III. Nicht-wirtschaftliche Aspekte

Werbung
LIDC – Amsterdam Kongress
Frage B
Dient das Recht gegen unlauteren Wettbewerb dem Schutz der Mitbewerber,
der Verbraucher oder anderen Interessen? Wie ist ein eventueller Konflikt
zwischen diesen Schutzzielen zu lösen?
Frauke Henning-Bodewig und Jan Kabel
A. Einleitung
I. Das Thema
1.
Unlautere Handelspraktiken beeinflussen üblicherweise alle Marktteilnehmer, entweder direkt
oder indirekt. Hitherto, die Verordnung über unlautere Handelspraktiken hat den Schwerpunkt auf
die Kontrolle des fraglichen Verhaltens gelegt, und weniger auf den Aspekt, ob die Praxis
hauptsächlich die Entscheidungsbildung von Verbrauchern oder Nicht-Verbrauchern beeinflusst.
Dies war zumindest der Ansatz der einzigen internationalen Verordnung auf dem Gebiet des
Wettbewerbsrechts (Art. 10bis der Pariser Verbandsübereinkunft) und des sekundären
Gemeinschaftsrechts (insbesondere Richtlinie 84/450/EWG über Irreführung und vergleichende
Werbung).
2.
Die europäische Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Handelspraktiken vom 11. Mai 2005,
die bis Juni 2007 umgesetzt werden muss, wählt einen anderen Ansatz. Sie regelt ausschließlich
unlautere Handelspraktiken, die direkt in Zusammenhang mit der Beeinflussung einer
geschäftlichen Entscheidung von Endverbrauchern steht, und schließt alle Praktiken aus, die sich
weder an Endverbraucher richten noch eine geschäftliche Entscheidung von Verbrauchern direkt
beeinflussen1. Irreführende Werbung wird nunmehr beispielsweise auf Basis von zwei
verschiedenen Verordnungssystemen beurteilt: die neue Richtlinie 2005/29/EG behandelt “B2C”Werbung, während “B2B”-Werbung der Richtlinie 84/450/EWG entsprechen muss. 2
3.
Dies führt zur Frage, ob es a priori zwei verschiedene Standards für die Beurteilung
unlauterer Handelspraktiken gibt. Gibt es einen Standard für Verbraucher und einen anderen für
Mitbewerber? Andererseits, sind die Interessen aller Marktteilnehmer zu verflochten, um
verschiedene Fairness-Standards zu ermöglichen? Allgemeiner: Sollten die Vorschriften über
unlauteren Wettbewerb den Schwerpunkt auf die Handlung an sich legen - was natürlich vor dem
Hintergrund aller Umstände, besonders der Zielgruppe, gesehen werden muss - oder sollten sie
sich hauptsächlich auf den Schutz des Endverbrauchers oder der Mitbewerber konzentrieren? Für
den Werbetreibenden, der beispielsweise ein Auto oder einen Computer bewirbt, ist es häufig nicht
vorhersehbar, für welche Zwecke (privat, beruflich) das beworbene Produkt gekauft wird. Sollte
dem Unternehmen gestattet werden, sich auf einen einheitlichen Standard zu berufen?
Art. 2, k. Richtlinie: „’geschäftliche Entscheidung’ bedeutet jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob,
wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen, eine Zahlung insgesamt oder teilweise leisten,
ein Produkt behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit dem Produkt
ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher beschließt, tätig zu werden oder ein Tätigwerden zu
unterlassen.“
2
Aktuelle Literatur über die Richtlinie siehe: R.W. de Vrey, Towards a European Unfair Competition Law: A
Clash Between Legal Families. A comparative study of English, German and Dutch law in light of
existing European and international legal instruments (Diss. Utrecht), Leiden: Koninklijke Brill 2005; J.
Stuyck, E. Terryn, T. van Dyck, ‘Confidence through fairness? The new directive on unfair business-toconsumer commercial practices in the internal market’, Common Market Law Review 2006-43, S. 107152; H. Collins, The Forthcoming EC Directive on Unfair Commercial Practices, The Hague: Kluwer
Law International 2004.
1
Verbraucher werden in vielen Fällen nicht von billigen 'look alikes' irregeführt. Sollte es daher
zulässig sein, dass Produzenten von nachgeahmten Produkten ihre Waren an die Verbraucher
anbieten, wenn sie diese über die Art des Produktes informieren? Anders gesagt: Könnte eine
Klage auf Basis von Verwechslung abgelehnt werden, weil der Konsument im Hinblick auf den
Ursprung des Produktes nicht irregeführt wurde? Dies scheint der britische Ansatz zu sein.
4.
Es ist darüber hinaus wichtig zu wissen, ob das Wettbewerbsrecht auf rein wirtschaftliche
Aspekte beschränkt ist (oder sein sollte) oder ob es auch Aspekte berücksichtigen sollte, wie
beispielsweise soziale Verantwortung, öffentliche Ordnung, Datenschutz, etc. Außerdem, falls diese
ethischen Aspekte im Wettbewerbsrecht von Bedeutung sind: Können sie ein Verbot einer
Geschäftspraxis, die ansonsten zulässig ist, rechtfertigen?
5.
Diese Fragen betreffen auch die Sanktionen gegen unlauteren Wettbewerb. Sollten die
Rechtsmittel gegen unlautere Handelspraktiken Verbrauchern und Mitbewerbern (und ihren
Organisationen) gleichermaßen offen stehen? Andererseits, erfordert das Interesse der
Verbraucher besondere Durchsetzungsmechanismen, insbesondere staatliche Behörden? Kann der
Mitbewerber beispielsweise Klage auf Basis einer Verletzung der Pflichten insbesondere gegenüber
Verbrauchern, z.B. der Informationspflicht, einreichen?
6.
Es sollte erwähnt werden, dass das Ad Hoc-Komitee über unlautere Handelspraktiken der
Liga in seiner Budapest-Resolution (2004) angeführt hat:
“Der Ausschluss von B2B-Praktiken von einem Richtlinien-Entwurf über unlautere
Handelspraktiken ist bedauerlich, da eine Beschränkung auf B2C-Praktiken zu einer
Rechtsunsicherheit führen kann und möglicherweise Verbraucherinteressen beeinträchtigt.
Die Einführung eines Klagerechts für Mitbewerber (Art. 11 Par. 1 des Richtlinien-Entwurfs des
Rates) ist ein Schritt in die richtige Richtung, da häufig nur Mitbewerber Handlungen
unlauteren Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern bemerken. Allerdings werden eine Reihe
von Praktiken, die sowohl die Mitbewerber als auch die Verbraucher schädigen, vom
Geltungsbereich des Richtlinien-Entwurfs ausgenommen. (...) Dennoch unterstützt die LIDC
nach wie vor einen erweiterten Geltungsbereich des Richtlinien-Entwurfs des Rates, da der
Untersuchungsprozess die Harmonisierung von B2B-Praktiken notwendigerweise verzögern
wird."
7.
Dieser internationale Bericht strebt eine tiefgehende Untersuchung dieser Themen an. Er
wurde auf Basis von Landesberichten in Beantwortung des Fragebogens (Frage B) sowie einiger
zusätzlicher Quellen im Hinblick auf die Situation in anderen Ländern erstellt. Wir möchten den
Landesgruppen und Berichterstattern herzlich danken:3
-
Enrique ARMIJO (Spanien)
Aimé de CALUWE und Alex TALLON (Belgien)
Marco FRANCETTI (Italien)
Petr HAJN (Tschechien)
Frauke HENNING-BODEWIG (Deutschland)
Anna-Karin HOLLAND (Schweden)
Amédée KASSER (Schweiz)
João Marcelo LIMA ASSAFIM und José Carlos DIAS (Brasilien)
Nick SAUNDERS (Großbritannien)
Bernadien TROMPENAARS, Rogier DE VREY und Minos VAN JOOLINGEN (Niederlande)
Pascal WILHELM (Frankreich)
II. Überlegungen im Hinblick auf das Konzept des unlauteren Wettbewerbs
Das Gesetz über unlauteren Wettbewerb ist kein klar definiertes Thema wie beispielsweise das
Recht bezüglich Warenzeichen. Obwohl alle Länder zustimmen, dass der Wettbewerb nicht nur frei,
sondern auch fair sein sollte, gibt es verschiedene Standpunkte zur Frage, welche Themen zum
Bereich des "unlauteren Wettbewerbs" gehören, wenn sie ein gesondertes Rechtsgebiet darstellen,
3
Wolfgang Sakulin, PhD-Student am Institut für Informationsrecht, war eine große Hilfe bei der Verarbeitung
der Landesberichte. Wir erhielten Kommentare zum ersten Entwurf von Jules Stuyck (Belgien), Christian
Bovet (Schweiz), Mary Claude Mitchell (Frankreich) und Amédé Kasser (Schweiz).
2
was sind die relevanten Standards und wie sollten sie durchgesetzt werden. Eine Antwort auf die
Frage, welche Themen in den Bereich des unlauteren Wettbewerbes fallen, ist auch für die
Aktivitäten der Liga relevant. Wenn beispielsweise Verbraucherinteressen den größeren Teil des
Bereichs unlauterer Handelspraktiken einnehmen, sollte sich die Liga die Frage stellen, welche
Themen präzise von ihr untersucht und diskutiert werden sollten. Schließlich ist die Liga gewiss
keine Verbraucherliga. Andererseits würde eine sehr enge Interpretation des Wettbewerbsrechts
die Themen ausschließlich auf Irreführung, Verwechslung und herabsetzende Handlungen in
wettbewerblichen Beziehungen beschränken.
Diese Differenzen sind hauptsächlich historisch begründet. Die verschiedenen Ansätze des
Wettbewerbsrechts entspringen der Tatsache, dass die Mechanismen zur Gewährleistung
geschäftlicher Fairness tief in den nationalen Rechtssystemen verwurzelt sind. In den meisten
Ländern entwickelte sich das Wettbewerbsrecht aus dem Deliktrecht, nämlich aus Klagen von
Mitbewerbern gegen die Praktiken, die in Artikel 10bis der Pariser Verbandsübereinkunft geregelt
sind: Risiko der Verwirrung, Diskreditierung, irreführende Beschuldigungen. Das Problem ist, dass
die Gesetzgebung in einer Reihe von Ländern weit darüber hinausgegangen ist. Sie behandelt alle
unlauteren Handelspraktiken oder selbst Marktverhalten im Allgemeinen auf sehr breiter Basis. Ein
gutes Beispiel für diese Entwicklung ist die Situation in Belgien, wo sich das Wettbewerbsrecht aus
einigen begrenzten Straftaten über einen Deliktrecht-Ansatz - auf Basis der Deliktrecht-Klausel im
Bürgerlichen Gesetzbuch - in ein allgemeines Recht über "Marktpraktiken" entwickelt hat. Es gibt
allerdings nur wenige Länder (insbesondere Großbritannien), in denen es keine entwickelte Doktrin
über Wettbewerbsrecht per se gibt.
Von einem vergleichenden Standpunkt aus gesehen, 4 scheint die wesentlichste Differenz
heutzutage die Art und Weise zu sein, in der die Interessen der Verbraucher berücksichtigt werden.
Während einige Länder (z.B. Belgien, Österreich, Deutschland, Schweiz, Schweden, Spanien)
Mitbewerber und Verbraucher gleichermaßen mit ihrem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb oder
Marktpraktiken schützen, behalten andere Länder (z.B. Frankreich, Italien, Brasilien) den Begriff
"unlauterer Wettbewerb" ("concurrence déloyale") dem ursprünglichen Deliktrecht für Mitbewerber
vor, und behandeln den Verbraucherschutz in gesonderten Vorschriften (üblicherweise durch Strafoder Verwaltungssanktionen durchgesetzt). Es scheint, dass die Entwicklungen im Recht der
Europäischen Union zum System neigen, das durch die letzte Kategorie von Ländern repräsentiert
wird, d.h. einem System das in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union am wenigsten
vertreten ist. Es könnte die Möglichkeit bestehen, dass eine Entscheidung für einen ausschließlich
auf Verbraucher basierten Ansatz unlauterer Wettbewerbspraktiken, der in den Gesetzen der
meisten Mitgliedstaaten so wenig vertreten ist, zu ernsthaften rechtlichen Problemen im
Umsetzungsprozess führt.
Der Begriff "Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb" kann somit in verschiedenen Ländern eine
unterschiedliche Bedeutung aufweisen. Er kann sehr breit interpretiert werden, sich auf ein
gesondertes Rechtsgebiet beziehen, das üblicherweise alle Marktpraktiken umfasst - oder ziemlich
eng, unter Bezugnahme auf die traditionellen "concurrence déloyale"-Klagen von Mitbewerbern.
Das Hauptkriterium für die Anwendung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb im Hinblick auf
die enge Interpretation ist das Bestehen (und der Nachweis) einer wettbewerblichen Beziehung
zwischen Kläger und Beklagtem. Der Schwerpunkt im Hinblick auf die breitere Interpretation
beruht nicht auf einer wettbewerblichen Beziehung, sondern auf Fairness der Marketingpraxis
selbst. Insofern scheint der Begriff "unlautere Geschäftspraktiken", wie er in der Richtlinie
2005/29/EG verwendet wird, neutraler zu sein. Diese Neutralität besteht allerdings - wie wir zuvor
gesehen haben - lediglich im Äußeren. In der Tat bezieht sich der Begriff 'unlauter' in der Richtlinie
ausschließlich auf Unlauterkeit gegenüber dem Verbraucher. Andererseits spricht Art. 10 bis der
Pariser Verbandsübereinkunft über "unlauteren Wettbewerb" wie die Mehrheit der europäischen
Länder, wobei die Frage, ob eine enge oder breite Interpretation verfolgt werden sollte,
unbeantwortet bleibt.
4
Siehe kürzlich Frauke Henning-Bodewig, Unfair competition Law – European Union and Member States,
Kluwer Law International 2005. Siehe für eine ältere vergleichende Studie Reiner Schulze und Hans
Schulte-Nölke, Analysis of National Fairness Laws Aimed at Protecting Consumers in Relation to
Commercial Practises, Juni 2003, eine von DG SANCO für die Vorbereitung der Richtlinie 2005/29 in
Auftrag gegebene Studie, einzusehen auf:
http://ec.europa.eu/consumers/cons_int/safe_shop/fair_bus_pract/studies_en.htm
3
Während diese Differenzen nicht überbewertet werden sollten, sind sie gleichzeitig nicht nur
terminologischer Art. Letztendlich ist es nicht die Definition oder der exakte Ort der Vorschrift, der
zählt, sondern die Interessen (von Verbrauchern, Mitbewerbern, dem allgemeinen Interesse), die
geschützt werden, wenn man die Unlauterkeit einer gewissen Handelspraxis in Erwägung zieht.
Gesehen von diesem (breiteren) Gesichtspunkt findet man nationale Vorschriften und Regeln
bezüglich der Fairness kommerzieller Praktiken in vier Kategorien (die sich natürlich
überschneiden):
-
Unlauterer Wettbewerb (entweder in einem breiteren oder engeren Sinne)
Verbrauchergesetze zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen von Verbrauchern
Verbrauchergesetze zum Schutz der nicht wirtschaftlichen Interessen der Öffentlichkeit im
Allgemeinen
Wettbewerbsrecht.
Man sollte allerdings nicht vergessen, dass alle vier Kategorien Gemeinsamkeiten aufweisen.
