Jahrbuch 2012 Luther 2017 | 500 Jahre Reformation Reformation & Musik Themenjahre der Lutherdekade 1508 kommt der Mönch Martin Luther nach Wittenberg. 1517 veröffentlicht er seine berühmten 95 Thesen. Die Reformation beginnt. In der Lutherdekade 2008–2017 wird das weite Themenspektrum der Reformation in Themenjahren aufgenommen und entfaltet. So wird zum einen an die historischen Gedenkjahre (450. Todestag Melanchthons 2010 oder der 500. Geburtstag Lucas Cranachs d. J. 2015) angeknüpft. Zum anderen nimmt die Lutherdekade Impulse der Reformation auf, die bis in unsere heutige Zeit reichen. 2008 ERÖFFNUNG LUTHERDEKADE 2009 REFORMATION UND BEKENNTNIS Calvin gilt als ein Gründungsvater des reformierten Protestan­ tismus mit weltweit ca. 80 Millionen Mitgliedern. Zu Calvins 500. Geburtstag rücken unter anderem sein Kirchenverständnis und seine Wirtschaftsethik in den Fokus. Wegweisend bis heute ist auch das Bekenntnis der Barmer Theologischen Erklärung vor 75 Jahren. 2010 REFORMATION UND BILDUNG Der 450. Todestag Philipp Melanchthons, des »Praeceptor ­Germaniae« (»Lehrer Deutschlands«), lädt zur Auseinander­ setzung mit den Bildungsimpulsen der Reformation ein: ­Demokratisierung von Bildung, Einheit von Glaube und Bildung sowie Grundlegung von Allgemeinbildung. 2011 REFORMATION UND FREIHEIT Der mündige Christenmensch steht im Mittelpunkt der ­Reformation. Mit der Taufe ist das allgemeine Priestertum aller Glaubenden verbunden. Der aufrechte Gang unter Gottes Wort und zugleich die solidarische Hinwendung zum Mitmenschen sind die beiden Pole reformatorischer Freiheit. 2012 REFORMATION UND MUSIK Die Reformation legte einen Grundstein der europäischen ­Musikkultur – vom Gemeindegesang bis zur Hausmusik. Dafür stehen Komponisten wie Bach, Schütz, Telemann und Händel, aber auch der Leipziger Thomanerchor, der 2012 sein 800-jähriges Bestehen feiert. Es gilt, diese reiche Tradition ­lebendig zu halten und neue Wege zu erproben. 2013 REFORMATION UND TOLERANZ Ökumenische Gemeinsamkeit ohne nationale oder konfes­ sionelle Begrenzung – das ist ein Anspruch der Lutherdekade 450 Jahre nach Abschluss des Konzils von Trient (1563) und der ­Formulierung des Heidelberger Katechismus sowie der Leuenberger Konkordie vor 40 Jahren als Zeugnis der innerprotestan­ tischen Ökumene. Dabei dürfen die intoleranten Seiten der ­Reformation nicht verschwiegen werden. 2014 REFORMATION UND POLITIK Obrigkeit und Mündigkeit, Glaube und Macht, Gewissensfreiheit und Menschenrechte – das sind Themen der Reformation und zugleich der Gegenwart, die eine breite Diskussion in Kirche und Gesellschaft verdienen. 2015 REFORMATION – BILD UND BIBEL Anlässlich des 500. Geburtstages des jüngeren Cranachs kommt die Kunst der Reformationszeit in den Blick. Die Reformation war auch eine Medienrevolution. Eine neue Wort- und Bildsprache entstand. Welche Bilder findet der Glaube heute und wie wird diese Botschaft durch Medien, Bild und Sprache vermittelt? 2016 REFORMATION UND DIE EINE WELT Von Wittenberg ging die Reformation in die Welt. Über 400 Millionen Protestanten weltweit verbinden ihre geistig-­ religiöse Existenz mit dem reformatorischen Geschehen. Am Vorabend des Reformationsjubiläums werden die globalen Prägekräfte im Mittelpunkt stehen. 2017 REFORMATIONSJUBILÄUM Im Jubiläumsjahr »500 Jahre Reformation« steht Luthers ­Erkenntnis der »Rechtfertigung aus Gnade« im Mittelpunkt und wird weltweit mit kirchlichen und kulturellen Veranstal­ tungen, Tagungen und großen Ausstellungen gefeiert werden – Höhepunkt der Lutherdekade, jedoch nicht das Ende der Begegnung mit Luthers Leben und Werk. Jahrbuch 2012 Luther 2017 | 500 Jahre Reformation inhalt 5 Vorwort 23 THOMANA 800 Jahre Thomanerchor 7 800 Jahre THOMANA – glauben, singen, lernen Thomaskirche, Thomanerchor und ­Thomasschule feierten 800-jährige Tradition 24 Klangvoll, berührend und ganz im Sinne Luthers Magdeburg feierte 50 Jahre Telemann-Festtage und das Themenjahr »Reformation und Musik« 44 Soli Deo Gloria – der Klang der Orgel über Land Wendländer Wandelkonzert auf drei ­besonderen Orgeln in Gartow, Trebel und Lüchow 26 Gift aus Rom beim Schumann-Fest Zwickau feierte mit zahlreichen Aktionen »Reformation und Musik« 46 Singt (und spielt) das Lied der Freude Hippes und Heiteres mit der Kinderkantorei in St. Hippolyt Nordenham-Blexen 27 48 Singen bei Sonnenuntergang am Hafen Mit »DREIKLANG« fand in Greifswald das erste Chorfest der Nordkirche statt 8 Festmusiken für den Knabenchor – eine Tradition setzt sich fort Uraufführung von fünf ganz unterschiedlichen Werken in der Leipziger Thomaskirche Himmlische Töne für göttliche Worte Bachhaus Eisenach zeigte »Luther und (Bachs) Musik« Vorort protestantischer Musikkultur »Luther, Lübeck und die Musik«: Frühjahrstagung der Luther­gesellschaft in der Hansestadt 42 Halleluja – sing the song Gospel und Swing, Blech und Blues in Bad Salzuflen 10 Fest für einen Knabenchor Festwoche des Thomanerchores Leipzig mit Konzerten, Ausstellungen und einem Bürgerfest 29 Ein eigenwilliger Interpret der Musica Händel-Festspiele in Halle mit einem Programm zum musikalischen Sohn der Stadt und zu Luther 50 Das Gegenüber der Klangsprachen Konzertreihe »Klingende Sophienkirche« in Berlin stellte Kammermusik in den Mittelpunkt 12 Lebendige Tradition 800 Jahre Thomana: Festwoche der Thomasschule zeigte Geschichte, Lern- und Lebensalltag 31 Johann Walter, Torgau und die evangelische Kirchenmusik Tagung auf Schloss Hartenfels brachte neue Ergebnisse 52 14 Buntes Fest für berühmtes Gotteshaus Leipzig feierte 800 Jahre Thomaskirche vom 31. Oktober bis 4. November 366+1 Kirche klingt 2012 16 THOMANA unvergessen Zahlreiche Ausstellungen in Leipzig begleiteten das Jubiläum von Schule, Kirche und Chor 33 Konzerte im Domino-Prinzip Das Projekt »366+1, Kirche klingt 2012« ­erfüllte ein Jahr lang jeden Tag eine Kirche in Deutschland mit Musik 54 Jazz im Hause Gottes Das Festival »Reformation und Musik – JAZZ ERST RECHT« in Bielefeld Luther und die Musik Luther und die Musiker 19 Bücherschätze als Spiegel der Wittenberger Musikkultur Ausstellung »Pracht der Musik« in Jena zeigte Musikalien der Reformationszeit 21 Die, die Kirche zum Klingen brachten Ein interdisziplinäres Symposium holte Luther und Bach in die Gegenwart 35 Diskussionen über eine universale Kunstform Symposium »Frau Musica spricht« in ­Wittenberg zu Protestantismus und Musik 37 Passion als Bekenntnis Aufführung der »Passio Domini nostri Jesu Christi« von Kjell Mørk Karlsen 39 Die 10 Gebote 10.000 Besucher beim Pop-Oratorium in der SAP-Arena in Mannheim Musik von gestern und heute Das Festival »Wurzeln und Flügel« stellte Alte und Neue Musik vor 56 Mit den Farben unserer Stunden malen wir ein Bild von Gott Stephan Krawczyk in der Bergkirche Oybin 57 Erinnerungen, zwanzig Kilogramm schwer Eine Chronik als bündelndes Element des Projektes »366+1, Kirche klingt 2012« Veranstaltungen 60 »Mit Lust und Liebe singen« – Die Reformation und ihre Lieder Ausstellung in Gotha widmete sich den Gesangbüchern und dem evangelisch-lutherischen Lied 62 Kirchenmusiktage zum Mitmachen Bei der Cantionale 2012 sangen Chöre aus ganz München 64 Auf den musikalischen Spuren des Reformators MDR KLASSIK bereicherte das Themenjahr mit der Konzertreihe »Lutherorte« im Rahmen des MDR MUSIKSOMMERS 66 Orgel, Jazz und Salsa – das vertonte Leben Luthers NDR Bigband und Lucas M. Schmid touren mit »The Martin-Luther-Suite« 68 Wo Gott ganz nah ist »Mit Herz, Mund und Händen«: ZDF-Gottesdienste stellten Musik in den Mittelpunkt 70 Klänge auf Reisen schicken Zentrale Auftaktveranstaltung zum Themenjahr in der Eisenacher Georgenkirche 71 Luther-Lieder in bunt Thuringia Cantat präsentierte Texte und Kompositionen des Reformators 72 Evensong – durch die Nacht in eine neue Zeit Auftakt-Veranstaltung des Saarlandes zu »Evangelisch klingt« 78 Tausende Worte und tausende Klänge Tagung der Evangelischen Akademie Rheinland über die Bedeutung der Musik im Gottesdienst 94 Die Stadtkirche als Wohnzimmer Weißenfels verwandelte den dritten Mitteldeutschen ­Kirchentagskongress in einen Kirchentag der Hausmusik 80 Wenn Engel lachen Theater Zauberwort aus Oberursel präsentierte die Liebesgeschichte der Katharina von Bora 96 Neue mitteldeutsche Kirchenmusik Thomas Buchholz erhielt ersten Preis beim Kompositionswettbewerb der EKD 81 97 Gesang für das Herz Europas »Jesu, meine Freude« – Der Rundfunk-Jugendchor ­Wernigerode gab zwei Konzerte in Brüssel Der Mensch zwischen Himmel und Hölle Eine Ausstellung in der Sankt Nikolai-Kirche Jüterbog widmete sich den Anfängen der Reformation 83 Die vertonte Hölle auf Erden CD mit dem Soundtrack zu Luthers Pilgerreise von 1511 erschienen 98 Von Szeged nach Lutherstadt Wittenberg Ungarischer Pfarrer erlebte als Resident ein Jahr lang Luther-Historie zum Anfassen 84 »Luther in Brass« – Worms’ Töne für den Reformator Positive Bilanz nach dem ersten Blechbläserfestival in der Stadt 100 Impressum 85 Klingende Beispiele von Bühnen und Emporen In ganz Deutschland gab es am Reformationstag viele Festkonzerte 86 Luthers Lieder für die Gegenwart Chemnitzer Kirchenprojekt erweckt die musikalische Botschaft des Reformators 87 Der Klang von Luthers Liedern Das Nürnberger Festival »Musik und Reformation« belebte die Töne des 16. Jahrhunderts 89 »Ein Schulmeister muss singen können« Schüler interpretierten Luther beim ­LISA-Musikwettbewerb 74 Weil sie die Seelen fröhlich macht Die Franckeschen Stiftungen zu Halle zeigten protestantische Musikkultur seit Martin Luther 91 76 Luthers Taufkirche im neuen Gewand Als »Zentrum Taufe« rückt in der Petri-Pauli-Kirche das ­ »Ja-Wort-Gottes« in den Mittelpunkt 93 Wer erfand den Weihnachtsbaum? Heinrich-Schütz-Haus Bad Köstritz holte­Luther in die Weihnachtsausstellung Der verschwenderische Reichtum Gottes Hildesheimer Gottesklang-Fest schwelgte in der Vielfalt der kirchenmusikalischen Töne vorwort Das Themenjahr »Reformation und Musik« nahm den musikali- Das Themenjahr »Reformation und Musik« erinnerte in schen Impuls der Reformation auf und brachte ihn 2012 bundes- zahlreichen Veranstaltungen sowohl an die Reformation als einen bunten Eindruck. tischer Kirchenmusik. Auf vielfältige Weise wurde dargestellt, weit zum Klingen. Davon gibt dieses Jahrbuch in Ihren Händen »Die Glaubensbewegung der Reformation löste eine impul- sive Singbewegung aus. Singen und Sagen wurden in Dienst ge- nommen, um das neu entdeckte Evangelium von der Gnade in Jesus Christus für den verlorenen Menschen zu verkündigen«, so ist es im Gesangbuch zu lesen. Die Reformation als Singbewegung: Auf den Straßen und Gassen von Wittenberg und darüber hinaus wurde zu sehr weltlichen Melodien die neue Entde- ckung gesungen. Die Melodien wurden gesummt, gepfiffen und wurden so zur frohen Botschaft. In der Musik finden Menschen zu Inhalten und Emotionen, die größer sind als sie selbst. Gesungen werden können Worte, die sonst ungesagt bleiben. »Sie singen und zwar alle, die Protestanten sind jetzt auch »Singbewegung« als auch an den großen Reichtum protestan­ wie sich große Komponisten wie zum Beispiel Paul Gerhard, ­Johann Sebastian Bach, Heinrich Schütz oder Philipp Telemann von den Liedern Martin Luthers und anderer Reformatoren in­ spirieren ließen. Ein Höhepunkt des Jahres war das 800. Jubi- läum der THOMANA. Mit »366+1 Kirche klingt 2012« zog sich außerdem das Themenjahr mit täglichen Konzerten wie ein Band durch die Kirchen Deutschlands. Darüber hinaus ertönten die Melodien durch die vielen Akteure auch in Konzertsälen, Schulen, Museen, Stadien und auf Marktplätzen. Die Musik hat die Menschen sowohl in der Reformation als auch im Themenjahr zum Mitmachen und Mitgestalten animiert. bei uns.« So soll auch ein Lemgoer Ratsdiener seinem Bürgermeister, Conrad Flörke, zu Beginn der Reformationszeit zugeru- fen haben. Obwohl dies nur eine Legende ist, zeigt die kleine Geschichte doch den großen Einfluss der Musik auf die Refor- mation. Für Martin Luther war die Musik eine der besten Künste und der Gemeindegesang die »singende Verkündigung« des Evangeliums: »Die Noten machen den Text lebendig.« Bis heute gilt das gemeinsame Singen der Gemeinde als Symbol für die Reformation. Stefan Zowislo Geschäftsführer der ­Staat­lichen Geschäftsstelle »Luther 2017« Michael Wegner geschäftsführender Direktor Geschäftsstelle der EKD »Luther 2017 – 500 Jahre Reformation« 5 THOMANA 800 Jahre Thomanerchor 800 Jahre THOMANA – glauben, singen, lernen Thomaskirche, Thomanerchor und ­Thomasschule feierten 800-jährige Tradition Die Trias Thomaskirche, Thomanerchor, Thomasschule in Leipzig weitere Höhepunkte den Kongress »Kirche in der Gesellschaft«, eine 800-jährige Tradition verfügen und in dieser Zeit aufeinan- ére, einen Abend der Religionen mit anderen Leipziger Religions- sucht ihresgleichen. Denn dass diese drei Einrichtungen über der bezogen geblieben sind, obwohl es immer wieder politische Bestrebungen gab, die Trias aufzulösen, ist eine historische Besonderheit. Darum feierte Leipzig 2012 ein außergewöhnliches Jubiläum, das sich über ein ganzes Jahr erstreckte: »800 Jahre THOMANA – glauben, singen, lernen«. Selten gelingt es, mit einem Jubiläumsmotto exakt das zu umschreiben, was gefeiert werden soll. Denn letztlich ruht unser Leben auf den drei Säulen, u.a. mit Gesine Schwan und Bundesminister Thomas de Maizigemeinschaften, eine Klang- und Lichtinstallation an der Thomaskirche, Kinderfesttage und einen Mittelaltermarkt sowie eine Jugendnacht. Zwei Partnerstädte Leipzigs, Houston/Texas und Brünn/Tschechien kamen im Gottesdienst mit The Reverend Dr. Robert Moore und der Aufführung der Jazzmesse von Jaromír Hnilička zur Geltung. Außerdem gab es fünf Uraufführungen zeitgenössischer denen sich Kirche, Chor und Schule trotz aller Brüche bis heute Kompositionen, die sich wie ein roter Faden durch das Festjahr stalten, Menschen zu bilden. Darum wurde das Jubiläum mit sche Werk, das im Gottesdienst erklang, eine Ur- oder Erstauf- verpflichtet sehen: Glauben zu leben, Musik und Kultur zu gedrei Festwochen begangen. Diese stellten zum einen den je eigenen Charakter von Chor, Schule und Kirche heraus. Zum ande- ren wurde deutlich, dass keine der Institutionen auf die Tätigkeit verzichten kann, die Schwerpunkt der jeweils anderen zwei ist. In der Festwoche der Thomaskirche, die mit dem Festgottes- dienst am Reformationsfest mit dem Vorsitzenden des Kuratoriums zur Vorbereitung des Reformationsjubiläums 2017, Dr. h.c. Nikolaus Schneider, begann, und einem ökumenischen Gottesdienst mit den beiden sächsischen Bischöfen schloss, gab es als zogen. Bis zum 18. Jahrhundert war fast jedes kirchenmusikaliführung und damit das, was Ausgangspunkt für das Lob Gottes ist: »ein neues Lied«. Davon hat die THOMANA über Jahrhunderte gelebt. Aus dieser Tradition heraus wurden im Jubiläumsjahr die Auftragskompositionen vergeben. 7 Festmusiken für den Knabenchor – eine Tradition setzt sich fort Uraufführung von fünf ganz unterschiedlichen Werken in der Leipziger Thomaskirche Thomaskantors schufen ebenfalls Werke für den Knabenchor. 8 Und so kann die 800 Jahre währende Tradition der Thomaskirche, des Thomanerchores und der Kantoren gleichsam als Geschichte der Uraufführungen erzählt werden. Das Bach-Archiv Leipzig, Partner der THOMANA, gab vor die- sem Hintergrund fünf Festmusiken in Auftrag, die – ganz in der musikalischen Tradition der THOMANA – an den höchsten Kirchenfesten 2012/2013 uraufgeführt wurden. Fünf Künstler unterschiedlicher Herkunft, Konfession und kompositorischer Auffassung beteiligten sich. Formal orientierten sich die Werke an der Aufführungsdauer einer Bachkantate. »Inhaltlich unterlagen die Komponisten keinerlei Beschränkungen«, bekannte der amtierende Thomaskantor Professor Georg Christoph Biller. Einen formalen Rahmen gebe die Bezeichnung Motette vor, die Größe der Besetzung die Thomaskirche. Sonst aber herrsche alle kompositorische Freiheit. Biller selbst übernahm den Auftakt am Ostersonntag mit Fünf Festmusiken wurden für den Knabenchor geschrie­ ben. Thomaskantor Georg Christoph Biller bei der Urauf­ führung von Krzysztof ­Pendereckis »Missa brevis«. Sie tragen Titel wie »hölle himmel«, »Christus das Licht« oder »An den Wind«: Ganz in bachscher Tradition entstanden anlässlich des Jubiläumsjahres fünf Festmusiken für den Leipziger Thomanerchor. In seinen ersten Leipziger Jahren hatte Johann Sebastian Bach für nahezu jeden Sonntag eine neue Kantate komponiert und uraufgeführt. Seine Vorgänger und Nachfolger im Amt des seiner Komposition »Christus das Licht«. Eine Festmusik, die nicht nur Ostern würdigte, sondern gleichsam den großen Komponisten Johann Sebastian Bach. Für Pfingsten, das Reformationsfest, Weihnachten und – im Jahr 2013 – Epiphanias, kompo- nierten international namhafte Künstler. So wurde Hans Werner Henzes »An den Wind« zu Pfingsten (26. Mai 2012) uraufgeführt – eines der letzten Werke des am 27. Oktober verstorbenen Komponisten. Das Chor- und Ensemblewerk reflektiert die Pfingstge- schichte auf mehreren Ebenen. Die schlicht gehaltenen Verse 9 stammen aus der Feder des Wittenberger Theologen Christian Lehnert. Töne zum Reformationsfest kamen aus der Schweiz. Der Komponist Heinz Holliger wartete am 3. November mit der Festmusik »hölle himmel« nach Gedichten des Schweizer Pfarrers und Dichters Kurt Marti auf. Das Werk ist für vierstimmigen Chor und Schlagzeug geschrieben. Das Dresdner Ensemble »vocal modern« unter Leitung von Christfried Brödel sang die Uraufführung. Die Vierte von fünf Kompositionen trägt den Titel »The Annunciation« (die Verkündigung) – ein Beitrag des australischen Komponisten Brett Dean. Den Abschluss bildete an Epiphanias 2013 die »Missa brevis« des polnischen Künstlers Krzysztof Penderecki. Das A-Cappella-Werk für Kinderchor und Männerstimmen ist das einzige im Zyklus der Festmusiken, das nur vokal besetzt ist. Es basiert auf »Sanctus und Benedictus«, ei- nem früheren Stück Pendereckis, das 2002 entstanden war und das er nun um die drei Messesätze »Kyrie«, »Gloria« und »Agnus Dei« zur Missa entwickelt hatte. Musikerinnen und Musiker des Gewandhauses gestalteten die Festmusiken mit. Partner des Projekts waren der Leipziger Thomanerchor und das Gewandhaus zu Leipzig. Ermöglicht wur- den die Festmusiken durch die Förderung der Kulturstiftung des Bundes, der Ernst von Siemens Musikstiftung und des BMW Werkes Leipzig. Vom australischen Kompo­ nisten Brett Dean stammt das Werk »The Annunciation« – die Verkündigung mit ­Knabenchor und Orchester. Fest für einen Knabenchor Festwoche des Thomanerchores Leipzig mit Konzerten, Ausstellungen und einem Bürgerfest 10 Die Thomaner luden zu Ihrer Festwoche andere welt­ bekannte Knabenchöre nach Leipzig ein. Der Chor des King’s College (links) und die Regens­ burger Domspatzen (rechts) folgten der Einladung gern. 800 Jahre Thomanerchor wurden in Leipzig eine Woche lang un- Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung erklärte zur Feier- war am 20. März 1212 gegründet worden, wie eine erhaltene den langjährigen Bestand gewesen sei. Sachsens Ministerpräsi- ter dem Motto »glauben – singen – lernen« gefeiert. Der Chor Gründungsurkunde belegt. Heute singen etwa 100 Jungen im Alter von 8 bis 18 Jahren in dem weltberühmten Ensemble mit. Der Thomanerchor konzertiert in allen Teilen der Welt. Am Anfang der Festwoche stand ein Festakt in der Thomas- stunde, wie wichtig der innere Zusammenhalt des Chores für dent Stanislaw Tillich sagte, es sollten nicht nur die Institutionen im Mittelpunkt stehen, sondern vor allem die vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter der Thomaner. Nach dem Festakt zogen rund 2.000 Schüler, Angehörige kirche, an dem etwa 1.700 geladene Gäste teilnahmen, unter ih- und Bürger von der Thomaskirche zum Campus forum thoma- Der Festakt war Gaucks erster offizieller Termin im neuen Amt. garten, Grundschule, Thomasschule, Alumnat des Thomaner- nen auch der neu gewählte Bundespräsident Joachim Gauck. num, um den Bildungscampus, derzeit bestehend aus Kinder- chores, villa thomana und Lutherkirche, offiziell einzuweihen. 11 Die Festwoche des Thomanerchores, die auch den Geburts- tag des berühmten Thomaskantors Johann Sebastian Bach am 21. März mit einschloss, bot zahlreiche Konzerte – an Bachs Ehrentag eine Veranstaltung, bei der viele Leipziger Schulchöre mitwirkten. In einem »Großen Concert« im Gewandhaus trat der Thomanerchor mit dem Gewandhausorchester auf, der Chor des King’s College aus Cambridge brachte ein Ständchen und auch Jazzmusiker musizierten. Die Thomaner selbst luden andere Knabenchöre nach Leip- zig ein. Gemeinsam mit dem Dresdner Kreuzchor, den Regensburger Domspatzen und dem Chor des King’s College musizierten sie beim Fest der Knabenchöre und zeigten hier die überwältigende Schönheit des Chorgesangs. Die Leipziger feierten das Jubiläum des berühmten Knaben- chores im Neuen Rathaus gemeinsam mit ihren Volksvertretern. Begrüßt wurden sie musikalisch von den Thomanern selbst. Am Abend fanden zahlreiche Konzerte mit ehemaligen Thomanern Ganz Leipzig feierte gemein­ sam mit den Thomanern. wie »Die Prinzen« und dem A-Cappella-Ensemble »amarcord« sowie Mitgliedern des Gewandhausorchesters und Universitätsmusikdirektor David Timm statt. Melanchthonhaus Wittenberg Lebendige Tradition 800 Jahre Thomana: Festwoche der Thomasschule zeigte Geschichte, Lern- und Lebensalltag schaffte sich die Thomasschule einen guten Ruf über nationale 12 Grenzen hinaus. Inzwischen hat sich die Einrichtung, die in den Campus forum thomanum eingebettet ist, zu einem modernen Gymnasium gewandelt. Auf dem Campus nahe der Innenstadt sollen künftig über 1.200 Kinder und Jugendliche musikalisch ausgebildet werden. Die Festwoche eröffnete der Thomanerchor gemeinsam mit dem international bekannten Ensemble »amarcord«, dessen fünf Mitglieder früher selbst im Chor zu Leipzig sangen und deren Auftritte heute die Konzertsäle auf der ganzen Welt füllen. Schulleiterin Kathleen Kormann sagte: »Es ist uns wichtig zu zei- gen, wie bedeutsam Tradition ist.« So wurden im Programm der Festwoche vom 17. bis 23. September die vielen Facetten des Schullebens präsentiert: Beim Festumzug mit anschließendem Markt der Jahrhunderte entführten die Schüler das Publikum in die Welt der Thomaner und deren traditionsreicher Geschichte Klassische Bildung in der ­Spaßgesellschaft – Geht das? Ist das noch zeitgemäß? ­Darüber diskutierten ­prominente Gäste bei einer Bildungskonferenz. Die Thomasschule stand im Fokus der zweiten Festwoche des Jubiläumsjahres 2012 der THOMANA. Die Institution kann auf eine reiche 800-jährige Tradition zurückblicken. 