Fachhochschule Bochum

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-1-
Fachhochschule Bochum
Prof.Dr.Martin Sternberg
Prof.Dr.Eckehard Müller
Skript zur Vorlesung Physik (Teil 1) für Mechatroniker, Elektrotechniker,
Informatiker und Maschinenbauer
Stand: 3.3.05
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
PHYSIKALISCHE GRÖßEN UND EINHEITEN ................................................................................................. 2
1.1
Begriffe............................................................................................................................................ 2
1.2
SI-Einheiten..................................................................................................................................... 2
1.3
Schreibweise physikalischer Größen............................................................................................... 3
KINEMATIK................................................................................................................................................ 5
2.1
Ort und Bemerkungen zur Vektorrechnung..................................................................................... 5
2.2
Geschwindigkeit und Beschleunigung, Bemerkungen zum Differenzieren...................................... 7
2.3
Berechnung des Orts, Bemerkungen zum Integrieren ................................................................... 12
2.4
Berechnung der Geschwindigkeit bei gegebener Beschleunigung ................................................ 16
2.5
Kreisbewegung, Winkelgeschwindigkeit und Winkelbeschleunigung ........................................... 18
2.6
Zusammenhänge zwischen Winkelgeschwindigkeit, Winkelbeschleunigung, Radius,
Geschwindigkeit und Beschleunigung ......................................................................................................... 20
DYNAMIK ................................................................................................................................................ 24
3.1
Newtonsche Axiome und Impuls.................................................................................................... 24
3.2
Kräfte ............................................................................................................................................ 26
3.3
Impulserhaltung ............................................................................................................................ 32
3.4
Drehmoment.................................................................................................................................. 33
3.5
Gleichgewichtsbedingungen.......................................................................................................... 34
3.6
Drehimpuls und Drehimpulserhaltung.......................................................................................... 36
ARBEIT UND ENERGIE.............................................................................................................................. 38
4.1
Kraft und Weg als Ursache der Arbeit, Skalarprodukt ................................................................. 38
4.2
Arbeit bei veränderlicher Kraft und ungeradliniger Verschiebung .............................................. 40
4.3
Leistung......................................................................................................................................... 42
4.4
Energie .......................................................................................................................................... 42
4.5
Konservative Kräfte und potentielle Energie ................................................................................ 43
4.6
Energieerhaltung bei konservativen und nichtkonservativen Kräften........................................... 46
TEILCHENSYSTEME .................................................................................................................................. 49
5.1
Massenmittelpunkt......................................................................................................................... 49
5.2
Eigenschaften des Schwerpunkts................................................................................................... 51
5.3
Energie von Teilchensystemen ...................................................................................................... 53
STARRE KÖRPER...................................................................................................................................... 55
6.1
Translations- und Rotationsbewegung .......................................................................................... 55
6.2
Drehimpuls des starren Körpers und Trägheitsmoment ............................................................... 55
6.3
Energie der Rotationsbewegung starrer Körper ........................................................................... 59
6.4
Kreisel und Präzession.................................................................................................................. 60
SCHWINGUNGEN ...................................................................................................................................... 64
7.1
Ungedämpfte Schwingungen ......................................................................................................... 64
7.2
Gedämpfte Schwingungen ............................................................................................................. 67
7.3
Erzwungene Schwingungen........................................................................................................... 74
7.4
Überlagerung harmonischer Schwingungen................................................................................. 79
Physik 1, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
-2-
1.
1.1
Physikalische Größen und Einheiten
Begriffe
Physikalische Gesetzmäßigkeiten: mathematische Zusammenhänge zwischen physikalischen
Größen
(Die Mathematik ist die Sprache der Physik)
Film: Zehn hoch (Powers of Ten)
Applet: 1.1-1 Powers of Ten
(http://micro.magnet.fsu.edu/primer/java/scienceopticsu/powersof10/index.html)
Physikalische Größen: (im Prinzip) messbare Eigenschaften von Objekten oder Systemen
Messen physikalischer Größen: Vergleich mit bekannter Größe gleicher Qualität (z.B. Länge,
Masse, elektrische Ladung)
Beispiele: Metermaß (Zollstock), Waage, Amperemeter, Thermometer, Uhr, Tachometer,
Kalorimeter, Geiger-Müller-Zählrohr)
Applet: 1.1-2 Zeitmessung mit Pendel
(http://www.phy.ntnu.edu.tw/java/Pendulum/Pendulum.html)
Wert einer physikalischen Größe: Produkt aus Zahlenwert und Einheit
Einheit ist die Größe, mit der beim Messen verglichen wird, der Zahlenwert ist das Ergebnis
des Vergleichs.
Beispiele:
• Länge:
l = 1,79 sm (Seemeilen)
• Fläche: A = 57,3.10-7 b (Barn)
• Leistung: P = 115 PS (Pferdestärken)
• Volumen: V = 12 gal (Gallonen)
• Masse:
m = 0,03 kt (Karat)
• Wärmemenge: Q = 1012 cal (Kalorien)
• Aktivität: A = 2,09 Bq (Becquerel)
1.2
SI-Einheiten
Zur Vereinfachung und Standardisierung sind Einheiten international im SI-System (Système
International d'Unités) standardisiert. Es dürfen, bis auf wenige Ausnahmen, nur diese
Einheiten und davon abgeleitete verwendet werden.
4 Folien: SI-Einheiten
Für praktische Zwecke arbeitet man meistens mit Normalen. Das sind experimentelle
Realisierungen der Basiseinheiten durch die staatlichen Mess- und Eichlaboratorien. In
Deutschland: Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig (nur die darf eichen).
Physik 1, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
-3Zur Vereinfachung der Schreibweise führt man Vorsätze zur Kennzeichnung dezimaler
Vielfacher der Einheiten ein.
Exa
1018
E
Dezi
10-1
d
Peta
1015
P
Zenti
10-2
c
Tera
1012
T
Milli
10-3
m
Giga
10
9
Mikro
10
-6
G
µ
Mega
106
M
Nano
10-9
n
Kilo
103
k
Piko
10-12
p
Hekto
102
h
Femto
10-15
f
-18
a
1
Deka
10
da
Atto
10
In der Praxis kommen oft andere als SI-Einheiten vor. Zur Umrechnung gibt es entsprechende
Tabellen.
2 Folien: Einige Einheiten
Die Umrechnung erfolgt so, dass man für die betreffende Einheit das Äquivalent in SIEinheiten einsetzt.
Beispiele:
o
A
m
10 −10 m
0,13
0
,
13
=
= 3,55 ⋅ 10 − 23 2
2
2
(Woche)
s
(7 ⋅ 24 ⋅ 60 ⋅ 60s )
115
km
10 3 m
1 m
= 115
= 115 ⋅
h
60 ⋅ 60 s
3,6 s
1012 cal = 1012 ⋅ 4,1868 J = 4,19 ⋅1012 J
6,8
10 −3 kg
10 −3 kg
g
kg
6
,
8
6
,
8
=
⋅
=
⋅
= 6,8 ⋅103 3
3
−2
3
−6
3
10 m
(10 m)
cm
m
115 PS = 115 ⋅ 735,498W = 84,6kW
1.3
Schreibweise physikalischer Größen
Als Ingenieurin bzw. Ingenieur muss man sich bei der Schreibweise physikalischer und
technischer Größen an Konventionen halten, die der Lesbarkeit und der Klarheit dienen.
Physik 1, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
-4•
Nicht mehr als eine Null hinter dem Komma vor der ersten von null verschiedenen Zahl
verwenden, also
nicht:
•
0,00037 m2
sondern:
3,7.10-4 m2 oder 0,37.10-3 m2
auch 0,037.10-2 m2 ist akzeptabel
Nicht mehr als vier Stellen vor dem Komma verwenden, also
nicht:
1003745,2 W
sondern:
1,0037.106 W bzw. 1,00 MW
•
Nur SI-Einheiten oder gebräuchliche Einheiten verwenden (z.B. km/h, cm, l, t ...)
•
Die Anzahl der Stellen, mit der ein Endergebnis angegeben wird, hängt von den
Genauigkeiten der Messung ab. Dies wird im Kapitel „Fehlerrechnung“ behandelt. Im
Allgemeinen genügen drei signifikante Stellen, also
nicht:
v = 47,3345709 m/s
sondern:
47,3 m/s
Weitere Stellen werden auf- bzw. abgerundet (bis 4 abgerundet, ab 5 aufgerundet).
Bei den signifikanten Stellen zählen Nullen vor der ersten von null verschiedenen Zahl
nicht mit. Die Angabe m = 0,0234 kg enthält also drei signifikante Stellen.
Achtung: Für Zwischenergebnisse kann es erforderlich sein, eine höhere Genauigkeit zu
verwenden, z.B. wenn sich das Endergebnis als Differenz zweier Größen ergibt.
∆E = 3,479526 kJ – 3,479238 kJ = 2,88.10-4 kJ = 0,288 J
Daher rechnet man am besten zunächst mit symbolischen Größen. Hat man die Formel für das
Endergebnis gefunden, rechnet man mit der vollen Auflösung des Taschenrechners oder
Computers und rundet dann das Endergebnis entsprechend der Genauigkeit, bzw. auf drei
Stellen.
Physik 1, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
-5-
2.
Kinematik
2.1
Ort und Bemerkungen zur Vektorrechnung
Wir betrachten zunächst Massenpunkte: idealisierte Körper, deren gesamte Masse in einem
mathematischen Punkt vereinigt ist. Ein Massenpunkt befindet sich stets an einem Ort. Dieser
lässt sich leicht beschreiben, wenn man ein Koordinatensystem einführt, z.B. ein
rechtwinkliges und normiertes (kartesiches Koordinatensystem).
z
Der Ort r ist also eindeutig bestimmt durch
rz
die Angabe des Koordinatentripels
r
(rx, ry, rz).
r
ry
y
rx
Den Pfeil, der am Ursprung des
Koordinatensystems beginnt und am Ort r
endet, bezeichnet man als Vektor
 rx 
r  
r =  ry  .
r 
 z
x
Zur eindeutigen Beschreibung eines Ortes ist also die Angabe der Koordinaten und des
verwendeten Koordinatensystems erforderlich.
Applet: 2.1-1 Frame of Reference (http://www.phy.ntnu.edu.tw/ntnujava/viewtopic.php?t=4)
Der Begriff Vektor meint für uns eine gerichtete, dreidimensionale Größe, im Gegensatz zur
Zahl, die man als Skalar oder skalare Größe bezeichnet.
Vektoren vereinfachen die Schreibweise vieler physikalischer Zusammenhänge. Man kommt
mit einer Gleichung aus, wo man sonst für jede Komponente eine getrennte Gleichung
aufschreiben müsste. Es folgen einige Regeln für den Umgang mit Vektoren.
•
r
r
a und b seien zwei Vektoren. Dann wird die Summe der beiden Vektoren gebildet als:
 a x   bx   a x + bx 
 r r
r r     
a + b =  a y  +  by  =  a y + by  = b + a .
a  b   a + b 
z 
 z  z  z
(Die Summe zweier Vektoren ergibt sich durch Summierung der jeweiligen Koordinaten.)
Zeichnerisch ergibt sich die Summe, in dem man den Ursprungspunkt des zweiten
Vektors an das Ende des ersten Vektors ansetzt. Man erhält den Summenvektor als
Verbindung des Ursprungspunkts des ersten mit dem Endpunkt des zweiten Vektors.
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
-6r
b
r
a
r
a
r r
a+b
r
b
Applet: 2.1-2 Vektoraddition (http://www.phy.ntnu.edu.tw/java/vector/vector.html)
•
r
r
Sei a ein Vektor und n eine Zahl, dann ergibt sich das Produkt aus n und a zu:
 a x   na x 
  

r
na = n a y  =  na y  .
 a   na 
 z  z
(Bei der Multiplikation mit einer Zahl werden alle Komponenten mit der Zahl
multipliziert)
r
r
Zeichnerisch hat der Vektor na die gleiche Richtung wie a , ist aber n-mal so lang. Ist n
r
r
kleiner als null, ist die Richtung von na entgegengesetzt zu a .
•
r
− 1,5 ⋅ a
r
2⋅a
r
a
r
r
Seien a und b zwei Vektoren, dann wird die Differenz gebildet als:
 a − bx 
r  x
r r

r r r
a − b = a + (− 1) ⋅ b =  a y − b y  = −(b − a ) .
a −b 
z 
 z
Entsprechend kann man die Differenz der Vektoren auch zeichnerisch konstruieren. Man
findet die Differenz aber auch, wenn man überlegt, dass der Differenzvektor
r r r
c =a −b
r
r
derjenige Vektor ist, denn man zu b addieren muss, um a zu erhalten:
r r
r r r r
c + b = (a − b ) + b = a .
r
a
r
a
r r r
c =a −b
r
b
r
b
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
-7r
r
Der Differenzvektor beginnt am Endpunkt von b und endet am Endpunkt von a .
•
Als Betrag des Vektors bezeichnet man seine Länge. Sie ergibt sich durch Anwendung
des Satzes von Pythagoras zu:
r
r = r = rx2 + ry2 + rz2 .
Der Betrag eines Vektors wird durch die beiden senkrechten Striche gekennzeichnet.
Manchmal lässt man zur Kennzeichnung des Betrags auch nur das Vektorzeichen weg.
Die ist aber gefährlich, weil man den Betrag r dann mit der eindimensionalen Größe r
verwechseln kann. Der Betrag eines Vektors ist stets eine positive skalare Größe, die
eindimensionale Größe r kann positiv oder negativ sein.
2.2
Geschwindigkeit und Beschleunigung, Bemerkungen zum Differenzieren
Film: 01-08 Constant Velocity
r
Wenn r den Ort eines Massenpunktes angibt und sich der Massenpunkt bewegt, hängen sein
Ortsvektor und damit die Koordinaten von der Zeit ab:
 rx (t ) 


r
r (t ) =  ry (t )  .
 r (t ) 
 z 
Die Variable t (time) steht dabei für die Zeit.
Wir betrachten jetzt einen Körper, der sich im Raum bewegt.
z
Zum Zeitpunkt t1 sei der Körper bei
r
r
r (t1 ) , zum Zeitpunkt t2 bei r (t 2 ) . Er
r r
r
hat also die Strecke ∆r = r (t 2 ) − r (t1 )
zurückgelegt.
r
∆r
r
r (t 2 )
r
r ( t1 )
y
x
Man definiert nun die:
Mittlere Geschwindigkeit:
r
r r
r ∆r r (t 2 ) − r (t1 )
v=
=
t 2 − t1
∆t
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
Die Einheit ist m/s.
-8-
Versuch: Wagen auf Luftkissentisch (Geschwindigkeitsmessung)
Zur geometrischen Deutung der mittleren Geschwindigkeit sei die Ortskomponente in xRichtung betrachtet:
Ort rx(t)
rx(t2)
rx(t2)-rx(t1)
α
rx(t1)
t2 – t1
t1
t2
Zeit t
Die x-Komponente der mittleren Geschwindigkeit im Intervall zwischen t1 und t2 ergibt sich
definitionsgemäß zu:
v x ,t1 ,t 2 =
rx (t 2 ) − rx (t1 )
.
t 2 − t1
In dem oben gezeichneten Dreieck mit der Verbindungslinie zwischen den Ortskomponenten
rx(t1) und rx(t2) als Hypotenuse ist dies aber gerade das Verhältnis der beiden Katheten
(rx(t2)-rx(t1)) und (t2-t1). Dieses Verhältnis bezeichnet man auch als Steigung. (Man erinnere
sich daran, dass eine Steigung von 10 % bei einer Straße bedeutet, dass bei 100 m
horizontaler Strecke ein Höhenunterschied von 10 m zurückgelegt wird,
(10 m)/(100 m) = 0,1 = 10 %). Diese Steigung ist aber auch der Tangens des Winkels α
zwischen der Verbindungslinie und der Parallelen zur Zeitachse.
Man erhält also: Die mittlere Geschwindigkeit im Zeitintervall von t1 bis t2 ergibt sich als
Steigung der Verbindungslinie zwischen den Orten zum Zeitpunkt t1 und t2, bzw. als Tangens
des Winkels zwischen der Verbindungslinie und der Parallelen zur Zeitachse durch rx(t1).
Dabei ist zu beachten, dass die Steigung negativ ist, wenn rx(t2) kleiner ist als rx(t1). In diesem
Fall ist auch der Winkel α negativ.
Bei der Berechnung der mittleren Geschwindigkeit geht nur die Differenz der Ortsvektoren zu
den Zeiten t1 und t2 ein. Es spielt also gar keine Rolle, welche Strecke inzwischen
zurückgelegt wurde. Ebensowenig macht die mittlere Geschwindigkeit darüber eine Aussage,
wie groß die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t1 oder t2 denn nun wirklich gewesen ist. Genau
dies ist aber oft von Interesse. Die mittlere Geschwindigkeit wird eine um so bessere
Näherung für die tatsächliche, momentane Geschwindigkeit sein, je kleiner das betrachtete
Zeitintervall ist.
Bei Betrachtung immer kleinerer Zeitintervalle erhält man als Grenzwert die x-Komponente
der momentanen Geschwindigkeit:
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
-9rx (t1 + ∆t ) − rx (t1 )
.
∆t → 0
∆t
v x (t1 ) = lim
Die Einheit ist m/s.
(∆t = t2 – t1)
Dieser Grenzwert wird als Ableitung von rx an der Stelle t1 bezeichnet. Die Schreibweise ist:
v x (t1 ) = lim
∆t → 0
rx (t1 + ∆t ) − rx (t1 ) drx
=
(t1 ) = r&x (t1 )
∆t
dt
Den Vorgang, aus rx(t) die Ableitung
.
dr
(t ) zu bilden, nennt man differenzieren oder
dt
ableiten. Man berechnet also die mittlere Geschwindigkeit im Zeitintervall zwischen t und t +
∆t und betrachtet dann den Grenzwert für ∆t gegen null.
dr
Das Symbol
steht als Abkürzung für den Grenzwert des Differenzenquotienten; dr und dt
dt
allein machen keinen Sinn. Man darf also auch keinesfalls etwa „nach dr auflösen“!
Im Diagramm der mittleren Geschwindigkeit erhält man die Momentangeschwindigkeit zum
Zeitpunkt t1 als Steigung der Tangente am Ort rx(t1), bzw. als Tangens des Winkels zwischen
der Tangente und der Parallelen zur Zeitachse durch rx(t1).
Ort rx(t)
rx(t1)
α
Tangente am Ort rx(t1)
Zeit t
t1
Applets: 2.2-1 Ableitung als Grenzwert, erste und zweite Ableitung
(http://www.mathe-online.at/galerie/diff1/diff1.html#ablgrenz) (zwei Applets)
Berechnet oder ermittelt man auf diese Weise die momentanen Geschwindigkeitskomponenten in x-, y- und z-Richtung, so erhält man die Momentangeschwindigkeit:
r (t + ∆t ) − rx (t )   drx


(t ) 
 
 lim x
∆t

  dt
 ∆t →0
r
r
t
t
r
t
(
)
(
)
+
∆
−
r
r
  dry  dr

y
y
v (t ) =  lim
t
(
)
=
(t ) = r& (t )
=



∆t → 0
dt
dt
∆t


rz (t + ∆t ) − rz (t )   drz

 
 lim
  dt (t ) 
 ∆t →0
t
∆

 

Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 10 Dabei wurde die Geschwindigkeit zur Zeit t betrachtet (anstatt t1 wie weiter oben).
Die Momentangeschwindigkeit lässt sich auch als Grenzwert des vektoriellen
Differenzenquotienten einführen:
r
r
r
r (t + ∆t ) − r (t )
v (t ) = lim
∆t → 0
∆t
.
Die Ableitung von Funktionen lässt sich recht einfach bewerkstelligen, wenn man einige
Regeln kennt. Die zunächst für uns wichtigsten werden hier ohne Beweis angeführt:
•
f(t) sei eine Potenzfunktion der Form t n , dann ist:
df
(t ) = n ⋅ t n −1 .
dt
•
f(t) = sin(t), dann ist:
df
(t ) = cos(t ) .
dt
•
f(t) = cos(t), dann ist:
df
(t ) = − sin(t ) .
dt
•
f (t ) = e t , dann ist:
•
df
(t ) = e t .
dt
f(t) und g(t) seien zwei differenzierbare Funktionen, dann ist:
d ( f + g)
df
dg
(t ) =
(t ) +
(t ) .
dt
dt
dt
(Die Ableitung einer Summe ist gleich der Summe der Ableitungen.)
•
f(t) sei eine differenzierbare Funktion, c eine Konstante, dann ist:
d (cf )
df
(t ) = c (t ) .
dt
dt
(Konstanten können vor die Ableitung gezogen werden.)
•
f(t) und g(t) seien zwei differenzierbare Funktionen, dann ist:
d ( fg )
dg
df
(t ) = f (t )
(t ) +
(t ) g (t ) .
dt
dt
dt
(Produktregel)
•
g(t) und f(x) seien zwei differenzierbare Funktionen, dann ist:
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 11 df ( g )
df
dg
(t ) =
( g (t )) ⋅
(t ) .
dt
dx
dt
(Kettenregel)
Beispiel: g (t ) = ωt + θ und f ( x) = a sin( x) , dann ist die Ableitung der Funktion
f ( g (t )) = a sin(ωt + θ ) gleich:
df ( g )
(t ) = a cos(ωt + θ ) ⋅ ω .
dt
Applet: 2.2-2 Ableitungen verschiedener Funktionen:
(http://www.walter-fendt.de/m11d/ableitungen.htm)
Nun zurück zur Kinematik:
Bewegt sich der Körper entlang einer Geraden, spricht man von einer geradlinigen
Bewegung.
r
r
r
In diesem Fall haben v und v stets
∆r
die gleiche Richtung. Sie sind aber
r
r
i.a. vom Betrag her verschieden.
r (t1 )
r (t 2 )
Ist die Geschwindigkeit auch vom Betrag her konstant, spricht man von einer gleichförmig
geradlinigen Bewegung. In diesem Fall sind mittlere Geschwindigkeit und
Momentangeschwindigkeit immer gleich!
Abgesehen vom Sonderfall der gleichförmig geradlinigen Bewegung ändert sich die
Momentangeschwindigkeit mit der Zeit, z.B. bei der Bewegung längs einer Kurve:
r
v (t1 )
r
r (t1 )
r
r (t 2 )
r
v (t1 )
r r
r
∆v = v (t 2 ) − v (t1 )
r
v (t 2 )
Man definiert nun die:
Mittlere Beschleunigung:
ist m/s2.
r
r r
r ∆v v (t 2 ) − v (t1 )
a=
=
t 2 − t1
∆t
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
Die Einheit
- 12 -
Versuch: Wagen auf Luftkissentisch (Beschleunigungsmessung)
Auch hier wieder sagt die mittlere Beschleunigung wenig über die momentane
Beschleunigung zu einem gegebenen Zeitpunkt aus.
Bei Betrachtung immer kleinerer Zeitintervalle erhält man als Grenzwert die
Momentanbeschleunigung:
ist m/s2.
r
r
r
r
∆v dv r& &r& d 2 r
a = lim
=
=v =r = 2
∆t →0 ∆t
dt
dt
Die Einheit
Bei der geradlinnig gleichförmigen Bewegung ist die Geschwindigkeit konstant und daher die
Beschleunigung gleich null!
Versuch: Vscope mit Drehtisch, Anzeige von Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektor
2.3
Berechnung des Orts, Bemerkungen zum Integrieren
Eine Aufgabe der Kinematik ist es, aus gegebener Beschleunigung die Geschwindigkeit, und
aus gegebener Geschwindigkeit den Ort zu berechnen.
r
Ist die Geschwindigkeit konstant, so kann man bei bekannter Startposition r (t 0 ) den Ort zur
Zeit t leicht berechnen, denn aus der Definition der mittleren Geschwindigkeit
r
r
r r (t ) − r (t 0 )
v=
t − t0
folgt ja sofort für den Ort zum Zeitpunkt t:
r
r
r
r (t ) = r (t 0 ) + v ⋅ (t − t 0 ) .
r
r
In diesem Fall sind ja v und v zu allen Zeiten gleich.
Ist die Geschwindigkeit aber nicht konstant, so kann man zunächst so tun, als wenn sie
wenigstens abschnittsweise konstant wäre. Man teilt also das Zeitintervall zwischen t0 und t in
lauter Teilintervalle ∆t auf, und nimmt innerhalb der Teilintervalle jeweils eine konstante
Geschwindigkeit an. Der Einfachheit halber sei hier nur die x-Komponente der
Geschwindigkeit betrachtet:
Geschwindigkeit vx(t‘)
t0
∆t
t
Zeit t‘
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 13 Um die Verwechslung der Intervallgrenze t mit der Zeitachse zu vermeiden, wird die
Zeitachse mit t‘ bezeichnet. t‘ hat nichts mit einer Ableitung zu tun!
Die x-Komponente des Ortes zum Zeitpunkt t0 + ∆t ergibt sich nun näherungsweise zu:
rx (t 0 + ∆t ) ≈ rx (t 0 ) + v x (t 0 ) ⋅ ∆t .
Der Ort zum Zeitpunkt t0 + 2∆t errechnet sich näherungsweise zu:
rx (t 0 + 2∆t ) ≈ rx (t 0 + ∆t ) + v x (t 0 + ∆t ) ⋅ ∆t = rx (t 0 ) + v x (t 0 ) ⋅ ∆t + v x (t1 ) ⋅ ∆t
mit t1 = t0 + ∆t
Durch Fortführung dieser Rechnung erhält man schließlich für den Ort zum Zeitpunkt t:
N −1
rx (t ) ≈ rx (t 0 ) + ∑ v x (t i ) ⋅ ∆t .
i =0
N gibt die Anzahl der Intervalle der Größe ∆t an, in die das Intervall von t0 bis t aufgeteilt
wurde. Im obigen Beispiel ist N = 10.
N −1
Geometrisch lässt sich die Summe
∑v
i =0
x
(t i ) ⋅ ∆t deuten als Summe der Flächen der
Rechtecke zwischen den roten Linien im Bild oben und der t‘-Achse, wobei die Flächen
unterhalb der t‘-Achse abgezogen werden müssen!
Da wir von einer stückweise konstanten Geschwindigkeit ausgegangen sind, was ja i.d.R. gar
nicht stimmt, ist das Ergebnis der Ortsberechnung auch nicht exakt. Es wird aber um so besser
mit der Wirklichkeit übereinstimmen, je kleiner die Zeitintervalle ∆t sind, in die das
Zeitintervall zwischen t0 und t aufgeteilt wird. Exakte Übereinstimmung ergibt sich aber nur
dann, wenn der Grenzwert für unendlich kleine Zeitintervalle ∆t betrachtet wird:
N −1
rx (t ) = rx (t 0 ) + lim ∑ v x (t i ) ⋅ ∆t .
∆t → 0
i =0
Applet: 2.3-1 Numerische Integration:
(http://www.mathematik.ch/anwendungenmath/numint/ )
Den Grenzwert bezeichnet man auch als Integral von vx in den Grenzen von t0 bis t:
N −1
t
i =0
t0
lim ∑ v x (t i ) ⋅ ∆t = ∫ v x (t ' )dt ' .
∆t → 0
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 14 -
∫
Das Integralzeichen
ist ein stilisiertes S und steht für „Summe“, aus deren Grenzwert es ja
hervorgeht. Die Zahlen über- und unterhalb des Integralzeichens bezeichnet man als
Integrationsgrenzen. Das dt‘ steht als Erinnerung für das ∆t der Summe. Beim Integral handelt
es sich also um eine Abkürzung für den Grenzwert einer ganz bestimmten Summe. Das t‘ in
vx(t‘) und dt‘ steht für die Variable der Funktion. Es könnte dort auch ein ganz anderes
Symbol stehen, z.B. t* oder m. Der Name der Variablen spielt für das Integral gar keine Rolle.
Geometrisch kann man das Integral deuten als Fläche unter der Kurve vx(t‘) zwischen den
Grenzen t0 und t, wobei die Flächen unterhalb der t‘-Achse wiederum abgezogen werden
müssen.
Die x-Komponente des Ortes berechnet sich also aus der x-Komponente der Geschwindigkeit
gemäß:
t
rx (t ) = rx (t 0 ) + ∫ v x (t ' )dt ' .
t0
Für die Momentangeschwindigkeit in x-Richtung ergab sich aber:
vx =
drx
.
dt
Setzt man nun das oben erhaltene rx ein, so erhält man:
t
d
v x (t ) = (rx (t 0 ) + ∫ v x (t ' )dt ' ) .
dt
t0
rx (t0) ist aber eine Konstante und die Ableitung null.
Somit ergibt sich:
t
d
v x (t ) = ( ∫ v x (t ' )dt ' ) .
dt t0
t
Das Integral ∫ v x (t ' )dt ' ist also eine Funktion von t, die nach t abgeleitet vx (t) ergibt. Jede
t0
Funktion von t, die nach t abgeleitet vx (t) ergibt, nennt man Stammfunktion von vx. Davon
gibt es unendlich viele, denn man kann ja immer eine Konstante addieren, ohne dass sich
etwas am Wert der Ableitung, also von vx (t) ändert.
t
Wenn Fvx (t) jetzt eine beliebige Stammfunktion von vx ist, erhält man das Integral
∫v
x
(t ' )dt '
t0
in Abhängigkeit von t durch die folgende Überlegung: Das Integral als Funktion von t und die
Stammfunktion Fvx(t) können sich nur durch eine Konstante c unterscheiden. Ist die obere
Integrationsgrenze t gleich t0, so muss das Integral null ergeben (der zurückgelegte Weg
innerhalb der Zeitdifferenz t0 – t0 = 0 ist natürlich null), also muss gelten:
t0
∫v
x
(t ' )dt ' =Fv x (t 0 ) + c = 0 .
t0
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 15 -
Daraus folgt für die Konstante c:
c = − Fv x (t 0 ) .
Als Wert des Integrals in Abhängigkeit von t ergibt sich also:
t
∫v
x
(t ' )dt ' = Fv x (t ) − Fv x (t 0 ) .
t0
In Worten bedeutet dies: Der Wert eines Integrals ergibt sich als Differenz der Stammfunktion
an der oberen Integrationsgrenze und der Stammfunktion an der unteren Integrationsgrenze.
Für den praktischen Gebrauch kann man also auf verschiedene Arten „integrieren“:
•
Man löst das Integral schrittweise, indem man in kleinen Intervallen die Funktion jeweils
als konstant ansieht und berechnet die Summe
N −1
∑v
i =0
x
(t i ) ⋅ ∆t . Dies bezeichnet man als
numerische Integration.
•
Man misst die Fläche unter der Kurve, indem man z.B. Millimeterpapier darüber legt und
die Quadratmillimeter auszählt, oder indem man die Kurve ausschneidet und mit einer
genauen Waage wiegt, oder indem man die Fläche mit einer gleichmäßig dicken Schicht
radioaktiven Materials belegt und die Aktivität misst, oder....
•
Man sucht die Stammfunktion und bildet dann die Differenz dieser Funktion an
Integrationsober- und untergrenze. Auf Anhieb gelingt das Finden der Stammfunktion
aber nur bei ganz einfachen Funktionen. Für kompliziertere Integrale liefert die
Mathematik Methoden zur Ermittlung der Stammfunktion. Der sicherste Weg ist aber, in
einem mathematischen Handbuch nachzusehen, z.B. dem „Taschenbuch Mathematischer
Formeln“ von Hans-Jochen Bartsch, Fachbuchverlag Leipzig, ca. 15,- Euro.
Ohne Beweis seien hier noch einige wichtige Regeln für das Integrieren genannt. Durch
Betrachtung des Grenzwerts der Summe oder anhand der grafischen Interpretation des
Integrals kann man sich die Zusammenhänge aber leicht plausibel machen:
•
f(t‘) und g(t‘) seien zwei integrierbare Funktionen, dann gilt:
t
t
t
t0
t0
t0
∫ ( f (t ' ) + g (t ' ))dt ' = ∫ f (t ' )dt '+ ∫ g (t ' )dt ' .
(Das Integral der Summe ist gleich der Summe der Integrale.)
•
f(t‘) sei eine integrierbare Funktion und c eine Konstante, dann gilt:
t
t
t0
t0
∫ cf (t ' )dt ' = c ∫ f (t ' )dt ' .
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 16 (Konstanten können vor das Integral gezogen werden.)
•
Als Sonderfall der Integration eines Polynoms wird häufig gebraucht:
t
∫ dt ' = t − t
0
.
t0
(Das Integral über der 1 ist gleich der Differenz der Integrationsgrenzen.)
•
f(t‘) sei eine integrierbare Funktion, t1 liege zwischen t0 und t, dann gilt:
t
∫
t0
t1
t
t0
t1
f (t ' )dt ' = ∫ f (t ' )dt '+ ∫ f (t ' )dt ' .
(Eine Funktion kann stückweise integriert werden.)
Genauso wie die x-Komponente lassen sich natürlich auch die y- und z-Komponenten
berechnen, so dass sich für den Ortsvektor ergibt:
t


 r (t ) + v (t ' )dt ' 
∫ x
 x 0

t0


t
r

r (t ) = ry (t 0 ) + ∫ v y (t ' )dt '  .


