Aus der wissenschaftlichen Theologie Bemerkungen zu E . Gilsons Werk über Johannes Duns Skotus Von Michael S c h m a u s , M ü n c h e n Vorbemerkung I m Jahre 1959 veröffentlichte Werner Dettloff ) i m V e r l a g Schwann - D ü s s e l d o r f die v o n ihm verfertigte deutsche Ubersetzung des aus der Feder Stephan Gilsons i m Jahre 1952 erschienen Standardwerkes Jean Duns Scot, Introäuction ä ses positions fundamentales, so d a ß auch weitere Kreise die Forschungen Gilsons sich aneignen k ö n n e n . A n dem Werke Gilsons w i r d ersichtlich, welche Fortschritte die Skotus-Forschung i m Laufe der letzten 50 Jahre, seit den Arbeiten des Franziskanertheologen Parthenius Minges bis z u m Beginn der Neuherausgabe der Skotus-Werke durch Charles Balic gemacht hat. W e n n man v o n einigen N a c h z ü g l e r n ) absieht, so ist heute v o n den f r ü h e r gegen Skotus erhobenen V o r w ü r f e n , er sei ein Wegbereiter des Nominalismus, ein Z e r s t ö r e r der Einheit v o n Philosophie und T h e o logie, v o n G l a u b e n u n d Wissen, ein blinder Nominalist, ein F e i n d des T h o m a s v o n A q u i n nichts mehr zu h ö r e n . Heute w e i ß man, d a ß Skotus sich p r i m ä r mit Heinrich v o n Gent, mit G o t t fried v o n Fontaine, mit Aegidius v o n R o m und erst in zweiter L i n i e mit T h o m a s v o n A q u i n auseinandergesetzt hat. D a b e i bleibt er i n alier S c h ä r f e der Begrifflichkeit stets human. J a , Thomas v o n A q u i n und Bonaventura gebrauchen in ihrem Kampfe vielfach schärfere F o r m u lierungen als D u n s Skotus. Heute w e i ß man auch, d a ß Skotus kein Skeptiker und kein einseitiger Analytiker ist. D i e Synthese tritt bei ihm nicht so deutlich in E r s c h e i n u n g wie bei T h o m a s , sie ist aber vorhanden, und zwar in strenger O r d n u n g . N u r macht es Skotus dem Leser nicht so leicht wie T h o m a s . D a f ü r v e r f ü h r t er i h n jedoch auch nicht so leicht wie T h o m a s zu der vorschnellen und vielfach v e r f r ü h t e n Meinung, ihn verstanden zu haben. 1 2 I. A l l g e m e i n e s Gemeinsam ist den g r o ß e n D e n k e r n des X I I I . Jahrhunderts bis hin zu D u n s Skotus, d a ß sie p r i m ä r Theologen sind. E i n e Philosophie u m der Philosophie willen w i r d v o n ihnen nicht gepflegt. Dieses V e r h ä l t n i s zur Philosophie ist E r b e des christlichen Geistes. Unsere These gilt auch dort, wo sie f ü r ihre theologischen Anstrengungen Philosophie oder wenigstens rationale Ü b e r l e g u n g e n verwenden. M a n kann die letzteren aus ihren Werken herausheben und versuchen, ein philosophisches System zu machen. M a n w ü r d e jedoch unrecht tun, wenn man diesen Theologen die Absicht zuschriebe, ein philosophisches System auszuarbeiten, und ihnen dann den V o r w u r f machen wollte, sie h ä t t e n keines zuwegegebracht. So sehr der theologische Horizont alles Philosophierens den D e n k e r n des X I I I . Jahrhunderts (wie ü b r i g e n s allen a b e n d l ä n d i s c h e n Philosophen) gemeinsam ist, so unterscheiden sie sich doch bedeutend durch das V e r s t ä n d n i s dessen, was innerhalb der durch den Glauben ergriffenen und v o n der Theologie erhellten Offenbarung verschiedenartige Auslegungen zuläßt, sowie in der Weise, wie sie ihre Philosophie einsetzen u n d welche Philosophie sie einsetzen. W e n n man die Unterschiede nicht ü b e r t r e i b t , wenn man sie mehr i n der Akzentuierung als in der Problemdarbietung selbst sieht, kann man v o n T h o m a s sagen, d a ß er ein sachhaft-ontologischmetaphysisches D e n k e n pflegt, w ä h r e n d Bonaventura personal-existentiell-eschatologisch denkt. W e n n man fragt, welche Denkweise i m G a n z e n der Theologie in h ö h e r e m M a ß e gerecht wird, w i r d man nicht u m h i n k ö n n e n , Bonaventura den V o r z u g zu geben, wenngleich Thomas ihn in systematischer Hinsicht übertrifft. Johannes D u n s Skotus liegt in der L i n i e Bonaventuras, obschon man i h n nicht einfach als dessen Fortsetzer bezeichnen kann. D a s von i h m ausgearbeitete Gedankenfeld ü b e r s c h n e i d e t vielfach auch den v o n T h o m a s entfalteten Ideenbereich. *) E . G i l s o n , Johannes Duns Scotus. Einführung in die Grundgedanken seiner Lehre. Düsseldorf, Schwann, 1959. Gr.