Funktionsverbgefüge- mehr oder weniger verfestigte, syntaktisch

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Ruhr-Universität Bochum
Germanistisches Institut
WS 2007/08
HS: Der Verbalkomplex im Deutschen
Dozentin: Prof. Dr. Karin Pittner
Referentinnen: Nadja Yildirim, Tanja Rybtschak
Funktionsverbgefügemehr oder weniger verfestigte, syntaktisch komplexe, aber semantisch einfache Prädikate, die aus
einem so genannten Nominalisierungsverb und einer Akkusativ-NP oder PP mit deverbalem oder
deadjektivischem Nomen gebildet sind, so dass dieses semantisch den Prädikatskern bildet.
2 Gruppen:
-das/ein Versprechen geben, Zustimmung finden (mit Nominalphrase)
-zum Abschluss, zur Entfaltung bringen (mit Präpositionalphrase)
Funktionsverben/ Vollverben- Unterschied
FV zeigen gegenüber ihrer Anwendung als Vollverben eine „verblasste“ Bedeutung, die zusätzliche
Bedeutungskomponenten umfasst. (kausativ, passiv, inchoativ, durativ)
Arbeitsaufteilung
Das Funktionsverb drückt morphosyntaktische Merkmale und abstrakte Bedeutungsaspekte aus.
Der nominale Teil liefert den wesentlichen Bedeutungsbeitrag.
Präpositionalphrase
In Druck sein, geben, unter Druck setzten/stehen
werden als Ergänzungen des Funktionsverbs aufgefasst. Im Gegensatz zur entsprechenden
Vollverbkonstruktion ist eine „Verfestigung“ der Verbindung zu beobachten. Diese Verfestigung führt
zum Verlust des Argumentstatus bei den nominalen Bestandteilen.
Fragestellung
-Wie kommen die Valenzeigenschaften dieses komplexen Prädikats zustande?
-Wie verhalten sie sich zu den Valenzeigenschaften des jeweiligen Grundverbs?
a)Du bringst Anna zum Lachen.
b)Anna lacht.
FVG mit NP- Akk als Kern
Einteilung nach Valenz und Aktionalität in 5 Gruppen:
1. zweistellige Verben, das Subjektargument mit einer prototypischen Agensrolle:
Widerstand leisten, Abschied nehmen, ein Protokoll führen
2. dreistellige Verben, deren Subjekt die Rolle des Agens hat, deren Dativobjekt die Rolle des
Rezipienten übernimmt:
ein Versprechen geben, einen Rat erteilen
3. zweistellige Verben, deren Subjektargument kein prototypisches Agens ist.
Anerkennung finden, erfahren, genießen
4. zweistellige „Wechselverben“ bekommen, erhalten, deren Subjekt die Rezipienten- oder
Possessorrolle trägt:
Eine Antwort bekommen, die Zusage bekommen
1
5. das zweistellige Verb haben, das als Vollverb seinem Subjekt keine Agens- sondern eine
possessorähnliche Rolle zuordnet.
Eine Ahnung haben, die Hoffnung haben
Zu 1), 2) -das Subjekt des FVGs kann semantisch dem Subjekt des Grundverbs entsprechen: Er gibt
ihm eine Antwort.
Er antwortet ihm.
-Ist das Grundverb transitiv, entspricht seinem Akkusativobjekt eine Präpositionale oder
dativische Ergänzung im FVG:
Er kritisiert sie.
Er übt Kritik an ihr.
-das Dativobjekt des Grundverbs bleibt als Dativobjekt im FVG erhalten:
Er leistet ihm Hilfe.
Er hilft ihm.
Zu 3), 4) -die Vollverbentsprechungen der FV vom Typ finden, erfahren, erhalten teilen ihrer
Subjektleerstelle keine typische Agensrolle, sondern eine patiensähnlichere Rolle zu. Auch im FVG.
-Eine Subj.-Subj.-Korrespondenz zwischen FVG und GV setzt voraus, dass auch das GV
keine Agensrolle austeilt:
Diese Information findet kein Interesse.
Diese Information interessiert ihn nicht.
-Bei FVG mit bekommen, erhalten korrespondiert das Subjekt mit dem Dativobjekt des
GVs, wenn es ditransitiv ist.
Der Besitzer erhält die Erlaubnis umzubauen.
