LEITFADEN FÜR MARKETING ALPINER SCHUTZHÜTTEN ÖSTERREICHISCHER ALPENVEREIN REFERAT HÜTTEN & WEGE 6010 INNSBRUCK 1. EINLEITUNG ...........................................................................................................................................3 2. MARKETING – EINE BEGRIFFSABGRENZUNG..................................................................................4 3. VON ZUFRIEDENHEIT UND BEGEISTERUNG.....................................................................................5 4. ANALYSEN UND INFORMATIONEN.....................................................................................................7 5. SEGMENTIERUNG .................................................................................................................................9 6. POSITIONIERUNG................................................................................................................................10 7. DER MARKETING-MIX .........................................................................................................................11 8. DER MARKETING-PLAN......................................................................................................................16 9. LITERATUREMPFEHLUNGEN ............................................................................................................19 2 1. Einleitung Um neben einer professionellen Administration der Schutzhütten auch eine professionelle Vermarktung zu unterstützen, hat das Referat Hütten & Wege des Österreichischen Alpenvereins eine Diplomarbeit zum Thema „Marketing und Schutzhütten“ vergeben. Im Zuge dieser Diplomarbeit wurde versucht, die für die Schutzhütten relevanten Themenbereiche des Marketings zu erarbeiten. Dieser Leitfaden stellt eine vereinfachte und verkürzte Form dieser Arbeit dar und soll den hüttenverantwortlichen Personen in den Sektionen aber vor allem den Hüttenpächtern als Orientierungshilfe dienen. Nicht nur für die Hoteliers in den touristischen Zentren unseres Landes, sondern auch für die Schutzhütten des Österreichischen Alpenvereins ist es unerlässlich, auf die sich schnell verändernden Gegebenheiten auf den Tourismusmärkten zu reagieren. Mit den fast 12.000 Schlafplätzen sowie dem betreuten Wegenetz stellen die Schutzhütten des Österreichischen Alpenvereins eine respektable Größe im touristischen Angebot der Alpenrepublik dar. Jede der 241 Schutzhütten sieht sich einer anderen Ausgangssituation gegenüber. Unterschiede in der Größe, der Lage sowie der Art und Qualität der vorhandenen Infrastruktur machen es schwierig, allgemein gültige Empfehlungen abzugeben. Trotzdem sind neben all den Unterschieden auch Gemeinsamkeiten zu finden, die eine undifferenzierte Betrachtung der Sache erlauben. Ziel des vorliegenden Leitfadens ist es, die wichtigsten Bereiche des Marketings zu erklären. Dabei liegt es an der Komplexität der Sache, dass hier nur eine erste Annäherung an das Thema geboten werden kann. In einem ersten Schritt wird erklärt, was unter Marketing verstanden werden kann und warum dessen Anwendung notwendig ist. In weiterer Folge soll erörtert werden, warum zufriedene bzw. begeisterte Gäste eine wichtige Voraussetzung für ein erfolgreiches Unternehmen sind. Im Anschluss daran wird die Gewinnung der notwendigen Ausgangsinformationen veranschaulicht, bevor konkrete Maßnahmen in den Bereichen Produkt- und Kommunikationspolitik beschrieben sind. Mit der Skizzierung eines Marketing-Plans endet der Leitfaden. 