t0


t
 r (t ) + v (t ' )dt ' 
∫ z
 z 0

t0


Dies schreibt man abgekürzt als:
t
r
r
r
r (t ) = r (t 0 ) + ∫ v (t ' )dt '
t0
r
Bei konstanter Geschwindigkeit kann man v vor das Integral ziehen, und erhält damit
t
r r
r
r
r
r = r (t 0 ) + v ∫ dt ' = r (t 0 ) + v (t − t 0 ) .
t0
Bei nichtkonstanter Geschwindigkeit muss die Integration für alle drei Koordinaten
ausgeführt werden.
2.4
Berechnung der Geschwindigkeit bei gegebener Beschleunigung
Ist die Beschleunigung als Funktion der Zeit gegeben, kann man wiederum zunächst das
gesamte Zeitintervall zwischen t0 und t in Teilintervalle ∆t aufteilen, in denen man die
Beschleunigung als konstant ansieht. Die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t0 muss gegeben
sein. Der Einfachheit halber wird nur die x-Komponente betrachtet. Dann ergibt sich die xKomponente der Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t1 = t0 + ∆t näherungsweise zu:
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 17 -
v x (t 0 + ∆t ) ≈ v x (t 0 ) + a x (t 0 )∆t .
Zum Zeitpunkt t2 = t0 + 2∆t erhält man:
v x (t 0 + 2∆t ) ≈ v x (t1 ) + a x (t1 )∆t = v x (t 0 ) + a x (t 0 )∆t + a x (t1 )∆t .
Schließlich ergibt sich für die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t:
N −1
v x (t ) ≈ v x (t 0 ) + ∑ a x (t i )∆t .
i =0
Die Übereinstimmung mit der tatsächlichen Geschwindigkeit wird um so größer sein, je
kleiner die Zeitintervalle ∆t gewählt werden. Die exakte Geschwindigkeit erhält man als
Grenzwert für unendlich kleine Zeitintervalle:
N −1
v x (t ) = v x (t 0 ) + lim ∑ a x (t i )∆t .
∆t → 0
i =0
Es wird also, wie bei der Ermittlung des Ortes bei gegebener Geschwindigkeit, der Grenzwert
einer Summe gebildet. Er wird wiederum abgekürzt als Integral über ax in den Grenzen von t0
bis t bezeichnet.
t
v x (t ) = v x (t 0 ) + ∫ a x (t ' )dt ' .
t0
Diese Integration muss man für alle drei Komponenten durchführen. Abgekürzt schreibt man
dafür:
t
r
r
r
v (t ) = v (t 0 ) + ∫ a (t ' )dt ' .
t0
r
Dabei ist a (t ' ) die Momentanbeschleunigung zur Zeit t‘.
Bei konstanter Beschleunigung kann man die Beschleunigung vor das Integral ziehen:
t
r r
r
r
r
v = a ⋅ ∫ dt ' + v (t 0 ) = a (t − t 0 ) + v (t 0 ) .
t0
Berechnet man damit wiederum den Ort, so erhält man:
r
t
t
r
r
r
r
r
r
r
r
a
r (t ) = ∫ v (t ' )dt ' + r (t 0 ) = ∫ [a (t '−t 0 ) + v (t 0 )]dt '+ r (t 0 ) = (t − t 0 ) 2 + v (t 0 )(t − t 0 ) + r (t 0 ) .
2
t0
t0
r
r
r
r
Mit den Anfangsbedingungen t0 = 0, v (0) = 0 und r (0) = 0 erhält man
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 18 -
r
r a 2
r= t
2
und
r r
v = at .
Wählt man das Koordinatensystem so, dass die konstante Beschleunigung in x-Richtung
zeigt, so erhält man die bekannten (aber nur bei konstanter Beschleunigung) gültigen Formeln
a
x = t2
und
v = at .
2
Beispiel: Freier Fall
Bei nichtkonstanter Beschleunigung muss man die Integration koordinatenweise durchführen:
t
v x (t ) = ∫ a x (t ' )dt '+v x (t 0 )
bzw. entsprechend für v y und v z .
t0
2.5
Kreisbewegung, Winkelgeschwindigkeit und Winkelbeschleunigung
Versuch: Kreisbewegung am Fahrradkreisel
Bei der Kreisbewegung handelt es sich um einen Sonderfall der Bewegung entlang einer
Kurve. Als sinnvolle Koordinate führt man den Drehwinkel ϕ ein.
r
r
ϕ
Er ist im Bogenmaß gegeben als
ϕ=
Länge des von den Winkelschenkeln eingeschlossenen Kreisbogens
Radius des Kreises
Die Einheit des Winkels ist 1 und wird als rad bezeichnet.
ϕ=
s
ϕ
r
s
r
Der Vollkreis hat also im Bogenmaß den
Wert 2π. Daraus ergibt sich die
Umrechnungsformel:
ϕ Bogen
π
2π
=
⇒ ϕ Bogen =
ϕ Grad
ϕ Grad 360°
180°
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 19 Film: Radian disc (05-12)
Ohne Beweis sei hier genannt:
Für kleine Winkel ϕ (Im Bogenmaß) gilt:
sin(ϕ ) ≈ tan(ϕ ) ≈ ϕ .
Was mit „kleine Winkel“ gemeint ist, folgt aus der Genauigkeitsforderung. Die folgende
Tabelle mag einen Anhaltspunkt liefern:
Winkel in Grad
30o
10o
3o
Winkel in
Bogenmaß
0,524
0,175
0,0524
sin ϕ
tan ϕ
0,500
0,174
0,0523
0,578
0,175
0,0524
Die Angabe eines Winkels ist nur dann eindeutig, wenn auch angegeben wird, um welche
Achse und in welchem Drehsinn gedreht wird. Der Winkel ist aber keine vektorielle Größe,
da die Addition von Winkeln nicht kommutativ ist, d.h. α + β ≠ β + α , wovon man sich
leicht überzeugen kann, wenn man zwei Drehungen um jeweils 90° um zwei senkrecht
aufeinander stehende Achsen betrachtet.
Wenn der Massenpunkt nun eine Kreisbewegung vollführt, ändert sich der Winkel ständig.
Man definiert nun analog zur Translationsbewegung eine
ω=
(momentane) Winkelgeschwindigkeit:
dϕ
= ϕ&
dt
Die Einheit ist 1/s = rad/s.
Der Winkelgeschwindigkeit ordnet man einen Vektor zu, dessen Betrag gleich ω ist, dessen
Richtung die der Drehachse ist und dessen Orientierung so ist, dass die Drehung in Richtung
des Vektors mit einer Rechtsschraube erfolgt.
r
ω
r
r
r
α
ϕ
r
Der Vektor ω steht also senkrecht auf der Ebene, in der sich der Massenpunkt bewegt. Bei
r
Rotation mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ändert sich ω nicht.
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 20 Erfolgt eine Kreisbewegung mit konstanter Winkelgeschwindigkeit, so gilt für die
Periodendauer T einer vollständigen Kreisbewegung T = 1/f (f: Frequenz). Somit gilt für den
Betrag der Winkelgeschwindigkeit:
ω=
dϕ 2π
=
= 2π ⋅ f .
dt
T
Analog zur Beschleunigung definiert man die
r
dω r&
α=
=ω
dt
r
(momentane) Winkelbeschleunigung:
Die Einheit ist rad/s2 = 1/s2.
Die Winkelbeschleunigung hat bei der Kreisbewegung also auch die Richtung der Drehachse.
Bei der Drehbewegung gelten auch die zur Translation analogen Beziehungen:
t
r
t
r
r
ϕ (t ) = ϕ (t 0 ) + ∫ ω (t ' )dt ' bzw. ω (t ) = ω (t 0 ) + ∫ α (t ' )dt ' .
t0
2.6
t0
Zusammenhänge zwischen Winkelgeschwindigkeit,
Winkelbeschleunigung, Radius, Geschwindigkeit und Beschleunigung
r
ω
r
v
r
an
r
r
r
α
s
ϕ
r
r
Der Vektor der Geschwindigkeit ist tangential zur Kreisbahn, also senkrecht auf r und ω .
Film: Circle with Gap (05-14) und Spinning Disc with Water (05-16)
Für den Winkel ϕ gilt:
ω=
dϕ 1 ds 1
=
= ⋅v.
dt r dt r
s
r
ϕ = . Also wird die Winkelgeschwindigkeit zu:
Es ist also:
v =ω ⋅r.
Dies ist eine Beziehung zwischen den Beträgen von Geschwindigkeit, Winkelgeschwindigkeit
und Radiusvektor. Für eine entsprechende Beziehung zwischen den vektoriellen Größen muss
eine weitere Verknüpfung zwischen Vektoren eingeführt werden.
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 21 -
Vektorprodukt, Kreuzprodukt
Das Vektor- oder Kreuzprodukt ist eine Verknüpfung zwischen zwei Vektoren, die als
Ergebnis wieder einen Vektor liefert (daher der Name Vektorprodukt). Die Verknüpfung wird
durch ein Kreuz × gekennzeichnet (daher der alternative Name Kreuzprodukt):
r r r
a×b =c.
r
Der Vektor c hat nun folgende Eigenschaften:
r
r
r
r
1. c steht senkrecht auf a und c steht senkrecht auf b .
r r
r
r
2. a , b und c bilden ein Rechtssystem, d.h., wenn man auf dem kürzesten Weg von a
r
r
nach b dreht, muss man eine Rechtsschraube in Richtung c schrauben.
Man kann als Hilfe auch die „Rechte-Hand-Regel“ verwenden:
r
b
r
c
-
r
Daumen zeigt in Richtung a
-
r
Zeigefinger zeigt in Richtung b
-
r
Dann zeigt der Mittelfinger in Richtung c
r
a
r
3. Für den Betrag von c gilt:
r r r r r
c = a × b = a ⋅ b ⋅ sin(ϕ ) .
r
r
Dabei ist ϕ der Winkel, den die Vektoren a und b einschließen, und der immer kleiner
oder gleich 180o ist.
r
r
Trägt man die Vektoren a und b in einer Ebene auf, so kann man aus ihnen ein
Parallelogramm bilden:
r
b
h
ϕ
r
a
r
r
Berechnet man die Fläche des durch a und b gebildeten Parallelogramms gemäß:
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 22 1 r
a ⋅ h (zweimal die Fläche des Dreiecks = ½ Grundfläche mal Höhe), und
2
h
berücksichtigt, dass sin ϕ = r , so erhält man:
b
r
r
r
r
A = a ⋅ b sin ϕ = a × b .
A= 2⋅
Der Betrag des Vektorprodukts ergibt sich also als Fläche des durch die Vektoren
aufgespannten Parallelogramms.
Ziel der Überlegung war es, eine Verknüpfung für die vektoriellen Größen Ort,
Geschwindigkeit und Winkelgeschwindigkeit zu finden.
Es wird nun behauptet, dass
r r r
v =ω ×r
die gesuchte Verknüpfung ist.
r
r
1. v steht senkrecht auf der Winkelgeschwindigkeit ω (weil die Geschwindigkeit in der
r
r
Ebene der Kreisbewegung liegt, und ω darauf senkrecht steht) und senkrecht auf r (denn
die Geschwindigkeit ist tangential).
r r
r
2. ω , r und v bilden ein Rechtssystem, wie man sich anhand der obigen Zeichnung
überzeugen kann.
3.
r
r r
π 
v = v = w ⋅ r ⋅ sin   = wr , wie es ja auch sein muss.
2
r
Bei der gleichförmigen Kreisbewegung ( ω = const.) gilt für die Beschleunigung:
r
r
r dv r dr r r r r r
a=
=ω×
= ω × v = ω × (ω × r ) .
dt
dt
Hierbei wurde vorausgesetzt, dass man für die Ableitung des Kreuzprodukts sinngemäß die
Produktregel verwenden kann.
r
r
r
r
r
Da a senkrecht zu ω und zu v ist, muss a parallel zur r sein. Im Fall der gleichförmigen
r
r
Kreisbewegung ist die Beschleunigung a also parallel zu r auf die Drehachse zu gerichtet.
Man nennt diese Beschleunigung daher Zentripetalbeschleunigung oder
Normalbeschleunigung. Für den Betrag gilt:
2
r
v2
v
a = a = ω ⋅ω ⋅ r =   r =
.
r
r
r
r
( ω und r stehen senkrecht aufeinander)
2.6-1 Circular Motion (http://didaktik.physik.uniApplet:
wuerzburg.de/~pkrahmer/ntnujava/circularMotion/circular3D_e.html)
Bei der nicht gleichförmigen Kreisbewegung muss bei der Ermittlung der Beschleunigung
auch ω mit abgeleitet werden:
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 23 r
r
r
r dv d r r
dω r r dr r r r r
a=
= (ω × r ) =
×r +ω ×
=α ×r +ω ×v
dt dt
dt
dt
r
r
at
an
r
at ist parallel zur Geschwindigkeit und damit zur Tangente und wird als
Tangentialbeschleunigung bezeichnet. Bei der Kreisbewegung treten also zwei
Beschleunigungen auf:
•
Die Normalbeschleunigung oder Zentripetalbeschleunigung ist auf das Zentrum der
Drehbewegung hin gerichtet. Sie verändert den Betrag der Geschwindigkeit nicht, da sie
senkrecht auf der Geschwindigkeit steht. Die Normal- oder Zentripetalbeschleunigung
bewirkt aber, dass der Körper auf der Kreisbahn bleibt.
•
Die Tangentialbeschleunigung hat die Richtung der Geschwindigkeit und bewirkt eine
Veränderung des Betrags der Geschwindigkeit. Sie tritt dann auf, wenn sich die
Winkelgeschwindigkeit ändert, also eine Winkelbeschleunigung wirkt.
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 24 -
3.
Dynamik
3.1
Newtonsche Axiome und Impuls
Die Dynamik befasst sich mit den Ursachen der Bewegung. Aus Erfahrung weiß man, dass
ein ruhender Körper in diesem Zustand verharrt, sofern er nicht beeinflusst wird. Vermeidet
man die Reibung, z.B. durch Bewegung auf einem Luftkissentisch, so verharrt auch ein mit
konstanter Geschwindigkeit bewegter Körper ohne weiteren Einfluss in diesem Zustand.
Filme:
2-12 Shifted Air Track Inertia
2-15 Tablecloth Jerk
2-16 Eggs and Pizza Pan
Kraft: Der Einfluss, der einen Körper veranlasst, seinen Ruhezustand oder seinen Zustand
konstanter Geschwindigkeit zu verändern.
Damit kann das 1. Newtonsche Axiom formuliert werden:
Jeder Körper mit konstanter Masse m verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmig
r
geradlinigen Bewegung, falls er nicht durch äußere Kräfte F gezwungen wird, diesen Zustand
zu ändern.
Oder:
r r
r
Wenn m = const und F = 0 , folgt, dass v = const .
Die Erfahrung lehrt, dass zur Änderung der Geschwindigkeit, also zur Beschleunigung eines
Körpers, eine um so größere Kraft erforderlich ist, je größer die Masse des Körpers ist.
Weiterhin muss die Kraft um so größer sein, je größer die Beschleunigung ist und die
Beschleunigung erfolgt in Richtung der Kraft.
Film: 2-14 Foam Rock
Versuch: Beschleunigter Wagen auf Schiene bei konstanter Kraft
Es gilt also:
r
r
r
r 1
r
a ~ F und a ~ . Damit gilt aber auch F ~ m ⋅ a . Man definiert nun die Einheit der Kraft
m
so, dass die Proportionalitätskonstante 1 wird.
Damit kann nun das 2. Newtonsche Axiom bei konstanter Masse formuliert werden:
r
r
r
dv
F = m⋅a = m .
dt
Dies ist gleichzeitig die Definitionsgleichung der Kraft. Die Einheit der
Kraft ergibt sich daraus zu [F ] = kg
m
und wird als Newton (N) bezeichnet.
s2
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 25 -
Bei konstanter Masse m kann man die Kraft auch schreiben als:
r
r
r
dv d (mv )
F =m
=
.
dt
dt
r
r
Das Produkt mv wird als Impuls bezeichnet und mit dem Symbol p gekennzeichnet. Die
m
Einheit des Impulses ist [ p ] = kg . Die Kraft ergibt sich somit im Fall konstanter Masse als
s
Ableitung des Impulses nach der Zeit. Tatsächlich gilt dies auch für den Fall, dass die Masse
nicht konstant ist!
Daraus ergibt sich die allgemeine Formulierung des 2. Newtonschen Axioms:
r dpr
F=
dt
Film: 05-09 Egg in Sheet
Oft kommt es vor, dass an einem Körper mehrere Kräfte angreifen.
Folie: Mann mit Schlitten
Es gilt nun das Überlagerungsgesetz:
r
Greifen an einem Körper mehrere Kräfte Fi an, so addieren sich die Kräfte wie Vektoren.
Beispiel:
r
F3
r
F1
r
F2
r
r r
r
Fges = F1 + F2 + F3
Applet: 3.1-1 Addition von Kräften (http://www.walter-fendt.de/ph11d/reskraft.htm)
Beispiele für Kräfte
•
•
•
•
•
•
Gewichtskraft (Schwerkraft)
Federkraft
Auftriebskraft
Reibungskraft
Elektrische oder magnetische Kraft
Kernkraft
Drückt man mit der Hand auf eine feste Unterlage, so spürt man eine Gegenkraft. Die
allgemeine Formulierung dieses Zusammenhangs ist das 3. Newtonsche Axiom:
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 26 -
r
Übt ein Körper 1 auf einen Körper 2 eine Kraft F12 aus, so übt der Körper 2 auf den Körper 1
r
r
eine Gegenkraft F21 = − F12 aus.
m1
r
F21
r
F12
m2
Kraft und Gegenkraft greifen also an verschiedenen Körpern an.
Folie: Pferd und Karren
Filme: 2-19 Reaction Gliders Momentum Conservation
2-24 Fire Extinguisher Wagon
3.2
Kräfte
Beispiele für Kräfte sind:
Gewichtskraft: Kraft, die die Erde oder ein anderer Himmelskörper auf einen Körper ausübt.
r
r
Fg = mg
r
g : Erdbeschleunigung (9,81 m/s2)
Im freien Fall wirkt auf einen Körper im Schwerefeld der Erde also die Beschleunigung:
r
r
r Fg mg r
a=
=
=g
m
m
Bei Abwesenheit weiterer Kräfte (z.B. Reibungskräfte) fallen alle Körper gleich schnell.
Film: 1-14 Guinea and Feather
Federkraft
Film: 8-01 Hooke’s Law
F =0
Die Auslenkung der Feder wird
eindimensional betrachtet, daher kann
das Vektorzeichen weggelassen
werden.
x
F = −D ⋅ x
D: Federkonstante
Die Kraft ist entgegengesetzt proportional zur Auslenkung (Hooke'sches Gesetz). Die
Proportionalitätskonstante heißt Federkonstante (Einheit: N/m = kg/s2).
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 27 Federkräfte sind in der Natur weit verbreitet. Das Hooke'sche Gesetz läßt sich fast immer bei
nicht zu großen Auslenkungen anwenden.
Folie: Elastisches Festkörpermodell
Normal- und Tangentialkraft bei der Kreisbewegung
r
ω
r
v
r
r
Ft
α
r
r
r
Fn
r
an
Die Normal- oder Zentripetalbeschleunigung wird durch eine Normal- oder Zentripetalkraft
r
r
r
r
Fn = ma n hervorgerufen, die Tangentialbeschleunigung durch eine Tangentialkraft Ft = ma t .
Reibungskräfte
Diese Kräfte treten auf, wenn Körper gegeneinander bewegt werden. Sie wirken der
bewegenden Kraft entgegen, "bremsen" also die Bewegung.
Versuch: Holzklotz mit Federwaage, Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit
Die Reibungskräfte sind abhängig von der Materialkombination, d.h. davon, welche
Materialien aneinander reiben. Sind Gase beteiligt, z.B. bei der Bewegung eines Flugzeugs in
der Luft, spricht man von Gasreibung. Bei Bewegungen in Flüssigkeiten von
Flüssigkeitsreibung. Wir betrachten zunächst die Reibung zwischen festen Körpern, die
Festkörperreibung:
r
Fr
r
F
K
r
F : bewegende Kraft
r
FN : Normalkraft
r
Fr : Reibungskraft
r
FN
r
Der Körper K drückt mit der Normalkraft FN auf die Unterlage. Normalkraft heißt, dass die
Kraft senkrecht auf der Unterlage steht.
r
Bei kleiner Kraft F wird sich der Körper nicht bewegen.
Versuch: Holzklotz mit Federwaage, Haftreibung
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 28 -
Dies kann nach dem 2. Newtonschen Gesetz nur dann sein, wenn die Gesamtkraft null ist. Die
Gewichtskraft wird durch eine Kraft kompensiert, die die Unterlage auf den Körper ausübt. Es
muss daher die Reibungskraft genauso entgegengesetzt so groß sein wie die bewegende Kraft:
r
r
Fr = − F
r
(für kleine Kräfte F ).
r
Diese Reibungskraft wird Haftreibungskraft FH genannt. Sie ist parallel zur Unterlage. Falls
r
die bewegende Kraft F nicht parallel zur Unterlage gerichtet ist, ist die Haftreibungskraft
genau entgegengesetzt so groß wie die Komponente der Kraft parallel zur Unterlage.
r
Erhöht man die bewegende Kraft F über eine gewisse Grenze, so setzt sich der Körper in
Bewegung. Diese Grenze ist durch die maximale Haftreibungskraft gegeben. Experimentell
findet man den Zusammenhang:
r
r
FH ,max = µ H Fn .
µ H wird Haftreibungszahl oder Haftreibungskoeffizient genannt. Die maximale
Haftreibungskraft hängt nicht von der Auflagefläche und der Geschwindigkeit des Körpers
ab!
Versuch: Holzklotz mit Federwaage und Gewicht: Haft- und Gleitreibung
Film: 03-04 Weight Dependence of Friction
Neigt man die Ebene mit dem Körper um einen Winkel α und lässt nur die Schwerkraft
wirken, ergibt sich eine elegante Möglichkeit, den Haftreibungskoeffizienten zu bestimmen.
Man sucht genau den Winkel αGl, bei dem der Körper sich gerade noch nicht bewegt. Dann
r
wirkt die maximale Haftreibungskraft FH ,max .
r
FH ,max
r
FN
r
Ft
αGl
r
Fg
αGl
r
Fg : Schwerkraft
r
FN : Normalkraft
r
Ft : Tangentialkraft
r
FH ,max : max. Haftreibungskraft
r
r
Auf den Körper wirkt die Schwerkraft Fg = mg , die auf den Mittelpunkt der Erde gerichtet
r
ist. Die Erdanziehungskraft lässt sich als Summe der Normalkraft FN , senkrecht auf der
r
Unterlage, und der Tangentialkraft Ft , parallel zur Unterlage, schreiben:
r
r
r r
Fg = mg = FN + Ft .
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 29 r
r
Der Winkel αGl findet sich zwischen FN und Fg wieder. In diesem rechtwinkligen Dreieck
gilt:
r
FN
r = cos(α Gl ) , also:
