Regent von Gottes Gnaden - Austria

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Regent von Gottes Gnaden
Von Carina Sulzer
Kaiser Konstantin stellte die Weichen in der Macht- und Religionspolitik der Spätantike neu: Mit der "Konstantinischen
Wende" vor 1700 Jahren begann der Aufstieg des Christentums.
Konstantins Sieg über den Usurpator Maxentius in der Schlacht an der Milvischen Brücke bei Rom am 28.
Oktober 312 markiert mehr als eine bloße Episode auf seinem Weg an die Spitze des römischen Imperiums. Für
die europäische Geschichte brachte die damit verbundene Konstantinische Wende eine beträchtliche
Verschiebung der Machtverhältnisse im gesamten mediterranen Raum. Daneben steht Konstantin aber auch am
Beginn einer Entwicklung, in der das Christentum Herrschaft durch Gottesgnadentum legitimierte; eine Praxis, die
bereits die alten Pharaonen zu nutzen wussten.
Ikone: Konzil von Nicäa, 335. Kaiser Konstantin präsentiert
die erste Texthälfte des apostolischen Glaubensbekenntnisses. Quelle: Wikimedia
Geboren wurde Konstantin um das Jahr 280 in Naissus (dem serbischen Ni), als Sohn des Offiziers Constantius
Chlorus und dessen vermutlicher Konkubine Helena. Von dieser trennte sich der aufstiegsorientierte Militär
jedoch, heiratete standesgemäß und war unter Diokletian mit der Sicherung der westlichen Grenzen beauftragt.
Der reformorientierte Diokletian, der dieTetrarchie (Viererherrschaft) eingeführt und Rom aus einer Krise geführt
hatte, nahm sich auch des jungen Konstantin an. Dieser erhielt an Diokletians Residenz in Nikomedia (dem
türkischen Izmit) nicht nur eine gute Ausbildung, er war wohl auch eine Art Faustpfand für den Seniorkaiser.
Dessen Vier-Kaiser-Modell sah zwei Augusti und zwei Cäsaren vor, wobei Letztere quasi Thronprätendenten der
Augusti waren. Ein dynastisches Erbfolge-Prinzip lehnte Diokletian strikt ab; er wollte die Macht in den Händen
von Männern wissen, die sich durch Leistung auszeichneten.
Freiheit für Christen
Als er 305 zurücktrat, fand er in Galerius einen Nachfolger, der seine Auffassung teilte und dem im selben Jahr
erfolgten Aufstieg von Constantius zum Augustus der westlichen Reichshälfte mit Misstrauen begegnete, zumal
dieser bald Bestrebungen erkennen ließ, seinen Sohn Konstantin zum Cäsar machen zu wollen. Konstantin,
damals bereits als Militärtribun im Donauraum erfolgreich, ging 305 nach Britannien, um seinen Vater im Kampf
gegen die Pikten zu unterstützen. Als Constantius im Jahr darauf verstarb, riefen die Soldaten seinen Sohn zum
Augustus aus.
Da dieses Vorgehen keineswegs auf ungeteilten Zuspruch stieß, berief Diokletian zur Klärung der Machtfrage
eine Kaiser-Konferenz in Carnuntum (308) ein. Bei dieser Konferenz wurde die vierte Tetrarchie etabliert, indem
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Galerius (Augustus) und Maximinus Daia (Cäsar) in der oströmischen, Licinius (Augustus) und Konstantin (Cäsar)
in der weströmischen Reichshälfte eingesetzt wurden.
311 erließ Galerius im Namen der vier in Carnuntum ernannten Tetrarchen in seiner Residenzstadt Nikomedia
das erste Toleranz-Edikt gegenüber den Christen. Da Galerius zuvor zu den grausamsten Christenverfolgern
zählte, wird Konstantin als treibende Kraft hinter dieser Entscheidung vermutet. Die Vereinbarung von Mailand
(313) erweitert das Edikt um die Freiheit für alle Religionen - auch hier dürfte Konstantin einflussreich gewirkt
haben.
