Jahrbuch 2012 „Reformation und Musik“

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Jahrbuch 2012
Luther 2017 | 500 Jahre Reformation
Reformation
& Musik
Themenjahre
der Lutherdekade
1508 kommt der Mönch Martin Luther nach Wittenberg. 1517 veröffentlicht er seine
berühmten 95 Thesen. Die Reformation beginnt. In der Lutherdekade 2008–2017
wird das weite Themenspektrum der Reformation in Themenjahren aufgenommen
und entfaltet. So wird zum einen an die historischen Gedenkjahre (450. Todestag
Melanchthons 2010 oder der 500. Geburtstag Lucas Cranachs d. J. 2015) angeknüpft.
Zum anderen nimmt die Lutherdekade Impulse der Reformation auf, die bis in unsere
heutige Zeit reichen.
2008 ERÖFFNUNG LUTHERDEKADE
2009 REFORMATION UND BEKENNTNIS
Calvin gilt als ein Gründungsvater des reformierten Protestan­
tismus mit weltweit ca. 80 Millionen Mitgliedern. Zu Calvins
500. Geburtstag rücken unter anderem sein Kirchenverständnis
und seine Wirtschaftsethik in den Fokus. Wegweisend bis heute
ist auch das Bekenntnis der Barmer Theologischen Erklärung
vor 75 Jahren.
2010 REFORMATION UND BILDUNG
Der 450. Todestag Philipp Melanchthons, des »Praeceptor
­Germaniae« (»Lehrer Deutschlands«), lädt zur Auseinander­
setzung mit den Bildungsimpulsen der Reformation ein:
­Demokratisierung von Bildung, Einheit von Glaube und Bildung
sowie Grundlegung von Allgemeinbildung.
2011 REFORMATION UND FREIHEIT
Der mündige Christenmensch steht im Mittelpunkt der
­Reformation. Mit der Taufe ist das allgemeine Priestertum aller
Glaubenden verbunden. Der aufrechte Gang unter Gottes Wort
und zugleich die solidarische Hinwendung zum Mitmenschen
sind die beiden Pole reformatorischer Freiheit.
2012 REFORMATION UND MUSIK
Die Reformation legte einen Grundstein der europäischen
­Musikkultur – vom Gemeindegesang bis zur Hausmusik.
Dafür stehen Komponisten wie Bach, Schütz, Telemann und Händel,
aber auch der Leipziger Thomanerchor, der 2012 sein 800-jähriges
Bestehen feiert. Es gilt, diese reiche Tradition ­lebendig zu halten und
neue Wege zu erproben.
2013 REFORMATION UND TOLERANZ
Ökumenische Gemeinsamkeit ohne nationale oder konfes­
sionelle Begrenzung – das ist ein Anspruch der Lutherdekade
450 Jahre nach Abschluss des Konzils von Trient (1563) und der
­Formulierung des Heidelberger Katechismus sowie der Leuenberger Konkordie vor 40 Jahren als Zeugnis der innerprotestan­
tischen Ökumene. Dabei dürfen die intoleranten Seiten der
­Reformation nicht verschwiegen werden.
2014 REFORMATION UND POLITIK
Obrigkeit und Mündigkeit, Glaube und Macht, Gewissensfreiheit
und Menschenrechte – das sind Themen der Reformation und
zugleich der Gegenwart, die eine breite Diskussion in Kirche und
Gesellschaft verdienen.
2015 REFORMATION – BILD UND BIBEL
Anlässlich des 500. Geburtstages des jüngeren Cranachs kommt
die Kunst der Reformationszeit in den Blick. Die Reformation
war auch eine Medienrevolution. Eine neue Wort- und Bildsprache entstand. Welche Bilder findet der Glaube heute und wie
wird diese Botschaft durch Medien, Bild und Sprache vermittelt?
2016 REFORMATION UND DIE EINE WELT
Von Wittenberg ging die Reformation in die Welt. Über
400 Millionen Protestanten weltweit verbinden ihre geistig-­
religiöse Existenz mit dem reformatorischen Geschehen.
Am Vorabend des Reformationsjubiläums werden die globalen
Prägekräfte im Mittelpunkt stehen.
2017 REFORMATIONSJUBILÄUM
Im Jubiläumsjahr »500 Jahre Reformation« steht Luthers
­Erkenntnis der »Rechtfertigung aus Gnade« im Mittelpunkt
und wird weltweit mit kirchlichen und kulturellen Veranstal­
tungen, Tagungen und großen Ausstellungen gefeiert
werden – Höhepunkt der Lutherdekade, jedoch nicht das
Ende der Begegnung mit Luthers Leben und Werk.
Jahrbuch 2012
Luther 2017 | 500 Jahre Reformation
inhalt
5
Vorwort
23
THOMANA
800 Jahre Thomanerchor
7
800 Jahre THOMANA – glauben, singen, lernen
Thomaskirche, Thomanerchor und ­Thomasschule
feierten 800-jährige Tradition
24 Klangvoll, berührend und ganz im Sinne Luthers
Magdeburg feierte 50 Jahre Telemann-Festtage und das
Themenjahr »Reformation und Musik«
44 Soli Deo Gloria – der Klang der Orgel über Land
Wendländer Wandelkonzert auf drei ­besonderen Orgeln in
Gartow, Trebel und Lüchow
26 Gift aus Rom beim Schumann-Fest
Zwickau feierte mit zahlreichen Aktionen »Reformation
und Musik«
46 Singt (und spielt) das Lied der Freude
Hippes und Heiteres mit der Kinderkantorei in St. Hippolyt
Nordenham-Blexen
27
48 Singen bei Sonnenuntergang am Hafen
Mit »DREIKLANG« fand in Greifswald das erste
Chorfest der Nordkirche statt
8
Festmusiken für den Knabenchor –
eine Tradition setzt sich fort
Uraufführung von fünf ganz unterschiedlichen
Werken in der Leipziger Thomaskirche
Himmlische Töne für göttliche Worte
Bachhaus Eisenach zeigte »Luther und (Bachs) Musik«
Vorort protestantischer Musikkultur
»Luther, Lübeck und die Musik«: Frühjahrstagung der
Luther­gesellschaft in der Hansestadt
42 Halleluja – sing the song
Gospel und Swing, Blech und Blues in Bad Salzuflen
10
Fest für einen Knabenchor
Festwoche des Thomanerchores Leipzig
mit Konzerten, Ausstellungen und einem Bürgerfest
29 Ein eigenwilliger Interpret der Musica
Händel-Festspiele in Halle mit einem Programm zum
musikalischen Sohn der Stadt und zu Luther
50 Das Gegenüber der Klangsprachen
Konzertreihe »Klingende Sophienkirche« in Berlin
stellte Kammermusik in den Mittelpunkt
12
Lebendige Tradition
800 Jahre Thomana: Festwoche der Thomasschule
zeigte Geschichte, Lern- und Lebensalltag
31
Johann Walter, Torgau und die evangelische Kirchenmusik
Tagung auf Schloss Hartenfels brachte neue Ergebnisse
52
14
Buntes Fest für berühmtes Gotteshaus
Leipzig feierte 800 Jahre Thomaskirche
vom 31. Oktober bis 4. November
366+1
Kirche klingt 2012
16
THOMANA unvergessen
Zahlreiche Ausstellungen in Leipzig begleiteten
das Jubiläum von Schule, Kirche und Chor
33
Konzerte im Domino-Prinzip
Das Projekt »366+1, Kirche klingt 2012« ­erfüllte ein Jahr lang
jeden Tag eine Kirche in Deutschland mit Musik
54 Jazz im Hause Gottes
Das Festival »Reformation und Musik – JAZZ ERST RECHT« in
Bielefeld
Luther und die Musik
Luther und die Musiker
19
Bücherschätze als Spiegel der Wittenberger Musikkultur
Ausstellung »Pracht der Musik«
in Jena zeigte Musikalien der Reformationszeit
21
Die, die Kirche zum Klingen brachten
Ein interdisziplinäres Symposium holte Luther
und Bach in die Gegenwart
35
Diskussionen über eine universale Kunstform
Symposium »Frau Musica spricht« in ­Wittenberg zu
Protestantismus und Musik
37
Passion als Bekenntnis
Aufführung der »Passio Domini nostri
Jesu Christi« von Kjell Mørk Karlsen
39 Die 10 Gebote
10.000 Besucher beim Pop-Oratorium
in der SAP-Arena in Mannheim
Musik von gestern und heute
Das Festival »Wurzeln und Flügel« stellte Alte und Neue
Musik vor
56 Mit den Farben unserer Stunden malen wir ein Bild von Gott
Stephan Krawczyk in der Bergkirche Oybin
57
Erinnerungen, zwanzig Kilogramm schwer
Eine Chronik als bündelndes Element des Projektes »366+1,
Kirche klingt 2012«
Veranstaltungen
60 »Mit Lust und Liebe singen« – Die Reformation
und ihre Lieder
Ausstellung in Gotha widmete sich den Gesangbüchern
und dem evangelisch-lutherischen Lied
62 Kirchenmusiktage zum Mitmachen
Bei der Cantionale 2012 sangen Chöre aus ganz München
64 Auf den musikalischen Spuren des Reformators
MDR KLASSIK bereicherte das Themenjahr mit der
Konzertreihe »Lutherorte« im Rahmen des MDR
MUSIKSOMMERS
66 Orgel, Jazz und Salsa – das vertonte Leben Luthers
NDR Bigband und Lucas M. Schmid touren
mit »The Martin-Luther-Suite«
68 Wo Gott ganz nah ist
»Mit Herz, Mund und Händen«: ZDF-Gottesdienste
stellten Musik in den Mittelpunkt
70 Klänge auf Reisen schicken
Zentrale Auftaktveranstaltung zum Themenjahr
in der Eisenacher Georgenkirche
71
Luther-Lieder in bunt
Thuringia Cantat präsentierte Texte
und Kompositionen des Reformators
72
Evensong – durch die Nacht in eine neue Zeit
Auftakt-Veranstaltung des Saarlandes zu
»Evangelisch klingt«
78 Tausende Worte und tausende Klänge
Tagung der Evangelischen Akademie Rheinland über die
Bedeutung der Musik im Gottesdienst
94 Die Stadtkirche als Wohnzimmer
Weißenfels verwandelte den dritten Mitteldeutschen
­Kirchentagskongress in einen Kirchentag der Hausmusik
80 Wenn Engel lachen
Theater Zauberwort aus Oberursel präsentierte die
Liebesgeschichte der Katharina von Bora
96 Neue mitteldeutsche Kirchenmusik
Thomas Buchholz erhielt ersten Preis beim
Kompositionswettbewerb der EKD
81
97 Gesang für das Herz Europas
»Jesu, meine Freude« – Der Rundfunk-Jugendchor
­Wernigerode gab zwei Konzerte in Brüssel
Der Mensch zwischen Himmel und Hölle
Eine Ausstellung in der Sankt Nikolai-Kirche Jüterbog
widmete sich den Anfängen der Reformation
83 Die vertonte Hölle auf Erden
CD mit dem Soundtrack zu Luthers Pilgerreise
von 1511 erschienen
98 Von Szeged nach Lutherstadt Wittenberg
Ungarischer Pfarrer erlebte als Resident ein Jahr lang
Luther-Historie zum Anfassen
84 »Luther in Brass« – Worms’ Töne für den Reformator
Positive Bilanz nach dem ersten Blechbläserfestival
in der Stadt
100 Impressum
85 Klingende Beispiele von Bühnen und Emporen
In ganz Deutschland gab es am Reformationstag viele
Festkonzerte
86 Luthers Lieder für die Gegenwart
Chemnitzer Kirchenprojekt erweckt die musikalische
Botschaft des Reformators
87 Der Klang von Luthers Liedern
Das Nürnberger Festival »Musik und Reformation«
belebte die Töne des 16. Jahrhunderts
89 »Ein Schulmeister muss singen können«
Schüler interpretierten Luther beim ­LISA-Musikwettbewerb
74 Weil sie die Seelen fröhlich macht
Die Franckeschen Stiftungen zu Halle zeigten
protestantische Musikkultur seit Martin Luther
91
76 Luthers Taufkirche im neuen Gewand
Als »Zentrum Taufe« rückt in der Petri-Pauli-Kirche das ­
»Ja-Wort-Gottes« in den Mittelpunkt
93 Wer erfand den Weihnachtsbaum?
Heinrich-Schütz-Haus Bad Köstritz holte­Luther in die
Weihnachtsausstellung
Der verschwenderische Reichtum Gottes
Hildesheimer Gottesklang-Fest schwelgte in der Vielfalt
der kirchenmusikalischen Töne
vorwort
Das Themenjahr »Reformation und Musik« nahm den musikali-
Das Themenjahr »Reformation und Musik« erinnerte in
schen Impuls der Reformation auf und brachte ihn 2012 bundes-
zahlreichen Veranstaltungen sowohl an die Reformation als
einen bunten Eindruck.
tischer Kirchenmusik. Auf vielfältige Weise wurde dargestellt,
weit zum Klingen. Davon gibt dieses Jahrbuch in Ihren Händen
»Die Glaubensbewegung der Reformation löste eine impul-
sive Singbewegung aus. Singen und Sagen wurden in Dienst ge-
nommen, um das neu entdeckte Evangelium von der Gnade in
Jesus Christus für den verlorenen Menschen zu verkündigen«,
so ist es im Gesangbuch zu lesen. Die Reformation als Singbewegung: Auf den Straßen und Gassen von Wittenberg und darüber hinaus wurde zu sehr weltlichen Melodien die neue Entde-
ckung gesungen. Die Melodien wurden gesummt, gepfiffen
und wurden so zur frohen Botschaft. In der Musik finden Menschen zu Inhalten und Emotionen, die größer sind als sie selbst.
Gesungen werden können Worte, die sonst ungesagt bleiben.
