttern umzugehen, büßt sie ihre Gewalt über Rinaldo ein. Übri­
gens kommt ihm einmal zu Bewußtsein, daß er in der Gewalt einer Zaube­
rin ist und sucht sich ihr zu entwinden. E r stößt Armida von sich, zieht
ins Feld und wird wiederum Feldherr. Armida fleht umsonst um seine
Liebe. Aus Übermaß des Leidens wird sie wahnsinnig und befiehlt den
Göttern, ihr Schloß — den Zeugen ihrer unglücklichen Liebe — zu zer­
stören.
Das Sujet ist großartig. Nur Händel allein dürfte es vor Jahren wir­
kungsvoll vertont haben (in der Oper Rinaldo, 1711). Gluck gelang es
nicht, die französische K r i t i k von der Rechtmäßigkeit seiner Version der
Armida (1777) zu überzeugen; so hervorragend das Werk sein mochte,
wurde es in Paris wegen Übermaß an Zaubermotiven und wegen E i n ­
förmigkeit der Ausdrucksmittel abgelehnt. Der Kritiker L a
Harpe
sprach damals von einer „brutalen Sinnenerschütterung",
von der „betäu­
benden" Musik, die mit etwas Ähnlichkeit hat, was „fast von Anfang bis
zu Ende durch reines eintöniges und ermüdendes
Schreien" verblüfft.
Bekam Myslivecek Kenntnis vom Mißerfolg der Armida von Gluck?
Wollte er seinen Landsmann ein Jahr darauf übertreffen? Es w ä r e völlig
im Sinne der damaligen Opernauffassung.
Wie dem auch sei, Myslivecek war mit der Aufführung in Lucca nicht
zufrieden. Bald bot sich ihm Gelegenheit, die überarbeitete und ergänzte
Version seiner Armida von neuem aufzuführen, dieses M a l in Mailand.
Es war nicht mehr Teatro Ducale, sondern das neu erbaute Theater alla
Scala, wo die Uraufführung der Armida erklang. A m 25. Februar 1776
brannte nämlich Teatro Ducale nieder — Myslivecek blieb nur eine glück­
selige Erinnerung an blendende Erfolge Tamerlans auf dessen Bühne
zurück. Gleich nach dem Brand, am 18. März 1776, erließ Maria Theresia
eine Verordnung, das neue Theater „Nuovo regio ducal teatro alla Scala"
aufzubauen. In zwei Jahren stand das neue Gebäude an Stelle des alten
Theaters fertig. Der Betrieb wurde mit Salieris Oper Europa riconosciuta
am 3. August 1778 eröffnet. Die Aufführung leitete der Tscheche Vaclav
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Zitiert von Otakar H o s t i n s k y , KriStof Vilibald Gluck, Prag 1884, S. 31.
Uraufgeführt in Teatro alla Scala am 26. Dezember 1779.
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RUDOLF PECMAN
Pichl (1741—1805), der an der Spitze des Theaters bis Ende 1796 stand.
Das neue, vom Baukünstler Giovanni Piermarini hervorgebrachte Gebäude
entstand in einer überraschend kurzen Zeit. Den Bau veranlaßte, wie
gesagt, die Kaiserin, aber sie gewährte keinen finanziellen Beitrag. Der
Bau erfolgte zu Lasten des Mailänder Herzogtums.
F ü r die neue, prunkvollere Aufführung der Oper Armida standen M y s l i ­
vecek hervorragende und prominente Sänger zur Verfügung. Caterina
Gabrielli, seine einstige Liebe, sang die Titelrolle der A r m i d a . Auch
Luigi Marchesi zählte damals zu den führenden Sopransängern (Kastra­
ten) und seine Kunst wurde auch im Ausland bewundert. In der Rolle
Rinaldos hatte er eine große Aussicht auf Erfolg. In der Dreirolle von
Idraotes. Odius und dänischem Edelmann trat Mysliveöeks Freund Valentin
Adamberger, ein berühmter Mozartsänger, auf.