Fg
r
r
FN = Fg cos(α Gl ) = mg cos(α Gl ) .
Die Tangentialkraft versucht, den Körper die Ebene herabzubewegen. Sie wird auch als
Hangabtriebskraft bezeichnet. Für diese Kraft gilt:
r
Ft
r = sin(α Gl ) , also:
Fg
r
r
Ft = Fg sin(α Gl ) = mg sin(α Gl ) .
Bei dem Winkel αGl, wenn sich der Körper gerade noch nicht bewegt, müssen die
Tangentialkraft als bewegende Kraft und die maximale Haftreibungskraft gerade
entgegengesetzt gleich sein:
r
r
Ft = mg sin(α Gl ) = µ H FN = µ H mg cos(α Gl ) .
Daraus folgt für den Haftreibungskoeffizienten:
µH =
sin(α Gl )
= tan(α Gl ) .
cos(α Gl )
Der Haftreibungskoeffizient ergibt sich also als Tangens des Winkels, bei dem der Körper
gerade noch nicht rutscht. Wie man der Gleichung entnimmt, hängt dieser Winkel weder von
der Auflagefläche, noch von der Masse des Körpers ab. (Ende des Beispiels Schiefe Ebene)
Film: 03-05 Surface Dependence of Friction
Übersteigt die bewegende Kraft die maximale Haftreibungskraft, so setzt sich der Körper in
Bewegung.
Applet: 3.2-1 Schiefe Ebene (http://www.walter-fendt.de/ph11d/schiefeebene.htm)
Allerdings wirkt auch jetzt eine Reibungskraft, die die Bewegung des Körpers hemmt, so dass
gilt:
r r
r
F + Fr = ma
F − Fr = ma .
r
(2. Newtonsches Axiom), oder, wenn F parallel zur Unterlage ist:
r
Diese Reibungskraft wird Gleitreibungskraft FGl genannt. Sie ist
parallel zur Komponente der bewegenden Kraft in der Ebene der Unterlage und damit parallel
zur Geschwindigkeit. Experimentell findet man für die Gleitreibungskraft den
Zusammenhang:
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 30 r
r
FGl = µ G Fn .
µ G wird Gleitreibungskoeffizient oder Gleitreibungszahl genannt. Die Gleitreibungskraft
hängt, ebenso wie die maximale Haftreibungskraft, nicht von der Auflagefläche und der
Geschwindigkeit ab.
Film: 03-03 Area Dependence of Friction
Gleitreibungs- und Haftreibungskoeffizient sind Materialkonstanten . Sie hängen von der
Materialpaarung und der Oberflächenbeschaffenheit ab. Im allgemeinen ist der
Haftreibungskoeffizient etwas größer als der Gleitreibungskoeffizient.
Folie: Reibungszahlen
Film: 03-02 Static vs. Sliding Friction
Applet: 3.2-2 Reibungskraft (http://jersey.uoregon.edu/vlab/KineticEnergy/index.html)
Auch die Reibungskraft beim Abrollen eines Rades auf einer Unterlage (Rollreibungskraft) ist
bei kleinen Geschwindigkeiten näherungsweise proportional zur Normalkraft. Es gilt:
r
r
Froll = µ r Fn .
µr : Rollreibungszahl oder Rollreibungskoeffizient
Der Rollreibungskoeffizient hängt von der Materialpaarung, der Verformung des Rades und
des Bodens, dem Raddurchmesser und den Reibungsverhältnissen in der Radnabe ab. Bei
Eisenbahnrädern ist µr = 0,002, bei Straßenfahrzeugen ist µr mindestens um den Faktor 10
größer.
Die beschriebenen Reibungsgesetze gelten für die Reibung zwischen Festkörpern. Sind
Flüssigkeiten oder Gase an der Reibung beteiligt, gilt meist:
r
r
r
r
FGl ~ v oder FGl ~ v 2 .
Auftriebskraft
Die Auftriebskraft wirkt auf Körper in Flüssigkeiten und Gasen, die sich in einem
Schwerefeld befinden, also etwa auf Körper in der Luft oder im Wasser an der Erdoberfläche.
Versuch: Kartesischer Taucher
Wir betrachten einen Quader mit Querschnittsfläche AQ und Länge l, der sich auf der
Erdoberfläche in einer Flüssigkeit der Dichte ρ befindet.
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 31 Flüssigkeitsoberfläche
r
Foben
h1
AQ
h2
l
r
Fs
r
Funten
In einem Gas oder einer Flüssigkeit auf der
Erdoberfläche gilt der Druck p:
p=
r
− Fs
F
= ρgh
A
F: Kraft auf die Fläche A
ρ: Dichte des Gases bzw.
der Flüssigkeit
h: Höhe der Gas- bzw.
der Flüssigkeitssäule
Die seitlichen Kräfte kompensieren sich gerade paarweise, sie spielen also für den Auftrieb
keine Rolle. Auf die obere Fläche wirkt die Kraft:
Foben = ρgh1 AQ ,
auf die untere Fläche die Kraft:
Funten = ρgh2 AQ .
Beide Kräfte sind entgegengesetzt gerichtet. Der Betrag der Gesamtkraft ergibt sich also als
Differenz:
FA = Funten − Foben = ρgAQ (h2 − h1 ) = ρgAQ l = ρgV = m Fl g ,
mit mFl = ρV als Masse der vom Körper verdrängten Flüssigkeit. mFl.g ist aber gerade gleich
der Gewichtskraft auf die vom Körper verdrängte Flüssigkeit. Die gleichen Überlegungen
treffen auch auf Gase zu. Gase und Flüssigkeiten fasst man unter dem Begriff Fluide
zusammen.
Es gilt also:
Die Auftriebskraft ist entgegengesetzt gleich der Gewichtskraft auf das vom Körper
verdrängte Fluid.
Bei Schiffen auf der Wasseroberfläche ist die Auftriebskraft gerade so groß, dass die Summe
aus Schwerkraft und Auftriebskraft null ergibt. Bei Heißluftballons in der Aufstiegsphase ist
die Auftriebskraft größer als die Schwerkraft.
Scheinkräfte / Trägheitskräfte
Bisher wurden alle Vorgänge aus einem ruhenden Bezugssystem heraus betrachtet. Begibt
man sich in ein beschleunigtes Bezugssystem, so treten zusätzlich Schein- oder
Trägheitskräfte auf.
Wenn man bei konstanter Geschwindigkeit mit einem Bus fährt, wirken keine Kräfte in
Fahrtrichtung. Nun bremst der Bus ab. Wenn keine Kraft auf den Passagier wirkt, wird er sich
mit konstante Geschwindigkeit weiter bewegen (1. Newton’sches Axiom). Relativ zum Bus
wird er aber beschleunigt. Im beschleunigten Bezugssystem des Buses wird man also auf eine
beschleunigende Kraft schließen, die im Moment des Bremsens auf den Passagier wirkt.
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 32 -
Ein weiteres Beispiel:
r
a
r
Es sei ein beschleunigendes Auto betrachtet. Auf den Fahrer wirkt eine Beschleunigung a
r
r
und damit eine Kraft F = ma in Richtung der Beschleunigung. In seinem beschleunigten
Bezugssystem (Auto) befindet sich der Fahrer aber in Ruhe. In diesem Bezugssystem muss
r
also auf den Fahrer eine weitere Kraft F ' wirken, so dass die Gesamtkraft null ist:
r r r
F + F'= 0 .
Für die Größe dieser Kraft findet man:
r
r
F ' = − ma .
Sie ist also der Beschleunigung entgegengerichtet und drückt den
Fahrer in den Sitz. Da diese Kraft nur im beschleunigten System auftritt, bezeichnet man sie
als Schein- oder Trägheitskraft. Schein- oder Trägheitskräfte haben keine Gegenkräfte!
Ein rotierendes Bezugssystem stellt ebenfalls ein beschleunigtes Bezugssystem dar. Auch hier
ist die Scheinkraft der Beschleunigung entgegengerichtet. Der Normal- oder Zentripetalkraft,
die auf das Zentrum der Rotationsbewegung zeigt, entspricht also eine entgegengesetzt
gerichtete Kraft, die Zentrifugalkraft. Sie drückt z.B. den Fahrer eines Autos in der Kurve
nach außen oder die Milch an den Außenrand der Zentrifuge.
Eine weitere Scheinkraft ist die Coriolis-Kraft bei rotierenden Bezugssystemen. Sie beträgt
r
r r
Fc = 2mv × ω
r
v ist die Geschwindigkeit im rotierenden System.
Folie: Coriolis-Kraft
Film: 06-14 Coriolis Effect
06-13 Foucault-Pendulum
3.3
Impulserhaltung
Es seien zwei Körper betrachtet, die gegenseitig Kräfte aufeinander ausüben. Weitere Kräfte,
genannt äußere Kräfte, sind nicht im Spiel.
m1
r
F21
r
F12
m2
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 33 r
r
Das dritte Newtonsche Axiom sagt: F21 = − F12 . Nach dem zweiten Newtonschen Axiom
war aber:
r dpr d (mvr )
=
, also wird:
F=
dt
dt
r
r
r
r
d (m1v1 )
d (m 2 v 2 )
= − F12 = −
.
F21 =
dt
dt
r
r
r
d
(m1v1 + m2 v 2 ) = 0 .
dt
Dies lässt sich schreiben als:
Daraus folgt aber, dass
r
r
r
r
r
m1v1 + m2 v 2 = p1 + p 2 = p ges = const.
Impulserhaltungssatz für zwei Körper
Für zwei Körper, bei denen nur Kräfte zwischen den Körpern wirken (nur innere, keine
äußeren Kräfte), bleibt die Summe der Impulse konstant.
Applet: 3.3-1 Impulserhaltung
(http://www.schulphysik.de/java/physlet/applets/stoss02.html)
Allgemein gilt für N Körper ohne äußere Kräfte:
N
N
r
r
r
m
v
=
∑ i i ∑ pi = p ges = const.
i =1
Impulserhaltungssatz
i =1
In einem System ohne äußere Kräfte bleibt der Gesamtimpuls als Summe aller Impulse
konstant.
Film: 05-05 High Bounce
Da der Gesamtimpuls die vektorielle Summe aller Impulse ist, kann der Impuls eines Körpers
durchaus größer als der Gesamtimpuls sein!
3.4
Drehmoment
r
r
Es sei ein starrer Körper betrachtet, der drehbar gelagert ist. Man lasse eine Kraft F am Ort r
wirken.
Versuch: Drehbar gelagertes Rad mit Federwaage
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 34 -
r
M
r
F
r
Ft
r
r
Experimentell findet man, dass die "Drehwirkung",
also die Winkelbeschleunigung, abhängt von
r
• dem Betrag der Kraft F ,
r
r
• dem Winkel zwischen F und r , sowie
• dem Abstand der Kraft von der Drehachse.
ϕ
Als Maß für die Drehwirkung (Winkelbeschleunigung) der Kraft führt man das Drehmoment
M ein.
Aus M ~ F, M ~ sinϕ und M ~ r folgt:
M = r ⋅ F ⋅ sin ϕ = r ⋅ Ft . Die Einheit des Drehmoments ist das Newtonmeter Nm.
Da ein Drehmoment eine Drehbewegung hervorruft, ist es sinnvoll, ihm als Vektor die
Richtung der Drehachse zu geben.
r r r
M = r×F
Dies ist die vektorielle Form der Definition des Drehmoments.
r
Die Orientierung des Drehimpulses ist so, dass die Drehung in Richtung von M eine
Rechtsschraube darstellt. Stellt der Daumen der rechten Hand die Richtung des Drehmoments
dar, so erfolgt die Drehung in Richtung der Finger.
Analog zum Überlagerungsgesetz der Kräfte gilt das Überlagerungsgesetz für Drehmomente:
Greifen mehrere Kräfte an einem Körper an, so addieren sich die Drehmomente wie
Vektoren.
Anders als bei der Summenbildung der Kräfte kommt es bei der Ermittlung der Drehmomente
sehr wohl auf den Ort an, an dem die Kraft angreift. Es ist also nicht zulässig, erst die Summe
der Kräfte zu berechnen und daraus dann das Drehmoment. Für jede einzelne Kraft muss das
Drehmoment ermittelt werden, und daraus dann die vektorielle Summe gebildet werden.
Applet: 3.4-1 (http://www.ipn.uni-kiel.de/abt_physik/drehmomente/kap_02.html)
3.5
Gleichgewichtsbedingungen
Wann ist ein Körper in Ruhe? Offensichtlich muss die Gesamtkraft null sein, denn sonst gilt
r
r
nach dem 2. Newtonschen Axiom: F = ma . Andererseits reicht diese Bedingung nicht aus.
Dafür sei folgende Anordnung betrachtet:
r
r
r
−r
r
−F
r
F
Die Summe der Kräfte ist null.
Das Gesamt-Drehmoment ist:
r r r
r
r
r r
M = r × F + ( − r × − F ) = 2r × F ,
also verschieden von null.
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 35 -
Der Körper wird sich also drehen. Somit wird die Gleichgewichtsbedingung:
m
∑
i =1
r r
Fi = 0
r
r
M
=
0
∑ j
n
j =1
Ein Körper ist in Ruhe, wenn die Summe aller Kräfte null ist und die Summe aller
Drehmomente null ist.
Film: 04-14 Balancing Meter Stick
Versuch: Balancieren eines Metermaßstabs
Man charakterisiert nun einen Gleichgewichtszustand danach, wie sich das System bei
kleinen Abweichungen vom Gleichgewichtszustand verhält.
Stabiles Gleichgewicht: eine kleine Abweichung vom Gleichgewichtszustand führt zu Kräften
oder Drehmomenten, die das System wieder in Richtung des Gleichgewichtszustands
bewegen. Beim Vorliegen von Reibung nimmt das System nach einiger Zeit wieder den
Gleichgewichtszustand ein.
r
F
Stabiles Gleichgewicht
Labiles Gleichgewicht: eine kleine Abweichung vom Gleichgewichtszustand führt zu Kräften
oder Drehmomenten, die das System vom Gleichgewichtszustand weg bewegen.
r
F
Labiles Gleichgewicht
Indifferentes Gleichgewicht: eine kleine Auslenkung bewirkt keine Änderung des
Gleichgewichtszustands.
Indifferentes
Gleichgewicht
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 36 3.6
Drehimpuls und Drehimpulserhaltung
r
r
Das Drehmoment M wurde aus der Kraft F durch Vektormultiplikation mit dem Ortsvektor
r r r
r
r gebildet gemäß M = r × F . Analog definiert man einen Drehimpuls für einen
Massenpunkt als:
r r r
L = r × p.
r
p ist der Impuls. Die Einheit des Drehimpulses ist kgm2/s.
r
r
r
Der Drehimpuls steht also senkrecht auf r und auf p , also auf v . Damit hat der Drehimpuls
in der unten gezeigten Anordnung die Richtung der Drehachse. Der Drehimpuls ist aber für
beliebige Bezugspunkte definiert. Richtung und Betrag des Drehimpulses hängen vom
gewählten Bezugspunkt ab!
r
L
r
ω
r
v
r
p
r
α
r
r
Was geschieht bei Änderung des Drehimpulses? Dazu sei die Ableitung betrachtet:
r
r
r
r
r r r
r r r r
r
dL d r r
d r
dr r r
dv
= (r × p) = (r × mv ) = m × v + r × m
= mv × v + r × ma = 0 + r × F = M
dt dt
dt
dt
dt
Die Ableitung des Drehimpulses ist also gleich dem Drehmoment:
r
r
dL
=M
dt
r
dp r
Diese Beziehung entspricht dem 2.Newtonschens Axiom
=F.
dt
Film: 06-02 Bike Wheel Angular Acceleration
Sie wurde für Massenpunkte hergeleitet, gilt aber für alle Körper! Den Drehimpuls eines
r r r
beliebigen Körpers kann man hingegen nicht unmittelbar aus der Gleichung L = r × p
r
berechnen, da ja jedes Massenelement einen anderen Ortsvektor r hat.
Es gilt nun für den Drehimpuls auch ein Überlagerungsgesetz:
Besteht ein System aus N Massenpunkten, so ist der Gesamtdrehimpuls gleich der
vektoriellen Summe der Drehimpulse der Massenpunkte. Natürlich müssen sich dabei alle
Drehimpulse auf denselben Bezugspunkt beziehen.
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 37 Drehimpulserhaltung
r
r
dL
= M folgt sofort:
Aus
dt
r
r r
L = const. für M = 0 .
Der Drehimpuls eines Massenpunkts ist konstant, wenn kein
Drehmoment wirkt.
Betrachtung zweier Massenpunkte:
m1
r
r1
Aus dem 3. Newtonschen Axiom folgt:
r
F21
r
r
F21 = − F12 . Das Gesamtdrehmoment ist:
r r
r1 − r2
r
F12
r
r2
m2
r
r
r
r r
r r
r r
r r
M = M 1 + M 2 = r1 × F21 + r2 × F12 = r1 × F21 − r2 × F21
r
r
r
r r
r r
= (r1 − r2 ) × F21 = 0 , da r1 − r2 parallel zu F21 ist.
Für innere Kräfte ist das Drehmoment null!
Betrachtet man die Änderung des Drehimpulses, müssen also nur die äußeren Drehmomente
berücksichtigt werden. Für N Massenpunkte gilt:
r
r
r
r
L
=
L
=
const
für
M
=
0
∑ i ges
ext
N
Drehimpulserhaltungssatz
i =1
Wirken keine äußeren Drehmomente, so bleibt der Gesamtdrehimpuls eines Teilchensystems
konstant.
Film: 07-01 Marbles and Funnel
07-02 Train on a Circular Track
07-09 Satellite Derotator
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 38 -
4.
4.1
Arbeit und Energie
Kraft und Weg als Ursache der Arbeit, Skalarprodukt
Der Begriff der Arbeit ist umgangssprachlich belegt und steht irgendwie in Zusammenhang
mit "Anstrengung". Daher erfolgt zunächst die Definition der Arbeit im physikalischen Sinn.
Der Betrag der Arbeit, die von einer Kraft an einem Körper verrichtet wird, ist gleich dem
Produkt aus dem Betrag der Verschiebung des Körpers und dem Betrag der Komponente der
Kraft in Richtung der Verschiebung. Die Arbeit ist positiv, wenn die Komponente der Kraft in
Richtung der Verschiebung in die gleiche Richtung wie die Verschiebung zeigt, sonst ist sie
negativ.
ϕ
K
r
F
r
F=
r
F : bewegende Kraft
r
F= :
Komponente der Kraft in
Richtung der Verschiebung
r
∆x
Im obigen Beispiel ist die Arbeit also:
r r
W = ∆x ⋅ F= .
Dabei ist W positiv, da die Komponente der Kraft in Richtung der
Verschiebung in die Richtung der Verschiebung zeigt. In diesem Fall wird an dem Körper
Arbeit verrichtet. Zeigt die Verschiebung in die entgegengesetzte Richtung, verrichtet der
Körper Arbeit.
Die Arbeit ist kein Vektor, sondern eine skalare Größe. Sie hat die Einheit Nm, die auch als J
(Joule, gesprochen: Juhl) bezeichnet wird.
Versuch: Holzklotz und Federwaage
Bezeichnet ϕ den Winkel zwischen der Kraft und der Verschiebung, kann man für die
Projektion der Kraft auf die Richtung der Verschiebung schreiben:
r
F=
cos(ϕ ) = r .
F
Daraus folgt:
r
r
F= = F ⋅ cos(ϕ ) .
Damit kann man die Arbeit schreiben als:
r r
W = ∆x ⋅ F ⋅ cos(ϕ ) .
Zur Vereinfachung der Schreibweise führt man ein weiteres Produkt von Vektoren ein, das als
Ergebnis eine Zahl, also eine skalare Größe hat: das Skalarprodukt.
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 39 -
Skalarprodukt
r
r
Das Skalarprodukt ordnet zwei Vektoren a und b eine Zahl zu, für die gilt:
r r r r
a ⋅ b = a b cos ϕ .
r
r
ϕ ist dabei der Winkel zwischen a und b .
Der Punkt „.“ kennzeichnet dabei das Skalarprodukt im Gegensatz zum Kreuz des
Vektorprodukts und sollte nicht weggelassen werden.
Geometrisch kann man sich die Bedeutung des Skalarprodukts an der folgenden Zeichnung
veranschaulichen:
r
a
r
a'
r = cos ϕ , also: a ' = a cos ϕ
a
r
b
ϕ
a‘
r
r
Die Strecke a‘ ist die Länge der Projektion von a auf b , d.h., der Betrag der Komponente
r
r
von a in Richtung b . Das Skalarprodukt ergibt sich also aus dem Produkt des Betrages von
r
r
r
b und der Länge der Projektion von a auf b .
Aus der Definition des Skalarprodukts folgt:
r r r r
r2
a ⋅ a = a a cos 0 o = a , bzw.
r
r r
a = a⋅a .
Der Betrag eines Vektors ist gleich der Wurzel aus dem Skalarprodukt mit sich selbst.
Ohne Beweis seien weiterhin die folgenden Eigenschaften des Skalarprodukts genannt:
In einem rechtwinkligen, normierten Koordinatensystem gilt:
 a x   bx 
r r    
a ⋅ b =  a y  ⋅  b y  = a x bx + a y b y + a z bz .
a  b 
 z  z
Daraus folgt wiederum:
r r r r
a ⋅b = b ⋅a
(Kommutativität)
( )
r r
r r
a ⋅ (cb ) = c a ⋅ b
(Zahlen können aus dem Skalarprodukt herausgezogen werden)
(ar + b )⋅ cr = ar ⋅ cr + b ⋅ cr
r
r
(Distributivität)
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 40 -
Somit kann man für die Arbeit schreiben:
r r
r r
W = ∆x ⋅ F ⋅ cos(ϕ ) = ∆x ⋅ F .
Die Arbeit ist gleich dem Skalarprodukt aus der Kraft und der Verschiebung!
Steht die Kraft senkrecht auf der Verschiebung, ist die Arbeit null. Das ist z.B. für alle
Führungskräfte der Fall, etwa die Zentripetalkraft bei der Kreisbewegung. Daraus resultiert
der Satz:
Führungskräfte leisten keine Arbeit!
Diese Definition der Arbeit über Verschiebung und Kraft in Richtung der Verschiebung
ermöglicht es, die Arbeit zu berechnen, wenn die Kraft entlang der Verschiebung konstant ist,
und der Winkel zwischen Kraft und Verschiebung sich nicht ändert.
4.2
Arbeit bei veränderlicher Kraft und ungeradliniger Verschiebung
Im Allgemeinen werden Kraft und Winkel zwischen Verschiebung und Kraft nicht räumlich
konstant sein, z.B. wenn die Verschiebung längs einer gekrümmten Bahn erfolgt, oder die
r
Kraft sich ändert. Man teilt nun die gesamte Verschiebung in lauter Teilstrecken ∆ri , d.h.,