3 2. Marketing – Eine Begriffsabgrenzung Sehr häufig wird der Begriff „Marketing“ mit Werbung im Sinne von Annoncen-Schalten gleichgesetzt und bei so manchem Unternehmer schrillen die Alarmglocken, da er damit in erster Linie Kosten verbindet. Unter modernem Marketing ist jedoch etwas völlig anderes zu verstehen. Zum einen stellt Marketing eine Managementaufgabe dar. Es sind Entscheidungen darüber zu treffen welche Mittel wofür eingesetzt werden. Zum anderen ist Marketing aber auch eine Denkweise, die alle betrieblichen Aktivitäten auf die momentanen und zukünftigen Märkte des Unternehmens ausrichtet. Unter dem Begriff Markt sind in diesem Zusammenhang neben den Gästen auch die Wettbewerber und die sich ändernde Umwelt zu verstehen. Vereinfacht formuliert, ist das Zentrum des Marketinggedankens darin zu sehen, Kundenwünsche zu befriedigen. Marketing ist sozusagen mehr als die Summe der einzelnen Teile. Im heutigen Sinne verstanden, ist es eine systematische Führung des Unternehmens vom Markt her, die darauf abzielt, den Unternehmenserfolg dadurch zu verbessern, indem Kundenwünsche konsequent erfüllt werden. Um der Forderung gerecht zu werden, alle betrieblichen Aktivitäten am Markt auszurichten, bedarf es einer Herangehensweise mit System. Dies erfolgt in Form der so genannten Marketing-Konzeption. Darunter ist ein Handlungsplan im Sinne eines „Fahrplans“ zu verstehen. ZIELEBENE Wo wollen wir hin? STRATEGIEEBENE Wie kommen wir dahin? MIXEBENE Was müssen wir dafür einsetzen? Die Zielebene ist demzufolge dem „Wunschort“ gleichzusetzen, die Strategieebene entspricht den gewählten „Routen“ und die Mixebene kann als „Beförderungsmittel“ bezeichnet werden. 4 3. Von Zufriedenheit und Begeisterung Wie schon beschrieben, versteht sich Marketing als eine Unternehmensphilosophie, die Kundenwünsche befriedigt, also zufriedene Kunden zum Ziel hat. Um Gäste zufrieden zu stellen muss in einem ersten Schritt geklärt werden, was der Gast vom Aufenthalt auf einer Schutzhütte erwartet. Bei der Beantwortung dieser Frage lassen sich drei Ebenen unterscheiden: Basisfaktoren stellen jene Leistungen dar, die der Gast grundsätzlich erwartet. Dazu gehören ein solides gastronomisches Angebot, das Vorhandensein von Sanitäranlagen oder von Schlafplätzen. Um zufriedene Gäste zu haben, ist es erforderlich, dass neben diesen Basisfaktoren so genannte Leistungsfaktoren geboten werden. Darunter sind all jene Leistungen zu verstehen, die unter dem Begriff „Erwünschtes“ zusammengefasst werden können. Ein Trockenraum, genügend Duschen oder ein gut beschildertes Wegenetz sind in diesem Zusammenhang genannt werden. Ein dritter Typus von Leistung wird als Begeisterungsfaktor bezeichnet. Dabei handelt es sich um Leistungen, die der Gast nicht erwartet oder die seine Vorstellungen noch übertreffen. Begeisterungsfaktoren Das Unerwartete Leistungsfaktoren Das Erwünschte Basisfaktoren Das Erwartete Begeisterte Gäste zeichnen sich dadurch aus, dass sie weniger preissensibel sind, gerne wiederkommen und anderen möglichen Gästen über ihre guten Erfahrungen berichten, also Marketing in Form von Mund-zu-Mund Propaganda betreiben. Im Zusammenhang mit der Kundenzufriedenheit ist ein weiterer Aspekt nicht zu vernachlässigen. Untersuchungen haben gezeigt, dass es drei Typen von „Zufriedenen“ gibt: 5 • Typ 1: der „resignierte“ Zufriedene 10% der zufriedenen Gäste gehören dieser Kategorie Gast an. Man hat sich der Situation angepasst, und steht dem Gebotenen mit der Einstellung: „Mehr kann man nicht erwarten“ gegenüber. • Typ 2: der „stabile“ Zufriedene Etwa die Hälfte aller Zufriedenen sind diesem Typus zuzuschreiben. Das Gefühl nach Beständigkeit und Vertrauen äußert sich nach dem Motto: „Es soll alles so bleiben wie es ist“. • Typ 3: der „fordernde“ Zufriedene Beachtliche 40% der Zufriedenen sind diesem Typus Gast zuzuschreiben. Optimismus und Zuversicht im Sinne von „Die müssen in Zukunft mit mir Schritt halten“ beschreiben seine Sichtweise der Dinge. Die Tatsache, dass beispielsweise 90% der Gäste mit dem Angebot zufrieden sind, bedeutet außerdem, dass 10% Prozent damit nicht zufrieden sind. Man geht davon aus, dass ca. 3% der Gäste nicht zufrieden zu stellen sind. Es bleiben also noch immer 7% unzufriedene Gäste. Bei 5.000 Gästen pro Saison würde das immerhin 350 unzufriedene Gäste ergeben. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein unzufriedener Gast im Schnitt 9 Personen von seiner Negativ-Erfahrung berichtet, sind also in Summe 3.150 negative Botschaften. Die Quote der Berichterstattung bei einem positiven Erlebnis ist leider nicht so hoch. Elberfelder Hütte 6 4. Analysen und Informationen Wie alle betrieblichen Entscheidungen müssen auch jene die das Marketing betreffen auf „richtigen“ Informationen basieren. Dazu ist es notwendig, sich nicht nur über die Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens klar zu sein, sondern auch die angebotenen Produkte, die Gäste sowie die Werbemaßnahmen, die bisher durchgeführt wurden, sind zu analysieren. Im Rahmen der so genannten SWOT – Analyse (Strengths – Weaknesses – Opportunities – Threats) werden die Stärken und Schwächen des Unternehmens sowie die Möglichkeiten und Gefahren der Unternehmensumwelt genauer hinterfragt. In großen Unternehmen erfolgt diese Art der Analyse sehr ausführlich. In kleineren Unternehmen, wie etwa einer Schutzhütte, kann dies in einem ersten Schritt durchaus auch gedanklich erfolgen. Motivierte Mitarbeiter, überschaubare Betriebsabläufe, eine gute Kostenstruktur oder ein individuelles Profil könnten dabei als Stärken erkannt werden. Ein fehlendes strategisches Marketingkonzept, ein schlechter Standort oder eine schlechte Eigenkapitaldeckung würde man zu den Schwächen des eigenen Unternehmens zählen. Während sich die Stärken und Schwächen auf das eigene Unternehmen konzentrieren, beschreiben Möglichkeiten und Gefahren die Umweltsituation. Neu entstehende Netzwerkplattformen, Trends, die das eigene Produkt begünstigen oder Gesetzesänderungen, die die eigene Situation verbessern stellen Chancen und Möglichkeiten für ein Unternehmen dar. Potentielle Gefahren wie etwa gestrichene Subventionen oder schlechte Medienberichte über die eigene Branche bedrohen es auf der anderen Seite. Auch vereinsinterne Veränderungen würden zum Bereich Möglichkeiten und Gefahren zählen. Je genauer die Informationen sind, die dieser Analyse zugrunde liegen, desto besser. Als Ergebnis erhält man so, nach Wichtigkeit geordnet, eine Art Aktions-Liste. Der erste Schritt in Richtung konzeptionellem Vorgehen ist somit getan. 7 Die auf diese Art gewonnenen Erkenntnisse dienen auch dazu, die strategischen Wettbewerbsvorteile der eigenen Hütte zu identifizieren. Das ist deshalb wichtig, da das Vorhandensein eines solches Vorteils als Grundlage für das Erreichen der Unternehmensziele und somit auch als Ansatzpunkt für das Marketing gilt. Gesucht sind Fähigkeiten, die das eigene Unternehmen von der Konkurrenz abhebt. Die zentrale Frage in diesem Zusammenhang lautet: Was unterscheidet die eigene Schutzhütte von den anderen? Als Antwort, und somit als strategisch wertvoll bzw. als Wettbewerbsvorteil gilt nur jenes Merkmal, das auch vom Gaste als wichtig und wesentlich wahrgenommen wird. Um mehr Informationen zu erhalten, ist Marktforschung gefragt, die nicht unbedingt mit hohen Kosten verbunden ist. Gerade die Gastronomie erlaubt den direkten Kontakt mit dem Gast. Als einfachste Form der Marktforschung ist das Gespräch zu nennen. Einen Stammgast zu fragen, warum er hierher kommt, was ihm besonders gefällt oder was er ganz und gar nicht aushalten kann, kostet im schlimmsten Fall ein „Schnapserl“ oder einen Kaffee. Profis werden aber auch nicht davor zurückschrecken, einen kurzen Fragebogen zu erstellen. • Persönliche Daten Name, Vorname (optional) PLZ Anschrift (optional) • Beruf Geschlecht Anzahl der Kinder Unternehmensspezifische Fragen Wie beurteilen Sie unser Servicepersonal (1 – 5) hinsichtlich Freundlichkeit… Erscheinungsbild… etc. … Wie gefällt Ihnen die Hütte? (1 – 5) Eingangsbereich… Stube… Sanitäranlagen… Wie beurteilen Sie unsere Speisekarte? (1 – 5) Umfang… Auswahl… Preis/Leistung… Qualität… Wann und wie haben Sie uns das erst Mal wahrgenommen? Werbung Freunde Homepage Andere… • Tipps/Anmerkungen …………………………………………………………………………….. …………………………………………………….