1212 gegründet, wurde sie 1254 erstmals als eine schola exterior, eine Schule, die auch Kindern der Leipziger Bürger offen steht, erwähnt. Im Zuge der Reformation ging sie in städtische Trägerschaft über. Vor allem durch den weltberühmten Thomanerchor ver- und erweckten in fantasievollen Kostümen Johann Sebastian Bach oder den Physik-Nobelpreisträger Ferdinand Braun zum Leben. Ein historisches Musiktheater zur Entstehung der THOMANA, ein Theaterfestival und eine Musikaufführung mit ver- schiedenen Gastschulen unterstrichen das künstlerische Profil der Thomasschule. Zudem war die Institution Gastgeber einer Bildungskonferenz zum Thema »Klassische Bildung in der Spaßgesellschaft« und des Jubiläumsballs im Gewandhaus. 13 Eine Festmotette rundete die Festwoche ab. Acht- bis Zwölft­ klässler des ThomasSchulChores ließen A-Cappella-Werke geistlicher Chormusik aus verschiedenen Epochen erklingen. Der Thomanerchor und das Gewandhausorchester präsentierten eine Kantate des ehemaligen Gewandhauskapellmeisters und Thomaskantors Johann Gottfried Schicht (1753 bis 1823). Mit einem Maskenball und dem Markt der Jahrhunderte feierten die Thomasschüler ihr Jubiläum. Buntes Fest für berühmtes Gotteshaus Leipzig feierte 800 Jahre Thomaskirche vom 31. Oktober bis 4. November und unseren Glauben heute in der Thomaskirche mit der Refor- 14 mationskantate ›Gott der Herr ist Sonne und Schild‹ stärken kann«, sagte er. Die für die THOMANA Verantwortlichen in Kirche und Stadt hätten auch in widerständigen Zeiten für das Zusammenhalten von »Glauben, Singen und Lernen« gestritten. Der Stuttgarter Dirigent und Chorleiter Helmuth Rilling er- hielt im Anschluss an den Gottesdienst die Martin-Luther-Medaille der EKD. Nikolaus Schneider bezeichnete Rilling als »Musikbotschafter des Evangeliums«. Vor allem die Musik Bachs habe er international bekannt gemacht und in Länder wie Japan geradezu exportiert. Die Entstehung der Thomaskirche lässt sich auf das 12. Jahr- hundert datieren. 1409 wurde hier die Leipziger Universität gegründet. Zwischen 1492 und 1496 erhielt sie die Gestalt einer spätgotischen Hallenkirche. Pfarrer Christian Wolff bezeichnete Nikolaus Schneider predigte zum Reformationsgottes­ dienst in der Thomaskirche und würdigte den Thomaner­ chor. Es war kein Zufall, dass die Jubiläums-Festwoche der Thomaskirche genau mit dem Reformationstag begann. Neben Johann Sebastian Bach ist schließlich auch der Name Martin Luther eng mit dem Leipziger Gotteshaus verbunden: Der Geistliche predigte 1539 hier zur Einführung der Reformation. die Thomaskirche heute als den neben dem Zoo »kontinuier- lichsten Besuchermagneten«. Pro Tag kämen zwischen 300 und 500 Besucher in die Kirche, davon ungefähr ein Drittel internati- onale Gäste. An Spitzentagen schätzte er den Besucherzustrom im Gotteshaus auf 1.000 Menschen. Das Programm der Festwoche gestaltete sich vielfältig: Kon- Neben einem Konzert des Ensembles »amarcord« machte zerte, Gottesdienste, die Uraufführung der Vierten Festmusik würdigte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in gegnung mit anderen Religionsgemeinschaften und ein Kon- ein Gottesdienst den Auftakt in der Festwoche. In seiner Predigt Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, die berühmte Kirche. »Wir danken Gott und vielen glaubensstarken Menschen, dass der Thomanerchor in diesem Jahr seinen 800. Geburtstag feiern des Schweizer Komponisten Heinz Holliger, ein Abend der Begress mit der Universität Leipzig zum Thema »Kirche in der Gesellschaft«. Daneben gab es ein breites Spektrum für das jüngere Publikum. Die Kinderfesttage vom 1. bis 3. November standen 15 unter dem Motto »Steine ins Rollen bringen – Menschen und Predigt gemeinsam mit seinem emeritierten katholischen künstlerische und handwerkliche Angebote des Mittelalter- nete 800 Jahre Thomaskirche als »eine Geschichte des Segens«, Geschichte(n) in der Thomaskirche«. Eine Theateraufführung, marktes auf dem Thomaskirchhof, eine Turmbesteigung, eine Kirchenführung und der Besuch einer archäologischen Ausstel- lung zählten zu den Angeboten für die Kinder. Eine Lichtshow an der Fassade der Thomaskirche erzählte die Geschichte des Thomanerchores und der Thomaskirche mit bewegten Bildern und Tonaufnahmen. Ein ökumenischer Gottesdienst beschloss die Festwoche. Der evangelische Landesbischof Sachsens, Jochen Bohl, hielt die Amtskollegen, Bischof Joachim Reinelt. Joachim Bohl bezeichdie eine ökumenische Geschichte sei. »Wir trennen die ersten 300 Jahre nicht von den 500 Jahren, die folgten. Sie geht weiter«, so Bohl. L: Bei 800 Jahre THOMANA blieben die Christen nicht ­unter sich. Zum »Abend der Begegnungen« waren ver­ schiedene andere Reli­gions­ gemeinschaften ein­geladen. R: Fröhliche Gesichter bei den Thomanern: Bei den ­Kinderfesttagen unter dem Thema »Steine ins Rollen ­bringen« erfuhren sie, wie die Thomaskirche entstand. THOMANA unvergessen Zahlreiche Ausstellungen in Leipzig BEGLEITETEN das Jubiläum von Schule, Kirche und Chor 16 THOMANA – die Einheit von Schule, Kirche und berühmtem Mit »Lobe den Herrn, meine Seele!« Festmusiken Chor – blickte im Jubiläumsjahr auf eine reiche Geschichte zu- der Thomaskantoren in den Kirchen zu Leipzig (2. Juni lungen in ihrer Heimatstadt Leipzig. für Musikinstrumente drei Jahrhunderte Musikkomposi- rück. Gewürdigt wurden die Thomaner mit zahlreichen AusstelDas Bachmuseum widmete sich in der Kabinettausstel- lung »Netzwerk Thomanerchor« (16. März bis 22. Juli) dem Leben der Chorsänger und dem berühmten Thomaskantor Johann Sebastian Bach. Zahlreiche Quellen aus dem 18. Jahrhundert erzählten vom Leben der Chorknaben in einem streng geordneten Tagesablauf mit zahlreichen Verpflichtungen und von ihrer herausragenden musikalischen Ausbildung. Die Ausstellung zeigte daneben die berufliche Zukunft ehemaliger Thomaner, denen Bachs Einfluss bei der Vergabe von Universitätsstipendien, Kantoren- und Organistenstellen half. Mit der Sonderausstellung »Cantate!« (20. März bis 23. bis 30. Dezember) huldigte eine Schau im Grassi-Museum tion. Traditionell verantworten die Thomaskantoren die musikalische Gestaltung hoher Kirchenfeste mit repräsentativen und prachtvollen Kompositionen. Die Ausstellung zeigte, wie diese Feste, insbesondere in den Stadtkirchen Sankt Thomas, Sankt Nikolai und der 1968 gesprengten Universitätskirche Sankt Pauli, musikalisch ausgestaltet wurden. Zu sehen waren außerdem Musikinstrumente, die bei diesen Feierlichkeiten eingesetzt wurden. Hörstationen luden zum Musizieren im Wandel der Zeiten und präsentierten die verschiedenen musikalischen Handschriften der Thomaskantoren. In der Commerzbank wurden unter dem Titel »Ge- September) lud das Stadtgeschichtliche Museum die schichte ans Licht gebracht – Grabungsfunde vom Schule und Chor ein. Auf 450 Quadratmetern Ausstellungsfläche aus dem städtischen Leben des Mittelalters und der Neuzeit ge- Dokumente aus 800 Jahren zu sehen, darunter die Gründungs- der Bauarbeiten an der Tiefgarage »Marktgalerie« ans Tages- Besucher auf eine Spurensuche in die Geschichte von Kirche, gab es wertvolle Ausstellungsstücke und bislang unbekannte urkunde des Stifts Sankt Thomas aus dem Jahr 1212, ein Graduale aus dem 14. Jahrhundert und den Choranzug des Leipziger Universitätsmusikdirektors David Timm von 1979. Eine Schau des Leipziger Fotografen Gerd Mothes zeigte ergänzend den gegenwärtigen Alltag der Thomaner. Thomaskirchhof« (7. Juni bis 3. November) Exponate zeigt. Es handelte sich um Fundstücke, die im Jahr 2002 während licht kamen. Auf dem Gelände der Bank befanden sich bis zur Reformation die Gebäude des mittelalterlichen Thomasklosters. Mit »Die Träume des Herrn Bach«. Trickfilmpro- jekt über J.S. Bach und die Thomaner im alten Leip- »Thomana forever« (3. November bis 15. Januar) titelte die Deutsche Nationalbibliothek Leipzig. Die zig. (21. September bis 27. Januar) war eine Sonderausstel- kleine Präsentation hatte das Thema »Aufzeichnung und Spei- das barocke Leipzig ein. Besucher bekamen Einblicke in ein ge- museum der Nationalbibliothek präsentierte Exponate zum No- lung im Bachmuseum überschrieben. Sie lud zu einer Reise in plantes Trickfilmprojekt des Illustrators, Grafikers und Trickfilmzeichners André Martini. Tragik-komisch und auf bestens recher- chiertem Hintergrund fußend erzählten die Zeichnungen vom Leben Bachs und seiner Chorknaben, das von widrigen Bedingungen und Alltagsproblemen behaftet war. Die Universitätsbibliothek Leipzig präsentierte in »Dreimal Thomas« (19. Oktober bis 20. Januar) mittel- alterliche Büchersammlungen des Thomasklosters, der evangelischen Kirchenbibliothek von Sankt Thomas und der historischen Bibliothek der Thomasschule vom Mittelalter bis ins 17. Jahrhundert. Schwerpunkt bildete hierbei die Buchproduktion und Buchmalerei im Scriptorium des Stiftes. Im Programmheft zum Jubiläum 800 Jahre THOMANA heißt es über die Ausstellung: »Die Bücher stehen exemplarisch für die Bedeutung der Thomaskirche und Thomasschule, für die Kulturgeschichte Leipzigs und deren Entwicklung über Jahrhunderte.« cherung von Musik« im Fokus. Das Deutsche Buch- und Schrifttenstich, einem alten Druckverfahren, das einst die sprunghafte Verbreitung von Noten beförderte. Zudem zeigte die Ausstellung verschiedene Formen der Musikveröffentlichung und zahlreiche Veröffentlichungen des Thomanerchores. 17 Luther und die Musik LUther und die Musiker Bücherschätze als Spiegel der Wittenberger Musikkultur Ausstellung »Pracht der Musik« in Jena zeigte Musikalien der Reformationszeit Prachtvolle Miniaturen, akkurate Notation – 19 kunstvoll gestaltete Bücher können wahre Schätze sein. Handelt es sich um Chorbücher, haben sie die Macht, die Welt zum Klingen zu bringen. Das Alamire-Chorbuch Kaiser Maximilians gilt wegen sei- ner gewaltigen Ausmaße als größtes der Welt. Mit über 25 Kilogramm wiegt es ebensoviel wie ein Schulkind. Abschließbare Buchdeckel schützen den wertvollen Inhalt: Die Handschrift enthält neun vollständige Vertonungen des Messformulars und drei in Ausschnitten. Die meisten stammen von Pierre de la Rue (gest. 1518), einem der größten Komponisten seiner Zeit. Zu sehen war das beeindruckende Exemplar in der Ausstellung »Pracht der Musik« der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) vom 15. Februar bis 15. November. Die Bibliothek präsentierte anlässlich des Themenjahres »Refor- mation und Musik« Bücher und Handschriften von hohem Rang im Zimelienraum und im Foyer des Hauptgebäudes. »Diese Bücherschätze sind ein Spiegel der Wittenberger Musikkultur zur Zeit Martin Luthers«, sagte der Leiter der Abteilung Handschriften sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen und Johann Fried- Besuchern eröffnete die Ausstellung den Blick in eine Süddeutschland und Wittenberg waren elf Musikalien aus der und Sondersammlungen Dr. Joachim Ott. Schatzkiste. Die ThULB besitzt Handschriften und Drucke der rich I. (Bibliotheca Elektoralis). Neben sieben Chorbüchern aus Werkstatt des Petrus Alamire (1536) zu sehen. Es handelt sich um Bücherschätze als Spiegel der Wittenberger Musikkultur – hier zu sehen im Chorbuch 4, Flandern um 1513/14. die weltweit größte geschlossene Sammlung die- 20 ser prachtvoll illuminierten flämischen Chorbücher. Sie alle sind Zeugnis traditioneller handschriftlicher Notationskunst. Musikdrucke aus den 1530er/40er Jahren zeigte die Sammlung von Stimmbüchern. Die 14, teils unvollständigen Sätze der Bibliotheca Electoralis enthalten viele Stücke aus Italien, aber auch deutsche Ausgaben, wie die des Wittenbergers Georg Rhau (1488 bis 1548). Erstmals gemeinsam zu sehen waren auch die beiden zentralen Dokumente zur berühmten Deutschen Messe: die Druckfassung von 1526 und die Predigt, die Luther zur Erprobung der neuen Messe 1525 gehalten hatte. Die Abschrift stammt von seinem Mitarbeiter Georg Rörer (1492-1557). Rörers kurze, aber bedeutsame handschriftliche Notiz war ebenfalls ausgestellt: »An diesem Tag habe ich in Wittenberg zum ersten Mal eine deutsche Messe gesungen«, heißt es da. Ein schlichter Hinweis auf das große Ereignis der Reformation. Akkurate Notation und prachtvolle Gestaltung zeigen sich in diesem Chorbuch. Die Bedeutung der Ausstellungsexponate für den Kontext ihrer Zeit beschrieb Dr. Joachim Ott: »Martin Luther war ein großer Musikliebhaber. Während sie durch die Theologie den Geist ansprachen, wollten die Reformatoren über die Musik das neue Gedankengut auch sinnlich verbreiten.« Die, die Kirche zum Klingen brachten Ein interdisziplinäres Symposium holte Luther und Bach in die Gegenwart Sie konnten sich nie begegnen. Als der eine gebo- 21 ren wurde, war der andere schon mehr als hundert Jahre tot. Und doch werden ihre Namen oft in einem Atemzug genannt, der eine inspirierte und prägte des anderen Werke. Martin Luther und Johann Sebastian Bach: Die Verbindung zwischen Theologe und Komponist symbolisiert die Stadt Eisenach. Hier wurde Johann Sebastian Bach geboren, hier auf der Wartburg übersetzte Luther das Neue Testament. In der Georgenkirche, der Taufkirche Bachs, hielt Luther oft Predigten. »Die Wahl des Tagungsortes für das Sym­ posium ›Bach als Lutheraner‹ fiel auf Eisenach, da die Stadt auf besondere Weise beide Namen mit­ einander verbindet«, sagte Regionalbischof Rein- hard Werneburg. Die fünftägige Tagung (24. bis 28. Februar), organisiert von Veranstaltern der Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem Kirchenkreis ­Eisenach-Gerstungen, vereinigte Theologie und Musik, Bach und Luther auf vielfältige Weise. Corinna Dahlgrün, Professorin für prak­ tische Theologie und Symposiumsleiterin, be- zeichnete Bachs Musik als »über weite Strecken komponierte Theologie«. Das Symposium war interdisziplinär angelegt, gab Theologen und Musikern die Möglichkeit zum Dialog. Die rund 80 ständigen Teilnehmer kamen aus ganz Deutschland, ergänzt durch viele Tagesgäste. Eingeladen waren neben Musikexperten auch interessierte Laien. Bach und Luther gelten jeder auf seine Weise als entschei- dende Impulsgeber für die europäische Musikkultur. Eine der Im Bachhaus in Eisenach – hier mit Lichtinstallationen an­ gestrahlt – wurde zu Beginn des Symposiums auch eine Sonderausstellung eröffnet. 22 zentralen Fragestellungen des Sie versinnbildlichte den Brückenschlag von Bachs und Luthers Verhältnis zu Luther zu bestim- tung von Christfried Brödel führte das Stück auf. Der »Dritte Symposiums war: »Wie ist Bachs men – ist Bach ein Lutheraner? Und wenn ja, wie sieht seine Interpretation lutherischer Theologie aus?« Außerdem wollte das Symposium eine Brücke von beiden historischen Persönlichkei- Theil der Clavierübung« war Thema für den Bereich »Orgelmusik«. Ihm widmete sich auch ein Workshop unter Leitung von Professor Christoph Bossert. Zum Abschluss des Symposiums brachte das Ballettensemble des Landestheaters Eisenach eine getanzte Version zu Bachs »Kunst der Fuge« auf die Bühne. Bach, so das Fazit der Tagung, steht entgegen vieler in der Li- ten in die Gegenwart schlagen teratur begegneten Einschätzungen deutlich in lutherischer Tra- thers für die heutige Musikkultur hat er lutherische Theologie musikalisch vermittelt. und die Impulse Bachs und LuDas Ensemble Amarcord sang in der Georgenkirche. Musik in die Gegenwart. Die Meißner Kantorei 1961 unter Lei- ausloten. Dies geschah in Vorträ- gen und Workshops, in Gottesdiensten und öffentlichen Konzerten. Professorin Corinna Dahlgrün sprach über die leichte Provo- kation des Symposiumtitels: »Einige Katholiken, die ich näher kenne, sind mir im Vorfeld eine ganz kleine Spur eingeschnappt gewesen, als sie unseren Symposiumtitel gesehen haben: ›Was heißt hier Lutheraner, er gehört uns doch auch!‹ Das würde ich tatsächlich so nicht sagen. Ich glaube, Bach wäre katholisch nicht entstanden«, beschrieb sie. Das Programm verband verschiedene Stile und Herange- hensweisen an Bach und Luther: Avantgarde und klassische Kantate, A-cappella-Darbietung und getanzte Interpretation. Die Aufführung von Henning Frederichs »Passionserzählung« der Maria Magdalena (1985) geriet zu einem der Höhepunkte. dition. Nahezu unabhängig von der Prägung seiner Librettisten Himmlische Töne für göttliche Worte Bachhaus Eisenach zeigte »Luther und (Bachs) Musik« Das Gemälde war kaum trocken geworden, da übergab es Künst- er die Voraussetzungen für Bachs spätere Tätigkeit als Kantor »Es ist wohl eine der ganz wenigen Darstellungen, die Johann Kantaten und Orgelwerke genutzt. Die Bezüge zwischen beider ler Jost Heyder seinen Auftraggebern vom Bachhaus Eisenach. Sebastian Bach ohne Perücke zeigt«, sagte Bachhaus-Direktor Jörg Hansen. Gemeinsam mit einem 2011 entstandenen Gemälde, das Martin Luther zeigt, setzte der neue Bach einen visuellen Akzent in der Sonderausstellung »Luther und (Bachs) Musik«(25. Februar bis 11. November). Unverstellt zeichnet der Künstler Heyder beide Figuren. In und Organist. Von 37 Lutherliedern hat der Komponist 30 für Leben sind vielfältig. Acht Hörstationen gliederten die Ausstellung. Sie präsentierten Lieddichtungen Luthers in mindestens je einer Bachschen Fassung. Erläuterungen verdeutlichten, dass Bach bis ins kleinste Detail bemüht war, die theologischen Aussagen Luthers musikalisch umzusetzen. »Luthers Lieder haben mehr Seelen verdorben als alle seine »Die Inspiration des Johann Sebastian Bach«, wie er sein Bild ti- Schriften und Reden«, bekannte 1620 der Jesuit Adam Contzen. scheint mit seinem Finger eine Melodie in die Luft zu schreiben. Musik zur Propagierung seiner Lehre und zur Erneuerung des telte, sitzt der Komponist mit geschlossenen Augen da und Es sei ihm nicht um eine ohnehin nicht mehr zu leistende Originaltreue des Bildnisses gegangen, nicht um die Kopie einer historischen Darstellung, sondern um den intimen Moment, sagte der Künstler. Diese Echtheit war ihm auch bei der Darstellung Luthers wichtig. »Der junge Luther als Mönch«, zeigt den Reformator in ein Buch vertieft. »Luther ist hier ganz befreit von der üblichen Patina aus nationalem Pathos und volkstümlicher Bärbeißigkeit«, erklärte Bachhaus-Leiter Hansen. Die Ausstellung, die zur Vorbereitung des Reformationsjubi- läums 2017 von der Thüringer Landesregierung gefördert wurde, legte den Akzent stärker auf den Reformator und seine Lieder. »Bach schummelt sich hier dazwischen«, sagte Hansen. Luther, der an der Erfurter Universität auch Musik und Kontrapunkt studiert hatte und selbst Laute spielte, rückte den Gemeinde- und Chorgesang in den Mittelpunkt seiner Gottesdienste. So schuf Kein anderer Reformer setzte so konsequent auf die Macht der Gottesdienstes. Für die Ausstellung wurde im Bachhaus die Lu- therstube der Wartburg nachgebaut. Vor allem Gesangbücher spiegelten Luthers musikalische Leistung wider. Das Achtliederbuch – die Mutter aller Gesangbücher, das Erfurter Enchiridion oder auch das Eisenacher Kantorenbuch von 1540, das Noten von Johann Walter, Ludwig Senfl oder Josquin Desprez enthält, waren einige der wertvollen Exemplare, die die Schau im Bachhaus zeigte. Auch die Kopie einer Fälschung war zu sehen. 1895 tauchte Luthers Lied »Ein feste Burg« als Buchwidmung von Luthers Hand auf und wurde zunächst als sensationelles Autograph gefeiert. Es stammte jedoch nicht vom Reformator. Mittels eines Mikroskops wurde der Fälscher Herrmann Kyrieleis überführt. Die Tinte war ihm in Wurmlöcher neueren Datums gelaufen. 23 Klangvoll, berührend und ganz im Sinne Luthers Magdeburg feierte 50 Jahre Telemann-Festtage und das Themenjahr »Reformation und Musik« 24 »Keiner kann so heitere, im besten Sinne unterhaltende Musik in Das Konzert »Telemann und Luther« ließ die Lieder des Re- Moll schreiben«, sagte Burkhard Schmilgun vom Label cpo Ge- formators in Telemanns Bearbeitungen aufleben. Das Bach Con- Telemann (1681 bis 1767). Unnachahmliche Eleganz in der melo- interpretierten die vielfarbigen Kantaten Telemanns. Texte und orgsmarienhütte trefflich über den Komponisten Georg Philipp dischen Erfindung, Charme, Witz und Esprit, schrieb er dem Komponisten zu. Andererseits könne er Trauermusiken berührend wie kaum ein anderer schreiben. Tatsächlich gab Telemann in der ersten Hälfte des 18. Jahr- hunderts der Komposition und der Musikanschauung neue Impulse und prägte so die Musikwelt. Die Verbindung zu Martin Luther ist ihm in die Wiege gelegt. Seine Vorfahren waren seit Generationen Pfarrer, er selbst galt als standhafter Lutheraner. Viele seiner Vertonungen beziehen sich auf Texte lutherischer Geistlicher. Dennoch ließ es sich der Musiker nicht nehmen, auch für katholische Messen zu komponieren. Er hinterließ ein umfangreiches, vielseitiges Werk, das vor al- lem in seiner Hamburger Zeit entstand. 1721 wurde Telemann in sort Leipzig spielte unter Gotthold Schwarz. Namhafte Solisten Lieder aus dem Kernbestand protestantischen Liedgutes dienten dem Komponisten 30 Jahre lang als Grundlage für eigene Werke. Die Kompositionen aus unterschiedlichen Jahrgängen erklangen erstmals wieder in der heutigen Zeit. Zu hören gab es unter anderem das bekannte Lied »Ein feste Burg ist unser Gott«, das Vaterunser-Lied oder das bereits 1524 in Magdeburg in Umlauf gebrachte »Es woll’ uns Gott gnädig sein«. Choralbearbeitungen Telemanns über die Melodien von Lutherliedern für die Orgel ergänzten das Programm und betonten die besondere Handschrift des Komponisten. Ganz im Sinne Luthers bezog Telemann die Gemeinde in die musikalische Form der Verkündigung mit ein. Die Magdeburger Telemann-Festtage sind über die Landes- Hamburg Cantor Johannei und Director Musices. Geboren aber grenzen hinaus bekannt. Liebhaber der alten Musik erleben dort mann-Festtage statt. Unter dem Titel »betont. 50 Jahre Tele- spielsweise Hille Perl, Reinhard Goebel sowie Ludwig Güttler wurde er in Magdeburg. Ihm zu Ehren finden jedes Jahr die Telemann aus Magdeburg« (9. bis 18. März) standen die Jubiläums- Feierlichkeiten gleichzeitig im Zeichen des Themenjahres »Reformation und Musik.