-8°, 712 S. - Brosch. D M 48,—; L n . D M 56,—. ) Vgl. etwa den Artikel Duns Scoto in dem sonst ausgezeichneten Di^ionario Ecclesiastico I (1952) 917 f. 2 Bemerkungen ^u E. Gilsons Werk über Johannes Duns Skotus 277 Z u n ä c h s t scheint D u n s Skotus Philosophie u n d Theologie s t ä r k e r auseinanderzuhalten als T h o m a s . W ä h r e n d nach T h o m a s Philosophie u n d Theologie unter bestimmten Bedingungen den gleichen Gegenstand behandeln k ö n n e n , n ä m l i c h unter verschiedenen Aspekten, scheint D u n s Skotus eine solche These v ö l l i g abzulehnen. Dabei scheint die Philosophie v o n i h m sehr reduziert zu werden. W e n n man jedoch genauer hinsieht, kann man beobachten, d a ß er nicht erstlich v o n dem Unterschied oder dem Gegensatz v o n Theologie und Philosophie, sondern der Philosophen und der Theologen spricht. N a t ü r l i c h streift diese letztere Differenz auch die v o n den D e n k e r n vertretenen Denkbereiche. So sagt er z . B . , d a ß es Sache nicht der Philosophen, sondern der T h e o l o g e n sei, das Dasein eines Unendlichen, d. h. eines Freien z u beweisen. Dieser Beweis w i r d jedoch nach i h m v o n den Theologen durch die n a t ü r l i c h e ratio erbracht, d.h. durch die Methode der Metaphysik. E s gibt also, wie Skotus meint, rational beweisbare Wahrheiten, die den Philosophen unbekannt sind, die aber durch den Theologen metaphysisch bewiesen werden k ö n n e n . D i e Philosophen haben viele Behauptungen aufgestellt, welche durch die n a t ü r l i c h e ratio nicht bewiesen werden k ö n n e n , und haben vieles nicht gesagt, was durch die n a t ü r l i c h e ratio bewiesen werden kann ). So ü b e r r a s c h t die Behauptung des Scotus nicht mehr, d a ß Paulus » u n s e r P h i l o s o p h « sei ). Ja, er steigert seine Meinung bis zu der Uberzeugung, d a ß die Philosophen, also Aristoteles, Averroes, Avicenna, wenn sie in ihrem Bereich verbleiben, keines v o n jenen Problemen behandeln, welche den Theologen auf G r u n d der Offenbarung selbst aufgegeben sind. Falls sie es dennoch tun, geben sie vor, etwas n a t ü r l i c h e r w e i s e zu wissen, was sie nur aus dem r e l i g i ö s e n Glauben wissen u n d wissen k ö n n e n . Sie v e r f ä l s c h e n so die P h i losophie. Skotus hat dabei vor allem Avicenna i m Auge. D i e Philosophen geraten bei solchen G r e n z ü b e r s c h r e i t u n g e n immer in Aporien, da sie sich hierbei einem Gegenstand zuwenden, der f ü r das H e i l des Menschen bedeutsam ist u n d h i e r f ü r ist der Philosoph nicht zuständig. Umgekehrt nimmt Skotus f ü r die Theologie i n A n s p r u c h , d a ß sie die Philosophie verbessert. I n d e m der Theologe sich der Philosophie verbindet, gibt er ihr neue Probleme auf und vermittelt ihr neue E r k e n n t n i s m ö g l i c h k e i t e n . Aristoteles und Averroes sind gute Philosophen. Avicenna aber ist ein besserer Philosoph, weil er, allerdings ohne es z u wissen, Theologie treibt. Folgender T e x t trifft die Meinung des Skotus genau, wenn er auch nicht in einem echten Werke steht: » E x puris naturalibus multi catholici doctores perfectiorem conceptum habuerunt de deo quam aliquis p h i l o s o p h u s ) « Insbesondere k ö n n e n die Theologen mit Hilfe der n a t ü r l i c h e n Vernunft die Freiheit Gottes erkennen, w ä h r e n d die Philosophen sich ausschließlich i n den Dimensionen des Notwendigen zu bewegen v e r m ö g e n . M a n sieht: D u n s Skotus weitet das F e l d der Theologen a u ß e r o r d e n t l i c h aus. Sie b e m ü h e n sich legitim auch u m solche Bereiche, in denen die ratio ihr entscheidendes W o r t spricht. U m gekehrt w i r d das Bewegungsfeld der Philosophen u n g e w ö h n l i c h eingeengt. Letzlich ist seine Meinung nur v e r s t ä n d l i c h aus der der christlichen Tradition entstammenden Uberzeugung, d a ß der r e l i g i ö s e Glaube eine reinigende und l ä u t e r n d e F u n k t i o n habe, derart, d