Die neue Inszenierung war sehr kostspielig. Einundzwanzig Sänger
wirkten i n Chorszenen; Myslivecek schrieb derer fünf. Im ersten Aufzug
war es Volks- und Kriegerensemble von Damaskos, weiter Chor der i n
Nymphen verwandelten Genien, daran schloß ein Hirtenchor an; i m zwei­
ten Aufzug waren ebenfalls zwei Chöre vertreten — Furien- und Bauern­
chor. Den Abschluß der Oper bildete ein Chorauftritt der in holde Wesen
(Piaceri) und in glückliche Liebespaare (Amanti felici) verwandelten Ge­
nien. Schon diese ungewöhnlich hohe Anzahl der Chöre zeigt, daß es um
einen Typ kulinarischen Spiels ging. Die Zahl der Chorsänger deutet
darauf hin, daß Myslivecek eher durch venezianisches als durch neapolita­
nisches Muster inspiriert wurde. Neben den Choristen („coristi") war in
der Oper eine erhebliche Zahl der Statisten vertreten; sie stellten m i l i ­
tärische Garden von Idraotes, Soldaten von Aron, weiter vornehme Edelleute dar, die in die Gefangenschaft von Armida gerieten und zuletzt von
Rinaldo befreit wurden. Alles spielte in einer Gegend unweit von Damas­
kus oder in der Nähe des Flusses Orontes — oder schließlich in der sagen­
haften Landschaft von glücklichen Atlantiden.
Gleichzeitig mit den Chören und deren Programmbeschreibungen
werden auch Ballette („cori concertati con Balli") genannt. Unbestreitbar
bedeutet das, daß Ballettsolisten und Ballettchoristen choreographisch
dieselben Szenen darstellten, in denen simultan Sängerchoristen auftraten.
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Marietta S c h a g i n j a n , op. cit., an verschiedenene Stellen. Gleichfalls Rudolf
P e c m a n, Josef Mysliveöek
(Hdschr., vgl. Anm. 1).
Caterina Gabrielli (1730—1796) war Schülerin von Padre Garcia, bekannt unter
dem Beinamen ho Spagnoletto in Rom. Auch Niccolö Porpora war ihr Lehrer. Sie
debütierte 1747 in Lucca in der Oper Sophonisbe von Galuppi, sang in den Jahren
1751—1765 in Wien, dann in Parma, im Zeitraum 1772—1775 in Petersburg. Dann
wirkte sie in London, seit 1777 in Venedig, im Jahre 1780 in Milano. Seit 1781 lebte
sie als Privatperson in Rom. Sie ließ das Künstlerinteresse von Gluck, Dittersdorf,
Mozart, Traetta, Burney u. a. aufkommen. Ihre Popularität wurde mit dem Ruf einer
eingebildeten und kapriziösen Frau begleitet.
'' Luigi Marchesi (1754—1829) stammte aus Milano, starb in Inzago. Er debütierte
in Bonn 1774 und sang in allen großen italienischen Theatern, aber auch in München,
Wien, Berlin und Petersburg. Zur Zeit der Mailänder Premiere von Armida stand
er auf dem Gipfel seines Ruhmes.
Valentin Adamberger (1743—1804) ist in München geboren. Er war Schüler des
berühmten Sängers Valessi und triumphierte als Tenorist in Italien, London und
in Wien, wo er vom Tode ereilt wurde.
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M Y S L I V E C E K U N D D I E R E F O R M D E R „ O P E R A SERIA"
Das beweist deutlich Mysliveceks Bemühung, die mit der Handlung nicht
zusammenhängenden Ballette zu elimieren und die Ballettszenen vol­
lends in die Handlung einzufügen. Diese Tendenz läßt erkennen, d a ß
Myslivecek auf der Seite jener stand, die die opera seria innerlich refor­
mieren wollten. E r bekannte also denselben ästhetischen Kanon wie
z. B . H ä n d e l und Jommelli. Falsch ist folglich die Anschauung, Meister
Myslivecek sei lediglich Vermehrer, der wenig über die Problematik der
Bühnengestalt der Oper nachdenkt. So schrieb z. B . Josef B a c h t i k mit
einer bestimmten Verachtung, „Ruhm und Berühmtheit
Mysliveceks
seien [. . . ] vielfach eher Produkt einer zeitgemäßen
Stimmung, eher
Widerhall eines augenblicklichen Wohlgefallens als Abglanz eines wirkli­
chen Wertes von Mysliveceks Werk". Bachtik bezweifelte zuletzt die
Lebenskraft des Werkes von Myslivecek: „Mysliveceks Schöpfungen sind
nicht von jenen, die noch nach Jahren mit ihrer inneren Intensität
le­
ben." Eben in Armida soll Myslivecek nach Bachtik erkannt haben,
daß er sich wiederhole, und gespürt haben, daß er nicht genug Kräfte
habe, um seinen eigenen Weg weiter zu gehen. Aber das Gegenteil ist
wahr. Gerade Armida bringt einen überzeugenden Nachweis, daß M y s l i ­
vecek seine Kräfte wahrhaftig ausreichten, um sich nicht zu wiederholen,
sondern i m Gegenteil, um den alten Operntyp zu reformieren. Josef Bach­
tik und seinesgleichen kritisieren den Komponisten, ohne die Quellen
studiert zu haben. Das ist besonders bei Myslivecek gefährlich, dessen
Lebensabschluß oft mit unbelegten Erdichtungen über das Erlahmen sei­
ner Schöpferkräfte umhüllt wird.