« Aus der Fülle der musikalischen Überlieferungen wählten die Veranstalter klug aus. Zu hören gab es fünf liturgische Musiken aus fünf verschiedenen Zyklen. Traditionelle und moderne musikalische Formen aus geistlichen und welt­lichen Quellen trafen aufeinander. namhafte Solisten und Ensembles. In diesem Jahr traten beiund die Virtuosi Saxoniae auf. 25 Texte und Lieder aus dem Kernbestand protestantischen Liedgutes dienten Telemann 30 Jahre lang als Grundlage für eigene Werke. In Magdeburg wurden sie vom 9. bis 18. März aufgeführt. Gift aus Rom beim Schumann-Fest Zwickau feierte mit zahlreichen Aktionen »Reformation und Musik« 26 Als Gift aus Rom bezeichnete ein unbekannter Lieddichter die unter den Titel »Schumann und Luther« zu stellen. Der Kompo- dies eine äußerst mutige Umschreibung. Thomas Synofzik, Lei- ­Luther. Die Entwürfe waren in der Ausstellung zu sehen. Ebenso Lehren des Papstes. Als der Text vor 500 Jahren entstand, war ter des Schumann-Hauses in Zwickau, hatte rund 100 PapstSchmäh-Lieder gefunden, die Clemens VII. und später Paul III. kritisierten. So sangen die Lutheraner beispielsweise davon, dass sich der Papst zu Tode gefallen habe – von seinem hohen Stuhle. Synofzik hatte im Quellenbestand der Ratsschulbibliothek nist selbst versuchte sich 1851 an einem Oratorium für Martin gab es eine Bibel, die Schumann schon zu Schulzeiten besaß und Notenaufzeichnungen zu zwei Sterbechorälen nach Texten Luthers: »Wenn mein Stündlein vorhanden ist« und »Mitten wir im Leben sind«. Auch im Schaffen des Komponisten also zeigen sich die Spuren des Reformators. Zur Eröffnung des Musikfestes erklang Schumanns Werk reformatorische Druckschriften entdeckt, die zu Reformations- »Das Paradies und die Peri«. Das weitere Programm bot unter dichteten. »Weltweit gibt es wahrscheinlich keine vergleichba- sche Kirchenmusik. Der Gitarrist Reinhard Börner beispiels- zeiten bekannte Volkslieder zu päpstlichen Spottliedern umren Bestände für das 16. Jahrhundert«, sagte Synofzik. Im Rahmen des Schumann-Festes (7. Juni bis 8. Juli) gab das Kölner Ensemble »Music for a While« eine Kostprobe im Schumann-Haus. Reformation und Musik zeichnen auch in Zwickau Zusam- menhänge: Sie gilt als zweite Stadt nach Wittenberg, in der – 1523 – die Reformation eingeführt wurde. Gleichsam ist Zwickau als Heimatstadt des berühmten Komponisten Robert Schumann (1810 bis 1856) bekannt. Schumanns Vater August veröf- fentlichte in seinem Verlag »Gebrüder Schumann« einst eine Ausgabe, die Schriften Luthers und Portraitstiche von Reformatoren enthielt. Gründe genug für den Leiter des Robert-Schumann-Hauses, anlässlich des Jahresthemas »Reformation und Musik« das Schumannfest und eine Sonderausstellung (8. Juni bis 9. September) anderem Kompositionen aus der Reformationszeit und sächsiweise interpretierte im Konzert »Martin Luther – Choräle auf sechs Saiten« (24. Juni) Luthers Kirchenlieder auf der Akustikgi- tarre und verband sie mit Elementen aus Klassik, Folk und Jazz. Am 29. Juni startete der MDR MUSIKSOMMER im Dom Sankt Marien seine Reihe »Lutherorte«. Das Schumannfest schloss mit »echt stark«, dem Landesposaunenfest am 7. und 8. Juli. In- tegriert in die Veranstaltungen war der XVI. Internationale Wettbewerb für Klavier und Gesang (7. bis 17. Juni) mit rund 200 Teilnehmern aus 37 Ländern. Vorort protestantischer Musikkultur »Luther, Lübeck und die Musik«: Frühjahrstagung der Luther­ gesellschaft in der Hansestadt Lübeck und der Komponist Dietrich Buxtehude 27 (um 1637 bis 1707) stehen in engem Zusammenhang. Durch ihn geriet die Hansestadt vor allem im 17. Jahrhundert zu einem Vorort protestantischer Musikkultur. Zum Jahresthema »Reformation und Musik« veranstaltete die Luther-Gesellschaft hier ihre Frühjahrstagung (4. bis 6. Mai) unter dem Titel: »Luther, Lübeck und die Musik.« Die chronologische Darstellung zeichnete die Geschichte der Stadt in der Reformation. Referent Uwe Rieske sprach über die reformatorische Idee. Sie hatte im 16. Jahrhundert auch Lübeck erreicht und sich nach einigen Rückschlägen schließlich durchgesetzt. In Lübeck war die Musik für die Reformation ein zentrales Thema – besonders beim Sing- krieg im Advent 1529. Nach den Predigten stimmte die Gemeinde oft evangelische Psalmgesänge an. Ein klares Zeichen, sich für die Reformation öffnen zu wollen. Der Musikwissenschaftler und Direktor des Brahms-Insti- Johannes Bugenhagen etablierte 1531 die erste evangelische tuts an der Lübecker Musikhochschule, Wolfgang Sandberger, künftig in die Hand der Gemeinde oder des Superintendenten zu tantische Musikkultur in der Hansestadt im 17. Jahrhundert und Lübecker Kirchenordnung. Die Idee, das Kirchenregiment zulegen, konnte er jedoch nicht durchsetzen. Das war im Vergleich zu den bekannten mittelalterlichen Strukturen dann doch zu revolutionär. Selbst auf eine eigene Musikkultur kann die Hansestadt stolz zurückblicken. Hermann Bonnus etablierte sie mit seinem neuen Gesangbuch. sprach – unterlegt mit vielen Musikbeispielen – über die protesbeleuchtete da vor allem Leben und Werk des dänisch-deutschen Meisters Dietrich Buxtehude. Mit Hugo Distler (1908 bis 1942) hatte sich der Musikwissen- schaftler Stefan A. Reinke beschäftigt. Ein weiterer Vertreter »Luther, Lübeck und die ­Musik« – unter diesem Motto fand in der Hansestadt die Frühjahrstagung der LutherGesellschaft statt. bezieht sich Mann in den »Betrachtungen eines 28 Unpolitischen« (erschienen 1918) wieder auf Wag- ners Musik. Diesmal interpretiert er sie als Beweis für die kulturelle Überlegenheit Deutschlands. Im »Zauberberg« (1924) ist der Protagonist Hans Castorp Wächter des Grammophons und wählt insbesondere Schuberts Kinderlieder. 1947 dann die Geschichte des »deutschen Tonsetzers« Adrian Lever- kühn in »Doktor Faustus«. Im Roman begründet Leverkühn die Zwölftonmusik. Referent Prof. Dr. Dr. Johannes Schilling be- fasste sich mit Luthers reformatorischer Musikauffassung sowie mit dem Luther­zitat »Die Musik habe ich immer geliebt«. Getreu dem Gedanken »Keine Tagung über Musik ohne Musik« zählte auch Musikalisches zum Mittelalterliche Gebäude in Lübeck entführen in ­historische Zeiten. Denen ­widmete sich die Luther-­ Gesellschaft. Programm. Bei einem Orgelkonzert in der Sankt protestantischer Musikkultur, der im Mittelpunkt der Tagung Marienkirche spielten Christiane Godt aus Kiel und Martin Sche- Der Musik in der Literatur widmete sich der Leiter des Bud- Baumert und Gustav Merkel. Eine Liedpredigt im Dom zu Lübeck stand. Distler wirkte von 1931 bis 1937 in der Stadt an der Ostsee. denbrock-Hauses, Prof. Dr. Hans Wißkirchen. Lübeck ist schließlich die Stadt der Familie Mann und Thomas Manns Roman »Die Buddenbrocks« ihr literarisches Denkmal. Thomas Mann liebte Richard Wagners Musik – von einem Besucher im Hause Buddenbrook als »parfümierter Qualm« bezeichnet – und schätzte den Bayreuther Komponisten als Vertreter der Moderne. Und so rer aus Lübeck Stücke von Johann Sebastian Bach, Leberecht thematisierte den Zusammenhang von Luthers Theologie und Musik. Studierende der Musikhochschule Lübeck gestalteten eine Orgel- und Chorvesper in der Seefahrerkirche Sankt Jacobi. Ein eigenwilliger Interpret der Musica Händel-Festspiele in Halle mit einem Programm zum musikalischen Sohn der Stadt und zu Luther Halle zeichnete sich eng verbunden mit dem Jahresthema der 29 Lutherdekade »Reformation und Musik«. In der Saalestadt befindet sich die Lieblingsresidenz des Kardinals Albrecht von Brandenburg. Er war ein großer Befürworter des Ablasshandels und mächtigster Widersacher Martin Luthers. In Halle trat der Reformator erstmals gegen ihn auf, später predigte er mehrmals in der Marktkirche. Als Geburtsstadt Georg Friedrich Händels ist die Stadt gleichsam eng mit der Musik verbunden. Mit den thematischen Reihen »Händel und die Konfessio- nen« und »Nach Luther« griffen die Veranstalter in elf Auffüh- rungen und einer Sonderausstellung das Thema »Reformation und Musik« bei den Händel-Festspielen 2012 vom 31. Mai bis 10. Juni auf. Dabei berücksichtigten sie die unterschiedlichen konfessionellen Strömungen, die Händel in seiner Zeit begegnet waren. Beispielsweise erklang die Brockes-Passion, Händels einzige deutschsprachige Passionsmusik. Ein weiteres Konzert war Händels Lehrer, dem protestantischen Kirchenmusiker Friedrich Wilhelm Zachow, gewidmet. ria auch Instrumentalstücke von Scarlatti, Corelli und Marcello. ten, die durch Luthers Wirken und die Reformation vor allem im genspieler Kardinal Albrecht das Sagen hatte, wurde in einem In der Reihe »Nach Luther« erklangen Kompositionen an Or- 17. und 18. Jahrhundert bedeutsam geworden waren. Beispielsweise bot das Bozen Baroque Orchestra mit »Der ökumenische Musiker … ein Lutheraner in Rom« ein italienisches Programm im Händel-Haus und im Lutherhaus der Lutherstadt Witten- berg. Gespielt wurden neben Händels Werken für die römischkatholische Kirche wie Salve Regina, Laudate Pueri und ein Glo- In der Magdalenenkapelle der Moritzburg, wo einst Luthers Ge- Konzert die Musik aus dem Umkreis von Papst Leo X. derjenigen von Luther gegenübergestellt. In der Marktkirche zu Halle gaben der RIAS Kammerchor und die Akademie für Alte Musik Berlin Händels Oratorium »Joshua«. Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bernd Neumann, und das Land Sachsen-Anhalt förderten die Reihe »Nach Luther«. Unter dem Titel »Der Löwe und die Nachtigall« gab es eine musikalische Begegnung von Papst Leo X. und Martin Luther mit dem Schweizer Ensemble »La Morra«. 30 Händels Oratorium »La Resur­ rezione« wurde im GoetheTheater in Bad Lauchstädt aufgeführt. Die Schirmherrschaft der Händel-Festspiele 2012 hatte die anderen Konfessionen und der Opernwelt.« Schließlich schlug 2017, Margot Käßmann, übernommen. Im Grußwort betonte mationsjubiläum 2017 ist als einladendes Jubiläum geplant, Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum sie die Liebe Luthers zur Musik: »Der Ton des Wittenberger Re- formators wird überschwänglich, wenn er von der Musica spricht. Es ist so, als spräche er über einen vertrauten Menschen, da ist ein zarterer Klang in seiner Stimme als bei so man- cher Disputation.« Zum Musiker Händel stellte sie die Frage, ob er »eine Art Grenzgänger gewesen sei, zwischen kirchlicher Bindung und kultureller Weltläufigkeit, zwischen Luthertum, den Käßmann den Bogen zum Reformationsjubiläum: »Das Refordessen Strahlkraft – ähnlich wie das Lebenswerk Händels – weit über den mitteldeutschen Raum, ja sogar über den deutschen Sprachraum, auch über den kirchlichen Binnenraum, den die Konfessionen vorgeben, hinausweist.« Mit Georg Friedrich Händel habe Martin Luther einen eigenwilligen Interpreten der »Musica« gefunden. Johann Walter, Torgau und die evangelische Kirchenmusik Tagung auf Schloss Hartenfels brachte neue Ergebnisse In der Schlosskirche zu Torgau muss der Komponist und Kantor Johann Walter sein Schlüsselerlebnis gehabt haben. Am 15. Oktober 1544 weihte Martin Luther die Kirche ein, die Kirchweih- taktiert. Außerdem gilt der in Kahla geborene Walter hatte durch Heirat und Beharrlichkeit motette schrieb Johann Walter und führte sie auch selbst auf. einen ansehnlichen Wohlstand erreicht, lebte Friedrich, Martin Luther und Philipp Melanchthon, allesamt war er – bis zu seinem Tod mit 74 Jahren – beses- Das Stück war gleichsam eine Huldigung an Kurfürst Johann Männer, die Johann Walter aus vollem Herzen verehrte. Im Rahmen der Lutherdekade wurde das Thema »Johann Walter, Torgau und die evangelische Kirchenmusik« während einer abwechslungsreichen und gut besuchten Tagung auf Schloss Hartenfels diskutiert. Mit dabei waren Wissenschaftler aus Würzburg, Torgau, Heidelberg, Jena, Hannover und Dresden. Aus den Vorträgen, Texten und sonstigen Materialien entstand ein reich bebildertes Buch, herausgegeben vom Altenbur- ger Verlag Klaus-Jürgen Kamprad in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden und der Jo- hann-Walter-Kantorei Torgau. In seinem Geleitwort für das mehr als 300 Seiten umfassende Buch verweist Christian Thiele- aber bescheiden. Von seiner Aufgabe als Musiker sen. Nach dem Ende des Schmalkaldischen Krie- ges bot der neue albertinische Kurfürst Moritz Johann Walter die Stelle des Hofkapellmeisters an. Dieser ergriff die Gelegenheit und gründete die Sächsische Hofkapelle, die heutige Sächsische Staatskapelle Dresden. Nach 1550 wech- selte er nach Dresden. 1554 kehrte Johann Walter nach Torgau zurück und starb am 10. April 1570 im Haus seines Sohnes in der Breiten Straße. ­Johann Walter ist auf dem Friedhof an der Hospitalkirche beigesetzt. Die Ergebnisse aus Tagung und Buch korrigieren zahlreiche mann, Chefdirigent der Staatskapelle Dresden, auf die musikhis- bisherige Ansichten über Johann Walter. Vorgestellt wird er als sik bis in die Gegenwart reicht. Kantorei und als Bürger der Stadt Torgau. torische Dimension Walters, die auch außerhalb der KirchenmuJohann Walter hatte in seinem Leben viele Lutherlieder ver- tont. Von ihm stammt auch das erste evangelische Chorgesangbuch, das Geistliche Gesangbüchlein von 1524. Die Zusammenarbeit mit Martin Luther war groß. 1525 wurde Walter vom Reformator für die Ausarbeitung seiner »Deutschen Messe« kon- 31 Protestant als Urkantor der evangelischen Kirche. Komponist, Kapellmeister, Begründer der ersten bürgerlichen Neue Ergebnisse über Johann Walter wurden im Buch zur Tagung zusammengefasst. 366+1 Kirche klingt 2012 Konzert Nr. 236 des Projektes »366+1, Kirche klingt 2012« am 23. August 2012 in der St. Johannes-Kirche in Rerik. 198 Konzerte im Domino-Prinzip Das Projekt »366+1, Kirche klingt 2012« e ­ rfüllte ein Jahr lang jeden Tag eine Kirche in Deutschland mit Musik 199 216 213 250 215 251 212 2 00 217 201 211 214 207 209 241 206 202 205 197 203 232 210 204 179 218 180 166 196 181 244 245 252 247 246 253 237 2 40 231 185 183 189 187 184 193 192 261 264 226 266 287 142 270 272 144 273 285 284 303 172 283 304 173 119 112 159 136 133 302 157 155 122 125 123 148149 150151 312 313 315 3 09 311 116 111 109 108 100 107 105 106 104 103 297 138 139 317 99 299 jahres 2012 im Rahmen des Themenjahres der Lu- 74 82 84 85 76 80 77 320 97 332 335 329 78 326 93 338 339 328 71 15 73 chen in ganz Deutschland. Kirche und Zivilgesellschaft 16 14 72 6 brachten im Miteinander der Musizierenden gemein- 7 12 70 8 69 beginnend am 1. Januar 2012 in Augsburg, endend am 31. Dezember 2012 in Zittau. Dazwischen zog sich das Band Tag 59 67 66 64 65 60 63 56 an der Nord- und Ostseeküste, um am Reformationstag in Mit- teldeutschland und zur Weihnacht im Erzgebirge zu sein. Hinter dem magischen Kürzel »+1« verbarg sich das Besondere des christlichen Glaubens: die Auferstehung in der Osternacht. Das Konzert »+1« fand in Fritzlar statt. Eingeladen waren bundesweit alle Akteure der Musik. Alle Stile und Richtungen wurden berücksichtigt: neben professio- 5 13 19 55 20 9 11 62 61 25 39 10 21 31 24 29 37 50 22 27 53 51 49 26 28 52 für Tag durch Deutschland. Es startete in Bayern und Baden- Württemberg, im Sommer zog es entlang der Tourismuszentren 4 58 57 54 68 17 32 23 33 35 34 30 38 36 40 48 47 46 1 3 44 42 43 41 45 18 341 340 346 336 2 348 343 337 324 325 88 89 342 345 344 361 359 349 350 334 327 94 91 3 60 333 330 323 90 86 87 358 351 319 321 364 2 88 362 357 353 331 322 81 83 79 75 300 301 +1 95 101 295 356 352 318 klingt 2012« zog sich durch alle 366 Tage des Schalt- 354 355 92 96 2 96 298 316 102 98 reen und musikalischen Gottesdiensten durch die Kir- 33 277 314 308 310 274 276 307 140 279 278 275 306 160 165 113 293 2 80 305 154 153 156 152 161 164 158162 282 281 134 137 163 114 124 121 120 126 In dem bundesweiten Projekt »366+1, Kirche zigartige Liedsammlung, zum Klingen – an jedem Tag, 128 131 127 115 118 117 rer Güter und Gaben. Intensität und Identität der Kir- sam das kulturhistorische Gut der Reformation, ihre ein- 129 132 169 chenmusiker säen und ernten hier mit der Vielzahl ih- 2 89291 292 2 86 2 90 294 135 130 171 110 2 69 145 146 178 170 267 271 147 174 mino-Prinzip verbundenes Band von Konzerten, Soi- 263 143 176 175 therdekade »Reformation und Musik« ein im Do- 262 265 2 68 188 190 191 258 259 2 60 230 141 177 186 194 Solisten in ihren Bann. 257 255 223 167 chenmusik ziehen auch unzählige freie Ensembles und 254 256 234 222 221 220 168 Musik in der Kirche hat viele Gesichter: Nicht allein die Kir- 249 228 229 224 182 195 227 225 242 239 235 236 238 233 208 219 248 243 347 365 366 363 ­Festtagen aufgeführt. Insgesamt standen damit 34 77 Lieder im Zentrum des Projektes. Zu diesen 77 Leitliedern erschien im Bärenreiter Verlag Kassel eine Sammlung, in der jedes Werk mit wenigstens drei verschiedenen Chorsätzen präsent ist – »Frau Musica spricht … Chorbuch Reformation«. Als Praxishilfe erschien außerdem das Buch »Kirche klingt – 77 Lieder für das Kirchenjahr«. Ein weiteres Bindeglied von »366+1, Kirche klingt 2012« war die Chronik, ein täglich mitwandernder, ein- maliger Almanach von 367 verschiedenen Musik­ ensembles aus allen Landeskirchen und Bundesländern. Das bundesweite Projekt »366+1, Kirche klingt 2012« wurde von Klaus-Martin Bresgott initiiert und projektiert und in Kooperation zwischen dem Johannisempfang der EKD zum Themenjahr: Bundes­ präsident Dr. h.c. Joachim Gauck und Präses Dr. h.c. Niko­ laus Schneider erkundigen sich beim Initiator des Projektes Klaus-Martin Bresgott nach dem Fortgang der Stafette. nellen Ensembles fanden sich Bläserchöre kleiner Dorfkirchen, neben dem Jugendchor einer Großstadt spielte der Organist einer Landgemeinde. Ein wesentliches Bindeglied des Projektes waren die eigens dafür ausgewählten Leitlieder. Diese bildeten die klingende Überschrift für jeweils eine Woche. Sie waren über sieben Tage unter anderem als Chorwerk, Bläserstück, im Crossover und als Orgel-Improvisation zu hören. Zu den 52 Leitliedern des Jahres wurden Songs zu den Kirchenjahreszeiten und besonderen Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie den teilnehmenden Gemeinden finanziert. Die Organisation oblag dem Kulturbüro des Rates der EKD in Zusammenarbeit mit den Wochenmanagerinnen und Wochenmanagern sowie mit den Musikerinnen und Musikern vor Ort. Diskussionen über eine universale Kunstform Symposium »Frau Musica spricht« in ­Wittenberg zu Protestantismus und Musik Für die Reformatoren war Musik ein wesentlicher 35 Teil ihres kulturellen Selbstverständnisses. Die Reformation belebte Choral und Gemeindegesang und löste eine einmalige musikalische Entwicklung aus. Einerseits galt bis ins 18. Jahrhundert Musik als eher niedere Kunst, weil sie hauptsächlich auf die niederen Gemütskräfte wirke. Anderseits wurde sie als abstrakteste und damit universale Kunstform verstanden, verwandt der Mathematik. Diese Spannung ist ein Indiz für die enorme Spannbreite der Deutungen des Verhältnisses von Religiosität und Musik. Das Wittenberger Symposium »FRAU MUSICA SPRICHT – Der Protestantismus und die Musik« (20. bis 22. Januar) beschäftigte sich mit der Stellung der Musik in der protestantischen Frömmig- keit und ging den Wirkungen protestantischer Musikkultur nach. Ihre zeitweise zentrale Stellung im mitteleu- ler und Autor, Hamburg), Prof. Dr. Konrad Klek (Theologe und che Rolle sie heute spielt und spielen könnte. Darüber referier- Hochschule für Kirchenmusik, Halle an der Saale), Thomas Mei- ropäischen Kulturleben war ebenso Thema wie die Frage, welten und diskutierten Prof. Dr. Dr. Christfried Brödel (Rektor der Hochschule für Kirchenmusik, Dresden), Prof. Dr. Peter Bubmann (Professor für Praktische Theologie, Erlangen), Landes­ kirchenmusikdirektor Dietrich Ehrenwerth (Evangelische Kirche Kirchenmusiker, Erlangen), Prof. Wolfgang Kupke (Rektor der necke (Schriftsteller und DJ, Berg) sowie die beiden Komponisten Frank Schwemmer (Berlin) und Thomas Jennefelt (Stockholm). Spezielle Aufmerksamkeit galt der Neuen Musik des 20. und Mitteldeutschlands, Erfurt), Kirchenmusikdirektor Gunther 21. Jahrhunderts. Vor jeder Veranstaltung war Musik zu hören – tern und Jerusalem), Prof. Dr. Sven Hiemke (Musikwissenschaft- Martin Bresgott. Zum Thema »Reformation hören. Bezüge zur Martin Göttsche (Komponist, Herausgeber und Autor, Schlüch- mit dem Athesinus Consort Berlin unter der Leitung von Klaus- Prof. Dr. Sven Hiemke reflek­ tiert das Selbstverständnis der kirchenmusikalischen Erneue­ rungsbewegung, die in den 1920er Jahren gewachsen ist. 36 In der Wittenberger Schloss­ kirche präsentiert das ­Athe­sinus Consort Berlin eine ­Uraufführung und andere zeitgenössische Werke. Reformation in der Musik des 19. Jahrhunderts« erklangen Werke Schlaf« (Text: Christian Lehnert und Rainer Maria Rilke) von Frank »Volkhaft? Völkisch? Zum reformatorischen Selbstverständnis Sängerin Pascal von Wroblewsky, Gitarrist Jürgen Heckel und Sa- von Fanny Hensel und Felix Mendelssohn Bartholdy. Zum Thema der kirchenmusikalischen Erneuerungsbewegung« ertönten Werke von Hugo Distler, Ernst Pepping, Willy Burkhard und Kurt Schwemmer. In dem Konzert »SPANNUNGEN« brachten Jazzxophonist Uwe Steinmetz auch populäre Formen ein. Das Symposium war eine Sonderveranstaltung des bundes- Hessenberg. In die Diskussion »UNERHÖRT – Neue Kompositio- weiten Projektes »366+1, Kirche klingt 2012« in Kooperation zwi- Werken von Frank Schwemmer (*1961), Thomas Jennefelt (*1954) büro des Rates der EKD und der Forschungsstätte der Studien­ nen in der kirchenmusikalischen Praxis« führte das Ensemble mit und Jan Sandström (*1954) ein. Einer der Höhepunkte des Symposiums war die Uraufführung des Tryptichons »Du bist mein schen der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt, dem Kultur­ gemeinschaft e.V. (FEST) Heidelberg. Passion als Bekenntnis Aufführung der »Passio Domini nostri Jesu Christi« von Kjell Mørk Karlsen 37 Jede Musik braucht ihre Interpreten – Singende und Musizie- Sängerinnen und Sängern der Jugendkantorei, deren professio- dass die darin ruhende spirituelle Kraft so resonant wird, dass hatte. Nicht minder wussten die Solisten zu gefallen – Johannes rende, die mit der Musik und ihrem Text so umgehen können, das Erlebnis für Ausführende und Zuhörende eins wird. Die Aufführung der »Passio Domini nostri Jesu Christi« des norwe­ gischen Komponisten Kjell Mørk Karlsen (*1947) am 25. Februar in der Dreifaltigkeitskirche in Speyer durch die Evangelische ­Jugendkantorei der Pfalz unter Landeskirchenmusikdirektor ­Jochen Steuerwald offenbarte diese Erkenntnis in besonderer Art und Weise. Zweifellos lag das einerseits an den exzellenten nelle Herangehensweise und Gestik großen Anteil am Gelingen Kaleschke als Evangelist, Manfred Bittner als Pilatus und Hans Christoph Begemann als Jesus. Auch die Instrumentalisten – Andrius Puskunigis und Antoine Cottinet (Oboen), Burkhard Weber und Juliane Flaksmann (Celli) sowie Markus Henz (Orgel) – inter- pretierten das Werk in seiner ganzen Vielschichtigkeit und Tiefe. Schließlich aber war es die Komposition selbst, die eine starke Wirkung zeigte und in ihrer sparsamen, dabei ungeheuer Konzentriert und einfühlsam: Die Evangelische Jugend­ kantorei der Pfalz. 