Geschichte der Oper Als Oper bezeichnet man ein dramatisches Bühnenwerk mit ganz oder überwiegend gesungenem Text. Als Oper bezeichnet man auch das Opernhaus, also das Gebäude, in dem Opern aufgeführt werden. Eine Oper gliedert sich in (ein bis zehn) verschiedene Akte, die wiederum aus mehreren Szenen oder Auftritten bestehen. Musikalische Teile der Oper sind die Ouvertüre, die Arie, die Cavatine, das Rezitativ (Recitativ) und das Ensemble vom Duett, Terzett, Quartett etc. bis hin zum abschließenden Finale mit Chören. Das Textbuch zu einer Oper heißt Libretto. Die Kunstform der Oper oder, wie man seit Wagner lieber sagt, des musikalischen Dramas, ist alt, stand bei den Griechen in hoher Blüte und ist vielleicht noch viel älter als die Blüte Griechenlands. Die Tragödien eines Aischylos, Sophokles, Euripides wurden musikalisch rezitiert, die Chöre waren unisone Gesänge; leider fehlt uns jeder Anhalt, um uns von dem musikalischen Ausbau dieser Werke einen Begriff zu machen, da nicht eine Zeile der Musik derselben erhalten ist. Da dramatische Aufführungen durch das ganze Mittelalter nichts Seltenes sind, so ist es nicht wunderbar, wenn wir zu verschiedenen Zeiten auch die Musik dabei mitwirkend finden, so in den Mysterien, die in der Gestalt der Passionsspiele bis ins 8. Jahrhundert zurückreicht; die Marienschauspiele kamen wohl im 12. Jahrhundert auf. Die dabei verwendete Musik war in der Hauptsache Gesang und zwar den Antiphonarien entnommener Kirchengesang; doch wurde auch Instrumentalmusik eingeschoben, wo die Handlung dazu Veranlassung gab. Eine weitergehende musikalische Ausgestaltung erfuhr das so genannte Schäferspiel (Pastorale), das besonders im 16. Jahrhundert zu großer Beliebtheit gelangte (allegorisierende Darstellungen antiker Sujets zu fürstlichen Vermählungen und anderen Hoffesten). Dieselben unterschieden sich von den ersten wirklichen Opern nur dadurch, dass sie im Madrigalienstil gesetzt waren und Rede und Gegenrede durch einzelne Personen von einem hinter der Bühne aufgestellten Chor abgesungen wurden. Als einer der ältesten Komponisten solcher Pastorales ist Alfonso della Viola bekannt, der für den Hof zu Ferrara schrieb ("Orbeche", 1541; "Il sacrificio", 1554; "Aretusa", 1563; "Lo sfortunato", 1557). Das allegorische Ballett war für ähnliche Zwecke bereits im 15. Jahrhundert beliebt. Das wirkliche musikalische Drama, dessen Wesenskern begleitete Einzelgesang (Monodie) ist, wurde auf rein theoretischem Wege konstruiert von einem Kreis gelehrter und fein gebildeter Männer, welche die hohe Kunstblüte des klassischen Altertums neu zu beleben gedachten. Die Wiege der Oper waren die Salons des Grafen Bardi zu Florenz. Eine Reaktion gegen die das Verständnis des Textes zuletzt völlig erstickende kontrapunktische Kunst der Niederländer war unausbleiblich und zeigte sich bereits in verschiedenartige Symptomen. Schon Iosquin, mehr aber Orlando Lasso und Palestrina wenden sich einem schlüchtern Satz wieder zu, und nicht nur in Rom, sondern auch in Venedig ging ein Abklärungsprozeß vor sich, welcher versprach, auch ohne eine gewaltsame Revolution die Kunst in neue Bahnen zu lenken (Giovanni Gabrieli). Dass diese letztere dennoch erfolgte, war weniger eine Naturnotwendigkeit als das Resultat philosophischen Räsonnements Graf Giovanni Bardi da Vernio, Vincenzo Galilei (der Vater Galileo Galileis), Pietro Strozzi, Girolomo Mai, Giambattista Doni, Ottavio Rinuceini, Iacopo Corsi u. a. waren die Männer, welche zwei talentvolle Musiker, Giulio Caccini und Iacopo Peri, dahin brachten, den Kampf mit dem Kontrapunkt aufzunehmen und eine neue Art Musik zu schaffen, die eine