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Die Armida wurde als große Oper mit einer Reihe von Bühneneffekten
aufgefaßt. Uber die Premiere haben sich weitere Angaben erhalten. Die
Szenographen waren z. B . Brüder Riccardi, bekannte Mailänder B ü h n e n ­
architekten. Bei der Premiere durfte nicht einmal der Maschinentechniker
Paolo Grassi fehlen, der für die Realisierung von Bühneneffekten und
für die Betätigung komplizierter Bühnenmaschinerie zu sorgen hatte. A u f ­
wendig und prunkvoll m u ß t e n auch die Kostüme sein, denn sonst w ü r d e n
die Vorschlagenden der Bühnenkleider, Herren Francesco Motta und Gio­
vanni Mozza, nicht speziell angeführt.
Auch in musikalischer Hinsicht klang das Werk sehr sorgfältig aus,
weil Maestro Myslivecek über ein Orchester mit guten Cembaloinstru­
menten verfügte. Es ist anzunehmen, am führenden Instrument habe er
selbst gesessen; i m Verlauf der Vorstellung half ihm der Direktor des
Opernorchesters signor Luigi Baillou mit Hilfsgesten vom ersten Pult der
ersten Violine her, denn es war notwendig, daß das umfangreiche Ensemble
die Zusammenspielregeln, namentlich im Rhythmus, genau einhielt. Es
liegen Angaben noch über zwei weitere Cembali vor (neben dem voraus­
gesetzten von Myslivecek): das für die secco-Rezitativ-Begleitung (sofern
es Myslivecek selbst nicht besorgte) und das in Orchesterzwischenspielen.
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Vgl. Rudolf P e C m a n , Händel und Myslivecek. Ein
paratistik, auf Stilfragen und die „Wort-Ton"-Beziehung
buch, 21./22. Jahrgang 1975/1976, S. 65-71.
Josef B a c h t i k , II divino Boemo (tschechisch). In:
Das Libretto in Bibl. di S. Cecilia, Sign. Vol. N 21. 1,
5 7
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Kapitel aus der Musikkomgerichtet. In: Händel-Jahr­
Venkov, 9. März 1937.
S. 8.
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RUDOLF PEG M A N
Es ist kaum zu glauben, daß an den Instrumenten erfahrene Komponisten
Platz nahmen wie Carlo Lovati (am zweiten Cembalo) oder am ersten
Cembalo Maestro Giovanni Battista Lampugnani (1706—1781), bedeuten­
der Mailänder Komponist von zahlreichen Opern im Stil von Hasse. Das
Orchester war zahlenmäßig größer als bei üblichen Aufführungen. Es mag
acht erste Violinen, sieben zweite Violinen, vier Violen, je drei Violoncelli
und Kontrabässe — und natürlich eine entsprechende Zahl von Blas­
instrumenten (nach der Partitur) — gehabt haben. Diese Schätzung geht
von einer ähnlichen Besetzung im Dresdener Opernorchester aus, die z. B .
von R o u s s e a u für Musterbesetzung gehalten wurde.
Die Tatsache, daß Maestro Lampugnani ausdrücklich am ersten Cem­
balo genannt wird, kann auf einen wichtigen Umstand hindeuten. Wenn
der Verfasser selbst seine Oper vom Cembalo her dirigierte, wurde sein
Name nicht mehr am Cembalo namentlich angegeben. Bei der Oper Armida
liest man jedoch den Namen Lampugnani. Es ist also möglich, ja sogar
wahrscheinlich, daß die Uraufführung der Armida nicht von Myslivecek,
der schon krank war, dirigiert wurde, sondern eben von Lampugnani,
der eine bedeutende Komponistenzelebrität darstellte. In diesem Falle
würde in der Besetzung das „dritte" Cembalo entfallen (drei Cembali wa­
ren stark ungewöhnlich) — und die Aufführung w ü r d e mit dem ersten
Cembalo (G. B. Lampugnani) und mit dem zweiten Cembalo (C. Lovati)
Zustandekommen. Diese zweite Alternative scheint wahrscheinlicher zu
sein.