man macht aus der gekrümmten Kurve einen Polygonzug.
r
r2
r
∆ri
r
r1
ϕi
r
Fi
Für das kleine Wegelement ∆ri können
r
Kraft Fi und Winkel ϕ i näherungsweise als
konstant angenommen werden. Damit lässt
sich die Arbeit, die bei der Verschiebung
r
um ∆ri am Körper verrichtet wird,
schreiben als:
r r
r r
∆Wi = Fi ⋅ ∆ri = Fi ∆ri cos ϕ i .
Die gesamte Arbeit bei der Verschiebung entlang des Polygonzugs ist also:
N
N r
r
WPoly ,12 ≈ ∑ ∆Wi = ∑ Fi ⋅ ∆ri .
i =1
Das Ergebnis stimmt auch für den Polygonzug nicht
i =1
r
exakt, da die Kraft ja entlang der Verschiebung ∆ri sich noch ändern kann. Je kleiner die
Teilstrecke ist, um so weniger wird sich allerdings die Kraft entlang der Teilstrecke ändern.
r
r
Das exakte Ergebnis für die Arbeit entlang der gekrümmten Kurve von r1 nach r2 ergibt sich
r
als Grenzwert, wenn man die Länge der Teilstrecken ∆r gegen null gehen lässt.
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 41 N r
r
W12 = lim
r r ∑ Fi ⋅ ∆ri .
∆r →o
Diesen Grenzwert einer Summe schreibt man verkürzt:
i =1
r
r2
r r r
W12 = ∫ F (r ) ⋅ dr
Arbeit ist das Wegintegral der Kraft.
r
r1
Die Integration erfolgt entlang der Verschiebungskurve.
Beispiel: Verschiebearbeit
r
F
r
∆x
2 r
2
r r
r
r r
r r r r
W12 = ∫ F (r ) ⋅ dr = F ⋅ ∫ dr = F ⋅ (r2 − r1 ) = F ⋅ ∆x
1
1
Beispiel: Hubarbeit
r
F muss die Gewichtskraft kompensieren, also
r
F
2
2
2
r r
r
r r
r
r
r r r
W12 = ∫ F (r ) ⋅ dr = ∫ − mg ⋅ dr = −mg ⋅ ∫ dr = −mg ⋅ (r2 − r1 )
1
h
1
= −mgh cos(180 0 ) = mgh
Beispiel 3: Beschleunigungsarbeit
r
F
v0=0
v
r
Der Einfachheit halber sei der Fall a = const betrachtet.
2
r r
r
r
r
r r r
r r
W12 = ∫ F (r ) ⋅ dr = ma ⋅ ∫ dr = ma ⋅ (r2 − r1 ) = ma ⋅ ∆x .
2
1
r 1r
∆x = at 2 ,
2
Nun ist aber
1
r 1r
1 r
1 r
1
also ist W12 = ma ⋅ at 2 = ma 2 t 2 = m(at ) 2 = mv 2 .
2
2
2
2
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
1
- 42 -
4.3
Leistung
Die mittlere Leistung ist definiert als
P=
∆W
, die momentane Leistung als
∆t
P = lim
∆t → 0
∆W dW
=
.
∆t
dt
Die Einheit der Leistung ist J/s = W (Watt)
Innerhalb eines kleinen Zeitintervalls ∆t verläuft die Verschiebung nahezu geradlinig. Dann
kann man schreiben:
r r
r r r r
r
r
∆W
F ⋅ ∆r
∆r
dr
P = lim
= lim
= F ⋅ lim
=F⋅
= F ⋅v .
∆t →0 ∆t
∆t →0
∆t →0 ∆t
∆t
dt
4.4
Energie
Arbeit und Energie stehen in enger Beziehung.
Die Energie kennzeichnet die Fähigkeit eines Körpers oder Systems, Arbeit zu verrichten.
Arbeit ist also eine Austauschgröße, Energie eine Systemeigenschaft.
Die Einheit der Energie ist gleich der Einheit der Arbeit, also Nm, J oder Ws.
Kinetische Energie (Bewegungsenergie)
1
mv 2 aufgebracht
2
werden, um einen Körper der Masse m von der Geschwindigkeit null auf die Geschwindigkeit
Wie im dritten Beispiel gezeigt, muss die Beschleunigungsarbeit W =
r
v zu beschleunigen. Wird der Körper mit einer Kraft F auf null abgebremst, kann er genau
diese Arbeit wieder leisten:
r
F
V
V=0
Also hat der mit der Geschwindigkeit v bewegte Körper ein bestimmtes Maß an Energie,
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 43 Ek =
genannt kinetische Energie:
1
mv 2
2
Wird ein Körper von der Geschwindigkeit v1 auf die Geschwindigkeit v2 beschleunigt, so
kann man sich den Vorgang aufgeteilt denken in zwei Prozesse:
1. Der Körper wird von v1 auf null abgebremst. Dabei gibt er Arbeit ab:
1
2
W10 = − mv1 .
2
2. Anschließend wird er auf die Geschwindigkeit v2 beschleunigt. Dabei wird an ihm die
Beschleunigungsarbeit
W02 =
1
mv 22
2
geleistet.
Die Gesamtarbeit ist gleich der Summe der Einzelarbeiten:
W12 = W10 + W01 =
1 2 1 2
mv 2 − mv1 = E k (v 2 ) − E k (v1 ) .
2
2
Wenn die Energie aber eine Systemeigenschaft ist, kann sie nicht davon abhängen, auf
welchem Weg man den Zustand erreicht hat, daher gilt allgemein:
Die Beschleunigungsarbeit, die an einem Körper geleistet wird, ist gleich der Differenz der
kinetischen Energien von End- und Anfangszustand.
4.5
Konservative Kräfte und potentielle Energie
Es sei die Bewegung eines Körpers in einem konstanten Kraftfeld betrachtet:
r
F
2
Für die geleistete Arbeit ergibt sich:
2
2
r r
r r
r r r r
W12 = ∫ F (r ) ⋅ dr = F ⋅ ∫ dr = F ⋅ (r2 − r1 )
1
1
1
Jede andere Kurve zwischen den Punkten 1 und 2 liefert aber auch die gleiche Arbeit!
Die Arbeit ist also unabhängig vom Weg!
Man führt nun eine besondere Klasse von Kräften ein, die genau diese Bedingung erfüllen:
Konservative Kraft: Kraft, für die die Arbeit unabhängig vom Weg ist, und nur von Anfangsund Endpunkt abhängt.
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 44 -
Beispiele für konservative Kräfte:
Gravitationskraft, Coulombkraft
Gegenbeispiel: Reibungskraft
2
W12, direkt ≤ W12,überA
1
A
Wird in einem konservativen Kraftfeld gegen die Kraft Arbeit an einem Körper geleistet, er
z.B. im Schwerefeld der Erde angehoben, so kann er anschließend Arbeit verrichten, z.B.
Beschleunigungsarbeit. Es steckt also in dem Körper das Vermögen oder Potential, Arbeit zu
verrichten. Dies ist die potentielle Energie, die wie folgt definiert ist:
Die Differenz der potentiellen Energien eines Körpers an den Punkten 1 und 2 ist gleich der
Arbeit, die von der konservativen Kraft geleistet wird, um ihn von 1 nach 2 zu bringen.
r
r
E p (r1 ) − E p (r2 ) = W12
•
•
•
Die potentielle Energie ist nur für konservative Kräfte definiert.
Gemäß Definition ist W12 die Arbeit, die von der konservativen Kraft am Körper geleistet
wird, z.B. die Beschleunigungsarbeit im Schwerefeld. Da diese Arbeit positiv ist, kann die
Bewegung immer nur von einem Punkt größerer potentieller Energie zu einem Punkt
kleinerer potentieller Energie erfolgen.
Da die Arbeit bei einer konservativen Kraft nicht vom Weg, sondern nur von Anfangsund Endpunkt abhängt, kann man jedem Punkt des Kraftfelds eine potentielle Energie
zuordnen. Das Feld der potentiellen Energie ist ein skalares Feld, im Gegensatz zum
Kraftfeld, das i.d.R. ein Vektorfeld ist.
Da nur die Differenz potentieller Energien durch die Arbeit W12 bestimmt ist, ist die
potentielle Energie auch nur bis auf eine Konstante bestimmt.
r
r
Mit E ' p (r ) = E p (r ) + C
folgt
r
r
r
r
E ' p (r1 ) − E ' p (r2 ) = E p (r1 ) − E p (r2 ) = W12 .
Da die Konstante C willkürlich gewählt werden kann, kann die potentielle Energie auch
negative Werte annehmen.
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 45 Beispiel: potentielle Energie im Erdfeld
r
Fg
z
Die Schwerkraft ist in der Nähe der
Erdoberfläche nahezu konstant:
z1
1
h
2
z2
x
r
 0 
 . Bei einer
Fg = m
− g
Verschiebung in Richtung der
Erdoberfläche ist die Kraft senkrecht
zur Verschiebung, so dass dabei
keine Arbeit verrichtet wird. Die potentielle Energie ist also unabhängig von x!
Zur Berechnung der potentiellen Energie wird die Arbeit betrachtet, die die Kraft am Körper
leistet:
r
r2
r
r r r r2 r
 0  r r
 0   x 2 − x1 
 = − mg ( z 2 − z1 ) = mg ( z1 − z 2 ) = mgh
 ⋅ (r2 − r1 ) = m
 ⋅ 
W12 = ∫ F ⋅ dr = F ⋅ ∫ dr = m
r
r
− g 
 − g   z 2 − z1 
r1
r1
r
r
Nun ist aber W12 = E p (r1 ) − E p (r2 ) . Da die potentielle Energie nur bis auf eine Konstante
 x
festgelegt ist, kann man die Konstante so wählen, dass E p ( ) = 0. Damit wird
0
r
E p (r ) = mgz .
Die obigen Überlegungen gelten nur solange, wie die Gravitationskraft als konstant
angenommen werden kann. Entfernt man sich weit von der Erdoberfläche, so ändert sich aber
sehr wohl die Gravitationskraft. Es ergibt sich dann die folgende Abhängigkeit der
potentiellen Energie vom Abstand:
Potentielle Energie
P o te n tie lle E n e rg ie im E rd fe ld
A b s ta n d v o n d e r E rd o b e rflä c h e
Erdradius
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 46 Ein Körper, der im Schwerefeld der Erde ohne Anfangsgeschwindigkeit losgelassen wird,
bewegt sich immer auf die Erde zu. Daher muss die potentielle Energie mit zunehmendem
Abstand von der Erde ansteigen. Die Erdanziehungskraft nimmt mit zunehmendem Abstand
ab, also nimmt auch die Arbeit ab, die die Gravitationskraft entlang gleichlanger Strecken
leistet. Die Kurve der potentiellen Energie muss also mit zunehmendem Abstand immer
flacher werden. Die Skalierung der Energieachse hängt von der Masse des betrachteten
Körpers im Schwerefeld ab. Der Nullpunkt der Energieachse kann willkürlich gewählt
werden. Meist wählt man ihn so, dass die potentielle Energie im Unendlichen null wird.
Film: 03-10 X-Squared Spring Energy Dependence
4.6
Energieerhaltung bei konservativen und nichtkonservativen Kräften
Bei konservativen Kräften gilt für die Arbeit, die die Kraft am Körper leistet:
r
r
W12 = E p (r1 ) − E p (r2 ) . Andererseits gilt für die Beschleunigungsarbeit:
W12 =
1
m(v 22 − v12 ) = E k (v 2 ) − E k (v1 ) .
2
Dabei ist v1 die Geschwindigkeit des Körpers zu
r
dem Zeitpunkt, an dem er sich bei r1 befindet, v2 entsprechend.
Also wird:
r
r
W12 = E p (r1 ) − E p (r2 ) = E k (v 2 ) − E k (v1 ) . Daraus folgt:
r
r
E p (r1 ) + E k (v1 ) = E p (r2 ) + E k (v 2 ) .
Mit Einführung einer Gesamtenergie E = E p + E k erhält man daraus:
E = E p + E k = const .
Energieerhaltungssatz für konservative Kräfte
Bei konservativen Kräften bleibt die Gesamtenergie als Summe aus kinetischer und
potentieller Energie konstant.
Man beachte, dass die Gesamtenergie als Summe von potentieller und kinetischer Energie
auch negative Werte annehmen kann!
Film: 03-13 Galileos Pendulum
03-14 Bowling Ball Pendulum
Applet 4.6-1: Energieerhaltung beim schwingenden System (http://www.peterjunglas.de/fh/publications/physik-applets/applets/kap_8/applet7/energyspring.htm)
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 47 -
Beispiel: Freier Fall
z
r
vh = 0
m
h
Die Gewichtskraft ist eine konservative
Kraft, die potentielle Energie ist
E p = mgz , die kinetische Energie
r
v0
Ek =
1
mv 2 .
2
Damit lässt sich der Energieerhaltungssatz anwenden:
E = const = E p (h) + E k (v h ) = E p (0) + E k (v0 ) .
mgh =
1
2
mv0 ,
2
daraus folgt:
Werden die Energien eingesetzt, folgt:
v 0 = 2 gh .
Die Anwendung des Energieerhaltungssatzes bietet also eine elegante und schnelle Methode,
die Geschwindigkeit zu berechnen. Eine Berechnung über Kraft und Beschleunigung würde
auch zum Ziel führen, allerdings mit erheblich mehr Aufwand.
Film: 03-11 High Bounce Paradox
Energieerhaltung bei nichtkonservativen Systemen
Bei nichtkonservativen Kräften hängt die Arbeit vom Weg ab (Beispiel: Reibungskraft).
Damit gibt es auch keine potentielle Energie, aus deren Differenz an zwei Orten sich die
Arbeit ergibt. Damit gilt auch nicht der Energieerhaltungssatz für konservative Kräfte:
E p + E k = const .
Man verallgemeinert jetzt den Energieerhaltungssatz für konservative Kräfte, indem man eine
weitere Energieart Er einführt, die die gesamte Energie umfasst, die weder potentielle noch
kinetische Energie ist. Er kann z.B. Wärmeenergie, Strahlungsenergie oder
Verformungsenergie, oder auch eine Kombination davon sein.
Damit gilt:
r
r
E p (r1 ) + E k (v1 ) + E r ,1 = E p (r2 ) + E k (v 2 ) + E r , 2 ,
oder auch:
E p + E k + E r = const .
Energieerhaltungssatz
In einem abgeschlossenen System bleibt die Gesamtenergie konstant.
Für diesen Energieerhaltungssatz gibt es keinen Beweis. Er ist zunächst eine Behauptung, die
experimentell bestätigt werden muss. In der Tat gibt es kein Experiment, bei dem
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 48 nachgewiesen werden konnte, dass der Energieerhaltungssatz nicht gilt. Man muss nur alle an
einem System beteiligten Energiearten berücksichtigen.
Beispiel: Freier Fall mit Aufprall
Applet: 4.6-2: Fallender Körper mit Energieverlust
(http://jersey.uoregon.edu/vlab/PotentialEnergy/index.html)
Es sei angenommen, dass der Körper nach Durchfliegen der Strecke h auf ein Hindernis
(Boden) aufprallt und zur Ruhe kommt. Dann ist v = 0 , also E k = 0 und der
Energieerhaltungssatz für konservative Kräfte gilt nicht. Misst man jedoch die Temperatur
des Körpers vor und nach dem Aufprall, stellt man fest, dass sie sich erhöht hat.
Offensichtlich enthält der Körper also Wärmeenergie. Misst man die Temperatur des
Hindernisses stellt man fest, dass sich auch diese erhöht hat. Weiterhin haben sich der Körper
und das Hindernis geringfügig verformt. Beim Aufprall war weiterhin ein lautes Geräusch zu
hören. Dies alles muss nun im Energieerhaltungssatz berücksichtigt werden.
Die Energie Er setzt sich also zusammen aus:
Er = EWärme, Körper + EWärme, Hindernis + EVerformung , Körper + EVerformung , Hindernis + Eakustisch
Führt man sehr genaue Messungen durch, so stellt man fest, dass Er nach dem Aufprall genau
gleich mgh ist, so dass der Energieerhaltungssatz
E p + E k + E r = const
gilt.
Impulserhaltungssatz, Drehimpulserhaltungssatz und Energieerhaltungssatz sind die
fundamentalen Erhaltungssätze der klassischen und nichtklassischen Physik. In der
Elementarteilchen-Physik gelten darüberhinaus noch einige weitere Erhaltungssätze.
Film: 03-16 Hand Cranked Generator
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 49 -
5.
Teilchensysteme
5.1
Massenmittelpunkt
Reale Körper oder Systeme bestehen meist aus mehreren Teilchen (Molekülen, Atome,
Nukleonen, Quarks), z.B.
•
•
Gase und Flüssigkeiten: Abstände zwischen den Teilchen variieren zeitlich,
Festkörper: Abstände sind (näherungsweise) konstant.
In mancher Hinsicht lassen sich Teilchensysteme wie Massenpunkte behandeln, in anderer
nicht.
Es seien zwei Massenpunkte betrachtet:
r
v1
m1
r
r1
r
rs
Die Impulse lauten:
r
r
r
r
p1 = m1 v1 und p 2 = m 2 v 2 .
m2
r
r2
Der Gesamtimpuls:
r
v2
r r
r
r
r
p = p1 + p 2 = m1 v1 + m 2 v 2 .
Also ist:
r
r
dr1
dr2 d
r
r
r
p = m1
+ m2
= (m1 r1 + m 2 r2 ) .
dt
dt dt
Man definiert jetzt einen Massenmittelpunkt oder Schwerpunkt so, dass
r
r
r
(m1 + m 2 )rs = m1 r1 + m 2 r2 .
r
r
r m1 r1 + m 2 r2
rs =
.
m1 + m 2
r
Daraus folgt für rs :
Setzt man dies in den Gesamtimpuls ein, erhält man:
r
drs
r d
r
r
p = ((m1 + m 2 )rs ) = m
= mv s .
dt
dt
m: Gesamtmasse
r
v s : Geschwindigkeit des
Schwerpunkts
Der Gesamtimpuls ist also gleich der Gesamtmasse mal der Geschwindigkeit des
Schwerpunkts. Das System verhält sich hinsichtlich des Impulses so, als ob die gesamte
Masse im Schwerpunkt vereinigt sei.
Für Systeme aus N Teilchen gilt entsprechend:
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 50 N
N
r
r
mrs = ∑ mi ri und m = ∑ mi .
i =1
i =1
Ein System mit kontinuierlicher Massenverteilung, etwa eine Flüssigkeit oder einen
Festkörper, muss man zunächst näherungsweise in M kleine Würfel mit Volumen ∆V
r
zerlegen. Jedem Würfel i ordnet man dann einen Ort ri zu, etwa den Mittelpunkt des Würfels,
r
r
und eine Masse ∆mi = ρ (ri )∆V ( ρ (r ) ist die Dichte des Körpers).
r
ri
Dann behandelt man die M Würfel wie Massenpunkte. So erhält man:
M
M
M
i =1
i =1
r
r
∑ ∆mi rs ≈ ∑ ri ∆mi
r
bzw. rs ≈
r
∑ r ∆m
i =1
M
i
∑ ∆m
i =1
i
M
i
=
r
r
∑ r ρ (r )∆V
i =1
M
i
i
r
∑ ρ (r )∆V
I =1
i
Den exakten Wert des Schwerpunkts erhält man, wenn man den Grenzwert für ∆V gegen null
betrachtet
M
r
rs = lim
r
r
∑ r ρ (r )∆V
i
i =1
∆V →0 M
Selbst wenn man hier formal ∆V kürzen kann, steckt
r
doch die Größe der Würfel in ri und M drin!
i
r
∑ ρ (r )∆V
.
i
i =1
Wenn die Grenzwerte von Zähler und Nenner existieren und von null verschieden sind, kann
man auch schreiben:
r
rs =
lim
∆V →0
M
i =1
M
i
r
i
r
lim ∑ ρ (ri )∆V
∆V →0
r
r
rs =
r
∑ r ρ (r )∆V
r
r
∫ ρ (r )dV
Körper
Die Grenzwerte der Summen kürzt man als Integral ab:
r
Der Schriftzug Körper unter dem Integral deutet an,
dass die Summenbildung, bzw. die Integration über
den gesamten Körper erfolgen muss.
i =1
∫ r ρ (r )dV
Körper
.
=
∫ r dm
Körper
∫ dm
.
Körper
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 51 -
∫ dm
Das Integral
gibt die Masse des Körpers an.
Körper
Länge l, Querschnitt A und Dichte ρ
Beispiel: Dünner Stab
x
A
Da der Stab zylindersymmetrisch ist, handelt es sich um ein ein
eindimensionales Problem. Die Gleichung für den
Schwerpunkt lautet:
mx s = l ⋅ A ⋅ ρ ⋅ x s =
∫ xdm .
Körper
l
Mit dm = A ⋅ ρ ⋅ dx folgt daraus:
l
l ⋅ A ⋅ ρ ⋅ x s = ∫ x ⋅ A ⋅ ρ ⋅ dx = Aρ
0
l2
.
2
Also gilt für den Schwerpunkt: x s =
5.2
l
, was man auch vermutet hat.
2
Eigenschaften des Schwerpunkts
Bei Abwesenheit äußerer Kräfte gilt der Impulserhaltungssatz:
r N r
p = ∑ p i = const , also gilt auch:
i =1
r
r
p = mv s = const . Daraus folgt:
r
v s = const .
Bei Abwesenheit äußerer Kräfte beschreibt der Schwerpunkt eine geradlinige Bahn.
Applet: 5.2-1 Elastischer und inelastischer Stoß
(http://www3.ltu.edu/~s_schneider/physlets/main/momenta4.shtml)
Film: 03-27 Air Table Center of Mass
r
r
dp i
Wirken äußere Kräfte, so ändert sich der Impuls des i-ten Teilchens gemäß Fext ,i =
.
dt
Damit wird:
r
N r
N
r
dp i d N r
r
d r d
Fext = ∑ Fext ,i = ∑
p = (mv s ) .
= ∑ pi =
dt i =1
dt
dt
i =1
i =1 dt
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 52 Der Schwerpunkt (Massenmittelpunkt) eines Systems bewegt sich unter dem Einfluss einer
N
äußeren Kraft wie ein Teilchen mit der Masse m = ∑ mi .
i =1
Applet: 5.2-2 Motion of Center of Mass
Film: 03-21 Center of Mass Disk
Das gleiche gilt auch für ein System mit kontinuierlicher Massenverteilung mit der Masse
m = ∫ dm .
Körper
Beispiel: Sylvesterrakete
r
Fg
Der Schwerpunkt bleibt bei Abwesenheit von
Reibungskräften auch nach der Explosion auf
der Parabelbahn!
r
v0
Ohne äußere Kräfte bewegt sich der Schwerpunkt gleichförmig (mit konstanter
Geschwindigkeit). Daher ist ein Koordinatensystem, in dem der Schwerpunkt ruht, als
Bezugssystem gut geeignet. Es gilt dann:
r N r
r r
p = ∑ p i = mv s = 0 .
i =1
Im Schwerpunktsystem ist der Gesamtimpuls null!
Eine weitere wichtige Eigenschaft des Schwerpunkts ergibt sich bei der Betrachtung des
Drehmoments auf ein Teilchensystem zufolge der Schwerkraft. Auf jeden Massenpunkt mi
wirkt eine Kraft
r
r
Fi = mi g
und ein Drehmoment
r
r r r
r
M i = ri × Fi = ri × mi g .
Das Gesamtdrehmoment auf das System ergibt sich als vektorielle Summe aller
Einzeldrehmomente:
N r
N
N
r
r r
r
r  N
r r
r r r
r r r
M = ∑ M i = ∑ ri × Fi = ∑ ri × mi g =  ∑ mi ri  × g = mrs × g = rs × mg = rs × Fg .
i =1
i =1
i =1
 i =1

Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 53 Das Drehmoment auf das Teilchensystem zufolge der Schwerkraft ist also so, als ob die
gesamte Schwerkraft auf den Schwerpunkt wirken würde, also die gesamte Masse im
Schwerpunkt vereinigt sei. Daraus ergibt sich sofort, dass das Drehmoment null ist, wenn ein
starrer Körper im Schwerpunkt gelagert ist (weil dann der Abstand zur Drehachse null ist),
r
r
bzw. senkrecht über oder unter dem Schwerpunkt gelagert ist, weil dann Fg und rs parallel
sind.
r
rs
r
Fg
Film: 03-20 Irregular Object Center of Mass
5.3
Energie von Teilchensystemen
Kinetische Energie
r r
Betrachtet seien N Teilchen der Massen mi und Geschwindigkeiten v i . v s sei die
r
Geschwindigkeit des Schwerpunkts und u i die Geschwindigkeit des i-ten Teilchens relativ
zum Schwerpunkt, also im Schwerpunktsystem. Dann berechnet sich die kinetische Energie
zu:
N
N
r
r
r2 r2
r r
1 r2 N 1
1
E k = ∑ mi v i = ∑ mi (v s + u i ) 2 = ∑ mi (v s + u i + 2v s ⋅ u i )
i =1 2
i =1 2
i =1 2
N
r r 1 r2 N 1 r2 r N
r
1 r2 N 1 r2 N
= ∑ mi v s + ∑ mi u i + ∑ mi v s ⋅ u i = mv s + ∑ mi u i + v s ⋅ ∑ mi u i .
2
i =1 2
i =1 2
i =1
i =1 2
i =1
N
Nun ist aber
r
N
r
∑m u = ∑ p
i =1
i
1 r
E k = mv s + E k ,int
2
i
i =1
i , rel
r
= 0 . Damit lässt sich schreiben:
N
1 r2
mit E k ,int = ∑ mi u i (kinetische Energie in Schwerpunktsystem).
i =1 2
Die kinetische Energie eines Teilchensystems ist die Summe aus der kinetischen Energie
r
eines Teilchens mit der Gesamtmasse m und der Schwerpunktsgeschwindigkeit v s und der
kinetischen Energie im Schwerpunktsystem.
Versuch: Plastikpucks auf Luftkissentisch und Overheadprojektor
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 54 Potentielle Energie
Auf ein Teilchen der Masse mi wirken innere Kräfte (von anderen Teilchen mj) und äußere
r
Kräfte Fext . Sind diese Kräfte konservativ, so lassen sich dazu potentielle Energien
berechnen. Die potentielle Energie für ein Teilchen ergibt sich als Summe aller potentiellen
Energien. Die potentielle Energie des Teilchensystems ergibt sich als Summe der potentiellen
Energien über alle i Teilchen. Sie lässt sich schreiben als:
E p = E p ,int + E p ,ext .
E p ,int : potentielle Energie aufgrund innerer konservativer Kräfte
E p ,ext : potentielle Energie aufg. äußerer konservativer Kräfte
Gesamtenergie
Berücksichtigt man nur konservative Kräfte, erhält man für die Gesamtenergie:
E = E p + E k = E p ,int + E p ,ext +
1 r2
mv s + E k ,int .
2
E p ,int und E k ,int hängen nur vom System, nicht von den äußeren Kräften oder der Bewegung
des Schwerpunkts ab. Man bezeichnet daher
U int = E p ,int + E k ,int als innere Energie. Die innere Energie spielt in der Thermodynamik eine
große Rolle.
Applet: 5.3-1 Molecular Model for an Ideal Gas
(http://www.phy.ntnu.edu.tw/java/idealGas/idealGas.html)
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 55 -
6.
6.1
Starre Körper
Translations- und Rotationsbewegung
Ein starrer Körper ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Abstände zwischen den Teilchen
des Systems zeitlich nicht ändern. Für die Bewegung eines starren Körpers unterscheidet man
zwei Bewegungsarten.
Translationsbewegung: Alle Massenelemente haben zu allen Zeiten die gleiche
Geschwindigkeit und erfahren die gleiche Beschleunigung.
Rotationsbewegung: Alle Massenelemente bewegen sich auf Kreisbahnen um eine
Rotationsachse.
Die allgemeine Form der Bewegung eines starren Körpers ist die Überlagerung einer
Translationsbewegung (des Schwerpunkts) mit Rotationsbewegungen um eine oder mehrere
Achsen.
Applet: 6.1-1 Real Time 3D Physics Simulator (http://www.ambromley.co.uk/fizz.html)
6.2
Drehimpuls des starren Körpers und Trägheitsmoment
Es sei ein symmetrischer starrer Körper betrachtet, der um eine Symmetrieachse rotiert.
r
ω
r
ri '
mi
r
Li
r
ri
Man betrachte den Körper zusammengesetzt aus
vielen kleinen Würfeln mit Volumen ∆V der Masse
r
∆mi am Ort ri . Der Drehimpuls bezüglich eines
Punktes auf der Drehachse lautet:
r r r
r
r
r
r r
Li = ri × p i = ri × ∆mi vi = ∆mi ri × (ω × ri ) .
Der Gesamtdrehimpuls ergibt sich durch Summation
aller Einzeldrehimpulse:
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 56 -
N
r N r
r
r r
L = ∑ Li = ∑ ∆mi ri × (ω × ri ) .
i =1
i =1
r
Der Drehimpuls eines Massenelements ∆mi ist in der Regel nicht parallel zu ω . Bei Rotation
r
um eine Symmetrieachse gibt es aber zu jedem Massenelement ∆mi mit Drehimpuls Li ein
r
r
r
r
Massenelement ∆mj mit Drehimpuls L j , so dass Li + L j parallel zu ω ist. Damit ist der
r
r
Gesamtdrehimpuls L parallel zu ω . Dies gilt nun nicht nur für Symmetrieachsen, sondern für
Hauptträgheitsachsen. Das sind Achsen die durch den Schwerpunkt gehen, und für die der
Drehimpuls parallel zur Drehachse ist.
Wenn der Drehimpuls parallel zur Drehachse ist, ändert er bei Rotation seine Richtung nicht.
Die Änderung des Drehimpulses kann also nur die Richtung der Drehachse haben. Der
Zusammenhang zwischen Drehimpuls und Drehmoment ist gegeben durch:
r
r dL
M=
.
dt
Somit hat also im Fall der Rotation um Hauptträgheitsachsen auch das Drehmoment die
Richtung der Drehachse oder ist, bei konstanter Winkelgeschwindigkeit, null. Damit wirken
auf die Lager der Drehachse keine Kräfte. Wenn dies der Fall ist, kann man die Lager, und
damit die Achse, aber auch weglassen!
Die Hauptträgheitsachsen sind die Achsen, um die sich der starre Körper frei dreht. Sie
werden daher auch als freie Achsen bezeichnet.
Man kann zeigen, dass jeder starre Körper mindestens drei zueinander senkrechte
Hauptträgheitsachsen hat. Manche Körper, wie die Kugel, haben sogar unendlich viele
Hauptträgheitsachsen.
Beispiele:
Kugel
Quader
zwei Kugeln
Für die Rotation um Hauptträgheitsachsen reicht es also aus, die Komponenten der
r
Drehimpulse Li in Richtung der Drehachse zu betrachten, denn die übrigen Komponenten
r
ergeben in der Summe null. Das erreicht man, indem man anstatt des Vektors ri den Vektor
r
ri ' betrachtet, der die kürzeste Verbindung zwischen dem Massenelement ∆mi und der
Drehachse herstellt. Dann wird der Gesamtdrehimpuls:
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 57 -
r N
r r r
r
r
L = ∑ ∆mi ri '×(ω × ri ' ) . Da ω und ri ' senkrecht aufeinander stehen, kann man schreiben:
i =1
N
L = ω ∑ ∆mi ri ' 2 .
ω ist ja für alle Massenelemente gleich und kann vor die Summe
i =1
geschrieben werden.
Am Beginn des Abschnitts war der starre Körper durch kleine Würfel mit Volumen ∆V
angenähert worden. Lässt man nun die Würfel immer kleiner werden, und damit die Anzahl N
immer größer, erhält man als Grenzwert:
r
L = lim
∆V →0
N
r
r r
r
∑ ∆mi ri ' × (ω × ri ' ) = ω lim
∆V →0
i =1
N
∑ ∆m r '
i =1
2
i i
.
Den Grenzwert der Summe kürzt man als Integral ab, und erhält damit:
r r
L =ω
∫r
2
dm .
Körper
Dabei ist im Integral r der Abstand des Massenelements von der Drehachse.
Das Integral
∫r
2
dm bezeichnet man als Massenträgheitsmoment (kurz: Trägheitsmoment)
Körper
und kenzeichnet es mit dem Buchstaben I (engl.: Inertia), manchmal auch J.
Für die meisten geometrischen Körper ist das Massenträgheitsmoment bekannt. Es kann
Tabellenwerken entnommen werden. Die wichtigsten Trägheitsmomente sind:
Zylinder (Rotation um Zylinderachse):
I=
1
mR 2
2
R: Zylinderradius
2
mR 2
R: Kugelradius
5
Quader (Rotation um Achse durch den Mittelpunkt parallel zu einer Körperkante):
1
I = m( a 2 + b 2 )
12
a und b sind die Längen der Quaderseiten, die nicht parallel zur Drehachse sind. Mit m ist
jeweils die Masse gekennzeichnet.
Kugel (Rotation um Achse durch Mittelpunkt):
I=
Für die Rotation starrer Körper um eine Hauptträgheitsachse gilt also:
r
r
L = Iω .
r
r
(Man beachte die Analogie zur Beziehung p = mv der Translationsbewegung.)
r
r dL
kann man für die Rotation um
Aus dem allgemeingültigen Zusammenhang M =
dt
Hauptträgheitsachsen ableiten:
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 58 -
r
r
r dL
r
dω
M=
=I
= Iα .
dt
dt
r
r
(Man beachte wiederum die Analogie zur Beziehung F = ma .)
Film: 07-04 Rotating Stool
Das Massenträgheitsmoment eines starren Körpers hängt von der betrachteten Drehachse ab.
In der Regel gehören zu den Hauptträgheitsachsen auch unterschiedliche Trägheitsmomente.
Es zeigt sich, dass nur die freie Rotation um die Hauptträgheitsachsen mit dem kleinsten und
größten Trägheitsmoment stabil ist. Die Rotation um die Achse mit dem mittleren
Trägheitsmoment ist labil.
Versuch: Freie Rotation eines flachen Quaders um seine Hauptträgheitsachsen
Film: 07-20 Stable and Unstable Axes of Rotation
r
Bei Rotation um Achsen, die nicht Hauptträgheitsachsen sind, gilt die Proportionalität von L
r
r
r
und ω , bzw. von M und α nicht! Man kann aber bei der Rotation starrer Körper um eine
beliebige Achse für die Komponente des Drehimpulses in Richtung der Drehachse schreiben:
r
r
Lω = Iω
r
Die Richtung des Drehimpulses L ändert sich im Fall der Rotation um Achsen, die nicht
Hauptträgheitsachsen sind, zeitlich. Also wirkt ein Drehmoment, das nicht parallel zur
Drehachse ist. Eine solche Achse muss also gelagert werden und die Lager müssen Kräfte
aufnehmen.
Beispiel: Rotierende Hantel
r
L
r
ω
Das ruhende System ist im Gleichgewicht, da die
Summe aller Kräfte und die Summe aller
Drehmomente null sind. Bei Rotation um die
gegebene Achse ergibt sich der Drehimpuls wie
eingezeichnet und dreht sich mit der Hantel mit. Es
ergibt sich also ein Drehmoment senkrecht zur
Achse, das von den Lagern aufgebracht werden muss.
Dies bedeutet aber einen Verschleiß der Lager
Man kann nun durch Hinzufügen oder Entfernen von Masse erreichen, dass auch bei Rotation
des Körpers keine Drehmomente senkrecht zur Drehachse auftreten und damit geringer
Verschleiß und ruhiger Lauf gewährleistet sind. Diesen Vorgang nennt man dynamisches
Auswuchten. Er ist sehr wichtig bei schnelllaufenden Maschinenteilen, oder auch bei
Autorädern.
Film: 07-15 Static/Dynamic Balance
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 59 -
6.3
Energie der Rotationsbewegung starrer Körper
Man betrachte einen Massenpunkt ∆m im Abstand r von der Drehachse:
Es gilt:
r
ω
r
v
∆m
r
r
r
r r r
r
v = ω × r , bzw., da ω und r senkrecht
aufeinander stehen:
v =ω ⋅r.
Damit wird die kinetische Energie:
Ek =
r
1
1
1
∆mv 2 = ∆m(ω ⋅ r ) 2 = r 2 ∆mω 2 .
2
2
2
Für ein rotierendes starres Teilchensystem ist für alle Massenpunkte die
Winkelgeschwindigkeit ω gleich. Die gesamte kinetische Energie ergibt sich durch
Summation über alle Massenpunkte:
N
N
N
1
1
E k = ∑ E k ,i = ∑ ri 2 ∆miω 2 = ω 2 ∑ ri 2 ∆mi .
2
i =1 2
i =1
i =1
Geht man jetzt über zu einem Körper mit kontinuierlicher Massenverteilung, so muss man
den Körper durch Würfel mit Volumen ∆V und Massen mi annähern. Das exakte Ergebnis
erhält man, wenn man den Grenzwert für ∆V gegen null betrachtet:
N
1 2 N 2
1
ω ∑ ri ∆mi = ω 2 lim ∑ ri 2 ∆mi .
∆V →0 2
∆V →0
2
i =1
i =1
E k = lim
Die ri sind dabei die Abstände der Massenelemente von der Drehachse. Sie entsprechen daher
den ri‘ aus der Berechnung des Drehimpulses starrer Körper. Der Grenzwert der Summe lässt
sich wieder als Integral schreiben, und ist also genau wieder das Trägheitsmoment I.
Also ist die kinetische Energie der Rotationsbewegung starrer Körper:
1
1
E k = ω 2 ∫ r 2 dm = Iw 2 .
2 Körper
2
(Man beachte die Analogie zu E k =
1
mv 2 )
2
Dabei ist r der Abstand des Massenelements von der Drehachse.
Am Schluss dieses Abschnitts sei ein um eine Hauptträgheitsachse rotierender starrer Körper
betrachtet, dessen Schwerpunkt sich bewegt. Für ein Teilchensystem gilt ja:
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 60 -
Ek =
1
2
mv s + E k ,int .
2
Dabei ist vs die Schwerpunktgeschwindigkeit, und Ek,int die kinetische Energie im
Schwerpunktsystem. Im Schwerpunktsystem rotiert der Körper mit der
Winkelgeschwindigkeit ω. Also ist die kinetische Energie:
Ek =
1
1
2
mv s + Iω 2 .
2
2
Applet: 6.3-1 Translation and Rotation
(http://www.ngsir.netfirms.com/englishhtm/Rotation.htm)
6.4
Kreisel und Präzession
Ein Kreisel ist ein starrer Körper, der sich um eine freie Achse (Hauptträgheitsachse) dreht.
Lagert man den Kreisel so, dass keine Kräfte und damit keine Drehmomente auf ihn wirken
(kräftefreier Kreisel), so behält der rotierende Kreisel die Richtung seiner Drehachse bei, auch
wenn man ihn im Raum bewegt. Der Drehimpuls bleibt erhalten. Auf diesem Prinzip basiert
der künstliche Horizont in der Fliegerei.
Versuch: Kräftefreier Kreisel im Raum
Lässt man auf einen schnell rotierenden Kreisel ein Drehmoment wirken, so reagiert er völlig
anders, als der nicht rotierende Kreisel: Der rotierende Kreisel kippt nicht weg, sondern
"weicht dem Drehmoment seitlich aus". Diese Bewegung bezeichnet man als Präzession.
Versuch: Kreisel mit Drehmoment, Präzession
Es sei ein zunächst ein kräftefreier, schnell drehender Kreisel betrachtet.
1
kg
Dann befestige man an der Achse ein Gewicht, so dass ein Drehmoment entsteht. Nun beginnt
die Anordnung um eine Achse senkrecht zur Drehachse zu präzedieren. Zur Erklärung sei der
Kreisel schematisch von oben betrachtet:
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 61 -
r
M'
r
M
r
∆L
r r
r
L ' = L + ∆L
r
L
r
ω
Für das Drehmoment gilt:
r
r dL
M=
, bzw. für kleine Zeitintervalle:
dt
r
r ∆L
M ≈
.
∆t
Daraus folgt für die Änderung des Drehimpulses:
r r
∆L = M∆t .
Nach dem Zeitintervall beträgt der Drehimpuls also:
r r
r r r
L ' = L + ∆L = L + M∆t .
Da der Drehimpuls parallel zur Kreiselachse ist, muss sich also die Kreiselachse in Richtung
r
r
von M drehen! Andererseits steht ja nun das Drehmoment M ' auch wieder senkrecht auf der
r
Kreiselachse L ' , und die Kreiselachse dreht sich weiter.
Die Kreiselachse weicht also in Richtung des Drehmoments aus (Präzession).
Eine solche Präzessionsbewegung kann auch beobachtet werden, wenn das Drehmoment
durch die Schwerkraft des Kreisels verursacht wird:
Das Drehmoment ist:
r r r
M = r × F , zeigt also in die Zeichenebene
hinein.
r
r
Versuch:
r
r
F = mg
Die Kreiselachse beschreibt bei ihrer
Präzessionsbewegung eine Kegelmantelfläche.
Präzessionsbewegung am Kinderkreisel und am Fahrradkreisel
Es sei nun die Winkelgeschwindigkeit berechnet, mit der ein Kreisel präzediert.
r
M
r r
r
L ' = L + ∆L
r
∆L
∆ϕ
r
L
In dem kleinen Zeitintervall ∆t dreht sich die Kreiselachse ungefähr um den Winkel ∆ϕ.
Dafür kann man schreiben:
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 62 -
∆ϕ ≈ tan ∆ϕ =
∆L M∆t
.
≈
L
L
Daraus folgt für die Winkelgeschwindigkeit der
Präzession:
r
ωp ≈
∆ϕ M∆t M
=
=
.
∆t
L∆t
L
Diese Beziehung gilt exakt für den Grenzwert ∆t → 0. Da ∆t
r
r r
aber in der Gleichung gar nicht mehr vorkommt, außerdem ω p , L und M senkrecht
aufeinander stehen, kann man vektoriell schreiben:
r r r r
r
M = r × F =ωp × L.
Diese Beziehung gilt nur für schnell drehende Kreisel. Sonst ist die Bedingung nicht mehr
r
erfüllt, dass L die Richtung der Drehachse hat.
Es ist zu beachten, dass ωp die Winkelgeschwindigkeit ist, mit der sich die Kreiselachse unter
Wirkung eines Drehmoments bewegt (Präzessionswinkelgeschwindigkeit), nicht etwa die
Winkelgeschwindigkeit, mit der sich der Kreisel um seine Achse dreht!
Beispiel: Präzession beim Fahrradfahren
Es sei ein fahrendes Fahrrad (Einrad) von oben betrachtet, das leicht nach rechts kippt.
r
M
r
v
r
L
r
v'
r
ωp
r
L'
Das Fahrrad fährt also eine
Rechtskurve
Film: 07-12 Bike Wheel on Gimbals
Folie: Präzession der Erdachse
Aufgrund der Abplattung der Erde wirken Gezeitenkräfte, die zu einem Drehmoment auf die
Erde führen. Daher präzediert die Erdachse und beschreibt einen Kegelmantel mit 47o
Öffnungswinkel und einer Umlaufzeit von 26000 Jahren. Der Anblick des Sternenhimmels
ändert sich daher im Lauf der Jahrtausende. In 12000 Jahren wird die Wega Polarstern sein.