Man erlaubt dem Besitzer umzubauen.
Zu 5) Bei den haben-FVG sind verschiedene Korrespondenzmuster zu beobachten, je nach den
Valenzeigenschaften des GVs.
-Gemeinsam ist diesen Mustern, dass das Subjekt des FVGs kein Agens ist. Subj-SubjKorrespondenz:
Alle hatten die Hoffnung, dass es gut gehen würde.
Alle hofften, dass es gut gehen würde.
-In anderen Fällen ist es das Objektargument des GVs, das auf das Subjektargument des
FVGs abgebildet wird:
Man unterstützt die Vorsitzende nicht.
Die Vorsitzende erhält keine Unerstützung.
Fazit: Die transitiven FV fallen im Hinblick auf die semantische Rolle des Subjekts in 2
Kategorien:
Agentive FV, die dem Subjekt eine Agensrolle zuteilen. (leisten, machen, nehmen)
Unagentive FV (finden, erhalten, genießen, bekommen, haben), deren Subjektargument eine
rangniedrigere Rolle bekommt. (Rezipient, Patiens)
Alle üben Kritik an dem Chef. (aktivische Bedeutung)
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Alle kritisieren den Chef.
Agentive FV wählen Verbalabstrakta als Objekt aus, die von agentiven (oder kausativen) Verben
abgeleitet sind, und zwar so, dass Subj-Subj-Korrespondenz zwischen dem FVG und dem GV
besteht.
Alle hatten die Hoffnung.
(aktivische Bedeutung)
Alle hofften.
Für unagentive FVG gibt es 2 Möglichkeiten:
Das GV kann selber unagentiv sein, so dass seine Subjektleerstelle sich auf die Subjektleerstelle des
FVs abbilden lässt.
Die Vorsitzende hat keine Unterstützung. (passivisches FVG)
Man unterstützt die Vorsitzende nicht.
Das GV unterstützen ist agentiv, eröffnet aber eine Objektstelle die Vorsitzende, deren semantische
Rolle zum Subjekt des FVs passt.
FVG mit präpositional angeschlossenem Kern
werden mit V-n gebildet, die sich als Vollverben mit Richtungs- oder Ortsadverbien verbinden. Die
syntaktische Leerstelle wird im FVG durch die Präpositionalphrase gesättigt:
5 Gruppen:
1. intransitive unagentive oder nicht eindeutig agentive Vorgangs- bzw. Positionsverben wie kommen,
gehen, geraten, gelangen:
Zur Anwendung kommen
2. die intransitiven Zustandsverben sein, stehen, bleiben, die nicht agentiv sind:
In Anwendung sein
3. die transitiven Positionsverben bringen, stellen, setzen:
In Aussicht stellen, in Kenntnis setzen
4. andere transitive Handlungsverben wie nehmen, ziehen
In Anspruch nehmen, ins Vertrauen
5. die transitiven Zustandsverben haben, halten
In Besitz haben, unter Verschluss halten.
Zu 1), 2)- Intransitive FVG, deren Subjekt kein typisches Agens ist, sondern eine patiensähnliche
Rolle trägt.
-Sie werden meistens mit Verbalsubstantiven kombiniert, denen transitive Handlungsverben
zugrunde liegen und deren Subjekt auf das Objekt des FVGs abgebildet wird.
Man wendet die Methode an.
Die Methode kommt zur Anwendung.
(Das FVG reduziert die Valenz des Prädikats)
-Zwischen 1und 2 besteht ein Aktionsartenunterschied:
In Aufregung geraten – telisch, inchoativ; in Aufregung sein- atelisch.
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-In selteneren Fällen ist das Verbalsubstantiv von einem Verb abgeleitet, dessen Subjektrolle
zur Subjektstelle des FVs passt:
Gerüchte kamen in Umlauf.
Gerüchte liefen um.
Zu 3) -Die FV-en bringen, stellen, setzen ordnen ihrem Subjekt eine Agens- oder Verursacherrolle zu.
-Ist das GV intransitiv oder reflexiv, entspricht das Akkusativobjekt eines FVGs semantisch
dem Subjekt des GVs:
Der Sturm bracht das Haus zum Einsturz. Valenzerhöhung gegenüber dem GV.
Das
Haus stürzte ein.