Noch war das junge Christentum weit entfernt von der späteren Verfolgung Andersgläubiger und geprägt vom
Geist der religiösen Toleranz, die für das Römische Reich ursprünglich typisch gewesen war. Konstantin
verkörperte diese Haltung beispielhaft und blieb auch als Förderer des Christentums tolerant gegenüber anderen
Religionen.
Vor ihm waren Christen häufig Opfer blutiger Verfolgung gewesen. Trotzdem war ihre Zahl gewachsen, wobei
Schätzungen von rund zehn Prozent der römischen Bevölkerung zu Konstantins Lebzeiten ausgehen.
Die zahllosen Entrechteten fühlten sich vom Christentum bevorzugt angesprochen, während die bedeutenden
philosophischen Diskurse der Zeit - der Stoizismus und der Neo-Platonismus - für diese Bevölkerungs-Segmente
wenig mehr als eine abgehobene Beschäftigung der reichen Oberschicht darstellten. Auch auf Frauen wirkte die
neue Religion anziehend. Vielleicht, weil sie sich davon eine Besserung ihrer sozialen Stellung erhofften.
Zu den Sympathisantinnen zählte möglicherweise auch Konstantins Mutter Helena (wobei propagandistische
Hofschreiber das Konkubinat, dem Konstantin entstammte, geflissentlich übersahen). Konstantin war ihr
lebenslang eng verbunden und es ist anzunehmen, dass sie hinter seinem Engagement für das Christentum
stand. Bald nach ihrem Tod wurde sie für ihren Einsatz um die Bewahrung des frühchristlichen Erbes heilig
gesprochen.
Da von den Tetrarchen einzig Konstantin dem christlichen Glauben nahe stand, lässt sich über die Gründe der
anderen Unterzeichner des Toleranz-Edikts nur spekulieren. Die römischen Kaiser hatten zuvor im Frieden
predigenden Christentum eine Bedrohung der militärischen Ordnung Roms gesehen. Viele Christen waren daher
jenseits der römischen Provinzgrenzen gezogen, wo sie ausgiebig missionierten. Im Gegensatz zur römischen
Religion zählte die Mission ja zur unbedingten Glaubenspraxis, und bereits die ersten Apostel hatten weite
Missionsreisen unternommen. Der Apostel Thomas soll gar bis nach Indien gelangt sein, wo sich indische
Christen noch heute auf ihn berufen. Neben Juden, Christen und ihnen verwandten Glaubensrichtungen, wie die
heute noch vereinzelt anzutreffenden Mandäer oder die dem Zoroastrismus verwandten Yeziden, gab es eine
Vielzahl anderer Kulte. Die in Carnuntum angesiedelten Römer etwa hingen mehrheitlich dem damals weit
verbreiteten Mithras-Kult an, von dem das Christentum einige Elemente aufnahm.
Weit davon entfernt, im Christentum ein "Opium fürs Volk" zu erblicken, waren Roms Kaiser seit Nero (44)
bestrebt gewesen, den neuen Glauben auszumerzen, urchristliche Kirchen niederzureißen und zum bevorzugten
Standort römischer Tempel zu machen.
Die Kreuzesvision
Dass diesem Unterfangen kein Erfolg beschieden war, dürfte mit dem unaufhörlichen Nachströmen von
Missionaren zusammenhängen, die sich aus den frühchristlichen Gemeinden im Osten und Süden jenseits der
Provinzgrenzen rekrutierten und zum Märtyrer-Tod bereit waren.
Vielleicht sahen die Unterzeichner im Toleranz-Edikt eine Möglichkeit, diesen "Störenfrieden" den Wind aus den
Segeln zu nehmen und Konstantin dafür einige Zugeständnisse abzuringen, ohne die darauf einsetzende
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Ausbreitung des Christentums nur im Mindesten zu ahnen. Sehr wohl ahnten sie jedoch Konstantins
Aufstiegswillen, der die mühsam zusammengehaltene Tetrarchie bald sprengen sollte.