a ß nur die v o m Glauben g e l ä u t e r t e ratio imstande ist, die ihr immanenten M ö g l i c h k e i t e n z u realisieren, also das z u tun, w o z u sie v o n ihrem Wesen her berufen ist. W e n n man D u n s Skotus einen V o r w u r f machen will, kann man i h m keineswegs eine z u starke T r e n n u n g v o n Philosophie u n d Theologie nachsagen, sondern eine z u starke V e r b u n d e n heit und Einheit. D i e Synthese v o n Philosophie u n d Theologie w i r d v o n i h m nicht a u f g e l ö s t , sondern ü b e r s p a n n t , indem die Philosophie in h o h e m M a ß e i n die Theologie einbezogen w i r d . W e n n auch der Bewegungsbereich der Philosophen reduziert w i r d , so doch nicht jener der Philosophie. D i e Philosophie leistet jedoch vieles, was sie leistet, nur in der H a n d der T h e o l o gen, nicht i n jener der Philosophen. D e r Theologe braucht die ratio, das Instrument des P h i losophen. W e n n aber er es gebraucht, sieht er damit mehr u n d besser als der Philosoph. M a n k ö n n t e seine A n s i c h t auch so formulieren: das N a t ü r l i c h e w i r d so intensiv in das U b e r n a t ü r liche aufgehoben, d a ß es in die Gefahr g e r ä t , darin aufzugehen. 3 4 5 II. D r e i E i n z e l h e i t e n W i r wollen diese Denkspur in drei Dimensionen weiter verfolgen. 1. I n der ersten liegt der Begriff der U n i v o z i t ä t . N a c h Skotus ist das Sein das Ersterkannte. E r beruft sich h i e r f ü r auf unser B e w u ß t s e i n . E r geht also v o n einem psychologischen P h ä n o m e n aus. Dessen Analyse f ü h r t jedoch z u erkenntnistheoretischen und metaphysischen Einsichten. W i r finden i n unserem B e w u ß t s e i n den Begriff des Seins vor, ohne z u n ä c h s t zu wissen, ob das Sein endlich oder u n endlich ist. D e r Seinsbegriff ist also nach i h m z u n ä c h s t neutral g e g e n ü b e r seinem Modus oder seiner M o d a l i t ä t , n ä m l i c h g e g e n ü b e r Unendlichkeit oder Endlichkeit. D e r Begriff des unend3 4 5 ) Report. Paris. I I d. 1 q. 3 n. 1. ) Ebda. I V d. 49 q. 2 n. 11. ) Quaestiones miscellaneae de formalitatibus, q. 5 u. 34 (Ausgabe Vives V , 402). Michael Schmaus 278 liehen Seins ist zwar der vollkommenste Begriff, insofern das endliche Sein nur als Teilnahme am unendlichen Sein verstanden werden kann, aber i m Seinsbegriff stimmen E n d l i c h e s und Unendliches ü b e r e i n . O h n e diese Annahme m ü ß t e man dem Skeptizismus verfallen. W ä h r e n d Thomas von A q u i n ü b e r z e u g t ist, d a ß man v o m Seinsbegriff den Seinsmodus nicht so radikal abstrahieren kann, d a ß ein dem E n d l i c h e n und dem Unendlichen univoker Begriff herauskommt, ist die U n i v o z i t ä t nach Skotus geradezu eine B e d i n g u n g der Erkenntnis des U n e n d lichen. D u n s Skotus betont also den Zusammenhang (ohne freilich in pj/antheistischer' V e r mengung zu verfallen), w ä h r e n d T h o m a s v o n A q u i n den Unterschied unterstreicht (ohne i n den Agnostizismus hineinzuschlittern). D e r von Skotus gelehrte Grundzusammenhang im Sein durchherrscht das ganze F e l d der Wirklichkeit. E r tritt in einer besonderen Weise hervor i m V e r h ä l t n i s des N a t ü r l i c h e n z u m Ü b e r n a t ü r l i c h e n . N a c h D u n s Skotus ist der Geist des Menschen auf G r u n d seiner Natur an sich fähig, das Intelligible, also zuletzt G o t t zu schauen. E r unterscheidet sich mit dieser These wesentlich v o n Thomas v o n A q u i n , denn nach diesem ist das menschliche E r k e n n e n , da es ein A k t des sinnenhaft-geistigen Menschenswesens ist, p r i m ä r der Washeit in den k ö r p e r l i c h e n D i n g e n z u geordnet. D u n s Skotus ist der Uberzeugung, d a ß auch G o t t dem menschlichen Geiste die F ä higkeit, das Intelligible und zuletzt ihn selbst z u schauen, nicht schenken k ö n n t e , w e n n i h m diese F ä h i g k e i t nicht v o n Natur aus eigen w ä r e . D e r doctor subtilis ist jedoch v o n einem so tiefgreifenden Realismus erfüllt, d a ß er unterscheidet zwischen der Fähigkeit unseres Geistes an sich und seiner F ä h i g k e i t in dem