Erstens die Tatsache, dass eine Geschäftspraxis gemäß einem gewissen Standard geschäftlicher
Fairness beurteilt wird. Zweitens sind Mitbewerber und Verbraucher beide Marktteilnehmer und
teilen somit ein gemeinsames Interesse an der guten Funktion des Marktes. Trotzdem ist die
Hauptfrage, ob ein Standard der Unlauterkeit entwickelt werden könnte, der alle
Geschäftspraktiken abdeckt, oder ob wir mit unterschiedlichen Standards leben müssen, abhängig
vom jeweiligen Interesse. Nachfolgend verwenden wir den neutralen Begriff: „Unlautere
Geschäftspraktiken”, anstatt „Unlauterer Wettbewerb“. Dieser Begriff drückt Unlauterkeit in allen
oben genannten Bereichen des Rechts aus.
B. Antworten
I. Könnten Sie Geschäftspraktiken auflisten, die als "unfair" betrachtet werden (durch
Gesetz, Rechtsprechung oder selbsttätiger Regelung)?
Die Bedeutung dieser Frage liegt hauptsächlich in der Differenz zwischen dem, von Richtern
gesprochenen Recht und gesetzlichem Recht. Im Bereich des Gesetzes gegen unlauteren
Wettbewerb stricto sensu herrscht von Richtern gesprochenes Recht vor. Der entsprechende
rechtliche Ansatz bei Fällen unlauteren Wettbewerbs ist, diese Fälle im Lichte des Prinzips der
Wettbewerbsfreiheit zu betrachten. Einschränkungen dieser Freiheit könnten durch das Erfordernis,
Klagen zu unterdrücken, die im Widerspruch zu ehrlichen Praktiken in industriellen oder
kommerziellen Angelegenheiten stehen, legitimiert werden. Somit haben Richter eine breite und
flexible Kompetenz, über Unlauterkeit zu entscheiden, aber diese Kompetenz kann natürlich nicht
politisch sein. Es obliegt nicht den Richtern, Geschäftspraktiken als solches zu verbieten. Diese
Amtsbefugnis ist Gesetzgebern und dem damit zusammenhängenden politischen Prozess
vorbehalten. Selbst wenn ein Mitbewerber gegen spezifische gesetzliche Rechte verstößt, kann die
Antwort auf die Frage, ob dies unrechtmäßig gegenüber anderen Mitbewerbern ist und diese aus
diesem Grund eine Klage gegen den Rechtsverletzer einbringen können, in den meisten Ländern
nicht einfach auf die Rechtsverletzung als solches basiert werden. Es sind hinzukommende
Umstände erforderlich, die diese Rechtsverletzung unlauter machen. Dies sollte allerdings für
einige Rechtsprechungen nuanciert werden. In Belgien beispielsweise, wo gemäß der Theorie der
"concurrence illicit" jede Verletzung einer gesetzlichen Bestimmung bei der Ausübung eines
Geschäftes an sich im Gegensatz zu ehrlichen Geschäftspraktiken steht und daher die Frage, ob
entweder die professionellen Interessen eines oder mehrerer Mitbewerber (Art. 93) oder die
Interessen eines oder mehrerer Verbraucher (Art. 94) geschädigt oder möglicherweise geschädigt
werden, unter die allgemeine Norm von Artikel 93 oder 94 fällt.5 Obwohl es Grenzen dieser Theorie
gibt, ist es nach wie vor ein gutes Gesetz.
Andererseits kann der Gesetzgeber gewisse Geschäftspraktiken als solches als unlauter und damit
als verboten qualifizieren, ungeachtet der spezifischen Umstände des Falles. Diese Methode wird
durch die Schwarze Liste der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken eingeführt. Richter
sollten diese Praktiken als unlauter per se beurteilen, wobei diese Methode vergleichsweise der
Beurteilung von Klagen unlauteren Wettbewerbs fremd ist.
F.I.1. Die Basis für den Schutz: Gesetzliches Recht, Rechtsprechung oder selbsttätige Regelung?
5
Cass. 2. Mai 2005, Siehe J. Stuyck, Handelspraktijken 2004, S. 146 ff.; S. 154.
4
Im Hinblick auf die Frage, ob diese Praktiken im gesetzlichen Recht geregelt oder hauptsächlich
von den Gerichten oder mittels selbsttätiger Regelung behandelt werden, können folgende
Unterscheidungen getroffen werden:
In den meisten Ländern werden Verbraucherfragen (zumindest auch) durch gesetzliches
Recht geregelt. Dies gilt auch für Länder, in denen Wettbewerbsrecht hauptsächlich Fallrecht ist.
Der Grund dafür ist unter anderem, dass "Verbraucherschutz" eine relativ neue Entwicklung ist, die
häufig dem Gemeinschaftsrecht entspringt. Nicht wirtschaftliche Aspekte geschäftlicher Praktiken
(beispielsweise das Erfordernis, dass Werbung 'anständig' sein sollte) unterliegen hauptsächlich der
selbsttätigen Regelung.
In allen Ländern gibt es spezifische Regelungsartikel, gewisse Medien oder gewisse
(gefährdete) Zielgruppen (beispielsweise Kinder), die die Rechtsprechung über unlauteren
Wettbewerb ergänzen.
Die Situation im Hinblick auf die traditionelle “concurrence déloyale” variiert. In allen Ländern
(außer Großbritannien) entwickelte sich das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb aus der
Rechtsprechung, basierend auf dem allgemeinen Schadenersatzrecht. Allerdings wurde diese
Rechtsprechung in einigen Ländern mittlerweile kodifiziert, häufig gemeinsam mit
Verbraucherschutzfragen (z.B. Belgien, Deutschland, Schweiz, Schweden), während es in anderen
Ländern noch immer die Hauptbasis für den Schutz von Unternehmen gegen unlautere
Geschäftspraktiken ist (insbesondere Frankreich, Italien, Niederlande und Brasilien).
***
Die folgende kurze Übersicht bietet eine Darstellung der verschiedenen rechtlichen Grundlagen für
den Schutz gegen unlautere Geschäftspraktiken in den untersuchten Ländern:
- Belgien: Die Hauptbasis ist das "Gesetz über Geschäftspraktiken und Verbraucherinformation und Schutz" (LPC) vom 14. Juli 1991. Es enthält zwei allgemeine Bestimmungen und regelt eine
Reihe von Praktiken. Geschützt sind die Interessen des "Verkäufers", der Verbraucher sowie der
Öffentlichkeit im Allgemeinen. Die Anwendung des Gesetzes erfordert keine wettbewerbliche
Beziehung. Das LPC ist mit einer speziellen "action en cessation" (Unterlassungsklage) sanktioniert.
- Brasilien: Unter unlauterem Wettbewerb versteht man im Allgemeinen jede Handlung im
Widerspruch zu den ehrlichen Praktiken in Handelsangelegenheiten. Daher bietet die brasilianische
Gesetzgebung keine Liste von Handlungen, die als unlauter betrachtet werden. In dieser
Perspektive ist eine breite Auswahl an Handelspraktiken gefährdet, um in den Bereich unlauteren
Wettbewerbs zu fallen. Einige der unlauteren Wettbewerbspraktiken werden in zerstreuten
Gesetzgebungen identifiziert. Dennoch listet das Gesetz 9,279/96 einige Aktivitäten als Verbrechen
auf, da sie den Handel intensiver beeinflussen und die Reputation von Firmen und die
Verbraucherbeziehung beeinträchtigen.
- Tschechien: Die Basis für den Schutz gegen unlauteren Wettbewerb ist das Handelsgesetzbuch,
ergänzt durch das Werberecht (1995). §§ 41 ff. Das Handelsgesetzbuch beinhaltet eine allgemeine
Klausel sowie mehrere spezifische Klagegründe, die "hauptsächlich" als unlauterer Wettbewerb
betrachtet werden. Die streben den Schutz von Mitbewerbern und Verbrauchern gleichermaßen an,
sowie den Schutz der Interessen der Öffentlichkeit am Funktionieren des Wettbewerbs. Die
Anwendung des Gesetzes erfordert keine wettbewerbliche Beziehung.
- Frankreich: Der Schutz von Mitbewerbern gegen “concurrence déloyale” wird auf Basis der
allgemeinen Schadenersatzbestimmung in Artikel 1382 des Bürgerlichen Gesetzbuches
gewährleistet, während sich der Schutz von Verbrauchern (und der Öffentlichkeit im Allgemeinen)
gegen spezifische unlautere Geschäftspraktiken in verschiedenen Vorschriften im ‚Code de la
Consommation’ findet. Diese werden hauptsächlich durch Straf- oder Verwaltungsrecht
sanktioniert.
- Deutschland: Die Basis für den Schutz gegen unlauteren Wettbewerb ist das "Gesetz gegen
unlauteren Wettbewerb" (UWG) vom 3. Juli 2004. Es schützt Mitbewerber und Verbraucher
gleichermaßen, und enthält eine allgemeine Klausel, die durch verschiedene Beispiele unlauterer
Geschäftspraktiken spezifiziert wird. Das UWG wird nahezu ausschließlich durch zivilrechtliche
Rechtsmittel vollstreckt.
5
- Großbritannien: Das Gewohnheitsrecht bietet Rechtsmittel in Fällen von Vortäuschung,
schädlicher oder böswilliger Unwahrheit und Diffamierung. Andere unlautere Geschäftspraktiken
werden in der Gewerbeordnung, dem Verbraucherschutzgesetz und der Kontrolle von Vorschriften
über irreführende Werbung geregelt. Zusätzlich zu den Gesetzen, spielt die selbsttätige Regelung
eine wichtige Rolle in der Unterdrückung unlauterer Geschäftspraktiken im Bereich von Werbung,
Verkaufsförderung und Direktmarketing.
- Italien: Der zivilrechtliche Schutz von Mitbewerbern gegen "concorrenza sleale" basiert auf den
Artikeln 2598 bis 2601 des ‚Codice Civile’. Dieses Gesetz beschränkt sich auf Klagen, die von
Mitbewerbern eingebracht wurden. Der Gesetzgebungserlass 74/1992, vollstreckt von der Autorità
Garante della concorrenza e del Mercato, regelt die Werbung im Interesse aller Marktteilnehmer.
- Niederlande: Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (“ongeoorloofde mededinging”) ist
hauptsächlich Rechtsprechung auf Basis der allgemeinen Schadenersatzklausel in Artikel 6:162 des
Bürgerlichen Gesetzbuches. Gesetzliche Vorschriften in Artikel 6:194 und Sec. B.W behandeln
irreführende und vergleichende Werbung. Diese beiden Artikel erfordern keine wettbewerbliche
Beziehung. Andere Geschäftspraktiken werden in verschiedenen gesetzlichen Rechten geregelt, wie
beispielsweise dem Telekommunikationsgesetz, dem Gas- und Energiegesetz und anderen
Gesetzen zur Umsetzung europäischer Richtlinien.
- Spanien: Das spanische Wettbewerbsrecht basiert hauptsächlich auf dem Gesetz Nr. 3/1991
(LDC) und dem Gesetz Nr. 34/1988 (Werbegesetz). Beide Gesetze schützen alle Marktteilnehmer
gleichermaßen, und werden durch zivilrechtliche Rechtsmittel vollstreckt.
- Schweden: Die Grundlage des schwedischen Wettbewerbsrechts ist das Gesetz über
Marktpraktiken (MFG) von 27. April 1995. Es enthält eine allgemeine Klausel und regelt
verschiedene Klagegründe im Interesse von Unternehmen und Verbrauchern.
- Schweiz: Das Schweizer Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ist im Gesetz von 19. Dezember
1986 beinhaltet. Es dient den Interessen der Wirtschaft, der Verbraucher und der Öffentlichkeit im
Allgemeinen. Das Gesetz enthält eine allgemeine Klausel, die durch mehrere Beispiele präzisiert
wird. Es wird zivilrechtlich durchgesetzt.
F.1.2. Die Praktiken, die als "unlauter" betrachtet werden können
Die individuellen Praktiken, die gemäß den Landesberichten als "unlauter" betrachtet werden
können (entweder durch gesetzliches Recht oder Rechtsprechung) decken einen breiten Bereich ab.
Nachfolgend treffen wir einen Unterschied gemäß dem klassischen Ansatz, d.h.: Unlautere
Geschäftspraktiken gemäß dem Wettbewerbsrecht im Sinne der concurrence déloyale, unlautere
Geschäftspraktiken im Bereich des Wettbewerbsrechts und unlautere Geschäftspraktiken zum
Schutz der Verbraucher. Dies will nicht sagen, dass es keinen gemeinsamen Standard im Hinblick
auf die Unlauterkeit von Geschäftspraktiken geben könnte. Allerdings stellt sich die Frage, ob ein
gemeinsamer Standard viel bei der präzisen Definition von Unlauterkeit in diesen unterschiedlichen
Rechtsbereichen helfen würde.
a.
Unlautere Geschäftspraktiken gegen Mitbewerber: der klassische Ansatz
Der brasilianische Berichterstatter bietet eine ausgezeichnete Übersicht über Praktiken, die als
unlauter gegenüber Mitbewerbern angesehen werden, und auf Basis des klassischen Prinzips, dass
Handlungen im Widerspruch zu ehrlichen Praktiken in Handelsangelegenheiten verboten werden
sollten. Die Liste setzt sich aus einer Vielzahl an Variationen der drei Praktiken zusammen, die
bereits in der Pariser Verbandsübereinkunft verboten wurden (Diffamierung, Verwirrung und
irreführende Handlungen), ergänzt durch Praktiken, wie beispielsweise (und wir folgen der
Nummerierung des Originals): (iv) Verwendung betrügerischer Mittel zur Abwerbung des
Kundenstamms einer anderen Partei zum eigenen Nutzen oder zugunsten einer dritten Partei. (xi)
Geben oder Versprechen von Geld oder anderer Nutzwerte an den Arbeitnehmer eines
Mitbewerbers, wobei dieser Arbeitnehmer ihm unter Missachtung seiner Pflichten im Rahmen seines
Beschäftigungsverhältnisses einen Wettbewerbsvorteil bietet. (xii) Offenlegung, Nutzung oder
Verwendung vertraulichen Wissens, Informationen oder Daten ohne Ermächtigung, die im
Gewerbe, Handel oder bei Dienstleistungen nützlich sind, außer demjenigen, das öffentlicher Besitz
ist oder das für eine qualifizierte Person offensichtlich ist, zu der sie Zugang mittels eines
vertraglichen oder Beschäftigungsverhältnisses hat, selbst nach der Beendigung des Vertrages.
(xiii) Offenlegung, Nutzung oder Verwendung von Wissen oder Informationen gemäß den Angaben
im vorigen Absatz (xii) ohne Ermächtigung, wenn dies direkt oder indirekt mittels rechtswidriger
6
Mittel erworben wurde oder zu dem sie Zugang mittels Betrug hat. (xv) Bekanntgabe, Nutzung
oder Verwendung der Ergebnisse von Tests oder anderer unveröffentlichter Daten, deren
Ausarbeitung erhebliche Anstrengungen bedeutete und die den Regierungsinstanzen als Bedingung
für die Genehmigung der Kommerzialisierung von Produkten vorgestellt wurde, ohne
Ermächtigung. (xix) Verletzung der Wettbewerbsklausel durch den Abtretenden, wenn dies von der
Beauftragung der kommerziellen Einrichtung an einen Mitbewerber herrührt. (xxi) Akquisition von
Kunden auf Basis der Nichtbegleichung von Steuern, die dazu führt, dass der Rechtsverletzer einen
Wettbewerbsvorteil am Markt erhält.
b.