»Sie singen und zwar alle, die Protestanten sind jetzt auch
»Singbewegung« als auch an den großen Reichtum protestan­
wie sich große Komponisten wie zum Beispiel Paul Gerhard,
­Johann Sebastian Bach, Heinrich Schütz oder Philipp Telemann
von den Liedern Martin Luthers und anderer Reformatoren in­
spirieren ließen. Ein Höhepunkt des Jahres war das 800. Jubi-
läum der THOMANA. Mit »366+1 Kirche klingt 2012« zog sich
außerdem das Themenjahr mit täglichen Konzerten wie ein
Band durch die Kirchen Deutschlands. Darüber hinaus ertönten
die Melodien durch die vielen Akteure auch in Konzertsälen,
Schulen, Museen, Stadien und auf Marktplätzen. Die Musik hat
die Menschen sowohl in der Reformation als auch im Themenjahr zum Mitmachen und Mitgestalten animiert.
bei uns.« So soll auch ein Lemgoer Ratsdiener seinem Bürgermeister, Conrad Flörke, zu Beginn der Reformationszeit zugeru-
fen haben. Obwohl dies nur eine Legende ist, zeigt die kleine
Geschichte doch den großen Einfluss der Musik auf die Refor-
mation. Für Martin Luther war die Musik eine der besten Künste
und der Gemeindegesang die »singende Verkündigung« des
Evangeliums: »Die Noten machen den Text lebendig.« Bis heute
gilt das gemeinsame Singen der Gemeinde als Symbol für die
Reformation.
Stefan Zowislo
Geschäftsführer der
­Staat­lichen Geschäftsstelle
»Luther 2017«
Michael Wegner
geschäftsführender Direktor
Geschäftsstelle der EKD
»Luther 2017 – 500 Jahre Reformation«
5
THOMANA
800 Jahre Thomanerchor
800 Jahre THOMANA – glauben, singen, lernen
Thomaskirche, Thomanerchor und
­Thomasschule feierten 800-jährige Tradition
Die Trias Thomaskirche, Thomanerchor, Thomasschule in Leipzig
weitere Höhepunkte den Kongress »Kirche in der Gesellschaft«,
eine 800-jährige Tradition verfügen und in dieser Zeit aufeinan-
ére, einen Abend der Religionen mit anderen Leipziger Religions-
sucht ihresgleichen. Denn dass diese drei Einrichtungen über
der bezogen geblieben sind, obwohl es immer wieder politische
Bestrebungen gab, die Trias aufzulösen, ist eine historische Besonderheit. Darum feierte Leipzig 2012 ein außergewöhnliches
Jubiläum, das sich über ein ganzes Jahr erstreckte: »800 Jahre
THOMANA – glauben, singen, lernen«. Selten gelingt es, mit einem Jubiläumsmotto exakt das zu umschreiben, was gefeiert
werden soll. Denn letztlich ruht unser Leben auf den drei Säulen,
u.a. mit Gesine Schwan und Bundesminister Thomas de Maizigemeinschaften, eine Klang- und Lichtinstallation an der Thomaskirche, Kinderfesttage und einen Mittelaltermarkt sowie
eine Jugendnacht. Zwei Partnerstädte Leipzigs, Houston/Texas
und Brünn/Tschechien kamen im Gottesdienst mit The Reverend Dr. Robert Moore und der Aufführung der Jazzmesse von
Jaromír Hnilička zur Geltung.
Außerdem gab es fünf Uraufführungen zeitgenössischer
denen sich Kirche, Chor und Schule trotz aller Brüche bis heute
Kompositionen, die sich wie ein roter Faden durch das Festjahr
stalten, Menschen zu bilden. Darum wurde das Jubiläum mit
sche Werk, das im Gottesdienst erklang, eine Ur- oder Erstauf-
verpflichtet sehen: Glauben zu leben, Musik und Kultur zu gedrei Festwochen begangen. Diese stellten zum einen den je eigenen Charakter von Chor, Schule und Kirche heraus. Zum ande-
ren wurde deutlich, dass keine der Institutionen auf die Tätigkeit
verzichten kann, die Schwerpunkt der jeweils anderen zwei ist.
In der Festwoche der Thomaskirche, die mit dem Festgottes-
dienst am Reformationsfest mit dem Vorsitzenden des Kuratoriums zur Vorbereitung des Reformationsjubiläums 2017, Dr. h.c.
Nikolaus Schneider, begann, und einem ökumenischen Gottesdienst mit den beiden sächsischen Bischöfen schloss, gab es als
zogen. Bis zum 18. Jahrhundert war fast jedes kirchenmusikaliführung und damit das, was Ausgangspunkt für das Lob Gottes
ist: »ein neues Lied«. Davon hat die THOMANA über Jahrhunderte gelebt. Aus dieser Tradition heraus wurden im Jubiläumsjahr die Auftragskompositionen vergeben.
7
Festmusiken für den Knabenchor –
eine Tradition setzt sich fort
Uraufführung von fünf ganz unterschiedlichen
Werken in der Leipziger Thomaskirche
Thomaskantors schufen ebenfalls Werke für den Knabenchor.
8
Und so kann die 800 Jahre währende Tradition der Thomaskirche, des Thomanerchores und der Kantoren gleichsam als Geschichte der Uraufführungen erzählt werden.
Das Bach-Archiv Leipzig, Partner der THOMANA, gab vor die-
sem Hintergrund fünf Festmusiken in Auftrag, die – ganz in der
musikalischen Tradition der THOMANA – an den höchsten Kirchenfesten 2012/2013 uraufgeführt wurden. Fünf Künstler unterschiedlicher Herkunft, Konfession und kompositorischer Auffassung beteiligten sich.
Formal orientierten sich die Werke an der Aufführungsdauer
einer Bachkantate. »Inhaltlich unterlagen die Komponisten keinerlei Beschränkungen«, bekannte der amtierende Thomaskantor Professor Georg Christoph Biller. Einen formalen Rahmen
gebe die Bezeichnung Motette vor, die Größe der Besetzung die
Thomaskirche. Sonst aber herrsche alle kompositorische Freiheit.
Biller selbst übernahm den Auftakt am Ostersonntag mit
Fünf Festmusiken wurden
für den Knabenchor geschrie­
ben. Thomaskantor Georg
Christoph Biller bei der Urauf­
führung von Krzysztof
­Pendereckis »Missa brevis«.
Sie tragen Titel wie »hölle himmel«, »Christus das Licht« oder
»An den Wind«: Ganz in bachscher Tradition entstanden anlässlich des Jubiläumsjahres fünf Festmusiken für den Leipziger Thomanerchor.
In seinen ersten Leipziger Jahren hatte Johann Sebastian
Bach für nahezu jeden Sonntag eine neue Kantate komponiert
und uraufgeführt. Seine Vorgänger und Nachfolger im Amt des
seiner Komposition »Christus das Licht«. Eine Festmusik, die
nicht nur Ostern würdigte, sondern gleichsam den großen Komponisten Johann Sebastian Bach. Für Pfingsten, das Reformationsfest, Weihnachten und – im Jahr 2013 – Epiphanias, kompo-
nierten international namhafte Künstler. So wurde Hans Werner
Henzes »An den Wind« zu Pfingsten (26. Mai 2012) uraufgeführt
– eines der letzten Werke des am 27. Oktober verstorbenen Komponisten. Das Chor- und Ensemblewerk reflektiert die Pfingstge-
schichte auf mehreren Ebenen. Die schlicht gehaltenen Verse
9
stammen aus der Feder des Wittenberger Theologen Christian
Lehnert.
Töne zum Reformationsfest kamen aus der Schweiz. Der
Komponist Heinz Holliger wartete am 3. November mit der Festmusik »hölle himmel« nach Gedichten des Schweizer Pfarrers
und Dichters Kurt Marti auf. Das Werk ist für vierstimmigen
Chor und Schlagzeug geschrieben. Das Dresdner Ensemble »vocal modern« unter Leitung von Christfried Brödel sang die Uraufführung. Die Vierte von fünf Kompositionen trägt den Titel
»The Annunciation« (die Verkündigung) – ein Beitrag des australischen Komponisten Brett Dean. Den Abschluss bildete an Epiphanias 2013 die »Missa brevis« des polnischen Künstlers Krzysztof Penderecki. Das A-Cappella-Werk für Kinderchor und Männerstimmen ist das einzige im Zyklus der Festmusiken, das nur
vokal besetzt ist. Es basiert auf »Sanctus und Benedictus«, ei-
nem früheren Stück Pendereckis, das 2002 entstanden war und
das er nun um die drei Messesätze »Kyrie«, »Gloria« und »Agnus
Dei« zur Missa entwickelt hatte.
Musikerinnen und Musiker des Gewandhauses gestalteten
die Festmusiken mit. Partner des Projekts waren der Leipziger
Thomanerchor und das Gewandhaus zu Leipzig. Ermöglicht wur-
den die Festmusiken durch die Förderung der Kulturstiftung des
Bundes, der Ernst von Siemens Musikstiftung und des BMW
Werkes Leipzig.
Vom australischen Kompo­
nisten Brett Dean stammt
das Werk »The Annunciation«
– die Verkündigung mit
­Knabenchor und Orchester.
Fest für einen Knabenchor
Festwoche des Thomanerchores Leipzig
mit Konzerten, Ausstellungen und einem Bürgerfest
10
Die Thomaner luden zu Ihrer
Festwoche andere welt­
bekannte Knabenchöre nach
Leipzig ein. Der Chor des King’s
College (links) und die Regens­
burger Domspatzen (rechts)
folgten der Einladung gern.
800 Jahre Thomanerchor wurden in Leipzig eine Woche lang un-
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung erklärte zur Feier-
war am 20. März 1212 gegründet worden, wie eine erhaltene
den langjährigen Bestand gewesen sei. Sachsens Ministerpräsi-
ter dem Motto »glauben – singen – lernen« gefeiert. Der Chor
Gründungsurkunde belegt. Heute singen etwa 100 Jungen im
Alter von 8 bis 18 Jahren in dem weltberühmten Ensemble mit.
Der Thomanerchor konzertiert in allen Teilen der Welt.
Am Anfang der Festwoche stand ein Festakt in der Thomas-
stunde, wie wichtig der innere Zusammenhalt des Chores für
dent Stanislaw Tillich sagte, es sollten nicht nur die Institutionen
im Mittelpunkt stehen, sondern vor allem die vielen haupt- und
ehrenamtlichen Mitarbeiter der Thomaner.
Nach dem Festakt zogen rund 2.000 Schüler, Angehörige
kirche, an dem etwa 1.700 geladene Gäste teilnahmen, unter ih-
und Bürger von der Thomaskirche zum Campus forum thoma-
Der Festakt war Gaucks erster offizieller Termin im neuen Amt.
garten, Grundschule, Thomasschule, Alumnat des Thomaner-
nen auch der neu gewählte Bundespräsident Joachim Gauck.
num, um den Bildungscampus, derzeit bestehend aus Kinder-
chores, villa thomana und Lutherkirche, offiziell einzuweihen.
11
Die Festwoche des Thomanerchores, die auch den Geburts-
tag des berühmten Thomaskantors Johann Sebastian Bach am
21. März mit einschloss, bot zahlreiche Konzerte – an Bachs Ehrentag eine Veranstaltung, bei der viele Leipziger Schulchöre
mitwirkten. In einem »Großen Concert« im Gewandhaus trat
der Thomanerchor mit dem Gewandhausorchester auf, der Chor
des King’s College aus Cambridge brachte ein Ständchen und
auch Jazzmusiker musizierten.
Die Thomaner selbst luden andere Knabenchöre nach Leip-
zig ein. Gemeinsam mit dem Dresdner Kreuzchor, den Regensburger Domspatzen und dem Chor des King’s College musizierten sie beim Fest der Knabenchöre und zeigten hier die überwältigende Schönheit des Chorgesangs.
Die Leipziger feierten das Jubiläum des berühmten Knaben-
chores im Neuen Rathaus gemeinsam mit ihren Volksvertretern.
Begrüßt wurden sie musikalisch von den Thomanern selbst. Am
Abend fanden zahlreiche Konzerte mit ehemaligen Thomanern
Ganz Leipzig feierte gemein­
sam mit den Thomanern.
wie »Die Prinzen« und dem A-Cappella-Ensemble »amarcord«
sowie Mitgliedern des Gewandhausorchesters und Universitätsmusikdirektor David Timm statt.
Melanchthonhaus Wittenberg
Lebendige Tradition
800 Jahre Thomana: Festwoche der Thomasschule
zeigte Geschichte, Lern- und Lebensalltag
schaffte sich die Thomasschule einen guten Ruf über nationale
12
Grenzen hinaus. Inzwischen hat sich die Einrichtung, die in den
Campus forum thomanum eingebettet ist, zu einem modernen
Gymnasium gewandelt. Auf dem Campus nahe der Innenstadt
sollen künftig über 1.200 Kinder und Jugendliche musikalisch
ausgebildet werden.
Die Festwoche eröffnete der Thomanerchor gemeinsam mit
dem international bekannten Ensemble »amarcord«, dessen
fünf Mitglieder früher selbst im Chor zu Leipzig sangen und deren Auftritte heute die Konzertsäle auf der ganzen Welt füllen.
Schulleiterin Kathleen Kormann sagte: »Es ist uns wichtig zu zei-
gen, wie bedeutsam Tradition ist.« So wurden im Programm der
Festwoche vom 17. bis 23. September die vielen Facetten des
Schullebens präsentiert: Beim Festumzug mit anschließendem
Markt der Jahrhunderte entführten die Schüler das Publikum in
die Welt der Thomaner und deren traditionsreicher Geschichte
Klassische Bildung in der
­Spaßgesellschaft – Geht das?
Ist das noch zeitgemäß?
­Darüber diskutierten
­prominente Gäste bei einer
Bildungskonferenz.
Die Thomasschule stand im Fokus der zweiten Festwoche des
Jubiläumsjahres 2012 der THOMANA. Die Institution kann auf
eine reiche 800-jährige Tradition zurückblicken. 1212 gegründet,
wurde sie 1254 erstmals als eine schola exterior, eine Schule, die
auch Kindern der Leipziger Bürger offen steht, erwähnt. Im
Zuge der Reformation ging sie in städtische Trägerschaft über.