……………………….. Karte zur Kundenbefragung Die Auswertung eines solchen Fragebogens am Ende der Saison ist einfach durchzuführen, beinhaltet aber je nach Fragestellung wesentliche Informationen. Wer sind die Kernzielgruppen der Hütte? Wie kann man sie erreichen? Wie reisen sie an? Das sind nur einige Fragen, die beantwortet werden können. 8 5. Segmentierung Der Tourismusmarkt besteht aus den unterschiedlichsten Typen von Käufern. Obwohl die meist exponierte Lage einer Schutzhütte schon sehr viele potentielle Gäste ausschließt, muss der Pächter trotzdem eine Aussage darüber treffen können, welche Gäste am besten dazu geeignet sind, ihn bei der Erreichung seiner unternehmerischen Ziele zu unterstützen. Die Einteilung des Marktes in Gäste mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Charakteristiken und Verhalten wird als Marktsegmentierung bezeichnet. Die Segmentierung muss so vorgenommen werden, dass dabei Marktsegmente entstehen, die in ähnlicher Weise auf die unterschiedlichen Marketinganreize reagieren. Die häufigste und einfachste Segmentierung erfolgt nach geografischen Kriterien. Dabei kann zwischen Nationalitäten, Bundesländern, Städten oder Bezirken unterschieden werden. Der Vorteil dieser Segmentierungsmöglichkeit liegt in der relativ kostengünstigen Datenbeschaffung. Außerdem begünstigt eine geografische Segmentierung den regionalen Einsatz des Marketinginstrumentariums. Ein weiterer Vorteil ist darin zu sehen, dass diese Art von Segmentierung sehr gut dazu geeignet ist, sie mit anderen Merkmalen zu kombinieren. Die Segmentierung nach demographischen Merkmalen basiert auf dem Alter und dem Geschlecht, dem Einkommen oder etwa dem Bildungsstand des Gastes. Auch ob er mit Frau, Kindern oder Hund unterwegs ist, wird diesem Typus von Merkmalen zugerechnet. Eine dritte Segmentierungsmöglichkeit stellt die Unterteilung nach so genannten psychographische Merkmale dar. Während die soziale Klassenzugehörigkeit für die Schutzhütte vielleicht von untergeordneter Bedeutung ist, sind Status und Lebensstil sicher zwei Faktoren, die in diesem Zusammenhang von Interesse sein können. Um eine Verbindung zwischen Marktsegmentierung und Marktbearbeitung herzustellen, sollen sich die Segmentierungskriterien als Ansatzpunkt für Marketinginstrumente eignen. Dies ist dann der Fall, wenn die gewählten Segmente im Rahmen der Kommunikations- bzw. Distributionskanäle des Unternehmens zugänglich sind. Der Nutzen, der durch die Marktsegmentierung entsteht, muss sich nicht unbedingt in Geld widerspiegeln. Auch eine gute Marktposition kann ein angestrebtes Ziel sein. Die für die Segmentierung notwendigen Informationen können ebenfalls über einen Fragebogen ermittelt werden. Die grundlegendsten Informationen könnten auch dem Hüttenbuch entnommen werden (Herkunft, Geschlecht, AV-Mitglied, Geplante Route, etc.). 9 6. Positionierung Im vorherigen Kapitel wurde beschrieben, nach welchen Kriterien einzelnen Marktsegmente ausgewählt werden können. Man hat sich nach sorgfältiger Situationsanalyse beispielsweise für den Wanderer mit Familie entschieden, der vorwiegend aus dem bayrischen Raum kommt. Auf Grund des Klettergartens hinter der Schutzhütte möchte der Hüttenpächter als weiteres Segment die kletterbegeisterte Jugend aus der näheren Umgebung bedienen. Im Rahmen der Positionierung geht es nun darum, sowohl dem bayrischen Wanderer als auch dem einheimischen Jugendlichen zu vermitteln, wofür das eigene Unternehmen steht. Dies kann mit einem einzigen Wort, einem Bild oder einer Redewendung zum Ausdruck gebracht werden. Die Kernbotschaft sollte sein: „Das sind wir und du bist genau der Gast, der bei uns richtig ist!