Praktiken zur Einschränkung unlauterer kommerzieller Praktiken
Die meisten nationalen Berichterstatter beziehen sich auch auf das Gebiet des Wettbewerbsrechts
in ihrer Übersicht über unlautere Geschäftspraktiken. Wir nehmen den umfangreich
ausgearbeiteten französischen Bericht als Beispiel, um einige spezifische Praktiken hervorzuheben,
und behandeln keine gut bekannten Praktiken, wie beispielsweise Diskriminierung, Missbrauch
einer Position wirtschaftlicher Macht etc. Das französische Handelsgesetzbuch beinhaltet einen
gesonderten Paragraph über Para-Kommerzialismus, d.h. kommerzielle Aktivitäten, die von
öffentlich finanzierten Organisationen in Konkurrenz zu privaten Unternehmen ausgeführt werden.
Artikel L. 442-7 und 8 des Handelsgesetzbuches sanktioniert all diejenigen, die: « le fait d’offrir à
la vente des produits ou de proposer des services en utilisant, dans des conditions irrégulières, le
domaine public de l’Etat, des collectivités locales et de leurs établissement public ». Darüber hinaus
verbietet das französische Gesetz Verlustverkauf. Artikel L. 442-2 sanktioniert alle
Handelstreibenden « de revendre ou d'annoncer la revente d'un produit en l'état à un prix inférieur
à son prix d'achat effectif est puni de 75 000 euros d'amende.» Wir heben hervor, dass
Verlustverkauf ein Beispiel einer Regelung der Verkaufsförderung ist, die im fehlgeschlagenen
Vorschlag für eine Regelung der Verkaufsförderung im Binnenmarkt beinhaltet ist. Er wird auf der
Schwarzen Liste der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nicht angeführt. Beide Praktiken,
Para-Kommerzialismus und Verlustverkauf könnten als unlautere Praktiken gesehen werden, die
nicht dem Schutz der Verbraucher dienen.
c.
Unlautere Geschäftspraktiken gegen den Verbraucher
Verbraucherrecht, wie es sich seit den Fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt hat,
sorgt für das Verbot anderer kommerzieller Praktiken. Das Verbraucherrecht kombiniert dabei drei
verschiedene Rechtsbereiche. Vertragsrecht spielt eine wichtige Rolle, und schützt den Verbraucher
gegen professionelle Parteien. Die Liberalisierung von Märkten, wie beispielsweise im Bereich
Telekommunikation, Gas und Energie oder Transport, die Entwicklungen auf Finanzmärkten oder
die Kommerzialisierung des Rundfunks hat zu spezifischen Formen der Marktuntersuchung geführt,
wobei Regierungsbehörden mit spezifischen Kompetenzen ausgestattet werden, um die Interessen
der Verbraucher auf dem Markt zu schützen. Praktiken, wie beispielsweise Spamming,
Schleichwerbung, Lockvogeltaktiken, Wettbewerbe mit Verlosungen und andere Formen der
Verkaufsförderung
wurden
einer
Regelung
unterworfen.
Eine
enorme
Menge
an
Informationspflichten begleitet diese Regelungen. Das Gegenstück dieser Informationspflichten ist
die These des informierten Verbrauchers, wie sie vom Europäischen Gerichtshof in Fällen, wie Gut
Springenheide oder Estée Lauder entwickelt wurde.
In allen Ländern wird irreführende Werbung, einschließlich irreführender vergleichender Werbung
als unlauter gegenüber dem Verbraucher betrachtet. Der französische Bericht erwähnt als andere
Geschäftspraktiken, die zum Schutz der Verbraucher geregelt werden sollten: Haustürgeschäfte
und ähnliche Formen unaufgeforderten Direktmarketings, Prämien, Wettbewerbe mit Verlosungen,
Lotterien, Zusendung unverlangter Waren und Pyramidensysteme. Diese Liste ist in den meisten
anderen Ländern ähnlich. Zudem verbietet das französische Gesetz “de refuser à un consommateur
la vente d’un produit ou la prestation d’un service, sauf motive légitime… »
sowie
Vorbehaltsverkauf.
Es muss wiederholt werden, dass nicht alle dieser Praktiken in einem Gesetz geregelt sind. Sie sind
häufig über mehrere Gesetze oder die Rechtsprechung zerstreut. In einigen Ländern ist der Fokus
des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb viel enger, und überlässt beispielsweise
missbrauchende Klauseln dem allgemeinen Zivilrecht oder den Verdrängungswettbewerb dem
Kartellrecht. Allerdings kann die Verletzung dieser Gesetze in den meisten Ländern als unlauterer
Wettbewerb ("Gesetzesverstoß") gesehen werden, wenn hinzukommende Umstände vorliegen,
sodass ein enger Zusammenhang erhalten bleibt. 6
6
Siehe jedoch den Fall Belgiens, erwähnt in Par. B.I.
7
Zur Zusammenfassung: Die Liste unlauterer kommerzieller Praktiken kann zeigen, dass diese
Praktiken weder auf Mitbewerber- noch auf Verbraucherfragen beschränkt werden können. Sie
umfassen traditionelle Mitbewerberfragen, Verbraucherfragen und als gemeinsame Basis für beide
wettbewerbsorientierte Themen. Trotzdem gibt es, von einem unterschiedlichen Blickpunkt aus
gesehen, große Unterschiede: Die Unlauterkeit einer Verkaufsverweigerung an einen Kunden kann
beispielsweise schwer in ein klassisches Rechtssystem über unlauteren Wettbewerb eingeordnet
werden. Es könnte viele ähnliche Beispiele geben, welche die gleiche Schwierigkeit aufzeigen.
F.I. 3. Enthält das Gesetz in Ihrem Land eine "schwarze Liste" von Geschäftspraktiken, die per se
als unlauter betrachtet werden?
a.
In keinem der untersuchten Länder wird eine allgemeine Differenzierung zwischen
unlauterem kommerziellem Verhalten, das gesetzlich oder mittels Rechtsprechung verboten ist und
einer zusätzlichen "schwarzen Liste" mit Praktiken, die per se verboten sind, getroffen. In den
Niederlanden enthalten das Elektrizitätsgesetz 1998 und das Gasgesetz eine unvollständige
schwarze Liste von Verkaufsmethoden, die per se als unlauter betrachtet werden. Darüber hinaus
enthält
Artikel
6:236
des
Bürgerlichen
Gesetzbuches
eine
Liste
beschwerlicher
Vertragsbestimmungen.
b.
Allerdings kann die Grenze zwischen einer "schwarzen Liste" und ausdrücklich geregelten
Klagegründen fließend sein. Einerseits steht sogar die "schwarze Liste" in der Richtlinie 2005/29/EG
einer Interpretation offen. So verbietet beispielsweise Nr. 28 der "schwarzen Liste" "beharrliche"
Telefonanrufe. Die Gerichte müssen im Lichte des Zwecks der Richtlinie die Frage interpretieren,
was "beharrlich" ist. Andererseits kann das verbotene Verhalten im nationalen Recht gegen
unlautere Handelspraktiken in einer so präzisen Art und Weise geregelt werden, dass die Gerichte
wenig Spielraum für Interpretation haben.
c.
Im Allgemeinen kann folgende Unterscheidung getroffen werden:
- In Ländern, in denen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb hauptsächlich Rechtsprechung
ist (Brasilien, Frankreich, Niederlande), besteht im Allgemeinen keine "schwarze Liste" verbotener
Praktiken. Die Gerichte haben üblicherweise eine breite Ermessensfreiheit darüber, was sie als
unlauter ansehen.
Das gleiche gilt für diejenigen Länder, in denen eine allgemeine Klausel im Mittelpunkt einer
spezifischen Regelung gegen unlautere Praktiken steht - und die ausdrücklich geregelten
Klagegründe als Beispiele der allgemeinen Klausel gesehen werden (Deutschland oder Schweiz).
- In Ländern, in denen die spezifische Regelung gewisser unlauterer kommerzieller Praktiken nicht
als Beispiele einer allgemeinen Klausel gesehen wird (Frankreich, sofern es das Verbrauchergesetz
betrifft, Italien im Hinblick auf “concorrenza sleale”, Belgien), ähneln die individuell geregelten
Klagegründe eher einer "schwarzen Liste". Allerdings stehen sie üblicherweise zusätzlicher
Interpretation offen.
II. Wesentliche Vorschriften
F.II.1. Gibt es a priori verschiedene Regeln in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken gegen
Verbraucher und gegen Unternehmen? Gibt es insbesondere verschiedene allgemeine Klauseln für
Verbraucher und Unternehmen, die unlautere Geschäftspraktiken verbieten?
a.
In den meisten untersuchten Ländern hat der Gesetzgeber einige Klagegründe auf die
speziellen Bedürfnisse gewisser Marktteilnehmer, insbesondere Verbraucher, maßgeschneidert.
Dies ist offensichtlich in denjenigen Ländern, in denen eine zweite Reihe an Vorschriften zum
Schutz von Verbrauchern eingeführt wurde (z.B. Frankreich im Hinblick auf die Bestimmungen im
Verbrauchergesetz). Allerdings gilt dies auch für diejenigen Länder, die Verbraucher und
Mitbewerber gleichermaßen schützen. In Deutschland dient das Gesetz gegen unlauteren
Wettbewerb einem dreifachen Zweck, aber die strikte opt-in-Lösung im Hinblick auf unangemeldete
Anrufe gilt nur für Verbraucher (während das Verbot der Herabsetzung einen "Mitbewerber"
erfordert).
b.
Es gibt nur ein Land, in dem eine allgemeine Klausel gegen unlauteren Wettbewerb zwischen
Verbraucher und Mitbewerbern unterscheidet. Artikel 93 des belgischen “Loi sur les Pratiques du
8
Commerce” verbietet jede Handlung, die im Widerspruch zu ehrlichen Handelspraktiken steht, und
bei denen ein Verkäufer die wirtschaftlichen Interessen eines anderen Verkäufers schädigt oder
schädigen könnte. Artikel 94 des LPC weist eine identische Formulierung auf, schützt aber die
Interessen von Verbrauchern. Gemäß dem belgischen Obersten Gerichtshof gilt die allgemeine
Verbraucherklausel bereits, wenn der Konsument "manipuliert" wurde.
F.II.2. Gibt es verschiedene Maßstäbe für die Beurteilung unlauterer kommerzieller Handlungen,
abhängig davon, ob sie vom Gesichtspunkt des Verbrauchers oder aus der Perspektive des
Mitbewerbers betrachtet werden? Oder ist es der Fokus auf die kommerzielle Praxis an sich, der
natürlich im Zusammenhang mit allen "besonderen Umständen" gesehen werden muss, die auch
die Zielgruppe einschließen könnten (allgemeine Öffentlichkeit, Jugend, professionell etc.).
Die meisten Länder unterscheiden nicht grundlegend zwischen den Interessen von Verbrauchern
und Mitbewerbern. Der Standard der Fairness ist der gleiche, unabhängig davon, ob die Praxis an
Verbraucher oder Unternehmen gerichtet ist. Natürlich berücksichtigen die Gerichte bei der
Beurteilung einer Praxis die Zielgruppe, und zwar ob sich die Praxis an Endverbraucher, Fachleute,
eine besonders verletzliche Gruppe, wie beispielsweise Kinder etc. richtet. Dies ist allerdings nur
eine Konsequenz der allgemeinen "Regel, dass die Beurteilung der Unlauterkeit die Einbeziehung
aller relevanten Aspekte" erfordert, besonders der Zielgruppe. Zumindest a priori gibt es keine
unterschiedlichen Vorschriften im Hinblick darauf, ob sich die Praxis an Verbraucher oder
Geschäftsleute richtet.
Besonders umfasst die allgemeine Klausel in denjenigen Ländern, die über spezifische Vorschriften
über unlautere Handelspraktiken verfügen (Österreich, Spanien, Deutschland, Schweiz, mit der
Ausnahme von Belgien) eher allgemein Verbraucher- und Mitbewerberinteressen gleichermaßen,
und bietet einen allgemeinen Fairness-Standard für alle Marktpraktiken. Das gleiche scheint für
Länder zu gelten, die mehr oder weniger zivilrechtlichen Schutz gegen unlautere Handelspraktiken
auf Basis der allgemeinen Schadenersatzklausel bieten (Frankreich, Italien, Niederlande, Brasilien).
Sogar, wenn das Klagerecht auf Mitbewerber beschränkt ist, impliziert dies nicht unbedingt einen
unterschiedlichen Fairness-Standard. In Frankreich wird “dénigrement” beispielsweise als einer der
Hauptfälle der “concurrence déloyale” betrachtet (entwickelt durch Rechtsprechung auf Basis von
Artikel 1382 Bürgerliches Gesetzbuch), wird aber offensichtlich nicht unterschiedlich beurteilt, je
nachdem, ob die nachteilige Anmerkung gegenüber einem Verbraucher oder einem Mitbewerber
ausgesprochen wird. Darüber hinaus kann das Interesse des Verbrauchers auch in Ländern
berücksichtigt werden, die eine Rechtsprechung entwickelt haben.
F.II.3. Gibt es relevante Definitionen von Verbrauchern im Gegensatz zu Nicht-Verbrauchern im
Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und falls ja, wie werden sie qualifiziert?
In den meisten Ländern findet sich die Definition von Verbrauchern im Bürgerlichen Gesetzbuch
oder im Verbrauchergesetz. Die meisten Gesetze gegen unlauteren Wettbewerb, außer im
belgischen und Schweizer Recht, enthalten keine Definitionen von Verbrauchern im Gegensatz zu
Nicht-Verbrauchern.
Im Allgemeinen bezieht sich der Status des "Verbrauchers" auf die betreffende Transaktion und
nicht auf den tatsächlichen Status von jemand als Unternehmen oder als Privatperson. Ein
Unternehmen kann also in einigen Fällen als geschützter Verbraucher agieren. Es gibt zwei Arten,
Verbrauchertransaktionen zu definieren. Die meisten Gesetze beinhalten die negative Definition,
dass ein Verbraucher jemand ist, der nicht als Unternehmen agiert oder der keine Transaktionen
abschließt, die eine (direkte) Beziehung zu unternehmerischen Handlungsweisen haben. Das
brasilianische und spanische Verbrauchergesetz und die französischen Strafgerichte verwenden die
positive Definition von Verbrauchern als Personen, die Transaktionen abschließen, um ihre eigenen
Bedürfnisse zu befriedigen oder welche die betreffenden Waren und Dienstleistungen tatsächlich
konsumieren.
***
- Belgien: Das belgische LPC definiert den Verbraucher als “Toute personne physique ou morale
qui acquiert ou utilise à des fins excluant tout caractère professionnel des produits ou des services
mis sur le marché”.
- Brasilien: In Brasilien gibt es keine relevanten Definitionen von Verbrauchern im
Wettbewerbsrecht, da unlauterer Wettbewerb nur für wettbewerbliche Beziehungen zutrifft. Das
Verbrauchergesetz (Gesetz 8,078/90) definiert Verbraucher als alle natürlichen oder
9
Rechtspersonen, die Produkte oder Dienstleistungen als endgültiger Empfänger erwerben oder
verwenden.
- Tschechien: Das tschechische Wettbewerbsrecht enthält keine Definition des Verbrauchers.