38 Unter dem präzisen Dirigat von Landeskirchenmusik­ direktor Jochen Steuerwald wird die Aufführung zu einem noch lange nachhallenden Genuss. intensiven Durchdringung des Passionsgeschehens äußerst Mendelssohn Bartholdys (1809–1847). Dann erlebte das Publi- Dank Jochen Steuerwald, der souverän zu Werke ging, nichts lange nachwirkte. plastische und expressive Momente offenbarte. Dies geschah dem Zufall überließ und damit große Gestaltungsräume eröff- kum eine Passion wie ein Bekenntnis. Eine Aufführung, die Das Konzert war Nr. 56 im Rahmen des Projektes »366+1, nete. Zu Beginn des Konzertes hatte Kirchenpräsident Christian Kirche klingt 2012« in Kooperation zwischen der Ortsgemeinde und ihre besondere Stellung innerhalb der Landeskirche ver- turbüro des Rates der EKD. Schad (Evangelische Kirche der Pfalz) auf die Kraft der Musik wiesen. Das Leitlied »Aus tiefer Not schrei ich zu dir« (EG 299) erklang in den Sätzen Hans Leo Hasslers (1564–1612) und Felix Speyer, dem Wochenmanager Jochen Steuerwald und dem Kul- Die 10 Gebote 10.000 Besucher beim Pop-Oratorium in der SAP-Arena in Mannheim 39 10.000 waren gekommen, um zu sehen, zu hören und sich faszi- Auf der Bühne agierten Michael Eisenburger als Mose, Ba- nieren zu lassen von einer glamourösen, erlebnisreichen Show har Kizil als Zipporah, Frank Logemann als Aaron, Stefan Poslov- Mannheim. Sie ließen sich von dem Slogan der Creativen Kirche Das junge Orchester NRW und eine dynamisch auftrumpfende um Mose und die 10 Gebote am 26. Februar in der SAP Arena in Witten »Freunde finden – Gott begegnen – besser leben« inspirieren – und 2.800 Sängerinnen und Sänger aus den Kirchenchö- ren der eigenen und der angrenzenden Landeskirchen sangen und begeisterten das Publikum. ski als Pharao sowie Yosefine Buohler und Paul Falk als Erzähler. Band waren für den Groove und die atmosphärische Dichte zuständig. Sie zelebrierten das Pop-Oratorium ganz so, wie es Librettist Michael Kunze (*1943) und Komponist Dieter Falk (*1959) entworfen und komponiert haben. Das abendfüllende Werk Die Stimmen Tausender füllen die Mannheimer SAP-Arena mit geistlicher Musik. 40 Paul Falk als singender ­Erzähler (links) und einer der 77 Kirchenchöre (rechts), die beim Pop-Oratorium ­mitgewirkt haben. stand unter der Gesamtleitung von Heribert Feckler. Die Lei- Evangelischen Landeskirche in Baden sowie Pfarrerin Christine ane Brasse-Nothdurft und Maurice Antoine Croissant. wald von der Evangelischen Kirche der Pfalz. tung der tausenden Chorsänger übernahmen parallel ChristiZwischen den zwei Teilen des Abends erklang das Leitlied Klein-Müller und Landeskirchenmusikdirektor Jochen SteuerDas Konzert war Nr. 57 im Rahmen des Projektes »366+1, der Woche »Aus tiefer Not schrei ich zu dir« (EG 299) in einer ei- Kirche klingt 2012« in Kooperation zwischen der Creativen Streicher, Bass und Percussion. Musiker, Chöre und Zuhörer san- Wochenmanager Timo Rinke und dem Kulturbüro des Rates der gens hierfür von Dieter Falk komponierten Fassung für Chor, gen gemeinsam. Zu Gast waren an diesem Abend auch Landes- bischof Dr. Ulrich Fischer und OKR Dr. Matthias Kreplin von der ­Kirche Witten, der Evangelischen Landeskirche in Baden, dem EKD. 41 Bahar Kizil überzeugt als Solis­ tin in der Rolle der Zipporah. Halleluja – sing the song Gospel und Swing, Blech und Blues in Bad Salzuflen 42 Haben den Gospel verinner­ licht: »B-Joy! – sing’n’swing« aus Barntrup. Nicht nur laut, auch zart. Nicht nur mit Volldampf, auch sich wie- Rottkamp. Dazu mischten munter mit: Gunter Seidel an den len eindrucksvoll zu verbinden wusste: Am 3. Mai sah, hörte und Don Lorey am Schlagzeug. gend. Aber immer mit einer Musizierlaune, die Können und Wolerlebte das Publikum in der Stadtkirche Bad Salzuflen ein Feuer- Keyboards, Heinrich Voss am Bass und – bestens aufgelegt – Burkhard Geweke, Obmann für Kirchenmusik in der Lippi- werk des Gospels und eine Zeremonie des Blechs als eine ener- schen Landeskirche, hatte launig in den Abend eingeführt und Eingeladen hatten zu diesem Abend das Posaunenensem- stimmt. Die Bläser intonierten das Leitlied gleich noch einmal getische Stunde von Kirchenmusik, die nicht alltäglich ist. ble Retzen unter der Leitung von Matthias Limberg, der Gospelchor »Get up – Gospel and more« mit Dirigentin Waltraud Hui- zing und der Gospelchor »B-Joy! – sing’n’swing« unter Uwe das Leitlied der Woche »Der schöne Ostertag« (EG 117) ange- als Fanfare aus der Feder von Michael Schütz (*1964), dessen »Popserenade für Bläser« im Anschluss ein wippendes Wellen- bad in der Kirche vorbereitete. Duke Ellingtons (1899–1974) »It 43 don’t mean a thing« in der Bearbeitung für Bläser brachte die Zuhörerschar erst recht in Stimmung. Die beiden Gospelchöre nahmen sich nichts, schenkten den Zuhörern und sich selbst aber alles – beide sprühten vor Begeis- Dirigenten immer wieder zu Höchstleistungen angespornt. So blieb auch Edwin Hawkins (*1943) »Oh happy day« nicht nur ein Song von vielen – sondern wurde zum Song des Abends. Das Konzert war Nr. 124 im Rahmen des Projektes »366+1, terung, beide machten aus der Kirche einen Tanzsaal und ließen Kirche klingt 2012« in Kooperation zwischen der Ortsgemeinde (*1960) oder der Klassiker »Hallelujah, sing the song« von Kobi dem Kulturbüro des Rates der EKD. ihrer Freude freien Lauf. Ob »Shine your light« von Tore W. Aas Oshrat-Ventoora (*1944), ob Reuben Morgan (*1975) mit »Hear our praises« oder Brenton Brown (*1978) mit »Lord, reign in me« – die Chöre waren sehr gut vorbereitet und wurden von ihren Bad Salzuflen, dem Wochenmanager Burkhard Geweke und Nachwuchstalente an den Posaunen: Zwei Mitglieder des Posaunenensembles Retzen. Soli Deo Gloria – der Klang der Orgel über Land Wendländer Wandelkonzert auf drei ­besonderen Orgeln in Gartow, Trebel und Lüchow Woche »Nun bitten wir den heiligen Geist« (EG 124) erklang hier 44 zunächst in einer Bearbeitung von Georg Böhm (1661–1733). Landessuperintendent Dieter Rathing aus Lüneburg begleitete die Konzertreise und führte in die Texte des Leitliedes ein. Mit der Fantasie C-Dur BWV 570 von Johann Sebastian Bach (1685– 1750) offenbarte Axel Fischer die klanglichen Raffinessen und die plastische Klangschönheit der 1740 von Johann Matthias Hagelstein errichteten Gartower Orgel. Im Anschluss setzte sich der Pilgerzug Richtung Trebel in Be- wegung. In der dortigen Wehrkirche aus romanischer Zeit war das Leitlied zunächst in einer Fassung von Johann Christoph Oley (1738–1798) zu hören. Die eigenwillige Schönheit der von Johann Georg Stein erbauten Trebeler Orgel brachte der Orga- nist mit dem Trio C-Dur von Georg Andreas Sorge (1703–1778) zu Gehör. Als letzte Station stand die St. Johannis-Kirche in Lüchow Mit einem Blick hinter die historische Orgel erläutert Kreiskantor Axel Fischer in der Evangelischen Kirche in Trebel deren Innenleben … Zu einem Konzert der besonderen Art hatte Kreiskantor Axel ­Fischer am 23. Mai im blühenden Wendland geladen. Drei Orte, drei Kirchen und drei Orgeln standen auf dem Programm – und mit ihnen drei verschiedene Klangbilder unter dem gleichen Motto: Soli Deo Gloria. Zu Beginn begrüßte Axel Fischer die pilgernde Orgel-­ auf dem Programm. Auf der 2006 von der Firma Eule aus Baut- zen (Oberlausitz) errichteten Orgel ertönte monumental Josef Gabriel Rheinbergers (1839–1901) Monolog a-moll und Max Re- gers (1873–1916) Fuge D-Dur op. 59. Damit hatte Kreiskantor Axel Fischer gleichermaßen einen Gang durch 400 Jahre Musikgeschichte unternommen. Das Konzert war Nr. 144 im Rahmen des Projektes »366+1, Gemeinde in der St. Georg-Kirche im niedersächsischen Gar- Kirche klingt 2012« in Kooperation zwischen den Ortsgemein- fen von Bernstorff die Patrone der Gemeinde. Das Leitlied der chim Vogelsänger und dem Kulturbüro des Rates der EKD. tow. Schon seit dem Bau der barocken Kirche 1724 sind die Gra- den Gartow, Trebel und Lüchow, dem Wochenmanager Joa- 45 … als Vergleich dazu erklingt da­ nach die moderne Eule-Orgel in der ­Lüchower St. Johannis-Kirche. Singt (und spielt) das Lied der Freude Hippes und Heiteres mit der Kinderkantorei in St. Hippolyt Nordenham-Blexen bester Manier Einzug. Zunächst improvisierte er selbst über das 46 Leitlied der Woche »Gott gab uns Atem« (EG 432), dann kamen die Kinder mit einer einmaligen Improvisation zum Zuge: Da rauschten die Lüfte, brausten die Stürme, säuselten die Winde und fegten die Orkane, dass einem zunächst der Atem wegblieb ob der Gestaltungsfreude der Kinder. Diese wurden freilich nicht atemlos. Vielmehr wussten sie mit großer Lust am Experiment, was es heißt, zu improvisieren und dabei doch eine klingende Einheit herzustellen. Gemeinsam mit Alke Braaf und Niklas Wooge an der Blockflöte und Hauke Braaf an der Altblock- flöte spielte das Flötenquartett unter der Leitung von Johannes Kirchberg Tänze von Erasmus Widmann (1572–1634) und Domenico Scarlatti (1685–1757). Die Kinder blieben in klingender Bewegung mit Christoph Lehmanns (*1947) »Wo Menschen sich Werke des Barock für zwei Blockflöten und Orgel stehen auf dem Programm für ein buntes Nachmittagskonzert in Nordenham-Blexen. Von sommerlicher Lust getragen und wie von den frischen Winden der nahen Nordsee inspiriert, lud Kreiskantor Johannes Kirchberg gemeinsam mit dem Instrumentalkreis zu einem Kon- zert der besonderen Art. Nicht Kinderlieder erklangen, vielmehr stand »Singt das Lied der Freude« (EG 306) auf dem Programm der Kinderkantorei in St. Hippolyt Nordenham-Blexen. Und zum Singen gesellte sich am 14. Juli das Spiel in abwechslungsreicher Form dazu. Nach einem klassischen Einstieg mit der Toccata d-moll vergessen« und Dietrich Hechtenbergs (*1936) »Singt das Lied der Freude«. Kantor Kirchberg (*1968) brachte eine Bearbeitung von »Herr, deine Güte reicht so weit« für Chor, Xylophon, Percussion und Orgel sowie eine Kinderchor-Bearbeitung des Sanctus und Agnus Dei aus der Messe f-moll von Josef Gabriel Rhein- berger (1839–1901) ein. Das Klangfest mündete schließlich in dem Kanon »Who comes laughing«, mit dem die Kinder nicht nur den Spaß am Singen, sondern am Leben überhaupt eindrucksvoll sichtbar werden ließen. Das Konzert war Nr. 196 im Rahmen des Projektes »366+1, (BWV 565) von Johann Sebastian Bach (1685–1750), mit der Jo- Kirche klingt 2012« in Kooperation zwischen der Ortsgemeinde ckende Art und Weise zu Gehör brachte, hielt die Moderne in und dem Kulturbüro des Rates der EKD. hannes Kirchberg die Tradition der Kirchenmusik auf beeindru- Nordenham-Blexen, dem Wochenmanager Johannes von Hoff 47 Mit Vokalimprovisationen zum Leitlied der Woche hat die Kinder­ kantorei ihren großen Auftritt. Singen bei Sonnenuntergang am Hafen Mit »DREIKLANG« fand in Greifswald das erste Chorfest der Nordkirche statt 48 links:»Der Mond ist aufgegan­ gen« klingt vom Greifswalder Hafen bis in die Stadt hinein. Dass vom Singen und vor allem vom gemeinsamen Gesang eine dreier Landeskirchen (Nordelbien, Mecklenburg und Pommern) rechts: Gemeinsames Singen auf dem Greifswalder Markt­ platz. kenntnis. Nicht nur in den Zeiten der Reformation wurde Singen gemeinsame Veranstaltung und lockte über 3.000 Sängerinnen nach innen und außen wirkende Kraft ausgeht, ist keine neue Erals gemeinschaftsbildendes Element genutzt, und doch öffnete gerade diese Zeit den Kirchengesang und dessen Potenzial allen Gläubigen. Der Gesang in der Kirche war nun kein Privileg mehr allein für Priester, Mönche und Nonnen. Vor allem Martin Luther zur »Nordkirche« an Pfingsten 2012 war das Chorfest die erste und Sänger aus Hamburg, Schleswig-Holstein, MecklenburgVorpommern und beinahe dem gesamten Ostseeraum in die Hansestadt. Zu Beginn des DREIKLANGs war das Oratorium »Elias« von betonte den hohen Stellenwert des Singens, die darin liegende Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) unter der Leitung von Beim Chorfest DREIKLANG konnte genau dies vom 24. bis burg) zu hören, präsentiert von Solisten und einem eigens dafür Kraft für den Glauben und den Zusammenhalt der Kirche. 26. August in Greifswald erlebt werden. Nach der Fusionierung Kirchenmusikdirektor Christoph Schoener (St. Michaelis Hamzusammengestellten Chor, bestehend aus dem Chor St. Michae- lis Hamburg, der Schweriner Domkantorei und 49 dem Greifswalder Domchor. Dazu spielte die Danziger Philharmonie in dem bis auf den letzten Platz besetzten Dom St. Nikolai. Vom gemeinsamen Singen, Ausprobieren und gegenseitigem Kennenlernen war der Samstag geprägt, mit zahlreichen Chorateliers, Musik am Greifswalder Marktplatz, Singen bei Sonnenuntergang am Hafen und schließlich die internationale »Nacht der Chöre« in den Kirchen der Stadt. Mit Werken estnischer Komponisten begeisterte in dieser Nacht besonders der Kammerchor des Altstadt-Gymnasiums Tallinn. Nach dem Besuch von Gottesdiensten in und um Greifswald war ein Höhepunkt des dreitägigen Festes am Sonntagnach- mittag die Uraufführung der Jazz-Kantate »Gott ist gegenwär- Am Abschluss des Chorfestes stand ein Konzert des renom- tig« von Uwe Steinmetz (*1975). Sie führte mit einer klangvollen mierten Eric Ericson Kammerchores aus Stockholm mit dem Ti- jungen Berliner Jazz-Ensemble in ein lange nachklingendes Mu- Malmberg. Prozession aus drei Kirchen zum Marktplatz, um dort mit einem sikerlebnis zu münden. Zu hören waren Uwe Steinmetz (Sopran- tel »From Bach to Bäck and back« unter der Leitung von Frederic Das Chorfest DREIKLANG war eine Sonderveranstaltung des saxophon), Matthias Schriefl (Trompete, Büchel), Claudio Puntin bundesweiten Projektes »366+1, Kirche klingt 2012« in Koopera- tarre), Margherita Biederbick (Violine), Lauren Franklin-Stein- land – Koordinierung des Chorfestes: Landeskirchenmusikdirek- (Klarinette), Mark Wyand (Tenorsaxophon), Arne Jansen (Gimetz (Violoncello), Andreas Edelmann (Kontrabass) und Eric Schaefer (Schlagzeug, Percussion). tion mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschtor Frank Dittmer und Regina North – und dem Kulturbüro des Rates der EKD. Die »Lange Nacht der Chöre« in der Greifswalder St. MarienKirche. Das Gegenüber der Klangsprachen Konzertreihe »Klingende Sophienkirche« in Berlin stellte Kammermusik in den Mittelpunkt 50 Zu Gast in der Berliner Sophien­kirche: Das »Magic Lutes Project« mit Musikerin­ nen und Musikern aus ­China, Griechenland, ­Palästina, ­Ungarn, Weißrussland und Deutschland. Ausgehend von dem Anspruch, dass lebendige und neue Musik Seiten. Jedes Instrument erklang darum übers Jahr wenigstens Berlin die Klingende Sophienkirche die kleine Form in den Mittel- auch – im Gegenüber verschiedener Klangsprachen und Zu- ihr Zuhause in der Kirche habe, stellte mitten in der Großstadt punkt: Werke, die nicht die große Bühne, sondern den intimen Rahmen solistischen und kammermusikalischen Musizierens suchen, um den kreativen Freiraum des Spiels mit der Melodie und dem Instrument ganz entfalten und die Sinne auf eine musikalische Entdeckungsreise schicken zu können. Dabei ließen die Veranstalter Verschiedenes, aber vor allem auch Gleiches, im Vergleich hören: jedes Instrument hat seine zwei (und mehr) zwei Mal und war – wie die verschiedenen Musikrichtungen gänge zu hören. Die Motetten von Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach fanden ihr Gegenüber in den Vertonungen von Ernani Aguiar, Randall Stroope und Perttu Haapanen. Orgelwerke von Dietrich Buxtehude und Max Reger erfuhren ihre Entsprechung in Werken von Miguel Bernal Jiménez, Kalevi Kiviniemi und Shigeru Kan-no. Sonaten von Georg Friedrich Händel und Wolfgang Amadeus Mozart erklangen als Pendant zu Kaik- hosru Shapurji Sorabji, Viktor Ullmann und Younghi Pagh-Paan. 51 Verbindendes Element war ein gemeinsamer und neu bearbeiteter Choral. Hatte Martin Luther seinerzeit bemerkt und bemängelt: »Ich wollt auch, dass wir viel deutsche Gesänge hätten, die das Volk unter der Messe sänge … aber es fehlet uns an deutschen Poeten und Musicis …«, so stand jedes Konzert der Klingenden Sophienkirche auch für eine neue Bearbeitung, einen gesunge- nen oder musizierten Choral in reformatorischer Tradition. Hier kam es zu spannenden Berührungen mit dem Jazz. In den letzten Jahrzehnten haben sich viele Jazzmusiker weltweit mit geistlichen Liedern und Chorälen auseinandergesetzt und diese neu arrangiert. Durch jazztypische Harmonisierungen und Rhythmisierungen ist so eine Fülle inspirierender Choralarrangements entstanden, mit Hilfe derer sich die Musizierenden ihren eigenen Zugang zu den zeitlosen Texten und Melodien geschaffen haben – sei es durch Swing, Latin oder Funk. In ihren Konzerten nahmen sie die Gemeinde mit und ließen – ganz nach Johann Sebastian Bach: »Bey einer andächtigen Mu- des Themenjahres erschienene »Real Faithbook of Great Die Reihe »Klingende Sophienkirche« ist eine Kooperation alte Lieder neu aufleben. Mehrfach kam dabei das im Rahmen Hymns« zum Zug. Dessen Herausgeber Uwe Steinmetz war und ist auch regelmäßiger Gast in der Reihe. Exzellente Ensembles und Solisten wechselten einander übers Jahr ab und machten die Klingende Sophienkirche mit klassischen und experimentellen, mit expressiven und impressionistischen, mit ungeahnten und freudig bekannten Klängen zu einem exklusiven Ort inspirierender Resonanz und Spiritualität sique ist allezeit Gott mit seiner Gnadengegenwart.« zwischen der Kirchengemeinde Sophien Berlin, dem Kulturbüro SOPHIEN sowie dem Kulturbüro des Rates der EKD. Auch die Mitglieder des En­ sembles »Musica Affettuosa Borussica« brachten die ­Sophienkirche zum Klingen Musik von gestern und heute Das Festival »WurzelN und Flügel« stellte Alte und Neue Musik vor und 21. Oktober an der großen Stadtkirche St. Lorenz in Nürn- 52 berg – jener Kirche, in der unter anderem so bekannte Komponisten wie Leonhard Lechner Athesinus als auch Hugo Distler ein und aus gingen. Wurzeln – dafür standen bei diesem Festival Werke von Andreas Raselius (um 1563–1602), Heinrich Schütz (1585–1672), Jacob van Eyck (1590-1657) und Johann Sebastian Bach (1685–1750). Für die aus ihnen erwachsenen Flügel standen Werke von Johann Nepomuk David (1895–1977), Hugo Distler (1908–1942), Frank Schwemmer (*1961) und Burkhard Kinzler (*1963). Die Verbindung zwischen Wurzeln und Flügeln oblag zwei exzellenten Ensembles – dem in Nürnberg ansässigen en- semble KONTRASTE und dem Vokalensemble Athesinus Consort Berlin – den Organisten Martin Sander (Heidelberg) und Arno Schneider (Berlin) sowie dem Flötisten Simon Borutzki (Berlin). Das Publikum durfte sich über espritreiche Querverbindungen freuen. Komponist Burkhard Kinzler (links) und Lorenzkantor­ ­Matthias Ank (rechts). In dem Orchesterkonzert mit dem ensemble KONTRASTE er- Zeitgenössische geistliche Musik war in der Zeit von Heinrich klangen die Orgelmesse und Katechismuslieder Martin Luthers Gottesdienstes und des kulturellen Alltags. Ein Schwerpunkt lag tian Bach und die »Lutherlieder, in einer Bearbeitung für Kam- Schütz und Johann Sebastian Bach selbstverständlicher Teil des zweifellos auf der Vokalmusik – auf dem Choral und der Motette in deutscher Sprache. Gleichwertig wurde die Orgel als konzertantes Instrument wahrgenommen und genutzt. Späte Renaissance und Barockzeit offenbaren die Musik sowohl als eine universale als auch spirituelle Kunstform. Das Festival »Wurzeln und Flügel« war ein ganz auf die Musi- zierpraxis ausgerichtetes Festival Alter und Neuer Musik am 20. sowie Präludium und Fuge Es-Dur (BWV 552) von Johann Sebasmerensemble« von Burkhard Kinzler unter der Leitung von Kirchen­musikdirektor Matthias Ank. Vor der Bachschen Orgelbearbeitung wurde jeweils der zugrunde liegende Choral in einer Bearbeitung für Kammerensemble des in der Schweiz lebenden Komponisten Burkhard Kinzler uraufgeführt. Im Chorkonzert des Athesinus Consort Berlin stellte das En- semble unter der Leitung von Klaus-Martin Bresgott die Musika- 53 lischen Exequien (SWV 279–281) von Heinrich Schütz und Psalm 1. Korinther 7, 29–31 hielt Oberkirchenrat Reinhard Mawick (Han- sowie dem Tryptichon »Du bist mein Schlaf« und der Urauffüh- berg). 