Schädel-Hirn-Trauma •Durch Gewalteinwirkung auf den Kopf verursachte Hirnfunktionsstörung mit oder ohne morphologisch fassbare Schädigung des Gehirns und seiner Hüllen einschließlich des Gehirnschädels und der Kopfschwarte 13.04.2015 Anatomische Grundlagen Symptome 1. Psychopathologisches Syndrom • Vigilanzstörungen -> zuerst nimmt Reaktion auf optische, dann akustische, dann auf Schmerzreize ab Somnolenz: abnorme Schläfrigkeit bei erhaltener akustischer Weckreaktion - Sopor: keine spontanen Bewegungen, nach Aufforderung kurzes Augenöffnen, auf Schmerzreiz adäquate Abwehrbewegungen Bewusstlosigkeit (Koma): unerweckbarer Zustand der Kontakt- und Wahrnehmungslosigkeit, Augen werden weder auf Ansprache noch auf Schmerzreiz geöffnet, Abwehrbewegungen auf Schmerzreize können erhalten bleiben GCS: zur Indikation, Beurteilung und Verlaufsbeobachtung der Bewusstseinslage • Orientierungsstörungen: zu Zeit, Ort, • • Situation und Person Gedächtnisstörungen: retrograde/anterograde Amnesie (Erinnerungslücken für den Zeitraum vor bzw. nach dem Unfall) Durchgangssyndrom: reversible posttraumatische Funktionspsychose mit Störungen von Orientierung, Gedächtnis, Antrieb, Affektivität und Auftreten von paranoidhalluzinatorischen Erscheinungen. Nimmt graduell während der Erholungsphase ab • Neurologische Ausfälle: Pupillenstörungen (Weite und Lichtreaktion), Reflexstatus, Motorik, Sensibilität, Muskeltonus • Vegetatives Syndrom: Schwindel, Brechreiz, Kreislaufinstabilität, Störung der Wärmeregulation SHT-Manifestationsformen • Kopfschwartenverletzungen: • Rißquetschwunden, Skaplpierungsverletzungen, • Schußwunden ! Hinter jeder scheinbar harmlosen Kopfschwartenverletzung kann sich eine penetrierende Schädel-Hirn-Verletzung verstecken • Schädelfrakturen: • Fissuren, Spalt-, Berstungs-, Stück- oder • • • • • Trümmerfrakturen Biegungsbrüche durch unmittelbare örtliche, umschriebene Gewalteinwirkung Berstungsbrüche durch Kompression des gesamten Schädels Impressionsfrakturen: unter Kalottenniveau verlagerte Knochenfragmente können zu Druckschädigung des Gehirns führen, OP-Indikation bei Dislokation um Kalottendice bzw. bei offener Schädelfraktur Schädelbasisfrakturen: Monokel/Brillenhämatom, retroaurikuläres Hämatom, Blut/Liquor aus Mund/Nase/Ohr Suturensprengung: im Kindesalter • Primäre Hirnschädigung • Durch traumatischen Insult bedingte Schädigung des • Gehirns, die irreversibel und therapeutisch nicht beeinflussbar sind Fokaler Hirnschaden ( Coup und Contrecoup) • Diffuser Hirnschaden (ausgedehnte oder multilokuläre • • • Hirnschädigung) Sekundäre Hirnschädigung Posttraumatische Schäden im weiteren Verlauf nach dem Ereignis Durch Hypovolämie, Hypoxämie, Hyperkapnie, Hypotonie, Hyperglykämie, neurohormonelle Dysregulation, nicht oder nicht genügend kontrollierte epileptische Anfälle, erhöhter intrakranieller Druck • Gedeckte Schädel-Hirn-Verletzung • Commotio cerebri • traumatisch bedingte, reversible, funktionelle Störung des Gehirns ohne morphologisch fassbare Veränderungen (kurze Bewußtlosigkeit, anterograde/retrograde Amnesie, Brechreiz, Erbrechen, Kopfschmerzen) • Contusio cerebri • nachweisbare morphologische Schädigungen in Form von Prellungsherden (Coup und Contrecoup), lokale SAB, Meningismus, neurologische Ausfälle je nach Lokalisation (Herdsymptome) • Compressio cerebri • Hirnschädigung