jetzigen Zustand (pro statu isto). V o n diesem sagt er folgendes : » D u r c h die Gesetze der g ö t t l i c h e n Weisheit ist bestimmt, d a ß unser Intellekt in seinem g e g e n w ä r t i g e n Zustande nur die D i n g e begreift, deren Erkenntnisbilder im sinnlichen V o r stellungsbild aufleuchtet, und das mag der F a l l sein als Strafe f ü r die E r b s ü n d e oder wegen des n a t ü r l i c h e n Aufeinanderabgestimmtseins der S e e l e n k r ä f t e i n ihrem V o l l z u g , wie man denn auch sieht, d a ß die h ö h e r e n F ä h i g k e i t e n sich mit derselben Sache befassen wie die niederen, wenn auch die einen u n d die anderen in vollkommenerer Weise tätig sind. U n d t a t s ä c h l i c h spielen sie sich in uns so ab, d a ß v o n jedem Allgemeinen, das unser Intellekt zu erfassen vermag, auch unsere Vorstellungskraft aktuell immer ein individuelles B i l d vor sich hat. A u f jeden F a l l r ü h r t dieses Aufeinanderabgestimmtsein, das in unserem g e g e n w ä r t i g e n Zustand t a t s ä c h l i c h besteht, weder v o n der Natur unseres Intellekts her, insofern er Intellekt ist, noch daher, d a ß er mit dem Leibe verbunden ist, weil, wenn dies der F a l l w ä r e , der Intellekt dessen Aufeinanderabgestimmtsein auch in seiner Verbindung mit dem v e r k l ä r t e n L e i b n ö t i g hätte, was jedoch falsch i s t ) . « Mit Recht betont G i l s o n , d a ß man diesen T e x t des Skotus k a u m hoch genug anschlagen kann. D i e Gottesschau ist nach i h m dem Menschen an sich n a t ü r l i c h . Sie ist i h m aber nicht absolut n a t ü r l i c h , n ä m l i c h nicht i n der tatsächlichen heilsgeschichtlichen O r d n u n g . Das Aufeinanderabgestimmtsein der h ö h e r e n u n d der niederen K r ä f t e ist zwar n a t ü r l i c h . D i e A r t u n d Weise aber, wie es sich infolge der E r b s ü n d e auswirkt, ist nicht mehr einfachhin natürlich. E s scheint vielmehr geradezu ein Aufstand der Sinnlichkeit gegen den Intellekt vorzuliegen, der es dem Intellekt verwehrt, ohne sinnliche Vorstellungsbilder zu erkennen. Wie man leicht ersehen kann, verlegt Skotus das U b e r n a t ü r l i c h e i n den Bereich der g ö t t l i c h e n Gnadenhilfe, nicht wie T h o m a s in die D i m e n s i o n der E r h e b u n g ü b e r das N a t ü r l i c h e hinaus. D u n s Skotus bewegt sich damit i n der durch Augustinus u n d die F r ü h s c h o l a s t i k bestimmten Tradition, w ä h r e n d T h o m a s mit seinem metaphysischen Begriff des U b e r n a t ü r l i c h e n eine neue theologische E p o c h e eingeleitet hat. W e n n Thomas den Unterschied des U b e r n a t ü r l i c h e n v o m N a t ü r l i c h e n so klar herausarbeitet, d a ß der Zusammenhang und die Einheit nicht ebenso erkennbar w i r d wie der Unterschied, so vermag D u n s Skotus die Einheit und den Zusammenhang so sehr zu betonen, daß die Verschiedenheit nicht ebenso deutlich wird. Skotus vertritt mit seiner These ein Anliegen, welches der heutigen Theologie die g r ö ß t e n Anstrengungen abfordert. E r m u ß dafür freilich einen hohen Preis bezahlen. O b er zu hoch ist, l ä ß t sich nicht leicht entscheiden. I m Hintergrund scheint der platonische bzw. der neuplatonische Leib-Seele-Dualismus zu stehen bzw. der neuplatonische Augustinus. V o n einer etwaigen K r i t i k an D u n s Skotus w i r d die ganze augustinische Richtung der a b e n d l ä n d i s c h e n Theologie mitbetroffen. D i e s e b e s c h r ä n k t bis Thomas v o n A q u i n den Charakter des U b e r n a t ü r l i c h e n auf den W e g z u m Ziele. D a s Z i e l selbst aber betrachtet sie als etwas N a t ü r l i c h e s . I n diesem D e n k e n hat auch Skotus seinen Platz. E r ist daher i n h ö h e r e m M a ß e der a b e n d l ä n d i s c h e n theologischen Tradition verhaftet als T h o m a s . 