“ Diese Aussage zeigt, dass die Positionierung eine Entscheidung darstellt, die im Unternehmen bewusst gefällt werden muss. Wer „wir“ sind und wer „genau der Gast ist, der bei uns richtig ist“, ist eine Entscheidung, die der einzelne Hüttenpächter zu treffen hat. Im Mittelpunkt steht dabei jenes Merkmal, welches einen von der Konkurrenz unterscheidet. Im Idealfall ist das jener Eingangs erwähnte einzigartige Wettbewerbsvorteil. Das Ziel der Positionierung besteht darin, die eigene Dienstleistung in den Köpfen der Gäste zu platzieren. Durch jede Handlung, die das Unternehmen dabei setzt (eine Werbebotschaft, eine Preisänderung, etc.), werden - beabsichtigt oder unbeabsichtigt Botschaften an die Zielgruppe übermittelt. Aus der Summe aller Botschaften, die in den Köpfen vorhanden sind, resultiert die Positionierung des Unternehmens. Es lohnt sich daher, sehr genau darüber nachzudenken, was kommuniziert wird, denn letztendlich entscheidet es auch darüber, wie man sich positioniert. Edmund-Graf-Hütte 10 7. Der Marketing-Mix Eingangs wurde Marketing als Denkstil beschrieben, der darauf abzielt, alle Aktivitäten auf die zukünftigen und bestehenden Märkte auszurichten. Dies erfolgt im Rahmen der strategischen Unternehmensplanung durch die Identifikation von Kernkompetenzen und strategischen Wettbewerbsvorteilen, sowie in der Positionierung des Unternehmens bzw. der Dienstleistung am Markt. Die operativen Stellhebel des Marketings können im Wesentlichen in vier Teilbereiche unterteilt werden, die ihre volle Wirkung erst dann entfalten, wenn sie aufeinander abgestimmt zum Einsatz kommen. Die Instrumente des Marketings, die Produktpolitik, die Preispolitik, die Kommunikationspolitik und die Distributionspolitik, ergeben den so genannten Marketing-Mix. Die Bereiche Produkt- und Kommunikationspolitik werden im Folgenden näher behandelt. 7.1. Produktpolitik Im Konsumgüterbereich befasst sich die Produktpolitik mit allen Gütern und Dienstleistungen, die ein Unternehmen herstellt und anbietet. Zwar werden im Tourismus sehr häufig ebenfalls Dienstleistungen angeboten, gekauft werden jedoch die Erwartungen, die mit dieser Dienstleistung verbunden werden. Wie in der folgenden Abbildung dargestellt, unterteilt sich auch das Produkt Schutzhütte in einen materiellen Teil und in einen immateriellen Teil der Leistung. ANGEBOT SCHUTZHÜTTE materielle Leistungen (Schlafplatz, Essen, Trinken,...) immaterielle Leistungen (Service, Atmosphäre, Gemütlichkeit, Erlebnis...) • abstrakt, subjektiv bewertbar • keine vorherige Überprüfungsmöglichkeit des Gastes • passiv aufnahmefähig • imagebildende Faktoren wirken langsam • realistisch, objektivierbar • vergleichbar, messbar • transparentes Preis-Leistungsverhältnis • kurzfristige Wirkung führen zum Kaufentschluss des Gastes Abbildung in Anlehnung an Schätzing, E. (1996) 11 Die materielle Leistung, auch als Kernleistung bezeichnet, wird in vielen Schutzhütten entlang des Alpenbogens offeriert. Für den Gast relativ einfach vergleichbar und an Hand des Preis-Leistungsverhältnisses bewertbar, wird der Grundnutzen des Gastes befriedigt. Die Profilierung der Leistung gelingt sehr häufig über die zweite, die immaterielle Ebene, die auch als Zusatznutzen bezeichnet wird. Besagter Zusatznutzen kann auf unterschiedliche Art und Weise vom Gast wahrgenommen werden: in der Positionierung der Leistung, im Einsatz von besonders gutem Personal oder aber in der Qualität der gebotenen Leistung. Grünangerhütte 7.2. Kommunikationspolitik Im Rahmen der Kommunikationspolitik geht es darum, dass ein „Sender“ eine „Nachricht“ einem „Empfänger“ übermittelt. Dieses Grundprinzip gilt auch für den Tourismus. Vereinfacht dargestellt muss sich die Kommunikationspolitik eines Unternehmens damit auseinandersetzten folgende Fragen zu beantworten: • Wer (Kommunikator, Quelle) • sagt was (Botschaft, Message) • in welcher Situation (Umfeldbedingungen) • zu wem (Empfänger) • über welche Kanäle (Kommunikationsweg, Medien) • mit welchen Wirkungen (Kommunikationserfolg, Effekt)? Da es dem Gast nicht möglich ist, die Qualität der einzelnen Schutzhütte im Vorfeld auszuprobieren, ist er auf Informationen seitens der Schutzhütte angewiesen. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem so genannten Vertrauenskauf. Es ist Aufgabe der 12 Kommunikationspolitik, dem Gast zu vermitteln, was ihn bei seinem Besuch erwartet. Im Zuge dessen trägt die Kommunikation dazu bei, Vertrauen und Image zu bilden. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, steht eine Vielzahl von Instrumente zur Verfügung. Die einzelnen Instrumente können einem der drei Bereiche Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und Verkaufsförderung zugeordnet werden. Daneben existieren noch eine Reihe weiterer Instrumente, die nicht unter diese Einteilung fallen. Dazu zählen unter anderen das Sponsoring, das Event Marketing oder das Produkt-Placement. Ausgewählte Instrumente der Kommunikation Im Lauf der Zeit sind die Instrumente der Kommunikation immer wieder erweitert worden. Es würde den Rahmen dieses Leitfadens sprengen, jedes einzelne Instrument detailliert zu beschreiben. Deshalb wurde eine Auswahl getroffen und jene Instrumente kurz beschrieben, die besonders geeignet scheinen, mögliche kommunikationspolitische Ziele einer Schutzhütte zu erreichen. Werbung Werbung, verstanden als Mediawerbung, ist das bekannteste Kommunikationsinstrument. Dabei wird zwischen der Werbung in Insertionsmedien, also Zeitungen sowie Publikums- und Fachzeitschriften, der Außenwerbung, Werbung in elektronischen Medien, wie beispielsweise Fernsehen, Kino oder Internet, unterschieden. Werbung adressiert die breite Masse, weshalb ihr in erster Linie eine Informationsfunktion zuzuschreiben ist. Sie soll den Gast dabei unterstützen, einen Überblick über die Marktsituation zu erlangen. Gleichzeitig zielt Werbung aber auch darauf ab, ein spezielles Image für ein Produkt oder ein Unternehmen zu erzeugen. Als Auslöser für eine Kaufentscheidung, also der Entscheidung die Schutzhütte zu besuchen, fungiert Werbung nur in Abstimmung mit den anderen Instrumenten des Marketings. Um im medialen Sumpf mit der eigenen Botschaft nicht unter zu gehen und möglichst wenig Streuverluste hinzunehmen, ist die Kenntnis darüber, welches Medium die Kernzielgruppe liest entscheidend. Für Schutzhütten scheinen hier vor allem Special Interset Zeitschriften interessant. Wesentlich kostengünstiger offerieren die vereinseigenen Medien. Eine weitere Möglichkeit eine große Zahl von Personen zu erreichen stellt etwa eine Bannerwerbung auf einer lokalen Homepages dar. 13 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) Im Unterschied zu anderen Kommunikationsinstrumenten hat die Öffentlichkeitsarbeit keine direkte wirtschaftliche Zielsetzung. Public Relations hat die Änderung von Einstellungen gegenüber dem Unternehmen zum Ziel. Dabei bedient sie sich sachlicher Argumente, die über ein Massenmedium, beispielsweise eine Zeitung, kommuniziert werden können. Die Adressaten der Öffentlichkeitsarbeit sind vor allem Meinungsbildner wie etwa Journalisten. Da die Öffentlichkeitsarbeit auf die Bildung eines Images abzielt, ist sie langfristig ausgerichtet. Vor allem in schwierigen Situationen kann glaubwürdige Public Relations helfen, Krisen besser zu bewältigen. Grundvoraussetzung dafür sind Ehrlichkeit und Offenheit. Das klassische Instrument der Öffentlichkeitsarbeit ist die Presse- und Medienarbeit in Form von Pressemitteilungen, Pressekonferenzen und Informationsmappen. Auf Grund der Fülle des täglichen Informationsangebotes, ist erfolgreiche Pressearbeit sehr eng mit einem guten Verhältnis zu Journalisten verbunden. Die Chancen auf die Abbildung der eigenen Botschaft erhöht sich, je aktueller, präziser und origineller sie ist. Grundvoraussetzung für eine sachliche und lenkbare