In der Armida verfaßte Myslivecek in Zusammenarbeit mit dem Choreo­
graphen und Ballettmeister, Komponisten Giuseppe Peruccone, genannt
Pasqualino,
eine Opernfeerie, die schon den Weg zu frühromantischer
Ausstattungsoper andeutet. Typologisch ist die Armida sui generis Vor­
gängerin der Zauberflöte (1791).
Vor dem vollen Zuschauerraum der Scala ist jedoch Mysliveceks Armi­
da durchgefallen. Wie ist das möglich, es ging ja um eine so hervorragende
Vorstellung? Die Wahrheit wird man wohl nie ergründen, man kann nur
Hypothesen aussprechen. Jaroslav C e 1 e d a schrieb überzeugend (ohne
die Quellen zu kennen): „Myslivecek
erreichte schon in seinen letzten
Kompositionen einen so hohen Grad und Charakter des Schaffens, daß
das zeitgenössische
Publikum, die Musikkapazitäten
nicht ausgenommen,
sie noch nicht verstehen konnte, weil sie das zeitgenössische Schaffen um
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Jean Jacques R o u s s e a u , Stichwort „Orchestre" in Dictionnaire de Musique,
Paris 1768.
Myslivecek war krank seit 1777, als er allmählich seiner unheilbaren Krankheit
lebenserschöpft erlag. Redegewandt spricht von seiner Krankheit M o z a r t in einem
Brief an seinen Vater (11. Oktober 1777 aus München); im Münchener Krankenhaus
kurierte nämlich Myslivecek ohne jeden Erfolg seine Knochenkaries (den Knochen­
fraß). Trotz voller Aussichtslosigkeit seines Gesundheitszustandes war er guten Mutes
und sprach mit Mozart über seine weiteren Kunstpläne. Seine Krankheit war nach
Myslivecek Folge eines Verkehrsunfalls: „II principio fü d'una ribaltata di calesse."
(„Am Anfang war das Umstürzen der Kutsche." Vgl. den zitierten Brief an den Vater.)
In München begann ihm der Chirurg Caco die Nase auszuglühen. In die Wunde geriet
die Gangräne, es trat eine eiternde Geschwürbildung ein. — Die Teilnahme Myslive­
ceks an der Premiere von Armida ist folglich sehr unwahrscheinlich.
Libretto der Armida, S. 8.
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M Y S L I V E C E K U N D D I E R E F O R M D E R „ O P E R A SERIA'
viele Jahre übertrafen;
daher lehnte es diese Schöpfungen
ab und mit
ihnen auch deren Schöpfer, der in der Kunst neue Bahnen und Wege
anbahnte!''
Diese Meinung w ü r d e auch durch kurzgefaßte, bei der E r ­
mittlung der Typologie von Mysliveceks Armida durchgeführte Analysen
unterstützt.
Aber es gibt noch eine andere Aufklärung, die Ulisse P r o t a G u i r 1 e o und nach ihm Marietta S c h a g i n j a n geben. Beide gehen von
äußeren, mit der Premiere der Armida verbundenen Tatsachen aus.
Nach der Uraufführung schreibt die Zeitschrift Gazetta Universale am
29. Dezember 1779: „Domenica andö in iscena in questo Regio Ducal
Teatro della Scala 1' A r m i d a, dramma tradotto dal francese di Quinault, musica del Maestro Giuseppe Mysliwecek, detto il Boemo. I primi
personaggi dell'Opera, la Signora Caterina Gabrielle e V incomparabile
soprano Sig. Luigi Marchesi, si disimpegnano con la maggior bravura, ma
lo spettacolo tutto insieme non ha avuto quell' applauso, che si sperava,
e per il quäle i Nobili Interessati non hanno risparimiato denaro."
Die Oper Armida erwähnte auch Musikalisches Almanach für Deutsch­
land vom Jahre 1783, das den Auftritt von Marchesi in seinem Geburts­
ort Mailand im angeführten Jahr referiert: im Bericht wird bemerkt,
Gabrielli habe ihn aus Neid vernichten wollen; schließlich aber soll er
selbst sie unmöglich gemacht haben (er hat offensichtlich, wie wir an­
nehmen, besser als sie gesungen). Das Almanach teilt in diesem Zusam­
menhang mit, Myslivecek habe alle Arien nur für sie geschrieben, weil sie
ihn dazu gezwungen haben soll. Es nützte ihr allerdings wenig, weil sie
eines Tages ausgepfiffen wurde. Es hat sich bei der Premiere der Armida
zugetragen.