2. F ü r das D e n k e n des Skotus ist weiterhin Konkretheit u n d Anschaulichkeit kennzeichnend. D a r i n d r ü c k t sich seine Beheimatung i m englischen E m p i r i s m u s aus. Diese E i g e n t ü m l i c h k e i t soll an zwei Momenten e r l ä u t e r t werden, an seiner T h e s e v o m Formalunterschied und an seiner L e h r e v o n der Haecceitas. Was Skotus unter dem Formalunterschied versteht, ist trotz der zahlreichen Auslegungsversuche immer noch schwer z u fassen. E r liegt jenseits des realen 6 6 ) Op. Ox. I d. 3q. 3 a. 4 n. 2f. Bemerkungen %u E. Gilsons Werk über Johannes Duns Skotus 279 u n d des b l o ß gedanklichen Unterschiedes. E r ist objektiv, ohne real z u werden. D i e L e h r e v o m Formalunterschied wirkt in die meisten theologischen Bereiche hinein. Sie gewinnt jedoch ihre g r ö ß t e Bedeutung in der Gotteslehre. V o n der jüdisch-arabischen Philosophie u n d Theologie wurde den christlichen Theologen des Mittelalters das Problem v o n der Einheit und Vielheit i n G o t t vererbt. T h o m a s v o n A q u i n nimmt bekanntlich einen virtuellen Unterschied zwischen den g ö t t l i c h e n Attributen an. D i e Theologen des letzten Drittels des X I I I . Jahrhunderts setzen sich mit dieser T h e s e auf die mannigfachste Weise auseinander. D u n s Skotus e r k l ä r t ihr gegenü b e r , d a ß sie unsere Gotterkenntnis z u m Agnostizismus verurteilt. W e n n diese K r i t i k auch ü b e r trieben ist, so liegt ihr doch ein berechtigtes Anliegen zu G r u n d e . E r selbst f ü h r t aus, d a ß jede g ö t t l i c h e Eigenschaft das ist, was sie nach der das Wesen (die forma) darstellenden Definition ist, u n d sonst nichts. D i e Weisheit ist Weisheit u n d nicht Gerechtigkeit. D a s Wesen der einen ist nicht das Wesen der anderen. M a n w ü r d e v o n G o t t nichts mehr erkennen, wenn man nicht jede Eigenschaft in ihrem E i g e n - S i n n bestehen ließe. E s ist der theologische Realismus und eine hohe Erkenntniszuversicht, v o n denen die skotische Formallehre g e n ä h r t ist. Was sollte, so meint Skotus, dies f ü r ein Gott sein, in dem Weisheit, Gerechtigkeit und Liebe formal zusammenfallen. A u f der anderen Seite s p ü r t er jedoch die Gefahr, welche seine These der Einheit i n G o t t bereitet. N a c h seiner Meinung w i r d die Z e r s t ö r u n g der E i n h e i t verhindert durch den Unendlichkeitscharakter eines jeden Attributes. A l s anderes Z e i c h e n seiner konkreten Denkweise soll das Individuationsprinzip genannt werden. Dies ist nach i h m nicht wie bei T h o m a s die Materie, sondern die sogenannte Haecceitas. M a n kann sie als individuelle Differenz bezeichnen. M a n w i r d nicht fehlgehen, wenn man die skotische haecceitas als einen deus ex machina versteht, der in einer ausweglosen D e n k n o t zu Hilfe gerufen w i r d , ohne wirklich Hilfe bringen zu k ö n n e n . V e r s t ä n d l i c h w i r d freilich i n dieser skotischen L e h r e die I n d i v i d u a l i t ä t und das individuelle Profil des Individuums leichter als in anderen Versuchen. 3. D i e Konkretheit und Anschaulichkeit des skotischen Denkens gipfelt auf in dem personhaft-existentiell-eschatologischen Charakter seiner Theologie. Schon der Begriff der Theologie ist h i e r f ü r ä u ß e r s t a u f s c h l u ß r e i c h ) . W ä h r e n d nach T h o m a s v o n A q u i n die Theologie p r i m ä r der theoria dient, bietet sie nach Skotus die Richtschnur des Handelns. Sie ist nicht wie bei T h o mas erst i n zweiter L i n i e eine » p r a k t i s c h e « Wissenschaft, sondern v o n Anfang an, v o n Haus aus u n d auf G r u n d ihres Wesens. T h o m a s bewegt sich mit seiner Ansicht v o n der Theologie in der durch die griechische Philosophie, namentlich durch Aristoteles eingeleiteten Tradition des a b e n d l ä n d i s c h e n E r k e n n t n i s - V e r s t ä n d n i s s e s . Insbesondere ist die a b e n d l ä n d i s c h e Universität v o n dem Ideal der Wahrheitserkenntnis u m ihrer selbst willen g e p r ä g t . D u n s Skotus hingegen steht mit seiner These mehr i n der V o r s t e l l u n g s s p h ä r e der Heiligen Schrift, welcher es nicht u m theoretische Erkenntnisse, sondern u m die Begegnung des Menschen mit G o t t , u m das herrscherliche u n d heilschafTende Handeln Gottes am Menschen geht. E s braucht kaum noch einmal betont zu werden, d a ß solche Charakterisierungen keinen auss c h l i e ß l i c h e n Charakter