Römisches Recht Römisches Recht hat Systeme der Gegenwart geprägt Das Recht des Römischen Reiches hatte einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung späterer Rechtssysteme, vor allem in Europa. Ursprünglich bestand das römische Recht im Wesentlichen aus Gewohnheitsrecht und wurde erst später schriftlich niedergelegt. Als römisches Recht wird zunächst das Recht, das in der Antike in der Stadt Rom und später im ganzen römischen Weltreich galt, bezeichnet. Die im „Corpus Iuris Civilis“ gesammelten Quellen des antiken römischen Rechts wurden im Mittelalter wiederentdeckt und bis ins 19. Jahrhundert in den meisten Staaten Europas als maßgebliche Rechtsquellen betrachtet. Während viele andere Errungenschaften der Antike ursprünglich von den Griechen stammen und von den Römern nur übernommen wurden, ist das römische Recht eine originäre Schöpfung der Römer ohne griechische Vorbilder. Das römische Recht war zunächst ein aus langjähriger Übung entstandenes Recht (so genanntes Gewohnheitsrecht) ohne geschrie-bene Gesetze. Eines der frühesten Gesetzeswerke war das Zwölftafelgesetz (entstanden um 450 v.Chr). Die römische Rechtswissenschaft erreichte ihre höchste Blüte in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit (1. bis 3. Jahrhundert). In der Spätantike drohten die Lehren dieser klassischen Jurisprudenz in Vergessenheit zu geraten. Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, ließ Kaiser Justinian I ältere Rechtstexte sammeln. Sein Gesetzgebungswerk wurde später unter der Bezeichnung „Corpus Iuris Civilis“ bekannt. Im Byzantinischen Reich blieb die justinianische Kodifikation Grundlage der Rechtspraxis. Im 9. Jahrhundert ließ Kaiser Leon VI. die Basiliken erstellen, eine Sammlung byzantinischen Rechts. Hingegen gerieten die justinianische Kodifikation und das römische Recht insgesamt in Westeuropa während des frühen Mittelalters weitgehend in Vergessenheit. Insbesondere die Digesten waren bald nicht mehr bekannt. Um 1050 wurde dieser wichtige Text jedoch wiederentdeckt. Von diesem Zeitpunkt an haben zuerst italienische Juristen – deren Rechtsschule von Bologna sich zu einer der ersten Universitäten Europas entwickelte – das römische Recht wieder aufgegriffen. Da in Deutschland im Mittelalter kein entwickeltes Rechtssystem bestand, wurde ab Mitte des 15. Jahrhunderts das römische Recht auch hier rezipiert. Durch die besondere Bedeutung des römischen Rechts wurden die Rechtsfakultäten der Universitäten sehr einflussreich. Mit dem Beginn des Absolutismus und der Aufklärung trat das Naturrecht oder Vernunftrecht in den Vordergrund. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzte jedoch mit der historischen Rechtsschule, deren herausragender Vertreter Friedrich Karl von Savigny war, eine Rückbesinnung auf das römische Recht ein. Mit der geschichtlichen Rechtswissenschaft und der Pandektistik erreichte die wissenschaftliche Durchdringung und Systematisierung des römischen Rechts, das als gemeines Recht in Deutschland bis zum 1. Januar 1900 galt, einen Höhepunkt. Auch das moderne bürgerliche Recht ist nach wie vor in besonderem Maße von dem römischen Recht, das den Rechtsstoff für die Schaffung der modernen Kodifikationen bildete, geprägt. Vor dem Zwöltafelgesetz hatte das Gesetz Roms einen religiösen Charakter und seine Auslegung war den Priestern vorbehalten, die Angehörige der Patrizierschicht waren. Beschwerden und Unruhen von seiten der Plebejer führten zur schriftlichen Niederlegung der bereits existierenden rechtlichen Vorschriften, denen neue Prinzipien hinzugefügt wurden. Das abgefasste Zwölftafelgesetz wurde der Volksversammlung vorgelegt und von ihr angenommen. Dieser Kodex formulierte einfache Regeln, wie sie für eine landwirtschaftlich orientierte Gemeinschaft angemessen waren. Er etablierte gleiche Rechte für Patrizier und Plebejer und wurde für die Römer zur Quelle des gesamten öffentlichen und privaten Rechtes. Das ausschließlich auf römische Staatsbürger angewandte Recht wurde als „jus civile“ bezeichnet. Die Eroberung des Mittelmeerraumes zwang die Römer, neue Rechtssysteme zu erarbeiten. Jedes eroberte Territorium hatte sein eigenes System, so dass man neue Gesetze benötigte, die im Verhältnis zwischen Römern und fremden Völkern anzuwenden waren: das so genannte „jus gentium“. Durch die Ausweitung der Staatsbürgerschaft in der Zeit zwischen 100 v. Chr. und 212 n. Chr. auf alle freien Einwohner des Römischen Reiches wurde die Unterscheidung zwischen jus gentium und jus civile überflüssig. Das Staatsrecht Roms, das jus civile, wurde zum Gesetz des gesamten Reiches. Um die Wende des Mittelalters zur Neuzeit wurde das römische Recht zur Grundlage der kontinentaleuropäischen Rechtssysteme. Als schriftliche Quelle stütze man sich im Wesentlichen auf das Corpus Iuris Civilis. von Stefan Boscher | www.stefan-boscher.de