Vor allem durch den weltberühmten Thomanerchor ver-
und erweckten in fantasievollen Kostümen Johann Sebastian
Bach oder den Physik-Nobelpreisträger Ferdinand Braun zum Leben. Ein historisches Musiktheater zur Entstehung der THOMANA, ein Theaterfestival und eine Musikaufführung mit ver-
schiedenen Gastschulen unterstrichen das künstlerische Profil
der Thomasschule. Zudem war die Institution Gastgeber einer
Bildungskonferenz zum Thema »Klassische Bildung in der Spaßgesellschaft« und des Jubiläumsballs im Gewandhaus.
13
Eine Festmotette rundete die Festwoche ab. Acht- bis Zwölft­
klässler des ThomasSchulChores ließen A-Cappella-Werke geistlicher Chormusik aus verschiedenen Epochen erklingen. Der Thomanerchor und das Gewandhausorchester präsentierten eine
Kantate des ehemaligen Gewandhauskapellmeisters und Thomaskantors Johann Gottfried Schicht (1753 bis 1823).
Mit einem Maskenball und
dem Markt der Jahrhunderte
feierten die Thomasschüler
ihr Jubiläum.
Buntes Fest für berühmtes Gotteshaus
Leipzig feierte 800 Jahre Thomaskirche
vom 31. Oktober bis 4. November
und unseren Glauben heute in der Thomaskirche mit der Refor-
14
mationskantate ›Gott der Herr ist Sonne und Schild‹ stärken
kann«, sagte er. Die für die THOMANA Verantwortlichen in Kirche und Stadt hätten auch in widerständigen Zeiten für das Zusammenhalten von »Glauben, Singen und Lernen« gestritten.
Der Stuttgarter Dirigent und Chorleiter Helmuth Rilling er-
hielt im Anschluss an den Gottesdienst die Martin-Luther-Medaille der EKD. Nikolaus Schneider bezeichnete Rilling als »Musikbotschafter des Evangeliums«. Vor allem die Musik Bachs
habe er international bekannt gemacht und in Länder wie Japan
geradezu exportiert.
Die Entstehung der Thomaskirche lässt sich auf das 12. Jahr-
hundert datieren. 1409 wurde hier die Leipziger Universität gegründet. Zwischen 1492 und 1496 erhielt sie die Gestalt einer
spätgotischen Hallenkirche. Pfarrer Christian Wolff bezeichnete
Nikolaus Schneider predigte
zum Reformationsgottes­
dienst in der Thomaskirche
und würdigte den Thomaner­
chor.
Es war kein Zufall, dass die Jubiläums-Festwoche der Thomaskirche genau mit dem Reformationstag begann. Neben Johann Sebastian Bach ist schließlich auch der Name Martin Luther eng
mit dem Leipziger Gotteshaus verbunden: Der Geistliche predigte 1539 hier zur Einführung der Reformation.
die Thomaskirche heute als den neben dem Zoo »kontinuier-
lichsten Besuchermagneten«. Pro Tag kämen zwischen 300 und
500 Besucher in die Kirche, davon ungefähr ein Drittel internati-
onale Gäste. An Spitzentagen schätzte er den Besucherzustrom
im Gotteshaus auf 1.000 Menschen.
Das Programm der Festwoche gestaltete sich vielfältig: Kon-
Neben einem Konzert des Ensembles »amarcord« machte
zerte, Gottesdienste, die Uraufführung der Vierten Festmusik
würdigte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in
gegnung mit anderen Religionsgemeinschaften und ein Kon-
ein Gottesdienst den Auftakt in der Festwoche. In seiner Predigt
Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, die berühmte Kirche.
»Wir danken Gott und vielen glaubensstarken Menschen, dass
der Thomanerchor in diesem Jahr seinen 800. Geburtstag feiern
des Schweizer Komponisten Heinz Holliger, ein Abend der Begress mit der Universität Leipzig zum Thema »Kirche in der Gesellschaft«. Daneben gab es ein breites Spektrum für das jüngere
Publikum. Die Kinderfesttage vom 1. bis 3. November standen
15
unter dem Motto »Steine ins Rollen bringen – Menschen und
Predigt gemeinsam mit seinem emeritierten katholischen
künstlerische und handwerkliche Angebote des Mittelalter-
nete 800 Jahre Thomaskirche als »eine Geschichte des Segens«,
Geschichte(n) in der Thomaskirche«. Eine Theateraufführung,
marktes auf dem Thomaskirchhof, eine Turmbesteigung, eine
Kirchenführung und der Besuch einer archäologischen Ausstel-
lung zählten zu den Angeboten für die Kinder. Eine Lichtshow an
der Fassade der Thomaskirche erzählte die Geschichte des Thomanerchores und der Thomaskirche mit bewegten Bildern und
Tonaufnahmen.
Ein ökumenischer Gottesdienst beschloss die Festwoche.
Der evangelische Landesbischof Sachsens, Jochen Bohl, hielt die
Amtskollegen, Bischof Joachim Reinelt. Joachim Bohl bezeichdie eine ökumenische Geschichte sei. »Wir trennen die ersten
300 Jahre nicht von den 500 Jahren, die folgten. Sie geht weiter«,
so Bohl.
L: Bei 800 Jahre THOMANA
blieben die Christen nicht
­unter sich. Zum »Abend der
Begegnungen« waren ver­
schiedene andere Reli­gions­
gemeinschaften ein­geladen.
R: Fröhliche Gesichter bei
den Thomanern: Bei den
­Kinderfesttagen unter dem
Thema »Steine ins Rollen
­bringen« erfuhren sie, wie
die Thomaskirche entstand.
THOMANA unvergessen
Zahlreiche Ausstellungen in Leipzig BEGLEITETEN
das Jubiläum von Schule, Kirche und Chor
16
THOMANA – die Einheit von Schule, Kirche und berühmtem
Mit »Lobe den Herrn, meine Seele!« Festmusiken
Chor – blickte im Jubiläumsjahr auf eine reiche Geschichte zu-
der Thomaskantoren in den Kirchen zu Leipzig (2. Juni
lungen in ihrer Heimatstadt Leipzig.
für Musikinstrumente drei Jahrhunderte Musikkomposi-
rück. Gewürdigt wurden die Thomaner mit zahlreichen AusstelDas Bachmuseum widmete sich in der Kabinettausstel-
lung »Netzwerk Thomanerchor« (16. März bis 22. Juli)
dem Leben der Chorsänger und dem berühmten Thomaskantor
Johann Sebastian Bach. Zahlreiche Quellen aus dem 18. Jahrhundert erzählten vom Leben der Chorknaben in einem streng geordneten Tagesablauf mit zahlreichen Verpflichtungen und von
ihrer herausragenden musikalischen Ausbildung. Die Ausstellung zeigte daneben die berufliche Zukunft ehemaliger Thomaner, denen Bachs Einfluss bei der Vergabe von Universitätsstipendien, Kantoren- und Organistenstellen half.
Mit der Sonderausstellung »Cantate!« (20. März bis 23.
bis 30. Dezember) huldigte eine Schau im Grassi-Museum
tion. Traditionell verantworten die Thomaskantoren die musikalische Gestaltung hoher Kirchenfeste mit repräsentativen und
prachtvollen Kompositionen. Die Ausstellung zeigte, wie diese
Feste, insbesondere in den Stadtkirchen Sankt Thomas, Sankt
Nikolai und der 1968 gesprengten Universitätskirche Sankt
Pauli, musikalisch ausgestaltet wurden. Zu sehen waren außerdem Musikinstrumente, die bei diesen Feierlichkeiten eingesetzt wurden. Hörstationen luden zum Musizieren im Wandel
der Zeiten und präsentierten die verschiedenen musikalischen
Handschriften der Thomaskantoren.
In der Commerzbank wurden unter dem Titel »Ge-
September) lud das Stadtgeschichtliche Museum die
schichte ans Licht gebracht – Grabungsfunde vom
Schule und Chor ein. Auf 450 Quadratmetern Ausstellungsfläche
aus dem städtischen Leben des Mittelalters und der Neuzeit ge-
Dokumente aus 800 Jahren zu sehen, darunter die Gründungs-
der Bauarbeiten an der Tiefgarage »Marktgalerie« ans Tages-
Besucher auf eine Spurensuche in die Geschichte von Kirche,
gab es wertvolle Ausstellungsstücke und bislang unbekannte
urkunde des Stifts Sankt Thomas aus dem Jahr 1212, ein Graduale
aus dem 14. Jahrhundert und den Choranzug des Leipziger Universitätsmusikdirektors David Timm von 1979. Eine Schau des
Leipziger Fotografen Gerd Mothes zeigte ergänzend den gegenwärtigen Alltag der Thomaner.
Thomaskirchhof« (7. Juni bis 3. November) Exponate
zeigt. Es handelte sich um Fundstücke, die im Jahr 2002 während
licht kamen. Auf dem Gelände der Bank befanden sich bis zur Reformation die Gebäude des mittelalterlichen Thomasklosters.
Mit »Die Träume des Herrn Bach«. Trickfilmpro-
jekt über J.S. Bach und die Thomaner im alten Leip-
»Thomana forever« (3. November bis 15. Januar)
titelte die Deutsche Nationalbibliothek Leipzig. Die
zig. (21. September bis 27. Januar) war eine Sonderausstel-
kleine Präsentation hatte das Thema »Aufzeichnung und Spei-
das barocke Leipzig ein. Besucher bekamen Einblicke in ein ge-
museum der Nationalbibliothek präsentierte Exponate zum No-
lung im Bachmuseum überschrieben. Sie lud zu einer Reise in
plantes Trickfilmprojekt des Illustrators, Grafikers und Trickfilmzeichners André Martini. Tragik-komisch und auf bestens recher-
chiertem Hintergrund fußend erzählten die Zeichnungen vom
Leben Bachs und seiner Chorknaben, das von widrigen Bedingungen und Alltagsproblemen behaftet war.
Die Universitätsbibliothek Leipzig präsentierte in
»Dreimal Thomas« (19. Oktober bis 20. Januar) mittel-
alterliche Büchersammlungen des Thomasklosters, der evangelischen Kirchenbibliothek von Sankt Thomas und der historischen Bibliothek der Thomasschule vom Mittelalter bis ins
17. Jahrhundert. Schwerpunkt bildete hierbei die Buchproduktion und Buchmalerei im Scriptorium des Stiftes. Im Programmheft zum Jubiläum 800 Jahre THOMANA heißt es über die Ausstellung: »Die Bücher stehen exemplarisch für die Bedeutung
der Thomaskirche und Thomasschule, für die Kulturgeschichte
Leipzigs und deren Entwicklung über Jahrhunderte.«
cherung von Musik« im Fokus. Das Deutsche Buch- und Schrifttenstich, einem alten Druckverfahren, das einst die sprunghafte
Verbreitung von Noten beförderte. Zudem zeigte die Ausstellung verschiedene Formen der Musikveröffentlichung und zahlreiche Veröffentlichungen des Thomanerchores.
17
Luther und die Musik
LUther und die Musiker
Bücherschätze als Spiegel der
Wittenberger Musikkultur
Ausstellung »Pracht der Musik« in Jena
zeigte Musikalien der Reformationszeit
Prachtvolle Miniaturen, akkurate Notation –
19
kunstvoll gestaltete Bücher können wahre Schätze
sein. Handelt es sich um Chorbücher, haben sie die
Macht, die Welt zum Klingen zu bringen. Das Alamire-Chorbuch Kaiser Maximilians gilt wegen sei-
ner gewaltigen Ausmaße als größtes der Welt. Mit
über 25 Kilogramm wiegt es ebensoviel wie ein
Schulkind. Abschließbare Buchdeckel schützen
den wertvollen Inhalt: Die Handschrift enthält
neun vollständige Vertonungen des Messformulars und drei in Ausschnitten. Die meisten stammen von Pierre de la Rue (gest. 1518), einem der
größten Komponisten seiner Zeit.
Zu sehen war das beeindruckende Exemplar in
der Ausstellung »Pracht der Musik« der Thüringer
Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB)
vom 15. Februar bis 15. November. Die Bibliothek
präsentierte anlässlich des Themenjahres »Refor-
mation und Musik« Bücher und Handschriften von
hohem Rang im Zimelienraum und im Foyer des
Hauptgebäudes. »Diese Bücherschätze sind ein
Spiegel der Wittenberger Musikkultur zur Zeit
Martin Luthers«, sagte der Leiter der Abteilung Handschriften
sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen und Johann Fried-
Besuchern eröffnete die Ausstellung den Blick in eine
Süddeutschland und Wittenberg waren elf Musikalien aus der
und Sondersammlungen Dr. Joachim Ott.
Schatzkiste. Die ThULB besitzt Handschriften und Drucke der
rich I. (Bibliotheca Elektoralis). Neben sieben Chorbüchern aus
Werkstatt des Petrus Alamire (1536) zu sehen. Es handelt sich um
Bücherschätze als Spiegel der
Wittenberger Musikkultur
– hier zu sehen im Chorbuch 4,
Flandern um 1513/14.
die weltweit größte geschlossene Sammlung die-
20
ser prachtvoll illuminierten flämischen Chorbücher. Sie alle sind Zeugnis traditioneller handschriftlicher Notationskunst. Musikdrucke aus den
1530er/40er Jahren zeigte die Sammlung von
Stimmbüchern. Die 14, teils unvollständigen Sätze
der Bibliotheca Electoralis enthalten viele Stücke
aus Italien, aber auch deutsche Ausgaben, wie die
des Wittenbergers Georg Rhau (1488 bis 1548).
Erstmals gemeinsam zu sehen waren auch die
beiden zentralen Dokumente zur berühmten
Deutschen Messe: die Druckfassung von 1526 und
die Predigt, die Luther zur Erprobung der neuen
Messe 1525 gehalten hatte. Die Abschrift stammt
von seinem Mitarbeiter Georg Rörer (1492-1557).
Rörers kurze, aber bedeutsame handschriftliche
Notiz war ebenfalls ausgestellt: »An diesem Tag
habe ich in Wittenberg zum ersten Mal eine deutsche Messe gesungen«, heißt es da. Ein schlichter
Hinweis auf das große Ereignis der Reformation.