Kapitel 52 des Bürgerlichen Gesetzbuches definiert den Verbraucher als die Person, die beim
Abschluss von Verträgen oder Geschäften nicht als Unternehmen agiert.
- Frankreich: Das französische Recht weist keine einheitliche Definition eines Verbrauchers auf.
Artikel 121(22) 4 des Verbrauchergesetzes definiert einen Verbraucher als jede physische Person,
die einen Vertrag ohne direkte Beziehung zu ihrem Beruf eingeht. Das ministerielle Rundschreiben
vom 19. Juli 1988 definiert den Verbraucher als “le consommateur final, qui les emploie pour
satisfaire ses propres besoins et ceux des personnes à sa charge ; et non pour les revendre, les
transformer ou les utiliser dans le cadre de sa profession.”
Die französische Strafrechtsprechung verwendet eine etwas breitere Definition des Verbrauchers
Anstelle des Kriteriums der "direkten Beziehung" erfordert sie, dass ein Verbraucher den
Gegenstand der Transaktion persönlich konsumieren muss.7
- Deutschland: Das deutsche “Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb” (UWG) bezieht sich auf
die Verbraucherdefinition von Kapitel 13 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches. Es definiert
Verbraucher als jede physische Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der
weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. 8
Darüber hinaus weist das deutsche UWG Definitionen von Unternehmen, Mitbewerbern und
(anderen) Marktteilnehmern auf.
- Italien: Das italienische Wettbewerbsrecht enthält keine Definition von (Nicht-) Verbrauchern.
Allerdings besagt Artikel 1519-bis des Bürgerlichen Gesetzbuches, der den Verkauf von
Konsumgütern regelt, dass a) ein Konsument “…jede Person ist, die im Hinblick auf Verkauf,
Tausch, Lieferverträge außerhalb der Einschränkungen der kommerziellen oder beruflichen Aktivität
agiert, die sie gewöhnlich ausführt”
- Niederlande: Artikel 6:236 und 6:237 des niederländischen “Burgerlijk Wetboek” definieren den
Verbraucher als physische Person, die nicht als Unternehmen agiert.
- Spanien: Das spanische Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb beinhaltet keine Definition des
Verbrauchers. Es gilt schlichtweg: "für all diejenigen, die am Handel teilnehmen." Eine Definition
von Verbrauchern findet sich im Allgemeinen Verbraucherschutzgesetz, das Verbraucher als
Einzelpersonen (oder in der Tat Unternehmen) definiert, die der endgültige Käufer oder Nutzer
beweglicher oder unbeweglicher Besitztümer, Produkte, Dienstleistungen oder Aktivitäten sind,
unabhängig davon, ob der Verkäufer, Lieferant oder Produzent eine öffentliche oder private
Körperschaft ist, alleine oder kollektiv auftritt. Der spanische Oberste Gerichtshof urteilte kürzlich,
dass der Begriff des Verbrauchers im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb den
"Durchschnittsverbraucher" nicht definitionsgemäß identifiziert. Er kann sich auch auf
professionelle Einzelhändler in der Kategorie der betreffenden Produkte beziehen.9
- Schweiz: In der Schweiz ermöglicht Artikel 10 LCD "Kunden" die Einbringung einer Klage. Die
Definition von "Kunden" bezieht sowohl die Kunden des verletzenden Mitbewerbers als auch des
getroffenen Mitbewerbers sowie potentielle oder künftige Kunden ein. Gewerbetreibende oder
Selbständige werden ebenso als Kunden betrachtet.
- Großbritannien: In Großbritannien beschränkt sich das gesetzliche Recht in einigen Fällen auf
Verbraucher. Kapitel 20(6) des Verbraucherschutzgesetzes 1987 und Kapitel 3(1) der unlauteren
Bedingungen in Verbraucherverträgen 1999 schließen diejenigen aus, die zu geschäftlichen
Zwecken konsumieren. Folglich sind diese Gesetze auf den Schutz von Verbrauchern beschränkt.
Die Vorschriften über die Kontrolle irreführender Werbung 1988, die scheinbar auf
unternehmerische Werbung ausgerichtet sind, schränken die Personenklasse, die Beschwerden
beim betreffenden Amt (OFT) einreichen können, nicht ein. Darüber hinaus scheint die
Cass. Crim., 12. Februar 1990, JCP G 1990, II, 21582, note P. Conte; Cass. Crim., 19. Dez. 1989,
Rechtseinwand Nr. 887.666.
8
Abschnitt 13 des Bürgerlichen Gesetzbuches definiert einen Verbraucher als: “Jede natürliche Person, die ein
Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen, noch ihrer selbständigen
beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann“.
9
Entscheidung vom 6. Oktober 2004 (RJ 2004/5988).
7
10
Gewerbeordnung ebenso für diejenigen zu gelten, die Handel als Teil eines Geschäftes
entgegennehmen.
III. Nicht-wirtschaftliche Aspekte
F.III.1 In welchem Ausmaß spielen andere als wirtschaftliche Aspekte (z.B. die soziale
Verantwortung von Marketing, der Schutz von Kindern, gegen Diskriminierung, religiöse Gefühle,
Datenschutz etc.) eine Rolle im Wettbewerbsrecht, und können diese Aspekte zum Verbot eines
kommerziellen Verhaltens führen, das die wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen oder
Verbrauchern nicht benachteiligt?
Bei den Antworten auf F.III.1 kann man zwischen drei Situationen unterscheiden.
Es gibt nur wenige Länder, in denen nicht-wirtschaftliche Aspekte überhaupt keine Rolle zu
spielen scheinen (Großbritannien, Schweiz).
In den meisten Ländern berücksichtigt das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb direkt oder
indirekt auch die nicht-wirtschaftlichen Interessen von Marktteilnehmern, besonders von
Verbrauchern. Dies ist vorwiegend in denjenigen Ländern der Fall, in denen eine allgemeine Klausel
mit ethischen Aspekten ("bones mores" etc.) im Mittelpunkt des Gesetzes gegen unlauteren
Wettbewerb steht (Schweden, Tschechien, Brasilien). Allerdings haben - selbst wenn der
Schwerpunkt mehr auf dem Funktionieren des Wettbewerbs liegt - zumindest einige Gesetzgeber
Geschäftspraktiken, die beispielsweise die Leichtgläubigkeit von Verbrauchern ausnutzen oder
Verbraucher oder andere Marktteilnehmer mittels ungewünschter Anrufe, Spamming etc.
belästigen, ausdrücklich verboten. (Deutschland). Darüber hinaus regeln mehrere Werbegesetze
etc., die Gesetze gegen unlauteren Wettbewerb ergänzen, (auch) Themen der öffentlichen Ordnung
(z.B. in Spanien das Vergehen gegen die persönliche Würde).
Zusätzlich betrachten viele Länder den Verstoß gegen spezifische Gesetze über Fragen der
öffentlichen Ordnung (Gesundheits- oder Sicherheitsfragen, Schutz von Kindern oder Datenschutz)
gleichzeitig als unlauteren Wettbewerb. Der Maßstab für die so genannte "breach of the law"Doktrin ist jedoch in den untersuchten Ländern unterschiedlich. Nur in Belgien wird jeder Verstoß
gegen ein beliebiges anderes Gesetz als unlauterer Wettbewerb per se gesehen. In den meisten
anderen Ländern müssen zusätzliche Anforderungen erfüllt sein (z.B. muss das verletzte Gesetz in
Deutschland das Marktverhalten betreffen).
***
In Belgien können andere als rein wirtschaftliche Aspekte als "unlauter" erachtet werden, wenn sie
unehrlichen Geschäftspraktiken gleichkommen. Darüber hinaus wird der Verstoß gegen ein
beliebiges anderes Gesetz, unabhängig von dessen Zweck, als Verstoß gegen das MarktpraxisGesetz (1991) betrachtet.
In Brasilien sind nicht-wirtschaftliche Aspekte, wie beispielsweise die Ausbeutung von Kindern,
sexuelle oder altersbezogene Diskriminierung, Verletzung des Datenschutzes, Ablehnung der
Einhebung von Steuern oder Banknotenfälschung bei der Bestimmung der Unlauterkeit einer
kommerziellen Praxis relevant, da sie dem Unternehmen unehrliche Wettbewerbsvorteile bringen.
In Tschechien werden nicht-wirtschaftliche Aspekte durch die allgemeine Klausel von Kapitel 44
(1) des Handelsgesetzbuches (”bones mores”) abgedeckt, sowie auch durch das Werbegesetz.10
In Frankreich schützt der 'Code de la Consommation' im Prinzip nur die wirtschaftlichen
Interessen von Verbrauchern. Allerdings können gleichberechtigte Überlegungen in ihrer
Anwendung berücksichtigt werden, und Art. L-2 (?) verbietet ausdrücklich den Missbrauch der
Schwäche oder Unwissenheit von Verbrauchern, sogar wenn kein tatsächlicher Schaden der
wirtschaftlichen Interessen des Verbrauchers vorliegt (Cour de Cassation).11 Im Hinblick auf die so
genannte ‘concurrence déloyale’: Im Prinzip müssen die wirtschaftlichen Interessen eines
10
11
Es ist ausschlaggebend, ob eine unlautere Geschäftspraxis die positiven Auswirkungen des Wettbewerbs
limitiert oder beeinträchtigt. Henning-Bodewig, Unfair Competition Law, Kluwer Law International, The
Hague 2006.
Cass. crim., 12. Januar 2000, Nr. 99-81.057, Rev. lamy dr., aff. 2000, Nr. 26, Nr.1630, obs. P. Storrer.
11
Unternehmens beeinträchtigt sein (obwohl jüngste Entscheidungen
kommerziellen Schadens ziemlich liberal behandeln12 13 14 15 16).
die
Anforderung
des
In Deutschland schränkt das neue Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb aus dem Jahr 2004
(UWG 2004) das öffentliche Interesse auf "unverzerrten Wettbewerb". Ob die Verletzung von
Angelegenheiten der öffentlichen Ordnung gemäß der allgemeinen Klausel zu unlauterem
Wettbewerb führen kann, ist zweifelhaft. Allerdings verbietet § 7 UWG ausdrücklich kommerzielle
Belästigung (z.B. ungewünschte Anrufe, Spamming), selbst wenn dies die Entscheidungsfindung
nicht beeinflusst. Außerdem verbietet § 4 Nr. 3 UWG den Missbrauch der Unerfahrenheit von
Kindern etc.
Die regulären Vorschriften des italienischen Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb gelten nur
für Konflikte zwischen Unternehmern und, entsprechend der älteren Rechtsprechung und einem
Teil der traditionelleren Autoren, für direkte Mitbewerber. Dennoch können einige der nichtwirtschaftlichen Aspekte, die als Beispiele angeführt wurden, berücksichtigt werden, wenn sie unter
die allgemeine Bestimmung von Artikel 2598 (3) CC. fallen (Der Gesetzgebungserlass 74/1992
schützt auch Fragen der öffentlichen Ordnung, beispielsweise in der Werbung....)
Niederlande: Nicht-wirtschaftliche Aspekte können eine Rolle in Fällen unlauteren Wettbewerbs
spielen. In einem Zivilprozess gegen den Werbetreibenden können sich Verbraucher in Bezug auf
die fragliche Werbung auf eine (negative) Empfehlung des niederländischen Ausschusses für
Werbestandards (“Reclame Code Commissie”, RCC) berufen. 17 Dieser bezieht sich nicht nur auf
wirtschaftliche Aspekte, sondern auch auf nicht-wirtschaftliche Aspekte, wie beispielsweise Religion
und moralische Absichten.
Das spanische Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verbietet Aussagen, die das Ansehen eines
Marktteilnehmers beeinträchtigen, insbesondere dann, wenn sich derartige Aussagen auf die
Nationalität, den Glauben oder die Ideologie, das Privatleben oder beliebige andere strikt
persönliche Umstände beziehen. Darüber hinaus verbietet Artikel 3 des Allgemeinen Werbegesetzes
“Werbung, die die persönliche Würde verletzt oder gegen die Werte und Rechte verstößt, die von
der spanischen Verfassung anerkannt wurden, insbesondere im Hinblick auf Kinder, Jugendliche
und Frauen.”
In Schweden hat die Beurteilung der "Fairness" hauptsächlich einen ethischen Charakter. Zudem
wird das Marktpraxis-Gesetz mit Blick auf unter anderem ICC-Codes über Marketingpraktiken und
Werbung, andere außergesetzliche Vorschriften der Industrie und anderen allgemein akzeptierten
Normen für den Schutz von Verbrauchern interpretiert.
Das Schweizer Loi fédérale contre la concurrence déloyale vom 19. Dezember 1986 ist auf den
Schutz wirtschaftlichen Wettbewerbs ausgerichtet. Die allgemeine Klausel von Artikel 2 LCD
verlangt, dass eine Handlung unlauteren Wettbewerbs eine tatsächliche Auswirkung auf die
Beziehung von Marktteilnehmern untereinander hat..18 19
In Großbritannien spielen nicht-wirtschaftliche Aspekte eine äußerst geringfügige Rolle im
Zusammenhang mit 'Passing-Off'-Recht, außer wenn sie sich auf die Umstände der
Falschdarstellung beziehen.
IV. Verfahren
12
13
14
15
16
17
18
19
TGI Paris, 2. Mai 1968, JCP éd. G 1969, IV, S. 53.
Lyon, 27. Juli 1936, DH 1938, som. S. 3.
Cass. 2ème civ., 19. Juni 1996, Nr. 94-20.515, Bull. civ. II, Nr. 153, S. 93, D. Aff. 1996, S. 1056.
Versailles, 15. Februar 2001, PIBD 2001, III, S. 516 ; Cass. com., 6. Januar 1987, D. 1988, somm. S. 211,
obs. Y. Serra ; Cass. com., 8. Juli 1997, Jurisdata Nr. 1997-003643.
Paris, 15. Dezember 1994, France Télécom c. Girard, D. 1996, 489
Der Text des Werbegesetzes befindet sich auf folgender Website: http://www.reclamecode.nl/index2.html
ATF 126 III 198, consid. 2c/aa et les références.
Kürzlich hat das Bundesgericht (Oberster Gerichtshof) nochmals bestätigt, dass Artikel 1 LCD
Marktteilnehmern einen unverzerrten und reinen Wettbewerb garantiert. Das LCD behandelt deshalb nur
Wettbewerb auf wirtschaftlicher Ebene zwischen Personen, die ihre wirtschaftlichen Leistungen anbieten.
ATF von 15.12.2005, 4C.295/2005, consid. 3.1.
12
F.IV.1. Sind verschiedene Sanktionen in den Vorschriften zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs
vorgesehen, abhängig davon, ob die unlautere Praxis hauptsächlich Verbraucher oder Unternehmen
beeinflusst?
F.IV.2. Gibt es insbesondere unterschiedliche Verfahren oder Behörden für die Anwendung der
Vorschriften gegen unlautere Geschäftspraktiken, die Verbraucher beeinträchtigen?
F.IV.3. Ist es Unternehmen möglich, eine Klage gegen einen Mitbewerber auf Basis der Verletzung
spezifischer Vorschriften zum Schutz von Verbrauchern einzubringen, beispielsweise Vorschriften,
die Informationen an Verbraucher erfordern?
