Formalismus Hegel verwendet den Begriff Formalismus, um damit eine gewisse Richtung der derzeitigen Philosophie anzudeuten und zu kritisieren. Obwohl die Form für die Erkenntnis irgendwelchen Inhalts wesentlich ist und man nur durch den Verstand und dessen Formen zum vernünftigen Wissen gelangen kann, darf die Form nie einseitig, getrennt vom Inhalt oder von der Materie, auftreten, wie es in der die formale Logik reflektierenden Transzendentalphilosophie geschieht. Deswegen wird diese von Hegel auch wegen ihres Formalismus kritisiert. Im Allgemeinen ist Formalismus die „gestaltlose Wiederholung des Einen und Desselben, das nur an das verschiedene Material äußerlich angewendet ist, und einen langweiligen Schein der Verständigkeit erhält“ (GW 9, 16-7). Der Formalismus wiederholt also dieselbe, unwandelbare Formel immer wieder, indem er dasselbe Schema (z.B. die Potenzenverhältnisse oder These, Antithese, Synthese!) jedes Mal auf verschiedenes Material anwendet, um dieses zu ordnen. Diese eintönige Verfahrensweise versenkt schließlich alles Bestimmte im ‚Abgrund des Leeren’ und führt zu einem Wissen, nach welchem „im Absoluten Alles gleich ist“, und das bestrebt ist, sich „der unterscheidenden und erfüllten oder Erfüllung suchenden und fodernden Erkenntnis entgegenzusetzen, - oder sein Absolutes für die Nacht auszugeben, worin […] alle Kühe schwarz sind“, womit Hegel die Philosophie Schellings aufs Korn nimmt (GW 9, 17; vgl. auch GW 12, 247). Obwohl er das Wort ‚Formalismus’ in den JKS nur relativ selten verwendet, ist es klar, dass Hegel sich mit seiner Kritik des „Princip[s] einer Philosophie in der Form eines absoluten Grundsatzes“ (GW 4, 23) gegen den Formalismus von Fichtes Wissenschaftslehre (1794) und Reinholds Beyträgen (1801) wendet. Im Vergleich zur Phän betont Hegel hier einen anderen Aspekt des Formalismus, nämlich dass er von einem unüberwindlichen Gegensatz gekennzeichnet ist: Der Formalismus denkt das Ich nur als eine reine Identität, so dass es eine unendliche Nicht-Identität der empirischen Mannigfaltigkeit gegenüber sich hat. Aus diesem Grund kritisiert Hegel in GuW den Formalismus Kants: Kant reduziere die absolute, synthetische Einheit, wie sie z.B. in der transzendentalen Einheit der Apperzeption zum Ausdruck kam, zu einer formalen, reinen Identität, weil darin von der Entgegensetzung oder der Nicht-Identität abstrahiert wird, wie z.B. aus dem Gegensatz zwischen Erscheinung und Ding an sich und zwischen der formalen Identität der autonom handelnden, praktischen Vernunft und der Notwendigkeit und Heteronomie der sinnlichen Welt hervorgeht (GW 4, 331, 344). Ein ähnlicher Formalismus kennzeichnet die Philosophie Jacobis und Fichtes; „[d]as Wesentliche desselben ist, daß der reine Begriff, das leere Denken zu einem Innhalt, einer Bestimmtheit des Begriffs, oder umgekehrt, die Bestimmtheit zu der Unbestimmtheit auf eine unbegreiffliche Weise hinzutritt“ (GW 4, 389). Im NR kritisiert Hegel aus gleichem Grund den Formalismus der positiven Rechtswissenschaften: „dieser zerreißt die Anschauung und ihre Identität des Allgemeinen und Besondern, stellt die Abstractionen des Allgemeinen und Besondern einander gegenüber, und was er aus jener Leerheit ausschließen kann, aber unter die Abstraction der Besonderheit subsumiren kann, gilt ihm für positives“ (GW 4, 478). Peter Jonkers