Mit dem Tod von Galerius (311) und Diokletian (312) war ihr Ende besiegelt, und der Kampf um die Macht
begann von Neuem, denn nun beanspruchte auch Maxentius, Sohn eines ehemaligen Augustus, seinen Teil an
der Macht. Konstantin zog daraufhin mit einem 40.000 Mann starken Heer aus kampferprobten Briten, Galliern
und Germanen nach Italien. Nachdem er Turin, Brescia und Verona erobert hatte, ergab sich die Residenzstadt
Mailand kampflos. Diese Nachricht dürfte in Rom Bestürzung und Panik ausgelöst haben. Maxentius’
Entscheidung, bei der Milvischen Brücke nahe Rom die offene Schlacht zu suchen, erwies sich jedenfalls für ihn
als fatal.
Der Legende nach erschien Konstantin vor der Schlacht in einer Vision das sogenannte "konstantinische Kreuz",
womit ihm bedeutet wurde: In diesem Zeichen wirst du siegen. Beispiele erfolgreicher Feldherren, die ihren Sieg
auf göttliche Hilfe zurückführten, sind zwar Legion, aber es war das erste Mal, dass das Christentum damit in
Verbindung gebracht wurde. Spätere Beispiele sind weit weniger im öffentlichen Bewusstsein präsent, etwa jenes
des Frankenkönigs Chlodwig, der anlässlich seines Sieges über die Alemannen (um 500) vom arianischen zum
frühkatholischen Glauben übertrat. Da sowohl Ost- als auch Westkirche seit dem Konzil von Nicäa die Lehren von
Arius als ketzerisch verdammt hatten, war Chlodwigs Übertritt von weitreichender kirchenpolitischer
Bedeutung.Ein weiterer Rivale Konstantins, Maximinus Daja, unterlag 313 in einer Schlacht gegen Licinius, der
somit der Letzte war, der sich mit Konstantin die Macht teilte. 324 beseitigte Konstantin auch diesen
Konkurrenten und berief im Jahr darauf zur Klärung strittiger Glaubensfragen das erwähnte Konzil von Nicäa ein.
300 Bischöfe nahmen an dem berühmten Konzil teil, das zum Markstein in der Geschichte der christlichen
Dogmenlehre wurde. Es gilt auch als Geburtsort des apostolischen Glaubensbekenntnisses.
Residenzstadt Byzanz
Seine Residenz verlegte Konstantin in die strategisch günstig gelegene Kleinstadt Byzanz, die er nach
großartigen Bauplänen umgestalten ließ. Prächtiger als Rom sollte Konstantinopel werden, und tatsächlich wurde
die nach ihm benannte Stadt zum glanzvollen politischen Zentrum mit anhaltender kultureller Strahlkraft. Seine
Vision von einem neuen Rom war zwar 330, als er die Stadt feierlich einweihte und zur Hauptstadt des
Römischen Reiches erklärte, noch lange nicht umgesetzt, doch sie begründete ihren Aufstieg.
Konstantin modifizierte den römischen Codex (Latein blieb noch Amtsprache) und förderte Kirchenbauten und
Klöster, zu deren verdienstvollen Kulturleistungen auch die Bewahrung des hellenistischen Erbes zählte. Gegen
Ende der Epoche, als Byzanz unter dem Ansturm des Islam zu schrumpfen begann und die Klöster aufgelassen
wurden, brachten jene, denen die Flucht gelang, ihr Wissen - das zum Aufblühen der Renaissance beitrug - in
den Westen.
Seine größte Ausdehnung erfuhr Byzanz im 6. Jahrhundert, unter dem bedeutendsten Herrscher der Spätantike,
Justinian. Unter seinem Regnum umfassten die Provinzgrenzen auch Äthiopien und Spanien. Im Verlauf seiner
wechselhaften und häufig blutigen Geschichte verstand sich das griechisch geprägte Byzanz bis zu seinem
Untergang (1453) sowohl als direkter Erbe Roms als auch als erster christlicher Staat (Theodosius I. erhob um
380 das Christentum zur Staatsreligion) und war von diesem dualen Charakter geprägt.
Carina Sulzer, geboren 1962, Studium der Publizistik und Ethnologie, bibliothekarische Tätigkeit am Institut für
Rechts- und Kriminalsoziologie; lebt als freie Publizistin in Wien.
Mit freundlicher Genehmigung der „Wiener Zeitung“ vom 20./21.Oktober 2012
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