Die Antworten auf die Fragen F.IV.1. und F.IV.2. zeigen, dass man zwischen der Frage der
Sanktionen (insbesondere, ob sie zivil-, strafrechtlich oder selbsttätig regelnd sind) und der Frage,
wer eine Klage einbringen kann, unterscheiden muss.
Alle Länder verfügen über zivilrechtliche Sanktionen. In den meisten Fällen sind dies
Schadenersatzleistungen, einstweilige Verfügungen, Richtigstellungen und Feststellungsverfahren.
Strafrechtliche Sanktionen spielen in Frankreich eine wichtige Rolle zum Schutz der Verbraucher,
sowie in Brasilien, Deutschland und der Schweiz für schwerwiegende Verstöße. Selbstregulierende
Körperschaften spielen in den Niederlanden und in Spanien eine Rolle. Frankreich verfügt über eine
Sonderkommission für missbrauchende Bestimmungen, die Modellverträge prüft. Natürlich werden
zivilrechtliche Klagen vor Zivilgerichte gebracht, und die Staatsanwaltschaften vollstrecken das
Strafrecht. In Großbritannien vollstreckt das Amt für fairen Handel durch die regionalen
Handelsaufsichtsbehörden und Verbraucherschutz.
(Geschädigte) Mitbewerber können in allen Ländern ein Zivilverfahren einleiten. In Belgien,
Brasilien, Tschechien, den Niederlanden, in Spanien und der Schweiz können individuelle
Verbraucher eine Zivilklage einbringen. In Frankreich können sich Verbraucher der strafrechtlichen
Verfolgung als "partie civile" zur Forderung von Schadenersatz anschließen. In Deutschland können
Verbraucher keine Klage gemäß dem UWG einbringen, und in Italien können sie eine Einstellungsund Unterlassungsklage einbringen oder eine Richtigstellungsforderung im Fall irreführender und
vergleichender Werbung. In einigen Ländern können Verbrauchervereinigungen und
Unternehmerverbände Unterlassungs- oder Richtigstellungsklagen einbringen.
In den meisten Ländern kann ein Unternehmen eine Klage für den Verstoß gegen Bestimmungen
einreichen, die Verbraucher schützen, wenn sie selbst betroffen sind.
***
Die Berichterstatter aus Belgien und den Niederlanden entschieden sich für eine gemeinsame
Beantwortung dieser drei Fragen. Die anderen Berichterstatter übermittelten gesonderte Antworten
auf die einzelnen Fragen.
Die belgische Einstellungsklage weist in allen drei Fällen die gleiche Form auf, und findet vor dem
gleichen Gericht statt. Ein Unternehmen kann eine Klage gegen einen Mitbewerber einreichen, der
seine Informationspflicht gegenüber dem Verbraucher vernachlässigt. Allerdings muss es sein
Interesse oder die Schädigung seiner eigenen Aktivitäten nachweisen.
In den Niederlanden kann jede beliebige Person Schadenersatz fordern, und zwar gemäß der
allgemeinen Schadenersatzklausel (Artikel 6:162 BW). Darüber hinaus können Verbraucher eine
Klage gemäß dem Vertragsrecht auf Auflösung, Annullierung von (Kauf-) Verträgen, Schadenersatz
oder Ersatz einbringen: Zusätzlicher Schutz gegen unangemessen beschwerliche Allgemeine
Geschäftsbedingungen in Kaufverträgen wird durch Artikel 6:236 BW (eine ‘schwarze Liste’ von
Bedingungen) und durch Artikel 6:237 BW (eine ‘graue Liste’ von Bedingungen) geboten.
Verbrauchervereinigungen können eine Klage auf Annullierung derartiger Bestimmungen einleiten.
Rechtsmittel, die in einem derartigen individuellen Zivilverfahren erhalten werden, beziehen sich
lediglich auf spezifische Fälle, sind langwierig und kostspielig.
Neben Einzelklagen enthält das niederländische Bürgerliche Gesetzbuch auch eine Bestimmung
über Sammelklagen. Artikel 3:305a BW ermöglicht einer Stiftung oder Vereinigung, eine
Feststellungs- oder Unterlassungsklage einzureichen. Sammelklagen haben einen subsidiären
Charakter.
13
Zudem können Schadensforderungen vor selbstregulierenden Körperschaften eingebracht werden.
Der Werbestandardausschuss (RCC), das Reklamationen in Bezug auf Werbung behandelt, die im
Widerspruch zum niederländischen Werbegesetz (NRC) steht, kann empfehlen, dass der
Werbetreibende den Einsatz der fraglichen Werbung einstellen sollte. Die derzeitigen 33
Ausschüsse für Streitigkeiten in Verbraucherangelegenheiten, angeschlossen an die Institution
“Stichting Geschillencommissies voor Consumentenzaken” (SGC) verfügen über Gerichtsbarkeit in
Streitigkeiten in Bezug auf z.B. Reisen, Einrichtung, Textilreinigung, Energie, Telekommunikation,
Bankwesen, Versandunternehmen etc. Verbraucher können dort Schadenersatzansprüche zu relativ
niedrigen Kosten einreichen.
Die öffentliche Vollstreckung wird derzeit von einer Reihe von sektorspezifischen Aufsichtsbehörden
durchgeführt. Ab 1. Januar 2007 wird eine neu gegründete niederländische Verbraucherbehörde
(“ConsumentenAutoriteit”) ihre Arbeit aufnehmen. Sie wird ergänzend kollektive Interessen von
Verbrauchern schützen, und weniger einzelne Schadenersatzansprüche behandeln. Ihre Aufgaben
und Befugnisse werden im neuen niederländischen Gesetz über die Vollstreckung des
Verbraucherschutzes ("Wet handhaving consumentenbescherming") festgehalten, das noch
verabschiedet werden muss.
F.IV.1. Sind in den Vorschriften zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs verschiedene Sanktionen
vorgesehen, abhängig davon, ob die unlautere Praxis hauptsächlich Verbraucher oder Unternehmen
schädigt?
Das brasilianische Recht verfügt über verschiedene Sanktionen für unlautere Handlungen, die
Verbraucher schädigen. Im Fall von Mitbewerbern kann eine Klage auf die allgemeine Bestimmung
des Schadenersatzrechts (rechtswidrige Handlungen) basiert werden, das jeden Handelstreibenden
verpflichtet, einen anderen zu entschädigen, der durch seinen Fehler Schäden durch eine
Verletzung des loyalen Wettbewerbs verursacht hat. Die Rechtsmittel sind in den Artikeln 186, 187
und 927 bis 954 CC enthalten, und behandeln die Möglichkeit, Schadenersatz zu erhalten und den
übertretenen “Status quo” durch eine einstweilige Verfügung wieder herzustellen.
Das brasilianische Strafrecht (Artikel 195 des Gesetzes 9,279/96) bestraft einige unlautere
Praktiken, welche die "faire Praxis im Zuge des Handels" tiefgehend schädigt, oder die den freien
Wettbewerb und die Reputation von Unternehmen beeinträchtigt.
Die Interessen von Verbrauchern werden durch Klagen auf Basis des Zivilrechts, durch
Verwaltungsrecht und durch das Strafrecht geschützt.
Verbraucher können eine Zivilklage für die Entschädigung von Verlusten und Schadenersatz
einreichen, die ohne Beeinträchtigung der Zahlung einer Geldstrafe oder der Verwaltungsstrafen
erfolgt.
Das tschechische Recht beinhaltet die gleichen Sanktionen für Klagen, die von Mitbewerbern und
von Verbrauchern eingebracht wurden.
In Frankreich hängt die Art der Sanktion größtenteils von der betreffenden unlauteren Praxis ab.
Im Prinzip werden die Interessen von Verbrauchern durch strafrechtliche Sanktionen geschützt,
und die Interessen von Mitbewerbern werden durch Zivilklagen geschützt.
Das französische Verbrauchergesetz sieht strafrechtliche Sanktionen vor, außer in Fällen
missbrauchender
Kaufbestimmungen.
Das
Verbrauchergesetz
unterscheidet
zwischen
geringfügigen und erheblichen 'Straftaten' (Verbrechen und Vergehen), die vor dem Tribunal de
police und dem Tribunal correctionnnel verfolgt und mit Geld- und Gefängnisstrafen sanktioniert
werden. Handlungen, die das allgemeine Interesse von Verbrauchern schädigen, werden ebenfalls
bestraft.
Mitbewerber können Zivilklagen auf Schadenersatz und einstweilige Verfügungen gegen unlautere
Praktiken sowie wettbewerbseinschränkende Praktiken einbringen.
Im Fall rechtswidriger oder irreführender Werbung kann das Opfer die Verhängung strafrechtlicher
Sanktionen über den Werbetreibenden beantragen. Eigentlich sind irreführende und vergleichende
Werbung sowie andere irreführende Praktiken hauptsächlich Gegenstand strafrechtlicher
Sanktionen.
14
Gemäß dem deutschen UWG 2004 können einzelne Mitbewerber sowie Handelsgesellschaften
Klagen einbringen, insbesondere die “Wettbewerbszentrale.” Im Gegensatz dazu ist der Schutz der
Interessen der Verbraucher ausschließlich den Verbrauchervereinigungen vorbehalten. Einzelne
Verbraucher können eine Klage gemäß dem regulären Zivilrecht einbringen.
Das UWG 2004 kennt die Sanktionen Beseitigung, einstweilige Verfügung, Schadenersatz und
Beschlagnahmung von Gewinnen. Ein Mitbewerber kann eine Klage auf Beseitigung oder eine
einstweilige Verfügung einbringen, die gemäß Kapitel 3 und Kapitel 4 des UWG vorgesehen ist, und
zwar durch eine Berufs- oder Verbrauchervereinigung. Schadenersatz kann ausschließlich vom
Mitbewerber geltend gemacht werden, und nur für den Schaden, den er persönlich erlitten hat
(Kapitel 9 UWG). Eine Person, die eine einstweilige Verfügung beantragt, kann die
Beschlagnahmung von Gewinnen beantragen.
In Italien sind im ‚Codice Civile’ keine speziellen Sanktionen für unlauteres Verhalten vorgesehen,
das Verbraucher schädigt. Gemäß dem Gesetzgebungserlass Nr. 74/1992 über irreführende und
vergleichende Werbung kann die Autorita Garante della Concurrenza e de Mercato Einstellungsund Unterlassungsanordnungen sowie Richtigstellungs-Anordnungen aussprechen.
In Spanien können unlautere Praktiken, die Verletzungen des spanischen allgemeinen
Verbrauchergesetzes (oder dem spanischen allgemeinem Werbe- und Wettbewerbsrecht)
darstellen, zu Verwaltungs- und Geldstrafen sowie zu zivilrechtlicher Haftung führen. Im Gegensatz
dazu führen Verletzungen des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb lediglich zu zivilrechtlicher
Haftung. In beiden Fällen werden die Verfahren zur Festlegung der zivilrechtlichen Haftung gemäß
den oben genannten Gesetzen im Wesentlichen gleich sein. Das spanische Recht kennt auch
strafrechtliche Sanktionen im Zusammenhang mit unlauteren Praktiken.
In der Schweiz wird unlauterer Wettbewerb erstens durch zivilrechtliche Sanktionen und zweitens
durch strafrechtliche Sanktionen geschützt. Verwaltungsstrafen werden kaum verhängt.
Gesetzesmäßig
gehören
unlauterer
Wettbewerb
und
Verbraucherschutz
zum
eidgenossenschaftlichen Bereich. Die Organisation der Justiz, das Verfahren und die Verwaltung der
Justiz in zivilrechtlichen Angelegenheiten gehört zum Bereich der Kantone. Die Organisation und
Verwaltung der Justiz und die Vollstreckung von Sanktionen in strafrechtlichen Fragen gehören zum
Bereich der Kantone.
Die zivilen Rechtsmittel für Mitbewerber gemäß Artikel 9 LCD sind einstweilige Verfügungen, eine
Feststellungsklage, (öffentliche) Richtigstellung, Schadenersatz und Wiederherstellung des
immateriellen Schadens sowie Beschlagnahmung von Gewinnen. Verbraucher können sie auf die
gleiche Art geltend machen, wenn ihre wirtschaftlichen Interessen geschädigt wurden (Artikel 10
LCD). Artikel 10 (2) LCD besagt, dass Berufsvereinigungen durch Verbrauchervereinigungen unter
bestimmten Bedingungen einstweilige Verfügungen, Feststellungsklagen sowie Richtigstellungen
durch die Bundesregierung geltend machen können.
Artikel 23 sieht strafrechtliche Sanktionen für vorsätzliche Verstöße gegen die Artikel 3 bis 6 LCD
vor, und Artikel 24 LCD sieht strafrechtliche Sanktionen für Verstöße gegen die Verpflichtung der
Preisauszeichnung gegenüber Verbrauchern vor. Einige Verstöße können nur auf Basis einer
Beschwerde verfolgt werden.
In Großbritannien besteht beispielsweise eine mögliche strafrechtliche Haftung gemäß der
Gewerbeordnung und dem Verbraucherkreditgesetz, aber dies sind in erster Linie eher Beispiele
des britischen Verbraucherschutzgesetzes als des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb. Es gibt
keine strafrechtlichen Sanktionen mit dem 'Passing off'-Gesetz, außer wenn der Beklagte gegen
eine einstweilige Verfügung verstößt, wobei er in diesem Fall möglicherweise für Missachtung des
Gerichts haftet.
F.IV.2. Gibt es verschiedene Verfahren oder Behörden für die Anwendung der Vorschriften gegen
unlautere Geschäftspraktiken, die Verbraucher schädigen?
In Brasilien gibt es unterschiedliche Verfahren, wenn unlauterer Wettbewerb die
Verbraucherrechte beeinträchtigt. Die geschädigte Partei in einem herkömmlichen unlauteren
Wettbewerb sollte Gerichtsverfahren vor einem Zivilgericht auf Basis der allgemeinen Vorschriften
der Zivilprozessordnung (CPC) initiieren. Gesetz 8,078/90 sieht zwei mögliche Klageformen für
Verbraucher vor. Es gibt Einzelklagen und Sammelklagen für den Schutz von homogenen
15
individuellen Interessen. Sammelklagen können von der Staatsanwaltschaft, der Bundesregierung,
den Staaten, Gemeinden und Bezirken, Regierungskörperschaften und Behörden sowie
Vereinigungen eingebracht werden, die gesetzlich für mindestens ein Jahr konstituiert wurden, und
deren Statut die Verteidigung der Interessen und Rechte abdeckt, die durch das Verbrauchergesetz
geschützt sind.
Kapitel 54 (2) des tschechischen Handelsgesetzes legt fest, dass die Beweislast zugunsten der
Verbraucher umgekehrt wird, und zwar in Fällen von einstweiligen Verfügungen und Klagen auf
Beseitigung. Die Beweislast für andere Kläger ist nicht umgekehrt.
Zusätzlich zu seiner Antwort auf Frage F.IV.1 merkt der französische Berichterstatter an, dass er
ein erhebliches Risiko sieht, dass unlautere Praktiken zum Nachteil der Verbraucher kaum von
Verbrauchern selbst vor Zivilgerichte gebracht werden. Daher erachtet er strafrechtliche
Sanktionen für erforderlich. Im Gegensatz dazu wurden unlautere Praktiken gegen Mitbewerber
entkriminalisiert. Einige schwerwiegende Praktiken werden gemäß dem Handelsgesetz
kriminalisiert und werden vom 'Tribunale correctional' behandelt. Opfer können in diesen Fällen
"partie civile" werden.