Die Konfrontation beider Referate ergibt, daß Armida durchgefallen ist,
weil Gabrielli in der Titelrolle nicht positiv aufgenommen wurde. Auch
das unmittelbar nach der Premiere in die Gazetta Universale geschrie­
bene Referat spricht doch von Marchesi als von einem unüberwindbaren
Sänger, w ä h r e n d die b e r ü h m t e Gabrielli mit keinem Epitheton geziert
wird. Das ist zum mindesten sonderbar.
Nachträglich wurde aber entdeckt, daß Gabrielli hochschwanger war,
als sie ihre Rolle sang. Die Premiere fand Sonntag, den 26. Dezember 1779,
statt. Gazetta Universale schreibt am 5. Januar 1780: „La celebre virtuosa
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Jaroslav C e 1 e d a, op. cit., S. 247.
Ulisse P r o t a G i u r l e o sammelte wertvolle Notizen über Mysliveceks Leben
in seinen Auszügen aus Zeitungskollektionen des Staatsarchivs in Neapel (A. S. N.)
und in Exzerpten aus Theatermappen desselben Archivs (Teatri, Fascio) an. Angabe
von S c h a g i n j a n , op. cit., S. 338 f.
S c h a g i n j a n , S. 305-308.
„Am Sonntag wurde auf der Bühne des königlichen
Theaters della Scala die
Armida aufgeführt,
ein aus Französisch
übersetztes
Drama von Quinault, mit Musik
von Maestro Giuseppe Myslivecek, genannt il Boemo. In den Hauptrollen traten
signora Caterina Gabrielli und der unüberwindbare
Sopransänger
Luigi Marchesi auf;
beide sangen ihre Parte mit großer Bravour, aber als Ganzes wurde die Vorstellung
nicht von jenem Erfolg begleitet, auf den die interessierten Adeligen hofften und
wegen dessen sie keine Kosten scheuten."
"Musikalisches Almanach für Deutschland auf das Jahr 1783, S. 132. (Erschienen
im Schwickertscher Verlag, Leipzig.)
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RUDOLF PECMAN
Gabrielli si sgravö negli scorsi giorni felicemente di una bambina, e domenica nella Parrocchia dei Santi Nazzario e Celso, tutta apparata e illuminata, le furono administrate le acque battesimali Ebbe per Compare S. E.
il Sig. Conte Ferdinando Gardines delle Cerra, Grande di Spagna, di prima
Classe e per Compare la Signora Principessa di Buttera di Napoli. [. ..]
Fü fatta un' elemosina di lire cento ai poveri."
Dieselbe Zeitschrift berichtet am 12. Januar 1780, daß Gabrielli drei
neue Arien mit der Musik von signor Sarti vorbereitet. Die Sängerin
schob diese Arien in die Oper Armida an Stelle von Hauptarien des tsche­
chischen Komponisten ein. Dadurch legte sie öffentlich an den Tag, daß
sie sich von Myslivecek distanziert. Das Publikum überschüttete die gute
Musik von Sarti mit Beifall, was bedeutete, daß es der Wahl der b e r ü h m ­
ten Gabrielli zustimmt und daß es die Musik von Josef Myslivecek als
wenig interessant beurteilt.
In unseren Glossen zur Oper Armida haben w i r absichtlich von der
Chronologie Abstand genommen und beide Versionen (die erste vom Jahre
1778 wurde für die Premiere in Lucca verwendet, die zweite lieferte M y ­
slivecek für die Premiere in Mailand) zusammen behandelt. Außer acht
wollen wir nun die am 30. M a i 1778 in Teatro S. Carlo in Neapel zustan­
degekommene Oper C a 11 i r o e lassen. Die Oper behandelt die jammer­
volle Ehe von Kallirrhoe, Tochter des Flußgottes Acheloos, mit Alkmaion,
dem Mörder seiner eigenen Mutter Eriphyle. W i r gehen sofort zur nächs­
ten Oper über, nämlich zur Olimpiade, die am 4. November 1778 in dem­
selben Theater uraufgeführt wurde.
L' O l i m p i a d e — zum Text von Metastasio — behandelt die anti67
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„Die berühmte
Virtuosin Gabrielli hat glücklich eine Tochter geboren und am
Sonntag fand die Taufe in der feierlich beleuchteten und ausgeschmückten
Kirche
dei Santi Nazzario e Celso statt. Dem Kinde stand Pate Graf Ferdinando della Cerra,
ein spanischer Grande erster Klasse, Patin die Fürstin di Buttera di Napoli [.. .].
Es wurden hundert Lire an die Bettler geschenkt."