haben, d a ß es sich vielmehr u m verschiedene Akzentgebungen handelt. A b e r schon allein dadurch stellen die Theologien des T h o m a s u n d des Skotus verschiedene V e r haltensweisen g e g e n ü b e r der Offenbarung dar. Skotus ist in seiner Denkweise v o n zwei Motiven bestimmt. Z u n ä c h s t ist er davon ü b e r z e u g t , d a ß es sich bei der Offenbarung u n d deren wissenschaftlicher E r h e l l u n g immer u n d zwar unmittelbar u m das H e i l handelt. Dabei v e r n a c h l ä s s i g t er das intellektuelle Moment keineswegs. D i e E r k e n n t n i s b e m ü h u n g e n vollziehen sich vielmehr nach den strengsten Regeln des Denkens. D a s zweite M o t i v ist seine Sorge u m die Freiheit. E r meint, d a ß ü b e r a l l dort, wo p r i m ä r der Intellekt herrscht, die Notwendigkeit herrsche, da der Intellekt auf G r u n d seiner Erkenntnisse den Willen z u m Handeln n ö t i g e . E r sieht den Unterschied zwischen den Philosophen und den Theologen gerade darin, d a ß es die ersten mit dem Naturhaften zu tun haben, die zweiten aber mit der Freiheit. W e n n er die Interpretation der Theologie als der p r i m ä r theoretischen E r kenntnis Gottes kritisiert, so wendet er sich hierbei allerdings nicht unmittelbar gegen die Philosophen, sondern gegen die Theologen. D i e Philosophen konnten es n ä m l i c h nicht besser wissen. D i e Theologen h ä t t e n es unter dem E i n f l u ß der Schrift besser wissen k ö n n e n . » W e n n er ( = Aristoteles) mit uns darin einig w ä r e , d a ß man das Z i e l frei lieben k ö n n e n m u ß , recht oder unrecht, u n d d a ß es in der rechten Weise nur durch die Liebe geliebt werden kann, die der ratio recta entspricht, die nicht nur das Objekt zeigt, sondern es auch z u w ä h l e n vorschreibt, h ä t t e er vielleicht auch zugegeben, d a ß eine solche E r k e n n t n i s des Zieles praktisch bleibt. W e n n der Theologe den Untersatz des Aristoteles ablehnen m u ß , ist es also besser f ü r ihn, nach den Regeln der L o g i k auch seine S c h l u ß f o l g e r u n g e n abzulehnen, als mit i h m in der S c h l u ß f o l g e r u n g 7 ) F ü r den Theologiebegriff des Skotus siehe Jos. F i n k e n z e l l e r , Offenbarung und Theologie nach der Lehre des Johannes Duns Scotus. Eine historische und systematische Untersuchung (Beiträge z. Gesch. d. Phil. u. Theol. des Mittelalters), Münster 1960. 7 Michael Schmaus 280 ü b e r e i n z u s t i m m e n , die er selbst nicht aufgestellt hätte, wenn er den Untersatz ablehnte, wie es der Theologe t u t ) . « A u f G r u n d seines Theologiebegriffes bezeichnet Skotus als Gegenstand bzw. als » S u b j e k t « der Theologie nicht G o t t an sich, sondern Gott f ü r uns, den lebendigen Gott, der sich uns heilswirksam zuwendet, gerade unter dem Gesichtspunkt seiner Heilswirksamkeit. Diese Beobachtung f ü h r t uns zu einer neuen wichtigen Feststellung. D e r G o t t des heilshaften Handelns ist der G o t t der Freiheit. D i e Schrift schildert ihn i m Unterschied und G e g e n satz zu dem aristotelischen G o t t der Noesis noeseos als den G o t t des Willens. D i e Grundstruktur des Willens ist eben die Freiheit. Skotus wendet sich mit Entschiedenheit dagegen, d a ß G o t t blinder Wille sei. E r ist ein v o m E r k e n n e n erleuchteter Wille. Das E r k e n n e n ü b t jedoch keinen Z w a n g aus. Skotus sieht i n dieser Feststellung den Hauptunterschied zwischen der griechischen Philosophie und dem Christentum. F ü r die griechische Philosophie ist nach seiner Meinung die Z w a n g s l ä u f i g k e i t des Naturalismus charakteristisch. Wie die Freiheit die Grundstruktur des g ö t t l i c h e n Willens ist, so ist die Liebe dessen Inhalt. G o t t handelt, wenn er handelt, immer als Liebe. Wollte man die L e h r e des Skotus mit einem der ü b l i c h e n philosophischen termini charakterisieren, k ä m e man in Verlegenheit. Sie ist weder Intellektualismus n o c h Voluntarismus. Sie steht vielmehr jenseits dieser Richtungen, indem sie das Anliegen der beiden in sich aufnimmt u n d aufhebt. E i n e Zusammenfassung findet die Meinung des Skotus i n