Es gibt auch eine französische Sonderkommission über missbrauchende Klauseln gemäß Artikel
132 (2) des Verbrauchergesetzes. Die Kommission prüft Modellverträge und empfiehlt
Streichungen oder Abänderungen von Bestimmungen, die die Schaffung eines schwerwiegenden
Ungleichgewichts in Rechten und Pflichten von Verbrauchern und nicht berufsmäßigen Parteien zum
Ziel haben oder diese beeinflussen.
In Deutschland sind die Verfahren für Verbraucher und Mitbewerber gleich. Es gibt keine
Zentralbehörde, welche die Anwendung des UWG überwacht. Die Vollstreckung, einschließlich der
Beschlagnahmung von Gewinnen, wird durch das Zivilrecht sanktioniert. Dennoch umfasst das
UWG einige strafrechtliche Sanktionen in einigen Fällen von Irreführung und Diebstahl von Knowhow (Geschäftsgeheimnisse), die von der Staatsanwaltschaft verfolgt werden.
In Italien ist ein direkter Schutz von Verbrauchern gegen unlauteren Wettbewerb lediglich in
Artikel 7 des Erlasses Nr. 74/1994 gegen irreführende und vergleichende Werbung vorgesehen.
Diese Verfahren finden vor der Autorita Garante della Concurrenza e de Mercato statt.
Das spanische Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UCL) sieht einen breiten Umfang des
Schutzes gegen unlautere Wettbewerbspraktiken als das allgemeine Werberecht, das allgemeine
Verbraucherschutzgesetz oder das spanische Wettbewerbsrecht vor.
Rechtsmittel gemäß dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb beinhalten eine Feststellungsklage,
einstweilige Verfügungen, Rückerstattung, Richtigstellung, Schadenersatz sowie eine Klage gegen
ungerechtfertigte Bereicherung. Sowohl Verbraucher als auch Mitbewerber können eine Klage
gemäß dem UCL einbringen.
Sowohl Verbraucher als auch Mitbewerber können eine Klage auf einstweilige Verfügung oder
Richtigstellung gemäß dem allgemeinen Werbegesetz einbringen. Verbraucher können eine
Schadenersatzklage gemäß dem allgemeinen Verbraucherschutzgesetz einbringen. "Betroffene"
Parteien können eine Schadenersatzklage gemäß dem spanischen Wettbewerbsrecht einbringen.
Die relevanten Behörden können zusätzliche Verwaltungsstrafen auferlegen.
Darüber hinaus können Verbraucher und Mitbewerber auf das “Jurado de Autocontrol”
zurückgreifen, einer selbstregulierenden Körperschaft für Streitigkeiten bezüglich Werbung.
In der Schweiz gibt es keinen Unterschied zwischen Verbrauchern oder Mitbewerbern bei Klagen
gegen unlautere Geschäftspraktiken.
Eine Novellierung der Bundesverfassung im Jahr 1981 führte ein einfaches und schnelles Verfahren
für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Einzelhändlern ein, wenn der Streitwert einen
gewissen Grenzwert nicht überschreitet. Das LCD erweiterte dieses Verfahren auf unlauteren
Wettbewerb. Seit 1. April 2003 liegt der Grenzwert bei CHF 20.000,--. Wenn der Streitwert höher
ist gelten die allgemeinen Verfahrensvorschriften. Ungeachtet dessen, ob es sich um
Verbraucherschutz oder unlauteren Wettbewerb handelt, wird das zuständige Gericht gemäß dem
Streitwert bestimmt.
16
In Großbritannien wird die Verbraucherschutz-Gesetzgebung, wie beispielsweise die
Gewerbeordnung durch regionale Handelsaufsichtsbehörden vollstreckt, die zur britischen
Kommunalverwaltung gehören. Zusätzlich hat auch das Amt für fairen Handel einige
Verantwortlichkeiten bei der Durchsetzung.
F.IV.3. Haben Unternehmen die Möglichkeit, eine Klage gegen einen Mitbewerber auf Basis der
Verletzung spezifischer Vorschriften zum Schutz von Verbrauchern einzubringen, beispielsweise
Vorschriften, die Informationen an Verbraucher erfordern?
In Brasilien kann ein Unternehmen nur dann eine Klage gegen einen Mitbewerber auf Basis der
Verletzung von verbraucherbezogenen Vorschriften einbringen, wenn das Unternehmen selbst
Schaden aufgrund derartiger Praktiken erleidet. Dieser Schaden kann dargestellt werden, wenn das
Unternehmen als Verbraucher agiert. D.h. es erleidet kommerzielle Verluste aufgrund der
unlauteren Handlung seines Mitbewerbers, die auf sein Unternehmen ausgerichtet ist.
In Frankreich definiert Artikel 2 der Strafprozessordnung, dass jedermann, der persönlichen
Schaden erleidet, eine zivilrechtliche Schadenersatzklage einbringen kann. Das neue CPC erweitert
dieses Recht auf Parteien mit einem “intérêt légitime” oder einem “intérêt déterminé”. Die Partei,
die die Klage einbringt, muss einen persönlichen und direkten Schaden an seinen materiellen oder
immateriellen Interessen nachweisen. Infolgedessen können Unternehmen keine Klage aufgrund
dessen einbringen, dass Bestimmungen zum Schutz von Verbrauchern verletzt wurden, wenn ihre
eigenen Interessen nicht beeinträchtigt sind. In diesem Kontext wurde entschieden, dass im Fall
einer Verletzung des Verbotes von Verlosungen gemäß dem Verbrauchergesetz ein Unternehmen
eine Klage aufgrund unlauteren Wettbewerbs im Hinblick auf den Schaden einbringen kann, den es
durch die Handlungsweise seines Mitbewerbers erlitten hat. 20
Artikel 411 (11) des Arbeitsgesetzes (Code du travail) besagt, dass Berufsvereinigungen eine Klage
einbringen können, wenn die unlautere Praxis die kollektiven Interessen des "Berufes", den sie
vertreten, direkt oder indirekt beeinträchtigt. Dieses Interesse muss sich vom Interesse
unterscheiden, das ein Konsument hat. Der Cour de cassation hat eine Klage einer
Berufsvereinigung aufgrund der Verletzung einer Bestimmung, die ausschließlich zum Schutz von
Verbrauchern bestimmt war, als unzulässig erklärt.21 Allerdings kann eine kommerzielle Praxis, die
Bestimmungen zum Schutz von Verbrauchern verletzt, gleichzeitig die Interessen des Berufes
schädigen. Dies könnte der Fall sein, wenn ein Unternehmen Bestimmungen bezüglich der
Preisangabe gegenüber Verbraucher verletzt. Eine Vereinigung von Parfumhändlern brachte
beispielsweise eine Klage als partie civile in einem Fall gegen einen Parfümhändler ein, der eine
Bestimmung bezüglich Preisangaben verletzt hat. Das Gericht urteilte, dass das Unternehmen die
Abbildungen der betreffenden Warenzeichen verändert hatte, und dass sein Verhalten das
kollektive Interesse der Parfümindustrie geschädigt hat.22
In Deutschland steht es Mitbewerbern oder Berufsvereinigungen frei, Schadenersatzansprüche für
die Verletzung von Bestimmungen zum Schutz der Verbraucher geltend zu machen. Kapitel 4 des
UWG verbietet beispielsweise die Verbindung von Verlosungen mit dem Verkauf von Produkten nur,
wenn Verbraucher betroffen sind. Ein Mitbewerber kann jedoch eine Klage auf einstweilige
Verfügung, Beseitigung oder Schadenersatz aufgrund der Verletzung dieser Bestimmung
einbringen.
In Italien kann man sich auf die Verletzung von zivil- oder verwaltungsrechtlicher Bestimmungen
zum Schutz von Verbrauchern als Grund, gegen einen Mitarbeiter zu handeln, berufen. Dies ist in
Fällen irreführender und vergleichender Wertung von Bedeutung (Erlass Nr. 74/1992), in denen die
Kommunikation mit Verbrauchern betroffen ist.
In Spanien können Unternehmen nur dann eine Klage einbringen, wenn ihre wirtschaftlichen
Interessen direkt geschädigt oder gefährdet werden, und wenn die Praxis des Mitbewerbers in den
Bereich einer der gesetzlichen Definitionen der unlauteren Praktiken des Gesetzes gegen
unlauteren Wettbewerb, das allgemeine Werberecht etc. fällt.
20
21
22
Cass. com., 11. März 2003, Nr. 00-12.124, Bull. civ. IV, Nr. 45, S. 53.
Cass. crim., 22. November 1962, Bull. crim. 1962, Nr. 338.
Cass. crim., 24. April 1997, Bull. crim. 1997, Nr. 146, S. 488.
17
Gemäß schwedischem Recht kann ein Unternehmen einen Schadenanspruch geltend machen,
solange es nachweisen kann, dass es durch die vorgebliche Verletzung geschädigt wurde.23.
Das Schweizer LCD schützt Mitbewerber sowie die kollektiven Interessen von Verbrauchern. Das
Bundesgericht hat in einem Fall vergleichender Werbung geurteilt, dass die Bestimmungen zur
Einschränkung dieser Praxis in erster Linie dazu bestimmt sind, Verbraucher und die
Preistransparenz zu schützen.24. Allerdings wird eine von einem Unternehmen eingebrachte Klage
zur Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften gegen einen Mitbewerber indirekt als im
allgemeinen Interesse der Verbraucher liegend betrachtet.25.
Darüber hinaus hängt die Frage, ob ein Unternehmen eine Klage auf Basis der Verletzung einer
Bestimmung zum Schutz von Verbrauchern einbringen kann, davon ab, ob es eine Zivilklage
(Artikel 9 und 10 LCD) oder eine strafrechtliche Klage (Artikel 23 und 24 LCD) einbringen kann.
Ein Unternehmen kann eine Zivilklage gegen eine Handlung unlauteren Wettbewerbs einbringen,
wenn es Schaden im Hinblick auf seine Verbraucher, seine Reputation oder seine wirtschaftlichen
Interessen erlitten hat. Gleichermaßen kann ein Verbraucher eine Zivilklage einbringen, wenn seine
wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt sind. Die Art der unlauteren Praxis spielt keine Rolle.
Ein Mitbewerber kann somit eine Klage einbringen, wenn seine Verbraucher im Hinblick auf Preise
irregeführt wurden26, oder wenn sie durch aggressive Praktiken in ihrer Freiheit, wirtschaftliche
Entscheidungen zu treffen, behindert sind27.
Eine strafrechtliche Klage kann für Verletzungen der Artikel 2 bis 6 des LCD unter den gleichen
Bedingungen wie eine Zivilklage eingebracht werden.
Zusammengefasst muss ein Mitbewerber nachweisen, dass eine Handlung unlauteren Wettbewerbs
seine wirtschaftlichen Interessen beeinflusst.
In Großbritannien ist dies generell nicht möglich. Die Staatsanwaltschaften müssen im
Allgemeinen Vollstreckungshandlungen setzen. Im Hinblick auf die Verletzung von eingetragenen
Warenzeichen ist es jedoch einem Eigentümer eines eingetragenen Warenzeichens möglich, eine
private strafrechtliche Klage gegen einen Rechtsverletzer einzubringen.
V. Meinungen
F.V.1. Sollte es a priori verschiedene gesetzliche Vorschriften für Fairness im Marktverhalten auf
Basis der Tatsache geben, dass eine Geschäftspraxis hauptsächlich die Entscheidungsfindung des
Verbrauchers beeinflusst (und nur indirekt das wirtschaftliche Interesse von Unternehmen)? Oder
sollte es einen einheitlichen Standard für (Un-) Fairness geben, der sich auf das Verhalten als
solches konzentriert (aber unter Berücksichtigung aller Umstände, z.B. der Zielgruppe der
Handlung)?
Alle Berichterstatter, ausgenommen des britischen, stimmten zu, dass es einen einheitlichen
Fairness-Standard mit Fokus auf das Verhalten an sich geben sollte. Die Berichterstatter aus
Großbritannien sind der Ansicht, dass ein Standard auf Basis von unternehmensinterner Ethik einen
angemessenen Schutz für Verbraucher bieten würde, und dass einige Praktiken, die Unternehmen
schädigen, neutral gegenüber Verbrauchern ind.
Einige Berichterstatter betonen die Notwendigkeit, dass Verbrauchern ein spezifischer Schutz
eingeräumt wird. Einerseits streichen sie hervor, dass sich Verbraucher häufig in einer angreifbaren
Position befinden. Andererseits erklären sie, dass insbesondere reguläre zivile Schadenersatzklagen
aufgrund hoher Kosten und einer langen Verfahrensdauer keine effizienten Rechtsmittel für
Verbraucher sind. Die französischen Berichterstatter betonen deshalb den Bedarf an
23
24
25
26
27
SMPA Kapitel 38.
Selon l’art. 3 let. e LCD, agit de façon déloyale celui qui compare, de façon inexacte, fallacieuse,
inutilement blessante ou parasitaire sa personne, ses marchandises, ses œuvres, ses prestations ou ses prix
avec celles ou ceux d’un concurrent ou qui, par de telles comparaisons, avantage des tiers par rapport à
leurs concurrents.
ATF 129 III 426 consid. 2.2.
Art. 3 let. g LCD.
Art. 3 let. h LCD.
18
strafrechtlichen Sanktionen zum Schutz der Verbraucherinteressen, wobei die Schweizer
Berichterstatter die Einführung eines billigen und einfach zugänglichen selbstregelnden
Mechanismus zu bevorzugen scheinen.
Der deutsche Berichterstatter strich hervor, dass die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
das System unnötig verkompliziert. Durch die ausschließliche Gültigkeit für B2C-Beziehungen
scheint sie die Einführung eines einheitlichen Fairness-Standards zu behindern.
***
In Belgien sind beide Aspekte des Schutzes in einem Gesetz kombiniert. Daher ist der belgische
Berichterstatter der Meinung, dass eine einheitliche Gesetzgebung mit einem doppelten Ziel
ausreichend und zufrieden stellend wäre.
Die brasilianischen Berichterstatter sind der Meinung, dass es keine unterschiedlichen
gesetzlichen Vorschriften für Fairness im Marktverhalten geben sollten, unabhängig davon, ob eine
Geschäftspraxis Verbraucher betrifft oder nicht. Noch sollte es eine einheitliche TreulosigkeitsRegelung geben. Anstelle dessen empfehlen sie die Einführung eines einheitlichen Standards für
Unlauterkeit, die sich auf das Verhalten als solches konzentriert, aber alle Umstände berücksichtigt.
Ein derartiger Standard würde für ein gerechtes Gleichgewicht sorgen, indem er die Möglichkeiten
zur Definition von Geschäftsverhalten als unlauteren Wettbewerb mit klaren Nachteilen für
Mitbewerber und Verbraucher erhält.
Das französische Recht unterscheidet zwischen unlauteren Geschäftspraktiken, die sich auf
Verbraucher auswirken und solchen, die sich auf Unternehmen auswirken. Der Grund dafür ist,
dass sich die Art der Geschäftspraktiken unterscheidet. Im Fall von Verbrauchern versuchen
Unternehmen üblicherweise vom Missbrauch der Verletzbarkeit von Verbrauchern zu profitieren.
Das Verbrauchergesetz limitiert diese Unmäßigkeiten in unlauteren Praktiken besonders und sieht
einen starken Schutz von verletzlichen Verbrauchern vor.
