Einblick Ich spreche zu den Wänden von René Pollesch René Pollesch inszenierte zuletzt eine zweiteilige Arbeit mit dem schönen Titel „Diskurs über die Serie und Reflexionsbude (Es beginnt erst bei Drei), die das qualifiziert verarscht werden great again gemacht hat etc. Kurz: Volksbühnen-Diskurs.“ an der Berliner Volksbühne. Ob nach Teil 1: „Ich spreche zu den Wänden“ und Teil 2: „Es beginnt erst bei Drei“ ein dritter Teil – bei dem es dann möglicherweise „erst beginnt“ – noch entsteht, darüber darf noch spekuliert werden. In Zürich ist unterdessen ab dem 7. Januar Polleschs neuste Inszenierung „High (du weisst wovon)“ in der Halle zu sehen. Das Sprechen muss doch für mich selbst was bedeuten. High (du weisst wovon) von René Pollesch / Regie René Pollesch Uraufführung Mit Hilke Altefrohne, lnga Busch, Marie Rosa Tietjen, Jirka Zett und einem Damensprechchor Premiere 7. Januar, Schiffbau/Halle Theater im Gespräch zu „High (du weisst wovon)“ und „Onkel Wanja“ 31. Januar, 19:00–­20:30, Treffpunkt Schiffbau/Foyer Und jetzt könnte man polemisch sagen: Das Theater ist überhaupt nicht dazu da, dass sich da Leute versammeln, wo dann auf der einen Seite jemand ist, der zu denen spricht, die sich da versammeln, sondern das Theater, dieses ganze Gebäude, ist eher sowas wie ’ne Kirche, damit ich mich hören kann. Damit ich meine Stimme hören kann. Die sitzen da auch, die Leute. Die Zuschauer sitzen da auch. Aber die sitzen da nicht deswegen, weil da jemand steht auf ’ner Bühne und zu ihnen spricht, sondern die nehmen an was ganz anderem teil. Eigentlich ist das Ding gebaut für mich, damit ich mich hören kann, damit ich in den Genuss meines Sprechens komme. Und in den Genuss, dass das Sprechen irgendwas bedeutet für mich. Das andere war nie die Idee von Theater, das ist einfach ein Irrtum. So wie in der Kirche – in der Kirche geht es nie darum, dass zu ’ner Gemeinde gesprochen wird, sondern, dass der Priester sich hören kann. Also die Leute sitzen da, um zu erleben, wie jemand dieses Erlebnis für sich hat, dass das Vergnügen bei uns liegt. Und dadurch, dass es bei uns liegt, und dadurch, dass wir uns hören können, dadurch, dass wir was machen, womit wir was anfangen können, ist das, was an den Zuschauer geht, eigentlich nur wie Sägespäne. Und der Rest ist einfach nur Infektion. Dass die Leute sich da treffen und ihre Bakterien austauschen, dazu braucht man einfach Gebäude und das geht im öffentlichen Raum nicht. Jenseits der öffentlichen Theater funktioniert das mit den Infektionen nicht so gut und das mit dem Sich-selber-Hören. Regisseur und Autor René Pollesch, geboren 1962 in Friedberg/Hessen, studierte Angewandte Theaterwissenschaft in Giessen. Er wurde 1999 Hausautor am Luzerner Theater, kurz darauf am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und war anschliessend bis 2007 künstlerischer Leiter des Praters der Berliner Volksbühne. Er erfand mit seiner Spielweise und seiner Art, zu schreiben, eine einmalige Ästhetik, die vielleicht am ehesten als Pop-Diskurs-Theater bezeichnet werden kann. Der Volksbühne blieb Pollesch während der Intendanz Frank Castorf eng verbunden. Zugleich arbeitete er kontinuierlich an verschiedenen grossen Theatern im deutschsprachigen Raum und inszenierte mit den jeweiligen Ensembles Arbeiten, bei denen er sowohl Autor als auch Regisseur ist. Am Schauspielhaus Zürich waren von ihm unter anderem „Bühne frei für Mick Levčik!“ (2016) und „Love/No Love“ (2015) zu sehen. 22 23