118 von Jacob van Eyck dem Totentanz (op. 12, 2) von Hugo Distler rung von drei Choralbearbeitungen für Männerquartett von nover), Liturgin war Pfarrerin Claudia Voigt-Grabenstein (NürnDas Festival war eine Sonderveranstaltung des bundeswei- Frank Schwemmer gegenüber. ten Projektes »366+1, Kirche klingt 2012« in Kooperation zwi- dienst mit der Deutschen Messe (Werk 42) von Johann Nepo- Rates der EKD. Verbindend wirkte zwischen beiden Konzerten ein Gottes- muk David und Evangeliensprüchen von Andreas Raselius, bei denen Kirchenmusikdirektor Matthias Ank auf die Rezitationsmodelle der Reformationszeit zurückgriff. Die Predigt über schen der Kirchenmusik an St. Lorenz und dem Kulturbüro des Das Athesinus Consort Berlin mit dem klingenden Wort (links), Reinhard Mawick mit dem gesprochenen Wort (rechts). Jazz im Hause Gottes Das Festival »Reformation und Musik – JAZZ ERST RECHT« in Bielefeld Vom 14. bis 16. Dezember wurde dieser Ver- 54 such in Bielefeld unternommen: Mit dem Festival »Reformation und Musik – Jazz erst recht« öffnete die evangelisch-reformierte Süsterkirche ihre Tü- ren. Bertold Becker, Pfarrer an der Süsterkirche und international anerkannter Jazz-Pianist, ver- körperte in seiner Person die Idee dieses Festivals und war damit idealer Gastgeber und Begleiter der Veranstaltungen. Die Bühne gehörte zuerst der Berliner Jazz- Sängerin Pascal von Wroblewsky mit Jürgen He- ckel (E-Gitarre), Max Hughes (E-Bass) und Peter Michailow (Perkussion, Schlagzeug). Das Ensemble trat open air auf der Bühne von Radio Bielefeld auf – neben der Kirche inmitten von Weihnachtsmarkt-Ständen. Pascal von Wroblewsky, seit lanJazzklänge zur Nacht mit dem Schweizer Schlagzeuger Simon Wunderlin sowie ­Andreas Edelmann am Kontra­bass und Arne Jansen an der Gitarre. gem Aushängeschild des modernen deutschen So wie in den verschiedenen Strömungen der Reformation un- Jazz, hat auch in Bielefeld neue Fans gefunden. Einleitend in das gen wurden, eröffnet Jazz in der Beschäftigung mit Kirchenmu- deskirchenamt der Evangelischen Kirchen von Westfalen) die terschiedliche, aber immer progressive neue Wege eingeschlasik neue Räume der Begegnung mit der überlieferten Tradition. Was lag also näher, als sich im Themenjahr »Reformation und Musik« auch dem Jazz zu widmen und den Dialog mit Musikerinnen und Musikern zu suchen, die nicht nur Kirchenräume als Aufführungsorte mögen, sondern auch vom reichen Schatz des Gesangbuches fasziniert sind? Nachtkonzert betonte Dr. Vicco von Bülow (Dezernent im Lan- Verbindung von Jazz mit Theologie und Kirchenmusik. Dies war anschließend in erstklassiger Weise sicht- und hörbar: Mit den Jazz-Musikern Daniel Stickan (Klavier, Lüneburg), Simon Wunderlin (Schlagzeug, Basel), Arne Jansen (Gitarre, Berlin), Andreas Edelmann (Kontrabass, Berlin) und Uwe Steinmetz (Saxo- phone und Flöte, Berlin). Die Band stellte Werke aus dem »Real 55 Faithbook of Great Hymns« vor, in dem über 250 Arrangements stammenden Sängerin Efrat Alony in ein Meer aus Klängen ge- ten Welt versammelt sind. Expressive Lichtinstallationen und native Konzertformen. Den Abschluss des Festivals bildete ein berühmter Choräle aus der Feder von Jazzmusikern der gesam-effekte begleiteten die Musik. Am nächsten Tag wurde das Festival mit Begegnungen, Ge- sprächen und dem in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis- führt. Danach gab es die Möglichkeit zur Diskussion über alterJazz-Gottesdienst mit den Pfarrern Bertold Becker und Uwe-C. Moggert-Seils. Das Festival »Reformation und Musik – Jazz erst recht« war Kirche erprobten Format »In Spirit« fortgesetzt. Gepaart mit ei- eine Sonderveranstaltung des bundesweiten Projektes »366+1, Stickan (Orgel), Uwe Steinmetz (Saxophon) und der aus Tel Aviv Kirche in Westfalen und dem Kulturbüro des Rates der EKD. ner Reflexion über »Wagemut« wurden die Besucher von Daniel Kirche klingt 2012« in Kooperation zwischen der Evangelischen Eindringlich und mit starker Präsenz in der Stimme: Die jüdische Sängerin Efrat Alony. Mit den Farben unserer Stunden malen wir ein Bild von Gott Stephan Krawczyk in der Bergkirche Oybin Begrüßt vom ehemaligen Pfarrer der Gemeinde Oybin und 56 dem sächsischen Staatsminister a.D. Heinz Eggert, der in Erin- nerungen an dunkle Zeiten davon sprach, dass es nicht viele Leute gab und gibt, die für ihre aufrechte Haltung nicht nur eingestanden, sondern auch eingesessen haben, war es ein Kon- zertabend der Geschichte und der Geschichten. Sie erzählten aus 30 Jahren bis hinein in eine lebendige Gegenwart. Stephan Krawczyk wartete sowohl mit etlichen Liedern sei- ner aktuellen CD »erdverbunden, luftvermählt« auf – etwa rhythmisch-energetisch mit der Gitarre und dem kraftvollen »Heute« oder zart-zerbrechlich mit dem Bandoneon und dem sensibel geflochtenen »Wieder stehen«. Bertolt Brecht kam mit dem »Lied vom Speichellecker« ebenso zum Zuge wie Martin Luther mit Auszügen aus seinen »Tischreden«. Zwinkernd brachte Pfarrerin Annette von Oltersdorff-Ka- lettka Einwürfe zur Zeit und zum Leitlied der Woche »Tochter »Hoffnung kommt nicht vor der Trauer, Rettung kommt von Ohnmacht nicht …«. ­Stephan Krawczyk wärmt auch im Winter. »Mit den Farben unserer Stunden malen wir ein Bild von Gott« – der Poet und Liedermacher Stephan Krawczyk (*1955) verzauberte den eisigen Winterabend zwischen den Jahren in der Bergkirche im sächsischen Oybin am 28. Dezember. Einstmals war er Sieger des Chansonwettbewerbs der DDR. Wenig später wurde er für sein politisches Bekenntnis geächtet, mit Berufsverbot belegt und schließlich ausgebürgert. Zion« (EG 13) ein. Sie ermunterte Stephan Krawczyk zu mancher virtuosen Zugabe auf Bandoneon und Maultrommel. Mit der Gitarre und dem kraftvollen Song »Auf frischer Tat« endete schließlich ein tatsächlich reformatorischer Abend, der in kritischer Lebendigkeit der Gegenwart die Stange hielt. Das Konzert war Nr. 363 im Rahmen des Projektes »366+1, Kirche klingt 2012« in Kooperation zwischen der Ortsgemeinde Oybin, dem Wochenmanager Gottfried Trepte und dem Kulturbüro des Rates der EKD. Erinnerungen, zwanzig Kilogramm schwer Eine Chronik als bündelndes Element des Projektes »366+1, Kirche klingt 2012« 57 Jeden Tag ein Konzert auf einer Route durch Deutschland und ein zusätzliches zur Auferstehung in der Osternacht – wenn so viele Konzerte und musikalische Gottesdienste stattfinden, ist Doppelseite zur Verfügung. Die Chronik, die in englisches Pferdeleder gebunden ist, wiegt über zwanzig Kilogramm. Mit Grußworten von Bernd Neumann, MdB, Staatsminister ein vereinendes, bündelndes Element nötig, das alles zusam- bei der Bundeskanzlerin und Beauftragter der Bundesregierung 2012« war das gelungen. Das 69 x 37 Zentimeter große Buch be- zender des Kuratoriums zur Vorbereitung des Reformationsju- menhält. Mit der Chronik zum Projekt »366+1, Kirche klingt wahrt die Erinnerungen, verschiedene Sätze der jeweiligen Leitlieder und Programme auf. Für jede Veranstaltung stand eine für Kultur und Medien, von Dr. h.c. Nikolaus Schneider, Vorsitbiläums 2017, sowie Dr. Petra Bahr, Kulturbeauftragte des Rates der EKD, und Klaus-Martin Bresgott, Initiator und Organisator Noch leicht zu halten und mit leeren Seiten präsentiert Klaus-Martin Bresgott die Chronik am 1. Januar in Augs­ burg, einige Monate ­später wird in Gifhorn neu­gierig durch das täglich schwerer werdende Tagebuch des P­rojektes geblättert. 58 Die Chronikeinträge der ­Konzerte Nr. 12 am 12. Januar in Bamberg und Nr. 36 am 5. Februar in Mössingen (oben) sowie von den Konzerten Nr. 114 am 23. April in Herford und Nr. 257 am 13. September in Wolgast (unten). des Projektes im Kulturbüro des Rates der EKD, wanderte sie von »366+1, Kirche klingt 2012« zusätzlich unterstützte. Die ganz Deutschland. Im Verlauf des Jahres wurde sie auf ­einer von 366+1 Musikensembles aus allen Bundesländern und Lan- vom 1. Januar bis 31. Dezember von Augsburg bis Zittau durch Strecke von 21.097 Kilometern von Veranstalter zu Veranstalter weitergereicht und reiste mit durch das Jahr und das Land. Über die tägliche Weitergabe in den Konzerten entstand eine unmit- telbare Bindung untereinander, die den Stafetten-Charakter Chronik veröffentlicht gleichzeitig einen einmaligen Almanach deskirchen. Veranstaltungen »Mit Lust und Liebe singen« – Die Reformation und ihre Lieder Ausstellung in Gotha widmete sich den Gesangbüchern und dem evangelisch-lutherischen Lied städter Theologe und Hymnologe Johann Christoph Olearius im 60 frühen 18. Jahrhundert gelegt. Viele besondere Schätze hatte die Schau zu bieten. Sie zeigte in mehreren Themenkreisen die Geschichte des evangelisch-lutherischen Liedes vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Ausgestellt waren unter anderem das erste evangelische Gesangbuch, das so genannte »Achtliederbuch« von 1524 mit Texten von Martin Luther und Paul Speratus. Prachtvolle Handschriften des »Gothaer Chorbuchs« von 1545 waren ebenfalls zu sehen. Das Werk war einst von Luthers »Kantor« Johann Walter zusammengestellt worden. Dass es auch Unterschiede in gar nicht weit entfernten Ge- bieten gab, zeigten die Territorial-Gesangbücher der zahlreichen Thüringer Herrschaften, die sich im Kernland der Reformation als Bewahrer des »wahren« Luthertums verstanden. Das Publikum bekam daneben auch Gesangbücher der katholischen und reformierten Tradition aus dem 16. und 17. Jahrhundert zu sehen. Die Ausstellung veranschaulichte eindrucksvoll die stetig Das Achtliederbuch (links) und das Evangelische ­Gesang-Buch zählen ­ zu den Schätzen, die die ­Aus­stellung bot. wachsende Bedeutung der Gesangbücher, die seit dem 18. JahrGesangbücher über Gesangbücher – die gemeinsame Ausstellung der Forschungsbibliothek Gotha und der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha präsentierte vom 6. Mai bis 12. August auf Schloss Friedenstein die ältesten, wertvollsten und schönsten Werke aus der mehr als 3.000 Bände umfassenden Gesangbuchsammlung der Bibliothek. Den Grundstock dafür hatte der Arn- hundert zu regelrechten Bestsellern in der protestantischen Welt wurden. Öffentlich unter dem Arm getragen, waren sie Bekenntnis-, Gebet- und Gesangbuch in einem und symbolisierten die identitätsstiftende Zugehörigkeit zur eigenen Gemeinde. Die Gesangbuchsammlung der Forschungsbibliothek Gotha – eine der größten ihrer Art in Deutschland – ist ein Teil der ba­ rocken Sammlung des ehemaligen Herzogtums Sachsen-­Gotha- Altenburg auf Schloss Friedenstein. Hier werden auch ca. 8.000 61 Noten aus dem 17. bis 19. Jahrhundert aufbewahrt. Besonders stolz sind die Kuratoren auf die etwa 130 musikalischen Handschriften (darunter Autographen) und Alte Drucke von Kompositionen der Musikerfamilie Bach – übrigens die größte Sammlung der Bachs in Thüringen. Hinzu kommt ein einmaliger Be- stand an Handschriften, Alten Drucken, Korrespondenzen, Tage­büchern und Nachlässen aus der Reformationszeit. Die Forschungsbibliothek Gotha gehört seit 1999 zur Uni- versität Erfurt. Sie nimmt heute den Rang einer Referenzsammlung für die Geschichte des mitteldeutschen Protestantismus vom 16. bis 18. Jahrhundert ein. In den letzten Jahren wurde damit begonnen, die vielfältigen Bestände zu erschließen und zu digitalisieren. Mit dem Ausbau der Bibliothek zu einer Forschungs- und Studienstätte für die Kulturgeschichte des Protestantismus in der Frühen Neuzeit sollen sie in den nächsten Jah- ren einer stärkeren wissenschaftlichen Erforschung zugeführt werden. Zur Ausstellung »Mit Lust und Liebe singen« ist ein reich be- bilderter und mit wissenschaftlichen Beiträgen versehener Begleitband erschienen. Das Gothaer Chorbuch wird in der Forschungsbibliothek Gotha aufbewahrt. Kirchenmusiktage zum Mitmachen Bei der Cantionale 2012 sangen Chöre aus ganz München Bläser des Bezirksposauenenchors München den 62 Startschuss für die Cantionale 2012 (6. bis 8. Juli). »Wir laden keine berühmten Chöre aus aller Welt ein, die Cantionale, das sind Kirchenmusiktage zum Mitmachen«, sagte Gabriele März vom Evangelisch-Lutherischen Dekanatsbezirk Mün- chen. Evangelische Kirchenmusiker veranstalten unter der Schirmherrschaft des Evangelisch-Lutherischen Dekanats München alle drei Jahre die Cantionale. Das Festival will das Profil der evangelischen Kirchenmusik in der Stadt München schärfen. Die Kirchenmusiktage werden in Teamwork organisiert, jede Kirche ist dabei für die eigenen Veranstaltungen zuständig. Chöre aus ganz München machten mit. Work- shops, Musik-Gottesdienste und Projekte zum Mitsingen brachten das Wochenende zum Klin- gen. Ein Höhepunkt in diesem Jahr war die »Nacht Chöre aus ganz München ­waren bei der »Cantionale« zu erleben. der Kirchenmusik«. In vier Gotteshäusern der Stadt erklangen zeitgleich Konzerte: Die Nacht der Chöre Geschäftiges Treiben beherrschte die Münchner Stachus-Passa- in Sankt Lukas, die Orgelnacht in Sankt Markus, die Gospelnacht gewirr und Stiefelgeklapper. Mehrere Strophen von »Geh aus, serkirche. Am 7. Juli fanden sich Kinderchöre in der Christuskirche gen. Dann durchbrachen Trompetentöne fest und klar Stimmenmein Herz, und suche Freud« zündete Fröhlichkeit in der Ein- kaufsmeile. Mit dem Paul-Gerhardt-Flashmob gaben unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Andreas Hantke Mitglieder des Chors der Christuskirche, der Kantatenchor München und in Sankt Matthäus und die Nacht der Posaunenchöre in der Erlözur Kinder-Cantionale ein. Ebenfalls in der Christuskirche wurden die Kirchenmusiktage am Sonntagabend mit einem »CantionFinale« zum Mitsingen für alle beschlossen. 63 Zur Gospel-Nacht in St. Matthäus traten viele Sängerinnen und Sänger auf. Auf den musikalischen Spuren des Reformators MDR KLASSIK bereicherte das Themenjahr mit der Konzertreihe »Lutherorte« im Rahmen des MDR MUSIKSOMMERS die reiche Geschichte seiner Region in seine Pro- 64 grammatik aufgenommen hat«, betonte Carsten Dufner, Leiter der Hauptabteilung MDR KLASSIK, »das Jahresthema ›Reformation und Musik‹ war für uns von daher ein willkommener Anlass, dar- aus eine besondere Reihe zu kreieren.« Und dies mit Vorteilen für alle Beteiligten, wie Oliver Jueterbock, Manager des MDR MUSIKSOMMERS, ergänzte: »Durch den Lutherweg haben wir sogar einige neue bedeutende Spielorte ins Programm aufnehmen können.« Luther sagte über die Musik, sie sei »eine Gabe und ein Geschenk Gottes; sie vertreibt den Teufel und macht die Menschen fröhlich.« Dass diese Einschätzung des Reformators auch heute noch gilt, konnte man an den Gesichtern der Konzertbesucher sehen. Verzaubert war das Publikum beispielsweise vom Gesang des international gefeierHelmuth Rilling führte die h-Moll-Messe von Bach in der Dresdner Frauenkirche auf. ten Ensembles »The King’s Singers«. Die sechs Engländer interpretierten vor dem berühmten Refor- Im Themenjahr »Reformation und Musik« stand Martin Luther mationsaltar von Lucas Cranach d. Ä. in der Stadtkirche zu Wit- MERS. Unter dem Titel »Lutherorte« erklangen an 14 Spielstät- schen Calvinisten Jan Pieterszoon Sweelinck, Motetten von im Zentrum einer neuen Konzertreihe des MDR MUSIKSOMten des Klassik-Festivals insgesamt 16 Konzerte entlang des Lu- therwegs sowie in bedeutenden Predigt- und Lebensorten des Reformators in ganz Mitteldeutschland. »Der MDR MUSIKSOMMER ist ein Festival, das in besonderer Weise schon immer tenberg unter anderem Psalmvertonungen des niederländiHeinrich Schütz, polyphone Werke von William Byrd und Hans Leo Hassler sowie Spirituals. Schon das Eröffnungskonzert des MDR MUSIKSOMMERS nahm direkt Bezug auf das besondere Jahr. Unter dem Motto »Freiheit, die ich meine« wurde an den Reformator Martin Lu- 65 ther erinnert. Im Magdeburger Dom führten MDR SINFONIEORCHESTER, MDR RUNDFUNKCHOR und Solisten unter Chefdirigent Jun Märkl neben Werken von Claudio Monteverdi, Johann Sebastian Bach, Nicolai Otto und Giuseppe Verdi auch die 2. Sinfonie von Felix Mendelssohn Bartholdy auf. Sie ist mit »Lobgesang« überschrieben und ein Auftragswerk zu den Feierlichkeiten des 400. Jahrestages des Buchdrucks. Gleichzeitig atmet das Werk den Geist der Reformation, in dem sie den Sieg des Lichtes über die Finsternis feiert. Der kleine thüringische Ort Schmalkalden erlebte mit dem Auftritt Helmuth Rillings, der Gächinger Kantorei und des Bach- Collegiums Stuttgart in der Stadtkirche St. Georg ein musikali- sches Großereignis: die Aufführung von Bachs h-Moll Messe. Sie erklang in der gleichen Besetzung auch in der Dresdner Frauenkirche. Ebenfalls Alte Musik brachten in Lutherstadt Eisleben Hermann Max, die Rheinische Kantorei und »Das kleine Konzert« dem Publikum nahe. Luthers besondere Beziehung zur Musik wurde dadurch hervorgehoben, dass das Programm auf bekannten Kirchenliedern des Reformators gründete. Ebenso fügten sich die beiden berühmten mitteldeutschen Knabenchöre in das Programm ein. Der Thomanerchor unter Christoph Biller sang sich in die Herzen vieler Zuhörer in der Johanneskirche in Saalfeld. In der Marktkirche zu Halle/Saale verlieh Roderich Kreile mit dem Dresdner Kreuzchor mehrstimmi- gen Motetten und Chorälen von Bach, Schütz und anderen eine besondere Atmosphäre. Für ihre Darbietungen e­rhielten Helmuth Rilling und die vielen beteiligten Künstler großen Applaus. Orgel, Jazz und Salsa – das vertonte Leben Luthers NDR Bigband und Lucas M. Schmid touren mit »The Martin-Luther-Suite« Gleichwohl wollte Schmid mit seinem Arran- 66 gement »The Martin-Luther-Suite – A Jazz Reformation« keine Botschaft verbreiten. »Die Botschaft ist die Musik selbst«, sagte er. Die Idee zum zweistündigen Werk, in dem die NDR Bigband Musik der Reformation mit modernen Jazzrhyth- men verbindet, wurde bereits im Lutherjahr 1996 geboren. Die Debatten über den Reformator, Schmids Interesse für Geschichte und seine Liebe für die Bachschen Choräle waren die Bausteine, aus denen sich schließlich das Stück entwickelte. Zusätzliche Inspiration gab Schmid das Buch »Kul- turgeschichte der Neuzeit« von Egon Friedell. Für Friedell beruht der essentielle Unterschied zwi- schen Luther und den anderen Erneuerern darauf, dass er seine Reform lebte, während die anderen Die NDR Bigband und Lucas M. Schmid vertonten das ­Leben Luthers. Wer war Martin Luther? Goethe sah in ihm ein »Genie sehr be- bloß lehrten. Die kraftvolle und moderne Inszenierung zu Martin Luther deutender Art«, Nietzsche bezeichnete ihn als einen »auf den passte ganz besonders zum Themenjahr »Reformation und Mu- ihn einen »Kämpfer für die Freiheit der Vernunft« und Friedrich unterwegs, in Celle etwa oder Zweibrücken. Die Arrangements Raum seiner Nagelschuhe beschränkten Bauern«, Schiller nannte der Große sprach von einem »wütenden Mönch und barbari- schen Schriftsteller«. Der Musiker Lucas M. Schmid sagte, Luther sei ein gutes Beispiel dafür, dass man für eine Revolution keine Waffen brauche: »Luther hat die Macht des Wortes genutzt. Wenn man seinen Intellekt einsetzt, kann man viel bewegen.« sik«. So waren die NDR Bigband und Lucas M. Schmid auch 2012 des Musikers und Komponisten wurden auch beim Eröffnungskonzert der Thüringer Jazzmeile in Jena gespielt, dort von der hr-Bigband. Sieben Luther-Choräle hat Schmid mit Eigenkompositionen ergänzt, Elemente aus orchestralem Jazz, Tango Nuevo, Funk, Salsa und Solo-Improvisationen eingefügt. Mit 67 emotionaler Wucht verfremdete er Kompositionen aus der Lutherzeit, thematisierte musikalisch anspruchsvoll Luthers Auflehnung gegen die ka- tholische Kirche, seine theologischen Gedanken oder die Liebe zu Katharina von Bora. Schmid ar- rangierte speziell für die NDR-Bigband, in der hochkarätige Solisten spielen und die er als »sehr innovativ« beschreibt. Expressiv und verstörend etwa gab die Band den Einstieg in die Luther­ geschichte, das Gewitter von Stotternheim und Luthers legendären Schwur an die Heilige Anna: »Ich will ein Mönchlein werden.« Ruhigere Töne illustrierten dann das Ordensleben. Die Arrangements der »Martin-Luther-Suite« wurden als CD herausgegeben, in zwei Varianten. Die erste spielt ausschließlich die Musik. Die zweite enthält als Hörbuchversion zwischen den Musikstücken Texte des Lutherexperten Dr. Wulff D. Rehfus. Er vermittelt Pers- pektiven und Zusammenhänge aus verschiedenen Epochen. Es liest der Fernseh-Sprecher Werner Schmidt. Luthers Leben und Jazz – ­beides brachten Lucas M. Schmid und die NDR Bigband zusammen. Wo Gott ganz nah ist »Mit Herz, Mund und Händen«: ZDF-Gottesdienste stellten Musik in den Mittelpunkt Grimberghe. Die Musik ist auch gegenwärtig besonders wichtig 68 für die Kirchengemeinde. Ein Grund mehr, einen der ZDF-Gottesdienste in der niedersächsischen Stadt zu begehen (12. August). Unter dem Motto »Mit Herz, Mund und Händen« schlos- sen sich die Veranstaltungen des öffentlich-rechtlichen Senders an das Jahresthema der Lutherdekade an. Die Musik rückte in den Mittelpunkt. »Eine Kirche als Kunstdenkmal zu besuchen oder gemeinsam Kantaten und Gospels zu singen, ist für viele ein erster Berührungspunkt mit dem christlichen Glauben. Andere finden ihn, wenn sie sich in christlichen Initiativen und Hilfsprojekten sozial engagieren«, hieß es seitens des ZDF. In Lemgo sprach die Journalistin, Hörfunkautorin und Prädikantin Antje Borchers in ihrer Predigt über die Musik als »protestantisches Erbe«. Sie lud ein, in den Gesang einzustimmen, der dem Leben Mut schenke. Eine orientalische Note brachten die Töne im Gottesdienst der Kreuzkirche Istanbul (15. Januar). Er stand unter dem Auch im Themenjahr ­»Reformation und Musik« übertrug das ZDF viele G­ottesdienste. Einige von ganz besonderen Orten. Titel »Der Morgenstern ist aufgegangen«. Der in der Türkei beLemgo, Niedersachsen, Reformationszeit. Ein entsetzter Schrei: »Sie singen – und zwar alle! Die Protestanten sind jetzt auch bei uns!« So soll der Stadtdiener seinem Bürgermeister zugerufen haben. Tatsächlich sangen die Lemgoer Einwohner in einer Sprache, die sie verstanden, auf deutsch. Den Pfarrer, der ihnen zu konservativ war, sangen sie buchstäblich von der Kanzel. »Sie erlebten eine starke Gemeinschaft im Singen«, sagte der heutige Pfarrer der Sankt Nicolai-Kirche Rolf-Joachim Krohn- kannte Musiker Azad Alizade spielte Oboe. Dazu gestaltete Dr. Klaus Langrock Gemeindegesänge und Orgelstücke. Die Kirch- gemeinde am Bosporus unterliegt einer hohen Fluktuation. Viele Gemeindemitglieder leben nur für kurze Zeit in Istanbul. Sie sind Lehrer an deutschsprachigen Schulen oder Mitarbeiter großer Firmen und kehren nach einigen Jahren wieder nach Hause zurück. Ursprünglich wurde die evangelische Gemeinde in der Nähe des Taksim-Platzes Mitte des 19. Jahrhunderts von deutschen Handwerkern und Kaufleuten gegründet, die nach Is- tanbul kamen, weil sie Arbeit suchten. Pfarrerin Ursula August sprach in ihrer Predigt über die Situation der Christen in der Tür- Und wo ist Gott am nächsten? In Österreich! Pfarrer Magis- ter Gerhard Rotter aus der Gemeinde Oberinntal bei Lan- kei. Trotz eines Entgegenkommens der Regierung sei der Rechts- deck erlebte es: »Herr Pfarrer, am Sonntag bin ich Gott mindes- ungeklärt, sagte sie. »Gemeinsam mit anderen Konfessionen schuhen und Stöcken und Rucksack an der Kirche vorbeizieht, hi- status der evangelischen Gemeinden in der Türkei nach wie vor und Religionen wollen wir der Stadt Bestes suchen«, bilanzierte sie bezugnehmend auf eine Bibelstelle. Der Zusammenhalt der Konfessionen bildete auch den Mit- telpunkt des Gottesdienstes in der Baptistengemeinde Kamp-Lintfort am Niederrhein (17. Juni). Gemeindemit- glieder sind hier vor allem Bergleute. Auch Pastor André Carouge fährt regelmäßig unter Tage. Er sagte: »Für unter Tage gilt: Alle sind vor Kohle gleich. Und: Wir sind Kumpels. Wir arbeiten zu- sammen, wir gehören zusammen und wir treten füreinander ein. Über Tage sieht das anders aus. Da gibt es Unterschiede. Unterschiedliche Nationalitäten, unterschiedliche Religionen. Doch auch über Tage wollen wir Kumpels sein. Miteinander le- tens 1500 Meter näher als Sie. Sagt mir einer, der mit Wandernauf auf den Berg. Natürlich würde ich ihn viel lieber bei mir im Gottesdienst sitzen sehen. Aber verstehen kann ich ihn schon«, sagte er. Und so lud die Kirchgemeinde kurzerhand zu einer Open-Air-Veranstaltung auf die Aifner-Alm (29.Juli) ein. Zu ei- nem Gottesdienst inmitten blumenübersäter Wiesen und mit Blick auf schroffe Felsen, bewaldete Höhen und Gletscher in der Ferne. Ein Team der Kirchgemeinde Oberinntal bei Landeck zeigte, wie Erfahrungen in den Bergen Mut in den Alltag bringen können. Der ökumenische Chor Landeck und die Musikkapelle Kauns brachten mit Instrumenten und Gesang die Klänge auf den Berg. Die ZDF-Gottesdienste werden aus verschiedenen Orten ben, füreinander einstehen und miteinander glauben.