Öffentlichkeitsarbeit ist die aktiv betriebene Kommunikation des Unternehmens. Event-Marketing Das Wort „Event“ ist in den letzten Jahren sicherlich inflationär verwendet worden. Es wurden Veranstaltungen als Event angekündigt, die mit dem eigentlichen Charakter dieses Kommunikationsinstruments wenig gemein haben. Ein Event ist eine Veranstaltung, die ein einmaliges emotionales Erlebnis darstellt und dadurch versucht, die Einstellungen ihrer Besucher gegenüber dem Unternehmen zu ändern. Dies wird dadurch erreicht, indem man die Kernbotschaft durch direkt erlebbare emotionale und physische Reize übermittelt. Events haben keinen Verkaufscharakter. Im Zentrum steht die Emotionalisierung und Einbindung der Besucher in die Unternehmenswelt. Events sind auf Zielgruppen ausgerichtet und weisen eine hohe Kontaktintensität zwischen Unternehmen und Bezugsgruppe, aber auch zwischen den Teilnehmern untereinander auf. Die Grundlage dieser Beziehung stellt ein gemeinsames Erlebnis dar. Die Interaktivität von Events kann sich auf die Veranstaltung selbst beziehen oder auf Interaktion zwischen den Teilnehmern. Das Unternehmen hat die Möglichkeit im direkten Kontakt mit den Bezugsgruppen die eigene Glaubwürdigkeit zu 14 intensivieren und kann gleichzeitig dem Bedürfnis nach Kommunikation nachkommen. Ein Event ist immer auch einzigartig, da es im Grunde unwiederholbar ist. Die Arbeit mit Events ist nicht ohne Vorsicht zu genießen, da sie nicht nur aufwendig, sondern auch immer mit einem gewissen Risiko behaftet sind. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Events sehr stark wirken, also auch negative Erlebnisse sehr tief verwurzelt werden. Aus diesem Grund ist genau zu prüfen, welche Zielsetzung im Rahmen eines Events erreicht werden soll und kann. Wie alle Themen, die mit Urlaub und Freizeit in Verbindung gebracht werden, ist auch der Bergurlaub voll von Emotion. Events würden sich daher gut als Kommunikationsinstrument für eine Schutzhütte eignen. Natürlich ist in diesem Zusammenhang darauf zu achten, dass keine Überbeanspruchung von Natur und Umwelt stattfindet, aber ein Event kann, richtig inszeniert, auch ruhig und gesittet von Statten gehen. Linzer Tauplitz Haus 15 8. Der Marketing-Plan Wie schon Eingangs erwähnt, ist es wichtig, dass die Anwendung von Marketing mit System erfolgt. Um dies zu gewährleisten, werden die langfristigen Marketingstrategien kurzfristig in einem jährlichen Marketingplan erfasst. Ein solcher Plan vereinfacht das Marketing, indem er die Ist-Situation darstellt, die Soll-Situation beschreibt und die Wege dorthin aufzeigt. Bei der Entwicklung eines solchen Plans sind folgende sechs Schritte zu berücksichtigen (Beispiele für den jeweiligen Punkt): • Informationsbeschaffung und –auswertung Am Anfang jedes Marketings steht die Marktforschung. Nachfrage, Konkurrenz und Produktund Angebotsanalyse stellen die wichtigsten Teilbereiche der Marktforschung dar. 9 Wie entwickelt sich der Tourismus in Europa, Österreich, meinem Bundesland? 9 Sind Veränderungen im Gästeverhalten feststellbar (Buchungszeitpunkt, Preissensibilität, Verschiebung der Herkunftsmärkte…)? 9 Was bietet meine Schutzhütte im Vergleich zur Konkurrenz? 9 Was kann ich besonders gut/ Was kann ich überhaupt nicht? • Prognose der kurz-, mittel- und langfristigen Marktentwicklung Die gewonnenen Informationen erlauben eine Prognose der Marktentwicklung. Vor allem die eigenen Marktchancen und Risiken sind zu erkennen. Marktvorsprünge entstehen meist durch außerordentliche Marketingideen. Hierbei sind auch die Mitarbeiter mit einzubeziehen. 9 Genereller Megatrend Wellness, also steigendes Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung. 9 Steigendes Kommunikationsbedürfnis der Menschen. 9 Immer mehr Gäste sind auch im höheren Alter reiseaktiv. 9 Klettersteige erleben einen momentanen Aufschwung. 