durch Druck, bei geschlossenem SHT durch Hirnödem und Blutungen • Offene Schädel-Hirn-Verletzung (traumatische Verbindung zwischen Gehirn und Außenwelt) • Klinische Zeichen einer intrakraniellen • • • • • • Drucksteigerung: Zunehmende motorische Unruhe Verschlechterung der Bewußtseinslage (GCS) Anstieg des systolischen Blutdrucks Veränderung des Atmungsmusters (langsame unregelmäßige Atmung, Cheyne-Stokes-Atmung) Bradykardie Pupillendifferenz, weite lichtstarre Pupillen • Hirnödem - extra- oder intrazelluläre Flüssigkeitsansammlung des Hirnparenchyms mit konsekutivem intrakraniellem Druckanstieg und Parenchymschädigung Einklemmungssyndrome Verlagerung bzw. Einklemmung des Zwischen- und Mittelhirns im Tentoriumschlitz bzw. der Medulla oblongata im Foramen occipitale magnum, wenn ein intrakranieller Druckanstieg nicht ausgeglichen werden kann Symptome: Vigilanzstörungen bis Koma, Streckkrämpfe, lichtstarre, weite Pupillen, • Apallisches Syndrom • „Coma vigile“, „vegetatives Stadium“, „dezerebriertes Stadium“,“Wachkoma“ • Meist Folge einer schweren Schädigung des Gehirns durch Trauma, Sauerstoffmangel, lange anhaltende Unterzuckerung, Meningitis, Schlaganfall, Alzheimer, Parkinson o.ä. mit funktioneller Entkopplung von Hirnmantel und Hirnstamm -> Reduktion der Hirnfunktion auf Hirnstamm, Rückenmark, Kleinhirn, Zwischenhirn, Funktion des Großhirns ist weitgehend ausgeschaltet • 10000 -12000 Patienten in Deutschland • Klinik: Patient öffnet Augen, fixiert jedoch nicht und nimmt keine Kontakt auf • Bulbuswandern, Amimie, „Salbengesicht“, Hypersalivation, Tetraspastik • Orale Automatismen, pathologische Reflexe • Keine bewußte Wahrnehmung, keine Kommunikation, Aphasie • Harn- und Stuhlinkontinenz • Kein normaler Schlaf-/Wachrhythmus • Diagnostik • Betrachtung der vorhandenen Anamnese und • • • der vorliegenden Symptome MRT Messung der evozierten Potentiale EEG • Therapie: • - orientiert sich an Phasen der Neurologischen Frührehabilitation • Phase A: Akutbehandlung: Luftröhrenschnitt (Tracheotomie), eine • • • • • • • Ernährungssonde durch die Bauchwand (PEG) Urinableitung durch die Bauchwand (suprapubischer DK) Ziel: Lebensfunktionen sichern und eine optimale pflegerische Versorgung ermöglichen (einschließlich Ernährung) Bereits während dieser Zeit sollten allerdings rehabilitativ orientierte Angebote mittels Physiotherapie gemacht werden. (Kontrakturen oder Pneumonien vermeiden sowie die Schluckfunktion verbessern) Die Funktion des Schluckens ist nach Beendigung der maschinellen Beatmung entscheidend dafür, ob die Trachealkanüle entfernt werden kann. Phase B: Ergotherapie und Neuropsychologie Zusätzlich z.B. Musiktherapie, Logopädie Ziel: Verbesserung motorischer, geistiger und psychischer Funktionen Basale Stimulation: integriertes pädagogisches und pflegerisches Konzept, welches eine dem Schädigungsmuster angepasste Wahrnehmung der Umwelt und Unterstützung einfacher Körperfunktionen (z. B. Bewegungen) vermitteln soll. In dieser Phase, die zwischen einem Monat und einem Jahr dauert, entscheidet sich die Prognose des Betroffenen. Kommt es zu einer merklichen Verbesserung physischer und psychischer Leistungen, so können weitere Phasen der Rehabilitation angeschlossen werden (Phasen C/D/E). Bleibt er jedoch bewusstlos, muss zur Phase F (dauerhafte „Aktivierende Behandlungspflege“) übergegangen werden. ! Dekubitusprophylaxe ! Prognose? • 1. Vollbild mit tödlichem Verlauf in der Initialphase • 2. Vollbild mit Remissionszeichen >6 Wo und langsamer Übergang in eine • bleibende Behinderung über Wochen / Monate /Jahre 3. Vollbild mit früher Besserung <3 Wo und rascher Wiederherstellung / Resozialisierung • „Die Prognose wird zu 80% durch psychosoziale Umstände bestimmt, durch die Hirnschädigung selber nur zu 20%.