seiner Christologie. E r geht hierbei v o n der These aus, d a ß die Liebe, die G o t t ist, eine geordnete Liebe ist. G o t t will Wesen, die v o n ihm verschieden sind, nur in der O r d n u n g u n d in dem M a ß e , wie sie seiner Liebesabsicht entsprechen, u n d deshalb liebt er mehr, was i h m in der O r d n u n g der Liebe n ä h e r steht ). »Ich behaupte also: A n erster Stelle liebt G o t t sich selbst; an zweiter Stelle liebt Gott sich i n anderen, u n d diese Liebe ist geordnet; an dritter Stelle w i l l Gott geliebt sein v o n jemandem, der ihn mit der g r ö ß t e n u n d v o l l s t ä n d i g s t e n Liebe lieben kann, u n d hier spreche ich v o n einer Liebe zu sich selbst v o n a u ß e n her. A n vierter Stelle sieht G o t t die Vereinigung zwischen sich u n d diesem Wesen voraus, das i h m h ö c h s t e Liebe zollt, selbst wenn unter den geschaffenen Wesen keines w ä r e , das die Liebe verraten h ä t t e ) . « Diese Liebestheologie f ü h r t Skotus zu seiner These v o m Primat Christi i n der geschaffenen Welt. Gottes Konzeption v o n der Menschwerdung ist f ü r alles ü b r i g e grundlegend. S c h ö p f u n g u n d E r l ö s u n g sind die Folgen. W ä h r e n d bei T h o m a s die Menschwerdung in die theologische Wissenschaft eingebaut wird, entfaltet Skotus die gesamte Theologie aus der Menschwerdung. Insofern der g ö t t l i c h e Plan der Menschwerdung die Grundlage aller ü b r i g e n G o t t e s p l ä n e und die A u s f ü h r u n g des Menschwerdungsplanes die geschichtliche K r ö n u n g der Gotteswerke ist, hat die ganze S c h ö p f u n g personale Struktur. M a n kann sie nicht durch das V e r h ä l t n i s von Subjekt und Objekt, v o n I c h u n d E s , sondern nur durch das V e r h ä l t n i s v o n I c h und D u bzw. durch die Kategorie der Begegnung charakterisieren. Z u g l e i c h tritt in der Konzeption v o n der Menschwerdung das Eschatologische in Erscheinung. W i e sich n ä m l i c h die S c h ö p f u n g nach dem g ö t t l i c h e n Haushaltsplan auf das K o m m e n Christi hinbewegt, so ist das erste K o m m e n Christi auf sein zweites hingeordnet. Innerhalb der personalistischen Gesamtstruktur der S c h ö p f u n g tritt die Kategorie der Begegnung in v i e l f ä l t i g e n F o r m e n hervor. H i e r f ü r sind zwei Beispiele illustrativ. I n dem Bereich der Gnade erscheint der Begegnungscharakter, der die Wirklichkeit durchherrscht, i n der skotischen F o r m e l v o n der Akzeptation des Menschen durch G o t t ) . I n dem Bereich der E s c h a tologie erscheint er in der skotischen E r k l ä r u n g der visio beatifica. W ä h r e n d sie nach Thomas p r i m ä r ein A k t des Intellektes ist, ist sie nach D u n s Skotus p r i m ä r ein A k t des Willens oder vielmehr der Liebe. Skotus ist weit v o n der Meinung entfernt, d a ß das himmlische L e b e n erstlich ein bewunderndes u n d b e g l ü c k e n d e s Anschauen der Herrlichkeit Gottes ist. E r vertritt vielmehr die These, d a ß es erstlich ein Austausch v o n Liebenden ist. E i n e besondere Rolle spielt die personalistische Denkweise des Skotus in der D i m e n s i o n des Ethischen. I n der Zeit der Verfemung des Skotus schrieb man ihm die M e i n u n g zu, d a ß zwar die beiden ersten Gebote des Dekalogs Wesensgebote u n d daher u n v e r ä n d e r l i c h , d a ß aber die ü b r i g e n acht W i l l k ü r g e b o t e u n d daher v e r ä n d e r l i c h seien. H i e r v o n kann keine Rede sein. D u n s Skotus sieht sich ebenso wie jeder Theologe vor die Tatsache gestellt, d a ß i m Alten Testament G o t t selbst gelegentlich v o n diesem oder jenem G e b o t des Dekalogs dispensiert habe. Die Theologen geben h i e r f ü r verschiedene E r k l ä r u n g e n . Sie k ö n n e n auf keinen F a l l behaupten, daß die acht Gebote des Dekalogs, f ü r die g ö t t l i c h e Dispensen i n Frage kommen, so sehr Wesens8 9 10 11 ) Op. Oxon. prol. q. 4 a. 5 n. 23. ) Rep. Gavis. I I I d. 7q. 4. Vgl. W. D e t t l o f f , Die Geistigkeit des hl. Franziskus in der Christologie des Johannes Duns Skotus, in: Wissenschaft u. Weisheit 22 (1959) 17—28. ) Ebda. ) W. D e t t l o f f , Die Lehre von der Acceptatio divina bei Johannes Duns Scotus Werl 1954. 