-Ist das GV ein agentives tr. Verb, entspricht das Subj. des FVGs dem Subj. des GVs, oder
es trägt die Rolle eines indirekten Verursachers:
Diese Formulierung bringt unsere Zielsetzung nicht zum Ausdruck.
Diese Formulierung drückt unsere Zielsetzung nicht aus.
Zu 4) Bei FV vom Typ nehmen, ziehen entspricht das Subj. des FVGs dem Subj. des tr. GVs:
Er nimmt etwas in Besitz.
Er besitzt etwas.
Zu 5) Die mit haben, halten gebildeten FVG sind tr. und bilden atelische Entsprechungen von FVG
vom Typ 3 oder 4.
In Gang bringen – in Gang halten
Fazit
-Es ist nicht einfach die syntaktische Valenz des FVs von zentraler Bedeutung, sondern sein
Valenzrahmen im erweiterten Sinne, und zwar insbesondere die semantische Rolle, die es an sein
externes Argument vergibt.
Das Subj. oder Obj.-Argument des Grundverbs wird auf die externe Argumentstelle des FVGs
abgebildet, wenn seine semantische Rolle damit verträglich ist,
Handelt es sich um ein Objekt des GVs, entsteht eine passivische Fügung.
Handelt es sich um die Subjektleerstelle des GVs, kommen je nach den weiteren Eigenschaften von
FV und GV aktivische oder kausative Konstruktionen zustande.
Literatur
C. Fabricius-Hansen, Wie fügen sich Funktionsverben in Funktionsverbgefüge ein? In Breindl, Eva/ Gunkel, Lutz/
Strecker, Bruno (Hrsgg.) (2006): Grammatische Untersuchungen. Analysen und Reflexionen. Tübingen. S. 259273.
A. Storrer, Zum Status der nominalen Komponenten in Nominalisierungsverbgefügen. In Breindl, Eva/ Gunkel,
Lutz/ Strecker, Bruno (Hrsgg.) (2006): Grammatische Untersuchungen. Analysen und Reflexionen. Tübingen. S.
275-295.
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Beispiele für den Argumentstatusverlust bei den nominalen Bestandteilen
Das Manuskript ist in Druck.
Wir geben das Manuskript in Druck.
Er steht unter Druck.
Ich setzte ihn unter Druck.
FVG mit NP- akk als Kern: allgemeine Merkmale
-Als Funktionsverben dienen dabei transitive Verben.
-Der nominale Teil im Akkusativ des FVGs sättigt eine syntaktische Leerstelle beim
FV, wie das Akkusativverb des entsprechenden Vollverbs.
-Der nominale Teil des FVGs hat aber keine selbständig referierende Funktion.
Die Methode kommt zur Anwendung.
Man wendet die Methode an.
Er leistet Hilfe.
Er hilft.
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Zur Frage der Valenz in Funktionsverbgefügen: Versuche, das Offensichtliche zu leugnen
Grundannahme: Die Valenz des FVGs kommt nicht oder nicht nur durch das FV zustande.
-die Valenz des FVGs wird ganz oder teilweise nach eigenen Regeln gestaltet
-die Valenz ist ganz oder teilweise idiomatisch zu erklären
-das Substantiv ist für die Valenz (mit)verantwortlich
Wir verdächtigen ihn des Diebstahls.
Keine Übereinstimmung der Valenz
Wir haben ihn in Verdacht.
Er gerät in Verdacht.
Diese Beispiele widerlegen die Behauptung, dass die Valenz des FVGs in gewissem Maße von der
Valenz des GVs beeinflusst sein.
Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Funktionsverbgefüge und dem etymologisch
verwandten Verb.
Die Ansicht, dass der obligatorische oder fakultative Charakter der Aktanten des FVGs auf das
etymologisch verwandte Verb zurückzuführen sei, erwist sich als falsch.
Seine Beispiele sind:
Respekt haben und Furcht haben
Das 1. erfordert eine Präpositionalphrase mit vor, weil das Verb respektieren 2 Aktanten erfordert.
Sie hat Respekt vor Ihm. Sie respektiert ihn.
Furcht haben stehe nur fakultativ mit vor, weil fürchten 3 Varianten hat (sich fürchten vor, jemanden
fürchten, für jemanden fürchten)
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