“ (Ben-Yishay (1993) • Durch den sozialen Faktor kann die Prognose gehemmt oder gefördert werden • Angehörigenbesuche auf der Intensivstation? • Vorhandensein einer Familie? • Übergang vom Krankenhaus in die Schwerstpflege? • Funktionstüchtigkeit der sozialen Netzwerke Familie, Schule, Betrieb, Gemeinde? • Gesellschaftliche Strukturen, Ressourcen undAkzeptanz? • Ohne ein intaktes soziales Umfeld ist der Aufbau einer individuellen Lebensqualität mit Wohlbefinden und Zufriedenheit für Koma-Patienten und ihre Angehörigen kaum möglich SHT - Allgemeine Diagnostik und Prognose • Neurologische Untersuchung: • Pupillen (Form, Weite, Lichtreaktion, Bulbusstellung, • • - Kornealreflex) Motorik und Muskeltonus (Lähmung? Schlaffer Muskeltonus? Epileptische Krampfanfälle?, Paresen? CT bei nicht ausreichender Vigilanz (Alkohol, Sedierung) nachgewiesener Schädelfraktur starke Kopfschmerzen, Verschlechterung des Bewußtseinszustands mittel- bis schweres SHT Impressionsfraktur V.a. frontobasale oder otobasale Verletzung Leichtes SHT • 80% aller SHT (40% durch VKU, 20% durch Stürze, • • • • • • Schlägereien, Überfälle ! In 2-5 % mit Verletzungen der HWS kombiniert GCS 15 – 13 Symptome: Bewußtlosigkeit < 5 min, Amnesie, Kopfschmerz, Schwindel, Erbrechen Diagnostik: Anamnese, allgem. Untersuchung, orientierende neurolog. Untersuchung, ggf. CT Therapie: engmaschige Überwachung, stationäre Aufnahme für 24-48 Stunden, Analgesie nach Bedarf, körperliche Schonung für 7 d Prognose: Restitutio ad integrum, evtl postcommotionelles Syndrom (Kreislaufinstabilität, Kopfschmerz, Konzentrationsschwierigkeiten, Schwindel, Lichtscheu für einige Tage Mittelschweres SHT • 10% aller SHT • GCS 12 – 9 • Symptome: Bewußtlosigkeit bis 30 min, - - Bewußtseinseitrübung unterschiedlicher Ausprägung mit mehrphasigem Verlauf möglich bei subkortikaler axonaler Verletzung Beuge – und Streckmechanismen möglich Herdsymptome (hemianoptische, dysphasische Störungen, Dystaxien, Sensibilitätsstörungen, fokale motorische Ausfälle Psychopathologische Symptome („Durchgangssyndrom“): psychische Störungen unterschiedlichen Ausmaßes: Verwirrtheit, fehlende Krankheitseinsicht, Antriebsverminderung, Unruhezustände, Wahrnehmungsstörungen Vegetative Störungen: HRST, Tachy-/Bradykardien, Hypo/Hypertonie, Kopfschmerzen, Schwindel • Diagnostik: wie leichtes SHT • CT zu Beginn, Verlaufskontrolle innerhalb der ersten • • • • • Woche bzw. bei neuauftretenden Symptomen Therapie: immer stationäre Aufnahme Engmaschige neurologische Kontrolle Symptomatische Therapie der Beschwerden Bei Bewußtseinseintrübung/ -verlust Sicherung der Vitalfunktionen, ITS, operative Maßnahmen Prognose: je nach Ausmaß und Lokalisation der primären Parenchymläsion verbleiben Rstparesen oder Spastizität -> ggf. Neurorehabilitation Schweres SHT • 10% aller SHT • GCS < 9 • Symptome: tief bewußtloser Patient mit GCS < • 9, oder unabhängig von GCS