Der französische Berichterstatter erachtet strafrechtliche Sanktionen für den effizienten Schutz von
Verbrauchern als erforderlich. Im Gegensatz dazu erachtet er strafrechtliche Sanktionen im Fall von
unlauteren Geschäftspraktiken gegen Mitbewerber als ungerechtfertigt. Seiner Meinung nach
stellen diese Praktiken häufig eher eine strategische Entscheidung dar und basieren nicht auf einer
betrügerischen Absicht. Allerdings sieht er die Grenzen dieses Ansatzes dort, wo sich unlautere
Praktiken sowohl auf Mitbewerber als auch Verbraucher auswirken. In dieser Hinsicht merkt der
Berichterstatter an, dass Handlungen unlauteren Wettbewerbs von Unternehmen, wie
beispielsweise die Verwechslung von Produkten oder die Störung des Marktes durch z.B.
Verhaltensweisen, die die Einzelhandelspreise beeinflussen, die Interessen der Verbraucher
schädigen können. In diesen Fällen haben sie kein Recht zur Einbringung einer Klage.
Die allgemeinen Bestimmungen des französischen bürgerlichen Rechts werden zunehmend
verwendet, um die Vorschriften des französischen Verbrauchergesetzes und die Vorschriften des
Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb anzugleichen. Dies sind Konzepte wie beispielsweise der
Missbrauch wirtschaftlicher Abhängigkeit oder das Prinzip des guten Glaubens, die für alle
Vertragsparteien gelten, unabhängig von ihrem Status. Es scheint daher, dass sich das
französische Recht in Richtung eines vereinheitlichten Konzeptes der Unlauterkeit entwickelt, das
für spezifische Praktiken gilt.
Gemäß deutschem Recht liegt der Schwerpunkt auf dem unlauteren Verhalten als solches. Eine
Aufteilung in gesonderte Schutzbereiche wird nicht befürwortet. Die Idee an der Basis des
deutschen Rechts ist, das Interessen von Verbrauchern und Mitbewerbern nicht getrennt werden
können. Sie werden eher als zwei Seiten der Medaille gesehen. Darüber hinaus wird angenommen,
dass Marktverhalten nicht strikt in B2B- und B2C-Beziehungen unterteilt werden kann. Es kann oft
unklar sein, ob Anzeigen für z.B. Autos oder Computer an Unternehmen oder Verbraucher gerichtet
sind. Infolgedessen wird im Interesse von Unternehmen die Einführung eines einheitlichen
Standards befürwortet.
Dieser Ansatz schließt Raum für Bestimmungen zum Schutz der Interessen einer bestimmten
Gruppe, z.B. der Endverbraucher in Fällen unerwünschter Anrufe nicht aus. Zudem können
Praktiken unterschiedlich beurteilt werden, je nachdem, auf wen sie sich auswirken. In allen Fällen
bleibt die Fairness des Verhaltens als solches im Mittelpunkt der Beurteilung.
19
Der deutsche Berichterstatter ist der Ansicht, dass dieser deutsche Ansatz mit dem Ansatz der EUGesetzgebung bis jetzt übereinstimmt, z.B. gemäß der Richtlinie über vergleichende und
irreführende Werbung oder der E-Commerce-Richtlinie, die nicht zwischen B2B- und B2CBeziehungen unterscheiden. Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken wird als unnötige
Verkomplizierung des Systems gesehen.
Der Meinung des italienischen Berichterstatters zufolge scheint ein einheitlicher Standard, der
sich auf das Verhalten als solches konzentriert, eher mit der Funktion von Vorschriften gegen
unlauteren Wettbewerb im Einklang zu sein. Sie beabsichtigen hauptsächlich die Regelung des
Verhaltens von Unternehmern, und sie sind nur indirekt zum Schutz der Verbraucherinteressen
bestimmt. Im italienischen System sind Verbraucher Gegenstand verschiedener Schutzsysteme,
basierend auf Einzelklagen.
Darüber hinaus betont der italienische Berichterstatter, dass Vorschriften gegen unlauteren
Wettbewerb nur dann angewendet werden können, wenn eine wettbewerbliche Beziehung vorliegt.
Er hält es für schwer vorstellbar, dass eine derartige Beziehung zwischen Unternehmen und
Kunden vorliegt, bei denen unwahrscheinlich ist, dass sie die Durchsetzung der besagten
Vorschriften hervorrufen, die hauptsächlich zur Regulierung des Wettbewerbs zwischen
Unternehmern dienen.
Die Gruppe aus den Niederlanden beantwortet die Fragen V.1 und V.2 gemeinsam. Sie glaubt,
dass das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb Vorschriften für Verbraucher bieten sollte, die einen
zusätzlichen Schutz auf Basis ihrer schwachen Marktposition ermöglichen. Trotzdem sind sie der
Meinung, dass sowohl die Vorschriften gegen unlauteren Wettbewerb zum Schutz der
Verbraucherinteressen und die Vorschriften zum Schutz der Unternehmensinteressen unter einem
Dach geregelt werden sollten, um zu vermeiden, dass sich diese Rechtsbereiche voneinander
wegentwickeln. Das Hauptprinzip: "Unlauterer Wettbewerb ist nicht gestattet" sollte für alle Arten
von Interessen gelten (Verbraucher- und Unternehmensinteressen). Zusätzlich zum Hauptprinzip
können spezifische Vorschriften entwickelt werden, die den Verbrauchern zusätzlichen Schutz
bieten.
Die niederländische Gruppe ist ebenso der Meinung, dass sich ein einheitlicher Standard der
Unlauterkeit auf das Verhalten konzentrieren, aber gleichzeitig bei seiner Beurteilung alle
Umstände berücksichtigen sollte, z.B. die Zielgruppe der Handlung.
Das allgemeine Prinzip sollte Interessen aller Marktteilnehmer schützen, aber es können gewisse
spezifische Vorschriften entwickelt werden, die spezifische unlautere Handelspraktiken zum Schutz
eines einzelnen Interesses (z.B. dem wirtschaftlichen Interesse von Verbrauchern) verbieten.
Der spanische Berichterstatter ist der Meinung, dass es keine unterschiedlichen gesetzlichen
Vorschriften über Fairness im Marktverhalten geben sollte, da eine Geschäftspraxis hauptsächlich
die Entscheidungsbildung von Verbrauchern, aber nur indirekt das wirtschaftliche Interesse von
Unternehmen beeinflusst. Seiner Meinung nach sollte es einen einheitlichen Standard für
Lauterkeit/Unlauterkeit geben, der sich auf das Verhalten als solches konzentriert.
Der tschechische Berichterstatter befürwortet einen einheitlichen Standard, ist aber der Meinung,
dass die "Berücksichtigung aller Umstände" weniger vorteilhaft ist.
Der schwedische Berichterstatter drückt die Meinung aus, dass es einen einheitlichen Standard
geben sollte. Er denkt, dass es im Allgemeinen vorausgesetzt werden kann, dass der Verbraucher
und die geschäftlichen Interessen übereinstimmen, wenn man die ethischen Standards für
Werbesendungen und andere Anzeigen festlegt.
Das Schweizer LCD und sein funktioneller Ansatz scheinen die Einführung gesonderter
Bestimmungen für Verbraucher und Mitbewerber zu erschweren. Der Schweizer Berichterstatter
zitiert Prof. Dessemontet, der die Schwäche des Schweizer Verbraucherschutzes beschrieben hat.
Er erklärte, dass das Schweizer Gesetz der EU-Gesetzgebung für Verbraucherschutz hinterherhinkt;
dass gemäß Schweizer Recht Einzelklagen von Verbrauchern praktisch nicht vorhanden sind; dass
die Klagen von Verbrauchervereinigungen an den Fingern einer Hand zu zählen sind; und dass die
Schweizer Bundesregierung, die seit 1982 eine Klage einbringen kann, bis jetzt nur eine Klage
eingebracht hat, die abgelehnt wurde.
Die Berichterstatter aus Großbritannien sind der Meinung, dass es unwahrscheinlich ist, dass ein
Verbrauchergesetz, das hauptsächlich auf den Vorschriften einer Ethik zwischen Unternehmen
basiert, einen ausreichenden Schutz für Verbraucher bietet. Es ist wichtig, zu beachten, dass in
20
einigen Fällen Business-to-Business-Verhalten, das aus Sicht der Verbraucher neutral ist, dennoch
'unlauter' ist. Ein Beispiel ist, wenn ein Unternehmen die Geschäftsgeheimnisse eines anderen
Unternehmens veruntreut - beispielsweise seine Kundendatenbanken. In ihrer Sicht würde die
Einführung eines einheitlichen Standards nicht in der Lage sein, gleichzeitig einen angemessenen
Schutz für Verbraucher zu bieten und eine geeignete Unternehmensethik durchzusetzen.
F.V.2. Sollten die Vorschriften über unlautere Geschäftspraktiken hauptsächlich aus dem
Gesichtspunkt der Verbraucher gesehen werden oder sollten sie auch die Interessen aller anderen
Marktteilnehmer berücksichtigen? Sollten Vorschriften auf internationaler oder europäischer Ebene
auf eine umfassende, kohärente Regelung unlauterer Geschäftspraktiken auf das Interesse aller
Marktteilnehmer ausgerichtet sein?
Die Berichterstatter aus Belgien, Brasilien, Tschechien, Deutschland, den Niederlanden, Schweden
und Spanien befürworten, dass die Interessen aller Marktteilnehmer berücksichtigt werden. Die
Berichterstatter aus Frankreich und Italien sehen einen qualitativen Unterschied bei unlauteren
Geschäftspraktiken, die sich auf Verbraucher auswirken und denjenigen, die sich auf Mitbewerber
auswirken. Die Berichterstatter aus Großbritannien betonen, dass das englische "passing off"-Recht
(Abwälzung) nur für andere Marktteilnehmer gilt.
Der brasilianische Berichterstatter schlägt eine exemplarische Liste unlauterer Geschäftspraktiken
vor, die im Rahmen der Pariser Verbandsübereinkunft formuliert werden kann. Der französische
Berichterstatter fordert eine weitere EU-Gesetzgebung, insbesondere aufgrund der Schwierigkeit,
Verhaltensweisen zu sanktionieren, die ihren Ursprung im Ausland haben. Der Schweizer
Berichterstatter schlägt vor, Änderungen im Schweizer Recht vorzunehmen. Die Berichterstatter
aus Großbritannien sind der Ansicht, dass es in Anbetracht eines unterschiedlichen Verständnisses
von Geschäftsethik äußerst schwierig ist, kohärente Vorschriften einzuführen.
***
In Belgien ermöglichen die Vorschriften gegen unlauteren Wettbewerb die Berücksichtigung dreier
unterschiedlicher Interessen. Eine interessierte Partei (aber nicht eine Verbrauchervereinigung oder
ein Regierungsvertreter) kann zusätzlich zum Erhalt einer einstweiligen Verfügung gemäß einem
Eilverfahren, Schadenersatz gemäß EU-Recht geltend machen.
Die brasilianischen Berichterstatter drückten die Meinung aus, dass die Vorschriften gegen
unlauteren Wettbewerb die Interessen aller Marktteilnehmer berücksichtigen sollten, einschließlich
Verbrauchern, da die Loyalität und Fairness Unternehmen, den Handel, den freien Wettbewerb und
Verbraucherrechte beeinflusst. Gemäß Artikel 170 der brasilianischen Bundesverfassung werden
der Schutz des freien Handels und der Verbraucherrechte gleichermaßen als Prinzipien für die
Förderung der wirtschaftlichen Ordnung auf Basis sozialer Gerechtigkeit und menschlicher Würde
gesehen. Darüber hinaus waren die brasilianischen Berichterstatter der Meinung, dass es eine Liste
geben sollte, die unlauteren Wettbewerb auf internationaler Ebene im Hinblick auf alle
Marktteilnehmer regelt. Diese Liste würde als Verbesserung und/oder Aktualisierung von Artikel 10
bis
der Pariser Verbandsübereinkunft angesehen. Die vorgeschlagene Liste sollte exemplarisch sein
und Richtlinien setzen. Sie sollte nicht versuchen, alle Vorgänge unlauteren Wettbewerbs
abzudecken. Eine vollständige internationale Regelung würde nicht effizient sein, da es schwierig
sein würde, Einigung über die als unlauter angesehenen Praktiken zu erzielen, wenn man die
Besonderheiten jedes Landes berücksichtigt.
Die französische Gruppe ist der Meinung, dass man für eine Entscheidung sorgen sollte, ob das
Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb a priori Verbraucher oder alle interessierten Parteien
schützen sollte. Alles hängt von der betreffenden Praxis ab. Es besteht nur wenig Homogenität
dieser Praktiken und sie entstammen unterschiedlichen Motivationen. Allerdings würde die Gruppe
die Angleichung der Vorschriften durch eine Konzentration auf die allgemeinen Interessen aller
Marktteilnehmer befürworten, ungeachtet dessen, ob es sich um Verbraucher oder Unternehmen
handelt. Die Interessen beider Gruppen sind häufig gemeinsam betroffen, und Verbraucher
profitieren manchmal von Klagen, die von Mitbewerbern eingebracht wurden. Gemäß
französischem Recht können nur Personen mit einem legitimen Interesse eine Klage einbringen.
Darüber hinaus weisen die französischen Berichterstatter auf die Tatsache hin, dass das Gesetz
bereits großteils auf EU-Ebene harmonisiert wurde, und dass der Europäische Gerichtshof die
bleibenden Differenzen beseitigt. Schwierigkeiten bleiben im Hinblick auf die Exterritorialität und
insbesondere im Hinblick auf die Auferlegung strafrechtlicher Sanktionen über exterritoriale
Akteure aufrecht. Der Meinung der französischen Gruppe zufolge würde eine vereinheitlichte EU-
21
Gesetzgebung den Schutz von Verbrauchern und Unternehmen besser gewährleisten. Schließlich
erfordert die Explosion von Versandkauf, insbesondere mittels Internet, eine EU- und internationale
Harmonisierung. Daher plädiert die französische Gruppe für die europäische Harmonisierung der
Vorschriften gegen unlauteren Wettbewerb im Interesse aller Marktteilnehmer.
Das deutsche Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb betont, dass die Interessen aller
Marktteilnehmer berücksichtigt werden sollten. Das Interesse der Öffentlichkeit beschränkt sich auf
das Interesse an einem unverzerrten Wettbewerb.
Der italienische Berichterstatter ist der Meinung, dass Verbraucherschutz und die Regulierung
unlauteren Wettbewerbs getrennt gehalten werden sollten, da die Regulierung des unlauteren
Wettbewerbs nur für konkurrierende Körperschaften gelten sollte. Er erachtet es für fraglich, dass
Vorschriften gegen unlauteren Wettbewerb auf internationaler oder europäischer Ebene die
geeignete Art darstellen, um den Schutz von Verbrauchern zu realisieren.
Die tschechischen, schwedischen und spanischen Berichterstatter drücken die Meinung aus,
dass Vorschriften über unlautere Geschäftspraktiken die Interessen aller Marktteilnehmer
berücksichtigen sollten, und dass umfassende und kohärente Vorschriften wünschenswert sind. Der
tschechische Berichterstatter hebt auch die Tatsache hervor, dass gemäß tschechischem Recht die
Richtlinie 2005/29/EG wörtlich umgesetzt werden sollte, was möglicherweise zu Problemen führt.