Akkurate Notation und
prachtvolle Gestaltung zeigen
sich in diesem Chorbuch.
Die Bedeutung der Ausstellungsexponate für
den Kontext ihrer Zeit beschrieb Dr. Joachim Ott:
»Martin Luther war ein großer Musikliebhaber. Während sie
durch die Theologie den Geist ansprachen, wollten die Reformatoren über die Musik das neue Gedankengut auch sinnlich verbreiten.«
Die, die Kirche zum Klingen brachten
Ein interdisziplinäres Symposium
holte Luther und Bach in die Gegenwart
Sie konnten sich nie begegnen. Als der eine gebo-
21
ren wurde, war der andere schon mehr als hundert
Jahre tot. Und doch werden ihre Namen oft in einem Atemzug genannt, der eine inspirierte und
prägte des anderen Werke. Martin Luther und Johann Sebastian Bach: Die Verbindung zwischen
Theologe und Komponist symbolisiert die Stadt Eisenach. Hier wurde Johann Sebastian Bach geboren, hier auf der Wartburg übersetzte Luther das
Neue Testament. In der Georgenkirche, der Taufkirche Bachs, hielt Luther oft Predigten.
»Die Wahl des Tagungsortes für das Sym­
posium ›Bach als Lutheraner‹ fiel auf Eisenach, da
die Stadt auf besondere Weise beide Namen mit­
einander verbindet«, sagte Regionalbischof Rein-
hard Werneburg. Die fünftägige Tagung (24. bis
28. Februar), organisiert von Veranstaltern der
Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem Kirchenkreis ­Eisenach-Gerstungen, vereinigte Theologie und Musik, Bach und Luther auf vielfältige
Weise. Corinna Dahlgrün, Professorin für prak­
tische Theologie und Symposiumsleiterin, be-
zeichnete Bachs Musik als ȟber weite Strecken komponierte
Theologie«. Das Symposium war interdisziplinär angelegt, gab
Theologen und Musikern die Möglichkeit zum Dialog. Die rund
80 ständigen Teilnehmer kamen aus ganz Deutschland, ergänzt
durch viele Tagesgäste. Eingeladen waren neben Musikexperten
auch interessierte Laien.
Bach und Luther gelten jeder auf seine Weise als entschei-
dende Impulsgeber für die europäische Musikkultur. Eine der
Im Bachhaus in Eisenach – hier
mit Lichtinstallationen an­
gestrahlt – wurde zu Beginn
des Symposiums auch eine
Sonderausstellung eröffnet.
22
zentralen Fragestellungen des
Sie versinnbildlichte den Brückenschlag von Bachs und Luthers
Verhältnis zu Luther zu bestim-
tung von Christfried Brödel führte das Stück auf. Der »Dritte
Symposiums war: »Wie ist Bachs
men – ist Bach ein Lutheraner?
Und wenn ja, wie sieht seine Interpretation lutherischer Theologie aus?« Außerdem wollte das
Symposium eine Brücke von beiden historischen Persönlichkei-
Theil der Clavierübung« war Thema für den Bereich »Orgelmusik«. Ihm widmete sich auch ein Workshop unter Leitung von
Professor Christoph Bossert. Zum Abschluss des Symposiums
brachte das Ballettensemble des Landestheaters Eisenach eine
getanzte Version zu Bachs »Kunst der Fuge« auf die Bühne.
Bach, so das Fazit der Tagung, steht entgegen vieler in der Li-
ten in die Gegenwart schlagen
teratur begegneten Einschätzungen deutlich in lutherischer Tra-
thers für die heutige Musikkultur
hat er lutherische Theologie musikalisch vermittelt.
und die Impulse Bachs und LuDas Ensemble Amarcord
sang in der Georgenkirche.
Musik in die Gegenwart. Die Meißner Kantorei 1961 unter Lei-
ausloten. Dies geschah in Vorträ-
gen und Workshops, in Gottesdiensten und öffentlichen Konzerten.
Professorin Corinna Dahlgrün sprach über die leichte Provo-
kation des Symposiumtitels: »Einige Katholiken, die ich näher
kenne, sind mir im Vorfeld eine ganz kleine Spur eingeschnappt
gewesen, als sie unseren Symposiumtitel gesehen haben: ›Was
heißt hier Lutheraner, er gehört uns doch auch!‹ Das würde ich
tatsächlich so nicht sagen. Ich glaube, Bach wäre katholisch
nicht entstanden«, beschrieb sie.
Das Programm verband verschiedene Stile und Herange-
hensweisen an Bach und Luther: Avantgarde und klassische
Kantate, A-cappella-Darbietung und getanzte Interpretation.
Die Aufführung von Henning Frederichs »Passionserzählung«
der Maria Magdalena (1985) geriet zu einem der Höhepunkte.
dition. Nahezu unabhängig von der Prägung seiner Librettisten
Himmlische Töne für göttliche Worte
Bachhaus Eisenach zeigte »Luther und (Bachs) Musik«
Das Gemälde war kaum trocken geworden, da übergab es Künst-
er die Voraussetzungen für Bachs spätere Tätigkeit als Kantor
»Es ist wohl eine der ganz wenigen Darstellungen, die Johann
Kantaten und Orgelwerke genutzt. Die Bezüge zwischen beider
ler Jost Heyder seinen Auftraggebern vom Bachhaus Eisenach.
Sebastian Bach ohne Perücke zeigt«, sagte Bachhaus-Direktor
Jörg Hansen. Gemeinsam mit einem 2011 entstandenen Gemälde, das Martin Luther zeigt, setzte der neue Bach einen visuellen Akzent in der Sonderausstellung »Luther und (Bachs) Musik«(25. Februar bis 11. November).
Unverstellt zeichnet der Künstler Heyder beide Figuren. In
und Organist. Von 37 Lutherliedern hat der Komponist 30 für
Leben sind vielfältig. Acht Hörstationen gliederten die Ausstellung. Sie präsentierten Lieddichtungen Luthers in mindestens je
einer Bachschen Fassung. Erläuterungen verdeutlichten, dass
Bach bis ins kleinste Detail bemüht war, die theologischen Aussagen Luthers musikalisch umzusetzen.
»Luthers Lieder haben mehr Seelen verdorben als alle seine
»Die Inspiration des Johann Sebastian Bach«, wie er sein Bild ti-
Schriften und Reden«, bekannte 1620 der Jesuit Adam Contzen.
scheint mit seinem Finger eine Melodie in die Luft zu schreiben.
Musik zur Propagierung seiner Lehre und zur Erneuerung des
telte, sitzt der Komponist mit geschlossenen Augen da und
Es sei ihm nicht um eine ohnehin nicht mehr zu leistende Originaltreue des Bildnisses gegangen, nicht um die Kopie einer historischen Darstellung, sondern um den intimen Moment, sagte
der Künstler. Diese Echtheit war ihm auch bei der Darstellung Luthers wichtig. »Der junge Luther als Mönch«, zeigt den Reformator in ein Buch vertieft. »Luther ist hier ganz befreit von der üblichen Patina aus nationalem Pathos und volkstümlicher Bärbeißigkeit«, erklärte Bachhaus-Leiter Hansen.
Die Ausstellung, die zur Vorbereitung des Reformationsjubi-
läums 2017 von der Thüringer Landesregierung gefördert wurde,
legte den Akzent stärker auf den Reformator und seine Lieder.
»Bach schummelt sich hier dazwischen«, sagte Hansen. Luther,
der an der Erfurter Universität auch Musik und Kontrapunkt studiert hatte und selbst Laute spielte, rückte den Gemeinde- und
Chorgesang in den Mittelpunkt seiner Gottesdienste. So schuf
Kein anderer Reformer setzte so konsequent auf die Macht der
Gottesdienstes. Für die Ausstellung wurde im Bachhaus die Lu-
therstube der Wartburg nachgebaut. Vor allem Gesangbücher
spiegelten Luthers musikalische Leistung wider. Das Achtliederbuch – die Mutter aller Gesangbücher, das Erfurter Enchiridion
oder auch das Eisenacher Kantorenbuch von 1540, das Noten
von Johann Walter, Ludwig Senfl oder Josquin Desprez enthält,
waren einige der wertvollen Exemplare, die die Schau im Bachhaus zeigte. Auch die Kopie einer Fälschung war zu sehen. 1895
tauchte Luthers Lied »Ein feste Burg« als Buchwidmung von Luthers Hand auf und wurde zunächst als sensationelles Autograph gefeiert. Es stammte jedoch nicht vom Reformator. Mittels eines Mikroskops wurde der Fälscher Herrmann Kyrieleis
überführt. Die Tinte war ihm in Wurmlöcher neueren Datums
gelaufen.
23
Klangvoll, berührend und ganz im Sinne Luthers
Magdeburg feierte 50 Jahre Telemann-Festtage
und das Themenjahr »Reformation und Musik«
24
»Keiner kann so heitere, im besten Sinne unterhaltende Musik in
Das Konzert »Telemann und Luther« ließ die Lieder des Re-
Moll schreiben«, sagte Burkhard Schmilgun vom Label cpo Ge-
formators in Telemanns Bearbeitungen aufleben. Das Bach Con-
Telemann (1681 bis 1767). Unnachahmliche Eleganz in der melo-
interpretierten die vielfarbigen Kantaten Telemanns. Texte und
orgsmarienhütte trefflich über den Komponisten Georg Philipp
dischen Erfindung, Charme, Witz und Esprit, schrieb er dem
Komponisten zu. Andererseits könne er Trauermusiken berührend wie kaum ein anderer schreiben.
Tatsächlich gab Telemann in der ersten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts der Komposition und der Musikanschauung neue Impulse und prägte so die Musikwelt. Die Verbindung zu Martin
Luther ist ihm in die Wiege gelegt. Seine Vorfahren waren seit
Generationen Pfarrer, er selbst galt als standhafter Lutheraner.
Viele seiner Vertonungen beziehen sich auf Texte lutherischer
Geistlicher. Dennoch ließ es sich der Musiker nicht nehmen, auch
für katholische Messen zu komponieren.
Er hinterließ ein umfangreiches, vielseitiges Werk, das vor al-
lem in seiner Hamburger Zeit entstand. 1721 wurde Telemann in
sort Leipzig spielte unter Gotthold Schwarz. Namhafte Solisten
Lieder aus dem Kernbestand protestantischen Liedgutes dienten dem Komponisten 30 Jahre lang als Grundlage für eigene
Werke. Die Kompositionen aus unterschiedlichen Jahrgängen
erklangen erstmals wieder in der heutigen Zeit. Zu hören gab es
unter anderem das bekannte Lied »Ein feste Burg ist unser Gott«,
das Vaterunser-Lied oder das bereits 1524 in Magdeburg in Umlauf gebrachte »Es woll’ uns Gott gnädig sein«. Choralbearbeitungen Telemanns über die Melodien von Lutherliedern für die
Orgel ergänzten das Programm und betonten die besondere
Handschrift des Komponisten. Ganz im Sinne Luthers bezog Telemann die Gemeinde in die musikalische Form der Verkündigung mit ein.
Die Magdeburger Telemann-Festtage sind über die Landes-
Hamburg Cantor Johannei und Director Musices. Geboren aber
grenzen hinaus bekannt. Liebhaber der alten Musik erleben dort
mann-Festtage statt. Unter dem Titel »betont. 50 Jahre Tele-
spielsweise Hille Perl, Reinhard Goebel sowie Ludwig Güttler
wurde er in Magdeburg. Ihm zu Ehren finden jedes Jahr die Telemann aus Magdeburg« (9. bis 18. März) standen die Jubiläums-
Feierlichkeiten gleichzeitig im Zeichen des Themenjahres »Reformation und Musik.« Aus der Fülle der musikalischen Überlieferungen wählten die Veranstalter klug aus. Zu hören gab es
fünf liturgische Musiken aus fünf verschiedenen Zyklen. Traditionelle und moderne musikalische Formen aus geistlichen und
welt­lichen Quellen trafen aufeinander.
namhafte Solisten und Ensembles. In diesem Jahr traten beiund die Virtuosi Saxoniae auf.
25
Texte und Lieder aus dem
Kernbestand protestantischen
Liedgutes dienten Telemann
30 Jahre lang als Grundlage
für eigene Werke.
In Magdeburg wurden sie vom
9. bis 18. März aufgeführt.
Gift aus Rom beim Schumann-Fest
Zwickau feierte mit zahlreichen Aktionen
»Reformation und Musik«
26
Als Gift aus Rom bezeichnete ein unbekannter Lieddichter die
unter den Titel »Schumann und Luther« zu stellen. Der Kompo-
dies eine äußerst mutige Umschreibung. Thomas Synofzik, Lei-
­Luther. Die Entwürfe waren in der Ausstellung zu sehen. Ebenso
Lehren des Papstes. Als der Text vor 500 Jahren entstand, war
ter des Schumann-Hauses in Zwickau, hatte rund 100 PapstSchmäh-Lieder gefunden, die Clemens VII. und später Paul III.
kritisierten. So sangen die Lutheraner beispielsweise davon,
dass sich der Papst zu Tode gefallen habe – von seinem hohen
Stuhle.
Synofzik hatte im Quellenbestand der Ratsschulbibliothek
nist selbst versuchte sich 1851 an einem Oratorium für Martin
gab es eine Bibel, die Schumann schon zu Schulzeiten besaß
und Notenaufzeichnungen zu zwei Sterbechorälen nach Texten
Luthers: »Wenn mein Stündlein vorhanden ist« und »Mitten wir
im Leben sind«. Auch im Schaffen des Komponisten also zeigen
sich die Spuren des Reformators.