« Die Ter- Deutschlands, aber auch aus ganz Europa übertragen. Zahlrei- leute, aufeinander zuzugehen und in intensiven Dialog zu tre- werden das ganze Jahr über ausgestrahlt. Ein- bis zweimal im roranschläge vom 11. September 2001 veranlassten die Bergten. Den Gottesdienst, der unter dem Thema Barmherzigkeit stand, gestalteten Kumpel beider Konfessionen. Das Duo GezeitenKlang (Constanze Rolfink und Jürgen Gros) ließ mit außergewöhnlichen Instrumenten (Monochord, Shrutibox und Flöten) himmlische Klänge ertönen. Daneben gab es Orgelstücke von Friedhelm Höfken und Chormusik der Niederrheinischen Kantorei unter der Leitung von Werner Seuken. che katholische, evangelische und ökumenische Gottesdienste Jahr gestalten deutsche Gemeinden in anderen Ländern die Veranstaltungen. Zwei- bis dreimal jährlich findet ein ZDF-Gottesdienst in einer evangelischen Freikirche statt, einmal in einer orthodoxen Gemeinde. Die ZDF-Gottesdienste gehören zu den ältesten Sendungen im deutschen Fernsehen. Rund 700.000 Zuschauer verfolgen nach Angaben des Senders regelmäßig die Übertragungen. 69 Klänge auf Reisen schicken Zentrale Auftaktveranstaltung zum Themenjahr in der Eisenacher Georgenkirche 70 »Die Vielfalt des Gotteslobes soll 2012 aus den Kirchen auf die furcht in der Öffentlichkeit zu bekennen, sagte sie. Beispiele hier- der Vorsitzende des Kuratoriums zur Vorbereitung auf das Re- und der amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King. Jun- Straßen unseres Landes getragen werden« – so formulierte es formationsjubiläums 2017, Nikolaus Schneider, in seiner Festrede bei der Auftaktveranstaltung zum Themenjahr »Reformation und Musik« am Reformationstag 2011 in der Georgenkirche zu Eisenach. »Das Motto gilt der friedlichen Reformation der Musik, die in der Gegenwart nicht weniger wirkt als vor 500 Jahren«, betonte Schneider. Ohne musikalische Erfahrungen sei eine Vergegenwärtigung der Reformation unvollkommen. Martin Luther selbst sei ohne seine Leidenschaft für die Musik und seine klingende Wort-Ton-Bewegung nicht zu verstehen, sagte für seien neben Martin Luther der Theologe Dietrich Bonhoeffer kermann zeichnete auch einen gegenwärtigen Bezug zu Luthers Botschaft: Angesichts der aktuellen Situation müsse die Stimme erhoben werden gegen die Mär vom grenzenlosen Wachstum. Darüber hinaus müssten Christen durch Wort und Tat aller Welt sichtbar und verstehbar werden. Dazu gehöre, sich um Kranke sowie verfolgte und verachtete Menschen zu kümmern und gegen die Vernichtung der Schöpfung ebenso einzutreten wie gegen die menschenfeindliche Politik der Neonazis. Einer, der sich die Friedensarbeit zum Lebensmotto gemacht Schneider. Kulturstaatsminister Bernd Neumann hob hervor, die hat, erhielt in der Georgenkirche Eisenach an diesem Tag eine scheidenden Grundstein gelegt. landeskirchenrat Harald Bretschneider die Martin-Luther-Me- Reformation habe für die europäische Musikkultur einen entDas Programm zum Auftakt gestaltete sich vielfältig: Blä- sermusik vom Schlossturm mit dem Eisenacher Posaunenchor, ein Festkonzert mit dem Thüringischen Akademischen Sing- kreis, dem Rundfunk-Jugendchor Wernigerode, dem Dresdner Kammerchor und dem Steinmetz-Jazz-Quartett bildete den klanglichen Rahmen. Die Predigt beim Reformationsgottesdienst in der Georgen- kirche hielt die mitteldeutsche Landesbischöfin Ilse Junkermann. Sie sprach über biblische Botschaften und ihren Einfluss auf ge- sellschaftliche Veränderungen: Die Bibel habe den Menschen wiederholt Kraft gegeben, ihre Überzeugungen ohne Menschen- Auszeichnung: Die EKD verlieh dem früheren sächsischen Oberdaille. Mit seinem Namen verbindet sich die in der DDR unterdrückte Kampagne »Schwerter zu Pflugscharen«. Kuratoriumsvorsitzender Nikolaus Schneider betonte, die kirchliche Friedensbewegung in der DDR habe die Wende im Herbst 1989 we- sentlich vorbereitet. Zwar seien die von Bretschneider initiierten Aufnäher »Schwerter zu Pflugscharen« in der DDR aus der Öffentlichkeit verdrängt worden. »Doch der Geist dieser Friedensvision war weiter lebendig«, betonte Schneider. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière sprach ebenfalls bei der Ehrung: Bretschneider habe gemeinsam mit anderen »die geistigen Mauern ein Stück eingerissen.« Luther-Lieder in bunt Thuringia Cantat präsentierte Texte und Kompositionen des Reformators Martin Luther persönlich kam beim Konzert im Achteckhaus Höhepunkt war das Konzert, das am Ende des Wochenen- Sondershausen vorbei – in Verkörperung eines Schauspielers, des stand, und bei dem die Interpreten das Lutherzitat »Singen es der wahre Luther gewesen, dann hätte es ihn sicherlich hoch sor André Schmidt präsentierten die Sängerinnen und Sänger der in das Gewand des Reformators geschlüpft war. Doch wäre erfreut, seine eigenen Kompositionen und Texte zu hören. Thuringia Cantat nennt sich das musikalisch und choreogra- fisch bunte Chorprojekt, das 200 Mitglieder des Thüringer Sängerbundes gestalten. Sie geben Konzerte und nehmen an Workshops teil. Im Rahmen ihres Jahresthemas 2012 »Thüringen singt Luther – und reist um die ganze Welt« hatten sie sich bei einem zweitägigen Workshop in der Landesmusikakademie Sondershausen (4.bis 5. Februar) mit den Liedern des Reformators ausei- nander gesetzt. Texte und Kompositionen Luthers erarbeiteten sie in verschiedenen Vertonungen und Übersetzungen. Berücksichtigt wurden dabei Luthers Ansichten zur Kirchenmusik und deren Auswirkung auf den späteren kompositorischen Umgang mit Bibeltexten. ist eine edle Kunst« beherzigten. Unter der Leitung von Profes- ein epochal weitläufiges Programm. Die Stücke reichten vom 16. Jahrhundert bis heute, Klassisches war dabei, Popmusik und weltliche Chorwerke a cappella sowie mit musikalischer Begleitung. Das Duo JANNA (Hanna Flock und Jo Rosenbrück), Studie- rende der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar und Alex­ andra Ismer (Klavier, Universität Erfurt) begleiteten den Chor in­strumental. 71 Evensong – durch die Nacht in eine neue Zeit Auftakt-Veranstaltung des Saarlandes zu »Evangelisch klingt« 72 Mit einem Evensong, einer Andacht in der Abenddäm­ merung nach anglikanischer Tradition, feierte die Evange­ lische Kirche im Saarland den Auftakt zu »Evangelisch klingt«. »Wenn die ersten drei Sterne am Himmel sichtbar werden, be- Der Vorsitzende des Kuratoriums zur Vorbereitung des Re- ginnt in der Nacht eine neue Zeit. An dieser Schwelle kommen formationsjubiläums 2017 und Ratsvorsitzender der Evangeli- ren Frieden zu machen mit dem, was gewesen ist, und um sich die Predigt und betonte darin die enge Verbundenheit zwischen Christen zusammen, um den alten Tag zu verabschieden, um ihinnerlich zu reinigen für das was kommt.« So besagte es die Ankündigung aus dem Saarland. Mit einem Evensong, einer An- dacht in der Abenddämmerung nach anglikanischer Tradition, feierte die Evangelische Kirche im Saarland am 4. März den Auftakt zu »Evangelisch klingt« in der Saarbrücker Ludwigskirche. schen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, sprach Liebe – auch der Liebe Gottes – und Musik. Die Liebe in Worten zu ergründen sei nicht möglich. Liebe sei weit mehr als Vernunft und Verstand, sagte Schneider. »Wie die Liebe vermag es auch die Musik, alle Sinne zu ergreifen und zu bewegen. Musik bringt Liebe zum Erklingen und Liebe inspiriert die Musik zu immer neuen Tönen.« 73 In der Andacht erklangen mehrchörige Motetten und Psalm- vertonungen von Heinrich Schütz, Johann Pachelbel und Felix Mendelssohn Bartholdy. Das Programm stand unter der musika- lischen Leitung von Kirchenmusikdirektorin Annemarie Ruttloff. dent des Kirchenkreises Saar-Ost, Gerhard Koepke, und der Superintendent des Kirchenkreises Saar-West, Christian Weyer, verantwortlich. Die Veranstaltungsreihe »Evangelisch klingt« war der Bei- Die Kantorei Alt-Saarbrücken, die Evangelische Chorgemein- trag des Saarlandes zum Themenjahr »Reformation und Musik« enchor Saarbrücken, die Instrumentalensembles Heavenly machten gleichzeitig das Projekt »366+1 Kirche klingt 2012« und schaft an der Saar, der Kammerchor Sankt Johann, der OratoriWoods und Euro Brass sowie Professor Theo Brandmüller an der Orgel wirkten mit. Für die Liturgie zeichneten der Superinten- in der Lutherdekade. Zur Auftaktveranstaltung am 4. März die Musikstafette der rheinischen Landeskirche, »S!ngen. Jede Stimme zählt«, in Saarbrücken Halt. In der Saarbrücker Ludwigs­ kirche erklangen mehr­ chörige Motetten und Psalm­ vertonungen von Schütz, Pachelbel und Mendelssohn Bartholdy. Weil sie die Seelen fröhlich macht Die Franckeschen Stiftungen zu Halle zeigten protestantische Musikkultur seit Martin Luther greifbar. Einflussreiche Gesangbücher aus fünf Jahrhunderten, 74 populäre Kirchenlieder und wertvolle Musikinstrumente, wegweisende Komponisten und ihre Werke, wichtige Gattungen und Zentren protestantischer Kirchenmusik zeichneten ein reiches Bild protestantischer Musikkultur. »Der Hallesche Pietismus mit seinen vielfältigen Initiativen sah sich selbst in der Nachfolge Martin Luthers und kann als diejenige Bewegung gelten, die zentrale Forderungen der Reformation aufgegriffen und in wichtigen Punkten erfüllt oder auf gesellschaftlicher Basis fruchtbar gemacht hat«, sagte der Direktor der Franckeschen Stiftungen, Dr. Thomas Müller-Bahlke. Entgegen der landläufigen Meinung von der allgemeinen Kunstfeindlichkeit des Pietismus habe die Musik hier in den Stiftungen einen hohen Stellenwert besessen und eine ganz besondere Ausprägung erfahren. So veröffentlichte Johann Anastasius Freylinghausen, Schwiegersohn August Hermann Franckes und desZur Ausstellungseröffnung musizierten der Stadt­ singechor der Latina und Instrumentalisten. Luther selbst spielte Laute und liebte die Musik als ein Geschenk Gottes und »weil sie die Seelen fröhlich macht«. Das Zitat diente gleichsam zur Namensgebung der Jahresausstellung, die vom sen Nachfolger im Direktorenamt, 1704 eine umfassende Sammlung von Kirchenliedern, die sich sehr schnell und auch international verbreitete. Die Ausstellung umfasste ein weitreichendes Spektrum pro- 22. April bis 23. September im historischen Waisenhaus der Fran- testantischer Musikgeschichte. Original-Notenblätter von Jo- war eine Singbewegung«, sagte Kuratorin Cordula Timm-Hart- Kompositionsweisen der beiden Tonkünstler. Den Wandel der ckeschen Stiftungen zu Halle gezeigt wurde. »Die Reformation mann. 200 Exponate von 40 Leihgebern aus Deutschland, Polen, Schweden und den USA machten in sieben Themenräumen die Entwicklung kirchenmusikalischen Lebens über rund 500 Jahre hannes Brahms und Max Reger belegten die unterschiedlichen kirchlichen Instrumentenwelt dokumentierten verschiedene Exponate, zum Beispiel eine Laute aus dem 17. Jahrhundert oder die Hausmusikorgel aus dem Jahr 1938. Das älteste Exponat der Ausstellung ent- 75 stammt dem Jahr 1415, eine Abschrift des Augustinischen Traktats »De musica«. Zu den wertvollsten Stücken zählte das Erfurter Enchiridion von 1524, ­eines der ersten evangelischen Gesangbücher, das bereits 18 Lieder von Martin Luther enthält. In seiner ersten Ausgabe existiert einzig dieses Exem­plar. Zu einem Publikumsliebling geriet die Hallenser Harfenuhr die mittels eines CembaloWerkes zur vollen Stunden pietistische Choräle zierpt, wechselweise »Dir Jehova will ich singen« und »Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren.« Zudem machten die Kuratoren Cordula Timm- Hartmann und Claus Veltmann die Ausstellung auf den 300 Quadratmetern im historischen Waisenhaus nicht nur sichtbar, sondern auch hörbar – ergänzt wurde dieses umfassende Panorama kirchenmusikali- schen Lebens durch zahlreiche Hörstationen, unter anderem auf nachgebauten Kirchenbänken. Zu hören waren unter anderem Lautenmusik wie Martin Luther sie einst spielte oder die geistli- che Musik verschiedener Epochen: Georg Philipp Telemann, Paul Gerhard, Heinrich Schütz oder ein moderner Gospel Flashmob. Verschiedene Konzerte und Vorträge mit Musik begleiteten die Jahresausstellung und beleuchteten die einzelnen Epochen näher. Zweihundert Exponate zeigte die Ausstellung in den ­Franckeschen Stiftungen. Das Thema: Protestantische Musikkultur. Luthers Taufkirche im neuen Gewand Als »Zentrum Taufe« rückt in der Petri-Pauli-Kirche das »Ja-Wort-Gottes« in den Mittelpunkt 11. November 1483 getauft worden sein. Vier Täuf- 76 linge, die am 29. April den göttlichen Segen empfingen, standen nun in enger Verbindung damit. Denn sie wurden im Rahmen eines Festgottesdienstes getauft: Die Kirche öffnete ihre Pforten neu als »Zentrum Taufe«. »Die Taufe soll wieder mehr ins Bewusstsein geholt werden. Wir wollten Gemeindekirche blei- ben, aber auch neue Zielgruppen hereinholen«, sagte Pfarrerin Simone Carstens-Kant zur Eröffnung. Neben der alltäglichen Gemeindearbeit bietet das neue »Zentrum Taufe« den Besuchern Tauf­erinnerungsgottesdienste, und Glaubensseminare. Themenwochen Die Umbauarbeiten an der Petri-Pauli-Kirche dauerten mehr als ein Jahr und kosteten knapp Hier wurde Martin Luther getauft: Die Petri-Pauli-­ Kirche zu ­Eisleben wurde deshalb neu eröffnet als »Zentrum Taufe«. zwei Millionen Euro. Entwickelt wurde die Neuge- Eines ist gewiss: Täufer und Täuflinge werden bei Ganzkörper- staltung vom Berliner Architekturbüro AFF-Architekten. Blick- tragen. Denn die Sache mit der gestreiften Badehose soll dort nierten Kirche bildet. Mit über zwei Metern Durchmesser und taufen in der Petri-Pauli-Kirche Eisleben blickdichte Gewänder nicht passieren. Pfarrerin und Leiterin des neuen »Zentrums Taufe«, Simone Carstens-Kant, erinnerte sich an den Gottesdienst einer Baptistengemeinde. Die bunte Badehose des Pfarrers war unter dem durchsichtigen Talar deutlich zu sehen. »Das fang ist ein gewaltiges Taufbecken, das den Mittelpunkt der saeiner Tiefe von 70 Zentimetern bietet es die Möglichkeit zur Ganzkörpertaufe – in Anlehnung an Jesus von Nazareth, der im Jordan getauft worden sein soll. Die Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsju- hat die Würde schon etwas gestört«, sagte die Pfarrerin. biläum 2017, Margot Käßmann, hielt die Predigt im Festgottes- ren Tradition: Hier soll der Überlieferung nach Martin Luther am der heutigen Zeit fest: »Taufe ist ein Akt der Freiheit, der Freude, Die Petri-Pauli-Kirche zu Eisleben folgt einer ganz besonde- dienst. Sie stellte eine Veränderung hinsichtlich der Taufpraxis in der Zugehörigkeit. Die Taufe eines Säuglings ist 77 keine Zwangstaufe, sondern Eltern nehmen ihre Kinder hinein in die Gemeinschaft, die für sie selbst die entscheidende Lebensorientierung darstellt.« Käßmann betonte, der Missionsgedanke entwickle in unseren Breitengraden offensichtlich ganz neue Dimensionen: »Brachten früher Eltern ihre Kinder zur Taufe, so bringen heute immer öfter Kinder ihre Eltern zur Taufe. Eine steigende Zahl von Grundschulkindern möchte sich taufen lassen, nachdem sie im Schulunterricht oder der Kirchengemeinde vom Glauben gehört haben.« Superintendent Falko Schilling rückte in sei- ner Festrede die Bedeutung der Petri-Pauli-Kirche als Ort der Taufe in den Mittelpunkt: »Mit dieser Kirche, der Taufkirche Martin Luthers, und dem »Zentrum Taufe« sollen viele Menschen etwas verbinden, das sie persönlich berührt, sie im Leben begleitet und stärkt«, sagte er. Das Taufbecken ist groß und in den Boden eingelassen. Damit sind Ganzkörper­ taufen möglich. Tausende Worte und tausende Klänge Tagung der Evangelischen Akademie Rheinland über die Bedeutung der Musik im Gottesdienst 78 Kann Musik mehr bewirken als Worte? Spricht Musik viel mehr in seinem Vortrag. In seiner wissenschaftlichen Arbeit beschäf- Wort und Musik stand im Mittelpunkt der 7. Ökumenischen Be- Musik für Theologie, Verkündigung und gemeindliche Arbeit zu als Worte können? Das spannungsreiche Verhältnis zwischen gleittagung des Predigtpreis-Wettbewerbs der Evangelischen Akademie im Rheinland. Mit »Mehr als tausend Worte … Zum Verständnis von Wort und Verkündigungsgeschehen« knüpften die Veranstalter in Bonn an das Thema des Jahres »Reformation und Musik« an. »Musik ist ein Geschenk, eine Gabe Gottes« – so schrieb Luther selbst. Eine der Leitfragen auf der Tagung lautete: Wie können Wort und Musik noch besser zusammenwirken und so Synergien zum Aufbau der Gemeinde freisetzen? Landespfarrer und Studienleiter Peter Mörbel sagte dazu: »Über Grundsatzfragen hinaus bieten wir ganz praktische Anregungen zum tigt er sich immer wieder mit den Möglichkeiten, die U- und Enutzen. In seinem Vortrag zielte er auf die besondere Bedeutung der Musik für den Gottesdienst ab. Dieser bestünde in seiner hörbaren Dimension aus tausenden Worten und tausenden Klängen. Wort und Musik könne man nicht trennen, da jeder Mensch beide Bestandteile durch seine Prägung unterschiedlich wahrnehme. Schroeter-Wittke weiter: »Wort und Predigt unter- halten, indem sie vorübergehend Halt bieten, irritieren und dazu bewegen, immer wieder einen neuen Anfang und Aufbruch ins Leben zu wagen.« Zusätzlich zu den Vorträgen der namhaften Musikwissen- konstruktiven Umgang mit der Vielfalt der Musikstile und zei- schaftler und Theologen vertieften Workshops drei Aspekte des Referent Monsignore Professor Dr. Wolfgang Bretschneider schen Bach und Beats« die Einsatzmöglichkeiten von Musik im gen Auswahlkriterien.« aus Bonn nahm Stellung aus katholischer Sicht zur These »Das Herz des Gottesdienstes schlägt in der Musik«. Musik sei nicht einfach ein beliebiges Werkzeug, um einen Gottesdienst festli- cher zu gestalten, sondern gehöre als wichtiger, unverzichtbarer Bestandteil zum Gottesdienst. Sie spreche den Menschen viel Themas. Pfarrerin Gudrun Mawick stellte unter dem Titel »ZwiPredigtgeschehen vor. Zum Tagungsthema sagte sie: »In den Texten und Predigten würden die Menschen oft als Sünder und Unmündige in den Blick genommen (…)«. Dazu bilde die Musik im Gottesdienst oft ein Gegengewicht. Im Workshop »Singen als Quelle der Spiritualität« führte der stärker an und wecke schneller Emotionen … denn in der Musik Kantor des Kirchenkreises Wied, Thomas Schmidt, die Teilneh- »Wirklich mehr als tausend Worte?«, fragte Dr. Harald Anhand einzelner Lieder und unterschiedlicher liturgischer Li- sei eine Gottesbegegnung schneller erfahrbar. Schroeter-Wittke, Professor für Didaktik der Evangelischen Reli- gionslehre und Kirchengeschichte an der Universität Paderborn mer auf die Spuren der ganzheitlichen Dimension von Musik. nien lud er zu Experimenten ein. In »Kirchenmusik und Verkündigung in der Region« stellte der Leiter der Kantorei Barmen-Ge- 79 marke, Wolfgang Kläsener, Gottesdienste in besonderer Gestalt seit 2000 jährlich am Buß- und Bettag vergeben. Mit dem Preis stimmt wurden. den Kirchen fördern. 2012 wurden Bischof i. R. Dr. Walter Klaiber und zu besonderen Anlässen vor, die wesentlich von Musik beAls Fazit blieb, das Spannungsverhältnis zwischen Musik und Wort als Chance wahrzunehmen, Menschen mit unterschiedlichen Prägungen ansprechen zu können. Der ökumenische Predigtpreis, in dessen Rahmen die Tagung stattfand, wird will der VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft die Redekunst in (Preisträger »Lebenswerk 2012«) und Prof. Dr. Reinhard Feiter (Preisträger »Beste Predigt« und »Beste Predigt zum Pfingstfest«) ausgezeichnet. Kann Musik mehr bewirken als Worte? Spricht Musik viel mehr als Worte können? In der Evangelischen Akade­ mie im Rheinland wurde ­darüber diskutiert. Die Ergebnisse wurden in ­einem ­Tagungsband zusam­ mengefasst. Wenn Engel lachen Theater Zauberwort aus Oberursel präsentierte die Liebesgeschichte der Katharina von Bora Wittenberg, im Jahr 1524: Die ent- 80 torin, Gelehrte, Richterin, Brauerin« , so soll Martin Luther einst um Unterstützung in einer Liebes- nahm das Publikum mit in das Jahr 1524. Ihr schauspielerischer bittet den Reformator Martin Luther angelegenheit. Und plötzlich wird aus der Begegnung der beiden ein lustvoller Ausflug in die vielschichti- gen Facetten der Liebe, ins Zentrum der Reformation und in die Sehn- süchte einer neuen Zeit. Mit dem Kammermusical »Wenn Engel lachen – die Lebensgeschichte der Ka- tharina von Bora« schickten Autor Fabian Vogt (Theater Zauberwort) und Künstlerin Miriam Küllmer-Vogt Die Künstlerin Miriam Küllmer-­Vogt begeisterte das Publikum als Katharina von Bora – Luthers Frau. »Geliebter Herr Käthe! Du, mein Morgenstern, meine Dok- laufene Nonne Katharina von Bora mit seiner Katharina geturtelt haben. Miriam Küllmer-Vogt Facettenreichtum beeindruckte ebenso wie ihr Gesang. Sie ließ auf der Bühne gleich mehrere Personen lebendig werden, führte als entlaufene Nonne Katharina von Bora Diskussionen mit Professor Luther, für den ihr Herz zunächst gar nicht schlug. Vielmehr brauchte sie seine Hilfe in einer Liebesangelegenheit. Un- sterblich hatte sie sich in den Nürnberger Patriziersohn Hieronymus Baumgartner verguckt. Mutig bat sie Martin Luther, dessen Familie einen Brief zu schreiben. Im Gegenzug versprach sie, bei ihrer Freundin Ava ein gutes Wort für Luther einzulegen. In Ava hatte sich der Reformator nämlich seinerseits verliebt. Die Handlung um Luther und die Frauen fußte auf biblischer die Zuschauer auf eine Reise in die Grundlage: »Nun aber bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung, aber die Die Bühnenkulisse war schlicht – ein Stuhl, eine Staffelei, lische Musik gliederten die Geschichte. Original Lutherzitate Reformationszeit. eine brennende Kerze. Umso beeindruckender wirkte die Dar- bietung der Künstlerin Miriam Küllmer-Vogt. Deutschlandweit hatte sie das Publikum schon in ihrer Rolle als Elisabeth von Thüringen im Kammermusical »Der Teufel und die Heilige« begeistert. Nun mimte sie in einer One-Man-Show, musikalisch begleitet vom Pianisten Peter Krausch, die Katharina von Bora. Liebe ist die größte unter ihnen.