Paratuberkulose - Was jeder Milchviehhalter wissen sollte

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TIERGESUNDHEIT
Paratuberkulose - Was jeder
Milchviehhalter wissen sollte
Tiergesundheit, Ökonomie und Betriebshygiene spielen bei der Paratuberkulose eine große Rolle.
Obwohl diese Infektionskrankheit schon lange bekannt ist, rückt sie aber zunehmend in den Blickpunkt. Was genau es mit Paratuberkulose auf sich hat und wie ihr zu begegnen ist, erläutert der folgende Beitrag.
Dr. Joachim Lübbo Kleen, Uplengen
evor man sich mit Paratuberkulose
beschäftigt, muss eines deutlich gemacht werden - mit der Tuberkulose des
Rindes, einer anzeigepflichtigen Tierseuche, hat die Paratuberkulose nichts
zu tun. Die Namensähnlichkeit beruht
auf der Verwandtschaft des Erregers der
einen Tierseuche mit dem der anderen,
weswegen sie sich auch mikroskopisch
ähnlich sehen. Ansonsten handelt es sich
bei der Paratuberkulose um eine Erkrankung, die in Deutschland nicht anzeigepflichtig ist, trotzdem aber zunehmend
auch von öffentlicher Seite bekämpft
wird: Mehrere Bundesländer haben Bekämpfungsprogramme entwickelt, andere werden folgen. Bei d er Paratuberkulose handelt es sich um eine durch das
Bakterium mycoplasma av ium ssp. Paratuberculosis (Häufig MAP abgekürzt)
ausgelöste Infektionserkrankung, die vor
allem in Milchviehbeständen präsent ist,
aber auch bei anderen Wiederkäuern zu
Verlusten führt.
B
Symptome der Paratuberkulose
Ein Hauptproblem der Paratuberkulose ist sicherlich, dass erkennbare klinische Symptome erst spät im Krankheitsverlauf auftreten, infizierte und subklinisch erkrankte Tiere daher nur mit Mitteln der Labordiagnostik erkannt werden
können. Bricht die Erkrankung dann
aber aus, so ist d as Bild gekennzeichnet
durch eine starke Abmagerung der Tiere
und einen unstillbaren wässrigen Durchfall. Durch den so eintretenden Verlust
von Protein entwickeln sich bei bet roffenen Tieren schließlich auffällige Ödeme
im Hals- und Kieferbereich. Zu beachten
ist, dass Verhalten u nd Sensorium der
Tiere weitestgehend ungestört bleiben :
Selbst Tiere im fortgeschrittenen Krank-
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Milchpraxis 1/2017 (51. Jg.)
Bei der Erkrankung kommt es zu starker Abmagerung der betroffenen Tiere.
heitsstadium bewegen sich unauffällig,
fressen und geben zu nächst weiterhin
Milch. Ursache für den rapiden Verfall
der Tiere ist die durch den Erreger MAP
ausgelöste chronische Entzündung des
Darmes. Die Schleimhaut des Orga ns
ver ändert sich derart, dass die normale
Aufnahme von Nährstoffen nicht mehr
stattfinden kann und das Tier diese über
den Durchfall verliert - ein generalisierter Abbau von Fett- und Muskelgewebe
ist die Folge.
Nachweis des Erregers
Die deutlich auffälligen Tiere sind allerd ings nur die Spitze d es Eisbergs:
Für jedes dieser deutlich kranken Tiere
sind mehrere Tiere in der Herde anzunehmen, bei denen di e Kra nk heit zwar
schon ausgebrochen, aber no ch nicht
Foto: Hruschka
deutlich ist, darüber hi naus Tiere, die
vom Erreger infiziert sind. Der Produktionsverlust für jedes dieser Tiere bewegt
sich zwischen 5 und 7 % der Milchleistung, dieser Verlust summ iert sich also
je nach Durchseuchungsgrad der Herde. Das Problem hierbei - diese infizierten Tiere herauszufinden, ist schwierig!
Es gibt verschiedene Möglich keiten, den
Erreger direkt nach zuweisen. Als sehr
zuverlässig gelten hierbei die allerdings
zeitintensive und schwierige Kultur aus
Kotproben oder der Nachweis der Bakterien-DNA mittels der PCR-Technik.
Beide Verfa h ren können zur Untersuchung von Sammelproben von mehreren Tieren oder aus der Umgebung verwendet werden, während der serienmäßige Einsatz zur Einzeltierdiagnostik daraus als zu aufwendig angesehen werden
muss. Für Untersuchungen mit großen
Probenzahlen ist der Nachweis von An-
TIERGESUNDHEIT
Eine chronische Entzündung des Darms
durch den Erreger MAP. Foto: University of
Glasgow, Department of Pathology
tikörpern zu bevorzugen. Diese Ver fahren gibt es zur Diagnose aus Blut- oder
Milchproben, allerdings ist die Zuverlässigkeit dieser Tests deutlich geringer. Soll
beispielweise der Herdenstatus anha nd
ei ner Tankmilchprobe bestimmt werden, so setzt d ies mehrere infizierte bzw.
erkrankte Tiere in der Herde vorau s, welch e entsprechende Mengen an Antikörpern ausscheiden.
