Mailänder Edikt für heutiges Europa "von großer Relevanz" Wiener Tagung in Jakob Kern-Haus der Militärpfarre Wien würdigt Vereinbarung aus dem Jahr 313 als "Fundament der christlichen Kultur und Identität Europas" - Einsatz für Minderheitenschutz bleibt weiterhin wichtige Aufgabe 20.11.2013 Wien (KAP) Dem Gedanken der Mailänder Vereinbarung aus dem Jahr 313 müsse auch im heutigen Europa wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dafür appellierten Experten beim Symposium "Kirche und Staat am Scheideweg?", das zum 1.700-Jahr-Jubiläum des Mailänder Edikts am Dienstagnachmittag im Institut für Religion und Frieden in Wien stattgefunden hat. Vortragende waren der Intendant von Art Carnuntum Piero Bordin, der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker, der Religionsrechtsexperte Stefan Schima von der Universität Wien sowie der Pressesprecher der orthodoxen Bischofskonferenz Mirko Kolundzic. Die im Jahr 313 abgeschlossene Mailänder Vereinbarung zwischen den römischen Kaisern Konstantin und Licinius brachte nicht nur den Christen, sondern allen Bürgern des Römischen Reiches umfassende Religionsfreiheit. Diese Vereinbarung habe laut Bordin das Fundament der christlichen Kultur und Identität Europas gelegt. Die östlich von Wien gelegene einstige Römerlager Carnuntum spiele in der Entstehung dieses Edikts eine wichtige Rolle: Schließlich seien hier bei dem Vier-Kaiser-Treffen im Jahr 308 die entscheidenden Weichen gestellt worden, die Kaiser Konstantin den Weg für die Mailänder Vereinbarung fünf Jahre später erst frei gemacht habe, so der Art Carnuntum-Intendant. Der Geist von Mailand würde auch dem heutigen Europa "gut tun", so Bischof Bünker mit Blick auf die gegenwärtige Situation religiöser und ethnischer Minderheiten in Europa. Dass sich deren Schutz auf bedenkliche Weise entwickle, führte Bünker am Beispiel der vielerorts ansteigenden "Hasskriminalität" von religiös, ethnisch oder politisch motivierten Straftaten und Körperverletzungen aus. Kirchen dürften der zunehmenden Gewaltbereitschaft gegenüber Minderheiten nicht tatenlos gegenüberstehen, so der evangelische Bischof. Es gelte, Toleranz vorzuleben und aus eigenen Fehlern zu lernen: Schließlich seien die Christen nach der Konstantinischen Wende schnell "von Verfolgten selbst zu Verfolgern" geworden. Der Religionsrechtler Schima stellte die Frage nach den rechtlichen Auswirkungen der Konstantinischen Wende auf die gegenwärtige Situation von Religionsgemeinschaften in Österreich. Noch heute würden sich zentrale Elemente des Konstantinischen Gedankens im modernen Religionsrecht befinden: So seien etwa die staatliche Anerkennung christlicher Feiertage oder die staatliche Finanzierung der Militärseelsorge direkt darauf zurückzuführen, so Schima. Mirko Kolundzic von der orthodoxen Bischofskonferenz referierte über die besondere Stellung der Orthodoxie in Serbien, wo die Kirche tief in Gesellschaft und Staat verankert sei. Kirche und Staat würden hier bei der Lösung gesellschaftlicher Fragen stark zusammenarbeiten, was dem Geist der Mailänder Vereinbarung ideal entsprechen würde. Auch in Österreich sei die orthodoxe Kirche seit Jahrhunderten wichtiger Bestandteil der Gesellschaft, deswegen sei es besonders wichtig für die Orthodoxen hierzulande, das gesellschaftliche Leben aktiv mitzugestalten, so Kolundzic. "Religio licita" Mailand war 286 von Kaiser Diokletian zur Hauptstadt der Weströmischen Reichshälfte erklärt worden. Das unter Diokletian eingeführte System der Tetrarchie ergab, dass im Westen wie im Osten jeweils ein "Hauptkaiser" (Augustus) regierte, der von jeweils einem "Unterkaiser" (Caesar) unterstützt wurde. Gesichertes Faktum ist, dass Licinius, Augustus des römischen Ostreiches, im Februar 313 in die