Der Schweizer Berichterstatter hebt hervor, dass gemäß Schweizer Recht Verbraucherschutz
keine Priorität aufweist. Es werden wenige Klagen durch Verbraucher eingebracht, trotz ihrem
Recht, eine Klage im Fall wirtschaftlicher Schäden sowie im Fall einer Bedrohung (Gefahr)
einzubringen. Die Furcht vor hohen Kosten und der langen Dauer scheint dafür verantwortlich zu
sein. Klagen durch Verbrauchervereinigungen sind ebenso selten.
In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Gesetzgebungsvorschläge zur Verbesserung der
Rolle der Verbraucher abgelehnt oder zurückgezogen. Im Dezember 2005 wurde der Vorschlag zur
Abänderung des Loi fédérale du 5 octobre 1990 sur l’information des consommatrices et des
consommateurs abgelehnt. Er sah einen konstanten Schutz von Verbrauchern und einen
außergerichtlichen Mechanismus zur Lösung von Verbraucherkonflikten vor. 28 Vorgeschlagene
Abänderungen des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb als Teil eines Entwurfs für ein
Bundesgesetz über elektronischen Handel, das neue Fälle unlauteren Wettbewerbs in
Zusammenhang mit Online-Shopping schafft, wurden im November 2005 vom Schweizer Bundesrat
fallen gelassen, der der Ansicht war, dass eine Erweiterung des Verbraucherschutzes in diesem
Stadium nicht gerechtfertigt sei.
Die Berichterstatter aus Großbritannien
betonen, dass sich ein Gesetz gegen unlauteren
Wettbewerb in dem Ausmaß, in dem es als Spielart des Abwälzungsgesetzes in England besteht,
nahezu ausschließlich auf die Interessen anderer Marktteilnehmer konzentriert. Eine
Überregulierung in diesem Bereich ist ihrer Ansicht nach ebenso gefährlich. Während es sicherlich
der Fall ist, dass erhebliche Abweichungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten im Bereich der
Geschäftsethik bestehen (siehe beispielsweise die Vielfalt der Sichtweise, ob eine Eintragung eines
Warenzeichens in "böser Absicht" erfolgt ist), würde es ihrer Ansicht nach äußert schwer sein,
kohärente Vorschriften einzuführen, die in allen Unternehmenssektoren gelten.
F.V.3. Sollten die Rechtsmittel gegen unlautere Geschäftspraktiken in Einklang mit denjenigen der
Richtlinie 2004/48/EG über die Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte (EUOJ L-157, 30. April
2004, S. 45) gebracht werden?
Dem niederländischen Berichterstatter zufolge bietet die Richtlinie 2004/48/EG Rechtsinhabern weit
reichende Rechtsmittel, einschließlich inter alia der Beschlagnahme der Bankkonten und anderer
Aktiva
und
Gewinne
des
Zuwiderhandelnden
zur
Sicherung
der
Zahlung
fälliger
Schadenersatzleistungen, dem Rückruf verstoßender Waren auf Kosten des Zuwiderhandelnden,
die Wahl des Rechtsinhabers zwischen einem pauschalen Schadenersatz (bis zum Doppelten
normaler Nutzungs- oder Lizenzgebühren) oder einer Entschädigung für entgangene Gewinne,
28
Avant-projet de loi fédérale sur l’information et la protection des consommatrices et des consommateurs
(LIPC) et rapport explicatif, du 16 mars 2994, par P. Pichonnaz,
http://www.consommation.admin.ch/imperia/md/content/pressemitteilungen/begleitberichte/begleitbericht
frpdf.pdf
22
Zahlung von Verfahrenskosten (und 'anderer Auslagen') durch den Zuwiderhandelnden, wenn eine
Rechtsverletzung festgestellt wurde, die Liquidation von Unternehmen, die der schwerwiegendsten
Rechtsverletzungen für schuldig befunden wurden, das Verbot von Maschinen, die zur Fälschung
von Sicherheitsmerkmalen für Waren verwendet werden, die durch gewerbliche Eigentumsrechte
geschützt sind (z.B. Warenzeichen), eine behördliche Befugnis zur Sicherstellung von
Urkundenmaterial in Bezug auf die vermutete Rechtsverletzung (sowie der verdächtigen Waren
selbst) und ein 'Informationsrecht' (eine Verpflichtung für Gerichte, Informationen über die Quelle
der verstoßenden Waren zur Verfügung zu stellen).
Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, "die Bestimmungen dieser Richtlinie für interne Zwecke
auszuweiten, um Handlungen unlauteren Wettbewerbs einzubeziehen, einschließlich parasitärer
Kopien oder ähnlichen Aktivitäten."29 Sie können daher entscheiden, diese speziellen Rechtsmittel
Klägern zur Verfügung zu stellen, die Rechtshilfe gegen unlautere Handelspraktiken suchen.
Die französischen, tschechischen, italienischen, spanischen, Schweizer und britischen
Berichterstatter scheinen zu bevorzugen, dass die Rechtsmittel gemäß der Richtlinie 2004/48/EG
im Fall unlauterer Geschäftspraktiken angewendet werden. Sie heben die Tatsache hervor, dass die
Anwendung dieser Rechtsmittel sehr effizient wäre. Die brasilianischen, französischen und
britischen Berichterstatter heben ebenso hervor, dass ihre nationalen Gesetze die meisten
betreffenden Rechtsmittel bereits beinhalten. Die belgischen und niederländischen Berichterstatter
betonen, dass ihre nationalen Rechtsmittel bereits ausreichend sind, und dass diese nicht geändert
werden müssen.
Schlussendlich betonen die niederländischen Berichterstatter, dass sich geistige Eigentumsrechte
von unlauterem Wettbewerb unterscheiden, da sie "vom Gesetzgeber akribisch geschaffene
Monopole" sind, die Ausnahmen von der Regel der Wettbewerbsfreiheit sind. Sie scheinen davor zu
warnen, dass die Umsetzung schwerwiegender Rechtsmittel, lediglich aus Gründen der Effizienz,
den freien Wettbewerb verzerren könnte.
***
Gemäß dem belgischen Berichterstatter ist es schwierig, diese Vorschriften auf unlauteren
Wettbewerb anzuwenden. Die Standardvorschriften für eine Wiedergutmachung scheinen
auszureichen.
In Brasilien sind die in der Richtlinie 2004/48/EG enthaltenen Vorschriften bereits Teil des
Bürgerlichen Gesetzbuches, des Gewerberechtsgesetzes und des Verbrauchergesetzes. Den
brasilianischen Berichterstattern zufolge würde die wichtigste Verbesserung des Systems
unlauteren Wettbewerbs die Schaffung spezialisierter Gerichte für die Behandlung von Konflikten in
Bezug auf geistige Eigentumsrechte und in Bezug auf unlauteren Wettbewerb sein.
Die französische Gruppe ist der Ansicht, dass die in Richtlinie 2004/48/EG enthaltenen
Vorschriften entscheidend für die tatsächliche Sanktionierung unlauterer Geschäftspraktiken sind.
Das französische Recht beinhaltet bereits die gleichen Arten von Rechtsmitteln. Opfer unlauterer
kommerzieller Praktiken können folgendes geltend machen:
-
l’obtention, avant tout procès, de moyens de preuve, tels une expertise probatoire, à l’appui
d’un éventuel procès sur les faits dont pourrait dépendre la solution du litige ;
-
l’obtention en référé de mesures provisoires et conservatoires, et notamment la cessation des
agissements déloyaux, ordonnées avant toute décision au fond et éventuellement assorties
d’une astreinte ;
-
la condamnation pénale de l’auteur de l’infraction à une amende et/ou à une peine
d’emprisonnement ;
-
l’octroi de dommages et intérêts civils ;
-
la nullité des clauses ou contrats mettant en œuvre les pratiques commerciales déloyales ;
29
Siehe die Präambel von Richtlinie 2004/48/EG, Nr. 13.
23
-
une injonction au fond visant à interdire la poursuite des pratiques déloyales, éventuellement
assortie d’une astreinte ;
-
la publication du jugement, aux frais de l’auteur de l’infraction, dans la presse ;
-
la condamnation de l’auteur de l’infraction au paiement des frais de justice exposés par la
victime.
Einige Bestimmungen des deutschen UWG schützen Anstrengungen ähnlich der geistigen
Eigentumsrechte (Leistungsschutz). Allerdings ist der deutsche Gesetzgeber der Meinung, dass die
Rechtsmittel der Richtlinie nicht für das UWG gelten sollten. Das Gesetz gegen unlauteren
Wettbewerb wird daher von der Umsetzung der Richtlinie nicht beeinflusst.
Der italienische Berichterstatter erklärt, dass unlauteres Wettbewerbsverhalten in vielen Fällen
seine Wirkungen auf geistige Eigentumsrechte ausdehnt. Daher kann man sich auf die
Durchsetzung der Richtlinie sowie der nationalen Bestimmungen auf gleicher Basis in Fällen
unlauteren Wettbewerbs berufen. Er ist der Ansicht, dass es äußerst effizient sein würde,
Rechtsmittel gegen reine unlautere Geschäftspraktiken in Einklang mit den Bestimmungen der
Richtlinie zu bringen, selbst wenn besagte Praktiken keine Verstöße gegen geistige
Eigentumsrechte beinhalten.
In den Niederlanden stehen einem Kläger, der eine Klage gegen unlauteren Wettbewerb
einbringt, die standardmäßigen Rechtsmittel für Verschuldenshaftung gemäß Art. 6:162 BW zur
Verfügung. Er kann daher eine einstweilige Verfügung beantragen, gegebenenfalls in
Zusammenhang mit einem täglichen Verspätungszuschlag, und kann Schadenersatz geltend
machen30, oder er kann ein Feststellungsverfahren beantragen. In gewissen Fällen stehen spezielle
Rechtsmittel zur Verfügung, wie beispielsweise Richtigstellung, zwangsweise Veröffentlichung des
Urteils, Erklärung eines neuen rechtlichen Status, Produktrückruf 31, oder eine Klage auf
Unterbreitung von Anlagen. Darüber hinaus wird es in der nahen Zukunft die Möglichkeit einer
öffentlichen Durchsetzung von Bestimmungen über unlautere Geschäftspraktiken durch die
niederländische Verbraucherbehörde geben, und zwar in Fällen, in denen kollektive
Verbraucherinteressen betroffen sind, wie die niederländische Gruppe in ihren Antworten auf Frage
IV. hervorgehoben hat.
Obwohl das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb viele Ähnlichkeiten mit den verschiedenen
Gesetzen über geistiges Eigentumsrecht aufweist, sind die niederländischen Berichterstatter der
Meinung, dass diese Rechtsbereiche nicht vollständig gleichgestellt werden können. Geistige
Eigentumsrechte sind wie absolute und exklusive Rechte Monopole, die akribisch vom Gesetzgeber
geschaffen wurden. Jedes dieser geistigen Eigentumsrechte dient seiner eigenen Funktion, die
seine Ausnahme von der allgemeinen Regel der Handelsfreiheit rechtfertigt. Unterschiedlich zu
geistigen Eigentumsrechten ist unlauterer Wettbewerb kein absolutes und exklusives Recht. Die
niederländischen Berichterstatter sind der Meinung, dass dieser Unterschied berücksichtigt werden
sollte, wenn man die Wünschbarkeit und Möglichkeit diskutiert, die Rechtsmittel gegen unlautere
Geschäftspraktiken mit den Rechtsmitteln gegen Verletzungen der geistigen Eigentumsrechte
(Richtlinie 2004/48/EG über die Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte) in Einklang zu bringen.
Darüber hinaus glauben sie, dass die derzeitigen Rechtsmittel, die gemäß dem niederländischen
Recht (wie oben aufgelistet) zur Verfügung stehen, im Allgemeinen für einen Kläger, der eine
Wiedergutmachung unlauterer kommerzieller Praktiken erstrebt, ausreichen. Allerdings erachten
sie die Erweiterung dieser Rechtsmittel für möglicherweise sinnvoll, insbesondere um Unternehmen
von der Verübung unlauterer kommerzieller Praktiken abzuhalten. In dieser Hinsicht können einige
der in Richtlinie 2004/48/EG angeführten Rechtsmittel - zusätzlich zu den bereits bestehenden
nationalen Rechtsmitteln - effiziente Mittel zur Bekämpfung unlauterer kommerzieller Praktiken
sein.
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Der Kläger kann speziellen Schadenersatz geltend machen oder die Abtretung von Gewinnen beantragen,
vgl. Art. 6:104 BW, der besagt: “Wenn eine Person, die gegenüber einer anderen Person aufgrund einer
rechtswidrigen Handlung oder einem Versäumnis in der Erbringung einer Verpflichtung haftet, Gewinn
aus der Handlung oder Unterlassung generiert hat, kann das Gericht den Schadenersatz auf Anfrage dieser
anderen Person in der Höhe dieses Gewinnes oder eines Teils davon bewerten,"
Siehe z.B. President District Court Breda 28. Dezember 1990, IER 1991, Nr. 18, S. 43; President District
Court Rotterdam 16. März 1995, KG 1995, 171. Siehe auch Grosheide, F.W., Product recall bij
misleidende reclame, WPNR 1995, 6182, S. 333-335.
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Der spanische und tschechische Berichterstatter sind wie der niederländische Berichterstatter
der Ansicht, dass Rechtsmittel gegen unlautere Geschäftspraktiken in Einklang mit denjenigen
gemäß Richtlinie 2004/48/EG (Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte) gebracht werden sollten.
Der schwedische Berichterstatter ist der Ansicht, dass Verletzungen von geistigen
Eigentumsrechten und Verstöße gegen die Vorschriften über unlauteren Wettbewerb vor demselben
Gericht behandelt werden sollten, da sie sich häufig decken. Derzeit ist dies in Schweden nicht der
Fall. Er erachtet die Harmonisierung der Rechtsmittel für akzeptabel. Allerdings sollte ein Verstoß
gegen
geistige
Eigentumsrechte
keinen
Verwaltungsstrafen
unterliegen,
da
geistige
Eigentumsrechte ein Besitzinteresse schützen, das sich vom breiteren allgemeinen
Verbraucherinteresse unterscheidet.
Der Schweizer Berichterstatter begrüßt im Allgemeinen, dass Rechtsmittel gegen unlauteren
Wettbewerb und gegen Verletzungen geistiger Eigentumsrechte in Einklang gebracht werden. Im
Hinblick auf Schadenersatz hebt er hervor, dass dieser sehr schwer zu berechnen ist. Daher
plädiert er für die Erleichterung der Beweislast, vergleichbar mit derjenigen für dommages-intérêts
forfaitaires.
Die Umsetzung der Vollstreckungsrichtlinie in britisches Recht wurde durch ein gesetzliches
Instrument erreicht, das relativ geringfügige Veränderungen am britischen Verfahren anbrachte.
Abwälzung und die britischen Zivilprozess-Regeln haben zu den Rechtsmitteln geführt, die in der
Vollstreckungsrichtlinie seit vielen Jahren enthalten sind. In dem Ausmaß, in dem Abwälzung das
englische Recht gegen unlautere Geschäftspraktiken begründet, ist die Position in England, dass
dies bereits mit der Richtlinie abgeglichen wurde. Im Hinblick auf das allgemeine Prinzip, das dieser
Frage zugrunde liegt, sind wir der Ansicht, dass es angemessen ist, dass die Rechtsmittel in
Einklang mit der Vollstreckungsrichtlinie gebracht werden.
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