Giuseppe Sarti (1729—1802), Schüler von Padre Martini oder Vallotti, Lehrer
von Cherubini.
Fast keine Beachtung schenkten wir der Frage zur Autorschaft des Librettos
zu Mysliveceks Oper Armida. Die Quellen sprechen von einer französischen Tragödie
von Quinault. Es sei bemerkt, daß auf dem Frontispiz des Librettos aus der Bibl.
di S. Cecilia eine Nachschrift von fremder Hand steht: „Vnico dramma dato in questa
stagione stanta il Carnovale bassissimo. Traduzione Pao [sie!] Migliavacca." („Ein
einziges, in dieser Stagione [Saison] in spätester Karnevalszeit gespieltes Drama.
Übersetzung: Pao. [sie!] Migliavacca.") Die Urheberschaft von Migliavacca wird völlig
anerkannt. Wir dürfen uns nicht durch die Floskel beirren lassen, Migliavacca habe
eine „Übersetzung"
des Dramas angefertigt (seil, des Dramas von Quinault). Als
„Übersetzer"
galten italienische Librettisten, die irgend einen fremden Stoff zu einem
Libretto bearbeiteten. Auch Apostolo Zeno bezeichnet sich selbst als Übersetzer,
und
zwar in der Vorrede zu seinem auf Grund der Tragikomödie von Rottrou geschrie­
benen Libretto II Vincisiao (in der Bibliothek S. Cecilia in Rom, Sign. N XI 22, S. 8).
Vgl. Rudolf P e c m a n , Apostolo Zeno und sein Libretto „II Venceslao" [...], S. 91
(s.Anm. 39).
Die Partitur befindet sich in der Bibliothek des Konservatoriums S. Pietro
in Neapel, Sign. 29. 3. 1. a 3.
Vgl. das Libretto zur Oper Erifile. Sie wird in dieser Studie auf S. 11—12 be­
handelt.
Die Partitur in der Bibliothek des Konservatoriums S. Pietro in Neapel, Sign.
29. 3. 15. a 17.
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ken olympischen Spiele. N u r wenige Operntexte wurden so viele Male
vertont wie die Olympiade. V o r Myslivecek griffen nach diesem Thema
fünfundzwanzig Autoren, nach ihm dreizehn. Das Sujet ist i m Grunde
der Geschichte entnommen. Es stützt sich auf Herodotos und behandelt
die Ehe von Aristeia, Tochter des Königs Kleisthenes von Sikyon, und
Megakles aus dem Geschlecht der Alkmeoniden. Megakles trägt den Sieg in
den olympischen Spielen davon: er kämpfte als Ersatzspieler für Licidos,
vom dem niemand ahnt, daß er als K i n d ausgesetzt und am Hofe des
Königs von Kreta aufgezogen wurde. Wegen seiner Liebe zu Aristeia ver­
schmähte Licidos die Prinzessin Argene von Kreta. Obwohl durch seine
Lauheit gekränkt, vergibt die edelmütige Argene dem Licidos. Zuletzt
entdeckt sie seine Abstammung und stellt fest, daß er eigentlich P h i l i n thes heißt. Licidos, i n Wirklichkeit also Bruder von Aristeia, m u ß von
seiner Liebe zu ihr ablassen und seinen Freund Megakles hindert nichts
mehr, Aristeia zur Frau zu nehmen. Licidos, oder eigentlich Philinthes,
erlangt die Hand der schönen Argene; er entbrennt in Liebe für sie, weil
er Beständigkeit und Reinheit ihres Gefühls erkannte.
Hugo R i e m a n n gab z u , es dürfte wohl das schönste Werk von Metastasio sein. Volle dreiundneunzig Jahre fesselte es das Interesse von K o m ­
ponisten verschiedener Nationalitäten, weil es die von einer Bewunderung
für die Antike herrührenden zeitgenössischen Gefühle ausdrückte; die
Antike war — durch die Initiative von W i n c k e l m a n n — gerade zu
Mysliveceks Lebzeiten der Gegenstand des Interesses bei allen Gebildeten.
Das Motiv der olympischen Spiele war gerade in der zweiten Hälfte des
achtzehnten Jahrhunderts so attraktiv, weil die niedergehende Rokoko­
gesellschaft im mannhaften Sportringen einen Gegenpol zu ihrem eigenen
Verfall sah. Auch Myslivecek faßte seine Olimpiade als in Jubelspiel
auf; er schrieb für einzelne Gestalten wahrhaftig virtuose Notenparte mit
besonderem Nachdruck auf die Gesangbrillanz. Dieses optimistische Werk
kontrastierte mit seinem Gesundheitszustand und legt einen Beweis für
seine schöpferische Unverbrüchlichkeit ab.