Versuch: Präzession von Bierdeckeln
Wird ein Bierdeckel so geworfen, dass er rasch rotiert, so dreht sich seine Rotationsachse
seitlich weg. Das liegt daran, dass die Luftströmung versucht, den Bierdeckel so zu drehen,
dass er der Strömung die maximale Fläche bietet. Diesem Drehmoment "weicht der
Bierdeckel durch Präzession aus".
Folie: Präzession von Elektronenbahnen im Atom, Diamagnetismus
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 63 Auf ein kreisendes Elektron im Atom wirkt bei Anwesenheit eines äußeren Magnetfelds eine
Kraft, die seine Bahn verändert. Diese zusätzliche Bewegung des Elektrons bewirkt aber
ihrerseits als Stromfluss ein magnetisches Feld, das dem ursprünglichen magnetischen Feld
entgegengesetzt ist. Das äußere magnetische Feld wird also geschwächt. Diesen Effekt
bezeichnet man als Diamagnetismus. Er tritt bei allen Stoffen auf, wird aber bei vielen Stoffen
durch andere magnetische Eigenschaften, wie Para- oder Ferromagnetismus, überdeckt.
Eine weitere Anwendung der Kreiselpräzession ist der Kreiselkompass. Dabei wirkt auf einen
schnell rotierenden Kreisel ein Drehmoment konstanter Richtung, etwa hervorgerufen durch
r r
die Drehung der Erde um ihre Achse. Nach ∆L ≈ M∆t richtet der Kreisel seine Drehachse
nach dem Drehmoment aus:
r
M
r
L'
r r
∆L = M∆t
r
L
Wenn also das Drehmoment durch die Rotation der Erde hervorgerufen ist, richtet sich der
Kreisel in Richtung der Erdachse, also in Nord-Süd-Richtung aus. Dieser Kreisel hat den
Vorteil, dass er nicht von magnetischem Material beeinflusst wird. Er wird allerdings durch
die Relativbewegung des Fahrzeugs, meistens des Schiffes, beeinflusst, und er versagt, ebenso
wie der Magnetkompass, am Pol. Schifffahrt, Luftfahrt, und zunehmend auch der
Straßenverkehr, verwenden heute die Satellitennavigation (GPS).
Versuch: Ausrichtung eines Kreisels durch ein ortsfestes Drehmoment
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 64 -
7.
Schwingungen
Falls die Kraft konstant ist oder nur von der Zeit abhängt, lässt sich die Bahnkurve eines
Körpers mit Hilfe des 2. Newtonschen Axioms direkt berechnen. Schwieriger ist es, wenn die
Kraft auch vom Ort abhängt. In diesem Kapitel geht es um die Berechnung spezieller
Bahnkurven bei ortsabhängigen Kräften.
7.1
Ungedämpfte Schwingungen
Federpendel
Man betrachte eine spezielle Anordnung:
(Schwerkraft
vernachlässigt)
m
F
m
x
Demonstration:
Federpendel und Pohlrad
Ein Körper der Masse m ist mit Federn gleicher Stärke zwischen zwei Wänden gespannt. In
der Mitte wirkt auf ihn keine Kraft, da die Kräfte beider Federn sich gerade kompensieren.
Lenkt man ihn aus seiner Ruhelage um eine Strecke x aus, so wirkt auf ihn eine Kraft, die
versucht, ihn wieder in die Ruhelage zurückzubringen. Es soll nun die Bahnkurve eines
solchen Körpers berechnet werden, der um eine Strecke b ausgelenkt wird, und zum
Zeitpunkt t = 0 losgelassen wird. Wir beschränken uns auf eine eindimensionale Bewegung.
Die Kraft auf den Körper bei Auslenkung um die Strecke x ist nach dem Hooke'schen Gesetz:
F = − Dx
D: Federkonstante, in diesem Fall der Anordnung aus zwei Federn,
Einheit der Federkonstante: N/m
Das negative Vorzeichen gibt an, dass die Federkraft der Auslenkung entgegen wirkt.
Applet: 7.1-1 Mass on a Spring
(http://physics.bu.edu/%7eduffy/semester1/c18_spring_mass.html)
Nach dem 2. Newtonschen Axiom gilt aber:
F = ma = m
dv
d 2x
=m 2 .
dt
dt
Dabei hängt die Auslenkung x von der Zeit t ab!
Setzt man die Federkraft ein, so erhält man:
d 2x
− Dx = m 2 ,
dt
bzw.
d 2x
m 2 + Dx = 0 .
dt
Physik 1, Kinematik, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 65 -
Es ist nun die Bahnkurve x(t) gesucht, die diese Gleichung erfüllt. Die Gleichung lässt sich
nicht unmittelbar nach x auflösen, weil außer x auch noch die zweite Ableitung von x
enthalten ist. Es handelt sich um die Differentialgleichung der ungedämpften Schwingung.
Führt man den oben skizzierten Versuch durch, so wird man finden, dass der Körper eine
periodische Bewegung vollführt: er schwingt. Man kann daher probieren, ob ein
Lösungsansatz mit einer periodischen Funktion, z.B. einem Sinus, zum Ergebnis führt.
x = x0 sin(ω 0 t ) .
Man macht also den Ansatz:
Dies ist zunächst nur eine Vermutung, ω 0 und x0 sind Konstanten. Nun setzt man diesen
Ansatz in die Differentialgleichung der ungedämpften Schwingung ein. Dazu benötigt man
zunächst die zweite Ableitung von x:
dx
= ω 0 x0 cos(ω 0 t ) ,
dt
d 2x
2
= −ω 0 x0 sin(ω 0 t ) .
2
dt
und
− mω 0 x0 sin(ω 0 t ) + Dx0 sin(ω 0 t ) = 0 .
2
mω 0 = D
2
bzw.
ω0 = ±
Also eingesetzt:
Daraus folgt:
D
.
m
Also ist x(t ) = x0 sin(ω 0 t ) Lösung der Differentialgleichung, wenn ω 0 der angegebenen
Bedingung entspricht. Das Einsetzen des Ansatzes x(t ) = x0 sin(ω 0 t ) in die
Differentialgleichung hat also zu einer Bedingung für die Konstante ω0 geführt. Die zweite
Konstante x0 ist offenbar noch frei wählbar. Die Lösung ist im folgenden Bild graphisch
veranschaulicht:
x(t)
H a r m o n is c h e S c h w in g u n g
0
1
2
3
4
t
Applet: 7.1-2 Feder, ungedämpfte Schwingung (http://www.didaktik.physik.unierlangen.de/download/applets/feder.htm)
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 66 Der Körper vollführt also eine periodische Bewegung, d.h., x(t ) = x(t + T ' ) , bzw.
x0 sin(ω 0 t ) = x0 sin(ω 0 (t + T ' )) . Dies ist aber genau dann der Fall, wenn ω 0T ' = n ⋅ 2 ⋅ π
(n=0,1,2,...). Daraus folgt:
T'= n
2π
ω0
T=
. Die Periodendauer ist also
2π
ω0
=
1
.
f
Daraus folgt für die Kreisfrequenz ω 0 :
ω 0 = 2πf .
Da die Bewegung mit einer Sinusfunktion erfolgt, wird sie harmonische Schwingung genannt,
ebenso die Bewegungen, die mit einer Cosinusfunktion erfolgen. Allgemein gilt:
Schwingungen sind Bewegungen, bei denen sich der Bewegungszustand nach Vielfachen
einer Periodendauer T genau oder annähernd wiederholt. Sie sind nicht notwendigerweise
harmonisch.
Die Lösung der Differentialgleichung der ungedämpften Schwingung ist nicht eindeutig. Wie
man leicht verifizieren kann, ist auch die Funktion y (t ) = y 0 cos(ω 0 t ) Lösung. Auch ist die
Summe x(t ) + y (t ) eine Lösung. Die allgemeine Form der Lösung lautet:
x(t ) = x0 sin(ω 0 t ) + y 0 cos(ω 0 t ) , oder
mit
ω0 =
x(t ) = x0 sin(ω 0 t + ϕ 0 )
D
.
m
x0 und y0, bzw. x0 und ϕ0 sind Konstanten, die aus den Anfangs-, bzw. Randbedingungen
bestimmt werden müssen, beispielsweise dem Ort und der Geschwindigkeit zum Zeitpunkt
t = 0.
Applet: 7.1-3 Federpendel (http://www.walter-fendt.de/ph11d/federpendel.htm)
Beispiel 1:
Gesucht ist die Auslenkung eines Körpers der Masse m an einer Feder der Federkonstante D
x(0) = 0
und
v(0) = v0
mit den Anfangsbedingungen:
Die erste Bedingung eingesetzt in x(t) ergibt:
x(0) = x0 sin(ω 0 0) + y 0 cos(ω 0 0) = 0 .
Daraus folgt:
y0 = 0 .
Um die zweite Bedingung einzusetzen, muss zunächst v(t) durch Ableitung berechnet werden:
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 67 -
v(t ) =
dx
= x0ω 0 cos(ω 0 t ) − y 0ω 0 sin(ω 0 t ) .
dt
Die zweite Bedingung eingesetzt in v(t) ergibt:
v(0) = x 0ω 0 cos(ω 0 0) − y 0ω 0 sin(ω 0 t ) = v0 .
x 0ω 0 = v 0 ,
x0 =
bzw.
v0
ω0
Daraus folgt:
.
Somit steht aber die spezielle Lösung für das Problem mit den gegebenen
Anfangsbedingungen fest:
x(t ) =
v0
ω0
sin(ω 0 t )
mit
ω0 =
D
.
m
Beispiel 2:
Gesucht ist die Auslenkung einer Masse m an einer Feder mit Federkonstante D mit den
x(0) = b
und
v(0) = 0 .
Anfangsbedingungen:
Die erste Bedingung liefert eingesetzt in die Differentialgleichung:
x0 sin(ω 0 0) + y 0 cos(ω 0 t ) = y 0 = b .
Die zweite Bedingung eingesetzt in die Gleichung für v(t) ergibt:
x0ω 0 cos(ω 0 0) − y 0ω 0 sin(ω 0 0) = x0ω 0 = 0 .
Daraus folgt:
x0 = 0 .
Die spezielle Lösung des Problems mit gegebenen Anfangsbedingungen lautet also:
x(t ) = b cos(ω 0 t ) .
7.2
Gedämpfte Schwingungen
Bei jeder realen Schwingung wird man mit der Zeit eine Abnahme der Amplitude beobachten
(sofern dem System nicht von außen Energie zugeführt wird): die Schwingung ist gedämpft.
Versuch: Abnahme der Schwingungsamplitude am Pohl-Rad
Es wirken also (nichtkonservative) Reibungskräfte, die zu einer Abnahme der Summe aus
potentieller und kinetischer Energie führen. Dies können sein:
- Gasreibung
- Gleitreibung, Rollreibung
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 68 - Flüssigkeitsreibung
- Elektrische Reibung (z.B. Wirbelstrombremse)
Die Reibungskräfte können unabhängig von der Geschwindigkeit sein (Gleitreibung,
Rollreibung), der Geschwindigkeit proportional (Fluidreibung bei laminarer Strömung), oder
proportional dem Quadrat der Geschwindigkeit sein (Fluidreibung bei turbulenter Strömung).
Hier sei der Fall betrachtet, dass die Reibungskraft proportional der Geschwindigkeit ist:
r
r
Fr = − rv ,
Fr = − rv .
bzw. eindimensional:
r: Dämpfungskonstante,
Dabei ist r die Dämpfungskonstante, eine Eigenschaft des reibenden Systems, mit der Einheit
Ns/m = kg/s.
Aus dem 2. Newtonschen Gesetz folgt dann:
F = ma = m
m
dx
d 2x
= − Dx − rv = − Dx − r ,
2
dt
dt
dx
d 2x
+r
+ Dx = 0 .
2
dt
dt
also:
Differentialgleichung der gedämpften Schwingung
Applet: 7.2-1 Gedämpfte Schwingung (weiter klicken auf Harmonische Schwingung
Bewegung 3) (http://www.matheprisma.uniwuppertal.de/Module/Schwingu/index.htm)
Experimentell erhält man bei kleiner Dämpfung folgenden Verlauf der Auslenkung:
G e d ä m p fte S c h w in g u n g
x(t)
Amplitudenhüllkurve
t
Der Schwingung ist also eine Amplitudenhüllkurve überlagert, die eine exponentielle
Abnahme der Amplitude bewirkt.
Man wählt daher folgenden Ansatz für den Schwingfall:
x(t ) = y 0 e −δt cos(ωt ) .
y 0 , ω , δ : Konstanten
Mit der gleichen Berechtigung könnte man anstatt des Cosinus auch den Sinus wählen, wie es
dem obigen Diagramm eher entspricht.
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 69 Zur Überprüfung des Ansatzes, also dem Einsetzen in die Differentialgleichung, sind die
ersten und zweiten Ableitungen notwendig:
dx
= −δy 0 e −δt cos(ωt ) − ωy 0 e −δt sin(ωt ) = y 0 e −δt (−δ cos(ωt ) − ω sin(ωt ))
dt
d 2x
= δ 2 y 0 e −δt cos(ωt ) + ωδy 0 e −δt sin(ωt ) + δωy 0 e −δt sin(ωt ) − ω 2 y 0 e −δt cos(ωt )
dt 2
= y 0 e −δt (cos(ωt )(δ 2 − ω 2 ) + sin(ωt ) ⋅ 2δω ) .
Eingesetzt in die Differentialgleichung ergibt das:
my 0 e −δt (cos(ωt )(δ 2 − ω 2 ) + 2δω sin(ωt )) − ry 0 e −δt (δ cos(ωt ) + ω sin(ωt )) + Dy 0 e −δt cos(ωt ) = 0
Daraus folgt durch Ausklammern von y 0 e −δt und Zusammenfassen der Faktoren vor dem
Sinus und dem Cosinus:
y 0 e −δt (cos(ωt )(mδ 2 − mω 2 − rδ + D) + sin(ωt )(2mδω − rω )) = 0 .
Für y 0 = 0 ist die Gleichung trivialerweise immer erfüllt. Soll bei von null verschiedenem y 0
die Gleichung für alle Zeiten gelten, müssen die Faktoren vor sin(ωt ) und cos(ωt ) null
werden:
2mδω − ωr = 0 . Daraus wird: r = 2mδ , also:
(i):
δ =
r
.
2m
Der Parameter δ wird Abklingkonstante genannt, da er das exponentielle Abklingen der
Amplitude beschreibt
(ii):
mδ 2 − mω 2 − rδ + D = 0 , also:
ω2 =δ 2 −
rδ D
r
D
D D
+ =δ2 −2
δ + = δ 2 − 2δ 2 + = − δ 2
m m
m
m m
2m
Damit wird:
ω =±
D
2
− δ 2 = ± ω0 − δ 2
m
Die Kreisfrequenz der gedämpften Schwingung ist also kleiner als die der ungedämpften,
hängt aber auch nicht von der Amplitude ab.
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 70 Der Ansatz x = y 0 e −δt cos(ωt ) liefert also nur dann reelle Frequenzen, wenn ω 0 > δ ist.
Offensichtlich gilt der Ansatz also nicht für alle physikalischen Bedingungen. In der Tat gilt
er nur dann, wenn der Körper tatsächlich eine Schwingung ausführt (Schwingfall).
Es ist also y 0 e −δt cos(ωt ) Lösung der Differentialgleichung der gedämpften Schwingung,
r
wenn ω Eigenfrequenz ist und δ =
. Genauso kann man zeigen, dass auch
2m
x' (t ) = x0 e −δt sin(ωt ) Lösung ist mit den gleichen Bedingungen für δ und ω . Damit ist aber
auch die Summe x' (t ) + x(t ) Lösung. Die allgemeine Form der Lösung lautet:
x(t ) = x0 e −δt sin(ωt ) + y 0 e −δt cos(ωt ) ,
δ =
r
2m
ω=
und
D
−δ 2
m
Da die Lösung durch die Sinus- und Cosinusterme periodisch ist, bezeichnet man diesen Fall
als Schwingfall. Die Konstanten x0 und y0 müssen aus den Anfangsbedingungen ermittelt
werden.
Ein schwingfähiges System wird auch als Oszillator bezeichnet. Die Frequenzen der
gedämpften oder ungedämpften Schwingungen heißen auch Eigenfrequenzen des Oszillators,
da es die Frequenzen sind, mit denen das System ohne äußere periodische Anregung
schwingt..
Beispiel: Das Federpendel werde zur Zeit t = 0 bei einer Auslenkung von b mit der
Geschwindigkeit null losgelassen. x(0) = b und v(0) = 0 .
Aus der ersten Bedingung folgt sofort:
x(0) = x0 e −δ 0 sin(ω 0) + y 0 e −δ 0 cos(ω 0) = y 0 = b .
Da die zweite Bedingung ist, dass die Geschwindigkeit bei t = 0 null ist, muss die Ableitung
an der Stelle 0 betrachtet werden:
dx
= −δx0 e −δt sin(ωt ) + ωx0 e −δt cos(ωt ) − δy 0 e −δt cos(ωt ) − ωy 0 e −δt sin(ωt ) , und damit:
dt
v(0) = ωx0 − δy 0 = 0 , also: x0 = y 0
δ
δ
=b .
ω
ω
Damit lautet die Lösung für das spezielle Problem (x(0) = b, v(0) = 0):
x(t ) = be −δt (cos(ωt ) +
δ
sin(ωt )) ,
ω
Bei sehr kleiner Dämpfung ( δ << ω 0 ) gilt:
δ =
r
2m
und
ω=
D
−δ 2
m
δ
≈ 0 . Damit vereinfacht sich die
ω
Lösung zu:
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 71 -
x(t ) = be −δt cos(ωt ).
Betrachtet man ein Federpendel bei sehr großer Dämpfung, wird man finden, dass es gar nicht
mehr schwingt, sondern nur noch langsam in seine Ruhelage "kriecht". Dies bezeichnet man
als den Kriechfall.
Versuch: Pohl-Rad bei sehr großer Dämpfung
Applet: 7.2-1 Gedämpfte Schwingung (weiter klicken auf Harmonische Schwingung
Bewegung 3, k muss größer als 5 sein )
(http://www.matheprisma.uni-wuppertal.de/Module/Schwingu/index.htm)
Es ergibt sich experimentell der folgende Verlauf der Auslenkung:
x(t)
K r ie c h fa ll
t
Betrachtet man die Lösung für den Schwingfall, so sieht man, dass sich keine reelle Frequenz
mehr für δ > ω 0 ergibt. Es liegt also nahe, dort die Grenze zwischen Schwing- und
Kriechfall zu vermuten.
Man macht nun den Ansatz: x(t ) = x0 e − λt . Zum Einsetzen in die Differentialgleichung
benötigt man wiederum die ersten und zweiten Ableitungen:
d 2x
= λ2 x0 e −λt .
dt 2
dx
= −λx0 e −λt ,
dt
Setzt man dies in die Gleichung ein, ergibt sich:
mλ2 x0 e − λt − rλx0 e − λt + Dx0 e − λt = 0 . Für x0 ≠ 0 muss gelten:
mλ2 − rλ + D = 0 .
Daraus folgt:
λ2 −
r
D
r
λ + = 0 , also mit δ =
:
m
m
2m
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 72 -
λ2 − 2δλ +
D
= 0.
m
λ =δ ± δ2 −
Daraus folgt für λ :
D
2
= δ ± δ 2 − ω 0 . Es ergeben sich also zwei Werte für die Konstante λ.
m
Jeder davon führt zu einer Lösung der Differentialgleichung. Also ist auch die Summe beider
Lösungen eine Lösung (weil die Differentialgleichung linear ist).
Damit lautet die allgemeine Lösung für den Kriechfall:
x(t ) = x0 e
( −δ − δ 2 −ω 0 2 ) t
+ y0 e
( −δ + δ 2 −ω 0 2 ) t
,
δ =
r
und
2m
D
m
ω0 =
Die Konstanten x0 und y0 müssen wiederum aus den Anfangsbedingungen bestimmt werden.
Der Ansatz x = x0 e − λt liefert aber nur dann reelle Amplituden, wenn δ > ω 0 ist. Dies ist die
Bedingung für den Kriechfall.
Beispiel: Das Federpendel werde zur Zeit t = 0 bei einer Auslenkung von b mit der
Geschwindigkeit null losgelassen. Durch Einsetzen dieser Bedingungen in Auslenkung und
Geschwindigkeit (Ableitung) in Abhängigkeit von der Zeit ergibt sich als Lösung des
speziellen Problems:
x(t ) =
δ
b −δt
−
e ((1 −
)e
2
δ 2 − ω02
δ 2 −ω 0 2 t
+ (1 +
δ
δ 2 − ω02
)e
δ 2 −ω 0 2 t
), δ =
r
und ω 0 =
2m
D
.
m
Bei sehr großer Dämpfung ( δ >> ω 0 ) vereinfacht sich die Lösung zu:
x(t ) = be
−
ω02
t
2δ
.
(Zur Ableitung dieser Beziehung beachte man, dass
δ
δ 2 − ω02
für δ >> ω0 gegen 1 geht,
2
und dass
δ − ω0
2
2