Zur Eröffnung des Musikfestes erklang Schumanns Werk
reformatorische Druckschriften entdeckt, die zu Reformations-
»Das Paradies und die Peri«. Das weitere Programm bot unter
dichteten. »Weltweit gibt es wahrscheinlich keine vergleichba-
sche Kirchenmusik. Der Gitarrist Reinhard Börner beispiels-
zeiten bekannte Volkslieder zu päpstlichen Spottliedern umren Bestände für das 16. Jahrhundert«, sagte Synofzik. Im Rahmen des Schumann-Festes (7. Juni bis 8. Juli) gab das Kölner Ensemble »Music for a While« eine Kostprobe im Schumann-Haus.
Reformation und Musik zeichnen auch in Zwickau Zusam-
menhänge: Sie gilt als zweite Stadt nach Wittenberg, in der –
1523 – die Reformation eingeführt wurde. Gleichsam ist Zwickau
als Heimatstadt des berühmten Komponisten Robert Schumann (1810 bis 1856) bekannt. Schumanns Vater August veröf-
fentlichte in seinem Verlag »Gebrüder Schumann« einst eine
Ausgabe, die Schriften Luthers und Portraitstiche von Reformatoren enthielt.
Gründe genug für den Leiter des Robert-Schumann-Hauses,
anlässlich des Jahresthemas »Reformation und Musik« das Schumannfest und eine Sonderausstellung (8. Juni bis 9. September)
anderem Kompositionen aus der Reformationszeit und sächsiweise interpretierte im Konzert »Martin Luther – Choräle auf
sechs Saiten« (24. Juni) Luthers Kirchenlieder auf der Akustikgi-
tarre und verband sie mit Elementen aus Klassik, Folk und Jazz.
Am 29. Juni startete der MDR MUSIKSOMMER im Dom Sankt
Marien seine Reihe »Lutherorte«. Das Schumannfest schloss
mit »echt stark«, dem Landesposaunenfest am 7. und 8. Juli. In-
tegriert in die Veranstaltungen war der XVI. Internationale
Wettbewerb für Klavier und Gesang (7. bis 17. Juni) mit rund 200
Teilnehmern aus 37 Ländern.
Vorort protestantischer Musikkultur
»Luther, Lübeck und die Musik«:
Frühjahrstagung der Luther­
gesellschaft in der Hansestadt
Lübeck und der Komponist Dietrich Buxtehude
27
(um 1637 bis 1707) stehen in engem Zusammenhang. Durch ihn geriet die Hansestadt vor allem
im 17. Jahrhundert zu einem Vorort protestantischer Musikkultur. Zum Jahresthema »Reformation und Musik« veranstaltete die Luther-Gesellschaft hier ihre Frühjahrstagung (4. bis 6. Mai) unter dem Titel: »Luther, Lübeck und die Musik.«
Die chronologische Darstellung zeichnete die
Geschichte der Stadt in der Reformation. Referent
Uwe Rieske sprach über die reformatorische Idee.
Sie hatte im 16. Jahrhundert auch Lübeck erreicht
und sich nach einigen Rückschlägen schließlich
durchgesetzt. In Lübeck war die Musik für die Reformation ein zentrales Thema – besonders beim Sing-
krieg im Advent 1529. Nach den Predigten stimmte
die Gemeinde oft evangelische Psalmgesänge an.
Ein klares Zeichen, sich für die Reformation öffnen zu wollen.
Der Musikwissenschaftler und Direktor des Brahms-Insti-
Johannes Bugenhagen etablierte 1531 die erste evangelische
tuts an der Lübecker Musikhochschule, Wolfgang Sandberger,
künftig in die Hand der Gemeinde oder des Superintendenten zu
tantische Musikkultur in der Hansestadt im 17. Jahrhundert und
Lübecker Kirchenordnung. Die Idee, das Kirchenregiment zulegen, konnte er jedoch nicht durchsetzen. Das war im Vergleich
zu den bekannten mittelalterlichen Strukturen dann doch zu revolutionär. Selbst auf eine eigene Musikkultur kann die Hansestadt stolz zurückblicken. Hermann Bonnus etablierte sie mit
seinem neuen Gesangbuch.
sprach – unterlegt mit vielen Musikbeispielen – über die protesbeleuchtete da vor allem Leben und Werk des dänisch-deutschen Meisters Dietrich Buxtehude.
Mit Hugo Distler (1908 bis 1942) hatte sich der Musikwissen-
schaftler Stefan A. Reinke beschäftigt. Ein weiterer Vertreter
»Luther, Lübeck und die
­Musik« – unter diesem Motto
fand in der Hansestadt die
Frühjahrstagung der LutherGesellschaft statt.
bezieht sich Mann in den »Betrachtungen eines
28
Unpolitischen« (erschienen 1918) wieder auf Wag-
ners Musik. Diesmal interpretiert er sie als Beweis
für die kulturelle Überlegenheit Deutschlands. Im
»Zauberberg« (1924) ist der Protagonist Hans Castorp Wächter des Grammophons und wählt insbesondere Schuberts Kinderlieder. 1947 dann die Geschichte des »deutschen Tonsetzers« Adrian Lever-
kühn in »Doktor Faustus«. Im Roman begründet
Leverkühn die Zwölftonmusik.
Referent Prof. Dr. Dr. Johannes Schilling be-
fasste sich mit Luthers reformatorischer Musikauffassung sowie mit dem Luther­zitat »Die Musik
habe ich immer geliebt«.
Getreu dem Gedanken »Keine Tagung über
Musik ohne Musik« zählte auch Musikalisches zum
Mittelalterliche Gebäude
in Lübeck entführen in
­historische Zeiten. Denen
­widmete sich die Luther-­
Gesellschaft.
Programm. Bei einem Orgelkonzert in der Sankt
protestantischer Musikkultur, der im Mittelpunkt der Tagung
Marienkirche spielten Christiane Godt aus Kiel und Martin Sche-
Der Musik in der Literatur widmete sich der Leiter des Bud-
Baumert und Gustav Merkel. Eine Liedpredigt im Dom zu Lübeck
stand. Distler wirkte von 1931 bis 1937 in der Stadt an der Ostsee.
denbrock-Hauses, Prof. Dr. Hans Wißkirchen. Lübeck ist schließlich die Stadt der Familie Mann und Thomas Manns Roman »Die
Buddenbrocks« ihr literarisches Denkmal. Thomas Mann liebte
Richard Wagners Musik – von einem Besucher im Hause Buddenbrook als »parfümierter Qualm« bezeichnet – und schätzte
den Bayreuther Komponisten als Vertreter der Moderne. Und so
rer aus Lübeck Stücke von Johann Sebastian Bach, Leberecht
thematisierte den Zusammenhang von Luthers Theologie und
Musik. Studierende der Musikhochschule Lübeck gestalteten
eine Orgel- und Chorvesper in der Seefahrerkirche Sankt Jacobi.
Ein eigenwilliger Interpret der Musica
Händel-Festspiele in Halle mit einem
Programm zum musikalischen Sohn
der Stadt und zu Luther
Halle zeichnete sich eng verbunden mit dem Jahresthema der
29
Lutherdekade »Reformation und Musik«. In der Saalestadt befindet sich die Lieblingsresidenz des Kardinals Albrecht von
Brandenburg. Er war ein großer Befürworter des Ablasshandels
und mächtigster Widersacher Martin Luthers. In Halle trat der
Reformator erstmals gegen ihn auf, später predigte er mehrmals
in der Marktkirche. Als Geburtsstadt Georg Friedrich Händels ist
die Stadt gleichsam eng mit der Musik verbunden.
Mit den thematischen Reihen »Händel und die Konfessio-
nen« und »Nach Luther« griffen die Veranstalter in elf Auffüh-
rungen und einer Sonderausstellung das Thema »Reformation
und Musik« bei den Händel-Festspielen 2012 vom 31. Mai bis
10. Juni auf. Dabei berücksichtigten sie die unterschiedlichen
konfessionellen Strömungen, die Händel in seiner Zeit begegnet waren. Beispielsweise erklang die Brockes-Passion, Händels
einzige deutschsprachige Passionsmusik. Ein weiteres Konzert
war Händels Lehrer, dem protestantischen Kirchenmusiker
Friedrich Wilhelm Zachow, gewidmet.
ria auch Instrumentalstücke von Scarlatti, Corelli und Marcello.
ten, die durch Luthers Wirken und die Reformation vor allem im
genspieler Kardinal Albrecht das Sagen hatte, wurde in einem
In der Reihe »Nach Luther« erklangen Kompositionen an Or-
17. und 18. Jahrhundert bedeutsam geworden waren. Beispielsweise bot das Bozen Baroque Orchestra mit »Der ökumenische
Musiker … ein Lutheraner in Rom« ein italienisches Programm
im Händel-Haus und im Lutherhaus der Lutherstadt Witten-
berg. Gespielt wurden neben Händels Werken für die römischkatholische Kirche wie Salve Regina, Laudate Pueri und ein Glo-
In der Magdalenenkapelle der Moritzburg, wo einst Luthers Ge-
Konzert die Musik aus dem Umkreis von Papst Leo X. derjenigen
von Luther gegenübergestellt. In der Marktkirche zu Halle gaben der RIAS Kammerchor und die Akademie für Alte Musik Berlin Händels Oratorium »Joshua«. Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bernd Neumann, und das Land
Sachsen-Anhalt förderten die Reihe »Nach Luther«.
Unter dem Titel »Der Löwe
und die Nachtigall« gab es
eine musikalische Begegnung
von Papst Leo X. und Martin
Luther mit dem Schweizer
Ensemble »La Morra«.
30
Händels Oratorium »La Resur­
rezione« wurde im GoetheTheater in Bad Lauchstädt
aufgeführt.
Die Schirmherrschaft der Händel-Festspiele 2012 hatte die
anderen Konfessionen und der Opernwelt.« Schließlich schlug
2017, Margot Käßmann, übernommen. Im Grußwort betonte
mationsjubiläum 2017 ist als einladendes Jubiläum geplant,
Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum
sie die Liebe Luthers zur Musik: »Der Ton des Wittenberger Re-
formators wird überschwänglich, wenn er von der Musica
spricht. Es ist so, als spräche er über einen vertrauten Menschen, da ist ein zarterer Klang in seiner Stimme als bei so man-
cher Disputation.« Zum Musiker Händel stellte sie die Frage, ob
er »eine Art Grenzgänger gewesen sei, zwischen kirchlicher Bindung und kultureller Weltläufigkeit, zwischen Luthertum, den
Käßmann den Bogen zum Reformationsjubiläum: »Das Refordessen Strahlkraft – ähnlich wie das Lebenswerk Händels – weit
über den mitteldeutschen Raum, ja sogar über den deutschen
Sprachraum, auch über den kirchlichen Binnenraum, den die
Konfessionen vorgeben, hinausweist.« Mit Georg Friedrich
Händel habe Martin Luther einen eigenwilligen Interpreten der
»Musica« gefunden.
Johann Walter, Torgau und
die evangelische Kirchenmusik
Tagung auf Schloss Hartenfels
brachte neue Ergebnisse
In der Schlosskirche zu Torgau muss der Komponist und Kantor
Johann Walter sein Schlüsselerlebnis gehabt haben. Am 15. Oktober 1544 weihte Martin Luther die Kirche ein, die Kirchweih-
taktiert. Außerdem gilt der in Kahla geborene
Walter hatte durch Heirat und Beharrlichkeit
motette schrieb Johann Walter und führte sie auch selbst auf.
einen ansehnlichen Wohlstand erreicht, lebte
Friedrich, Martin Luther und Philipp Melanchthon, allesamt
war er – bis zu seinem Tod mit 74 Jahren – beses-
Das Stück war gleichsam eine Huldigung an Kurfürst Johann
Männer, die Johann Walter aus vollem Herzen verehrte.
Im Rahmen der Lutherdekade wurde das Thema »Johann
Walter, Torgau und die evangelische Kirchenmusik« während einer abwechslungsreichen und gut besuchten Tagung auf
Schloss Hartenfels diskutiert. Mit dabei waren Wissenschaftler
aus Würzburg, Torgau, Heidelberg, Jena, Hannover und Dresden. Aus den Vorträgen, Texten und sonstigen Materialien entstand ein reich bebildertes Buch, herausgegeben vom Altenbur-
ger Verlag Klaus-Jürgen Kamprad in Zusammenarbeit mit der
Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden und der Jo-
hann-Walter-Kantorei Torgau. In seinem Geleitwort für das
mehr als 300 Seiten umfassende Buch verweist Christian Thiele-
aber bescheiden. Von seiner Aufgabe als Musiker
sen. Nach dem Ende des Schmalkaldischen Krie-
ges bot der neue albertinische Kurfürst Moritz
Johann Walter die Stelle des Hofkapellmeisters
an. Dieser ergriff die Gelegenheit und gründete
die Sächsische Hofkapelle, die heutige Sächsische Staatskapelle Dresden. Nach 1550 wech-
selte er nach Dresden. 1554 kehrte Johann Walter
nach Torgau zurück und starb am 10. April 1570
im Haus seines Sohnes in der Breiten Straße.
­Johann Walter ist auf dem Friedhof an der Hospitalkirche beigesetzt.
Die Ergebnisse aus Tagung und Buch korrigieren zahlreiche
mann, Chefdirigent der Staatskapelle Dresden, auf die musikhis-
bisherige Ansichten über Johann Walter. Vorgestellt wird er als
sik bis in die Gegenwart reicht.
Kantorei und als Bürger der Stadt Torgau.
torische Dimension Walters, die auch außerhalb der KirchenmuJohann Walter hatte in seinem Leben viele Lutherlieder ver-
tont. Von ihm stammt auch das erste evangelische Chorgesangbuch, das Geistliche Gesangbüchlein von 1524. Die Zusammenarbeit mit Martin Luther war groß. 1525 wurde Walter vom Reformator für die Ausarbeitung seiner »Deutschen Messe« kon-
31
Protestant als Urkantor der evangelischen Kirche.
Komponist, Kapellmeister, Begründer der ersten bürgerlichen
Neue Ergebnisse über Johann
Walter wurden im Buch zur
Tagung zusammengefasst.
366+1
Kirche klingt 2012
Konzert Nr. 236 des Projektes »366+1, Kirche klingt 2012«
am 23. August 2012 in der St. Johannes-Kirche in Rerik.