A m Lebensabend wendet sich das Glück von Myslivecek ab. In Florenz
wird noch seine opera seria A d r i a n o i n S i r i a
mit Begeisterung
begrüßt, in Venedig wird seine Zauberoper L a C i r c e, über die n ä h e r e
Informationen ausbleiben, mit Erfolg aufgenommen; aber in Rom, an
das sich Myslivecek künstlerisch seit 1775 — also nach der Premiere von
Ezio — heftet, wird er mit keinem Jubel und mit keiner Begeisterung
empfangen. Die umgearbeitete Version der Oper Antigono
fällt im F r ü h ­
jahr 1780 beinahe durch. Auch Mysliveceks letzte Oper M e n d o t j e ,
r e d i E p i r o erfährt eine ähnlich kühle bis negative Aufnahme. Ihre
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Hugo R i e m a n n , Opern-Handbuch, Leipzig, nicht datiert, S. 381.
'' Ebenda.
Über den Einfluß des Werkes von Johann Joachim W i n c k e l m a n n, Geschichte
der Kunst des Altertums vom Jahre 1763 (hg. in Dresden 1764) besteht kein Zweifel.
Die Partitur im Archiv des Konservatoriums in Florenz, Sign. D 213. Urauffüh­
rung im Herbst 1776 in Teatro del Cocomero. Libretto von Pietro Metastasio.
Text von D. Perelli, duca di Monestarace. Uraufführung in Teatro S. Benedetto
in Venedig im Mai 1778.
Uraufführung in Rom, Teatro delle Dame, Frühjahr 1780.
Uraufführung ebenda, Nobilissimo Teatro a Torre Argentina, Ende 1780 (am
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RUDOLF PECMAN
Uraufführung fand Ende 1780 statt (vielleicht war es am 26. Dezember,
als die Winterstagionen in ganz Italien eröffnet wurden). Der schwer
kranke Myslivecek hat sie nicht lange überlebt (er starb am 4. Februar
1781). Er wohnte damals in der Stadtmitte; seine heute schon assanierte
Wohnung befand sich am Platz von Acht Kantonen Nr. 465 in der Nähe
von Via del Corso, genau gesagt zwischen Via Tomacelli, der Kirche
S. Carlo und dem Augustus-Mausoleum — Myslivecek konnte also ohne
Schwierigkeiten beispielsweise Piazza Venezia und von hier das Kapitol,
das Konservatorenmuseum zu F u ß besuchen, nicht weit hatte er zum Ge­
bäude des römischen Konservatoriums in der Via dei Greci Nr. 18 und von
hier aus zur Piazza del Popolo, in der Nähe stand auch das berühmte Teatro Argentino, wo seine Oper Medonte uraufgeführt wurde.
Mit den die Oper Medonte betreffenden Fragen befassen wir uns an
einer anderen Stelle. Der Mißerfolg ist dem konservativ gesinnten P u b l i ­
kum zuzuschreiben. Das Publikum bestand vorwiegend aus hohem Klerus
und Adel; es konnte eine den Volksaufstand darstellende Oper nicht auf­
nehmen, denn ein solches Sujet übte damals eine zu revolutionäre W i r ­
kung aus. Übrigens erlebt Myslivecek — ein konsequenter Verfechter der
opera seria — dasselbe Schicksal wie vor Jahren Händel. Auch Händel
glaubte an Vitalität der ernsten Oper und suchte sie zu reformieren —
ähnlich wie später auch Myslivecek. Doch weder Händel, noch Myslivecek
wußten Lebenskraft und Unüberwindlichkeit der opera buffa abzuschät­
zen. Ihre Opernformen, so neu sie auch durchdacht sein mochten, er­
schienen doch ein wenig spät. Opera seria ging schon auf ihr Ende zu (um
1800 und später erfuhr sie ihre Metamorphose und mündete im Typ der
romantischen Heldenoper aus). Die Buffa erringt gegen Ende der sieb­
ziger Jahre und zu Beginn der achtziger Jahre des achtzehnten Jahrhun­
derts ihren vollen Sieg. Aber die Myslivecek-artige opera seria fliegt nach
zweihundert Jahren wie der sagenhafte Wundervogel Phönix zum neuen
Leben empor. Sie ergreift durch ihre Melodik und Unmittelbarkeit der
Ivention, ja sie begeistert sogar zu einer tieferen musikwissenschaftlichen
Untersuchung, denn Myslivecek gilt heute mit Recht als eine der inte­
ressantesten Künstlerpersönlichkeiten im Bereich der europäischen Musik
und Oper des 18. Jahrhunderts.