ω02 ω04
ω 0 2 
ω02

≈ δ − 2δ
+
= δ −
=δ −
)
2δ 4δ 2
2δ 
2δ

2
Abklingzeit: Man sieht, dass bei sehr großer Dämpfung die Amplitude um so langsamer
abnimmt, je größer die Dämpfung ist. Dies ist auch verständlich, da bei sehr großer
Dämpfung das Pendel nur sehr langsam in seine Ruhelage zurückkehrt. Als Abklingzeit
definiert man die Zeit, in der die Amplitude auf den Bruchteil 1/e ihrer Ausgangsamplitude
abgesunken ist. Im Schwingfall nahm die Amplitude der Schwingung mit e −δt ab, also um so
schneller, je größer die Dämpfung ist.
Die Abklingzeit nimmt also zunächst mit größer werdender Dämpfung ab, dann aber mit
weiter steigender Dämpfung wieder zu. Es muss also eine Dämpfung geben, bei der die
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 73 Abklingzeit minimal ist. Dieser Fall ergibt sich beim Übergang vom Schwingfall zum
Kriechfall, also bei δ = ω 0 . Da dann gerade keine periodische Bewegung mehr vorliegt,
bezeichnet man dies als aperiodischen Grenzfall.
Folie: Abklingzeiten
Als allgemeine Lösung für den aperiodischen Grenzfall ergibt sich:
x(t ) = x0 e −δt + y 0 te −δt ,
δ =
r
2m
Die Konstanten x0 und y0 müssen aus den Anfangsbedingungen bestimmt werden. Für die
gleichen Anfangsbedingungen wie beim Schwing- und Kriechfall (x(0) = b und v(0) = 0)
ergibt sich als spezielle Lösung:
x(t ) = be −δt (δ ⋅ t + 1) ,
δ =
r
.
2m
Ein System im aperiodischen Grenzfall kehrt also nach einer Auslenkung in der kürzest
möglichen Zeit in seine Ruhelage zurück.
Folie: Drei Fälle der gedämpften Schwingung
Energie der Schwingung
Ein Feder-Masse-System besitzt potentielle und kinetische Energie. Bei der gedämpften
Schwingung treten auch noch andere Energieformen wie Wärme und Verformungsenergie
auf.
1
Dx 2 , wobei die
2
willkürliche Konstante der potentiellen Energie so gewählt wurde, dass Ep in der Ruhelage
1
der Feder bei x = 0 null ist. Die kinetische Energie ist Ek = mv 2 . Es kann nun gezeigt
2
werden, dass die Summe aus kinetischer und potentieller Energie konstant ist. Daher genügt
es, als Gesamtenergie der ungedämpften Schwingung entweder das Maximum der kinetischen
oder der potentiellen Energie zu betrachten. Hat das System eine maximale Auslenkung von
a, dann ist die Geschwindigkeit an dieser Stelle null und die Gesamtenergie ist:
Ungedämpfte Schwingung: Die potentielle Energie ergibt sich zu E p =
E=
1
Da 2 ,
2
a: maximale Auslenkung
D: Federkonstante
Gedämpfte Schwingung, Schwingfall: Die Amplitude nimmt mit e −δt ab. Betrug die maximale
Auslenkung zur Zeit t = 0 a, so ist sie nach der Zeit t auf den Wert ae −δt abgesunken. Die
Summe aus potentieller und kinetischer Energie ergibt sich dann wiederum als Maximum der
potentiellen Energie zu:
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 74 -
E p + Ek =
1
1
D(ae −δt ) 2 = Da 2 e − 2δt = E 0 e − 2δt
2
2
E0: Gesamtenergie zur Zeit t = 0
Die Differenz zu E0 ist in Wärme, Verformungsenergie o.Ä. umgewandelt.
Für die näherungsweise Abnahme der Summe aus potentieller und kinetischer Energie in
einer Periode kann man schreiben:
dE
T = −2δE 0 e − 2δt T = −2δET .
T: Periodendauer der Schwingung
dt
Die Energieabname in einer Periode ist also proportional zu δ , E und T.
E (t + T ) − E (t ) ≈
Gedämpfte Schwingung, Kriechfall und aperiodischer Grenzfall: Hier muss die Summe aus
kinetischer und potentieller Energie berechnet werden. Bei sehr großer Dämpfung kann die
kinetische Energie vernachlässigt werden und es ergibt sich für die Summe:
ω
2
− 0 t
−
1
1
E k + E p ≈ E p = D(ae 2δ ) 2 = Da 2 e
2
2
7.3
ω02
t
δ
.
Erzwungene Schwingungen
Wir betrachten jetzt ein gedämpftes Feder-Masse-System, auf das eine periodische externe
Kraft F(t) wirkt.
F(t)
m
Man nehme nun an, dass die externe periodische Kraft harmonisch sei:
F (t ) = F0 sin(ωt )
F0: Amplitude der externen Kraft
ω : Frequenz der externen Kraft
ω ist also jetzt nicht die Eigenfrequenz der gedämpften Schwingung, die sich aus der Masse
m, der Federkonstante D und der Dämpfungskonstanten r ergibt, sondern eine beliebige, von
der externen Kraft aufgezwungene Frequenz.
Versuch: Pohl-Rad mit verschiedenen Anregungsfrequenzen und konstanter
Anregungsamplitude
Es zeigt sich, dass nach einer gewissen Einschwingdauer das Federpendel mit der Frequenz
der externen Kraft schwingt. Die Amplitude hängt dabei von der Frequenz ab und hat bei
einer mittleren Frequenz ein Maximum. Die Phasendifferenz zwischen Auslenkung und
Anregung hängt ebenfalls von der Frequenz ab. Als Phasendifferenz bezeichnet man dabei die
Differenz der Argumente der periodischen Funktion, die Auslenkung und Anregung
beschreibt.
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 75 Zu der Federkraft auf die Masse m und der Reibungskraft tritt nun noch die externe Kraft F(t)
hinzu. Dann kann man wieder mit dem 2. Newton'schen Axiom sagen:
F = − Dx − r
dx
d 2x
+ F0 sin(ωt ) = m 2 , also:
dt
dt
d 2x
dx
m 2 +r
+ Dx = F0 sin(ωt )
dt
dt
Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung
Die Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung unterscheidet sich von der
Differentialgleichung der freien gedämpften Schwingung also nur durch den einen Term
F0 sin(ωt ) , der nicht von der Auslenkung x(t) abhängt.
Aus dem Versuch folgte, dass nach dem Einschwingen die resultierende Schwingung die
Frequenz der anregenden Kraft hat, aber phasenverschoben ist. Daher wählt man den Ansatz:
x(t ) = x0 sin(ωt + ϕ )
ω : Frequenz der Anregung x0 (ω ) : Amplitude
ϕ (ω ) : Phasendifferenz zwischen Auslenkung und anregender
Kraft
Zum Einsetzen in die Differentialgleichung werden die ersten und zweiten Ableitungen
gebildet:
dx
= x0ω cos(ωt + ϕ ) ,
dt
d 2x
= − x0ω 2 sin(ωt + ϕ ) .
2
dt
Eingesetzt in die Differentialgleichung ergibt das:
− mx0ω 2 sin(ωt + ϕ ) + rx0ω cos(ωt + ϕ ) + Dx0 sin(ωt + ϕ ) = F0 sin(ωt ) .
Für sehr kleine Frequenzen gehen ω und ω 2 gegen null. Damit wird aus obiger Gleichung:
Dx0 sin(ωt + ϕ ) = F0 sin(ωt ) .
F0
. Die Masse folgt der Kraft ohne
D
Phasendifferenz. Die Reibungskraft spielt keine Rolle, weil die Geschwindigkeiten klein sind,
ebenso die Beschleunigungen.
Daraus folgt, dass ϕ = 0 ist und x0 =
Für sehr große Frequenzen wird ω 2 sehr viel größer als ω und D. Aus der
Differentialgleichung wird dann:
− mx0ω 2 sin(ωt + ϕ ) = F0 sin(ωt )
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 76 Da sin( x + 180 o ) = − sin( x) ist, folgt daraus, dass die Phasenverschiebung ϕ = −180 o ist, und
F
x0 = 0 2 . Auslenkung und Kraft sind also gegenphasig, und die Amplitude geht für große
mω
Frequenzen gegen null.
Da die Phasendifferenz für kleine Frequenzen null ist und für große -180o, wird sie vermutlich
bei einer mittleren Frequenz -90o betragen. In diesem Fall wird die Geschwindigkeit:
π
cos(ωt − ) = sin(ωt )
2
cos(ωt )
t
v=
π
π
dx
= x π ω π cos(ω π t − ) = x π ω π sin(ω π t ) , da cos( x − ) = sin( x) .
0
,
0
,
2
dt
2
2
2
2
2
2
2
ω π bezeichnet dabei eben jene Kreisfrequenz, bei der die Phasenverschiebung gleich π/2 ist,
2
x
0,
π
die bei dieser Kreisfrequenz sich einstellende Amplitude der Auslenkung.
2
Also hat unter diesen Bedingungen die Geschwindigkeit immer die gleiche Richtung wie die
anregende Kraft. Daher bewirkt die durch die Kraft hervorgerufene Beschleunigung stets eine
Zunahme der Geschwindigkeit. Die Kraft verrichtet also ständig Arbeit an dem schwingenden
System, bzw. das schwingende System nimmt ständig Arbeit auf. Da die Energie zunimmt,
muss auch die Amplitude wachsen. Wenn keine Reibung wirkt, nimmt die Amplitude der
Schwingung ständig zu.
Film: 09-01 Bowling Ball Pendulum Resonance
09-06 Glass Breaking with Sound
Bei der Frequenz, die eine Phasendifferenz von -90o zwischen Auslenkung und Kraft
hervorruft, wird also die maximale Leistung übertragen. Man nennt dies Leistungsresonanz.
Durch die Reibung wird dem schwingenden System aber auch laufend Energie entzogen. Eine
konstante Amplitude stellt sich dann ein, wenn dem System durch die externe Kraft ständig
genauso viel Energie zugeführt wird, wie ihm durch Reibung entzogen wird. Es muss also die
zugeführte Leistung gleich der durch Reibung abgeführten sein. Für die Leistung, die eine
r
r
Kraft F an einem mit der Geschwindigkeit v bewegten Körper erbringt, gilt aber:
r r
P = F ⋅v .
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 77 -
Da die Leistungen der externen Kraft und der Reibungskraft dem Betrag nach gleich sein
müssen, gilt also:
Pextern = F0 sin(ω π t )v = PRe ibung = Fr v = rvv = rv 2 .
Somit gilt:
2
F0 sin(ω π t ) = rv = rx π ω π sin(ω π t ) .
0,
2
2
2
2
Da die Gleichung für alle Zeiten gelten muss, folgt daraus:
x
0,
π
=
2
F0
rω π
.
2
Betrachtet man nun die Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung:
m
d 2x
dx
+r
+ Dx = F0 sin(ωt ) ,
2
dt
dt
F0 sin(ω π t ) = rv = r
2
dx
,
dt
und berücksichtigt die oben ermittelte Beziehung:
so sieht man, dass bei der Kreisfrequenz ω π die Summe der
2
beiden übrigen Terme auf der linken Seite null ergeben muss:
d 2x
m 2 + Dx = 0 .
dt
Dies ist aber genau die Differentialgleichung der ungedämpften
Schwingung. Bedingung dafür, dass diese Gleichung gilt, ist aber gerade:
ωπ =
2
D
= ω0 .
m
Kreisfrequenz bei Leistungsresonanz
Das Maximum der Leistungsübertragung ergibt sich also, wenn die Anregungsfrequenz gleich
der Eigenfrequenz des ungedämpften schwingenden Systems (Oszillators) ist.
Bei beliebiger Anregungsfrequenz lautet der Zusammenhang zwischen der Amplitude der
Schwingung, der Anregungsfrequenz und der Amplitude der anregenden Kraft:
x0 =
F0
m (ω − ω 0 ) + 4δ ω
2
2 2
2
2
,
ω0 =
D
,
m
δ =
r
.
2m
Amplitude der erzwungenen
Schwingung
Für die Phasendifferenz zwischen Auslenkung und Anregung ergibt sich:
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 78 tan ϕ =
2δω
ω − ω02
2
Applet: 7.3-1 Erzwungene Schwingung (http://www.walter-fendt.de/ph11d/resonanz.htm)
Folie: Amplitude und Phase der erzwungenen Schwingung
Folie: Resonanzkurven für verschiedene Dämpfungen
Folie: Phasenverhalten für verschiedene Dämpfungen
Das Maximum der Amplitude der Auslenkung ergibt sich durch Differenzieren und
Nullsetzen. Überraschenderweise liegt das Maximum nicht exakt bei der Frequenz der
Leistungsresonanz, sondern bei einer etwas kleineren Frequenz. Der Grund dafür ist, dass die
dämpfende Kraft mit der Geschwindigkeit, und damit mit der Amplitude zunimmt.
Das Maximum der Amplitude wird als Resonanzamplitude, die zugehörige Frequenz als
Resonanzfrequenz bezeichnet. Sie errechnet sich zu:
ω r = ω 0 2 − 2δ 2 = 2πf r .
Die Resonanzfrequenz ist also kleiner als die Eigenfrequenz des ungedämpften Oszillators
2
und kleiner als die Eigenfrequenz des gedämpften Oszillators. Für ω 0 < 2δ 2 gibt es keine
Resonanzfrequenz mehr. Die Resonanzamplitude beträgt:
x0,r =
F0
2mδ ω 0 − δ
2
2
.
Als Resonanzüberhöhung eines Oszillators wird das Verhältnis zwischen der
Resonanzamplitude und der maximalen Amplitude bei der Anregungsfrequenz null
bezeichnet. Die Resonanzüberhöhung ist näherungsweise gleich der Güte (englisch quality)
eines Oszillators.
Q≈
x0,r
D
=
.
2
F0
2mδ ω 0 − δ 2
D
Resonanzüberhöhung und Güte sagen also aus, wie „ausgeprägt“ das Resonanzmaximum ist.
Sie sind stark von der Dämpfung abhängig.
Durch Resonanz können so große Amplituden auftreten, dass die Festigkeitsbedingungen des
Systems nicht mehr erfüllt sind. Es kommt zur Zerstörung des Systems. Dies nennt man
Resonanzkatastrophe.
Versuch: Pohl-Rad mit geringer Dämpfung in Resonanz
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 79 Folie: Tacoma Narrow's Bridge
Film: Tacoma Narrow’s Bridge
Betrachtet man die Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung, so sieht man, dass
man zu einer Lösung dieser Gleichung auch eine Lösung der Differentialgleichung der
gedämpften Schwingung hinzuaddieren kann, und die Summe ist immer noch Lösung der
Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung. Die gedämpfte Schwingung erfolgt
natürlich (im Schwingfall) mit ihrer Eigenfrequenz. Es treten dann also in der Lösung die
Frequenz der erregenden Kraft und die Eigenfrequenz der gedämpften Schwingung auf. Die
Schwingung mit der Eigenfrequenz ist allerdings gedämpft und wird sich nach einiger Zeit
nicht mehr bemerkbar machen. Diese Addition von Lösungen der gedämpften Schwingung
benötigt man zur Beschreibung spezieller Anfangsprobleme. Man bezeichnet die sich
ergebenden Lösungen dann auch als Einschwingvorgänge.
Folien: Erzwungene Schwingung mit Drehmomentsprung
7.4
Überlagerung harmonischer Schwingungen
Es sei nun ein gedämpftes Feder-Masse-System betrachtet, an dem mehrere periodische
Kräfte F1, F2, F3 etc., mit unterschiedlichen Frequenzen und Phasen angreifen. Aus der
Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung wird dann:
d 2x
dx
m 2 +r
+ Dx = F1 sin(ω 1t + ϕ 1 ) + F2 sin(ω 2 t + ϕ 2 ) + F3 sin(ω 3 t + ϕ 3 ) + ...
dt
dt
Wenn xi(t) Lösung der Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung mit einer externen
Kraft Fi ist, dann ist x1(t) + x2(t) + x3(t) + ... Lösung der Gleichung für die Summe der Kräfte
F1, F2, F3 etc. Dies liegt daran, dass die Differentialgleichung linear ist, d.h. die Funktion und
ihre Ableitungen nur mit der ersten Potenz vorkommen. Es ist dann nämlich die Ableitung der
Summe gleich der Summe der Ableitungen.
Somit gilt das Prinzip der ungestörten Superposition: Wird ein Körper zu mehreren
Schwingungen angeregt, so addieren sich die Auslenkungen ohne gegenseitige Störung.
Man kann also für jede einzelne Kraft die Schwingungsgleichung lösen und die Lösungen
dann addieren. Das gilt so lange, wie die Differentialgleichung linear ist. In der Praxis ist das
bei nicht zu großen Auslenkungen und Geschwindigkeiten der Fall.
Wenn die beteiligten Frequenzen ein gemeinsames Vielfaches haben, ergibt die Summe der
Lösungen eine periodische Schwingung, die aber nicht notwendigerweise harmonisch sein
muss. Aus der Überlagerung harmonischer Schwingungen unterschiedlicher Frequenzen kann
also eine nicht harmonische (anharmonische) periodische Schwingung entstehen.
Es lässt sich zeigen, dass sogar allgemein gilt:
Jede periodische Schwingung lässt sich als Überlagerung harmonischer Schwingungen
darstellen.
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 80 2π
. ω1 heißt
T
Grundfrequenz der anharmonischen Schwingung. Dann lässt sich x(t) fast überall darstellen
als:
Sei x(t) eine periodische Schwingung mit der Periodendauer T gemäß ω1 =
∞
x(t ) = x0 + ∑ (a n sin(nω 1t ) + bn cos(nω 1t )) .
Fourier-Reihe bzw. Fourier-Darstellung
n =1
Applet: 7.4-1 Fourierreihenentwicklung:
http://www-es.fernuni-hagen.de/playground/FourierDSV.html.de
Die Koeffizienten x0, an und bn können experimentell, z.B. durch Frequenzfilterung, oder
rechnerisch ermittelt werden. Diesen Vorgang nennt man Fourier-Analyse. Es ergeben sich:
x0 =
1
T
T
2
∫ x(t )dt
an =
T
−
2
ω1
π
T
2
∫ x(t ) sin(nω1t )dt
T
bn =
T
−
2
ω1
π
2
∫ x(t ) cos(nω t )dt .
1
−
T
2
Eine besondere Implementierung der Fourier-Analyse für schnelle Berechnungen ist FFT
(Fast Fourier Transform). Die Darstellung der Koeffizienten an und bn über der Frequenz
nennt man Fourier-Spektrum. Die Zusammensetzung einer Schwingung aus harmonischen
Schwingungen gemäß der Fourier-Reihe nennt man Fourier-Synthese.
Folie: Fourier-Synthese
Folie: Fourier-Spektrum
In der Akustik bestimmt die Grundfrequenz eines Tons die Tonhöhe, das Fourier-Spektrum
den Klang.
Versuch: Tonhöhe und Klang bei Sinus- Dreieck- und Rechteckschwingung
Applet: 7.4-2 Fourier-Synthese mit Ton:
http://ac16.uni-paderborn.de/arbeitsgebiete/messtech/simulationen/fourier/fourier/fourier.html
Fourier-Darstellung nicht periodischer Vorgänge
Zeitlich begrenzte, nicht periodische Auslenkungen können auch als Überlagerung
harmonischer periodischer Schwingungen dargestellt werden. Aus der Fourier-Reihe wird
dann das Fourier-Integral:
∞
x(t ) = ∫ (a (ω ) sin(ωt ) + b(ω ) cos(ωt ))dω
0
Die Funktionen a(ω ) und b(ω ) bilden das Fourier-Spektrum.
Folie: Fourier-Spektrum nicht periodischer Vorgänge
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
- 81 -
Es ist schon sehr erstaunlich, dass aus der Überlagerung lauter zeitlich periodischer,
unbegrenzter harmonischer Schwingung ein zeitlich begrenzter, nichtperiodischer Vorgang
entsteht.
Physik 1, Schwingungen, M.Sternberg, FH Bochum, 3.3.05
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