Wiederbelebung der antiken sein sollte, von der man damals noch weniger wußte als heute. Graf Bardi und Vincenzo Galilei gingen ihnen sogar mit dem ersten Beispiel voran. Die "neue Musik", welche sie fanden, war der begleitete einstimmige Gesang, die Monodie. Den Ansang machten Sonette und Kanzonen, bald folgten kleine dramatische Szenen (Intermezzi), und 1594 wurde im Haus Iacopo Corsis zum erstenmal eine wirkliche kleine Oper, "Dafne", gedichtet von Rinuccini, komponiert von Peri und Caccini, ausgeführt unter unendlichem Jubel, dass nun der dramatische Stil der Alten wiedergefunden sei. Der Quell der neuen Musik floß zunächst spärlich genug, denn erst 1600 hören wir wieder von neuen Musikdramen, Peris "Euridice" und Caccinis "Rapimento di Cefalo". Als aber Caccini 1602 einen Band monodischer Kompositionen in die Welt schickte, die berühmten "Nuove musiche", fing es überall an zu gären; es dauerte nicht lange, so hatte der monodische Stil auch seinen Vertreter in Rom (Kapsberger), wo übrigens ungefähr gleichzeitig mit den Florentinern Ludovico Viadana den begleiteten Sologesang für die Kirche gefunden (seine Kirchenkonzerte erschienen 1602) und Cavalieri die Kunstform des Oratoriums inauguriert hatte. Da Cavalieri 1600 bereits tot war, so ist sogar der Gedanke naheliegend, dass er der erste Komponist im neuen Stil war. Die Anfänge der Florentiner waren, entsprechend ihrem abstrakten Ursprung, dürr und dürftig. Caccini rühmt sich sogar in der Vorrede seiner "Nuove musiche" einer "edlen Verachtung des Gesanges" ("nobile sprezzatura del canto"), deren er sich befleißigte, d. h. der Stilo rappresentativo, wie man ihn nannte, mied zunächst geflissentlich eigentliche Melodiebildung, er wollte oder sollte nur natürliche musikalische Deklamation des Textes sein. Diese Reaktion zugunsten der Dichtung und im Gegensatz zum rein Musikalischen begegnet uns (mutatis mutandis) bei Gluck und Wagner wieder, welche sich beide in ähnlicher Weise dem Überwuchern des rein Musikalischen über das poetische Interesse entgegenstellten. Die von ganz anderen Gesichtspunkten ausgehenden Kirchenkomponisten Cavalieri und Viadana waren dagegen nicht bis zur Abtötung des musikalischen Fleisches gegangen, und auch auf dem Gebiet der dramatischen Komposition dauerte es gar nicht lange, dass der gesunde musikalische Sinn der Italiener die bloßen Schemen der Florentiner mit lebendigem Blut anfüllte. Den ersten großen Schritt tat Claudio Monteverdi in Venedig (gest. 1643), der erste Opernkomponist und Vater der Kunst der Instrumentation. Die Entwicklung des begleiteten Gesangs in der Kirche durch Cavalieri, Viadana und später Carissimi brachte mehr und mehr den neuen Stil zur Vollendung und führte der Oper neue Formen zu (Arie, Duett). Die bedeutendsten Geister. neben Monteverde waren Cavalli und Cesti; in zweiter Linie sind zu nennen: Zanobi di Gagliano, Legrenzi, Rovetta und Pallaviciui. Eine neue Epoche der Oper beginnt mit Alessandro Scarlatti (gest. 1725), dem Begründer der "neapolitanischen Schule". Von ihm nimmt die italienische Oper in dem Sinn, wie wir sie heute kennen, ihren Ausgang; das Zeitalter des bel canto beginnt, d. h. Caccinis edle Verachtung der Musik war vergessen, und die Melodie dominierte vollständig. Der Sänger wurde die Hauptperson einer neuen Oper, der Komponist diente gar bald dem Sänger. Diese Wandlung, welche die nächste Reaktion (durch Gluck) heraufbeschwor, war indes in ihren Anfängen, d. h. unter Scarlatti selbst und seinen nächsten Schülern Leo, Durante und Feo, selbst noch immer Reaktion zugunsten der berechtigten Ansprüche der Musik, welche erst in der Folge das Maß überschrilten.