198
Konzerte im Domino-Prinzip
Das Projekt »366+1, Kirche
klingt 2012« e
­ rfüllte ein Jahr
lang jeden Tag eine Kirche in
Deutschland mit Musik
199
216 213
250
215
251
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2 00
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jahres 2012 im Rahmen des Themenjahres der Lu-
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chen in ganz Deutschland. Kirche und Zivilgesellschaft
16
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6
brachten im Miteinander der Musizierenden gemein-
7
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70
8
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beginnend am 1. Januar 2012 in Augsburg, endend am 31.
Dezember 2012 in Zittau. Dazwischen zog sich das Band Tag
59
67
66 64
65
60
63
56
an der Nord- und Ostseeküste, um am Reformationstag in Mit-
teldeutschland und zur Weihnacht im Erzgebirge zu sein. Hinter
dem magischen Kürzel »+1« verbarg sich das Besondere des
christlichen Glaubens: die Auferstehung in der Osternacht. Das
Konzert »+1« fand in Fritzlar statt.
Eingeladen waren bundesweit alle Akteure der Musik. Alle
Stile und Richtungen wurden berücksichtigt: neben professio-
5
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für Tag durch Deutschland. Es startete in Bayern und Baden-
Württemberg, im Sommer zog es entlang der Tourismuszentren
4
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+1
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klingt 2012« zog sich durch alle 366 Tage des Schalt-
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reen und musikalischen Gottesdiensten durch die Kir-
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121 120 126
In dem bundesweiten Projekt »366+1, Kirche
zigartige Liedsammlung, zum Klingen – an jedem Tag,
128 131
127
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117
rer Güter und Gaben. Intensität und Identität der Kir-
sam das kulturhistorische Gut der Reformation, ihre ein-
129
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169
chenmusiker säen und ernten hier mit der Vielzahl ih-
2 89291 292 2 86
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mino-Prinzip verbundenes Band von Konzerten, Soi-
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therdekade »Reformation und Musik« ein im Do-
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Solisten in ihren Bann.
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chenmusik ziehen auch unzählige freie Ensembles und
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Musik in der Kirche hat viele Gesichter: Nicht allein die Kir-
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365
366
363
­Festtagen aufgeführt. Insgesamt standen damit
34
77 Lieder im Zentrum des Projektes. Zu diesen 77
Leitliedern erschien im Bärenreiter Verlag Kassel
eine Sammlung, in der jedes Werk mit wenigstens
drei verschiedenen Chorsätzen präsent ist –
»Frau Musica spricht … Chorbuch Reformation«.
Als Praxishilfe erschien außerdem das Buch »Kirche klingt – 77 Lieder für das Kirchenjahr«. Ein weiteres Bindeglied von »366+1, Kirche klingt 2012«
war die Chronik, ein täglich mitwandernder, ein-
maliger Almanach von 367 verschiedenen Musik­
ensembles aus allen Landeskirchen und Bundesländern.
Das bundesweite Projekt »366+1, Kirche klingt
2012« wurde von Klaus-Martin Bresgott initiiert
und projektiert und in Kooperation zwischen dem
Johannisempfang der EKD
zum Themenjahr: Bundes­
präsident Dr. h.c. Joachim
Gauck und Präses Dr. h.c. Niko­
laus Schneider erkundigen sich
beim Initiator des Projektes
Klaus-Martin Bresgott nach
dem Fortgang der Stafette.
nellen Ensembles fanden sich Bläserchöre kleiner Dorfkirchen,
neben dem Jugendchor einer Großstadt spielte der Organist einer Landgemeinde.
Ein wesentliches Bindeglied des Projektes waren die eigens
dafür ausgewählten Leitlieder. Diese bildeten die klingende
Überschrift für jeweils eine Woche. Sie waren über sieben Tage
unter anderem als Chorwerk, Bläserstück, im Crossover und als
Orgel-Improvisation zu hören. Zu den 52 Leitliedern des Jahres
wurden Songs zu den Kirchenjahreszeiten und besonderen
Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und
Medien, der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie den teilnehmenden Gemeinden finanziert.
Die Organisation oblag dem Kulturbüro des Rates der EKD in
Zusammenarbeit mit den Wochenmanagerinnen und Wochenmanagern sowie mit den Musikerinnen und Musikern vor Ort.
Diskussionen über eine universale Kunstform
Symposium »Frau Musica spricht« in
­Wittenberg zu Protestantismus und Musik
Für die Reformatoren war Musik ein wesentlicher
35
Teil ihres kulturellen Selbstverständnisses. Die Reformation belebte Choral und Gemeindegesang
und löste eine einmalige musikalische Entwicklung aus. Einerseits galt bis ins 18. Jahrhundert Musik als eher niedere Kunst, weil sie hauptsächlich
auf die niederen Gemütskräfte wirke. Anderseits
wurde sie als abstrakteste und damit universale
Kunstform verstanden, verwandt der Mathematik. Diese Spannung ist ein Indiz für die enorme
Spannbreite der Deutungen des Verhältnisses von
Religiosität und Musik.
Das Wittenberger Symposium »FRAU MUSICA
SPRICHT – Der Protestantismus und die Musik«
(20. bis 22. Januar) beschäftigte sich mit der Stellung der Musik in der protestantischen Frömmig-
keit und ging den Wirkungen protestantischer
Musikkultur nach. Ihre zeitweise zentrale Stellung im mitteleu-
ler und Autor, Hamburg), Prof. Dr. Konrad Klek (Theologe und
che Rolle sie heute spielt und spielen könnte. Darüber referier-
Hochschule für Kirchenmusik, Halle an der Saale), Thomas Mei-
ropäischen Kulturleben war ebenso Thema wie die Frage, welten und diskutierten Prof. Dr. Dr. Christfried Brödel (Rektor der
Hochschule für Kirchenmusik, Dresden), Prof. Dr. Peter Bubmann (Professor für Praktische Theologie, Erlangen), Landes­
kirchenmusikdirektor Dietrich Ehrenwerth (Evangelische Kirche
Kirchenmusiker, Erlangen), Prof. Wolfgang Kupke (Rektor der
necke (Schriftsteller und DJ, Berg) sowie die beiden Komponisten Frank Schwemmer (Berlin) und Thomas Jennefelt (Stockholm).
Spezielle Aufmerksamkeit galt der Neuen Musik des 20. und
Mitteldeutschlands, Erfurt), Kirchenmusikdirektor Gunther
21. Jahrhunderts. Vor jeder Veranstaltung war Musik zu hören –
tern und Jerusalem), Prof. Dr. Sven Hiemke (Musikwissenschaft-
Martin Bresgott. Zum Thema »Reformation hören. Bezüge zur
Martin Göttsche (Komponist, Herausgeber und Autor, Schlüch-
mit dem Athesinus Consort Berlin unter der Leitung von Klaus-
Prof. Dr. Sven Hiemke reflek­
tiert das Selbstverständnis der
kirchenmusikalischen Erneue­
rungsbewegung, die in den
1920er Jahren gewachsen ist.
36
In der Wittenberger Schloss­
kirche präsentiert das
­Athe­sinus Consort Berlin eine
­Uraufführung und andere
zeitgenössische Werke.
Reformation in der Musik des 19. Jahrhunderts« erklangen Werke
Schlaf« (Text: Christian Lehnert und Rainer Maria Rilke) von Frank
»Volkhaft? Völkisch? Zum reformatorischen Selbstverständnis
Sängerin Pascal von Wroblewsky, Gitarrist Jürgen Heckel und Sa-
von Fanny Hensel und Felix Mendelssohn Bartholdy. Zum Thema
der kirchenmusikalischen Erneuerungsbewegung« ertönten
Werke von Hugo Distler, Ernst Pepping, Willy Burkhard und Kurt
Schwemmer. In dem Konzert »SPANNUNGEN« brachten Jazzxophonist Uwe Steinmetz auch populäre Formen ein.
Das Symposium war eine Sonderveranstaltung des bundes-
Hessenberg. In die Diskussion »UNERHÖRT – Neue Kompositio-
weiten Projektes »366+1, Kirche klingt 2012« in Kooperation zwi-
Werken von Frank Schwemmer (*1961), Thomas Jennefelt (*1954)
büro des Rates der EKD und der Forschungsstätte der Studien­
nen in der kirchenmusikalischen Praxis« führte das Ensemble mit
und Jan Sandström (*1954) ein. Einer der Höhepunkte des Symposiums war die Uraufführung des Tryptichons »Du bist mein
schen der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt, dem Kultur­
gemeinschaft e.V. (FEST) Heidelberg.
Passion als Bekenntnis
Aufführung der »Passio Domini nostri
Jesu Christi« von Kjell Mørk Karlsen
37
Jede Musik braucht ihre Interpreten – Singende und Musizie-
Sängerinnen und Sängern der Jugendkantorei, deren professio-
dass die darin ruhende spirituelle Kraft so resonant wird, dass
hatte. Nicht minder wussten die Solisten zu gefallen – Johannes
rende, die mit der Musik und ihrem Text so umgehen können,
das Erlebnis für Ausführende und Zuhörende eins wird. Die Aufführung der »Passio Domini nostri Jesu Christi« des norwe­
gischen Komponisten Kjell Mørk Karlsen (*1947) am 25. Februar
in der Dreifaltigkeitskirche in Speyer durch die Evangelische
­Jugendkantorei der Pfalz unter Landeskirchenmusikdirektor
­Jochen Steuerwald offenbarte diese Erkenntnis in besonderer
Art und Weise. Zweifellos lag das einerseits an den exzellenten
nelle Herangehensweise und Gestik großen Anteil am Gelingen
Kaleschke als Evangelist, Manfred Bittner als Pilatus und Hans
Christoph Begemann als Jesus. Auch die Instrumentalisten – Andrius Puskunigis und Antoine Cottinet (Oboen), Burkhard Weber
und Juliane Flaksmann (Celli) sowie Markus Henz (Orgel) – inter-
pretierten das Werk in seiner ganzen Vielschichtigkeit und Tiefe.
Schließlich aber war es die Komposition selbst, die eine
starke Wirkung zeigte und in ihrer sparsamen, dabei ungeheuer
Konzentriert und einfühlsam:
Die Evangelische Jugend­
kantorei der Pfalz.
38
Unter dem präzisen Dirigat
von Landeskirchenmusik­
direktor Jochen Steuerwald
wird die Aufführung zu einem
noch lange nachhallenden
Genuss.
intensiven Durchdringung des Passionsgeschehens äußerst
Mendelssohn Bartholdys (1809–1847). Dann erlebte das Publi-
Dank Jochen Steuerwald, der souverän zu Werke ging, nichts
lange nachwirkte.
plastische und expressive Momente offenbarte. Dies geschah
dem Zufall überließ und damit große Gestaltungsräume eröff-
kum eine Passion wie ein Bekenntnis. Eine Aufführung, die
Das Konzert war Nr. 56 im Rahmen des Projektes »366+1,
nete. Zu Beginn des Konzertes hatte Kirchenpräsident Christian
Kirche klingt 2012« in Kooperation zwischen der Ortsgemeinde
und ihre besondere Stellung innerhalb der Landeskirche ver-
turbüro des Rates der EKD.
Schad (Evangelische Kirche der Pfalz) auf die Kraft der Musik
wiesen. Das Leitlied »Aus tiefer Not schrei ich zu dir« (EG 299)
erklang in den Sätzen Hans Leo Hasslers (1564–1612) und Felix
Speyer, dem Wochenmanager Jochen Steuerwald und dem Kul-
Die 10 Gebote
10.000 Besucher beim Pop-Oratorium in
der SAP-Arena in Mannheim
39
10.000 waren gekommen, um zu sehen, zu hören und sich faszi-
Auf der Bühne agierten Michael Eisenburger als Mose, Ba-
nieren zu lassen von einer glamourösen, erlebnisreichen Show
har Kizil als Zipporah, Frank Logemann als Aaron, Stefan Poslov-
Mannheim. Sie ließen sich von dem Slogan der Creativen Kirche
Das junge Orchester NRW und eine dynamisch auftrumpfende
um Mose und die 10 Gebote am 26. Februar in der SAP Arena in
Witten »Freunde finden – Gott begegnen – besser leben« inspirieren – und 2.800 Sängerinnen und Sänger aus den Kirchenchö-
ren der eigenen und der angrenzenden Landeskirchen sangen
und begeisterten das Publikum.
ski als Pharao sowie Yosefine Buohler und Paul Falk als Erzähler.
Band waren für den Groove und die atmosphärische Dichte zuständig. Sie zelebrierten das Pop-Oratorium ganz so, wie es Librettist Michael Kunze (*1943) und Komponist Dieter Falk (*1959)
entworfen und komponiert haben. Das abendfüllende Werk
Die Stimmen Tausender füllen
die Mannheimer SAP-Arena
mit geistlicher Musik.
40
Paul Falk als singender
­Erzähler (links) und einer der
77 Kirchenchöre (rechts),
die beim Pop-Oratorium
­mitgewirkt haben.
stand unter der Gesamtleitung von Heribert Feckler. Die Lei-
Evangelischen Landeskirche in Baden sowie Pfarrerin Christine
ane Brasse-Nothdurft und Maurice Antoine Croissant.
wald von der Evangelischen Kirche der Pfalz.
tung der tausenden Chorsänger übernahmen parallel ChristiZwischen den zwei Teilen des Abends erklang das Leitlied
Klein-Müller und Landeskirchenmusikdirektor Jochen SteuerDas Konzert war Nr. 57 im Rahmen des Projektes »366+1,
der Woche »Aus tiefer Not schrei ich zu dir« (EG 299) in einer ei-
Kirche klingt 2012« in Kooperation zwischen der Creativen
Streicher, Bass und Percussion. Musiker, Chöre und Zuhörer san-
Wochenmanager Timo Rinke und dem Kulturbüro des Rates der
gens hierfür von Dieter Falk komponierten Fassung für Chor,
gen gemeinsam. Zu Gast waren an diesem Abend auch Landes-
bischof Dr. Ulrich Fischer und OKR Dr. Matthias Kreplin von der
­Kirche Witten, der Evangelischen Landeskirche in Baden, dem
EKD.