9 etc. 16 • Formulierung und Koordination der Marketingziele Hier beginnt die eigentliche Marketingplanung. Ziele müssen so formuliert werden, dass sie einerseits motivieren, andererseits aber realistisch sind. Es werden Prioritäten gesetzt und in einer Rangordnung in Haupt- und Nebenziele unterteilt. Als übergeordnete Marketingziele gelten zum Beispiel die Verbesserung des Qualitätsstandards, Saisonerweiterungsziele, die Verbesserung von Image und Bekanntheitsgrad oder die Erreichung neuer Gästezielgruppen. 9 Hütte soll bekannter werden für das hervorragende Essen. 9 Erfolgreichste Schutzhütte in der Sektion/ im Bezirk/ im Tal. 9 10% Umsatzsteigerung. 9 15% mehr Wochenendausflügler aus Innsbruck u. Umgebung. 9 20% mehr Gäste aus der Schweiz. 9 Steigerung der Bekanntheit im südbayrischen Raum. • Optimierung der Marketingstrategien (Marketingmix) Um die langfristigen Marketingstrategien zu verwirklichen, muss eine unverwechselbare Unternehmensidentität in Form eines eindeutigen, widerspruchsfreien Marktverhaltens entstehen. Die Marketinginstrumente Produktpolitik, Preispolitik und Distributionspolitik sowie die kommunikativen Instrumenten sind dem entsprechend miteinander zu verknüpfen. 9 Konzentration auf Mediawerbung u. Public Relations. 9 Saisoneröffnung und Saisonabschluss mittels Event 9 Kinderspielplatz soll Wochenendausflügler anziehen. 9 Kletterwochenende als Package buchbar. 9 Internetauftritt auf der Hüttenhomepage des OeAV wird professionalisiert. 9 Werbekooperation mit den drei Nachbarhütten. • Flexible Maßnahmentaktik und Durchführung des Marketingplans Bevor die langfristigen Marketingstrategien in einen konkreten Marketingplan übersetzt werden, muss das Marketingbudget festgeschrieben und verteilt werden. Dies sollte nicht auf Basis des Vorjahresumsatzes erfolgen sondern an Hand der geplanten Marketingziele geschehen. Eine Reserve für eventuelle Sonderaktionen kann hilfreich sein. 17 Unter folgenden Überschriften könnten die einzelnen Maßnahmen im Marketingplan zu finden sein: o Zielsetzung (Warum?) o Maßnahmen (Was?) o Zeitraum (Wann?) o Durchführung (Wie?) o Kosten (Wie viel?) o Verantwortlicher (Wer?) o Kontrolle, Ergebnis, Bewertung Der so entstandene Maßnahmenkatalog ist bei sich ändernden Verhältnissen gegebenenfalls anzupassen, darf also nicht als unumstößlich gelten. 9 bis April: Erarbeitung Gästefragebogen, € 100.- für Kopien 9 April bis Mai: Bekanntgabe der neuen Öffnungszeiten in der lokalen Tageszeitung, 5 Schaltungen 9 Juni: Hütteneröffnung „FrohMUT“; € 3000.9 20. Juni: Kindergarten besucht die Umweltgütesiegelhütte, € 200.9 2. Juli: Mittagessen mit Verantwortlichen OeAV und lokalen Journalisten um neue Fotovoltaikanlage zu präsentieren 9 20. bis 30. August: Einladung Schweizer Journalisten um Klettersteig vorzustellen • Ein Dynamische Marketingkontrolle permanentes Flexibilität und Marketingkontrollsystem Anpassungsfähigkeit. Ein ermöglicht Kurskorrekturen, Soll-Ist-Vergleich ermöglicht ausreichend Ergänzungen, Änderungen oder auch Einschränkungen von Maßnahmen. Außerdem werden hier gewonnene Erkenntnisse für das folgende Jahr verwendet. 9 Laufende Auswertung der Fragebögen (mehr Gäste aus der Schweiz?). 9 Laufende Umsatz- und Budgetkontrolle. 18 9. Literaturempfehlungen Dem Leitfaden liegen mehrere Fachpublikationen aus den Bereichen Marketing, Management und Tourismus zu Grunde. Im Anschluss sind einige Empfehlungen genannt, die die bearbeiteten Themen ausführlicher behandeln: Böhm, M. Wie Sie mit schmalem Budget erfolgreich werben, 2. Aufl., Berlin. Freyer, W., Tourismus-Marketing, 2004, 4. Aufl., München. Homburg, C. (Hrsg.), Kundenzufriedenheit, 2003, 5. Aufl., Wiesbaden. Pechlaner, H./Fischer, E. (Hrsg.), Qualitätsmanagement im Tourismus, 2006, Wien. Schätzing, E., Qualitätsorientierte Marketingpraxis in Hotellerie und Gastronomie, 1996, 3. Aufl., Stuttgart. Verfasser des Leitfadens: Mag. (FH) Martin Straganz 19