Hauptstadt des Westreiches gereist war, um dort Constantia, die Halbschwester von Konstantin, dem neuen Augustus von Westrom, zu heiraten. Konstantin und Licinius einigten sich am Rande dieser "politischen Hochzeit" auch auf Durchführungsbestimmungen eines älteren Erlasses zur Religionsfreiheit: Zwei Jahre zuvor hatte der damalige Ostkaiser Galerius das Christentum zur "religio licita", zur "erlaubten Religion" erklärt und damit den Christen Versammlungsfreiheit gewährt sowie ihnen die Errichtung von Kirchen gestattet. Das "Mailänder Edikt" von Februar 313 griff den Erlass auf, bekräftigte ihn und regelte Einzelfragen wie die Rückgabe von beschlagnahmtem Grundbesitz. Licinius wollte sich durch die Hochzeit und die Einwilligung zur Toleranz die Unterstützung von Konstantin im Kampf gegen den östlichen "Unterkaiser" Maximinus Daia sichern. Schon bald nach seiner Rückkehr - am 30. April 313 besiegte Licinius bei Herakleia am Schwarzen Meer seinen Rivalen und brachte so den gesamten Osten des Reiches unter seine Kontrolle. Sein Schicksal endete schlussendlich tragisch: Er zerstritt sich mit Konstantin und wurde von diesem in der Schlacht von Adrianopel (324) besiegt. Konstantin ließ ihn hinrichten und wurde Alleinherrscher des Reichs, das von Portugal bis Syrien reichte. "In diesem Zeichen wirst du siegen" Schon im Oktober 312 hatte sich Konstantin in der Schlacht an der Milvischen Brücke vor den Toren Roms gegen seinen Widersacher im Westen, Maxentius, durchsetzen können. Die Legende besagt, dass er vorher eine Kreuz-Vision gehabt hatte ("In hoc signo vinces" - "In diesem Zeichen wirst du siegen"). Die Ereignisse von Rom (312) und Mailand (313) waren Auftakt zur "Konstantinischen Wende", mit der das Christentum gleichsam ins Licht trat und von einer verfolgten zu einer geduldeten und bald auch privilegierten Religion wurde. Konstantin wurde zu einer Heiligenfigur - wenn auch nur in der orthodoxen Ostkirche. Für die historische Forschung gehört Konstantin auch wegen seiner militärischen Erfolge bei der Grenzsicherung des Reiches oder durch innenpolitische Reformen bei der Verwaltung sowie im Münz- und Finanzwesen zu den bedeutenden römischen Kaiserfiguren. Byzanz, wohin er schließlich seinen Hauptsitz verlegte, wurde unter ihm als Konstantinopel zur glanzvollen Großstadt. Bauherr ohne heiligengemäße Biografie Als Alleinherrscher ließ Konstantin alles beseitigen, was Christen bei der Ausübung ihrer Religion noch behindern könnte Er veranlasste den Bau der Lateran-Basilika als römischen Bischofssitz und der Peterbasilika über dem überlieferten Ort des Petrusgrabes am Mons Vaticanus. In Jerusalem ließ er, unterstützt von seiner Mutter Helena, die Kirche über dem Grab Christi und in Bethlehem die Basilika über der Geburtsgrotte errichten. Wiewohl noch nicht Christ, schaltete er sich in innerkirchliche Angelegenheiten ein und berief das erste Konzil ein, das 325 in Nicaä tagte. Ein heiligengemäßes Leben führte Konstantin freilich nicht. Seinen Schwiegervater zwang er zum Selbstmord. Seinen Sohn Crispus aus erster Ehe ließ er ebenso ermorden wie seine zweite Ehefrau Fausta. Seine Mutter Helena, die wohl auch für die christlichen Erziehung seiner ihm in der Dynastie nachfolgenden Kinder sorgte, vergötterte er hingegen. Taufen ließ er sich erst am Sterbebett. Konstantin starb am Pfingstsonntag, den 22. Mai 337. Die orthodoxe Kirche, aber auch die mit Rom unierten byzantinischen Kirchen, begehen das Fest des heiligen Konstantin am 21. Mai. Auch Kopten und Armenier verehren den Herrscher als Heiligen. Das Wiener Symposion war eine Gemeinschaftsveranstaltung des Instituts für Religion und Frieden, dem Institut für militärethische Studien, der Orthodoxen Militärseelsorge und der Militärpfarre Wien.