41
Bahar Kizil überzeugt als Solis­
tin in der Rolle der Zipporah.
Halleluja – sing the song
Gospel und Swing, Blech und Blues
in Bad Salzuflen
42
Haben den Gospel verinner­
licht: »B-Joy! – sing’n’swing«
aus Barntrup.
Nicht nur laut, auch zart. Nicht nur mit Volldampf, auch sich wie-
Rottkamp. Dazu mischten munter mit: Gunter Seidel an den
len eindrucksvoll zu verbinden wusste: Am 3. Mai sah, hörte und
Don Lorey am Schlagzeug.
gend. Aber immer mit einer Musizierlaune, die Können und Wolerlebte das Publikum in der Stadtkirche Bad Salzuflen ein Feuer-
Keyboards, Heinrich Voss am Bass und – bestens aufgelegt –
Burkhard Geweke, Obmann für Kirchenmusik in der Lippi-
werk des Gospels und eine Zeremonie des Blechs als eine ener-
schen Landeskirche, hatte launig in den Abend eingeführt und
Eingeladen hatten zu diesem Abend das Posaunenensem-
stimmt. Die Bläser intonierten das Leitlied gleich noch einmal
getische Stunde von Kirchenmusik, die nicht alltäglich ist.
ble Retzen unter der Leitung von Matthias Limberg, der Gospelchor »Get up – Gospel and more« mit Dirigentin Waltraud Hui-
zing und der Gospelchor »B-Joy! – sing’n’swing« unter Uwe
das Leitlied der Woche »Der schöne Ostertag« (EG 117) ange-
als Fanfare aus der Feder von Michael Schütz (*1964), dessen
»Popserenade für Bläser« im Anschluss ein wippendes Wellen-
bad in der Kirche vorbereitete. Duke Ellingtons (1899–1974) »It
43
don’t mean a thing« in der Bearbeitung für Bläser brachte die
Zuhörerschar erst recht in Stimmung.
Die beiden Gospelchöre nahmen sich nichts, schenkten den
Zuhörern und sich selbst aber alles – beide sprühten vor Begeis-
Dirigenten immer wieder zu Höchstleistungen angespornt. So
blieb auch Edwin Hawkins (*1943) »Oh happy day« nicht nur ein
Song von vielen – sondern wurde zum Song des Abends.
Das Konzert war Nr. 124 im Rahmen des Projektes »366+1,
terung, beide machten aus der Kirche einen Tanzsaal und ließen
Kirche klingt 2012« in Kooperation zwischen der Ortsgemeinde
(*1960) oder der Klassiker »Hallelujah, sing the song« von Kobi
dem Kulturbüro des Rates der EKD.
ihrer Freude freien Lauf. Ob »Shine your light« von Tore W. Aas
Oshrat-Ventoora (*1944), ob Reuben Morgan (*1975) mit »Hear
our praises« oder Brenton Brown (*1978) mit »Lord, reign in me«
– die Chöre waren sehr gut vorbereitet und wurden von ihren
Bad Salzuflen, dem Wochenmanager Burkhard Geweke und
Nachwuchstalente an den
Posaunen: Zwei Mitglieder des
Posaunenensembles Retzen.
Soli Deo Gloria –
der Klang der Orgel über Land
Wendländer Wandelkonzert auf drei
­besonderen Orgeln in Gartow, Trebel
und Lüchow
Woche »Nun bitten wir den heiligen Geist« (EG 124) erklang hier
44
zunächst in einer Bearbeitung von Georg Böhm (1661–1733).
Landessuperintendent Dieter Rathing aus Lüneburg begleitete
die Konzertreise und führte in die Texte des Leitliedes ein. Mit
der Fantasie C-Dur BWV 570 von Johann Sebastian Bach (1685–
1750) offenbarte Axel Fischer die klanglichen Raffinessen und
die plastische Klangschönheit der 1740 von Johann Matthias
Hagelstein errichteten Gartower Orgel.
Im Anschluss setzte sich der Pilgerzug Richtung Trebel in Be-
wegung. In der dortigen Wehrkirche aus romanischer Zeit war
das Leitlied zunächst in einer Fassung von Johann Christoph
Oley (1738–1798) zu hören. Die eigenwillige Schönheit der von
Johann Georg Stein erbauten Trebeler Orgel brachte der Orga-
nist mit dem Trio C-Dur von Georg Andreas Sorge (1703–1778) zu
Gehör.
Als letzte Station stand die St. Johannis-Kirche in Lüchow
Mit einem Blick hinter die
historische Orgel erläutert
Kreiskantor Axel Fischer in
der Evangelischen Kirche in
Trebel deren Innenleben …
Zu einem Konzert der besonderen Art hatte Kreiskantor Axel
­Fischer am 23. Mai im blühenden Wendland geladen. Drei Orte,
drei Kirchen und drei Orgeln standen auf dem Programm – und
mit ihnen drei verschiedene Klangbilder unter dem gleichen
Motto: Soli Deo Gloria.
Zu Beginn begrüßte Axel Fischer die pilgernde Orgel-­
auf dem Programm. Auf der 2006 von der Firma Eule aus Baut-
zen (Oberlausitz) errichteten Orgel ertönte monumental Josef
Gabriel Rheinbergers (1839–1901) Monolog a-moll und Max Re-
gers (1873–1916) Fuge D-Dur op. 59. Damit hatte Kreiskantor
Axel Fischer gleichermaßen einen Gang durch 400 Jahre Musikgeschichte unternommen.
Das Konzert war Nr. 144 im Rahmen des Projektes »366+1,
Gemeinde in der St. Georg-Kirche im niedersächsischen Gar-
Kirche klingt 2012« in Kooperation zwischen den Ortsgemein-
fen von Bernstorff die Patrone der Gemeinde. Das Leitlied der
chim Vogelsänger und dem Kulturbüro des Rates der EKD.
tow. Schon seit dem Bau der barocken Kirche 1724 sind die Gra-
den Gartow, Trebel und Lüchow, dem Wochenmanager Joa-
45
… als Vergleich dazu erklingt da­
nach die moderne Eule-Orgel in
der ­Lüchower St. Johannis-Kirche.
Singt (und spielt) das Lied der Freude
Hippes und Heiteres mit der Kinderkantorei
in St. Hippolyt Nordenham-Blexen
bester Manier Einzug. Zunächst improvisierte er selbst über das
46
Leitlied der Woche »Gott gab uns Atem« (EG 432), dann kamen
die Kinder mit einer einmaligen Improvisation zum Zuge: Da
rauschten die Lüfte, brausten die Stürme, säuselten die Winde
und fegten die Orkane, dass einem zunächst der Atem wegblieb
ob der Gestaltungsfreude der Kinder. Diese wurden freilich
nicht atemlos. Vielmehr wussten sie mit großer Lust am Experiment, was es heißt, zu improvisieren und dabei doch eine klingende Einheit herzustellen. Gemeinsam mit Alke Braaf und Niklas Wooge an der Blockflöte und Hauke Braaf an der Altblock-
flöte spielte das Flötenquartett unter der Leitung von Johannes
Kirchberg Tänze von Erasmus Widmann (1572–1634) und Domenico Scarlatti (1685–1757). Die Kinder blieben in klingender Bewegung mit Christoph Lehmanns (*1947) »Wo Menschen sich
Werke des Barock für zwei
Blockflöten und Orgel stehen
auf dem Programm für ein
buntes Nachmittagskonzert
in Nordenham-Blexen.
Von sommerlicher Lust getragen und wie von den frischen Winden der nahen Nordsee inspiriert, lud Kreiskantor Johannes
Kirchberg gemeinsam mit dem Instrumentalkreis zu einem Kon-
zert der besonderen Art. Nicht Kinderlieder erklangen, vielmehr
stand »Singt das Lied der Freude« (EG 306) auf dem Programm
der Kinderkantorei in St. Hippolyt Nordenham-Blexen. Und zum
Singen gesellte sich am 14. Juli das Spiel in abwechslungsreicher
Form dazu.
Nach einem klassischen Einstieg mit der Toccata d-moll
vergessen« und Dietrich Hechtenbergs (*1936) »Singt das Lied
der Freude«. Kantor Kirchberg (*1968) brachte eine Bearbeitung
von »Herr, deine Güte reicht so weit« für Chor, Xylophon, Percussion und Orgel sowie eine Kinderchor-Bearbeitung des Sanctus und Agnus Dei aus der Messe f-moll von Josef Gabriel Rhein-
berger (1839–1901) ein. Das Klangfest mündete schließlich in
dem Kanon »Who comes laughing«, mit dem die Kinder nicht
nur den Spaß am Singen, sondern am Leben überhaupt eindrucksvoll sichtbar werden ließen.
Das Konzert war Nr. 196 im Rahmen des Projektes »366+1,
(BWV 565) von Johann Sebastian Bach (1685–1750), mit der Jo-
Kirche klingt 2012« in Kooperation zwischen der Ortsgemeinde
ckende Art und Weise zu Gehör brachte, hielt die Moderne in
und dem Kulturbüro des Rates der EKD.
hannes Kirchberg die Tradition der Kirchenmusik auf beeindru-
Nordenham-Blexen, dem Wochenmanager Johannes von Hoff
47
Mit Vokalimprovisationen zum
Leitlied der Woche hat die Kinder­
kantorei ihren großen Auftritt.
Singen bei Sonnenuntergang am Hafen
Mit »DREIKLANG« fand in Greifswald das erste
Chorfest der Nordkirche statt
48
links:»Der Mond ist aufgegan­
gen« klingt vom Greifswalder
Hafen bis in die Stadt hinein.
Dass vom Singen und vor allem vom gemeinsamen Gesang eine
dreier Landeskirchen (Nordelbien, Mecklenburg und Pommern)
rechts: Gemeinsames Singen
auf dem Greifswalder Markt­
platz.
kenntnis. Nicht nur in den Zeiten der Reformation wurde Singen
gemeinsame Veranstaltung und lockte über 3.000 Sängerinnen
nach innen und außen wirkende Kraft ausgeht, ist keine neue Erals gemeinschaftsbildendes Element genutzt, und doch öffnete
gerade diese Zeit den Kirchengesang und dessen Potenzial allen
Gläubigen. Der Gesang in der Kirche war nun kein Privileg mehr
allein für Priester, Mönche und Nonnen. Vor allem Martin Luther
zur »Nordkirche« an Pfingsten 2012 war das Chorfest die erste
und Sänger aus Hamburg, Schleswig-Holstein, MecklenburgVorpommern und beinahe dem gesamten Ostseeraum in die
Hansestadt.
Zu Beginn des DREIKLANGs war das Oratorium »Elias« von
betonte den hohen Stellenwert des Singens, die darin liegende
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) unter der Leitung von
Beim Chorfest DREIKLANG konnte genau dies vom 24. bis
burg) zu hören, präsentiert von Solisten und einem eigens dafür
Kraft für den Glauben und den Zusammenhalt der Kirche.
26. August in Greifswald erlebt werden. Nach der Fusionierung
Kirchenmusikdirektor Christoph Schoener (St. Michaelis Hamzusammengestellten Chor, bestehend aus dem Chor St. Michae-
lis Hamburg, der Schweriner Domkantorei und
49
dem Greifswalder Domchor. Dazu spielte die Danziger Philharmonie in dem bis auf den letzten Platz
besetzten Dom St. Nikolai.
Vom gemeinsamen Singen, Ausprobieren und
gegenseitigem Kennenlernen war der Samstag
geprägt, mit zahlreichen Chorateliers, Musik am
Greifswalder Marktplatz, Singen bei Sonnenuntergang am Hafen und schließlich die internationale
»Nacht der Chöre« in den Kirchen der Stadt. Mit
Werken estnischer Komponisten begeisterte in
dieser Nacht besonders der Kammerchor des Altstadt-Gymnasiums Tallinn. Nach dem Besuch von
Gottesdiensten in und um Greifswald war ein Höhepunkt des dreitägigen Festes am Sonntagnach-
mittag die Uraufführung der Jazz-Kantate »Gott ist gegenwär-
Am Abschluss des Chorfestes stand ein Konzert des renom-
tig« von Uwe Steinmetz (*1975). Sie führte mit einer klangvollen
mierten Eric Ericson Kammerchores aus Stockholm mit dem Ti-
jungen Berliner Jazz-Ensemble in ein lange nachklingendes Mu-
Malmberg.
Prozession aus drei Kirchen zum Marktplatz, um dort mit einem
sikerlebnis zu münden. Zu hören waren Uwe Steinmetz (Sopran-
tel »From Bach to Bäck and back« unter der Leitung von Frederic
Das Chorfest DREIKLANG war eine Sonderveranstaltung des
saxophon), Matthias Schriefl (Trompete, Büchel), Claudio Puntin
bundesweiten Projektes »366+1, Kirche klingt 2012« in Koopera-
tarre), Margherita Biederbick (Violine), Lauren Franklin-Stein-
land – Koordinierung des Chorfestes: Landeskirchenmusikdirek-
(Klarinette), Mark Wyand (Tenorsaxophon), Arne Jansen (Gimetz (Violoncello), Andreas Edelmann (Kontrabass) und Eric
Schaefer (Schlagzeug, Percussion).
tion mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschtor Frank Dittmer und Regina North – und dem Kulturbüro des
Rates der EKD.
Die »Lange Nacht der Chöre«
in der Greifswalder St. MarienKirche.
Das Gegenüber der Klangsprachen
Konzertreihe »Klingende Sophienkirche« in Berlin
stellte Kammermusik in den Mittelpunkt
50
Zu Gast in der Berliner
Sophien­kirche: Das »Magic
Lutes Project« mit Musikerin­
nen und Musikern aus ­China,
Griechenland, ­Palästina,
­Ungarn, Weißrussland und
Deutschland.