Die Parat uberku lose ist mittlerweile
weltweit in Rinderbestä nden, aber auch
bei a nderen Wiederkäuern, also z. B. in
Schafherden, zu finden. Durc h die e rwä hnten Schwierigkeiten der Diagnostik ka nn die tatsächliche Verbreitung nur
geschätzt werden. Die A ngabe zum An teil der Herden, in denen M AP und Paratuberkulose anzutreffen sind, schwa nkt
je nach Land, Herdenstr uktur und Testverfah ren stark: So werden für einzelne
europäische Länder A ngaben von 10 20 % betroffener Herden gemacht, andere Berichte gehen von einer Prävalenz von
deutlich mehr als 50 % aller Herden aus.
Wie viele Tiere in diesen Herden MAPpositiv sind, ist ebenfalls nur ansatzweise
zu ermitteln - Für die meisten betroffenen Herden erscheint ein Anteil von 5 %
oder weniger als realistisch, aber einzelne
Herden können deutlich mehr Tiere mit
MAP-positiven Befunden aufweisen.
Reduktion des Infektionsdrucks
Die MAP-Ausscheider zu identifi zieren, um sie danach von der Herde zu
trennen bzw. daraus zu entfernen, ist
das zunächst dringlichste Ziel in der Bekämpfung von Paratuberkulose. Der Infektionskreislauf kann so verlangsamt,
eventuell auch vollständig durchbrochen
werde n. Die Ansteckung mit MAP erfolgt schon früh auf fäkal-oralem Wege
bei den Kälbern. Das bedeutet, dass Kä lber sich früh an den Ausscheidungen der
Muttertiere infizieren, die verschluckt
Flaschenhalsödeme können durch den eintretenden Verlust von Proteinen auftreten.
Foto: Hruschka
werden. Neben Kot, z. B. in den Abkalbebereich en, ist hierbei auch das Kolostrum bzw. verfütterte Vollmilch zu nennen, denn MAP wird auch in de r Milch
ausgeschieden und kann so die Erkrankung weitert ragen. Grundsätzlich muss
jedes infizie rte Tier als Erregerquelle für Kälber angesehen werden. Zudem
ist di e direkte Nachkommenschaft die ser T iere mit gewisser Wahrschein lich keit eben fa lls infi ziert, sei es durc h fäkal-orale Ü bertrag ung bei de r Gebu rt
oder eine Infektion schon wä hrend der
Trächtigkeit. Grundsätzlich g ilt hie r,
dass die MA P-Ausscheidung und damit
auch die Übertragungswa hrscheinlich keit mit dem Verlauf der Erkrankung zunimmt. Auch wenn die vollständige Entfernung von MAP-Ausscheide rn durch
die schwierige Diagnostik zunächst ein
mühsamer und langwieriger Prozess ist,
so ist sie dennoch a nzustreben: Je weniger Tiere MAP in sich tragen und ausscheiden, umso stärker si nkt der Infektionsd ruck.
Übertragung verhindern
Neben der Reduktion des Infektionsdrucks besteht die zweite Säu le der Bekämpfun g in der Verh inde rung von
Ü bertragung, praktisch gesprochen also
in der Trennung der Kälber von den Ausscheidungen der Alttiere und Einhaltung
allgemein er Hygienemaßregeln. Hierbei ist zu beachten, dass einerseits Kälber
noch bis zum 12. Lebensmonat als besonders empfänglich gelten, andererseits
MAP als Erreger eine hohe Tenazität aufweist, d. h. mehrere Monate in der Umgebung ansteckun gsfähig bleibt. Dadurch
ist nicht nur der Kot selbst, sondern auch
Abwässer, M ist oder sogar Staub als potenzielle Infektionsquelle anzusehen. Die
Trennung von Kuh und Kalb sollte daher
so früh wie möglich erfolgen und der Abkalbebereich idealerweise nach jeder Kai-
bung desinfi ziert werden. Eine Studie der
Thüringer Tierseuchenkasse zeigte, dass
es vorteil haft ist, wenn für Tiere, d ie als
MAP-Ausscheider erkan nt oder verdächtig sind, ein eigener, intensiv desinfizierter Abkalbebereich eingerichtet wird. Eine gemeinsame Beleg ung des Abkalbebereiches mi t MAP-positiven und -negativen T ieren gilt es unbedi ng t zu vermeiden. D urch die relativ lange kritische
Phase ei ner möglichen Ansteckung kann
darüber hinaus, wo möglich, ei ne vollständige Auslagerung der Kälber- und
Jungviehaufzucht die Ve rbreitung der
Paratuberkulose a uf di ese Tiere drastisch verringern. Die Verfütterung von
Milch MAP-positiv identifizierter Tiere sollte in jedem Fall unterbleiben, eine
Pasteurisierung von Kälbermilch ist anzuraten. La ngfr istig wird wah rscheinlich die Zucht einen Beitrag zur Bekämpfung beitragen: Eine Resistenz gegen die
Kra nkheit ist erblich, diese ka nn nach
Identi fikation genetisch er Marker möglicherweise genutzt werden.
Fazit
Auch wenn die Bekämpfung der Paratuberku lose mü hsam ist: Sie wird vorangetrieben werden. Für betroffene Bestände bedeutet sie direkte Tierverluste und
verminderte Produktion, aber auch eine
erhöhte Anfälligkeit gegenüber anderen
Infektionen. Eine weitere Motivation, gegen Paratuberkulose im Rinderbesta nd
etwas zu u nternehmen, erwächst aus der
bisher nicht geklärten zoonotischen Relevanz des Erregers und den daraus möglicherweise resultierenden Konsequenzen für die Vermarktu ng vo n Milchprodukten u nd Rindfleisch. Das Thema
«
bleibt also aktuell.
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Dr. Joachim Lübbo Kleen
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Milchpraxis 1/2017 (51. Jg.)
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