« Kraftvolle und auch melancho- verdeutlichten, wie der Reformator mit den verkommenen kirchlichen Gegebenheiten gründlich aufräumte. »Wenn Engel lachen« tourte 2012 durch mehrere deutsche Städte und ist noch bis Januar 2014 an vielen Orten zu sehen. Der Mensch zwischen Himmel und Hölle Eine Ausstellung in der Sankt Nikolai-Kirche Jüterbog widmete sich den Anfängen der Reformation Wer in der Sankt Nikolai-Kirche in Jüterbog zum Altar gehen Glaubensvorstellungen der Men- schattengleich, bläkte seine Fratze vom sandfarbenen Back- zum Beispiel verdeutlicht auf typi- wollte, kam um den Teufel nicht herum. Ein schwarzes Bildnis, steinfußboden. »Will man die Reformation verstehen, muss man sich zuallererst mit der Lebenswelt der Menschen im Mittelalter beschäftigen«, sagte Kuratorin Olivia Franke. Zusammen mit dem Pfarrer Sankt Nikolais, Bernhard Gutsche, hatte sie die Ausstellung »Jenseits – Himmelswege vor und nach der Reformation«(23. Juni 2012 bis 30. April 2013) konzipiert. Die Jüterboger Kirche stand dabei im Mittelpunkt. »Wir haben mit dieser Kirche einen ganz bedeutenden und oft übersehenen Kunstschatz aus Luthers Zeiten«, sagte Franke. Die Ausstellung war der erste große Beitrag, den Jüterbog zur Lutherdekade lieferte. Eine Reihe weiterer Veranstaltungen ist in Planung. Die Jüterboger Kirchengemeinde Sankt Nikolai sche Weise den mühevollen Aufstieg in die ersehnte Himmelswelt. So zeigt der um 1600 entstandene Holzschnitt den Kampf des tugend- haften Menschen gegen die inneren und äußeren Mächte, die personifiziert dargestellt sind. »Armut, Krank- heit, Wollust und Tod versuchen den christlichen Ritter von der Himmelsleiter herabzuziehen«, heißt es in einem erklärenden Text. Auch die Darstellung Christi the- will dabei einen Kontrapunkt zu Wittenberg setzen. Während matisierte die Ausstellung. Zu sehen liegt, richten die Brandenburger Veranstalter ihr Augenmerk da- standener Himmelfahrts-Christus an einer modernen Himmel- dort der Schwerpunkt auf Luther und den Folgen seines Wirkens rauf, wie es zur Reformation kommen konnte. »Man muss wissen, wie der damalige Mensch sich Himmel und Hölle, das Jenseits und sein Leben auf der Erde vorstellte und lebte, um zu ver- stehen, wie die Reformation überhaupt entstehen konnte«, sagte Kuratorin Franke. Die Kirche birgt eine Vielzahl an Kunstwerken aus der Zeit kurz vor und kurz nach der Reformation, die Zeugnis über die 81 schen ablegen. Das Bild der Leiter war beispielsweise ein um 1500 ent- fahrtswinde. Traditionell wurde am Tag der Auferstehung eine Christusfigur durch ein Loch in der Kirchendecke gezogen. Nach- dem es verschwunden war, ließ man eine brennende Satans­ puppe herab, Oblaten, Rosinen und andere Süßigkeiten regne- ten auf die Kirchgemeinde. In direkter lutherischer Tradition steht der Emporenbildzyklus von Sankt Nikolai, den die Ausstellung ebenfalls zeigte. Insgesamt 75 Tafeln an der Emporenbrüs- Christus im Elend heißt diese um 1520 entstandene Eichenholzplastik, die die Kirche Sankt Nikolai in Jüterbog zeigt. Veranstalter schrieben: »Das Heilsein stand im starken Kontrast 82 zu der erlebten Welt, in der nichts wirklich heil war, in der kein Tag ohne Wunden und Schmerz verging. Ziel der Sehnsucht war das Jenseits – die andere Seite von Gottes Schöpfung (…). Meist ›Himmel‹ genannt, oder ›Paradies‹ oder ›Gottes Freudesaal‹. Wie komme ich da hin? Wo geht der Weg lang?« Parallel zur Ausstellung übertrugen Jugendliche aus ver- schiedenen Schulen in einem Kunstprojekt die mittelalterliche Auffassung, »das Bedrohliche darstellen, um es abzuwehren«, in die Gegenwart. Als Bedrohung machten sie Krieg, Umweltzerstörung, Gesundheitswahn und Überwachungsmentalität aus. In Zusammenarbeit mit Studenten und jungen Lehrern in den Stuckateurstechniken entstanden die Skulpturen: Der Soldat, der Tankkanister, die Spritze, die Überwachungskamera. Die Arbeiten wurden auf den Kirchtürmen von Sankt Nikolai ausgestellt. Christus im Grab nannte ein Künstler seine Plastik, die er um 1420 aus Lindenholz ­fertigte. Wahrscheinlich war sie Teil eines heiligen Grabes. Jüterbog ist in besonderer Weise mit den Ereignissen rund tung versinnbildlichen die Schöpfung der Welt bis zum Pfingst­ um die Reformation verbunden. Vor 500 Jahren verkaufte hier Calender und Passional« an, das 1522 erschien. Es beinhaltet bib- Zahlreiche Menschen pilgerten zwischen Wittenberg und Jüter- ereignis. Der Zyklus lehnt sich an Luthers »Betbüchlein mit dem lische Erzählungen vom Sündenfall bis zur Erlösung. 50 Holzschnitte illustrieren den Text. Innerhalb weniger Jahrzehnte erschienen zahlreiche Ausgaben des »Passionals« mit Holzschnitten verschiedener Künstler. Die Sehnsucht nach dem Heil trieb die Menschen, so lautete die Botschaft der Ausstellung. Die Reformationszeit und auch das Jahrhundert davor war von dieser Sehnsucht beherrscht. Die der Dominikanermönch Johann Tetzel päpstliche Ablassbriefe. bog, um einen der begehrten Freikaufscheine für den Himmel zu ergattern. 2012 wurde der Luther-Tetzel-Weg eingeweiht, der auf Initiative des Jüterboger Pfarrers Bernhard Gutsche entstand. Die 40 Kilometer lange Radstrecke verknüpft die beiden historisch bedeutenden Städte Wittenberg und Jüterbog. Ein Pilgerweg, der die Reformationsbewegung und ihre Zeit nachvollziehbar macht. Die vertonte Hölle auf Erden CD mit dem Soundtrack zu Luthers Pilgerreise von 1511 erschienen Hätte Martin Luther einen mp3-Player gehabt, wäre er auf sei- Eingespielt hat die CD das Con- ner Pilgerreise nach Rom gut unterhalten worden. Wahrschein- certo Romano. Das kleine, aber feine gelaufen, die das Label Christophorus am 20. September auf ei- Sängern, Flöten, Laute, Gitarre, Dul- lich wäre auf der Rückreise nach Deutschland genau die Musik ner CD veröffentlichte: »Der Klang der Ewigen Stadt anno 1511«, wie das Album »Luther in Rom« im Untertitel genannt wird. Martin Luther hatte keinen mp3-Player. Aber die Lieder, Tänze, Suiten und Messen, die auf der vorgelegten Aufnahme zusammengefasst sind, hat er mit einiger Wahrscheinlichkeit auf seiner einzigen Auslandsreise, die ihn in die Ewige Stadt führte, gehört. Denn in Rom wurde musiziert: Nicht nur in den Kirchen, auch in Palästen, auf Straßen und Gassen. Höchst unterschiedliche Stücke erklangen dort – von lateinischer Sakralmusik bis zu folkloristischen Songs. Sie alle sind auf der CD vereint und bilden trotz ihrer Unterschiede eine Einheit, die der Kritiker Bernhard Morbach im Kulturradio des RBB lobt: »Das Klang­erlebnis ist wirklich einzigartig!« Für Luther war Rom bei seiner Ankunft »eine Hölle auf Er- den«. Die Prunkbauten der Antike waren in miserablem Zustand und der Barock mit seiner ausladenden Schönheit in der Architektur stand erst noch bevor. Rom also, so wird geschätzt, war zu Luthers Besuch wirklich eine eher heruntergekommene Stadt. Eine Stadt jedoch mit vielfältiger Musik. Der Dirigent der Aufnahme, Alessandro Quarta, schätzt: »Der geübte Sänger und Lautenist Martin Luther dürfte all diese Melodien nicht so leicht vergessen haben.« 83 Ensemble mit fünf Sängerinnen und zian – einem Vorgänger des Fagotts – Posaunen, Orgel und Schlagwerk hat sich ganz und gar auf die Musik aus Kirchen, Palästen und Gassen eingelassen. »Durch ihre Verwurze- lung in der Musikkultur des Landes sind nur sie offenbar dazu in der Lage, das ›Ur-Italienische‹, das alle heterogenen Stile übergreift, aufzuspüren und musikalisch so zu entfalten, dass einem wirklich eine ›Klanglandschaft‹ vor Ohren steht, in der die Vielheit der Eindrücke schließlich zu einem Gesamtbild verschmilzt«, so Bernhard Morbach weiter. Der Hörer ahnt: So hat Rom am Beginn des 16. Jahrhunderts geklungen. Und das kann Luthers »Soundtrack« für Rom gewesen sein. Das Concerto Romano hat den Soundtrack zu Luthers Pilgerreise auf CD eingespielt. »Luther in Brass« – Worms’ Töne für den Reformator Positive Bilanz nach dem ersten Blechbläserfestival in der Stadt 84 Eine musikalische Hommage an den Brass und der A-cappella-Band Maybebob am frühen Samstag- Worms mit dem Blechbläserfestival ballstadion zur Konzertbühne, spielten eigens für das Festival Reformator zeichnete die Stadt »Luther in Brass«. Vom 31. August bis 1. September tönten und klangen Posaunen, Trompeten, Hörner und Tuben in der Stadt. Über die Veranstaltungspremiere zog der Kulturkoordi- komponierte Werke angelehnt an Martin Luther und seine Choräle, ließen daneben alte und moderne, schnelle und langsame, kirchliche und weltliche Stücke von Madonna bis Rammstein erklingen. Für die Blechbläser – ein Großteil von ihnen kam aus der Pfalz, nator der Stadt, Volker Gallé, positive Rheinhessen, Hessen und dem Rheinland – standen in diesen Ta- was hätten sie nicht erwartet: nicht begegneten sich bei einem Bläserfestival in Rheinland-Pfalz Bilanz: »Viele sagten danach, so eteine solche Qualität und Modernität der Ensembles aus dem kirchlichen Raum, nicht solche außergewöhnli- chen Programme, nicht eine solch gegenwärtige Wirkungskraft von Lutherchorälen.« Der Evangelische Posaunen­ chor Neckarsteinach spielte am Wormser Lutherdenkmal. abend in der EWR-Arena. Einen Abend lang machten sie das Fuß- Die Stadt Worms, die Posaunen- gen neue musikalische Erfahrungen im Vordergrund. Erstmals kirchliche Posaunenchöre, Musikschulen und freie Ensembles. Musikalisch forderte dies eine Umstellung. Evangelische Posau- nenchöre lesen ihre Notensätze traditionell aus C-Partituren, Blechbläser weltlicher Verbände nutzen transponierte Stimmen. Eigens für das Festival entstand deshalb ein Bläserheft, das die verschiedenen Noten-Lesarten berücksichtigt. Mitinitiator Volker Gallé betonte, das Festival sei ein sinnvol- chorverbände und der Kultursommer Rheinland-Pfalz e.V. als ler Baustein in der städtischen Positionierung als Lutherstadt: bot auf: zahlreiche Konzerte, ein Turmblasen, ein Nachtschwär- und Touristen erlebbar.« Der Verein Kultursommer Rheinland- Veranstalter warteten mit einem vielfältigen musikalische Angemer-Programm, im Rathaus die Tagung »Ein neues Lied wir heben an« über Luthers Wirkung als Liederdichter. Das Festival- Highlight gleichermaßen für Besucher als auch für die Teilnehmer war ein gemeinsames Open-Air-Konzert aller 400 Blechblä- ser zusammen mit dem österreichischen Star-Ensemble Mnozil »Durch das Festivalformat wird die Lutherdekade für Bewohner Pfalz e.V. wertete die Veranstaltung als gelungenen Beitrag zum Kultursommer-Motto von 2012 »Gott und die Welt«. Besonderer Dank galt Bernd Neumann, Staatsminister für Kultur und Medien, für die Förderung aus Bundesmitteln im Rahmen der Lutherdekade. Klingende Beispiele von Bühnen und Emporen IN GANZ DEUTSCHLAND GAB ES AM REFORMATIONSTAG VIELE FESTKONZERTE Wie könnte man das Themenjahr »Reformation und Musik« bes- Getreu Luthers Ausspruch: »Musik vertreibt den Teufel und ser feiern als mit Konzerten? Klingende Beispiele künden am macht die Menschen fröhlich« fand auch in Wittenberg ein Kon- Tag ist der Reformationstag. Im Jahr 2012 wurden da nicht nur erklangen nicht nur klassische Werke. Unter dem Titel »In missa besten von der Verbindung von Ereignis und Kunst. Ein perfekter Gottesdienste deutschlandweit gefeiert. Sänger und Instrumentalisten standen überall auf den Bühnen, vor Altären und auf Orgelemporen, um gemeinsam zu musizieren. Ganz unterschiedliche Prägungen hatten die Konzerte. Mal stand klassisches Repertoire von Bach, Mozart oder Mendelssohn auf dem Programm, mal auch Musik aus dem 20. Jahrhundert und der Gegenwart. In der Stadtkirche in Pößneck, in der seit 2008 regelmäßig zert statt, das die Besucher in die Kirche strömen ließ. Auch hier motion« konnte das Publikum neben dem Kyrie und Gloria aus Bachs h-moll-Messe auch die »Suite Liturgique« des französischen Komponisten André Jolivet hören. Geschrieben 1942, vereint Jolivet hier eine französische Suite im Barockstil mit vier Gesängen, die aus der katholischen Messe inspiriert sind. Ein bewe- gendes Klangexperiment mit der Wittenberger Kantorei und dem Orchester St. Marien, das die Zuhörer staunen ließ. In Luthers Geburtsstadt Eisleben, in Köthen oder im kleinen Konzerte zum Reformationstag stattfinden, erlebte das Publi- Ort Gorenzen im Südharz sowie in vielen anderen Kirchen »Ein feste Burg ist unser Gott« von Andreas Willscher erklang tesdiensten am Nachmittag oder Abend gesungen und musiziert kum im Themenjahr zur Musik eine Uraufführung. Das Stück erstmals öffentlich. Das zeitgenössische Werk, das Worte von Martin Luther, Karl May und der Bibel verbindet, wurde vom Pu- blikum gefeiert. Ebenso waren die Zuhörer von den Interpreten – vom Chor der Kantorei Pößneck, der Russischen Kammerphil- harmonie St. Petersburg sowie von den Solisten Marie Friederike Schöder (Sopran), Utta Meyer (Alt), Jens Schmiedeke (Tenor) und Heiko Mauschel (Bass) – angetan. Kontrastreich zur zeitgenössischen Komposition hatte Kantor Hartmut Siebmann noch die Bach-Kantate »Erschallet, ihr Lieder« und das »Laudate Dominum« von Wolfgang Amadeus Mozart gesetzt. Deutschlands wurde ebenfalls nach den morgendlichen Festgot– getreu dem reformatorischen Gedanken, dass mit Musik und vor allem mit Kirchenliedern der Glaube weitergetragen wird. 85 Luthers Lieder für die Gegenwart Chemnitzer Kirchenprojekt erweckt die musikalische Botschaft des Reformators »Woran denken Sie, wenn Sie den 86 tin Luther. Zwischen Reformationsfest und Ewigkeitssonntag lisch-Lutherischen Kirchenbezirk vor punkt in Predigt, musikalischer Darbietung und beim Gesang. rer Stephan Brenner vom Evangedem Start des Chemnitzer Projekts. Die Bibelübersetzung, die Erneuerung der Kirche, die Kritik gegenüber dem Bauernkrieg – all das steht für den Namen Luther. Aber, so Brenner weiter: »Was auch zu Martin Luther gehört und manchem gar nicht so bewusst ist: Er hat Liedtexte geschrieben und etlichen auch die Melodie gegeben. So hat er einen wich- tigen Beitrag dazu geleistet, dass die Reformation der Kirche nicht nur aus gesprochenen und geschriebenen Worten, sondern auch aus gesungenen Liedern hervorgegangen ist.« Für sein Projekt zum Themenjahr »Reformation und Musik« hatte sich Die Jakobikirche war einer der Orte in ganz Chemnitz, an dem evangelische Kirchen­lieder von Martin Luther im Mittelpunkt standen. Hier begann das Projekt »Mit Lust und Liebe singen – ­Luther – Lieder – Gottesdienste«. 36 Lieder im Evangelischen Gesangbuch stammen von Mar- Namen Luther hören?«, fragte Pfar- der Evangelisch-lutherische Kirchen- bezirk Chemnitz ein Zitat des Reformators auf die Fahnen geschrieben. »Mit Lust und Liebe singen – Luther – Lieder – Gottesdienste« hieß die Aktion und mit Lust und Liebe trug sie die Lieder Luthers in die Kirchen der Stadt. wurden einige von ihnen zum jeweiligen GottesdienstmittelDen Auftakt gab am Reformationsfest in der Stadt- und Marktkirche Sankt Jakobi und der Trinitatiskirche Chemnitz–Hilbersdorf das Lied »Nun freut euch, lieben Christen g’mein«. Abschließend stand am Ewigkeitssonntag in der Sankt Petrikirche das Lied »Mit Fried und Freud fahr ich dahin« im Mittelpunkt des Gottesdienstes. Liedpredigt und Musik befassten sich mit dem zentralen biblischen Text zum Thema Sterben und Ewigkeit. Dazu gab es Orgelwerke von Johann Sebastian Bach und die Motette »Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen« von Jo- hannes Brahms. Die Sankt Jacobikirche Chemnitz Einsiedel machte sich »Vater unser im Himmelreich« zum Thema. Dazu erklangen verschiedene Vater-Unser-Vertonungen. Andere Got- tesdienste in weiteren Kirchen befassten sich unter anderem mit »Ein feste Burg ist unser Gott«, »Verleih uns Frieden gnädiglich« und »Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort«. Die Botschaft des Projektes fasste Pfarrer Stephan Brenner zusammen: »Die von Luther stammenden Worte und Klänge sind auch in unserer modernen Welt zu hören. Man muss nur auf Empfang gehen.« Der Klang von Luthers Liedern Das Nürnberger Festival »Musik und ­R eformation« belebte die Töne des 16. Jahrhunderts Luthers Lieder sind als Erbe der Reformation nicht mehr wegzu- 87 denken. Aber wie klang Musik im 16. Jahrhundert? Und: wie hörte sich die Reformation in den Gotteshäusern des Landes an? Das Nürnberger Festival »Musik und Reformation« ließ längst verklungene Töne wieder aufleben. Ein glücklicher Fund von Pia Praetorius, Kantorin der Kirche Sankt Egidien, bildete einen Baustein für das Festival. Vor einigen Jahren war sie zufällig auf die »Egidienchorbücher« gesto- ßen. Jahrhundertelang hatten die Schätze in drei verschiedenen Archiven geschlummert: Sechs im Germanischen Nationalmuseum, elf im Landeskirchlichen Archiv, zwei weitere in der Staatsbibliothek Berlin. »Die Bücher sind ein wahnsinniger Fundus, der alles enthält, was man damals in den Kirchen gesungen hat«, sagte die Kantorin. Messen und Vespern, einstimmige Werke, schlichte akkordische Mehrstimmigkeit, kunstvolle Figuralmusik, eigene Kompositionen und Werke ausländischer Meister – der damalige Egidienkantor Friedrich Lindner hatte in den Büchern Ende des 16. Jahrhunderts seine Arbeit dokumentiert. Das Festival »Musik und Reformation« orientierte sich in­ ­Teilen an den Aufzeichnungen Lindners, tourte auch darüber ­hinaus durch die musikalische Landschaft jener Zeit. Schließlich lautete das Thema: »Ein Jahrhundert Musikgeschichte in einer Woche erleben«. machen, welche Auswirkungen der Glaubenswandel auf den reichsten Städten des Heiligen Römischen Reiches. 1525 be- cherchearbeiten wurden für alle vier Konzerte Programme kon- Im 16. Jahrhundert zählte Nürnberg zu den größten und kannte sich Nürnberg als erste deutsche Großstadt zum protes- tantischen Glauben. Die vier Festivalkonzerte sollten erlebbar Umgang mit der Musik in der Stadt hatte. In aufwändigen Rezipiert, die in den Jahren 1500, 1525, 1550 und 1580 genau so hätten erklingen können. Ein Jahrhundert Musik­ geschichte um die Zeit der Reformation konnten ­Besucher in einer Woche in Nürnberg erleben. 88 Als erste deutsche Großstadt bekannte sich Nürnberg zum evangelischen Glauben. Das änderte auch den Umgang mit der Musik. Die Konzerte im Jahr 2012 machten das deutlich. Dort gab es nicht nur Musik zu hören, sondern auch beeindruckende Licht­ installationen zu sehen. Im ersten Konzert gaben Werke von Josquin Desprez und ein Qualität musiziert«, sagte Praetorius. Das Programm bot Werke vom »Vorabend der Reformation«. Der Bamberger Erzbischof ser, Leonhard Lechner und Hans Leo Hassler. formationsjahr 1525 geht in Nürnberg mit den Bemühungen des mierte Instrumentalisten und ortsansässige Chöre wie der Egi- und Orgel aus der Kirche zu verbannen. Musikalisch wurde das historischen Instrumenten der jeweiligen Zeit besetzt – Krumm- Magnificat des Nürnberger Meisters Conrad Rein Impressionen Ludwig Schick sprach die Lesung zum Konzert auf Latein. Das Re- Stadtreformators Andreas Osiander einher, Mehrstimmigkeit Jahr mit einer einstimmigen gregorianischen Vesper und – als Brücke in die Gegenwart – einem Auftragswerk des Berliner Komponisten Hans Schanderl inszeniert. Die beiden weiteren Konzerte widmeten sich dem Aufblühen der Nürnberger Musik- kultur. »Hier wurde ein internationales Repertoire von höchster von Ludwig Senfl, dem Nürnberger Meister Wilhelm BreitengraBeim Festival spielten und sangen international renom- dienchor oder schola cantorum nürnberg. Jedes Konzert war mit horn, Spinett oder kleine Orgeln wie Regal oder Portativ. Die Tradition, Alte Musik mit zeitgenössischer Kunst zu verbinden, setzte Sankt Egidien auch beim Festival »Musik und Reformation« fort. Der Berliner Künstler Hans Fründt entwarf dafür die Bühne und eine Lichtskulptur. »Ein Schulmeister muss singen können« Schüler interpretierten Luther beim ­LISA-Musikwettbewerb Musik und Bildung gehörten für Luther zusammen. Berühmt 89 sein Zitat: »Man muß Musicam zur noht wegen in Schulen be- halten. Ein Schulmeister muß singen können, sonst sehe ich ihn nicht an.« In Anlehnung daran hatte das Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt (LISA) einen Schüler-Musikwettbewerb für die 5. bis 12. Klasse passend zum Themenjahr der Reformationsdekade ausgeschrieben. »Ein neues Lied heben wir an«: Das Motto geriet zur Motivation für Schüler und Lehrer, sich mit dem Reformator und seiner Zeit auseinanderzusetzen. Ein Workshop im Vorfeld bereitete interessierte Pädagogen auf das Thema vor. Das Land Sachsen-Anhalt und die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt förderten das Projekt. Eine Jury prüfte die eingereichten Beiträge, sieben Schul- klassen wurden zur Wettbewerbspräsentation zum LISA nach Halle eingeladen. »Musicam habe ich allzeit lieb gehabt. Wer Wie funktioniert ein besseres Miteinander?«, lauteten die Fra- einst Martin Luther. Und die Schülerinnen und Schüler zeigten Bandprojekt »Zusammen Trommeln« gehörte zu jenen, die sich diese Kunst kann, der ist guter Art, zu Allem geschickt«, befand auf der Bühne ihre Liebe zu klingenden Tönen und zum Gesang auf verschiedene Art. Junge Mädchen in Jeans trommelten, Mönche mit Kerzen in der Hand präsentierten Gospel-Songs. Man sah Engel in strahlenden Gewändern und Weise aus dem Morgenland, die funkelnde Kronen auf den Häuptern trugen. Intensiv hatten sich die jungen Menschen mit den Themen Luther und Bibel befasst. Einige beschäftigte Luthers Wille zur Veränderung. Sie übertrugen die Botschaften des Reformators in die Gegenwart. »Welche schulischen Regeln sind notwendig? gen. Die Band der Sekundarschule Süd-Ost Bernburg und das diese Fragen stellten. Oder auch der Chor der Sekundarschule H. Brunsberg Tangermünde mit dem »Luther Lied«. Ein Kurzmu- sical von der Idee bis zur Präsentation hatten die Zehntklässler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Zeitz entwickelt. Sie ga- ben auf der Bühne in Halle »Luther zwischen Tannenbaum und Weihnachtsbraten.« Die Fünft- bis Zehntklässler der Sekundarschule Seeland- schule Nachterstedt brachten einen Luther-Rap mit nach Halle, der unter der Leitung von zwei Schülern der 10. Klasse entstan- Schüler aus Sachsen-Anhalt setzten sich mit Martin Luther und der Bibel auseinander. Wichtig war dabei auch die Musik. 