DurchBruch mit Orchestermusik Der Sinfoniker Als geborener Instrumentalkomponist interessierte sich Paul Juon mehr für die entsprechenden musikalischen Gattungen als für die Oper und die Vokalmusik. Schon unter seinen frühesten Kompositionen findet sich ein grosses Orchesterwerk, die Manuskript gebliebene Sinfonie fis-Moll von 1895. Es scheint, als ­hätten seine Kompositionslehrer, Vorbilder und Studiengefährten einen stimulierenden Einfluss auf Juons sehr frühe Auseinandersetzung mit der Sinfonie ausgeübt: Arensky (1. Sinfonie op. 4), Tanejew (1. Sinfonie o.op. des Achtzehn­ jährigen), Tschaikowsky (1. Sinfonie op. 13), Glasunow (1. Sinfonie op. 5 des Siebzehnjährigen), Rachmaninow (1. Sinfonie op. 13), Dvořák (2. Sinfonie op. 4). Der Durchbruch des Orchesterkomponisten Juon erfolgte mit der 1 (2.) Sinfonie A-Dur op. 23. Er hatte sie mit 31 Jahren geschrieben und anlässlich der 1905 von Fritz Steinbach dirigierten Uraufführung mit der Meininger Hofkapelle einen durchschlagenden Erfolg erzielt. Weitere Aufführungen des Werks erfolgten in Amsterdam, Berlin, Boston, Bückeburg, Budapest, Dresden, Frankfurt am Main, Köln, London, Manchester, Moskau, München, New York, Olmütz, Rotterdam, St. Petersburg, Stuttgart, Warschau, Wien, Zürich. « ... Ja, das Komponieren ist und bleibt ein Kampf, der Kampf des Geistes mit der Materie. Die Idee will Gestalt gewinnen. Aber wie grob ist doch die Materie. Die geheimsten Regungen, die 2 3 4 feinsten Fäserchen der Idee werden von der Materie einfach erdrückt, wenn die Idee nicht ihre ganze List, Schlauheit und Vorsicht aufbietet, damit das irdische Gewand ihre Reinheit nicht verdeckt, verwischt, verfälscht ... » Paul Juon über seine Arbeit an der «Rhapsodischen Sinfonie». Brief an den Komponistenkollegen 7 Hans Chemin-Petit vom 12. Oktober 1937. ADK Ein Jahr vor der Sinfonietta capricciosa op. 98, dem letzten ­Orchesterwerk Juons, entstand ebenfalls in Vevey die dem Sohn 5 6 Rémi gewidmete «Rhapsodische Sinfonie» op. 95 für grosses ­Orchester. Uraufgeführt wurde die 40 Minuten dauernde Kompo­ sition am 22.­ Mai 1938 an den Reichsmusik­tagen in Düsseldorf. Mit einer Kleinen Sinfonie op. 87 für Streichorchester und Klavier ad libitum trug Juon zur Schulmusik bei. Das neobarocke Züge tragende Werk entstand um 1930 und ist Juons Tochter Irsa gewidmet. 1Im «Come Passacaglia» überschriebenen Kopfsatz der Sinfonie, der aus Variatio­ nen über ein Thema im seltenen 3 / 2-Takt besteht, orientierte sich Juon formal am Passacaglia-Finale der 4. Sin­fonie e-Moll op. 98 seines Vorbildes Johannes Brahms. Partitur, Erstausgabe, Berlin 1903. DWL 2 Hinweis auf Aufführungen der Sinfonie von 1903 bis 1905. Verlagsprospekt «Neuere Konzertmusik», Berlin 1905. DWL 3 Programm der jüngsten Aufführung der Sinfonie op. 23 in der Zürcher Tonhalle. 5 «Die Anregung zu diesem Stück gab mir die Rathausuhr in Kopenhagen, welche jede Viertelstunde so schlägt, wie es die Glocken in der Einleitung angeben. Nachdem sie voll geschlagen hat, spielt sie ein kleines Lied auf, die eigentliche ‹Wächterweise› (oder, wie es anders heisst, ‹Raadhusklokkernes Sang›), welche aus den nämlichen vier Tönen gebildet ist wie die ‹Viertelschläge›. Um meinem Stück mehr Abwechslung zu geben, hielt ich es für angebracht, dem Hauptthema (der ‹Wächterweise›) zwei andere, auch dänische Volkslieder, gegenüberzustellen … » Partitur. Erstausgabe, Berlin 1906. DWL 4 Die vielen Aufführungen der Sinfonie op. 23 trugen wesentlich zur Festigung von Juons internationalem Ansehen bei. Vom hohen Bekanntheitsgrad des Kompo­nisten zeugt dieses Fotoporträt aus den 1920er Jahren, das zu Werbezwecken angefertigt wurde. Künstlerpostkarte. DWL 10 6 Programm der Berliner Erstaufführung von 1912. DWL 7 Der Werktitel «Kammersinfonie» op. 27 (1905) weist auf die gleichnamigen Kompo­sitionen von Arnold Schönberg (1906) und Franz Schreker (1916) voraus.