Deutsch von Jaroslav Batusek
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26. Dezember?). Libretto von Giovanni de Gamerra. Eine unvollständige Partiturab­
schrift wird in der Saltykow-Schtchedrin-Staatsbibliothek in Leningrad, der Mikro­
film im Schlesischen Museum in Opava (Geschenk von Marietta Schaginjan, die
das Werk in Zusammenarbeit mit A. G. Mowschenson entdeckte) aufbewahrt. Die
neuzeitliche Premiere fand durch Verdienst des Opernensembles des Zdenek-NejedlyTheaters in Opava am 2. April 1961 statt (Dirigent: Jifi Kares, Regisseur: Ilja Hylas,
Szenographie: Jan Slädek, Choreographie: Hana Machovä, musikalische Bearbeitung
der Oper: Miroslav Klega, Übersetzung des Librettos: Bedfich Biciste und Zdenek
Kristen).
» V g l . den Stadtplan vom J. 1748 („Planta
del Noli"). S c h a g i n j a n , S. 316.
Eine ausführliche Information über dieses Werk siehe bei Rudolf P e c m a n ,
Josef Mysliveöek und sein Opernepilog (= Opera Universitatis Purkynianae Brunensis,
Facultas Philosophica, Bd. 164). Brno 1970.
Verfasser der jüngsten italienischen Studie über Myslivecek ist Dario D e i l a
P o r t a , Josef Myslivecek (Giuseppe Venatorini). Profilo biografico-critico. Rom 1981
im Verlag „II Bagatto".
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ÜSILI JOSEFA MYSLIVECKA O VNITRNl
R E F O R M U N E A P O L S K E „OPERY SERIA"
Libreta vydävaji svä svedectvi
Cil Studie je apologeticky. Rozptyluje dosavadni bezne rozsifovane näzory, ze Josef
Myslivecek pouze rozmnozoval neapolskou operu seria, aniz pfispel k jeji vnitfni
reforme. Präce vychäzi z poznatkü shromäzdenych behem studia italskych pramenü
k Mysliveckove tvorbe (studijni pobyt v Itälii v letech 1973/74 — listopad a i ünor);
zachycuje a explikuje operni cinnost kompozicni i interpretacni, jak se zraci v Mysliveckovych jevistru'ch dilech z doby od jmenoväni akademikern boloftske akademie
(1771) do smrti (1781).
Analyzy libret k Mysliveckovym operäm a pffme interpretacni poznämky k jejich
premieräm, uvedene v pfislusnych libretnich knizkäch, dokazuji, ze Josef Myslivecek
usiloval o inovaci stareho typu neapolske opery seria. Nepfistoupil sice na reformu
Gluckovu a Calzabigiho, ale obohacoval väznou operu o sbory a o balety, ktere leckdy
souvisely pfimo s dejem opery, ackoli je komponovali vesmes jini autofi (choreograEove). Tim stanul na stejne platforme jako napf. Jommelli.
Josef Myslivecek byl za zivota u velke väznosti, o cemz svedci napf. bohate zdobene desky opisü jeho skladeb v italskych archivech. Tez bohatä vyprava jeho opernich premier a obsazeni roli nejpfednejsimi peveckymi silami soudobe Itälie 18. stoleti dävä tusit, ze Myslivecek patfil v Itälii k pfednim osobnostem v oblasti operni
tvorby 18. veku.
Tim spiäe zaräzi, ze zäver Mysliveckova zivota proväzeji neüspechy v Milane
a v Rime, kde jeho opery Armida a Medonte propadly. Zpüsobily je vnejsi skuteönosti
(mimo jine svehlavost operni primadony Cateriny Gabrielliove). Pficinou mohla byt
tez Mysliveckova umeleckä orientace, kterä nepfipoustela vliv opery buffy a jejich
postupü. V neposledni fade je mozne, ze vlastenecky orientovane obecenstvo (napf.
v Rime) videlo v Mysliveckovi reprezentanta rakouskeho kfidla, a proto se k nemu
postavilo negativne. Jednou z dalsich pfidin je skutecnost, ze Mysliveckova tev. vnitfni
reforma opery seria pfisla pfece Jen opozdene; stihla ji posleze vlna nezäjmu a opomijenf, tak jako pfed lety v pfipade Georga Friedricha Händela.
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