schwere SchädelHirn-Verletzung wie offenes Schädel-HirnTrauma, posttrumatisch weiter werdenenden Pupillen, Halbseitensymptomatik, Austritt von Liquor aus Nase/Ohr Diagnostik: wie leichtes SHT, + CT Schweres SHT • Therapie: • Sicherung der Vitalfunktionen • Operative Maßnahmen (intrakranielles Druckmonitoring • • • • mit Drucksonden epi-/subdural, Intraventrikulär oder parenchymal; Hämatomevakuation, Debridement von offenen Kalottenkompressionsfrakturen und bei penetrierendem Trauma Intensivmedizinische Basismaßnahmen (Ziel: ICP <15 mmHg), z.B. Intubation, Beatmung, Hämodynamische Stabilisierung, Sedierung, Analgesie, Adäquate Flüssigkeits- und Elektrolytbilanz, Ernährung (enteral/parenteral) Neuromonitoring (CCP, EEG, SEP, cCT) CCP = MAP – ICP Therapie bei gesteigertem Hirndruck: Vertiefen von Analgesie, Sedation, CT-Kontrolle (neues Hämatom?), Liquordrainage, Mannitol 20% i.v. , stufenweise Hyperventilation, Hypothermie bis 33°, Barbituratgabe • • • • • Schweres SHT Nachbehandlung: intensive Neurorehabilitation in Spezialeinrichtungen Prognose? Je nach Verlauf sind vollständige Wiederherstellung aller kognitiven Funktionen oder auch der Tod des Patienten möglich Fokale Schäden können als Dauerschäden verbleiben 2-3% entwickeln apallisches Syndrom Intracranielle Blutungen • • • • -> Ansammlung von Blut im Gehirnschädel Epidural Subdural (SDH) Intracerebral (ICB) Epidurales Hämatom • • • • • • • Zwischen Dura mater und knöchernem Schädel Verletzung der A. meningea media oder ihrer Äste Meist jüngere Patienten Im CT typische bikonvexe Struktur, meist Temporal- oder Frontalregion 4-8 h nach Trauma Typisches Symptomfreies Intervall (initial kurze Bewußtlosigkeit möglich, dann Aufklaren gefolgt von sekundärer Eintrübung, einseitiger homolateraler Pupillenerweiterung und kontralateraler Hemiparese Therapie: bei kleinen Befunden konservativ möglich, ansonsten sofortige operative Hämatomentlastung Subdurales Hämatom • Zwischen Hirnoberfläche und Dura mater • Durch Einrisse kleiner Gefäße auf der kontusionierten • • • • • Hirnoberfläche Alle Altersgruppen CT hyperdense konvex-konkave Strukturüber der Großhirnhemisphäre, häufig begleitende Läsionen des Hirnparenchyms Bewußtlosigkeit, homolaterale Pupillenerweiterung, kontralaterale Hemiparese, kein freies Intervall!, meist initiale Bewußtlosigkeit aufgrund der schweren Hirnschädigung + sekundäre Verschlechterung 1-3 h nach Trauma Therapie: Notfallkraniotomie, Duraeröffnung, Hämatomevakuierung Intrazerebrales Hämatom • Einrisse tiefer gelegener kleiner Hirngefäße • Meist in Kontusionszonen des Frontal –oder • • • • Temporallappens Symptome ähnlich SDH, EDH –Ausprägung und Geschwindigkeit der Symptomatik sind abhängig von der Schwere des initialen Hirnschadens sowie der Größe und Lokalisation der Blutung Im Verlauf häufig ausgeprägtes perifokales Ödem Therapie: wenn möglich Hämatomevakuation Bei Hirnödem im Verlauf Entlastungskraniektomie Chronisches Subduralhämatom • Subdurale Blutansammlung, wobei das SHT • • Wochen bis Monate zurückliegt Symptome: progredientes Psychosyndrom bis hin zur Somnolenz, diskrete Hemiparesen, Gangunsicherheit, Ataxie, Kopfschmerzen, selten Erbrechen und Stauungspapille Therapie: kleine SDH konservativ (stationäre Überwachung, Steroide), größere und symptomatische werden evakuiert ( z.B. per Bohrlochtrepanation)