90 Weise aus dem Morgenland, singende Engel oder Mönche mit Kerzen. Die Jugendlichen setzten Luthers Botschaft kreativ auf der Bühne um. den war. Ein Junge vom Hildebrand-Gymnasium Stendal kom- bracht. Die zweiten Plätze in den Kategorien »Projekt« und Gospel-Chor der 10. Klasse. Sie hatten sich im Musik- und Reli- und die Sekundarschule Seelandschule Nachterstedt. Den drit- ponierte die Melodie und schuf die Instrumentierung für den gionsunterricht mit Luthers Liedern und Texten beschäftigt und »Ein feste Burg ist unser Gott« interpretiert. Für ihren Auftritt wurden die Schüler des Stendaler Gymnasiums gemeinsam mit der Sekundarschule H. Brunsberg mit dem ersten Platz »Band« gingen an das Geschwister-Scholl-Gymnasium Zeitz ten Platz teilten sich in den Kategorien »Projekt« und »Band« die Sekundarschule Wanzleben und die Sekundarschule SüdOst Bernburg. Tosenden Applaus gab es – selbstredend. Aber auch eine in der Kategorie »Chor« ausgezeichnet. Die Sekundarschule stimmungsvolle Preisverleihung mit dem LISA-Präsidenten Sie hatten eine »Spielszene mit Musik« auf die Bühnen ge- zwischen 500 und 1.000 Euro. Schulzentrum Stadt Könnern siegte in der Kategorie »Projekt«. Dr. Siegfried Eisenmann. Die Schulklassen erhielten Preisgelder Der verschwenderische Reichtum Gottes Hildesheimer Gottesklang-Fest schwelgte in der Vielfalt der kirchenmusikalischen Töne Überraschend, bunt und mitreißend: Mit dem Gottesklang-Fest 91 in Hildesheim trugen die Veranstalter der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover und des Michaelisklosters Hildesheim Kirchenmusik auf Straßen und Plätze der Stadt. Die Begeisterung über das erste landes­kirchenweite Musik- fest am 9. Juni war bei den Beteiligten spürbar. Eckhard Gorka, Landessuper­intendent im Sprengel Hildesheim-Göttingen schwärmte: »So hat man Hildesheim noch nicht gesehen: Kirchenmusik an gewohnten und ungewohnten Orten, Konzerte, Gottesdienste, Performances für Jung und Alt und dann als Abschlusskonzert noch eine Premiere. Ich freue mich drauf.« Der Pro- jektkoordinator des Festes im Michaeliskloster Hildesheim, HansJoachim Rolf, bezeichnete das Fest als »echtes« Highlight. »Wir bringen ganz unterschiedliche Arten von Kirchenmusik zusammen: Orgel, Gospel, Blechbläser und Jazzformationen, Kammerchöre und vieles mehr. Das führt zu ganz neuen Hörerlebnissen.« Landesbischof Ralf Meister sprach in seiner Predigt beim Er- öffnungsgottesdienst inspiriert von Harry Belafonte über die suchern einen Tag voller Inspiration. Schöne Töne erklangen in Jeder muss sein eigenes Lied finden. Unsere Lieder sind ver- hätten. Beispielsweise begrüßte der Handglockenchor Hanno- Bedeutung von Musik. Seine Kernbotschaft: »Sing your song. Hildesheim an Orten, an denen die Zuhörer sie nicht erwartet schieden. (…) Aber mit den Liedern findet jeder seinen eigenen ver die Besucher in der Arneken Galerie, einem großen Einkaufs- derer eher zurückhaltend und leise, der dritte singt alleine Innehalten. Ton im Leben. Da wird einer offensiv oder widerständig, ein anschon gleich mehrstimmig. Jeder singt sein Lied.« Rund 1.000 Musikerinnen und Musiker bezeugten in 40 Kon- zerten, Performances und Workshops, wie faszinierend und vielfältig Kirchenmusik sein kann. Sie schenkten den rund 2.000 Be- zentrum, mit meditativen Klängen und schenkte Momente zum Alte Choräle aus neuer Perspektive brachte die begehbare Blechbläserinstallation eines 20-köpfigen Ensembles in die Fußgängerzone. Mutige Zuhörer berauschten sich inmitten der Musiker an den Klängen. Bunt und mitreißend sangen viele Chöre beim Hildes­ heimer Gottesklang-Fest. Dort waren auch Gospelund Jazzformationen zu ­erleben. Sie alle vereinigten verschiedene Arten der ­Kirchenmusik. Barock, Orgel- und mittel- 92 alterliche Instrumente erklangen in den Kirchen der Stadt. Die Workshops erzählten von African Gospel, Orgelspiel oder historischen Tänzen. Sogar zu ei- ner Tango-Messe wurde eingeladen. Am Abend dann die Uraufführung des Werkes »Sound of Messiah« von Lothar Krist in der Sparkas- sen-Arena Hildesheim. Die Hannover Bigband, Kir- chenchöre und Musiker Landesbischof Ralf Meister (rechts) sprach in seiner P­redigt über die Bedeutung von Musik. Seine Kernbot­ schaft: »Jeder muss sein ­eigenes Lied finden.« aus Posaunenchören ver- Auf dem Andreasplatz lud dagegen eine interaktive Perfor- band hier New-Orleans-Jazz, orientalische Skalen und moder- nen, ein Hornist in den Ästen einer Platane, eine Trompeterin, sammen: »Mein Gott, was für einen verschwenderischen Reich- mance zum Mitmachen ein: Ein Tuba-Spieler, barfuß im Brundie lässig die Beine aus einem Fenster baumeln ließ. Der Zug einer Posaune war in einem anderen Fenster sichtbar. Über elekt- ronische Signale konnten Passanten die Bläser-Improvisation in Gang setzen. Laut und leise, modern und traditionell, stimmungsvoll, sphärisch oder exotisch – so tönte auch der Nachmittag in ­Hildesheim: Naturinstrumente gab es im Klanggarten. Jazz und nen Gospel. Landessuperintendent Eckhard Gorka fasste zutum hast du über deiner Kirche ausgeschüttet.« Gottesklang -»Das Fest« fand im Rahmen der Aktion »366+1 Kirche klingt 2012« statt. Wer erfand den Weihnachtsbaum? Heinrich-Schütz-Haus Bad Köstritz holte­ Luther in die Weihnachtsausstellung Dass Martin Luther der Erfinder des Weihnachtsbaumes ist, erzählen wohl nur Legenden. Angeblich bat Luthers Lieblingstöchterchen den Vater um ein eigenes Krippenspiel. Bunte Anekdo- verfolgen lässt. In Bachs WeihnachtsoratoDie Schau erzählte Legenden und Fakten ten beschreiben den Ablauf der Aufführung, zeichnen beispiel- rund um Weihnachten. Daneben brachte die nem Berg Geschenke. Auch das Lied »Vom Himmel hoch« soll Bunte, das sich klassischerweise erwarten weise ein Bild des Reformators von Kindern umringt und mit eierstmals erklungen sein. Grund genug für Friederike Böcher, Museumsleiterin des Heinrich-Schütz-Hauses Bad Köstritz, den Liedanfang als Titel für die Weihnachtsausstellung zu nutzen: »Vom Himmel hoch, Weihnachtsausstellung auch jenes fröhliche lässt: Ein beeindruckendes Panorama aus Weihnachtskleinigkeiten wie Spieluhren, Adventskalendern oder Büchern. Das ganze Jahr über begleiten das Hein- da komm ich her – Mit Martin Luther unterm Weihnachtsbaum« rich-Schütz-Haus Ausstellungen. Ständig zu sik« den Reformator und Weihnachten zusammen. Einen zentra- ten Musikers erzählt, der 1585 in Bad Köstritz brachte im Rahmen des Themenjahres »Reformation und Mulen Platz in der Schau nahm ein 1842 in der Werkstatt von C.A. Schwerdgeburth entstandener Kupferstich ein. Er entstand als Frontspitz für den Band von Karl Reinthaler als »das klassische Weihnachtsbild.« Zu sehen war die Lutherstube in Wittenberg, Luther sitzt, seine Kinder stehen um den Tisch. »Mit dieser Darstellung wurde Martin Luther zum Erfinder des Weihnachtsbaums und im Umfeld auch des Weihnachtsbaumschmuckes, den er selber anfertigte«, erzählte Friederike Böcher. Eine zentrale Stellung nahm auch das Lied »Vom Himmel hoch, da komm ich her« ein. »Luther dichtete seinen Text wohl 1535 auf die damals geläufige Melodie ›Ich komm aus fremden Landen her‹. Erst 1539 erdachte er die heute so bekannte und plastische Melodie«, sagte Böcher. Die Ausstellung zeigte eben- falls, wie sich das Choralthema durch Epochen und Musikstile 93 rium etwa taucht es gleich dreimal auf. sehen ist jene, die über das Leben des berühmgeboren wurde. Heinrich Schütz gilt als bedeutender Komponist des Frühbarock. Martin Luther und der Weih­ nachtsbaum war Thema einer Ausstellung im HeinrichSchütz-Haus in Bad Köstritz. Die Stadtkirche als Wohnzimmer WeiSSenfels verwandelte den dritten Mitteldeutschen ­Kirchentagskongress in einen Kirchentag der Hausmusik 94 Die Kirche wurde zum Wohn­ zimmer: Im Themenjahr »­Reformation und Musik« wurde es beim Mitteldeut­ schen Kirchenkongress ganz privat: Schließlich gilt der Reformator als Erfinder der Hausmusik. Der dritte Mitteldeutsche Kirchentagskongress in Weißenfels haben uns überlegt, wenn Luther in der Gegenwart leben sik« ein ganz Besonderer werden. Und so schlugen die Veranstal- Geschäftsführerin des Landesausschusses der Kirchenprovinz (5. bis 7. Oktober) sollte im Themenjahr »Reformation und Muter »Mit Herzenslust den süßen Ton« an und luden unter diesem Motto zu einem Kirchentag der Hausmusik ein. Martin Luther schließlich gilt als einer der Erfinder der Hausmusik. Ein Handwerker aus der Gegend wurde mit dem Bau einer wohnlichen Kulisse betraut, die Stadtkirche Sankt Marien für die Konzerte kurzerhand in ein Wohnzimmer verwandelt. »Wir würde, was würde er dann für Hausmusik spielen«, sagte die Sachsen-Anhalt des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Annette Hildebrandt. Und erklärte damit das breite musika­ lische Repertoire, das auch moderne Musikstücke enthielt. Berücksichtigt wurden verschiedene Genres, wie romantische Kammermusik, traditionelle Madrigale, Weltmusik oder Pop. Neben Konzerten mit dem Duo Drugan, dem Thüringischen 95 Akademischen Singkreis und der Kantorei Maria Magdalenen Reinbek sowie einem Festgottesdienst füllten Workshops das Wochenende. Zeitweise probten und musizierten an dem Wo- chenende rund 200 Leute in 15 Gruppen in den Workshops »Klas- sische Hausmusik«, »Chormusik zum Hausgebrauch«, »Rock und Pop« und »Weltmusik«. Teilnehmer mussten mindestens ein Jahr Unterricht an einem Instrument vorweisen. Unterstützung gaben Profimusiker wie Ulrike Bassenge von der Berliner Staatskapelle, Kantor Gerhard Noetzel oder Maja von Kriegstein, Do- zentin an der Universität der Künste in Berlin. Die Ergebnisse der Proben wurden dann am Sonntagabend in einem dreistündigen öffentlichen Konzert in der Wohnzimmerkulisse von Sankt Marien vorgestellt. Der Weißenfelser Pfarrer Martin Schmelzer studierte ein Lied aus dem Film »Schwarze Katze, weißer Kater« ein. Er bezeichnete die Hausmusiktage als eine »sehr intensive Erfahrung«. Landesbischöfin Ilse Junkermann hielt die Predigt im Fest- nach einem Umbau gut eine Woche später angesetzt war. Den gelische Kirche in zwei Dimensionen zusammengehörten. In ih- schen Evangelischen Kirchentages, Lothar Tautz, freute, dass die gottesdienst. Sie sprach darüber, dass Hausmusik und die evanrem Ursprung sei sie direkt mit Martin Luther verbunden. Junkermann weiter: »Die Musik war ein wesentliches Medium, um die Botschaft des Evangeliums zu verbreiten.« Eine Stadtführung durch Weißenfels bot einen exklusiven Blick in das Heinrich-Schütz-Haus, dessen Wiedereröffnung Vorsitzenden des Landesausschusses Sachsen-Anhalt des DeutTermine so nahe beieinander lagen: »Das ist ein Zufall, ein schöner Zufall. Aber so wird deutlich, dass Weißenfels eine große Musiktradition besitzt, die gepflegt wird.« Öffentliche Konzerte fanden in einer Wohnzimmerkulisse in der Stadtkirche St. Marien statt. Neue mitteldeutsche Kirchenmusik Thomas Buchholz erhielt ersten Preis beim Kompositionswettbewerb der EKD 96 Seine Auseinandersetzung mit den Kirchenliedern Martin Lu- Stephan Dorgerloh, Kultusminister des Landes Sachsen-­ thers hatte die Jury einfach überzeugt. Deshalb erhielt der Kom- Anhalt und Vorsitzender des Lenkungsausschusses zur Vorbe- wettbewerbes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) tor Prof. Wolfgang Kupke, Präsident des Landesmusikrates ponist Thomas Buchholz den ersten Preis des Kompositionszum Themenjahr »Reformation und Musik«. Ausgeschrieben hatten ihn die Geschäftstelle der EKD »Luther 2017 – 500 Jahre Reformation« in Lutherstadt Wittenberg gemeinsam mit dem Landesmusikrat Sachsen-Anhalt, dem Sächsischen Musikrat und dem Landesmusikrat Thüringen. Thomas Buchholz hatte sich mit seinem Werk »Feste Burg« dem Luther-Lied »Ein feste Burg ist unser Gott« auf seine ganz persönliche Art genähert. Sein Werk ist eine Kantate für Alt Solo, Sprecher, Blockflötenquartett, Posaunenchor, Frauenchor, reitung auf das Reformationsjubiläum, und KirchenmusikdirekSachsen-Anhalt e.V., zeigten sich erfreut über die Entscheidung, den mit 6.000 Euro dotierten Preis an Thomas Buchholz zu vergeben. Die Tradition mitteldeutscher evangelischer Kirchenmusik finde mit einer solchen Komposition eine lebendige Fortsetzung in Sachsen-Anhalt, sagten sie. Neben Thomas Buchholz erhielten der Musikstudent Stephan Langenberg aus Ober- hausen und der Leipziger Komponist Günter Neubert einen zweiten Preis. Der aus Eisenach stammende Thomas Buchholz ist künstle- Kinderchor, gemischten Chor, Orgel und elektroakustisches Zu- rischer Leiter der Halleschen Musiktage und Vorsitzender des rium des Gemeindemusizierens. »Feste Burg« verarbeitet Lu- ßerdem unterrichtet er Komposition am Staatlichen Komitas- spiel – mit wenigen Ergänzungen das klassische Instrumentathers Text, greift aber in der zweiten Strophe nicht auf die Worte des Reformators, sondern eines Nachgeborenen zurück: Heiner Müllers Gedicht »Ich bin der Engel der Verzweiflung« hat Thomas Buchholz in sein Werk aufgenommen und lässt die Zei- len singen. Uraufgeführt wurde es im Rahmen des Konzertes »Engel und Dämonen« beim »Impuls – Festival für Neue Musik«. Die Altistin Annette Markert sang dort von der zerstören- den Macht des Menschen. Trotz moderner Spieltechniken sei »Feste Burg« ein gut hörbares, manchmal überraschend traditionelles Werk, so ein Kritiker zur Uraufführung. Landesverbandes Sachsen-Anhalt Deutscher Komponisten. Au- Konservatorium Eriwan in Armenien und an der Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« Leipzig. Gesang für das Herz Europas »Jesu, meine Freude« – Der Rundfunk-Jugendchor ­Wernigerode gab zwei Konzerte in Brüssel Sie kamen, sie sangen und sie hinterließen Begeisterung. Die 97 Sängerinnen und Sänger des Rundfunk-Jugendchores Wernige- rode brachten unter der Leitung von Peter Habermann Musik von Schütz, Mendelssohn Bartholdy, Luther und Monteverdi in das Herz Europas. Zwei Konzerte gaben sie in Brüssel, eines da- von direkt im Europäischen Parlament. Die Konzertreihe »Jesu, meine Freude« (9.und 10. Juli) fand anlässlich der Lutherdekade statt. »Den besten Jugendchor (…) zu Gast zu haben, ist mir eine große Ehre«, freute sich Europaabgeordneter und Schirmherr Dr. Horst Schnellhardt (EVP/CDU). »Die aufgeführten Stücke von einem ergreifenden Requiem bis hin zu schwungvollen Volksliedern gingen richtig unter die Haut! Es ist immer wieder schön, zu sehen, wie Musik die Menschen über alle Grenzen hin- gendchor« ausgezeichnet. Film- und Tonproduktionen erreich- der Landesvertretung Niedersachsen, Ulrike Kunert, sprach dem besuchen das Landesgymnasium für Musik in Wernigerode, weg verbindet«, betonte der Sachsen-Anhalter. Die Delegierte Chor ein »großes Kompliment« aus und bezeichnete das Konzert als »berückend«. Der Rundfunk-Jugendchor Wernigerode blickt auf eine ten auch den japanischen Markt. Die Sängerinnen und Sänger Sachsen-Anhalt, und geben internationale Konzerte unter anderem in Japan, Vietnam, Italien und den USA. In Brüssel konnten die Jugendlichen bei einer Führung durch 60-jährige Geschichte zurück und gilt im Bereich der gemisch- das EU-Parlament hinter die Kulissen europäischer Politik bli- ble. Unverwechselbares Markenzeichen sind die Interpretatio- treter des Chors Mitglieder des Brüsseler Chors und des Orches- ten Jugendchöre als international anerkanntes Spitzenensemnen von deutschem und internationalem Volksliedgut und zeitgenössischer Chormusik. Beim Deutschen Chorwettbewerb, dem Leistungsvergleich der Chor-Elite Deutschlands, belegte das Ensemble seit 1990 stets den ersten Platz. Bei internationalen Wettbewerben wurde es schon oft als »Bester Deutscher Ju- cken. In der Landesvertretung Sachsen-Anhalt trafen dann Verters »Chapelle des Minimes«. In deren Kirche gaben die Gäste aus Deutschland dann auch das zweite Konzert. Neben Schütz und Mendelssohn Bartholdy sangen die Jugendlichen moderne Interpretationen wie »Lux aurumque« von Eric Whitacre (*1970) und »Peace I leave with you« von Knut Nystedt (*1915). Der Rundfunk-Jugendchor Wernigerode gastierte mit zwei Konzerten in Brüssel. Eine Veranstaltung fand im EU-Parlament statt und wurde begeistert aufgenom­ men. »Die Stücke gingen richtig unter die Haut«, so ein Abgeordneter. Von Szeged nach Lutherstadt Wittenberg Ungarischer Pfarrer erlebte als Resident ein Jahr lang Luther-Historie zum Anfassen 98 Etwas später als geplant, aber sehr glücklich kam Gyula Makovi- tigte er sich mit der ehemaligen ungarischen Bibliothek (Biblio- Jahr nach Wittenberg kommen wollen. Durch die Geburt meines gen von Exilantenliteratur, die eine abenteuerliche Geschichte czky in Sachsen-Anhalt an. »Eigentlich hatte ich schon vor einem Sohnes vor etwa eineinhalb Jahren ist der Terminkalender aber völlig durcheinander geraten. Mathias war zu diesem Zeitpunkt einfach noch zu klein. Meinen Aufenthalt konnte ich aber zeitlich nach hinten schieben.« theka Nationis Hungariae), eine der bedeutendsten Sammlunhat. Makoviczky bilanzierte: »Die Ergebnisse können sowohl für die historisch-theologische Forschung in Ungarn, als auch für die ungarisch-sprachige Fachliteratur von großem Nutzen sein.« Internationale Projekte begleitete er umfassend. So infor- Ein Jahr lang gab es für den 40-jährigen Pfarrer als Internati- mierte er beispielsweise beim Evangelischen Jugendkirchentag Anfassen vor Ort. Mit seiner Familie, Frau Sofia und dem kleinen rischen Protestantischen Gemeinde in Berlin ungarische Gottes- onalen Residenten Historie um Luther und die Reformation zum Sohn, lebte er mitten in der Stadt. Er beschrieb: »Blicke ich aus dem Fenster, sehe ich den belebten Marktplatz. Die Stadt gefällt mir sehr gut. Ich kenne Wittenberg. Vor acht Jahren war ich schon einmal für zwei Wochen hier, um ein Seminar der Kirchengeschichte zu besuchen.« Deutschland war Makoviczky nicht fremd. Im fränkischen Erlangen hatte er zwei Semester evangelische Theologie mit Schwerpunkt Kirchengeschichte studiert. Seine Ziele für das Deutschland-Jahr 2012 hat der aus Szeged stammende Resident umgesetzt. Seine Schwerpunkte lagen auf der wissenschaft­ lichen Forschung, internationalen Projekten und einer Buch­ übersetzung ins Ungarische. Die Übersetzung von Heiko Augus- tin Obermans »Luther, Mensch zwischen Gott und Teufel« hat er in Deutschland zu einem Drittel geschafft. Sein Ziel: »Das Buch sollte in jedem Fall noch vor 2017 erscheinen.« Auch mit den Ergebnissen seiner wissenschaftlichen For- schungsarbeit ist Makoviczky zufrieden. In Wittenberg beschäf- am Balaton über die Lutherdekade. Er hielt als Pfarrer der Ungadienste. Als Mitglied im Vorbereitungsteam des Konfirmandentreffens empfing er Gäste aus ganz Europa. Besonders freute ihn, dass auch die Konfirmanden seiner Heimatgemeinde mit dabei waren. Mit internationalen Gästen führte Makoviczky theologische Diskussionen und Dialoge, zeigte ihnen Witten- berg und informierte umfassend über die Lutherdekade. Auch die Nachfrage aus Ungarn sei sehr groß gewesen, erzählte der Resident: »Ich habe mehrere Gruppen aus Ungarn gehabt, Gemeindegruppen, Mitarbeiter der Kirchenzeitung, Touristen. Un- garischen Gruppen, die nach Wittenberg reisen wollen, werde ich auch in Zukunft helfen, damit sie sich hier wohlfühlen.« In seinem Heimatland leben vergleichsweise wenig Protestanten: »Das Land hat knapp über zehn Millionen Einwohner. Rund 100.000 von ihnen bezeichnen sich als evangelisch, vielleicht sind es sogar noch weniger.« Auch außerhalb des Residenten-Programms bietet sich ­Makoviczky als Kontaktperson für die Evangelische Kirche in Deutschland an. »Ich will die Menschen auf das Erbe der Reformation und dessen Wirkung neugierig machen. Ich möchte, dass Menschen miteinander in Kontakt kommen und neue Beziehungen aufbauen«, sagte er. Der 40-Jährige Ungar ist der dritte Teilnehmer des internati- onalen Residentenprogramms der EKD. Jedes Jahr werden ein oder zwei Theologen aus einer Partnerkirche für sechs bis zwölf Monate in die Lutherstadt Wittenberg eingeladen. Im Laufe der Lutherdekade soll dadurch ein internationales Netzwerk mit mindestens zehn Residenten wachsen. Damit will die EKD die große Tragweite der Reformation verdeutlichen. Denn – wie es im Untertitel von Eric Tills Films »Luther« (2003) heißt: »Er veränderte die Welt für immer.« 99 Impressum 100 verantwortlich für den inhalt Staatliche Geschäftsstelle »Luther 2017« Collegienstraße 62 c 06886 Lutherstadt Wittenberg Tel. +49 (0)3491 466-112 Fax +49 (0)3491 466-281 und Geschäftsstelle der EKD »Luther 2017 – 500 Jahre Reformation« Markt 26 06886 Lutherstadt Wittenberg Tel. +49 (0)3491 50 52 700 Fax +49 (0)3491 50 52 729 mitarbeiterinnen Stefan Zowislo | Geschäftsführer der Staatlichen Geschäftsstelle »Luther 2017« Astrid Mühlmann | stellvertretende Geschäftsführerin der Staatlichen Geschäftsstelle »Luther 2017« Anja Czubera | Projektmitarbeiterin der Staatlichen Geschäftsstelle »Luther 2017« Markus Scherer | Projektmitarbeiter der Staatlichen Geschäftsstelle »Luther 2017« Susanne Koschig | Projektassistentin der Staatlichen Geschäftsstelle »Luther 2017« Michael Wegner | geschäftsführender Direktor der Geschäftsstelle der EKD Jan von Campenhausen | stellvertretender Direktor der Geschäftsstelle der EKD Heike Obermark | Projektassistentin der Geschäftsstelle der EKD projektleitung Astrid Mühlmann Redaktion wortmanufactur – Stefan Reisner, Andrea Schartner »366+1 Kirche klingt 2012« Klaus-Martin Bresgott, Kulturbüro des Rates der EKD gestaltung nordsonne identity, Berlin druck Druckerei Mahnert GmbH, Aschersleben abbildungsnachweise Titelbild gettyimages 6-15 Matthias Knoch, Leipzig 18, 19, 20 ThULB Jena 21 Bachhaus Eisenach/Ingo Bracke 22 Martin Jehnichen 25 Engelbert Dudek 27, 28 Luther-Gesellschaft 29 Thomas Ziegler 30 Patricia Reese 31 Johann-Walter-Kantorei Torgau 32-58 EKDkultur/Andreas Schoelzel 59, 64, 65 MDR/Christiane Höhne 60, 61 Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt, Gotha 62, 63 Verband für christliche Popularmusik in Bayern 66 Steven Haberland 67 Thomas Schloemann 68 ZDF/Kai-Uwe Wärner 72, 73 EKDkultur/Andreas Schoelzel 74, 75 Thomas Meinicke 76, 77 Jürgen Lukascheck 79 Deimel und Wittmar 80 Isolde Schlageter 81, 82 Bernhard Gutsche 83 Label Christophorus 84 Rudolf Uhrig 86 Malik Ouada 87 Stefan Mattausch 88 Elisabeth Hau 89, 90 LISA Halle 91, 92 Wiebke Ostermeier, lichtemomente.net 93 Heinrich-Schütz-Haus Bad Köstritz 94, 95 Tobias Bassenge 97 Rundfunk-Jugendchor Wernigerode dieses jahrbuch wurde hergestellt mit freundlicher unterstützung durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), das Land Rheinland-Pfalz, den Freistaat Sachsen, das Land Sachsen-Anhalt, den Freistaat Thüringen, das Land Brandenburg, den Freistaat Bayern und das Land Hessen Titelbild: Johann Sebastian Bach 101 www.luther2017.de