8 ö 1 0 u y Beziehungen ^wischen Orthodoxen und Katholiken 281 g e b ö t e seien, d a ß sie mit absoluter u n d u n v e r b r ü c h l i c h e r G e l t u n g ausgestattet sind. Skotus versucht folgenden W e g : A u s g a n g und Z i e l alles menschlichen Handelns ist die Liebe. Infolgedessen kann v o n den beiden ersten Geboten auf keine Weise befreit werden, da sie unmittelbar die L i e b e Gottes gebieten. V o n allen ü b r i g e n Geboten hingegen m u ß man sagen, d a ß sie zwar der L i e b e Gottes z u dienen geeignet sind und d a ß sie infolgedessen den Forderungen der V e r nunft g e n ü g e n . Sie sind in diesem Sinne v e r n u n f t g e m ä ß u n d w e s e n s g e m ä ß . M a n kann aber nicht v o n ihnen sagen, d a ß sie absolut u n d in jeder Situation der L i e b e Gottes zu dienen v e r m ö g e n . Sie sind nicht unbedingte Forderungen, welche aus dem Wesen Gottes als der L i e b e mit N o t wendigkeit abgeleitet werden k ö n n e n . G i l s o n interpretiert die Meinung Skotus f o l g e n d e r m a ß e n . Alles, was G o t t gebietet, ist gut, weil er es als geziemendes Mittel zu dem Z i e l vorschreibt, das er e r w ä h l t hat; wenn G o t t v o n dem dispensiert, was er geboten hat, h e i ß t das nicht, d a ß das, was er geboten hat, nicht gut sei, sondern d a ß das, was er an seine Stelle setzt, i m H i n b l i c k auf dasselbe Z i e l hic et nunc besser ist. Alle Gebote des Dekalogs sind also Naturgesetz i m weiteren Sinne, und jeder V e r s t o ß gegen irgendeines v o n ihnen verletzt dieses durch G o t t in die H e r z e n geschriebene Gesetz; aber nur die beiden ersten Gebote sind notwendig an das einzig N o t wendige gebunden: nullus actus est bonus in genere ex solo obiecto nisi amare D e u m , qui amor est obiecti per se volibilis et boni infiniti. D i e anderen sind nicht notwendig an sie gebunden, sie sind es jedoch tatsächlich durch die g ö t t l i c h e Weisheit, die genau das Gegenteil v o n einer W i l l k ü r ist. D i e radikale K o n v e r g e n z alles endlich G u t e n in bezug auf das unendliche G u t k ö n n t e keine Ausnahme ertragen in einer L e h r e , in der dies darauf hinausliefe, nicht allein die Natur, sondern die ganze O r d n u n g der Ubernatur und der Gnade z u etwas Notwendigem zu machen. H ä t t e D u n s Skotus sein W e r k durch eine andere L e h r e ü b e r das Sittengesetz gek r ö n t , dann h ä t t e er i m letzten Augenblick dem Nezessitarismus der » P h i l o s o p h i e « , den er immer b e k ä m p f t hatte, den Sieg ü b e r l a s s e n . Das Beispiel, das D u n s Skotus gebraucht, macht das g e n ü g e n d deutlich: » N e h m e n wir dieses Prinzip des positiven Rechts a n : m a n m u ß in der Gemeinschaft oder i m Staate in Frieden leben. Daraus folgt nicht notwendig: also m u ß jeder dort ein E i g e n t u m besitzen, das v o n dem des N a c h b a r n unterschieden ist. T a t s ä c h l i c h k ö n n t e der Friede i m gemeinsamen L e b e n weiterbestehen, auch wenn alle die G ü t e r dort gemeinsam hätten. Diese Folgerung ist nicht einmal notwendig, w e n n man den S c h w ä c h e n der Natur bei den zusammenlebenden Menschen Rechnung t r ä g t . T r o t z d e m v e r t r ä g t sich f ü r schwache Naturen das Privateigentum besser mit dem sozialen Frieden. Schwache Menschen k ü m m e r n sich mehr u m die G ü t e r , die ihnen selber geh ö r e n , als u m gemeinsame G ü t e r ; denn sie m ö c h t e n sich lieber die gemeinsamen G ü t e r aneignen als sie der Gemeinschaft u n d ihren W ä c h t e r n ü b e r l a s s e n , woraus Streitigkeiten und V e r wirrungen entstehen w ü r d e n . So fließen bei fast allen Gesetzgebungen, obgleich sie ein Prinzip zulassen, das zur B e g r ü n d u n g anderer Gesetze und anderer Rechte dienen k ö n n t e , die positiven Gesetze nicht einfach aus diesem Prinzip, sondern sie e r k l ä r e n u n d entwickeln es i n manchen Einzelheiten, welche E n t w i c k l u n g e n mit dem universalen n a t ü r l i c h e n Prinzip sehr gut im E i n klang s t e h e n ) . « 12