Ausgehend von dem Anspruch, dass lebendige und neue Musik
Seiten. Jedes Instrument erklang darum übers Jahr wenigstens
Berlin die Klingende Sophienkirche die kleine Form in den Mittel-
auch – im Gegenüber verschiedener Klangsprachen und Zu-
ihr Zuhause in der Kirche habe, stellte mitten in der Großstadt
punkt: Werke, die nicht die große Bühne, sondern den intimen
Rahmen solistischen und kammermusikalischen Musizierens
suchen, um den kreativen Freiraum des Spiels mit der Melodie
und dem Instrument ganz entfalten und die Sinne auf eine musikalische Entdeckungsreise schicken zu können. Dabei ließen die
Veranstalter Verschiedenes, aber vor allem auch Gleiches, im
Vergleich hören: jedes Instrument hat seine zwei (und mehr)
zwei Mal und war – wie die verschiedenen Musikrichtungen
gänge zu hören. Die Motetten von Heinrich Schütz und Johann
Sebastian Bach fanden ihr Gegenüber in den Vertonungen von
Ernani Aguiar, Randall Stroope und Perttu Haapanen. Orgelwerke von Dietrich Buxtehude und Max Reger erfuhren ihre Entsprechung in Werken von Miguel Bernal Jiménez, Kalevi Kiviniemi und Shigeru Kan-no. Sonaten von Georg Friedrich Händel
und Wolfgang Amadeus Mozart erklangen als Pendant zu Kaik-
hosru Shapurji Sorabji, Viktor Ullmann und Younghi Pagh-Paan.
51
Verbindendes Element war ein gemeinsamer und neu bearbeiteter Choral.
Hatte Martin Luther seinerzeit bemerkt und bemängelt:
»Ich wollt auch, dass wir viel deutsche Gesänge hätten, die das
Volk unter der Messe sänge … aber es fehlet uns an deutschen
Poeten und Musicis …«, so stand jedes Konzert der Klingenden
Sophienkirche auch für eine neue Bearbeitung, einen gesunge-
nen oder musizierten Choral in reformatorischer Tradition. Hier
kam es zu spannenden Berührungen mit dem Jazz.
In den letzten Jahrzehnten haben sich viele Jazzmusiker
weltweit mit geistlichen Liedern und Chorälen auseinandergesetzt und diese neu arrangiert. Durch jazztypische Harmonisierungen und Rhythmisierungen ist so eine Fülle inspirierender
Choralarrangements entstanden, mit Hilfe derer sich die Musizierenden ihren eigenen Zugang zu den zeitlosen Texten und Melodien geschaffen haben – sei es durch Swing, Latin oder Funk.
In ihren Konzerten nahmen sie die Gemeinde mit und ließen
– ganz nach Johann Sebastian Bach: »Bey einer andächtigen Mu-
des Themenjahres erschienene »Real Faithbook of Great
Die Reihe »Klingende Sophienkirche« ist eine Kooperation
alte Lieder neu aufleben. Mehrfach kam dabei das im Rahmen
Hymns« zum Zug. Dessen Herausgeber Uwe Steinmetz war und
ist auch regelmäßiger Gast in der Reihe.
Exzellente Ensembles und Solisten wechselten einander
übers Jahr ab und machten die Klingende Sophienkirche mit
klassischen und experimentellen, mit expressiven und impressionistischen, mit ungeahnten und freudig bekannten Klängen zu
einem exklusiven Ort inspirierender Resonanz und Spiritualität
sique ist allezeit Gott mit seiner Gnadengegenwart.«
zwischen der Kirchengemeinde Sophien Berlin, dem Kulturbüro
SOPHIEN sowie dem Kulturbüro des Rates der EKD.
Auch die Mitglieder des En­
sembles »Musica Affettuosa
Borussica« brachten die
­Sophienkirche zum Klingen
Musik von gestern und heute
Das Festival »WurzelN und Flügel« stellte Alte
und Neue Musik vor
und 21. Oktober an der großen Stadtkirche St. Lorenz in Nürn-
52
berg – jener Kirche, in der unter anderem so bekannte Komponisten wie Leonhard Lechner Athesinus als auch Hugo Distler ein
und aus gingen. Wurzeln – dafür standen bei diesem Festival
Werke von Andreas Raselius (um 1563–1602), Heinrich Schütz
(1585–1672), Jacob van Eyck (1590-1657) und Johann Sebastian
Bach (1685–1750). Für die aus ihnen erwachsenen Flügel standen
Werke von Johann Nepomuk David (1895–1977), Hugo Distler
(1908–1942), Frank Schwemmer (*1961) und Burkhard Kinzler
(*1963). Die Verbindung zwischen Wurzeln und Flügeln oblag
zwei exzellenten Ensembles – dem in Nürnberg ansässigen en-
semble KONTRASTE und dem Vokalensemble Athesinus Consort
Berlin – den Organisten Martin Sander (Heidelberg) und Arno
Schneider (Berlin) sowie dem Flötisten Simon Borutzki (Berlin).
Das Publikum durfte sich über espritreiche Querverbindungen
freuen.
Komponist Burkhard Kinzler
(links) und Lorenzkantor­
­Matthias Ank (rechts).
In dem Orchesterkonzert mit dem ensemble KONTRASTE er-
Zeitgenössische geistliche Musik war in der Zeit von Heinrich
klangen die Orgelmesse und Katechismuslieder Martin Luthers
Gottesdienstes und des kulturellen Alltags. Ein Schwerpunkt lag
tian Bach und die »Lutherlieder, in einer Bearbeitung für Kam-
Schütz und Johann Sebastian Bach selbstverständlicher Teil des
zweifellos auf der Vokalmusik – auf dem Choral und der Motette
in deutscher Sprache. Gleichwertig wurde die Orgel als konzertantes Instrument wahrgenommen und genutzt. Späte Renaissance und Barockzeit offenbaren die Musik sowohl als eine universale als auch spirituelle Kunstform.
Das Festival »Wurzeln und Flügel« war ein ganz auf die Musi-
zierpraxis ausgerichtetes Festival Alter und Neuer Musik am 20.
sowie Präludium und Fuge Es-Dur (BWV 552) von Johann Sebasmerensemble« von Burkhard Kinzler unter der Leitung von
Kirchen­musikdirektor Matthias Ank. Vor der Bachschen Orgelbearbeitung wurde jeweils der zugrunde liegende Choral in einer Bearbeitung für Kammerensemble des in der Schweiz lebenden Komponisten Burkhard Kinzler uraufgeführt.
Im Chorkonzert des Athesinus Consort Berlin stellte das En-
semble unter der Leitung von Klaus-Martin Bresgott die Musika-
53
lischen Exequien (SWV 279–281) von Heinrich Schütz und Psalm
1. Korinther 7, 29–31 hielt Oberkirchenrat Reinhard Mawick (Han-
sowie dem Tryptichon »Du bist mein Schlaf« und der Urauffüh-
berg).
118 von Jacob van Eyck dem Totentanz (op. 12, 2) von Hugo Distler
rung von drei Choralbearbeitungen für Männerquartett von
nover), Liturgin war Pfarrerin Claudia Voigt-Grabenstein (NürnDas Festival war eine Sonderveranstaltung des bundeswei-
Frank Schwemmer gegenüber.
ten Projektes »366+1, Kirche klingt 2012« in Kooperation zwi-
dienst mit der Deutschen Messe (Werk 42) von Johann Nepo-
Rates der EKD.
Verbindend wirkte zwischen beiden Konzerten ein Gottes-
muk David und Evangeliensprüchen von Andreas Raselius, bei
denen Kirchenmusikdirektor Matthias Ank auf die Rezitationsmodelle der Reformationszeit zurückgriff. Die Predigt über
schen der Kirchenmusik an St. Lorenz und dem Kulturbüro des
Das Athesinus Consort Berlin
mit dem klingenden Wort
(links), Reinhard Mawick mit
dem gesprochenen Wort
(rechts).
Jazz im Hause Gottes
Das Festival »Reformation und Musik –
JAZZ ERST RECHT« in Bielefeld
Vom 14. bis 16. Dezember wurde dieser Ver-
54
such in Bielefeld unternommen: Mit dem Festival
»Reformation und Musik – Jazz erst recht« öffnete
die evangelisch-reformierte Süsterkirche ihre Tü-
ren. Bertold Becker, Pfarrer an der Süsterkirche
und international anerkannter Jazz-Pianist, ver-
körperte in seiner Person die Idee dieses Festivals
und war damit idealer Gastgeber und Begleiter
der Veranstaltungen.
Die Bühne gehörte zuerst der Berliner Jazz-
Sängerin Pascal von Wroblewsky mit Jürgen He-
ckel (E-Gitarre), Max Hughes (E-Bass) und Peter
Michailow (Perkussion, Schlagzeug). Das Ensemble trat open air auf der Bühne von Radio Bielefeld
auf – neben der Kirche inmitten von Weihnachtsmarkt-Ständen. Pascal von Wroblewsky, seit lanJazzklänge zur Nacht mit
dem Schweizer Schlagzeuger
Simon Wunderlin sowie
­Andreas Edelmann am
Kontra­bass und Arne Jansen
an der Gitarre.
gem Aushängeschild des modernen deutschen
So wie in den verschiedenen Strömungen der Reformation un-
Jazz, hat auch in Bielefeld neue Fans gefunden. Einleitend in das
gen wurden, eröffnet Jazz in der Beschäftigung mit Kirchenmu-
deskirchenamt der Evangelischen Kirchen von Westfalen) die
terschiedliche, aber immer progressive neue Wege eingeschlasik neue Räume der Begegnung mit der überlieferten Tradition.
Was lag also näher, als sich im Themenjahr »Reformation
und Musik« auch dem Jazz zu widmen und den Dialog mit Musikerinnen und Musikern zu suchen, die nicht nur Kirchenräume
als Aufführungsorte mögen, sondern auch vom reichen Schatz
des Gesangbuches fasziniert sind?
Nachtkonzert betonte Dr. Vicco von Bülow (Dezernent im Lan-
Verbindung von Jazz mit Theologie und Kirchenmusik. Dies war
anschließend in erstklassiger Weise sicht- und hörbar: Mit den
Jazz-Musikern Daniel Stickan (Klavier, Lüneburg), Simon Wunderlin (Schlagzeug, Basel), Arne Jansen (Gitarre, Berlin), Andreas Edelmann (Kontrabass, Berlin) und Uwe Steinmetz (Saxo-
phone und Flöte, Berlin). Die Band stellte Werke aus dem »Real
55
Faithbook of Great Hymns« vor, in dem über 250 Arrangements
stammenden Sängerin Efrat Alony in ein Meer aus Klängen ge-
ten Welt versammelt sind. Expressive Lichtinstallationen und
native Konzertformen. Den Abschluss des Festivals bildete ein
berühmter Choräle aus der Feder von Jazzmusikern der gesam-effekte begleiteten die Musik.
Am nächsten Tag wurde das Festival mit Begegnungen, Ge-
sprächen und dem in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-
führt. Danach gab es die Möglichkeit zur Diskussion über alterJazz-Gottesdienst mit den Pfarrern Bertold Becker und Uwe-C.
Moggert-Seils.
Das Festival »Reformation und Musik – Jazz erst recht« war
Kirche erprobten Format »In Spirit« fortgesetzt. Gepaart mit ei-
eine Sonderveranstaltung des bundesweiten Projektes »366+1,
Stickan (Orgel), Uwe Steinmetz (Saxophon) und der aus Tel Aviv
Kirche in Westfalen und dem Kulturbüro des Rates der EKD.
ner Reflexion über »Wagemut« wurden die Besucher von Daniel
Kirche klingt 2012« in Kooperation zwischen der Evangelischen
Eindringlich und mit starker
Präsenz in der Stimme: Die
jüdische Sängerin Efrat Alony.
Mit den Farben unserer Stunden
malen wir ein Bild von Gott
Stephan Krawczyk in der Bergkirche Oybin
Begrüßt vom ehemaligen Pfarrer der Gemeinde Oybin und
56
dem sächsischen Staatsminister a.D. Heinz Eggert, der in Erin-
nerungen an dunkle Zeiten davon sprach, dass es nicht viele
Leute gab und gibt, die für ihre aufrechte Haltung nicht nur eingestanden, sondern auch eingesessen haben, war es ein Kon-
zertabend der Geschichte und der Geschichten. Sie erzählten
aus 30 Jahren bis hinein in eine lebendige Gegenwart.
Stephan Krawczyk wartete sowohl mit etlichen Liedern sei-
ner aktuellen CD »erdverbunden, luftvermählt« auf – etwa
rhythmisch-energetisch mit der Gitarre und dem kraftvollen
»Heute« oder zart-zerbrechlich mit dem Bandoneon und dem
sensibel geflochtenen »Wieder stehen«. Bertolt Brecht kam mit
dem »Lied vom Speichellecker« ebenso zum Zuge wie Martin
Luther mit Auszügen aus seinen »Tischreden«.
Zwinkernd brachte Pfarrerin Annette von Oltersdorff-Ka-
lettka Einwürfe zur Zeit und zum Leitlied der Woche »Tochter
»Hoffnung kommt nicht vor
der Trauer, Rettung kommt
von Ohnmacht nicht …«.
­Stephan Krawczyk wärmt
auch im Winter.
»Mit den Farben unserer Stunden malen wir ein Bild von Gott« –
der Poet und Liedermacher Stephan Krawczyk (*1955) verzauberte den eisigen Winterabend zwischen den Jahren in der Bergkirche im sächsischen Oybin am 28. Dezember. Einstmals war er
Sieger des Chansonwettbewerbs der DDR. Wenig später wurde
er für sein politisches Bekenntnis geächtet, mit Berufsverbot belegt und schließlich ausgebürgert.
Zion« (EG 13) ein. Sie ermunterte Stephan Krawczyk zu mancher
virtuosen Zugabe auf Bandoneon und Maultrommel. Mit der
Gitarre und dem kraftvollen Song »Auf frischer Tat« endete
schließlich ein tatsächlich reformatorischer Abend, der in kritischer Lebendigkeit der Gegenwart die Stange hielt.
Das Konzert war Nr. 363 im Rahmen des Projektes »366+1,
Kirche klingt 2012« in Kooperation zwischen der Ortsgemeinde
Oybin, dem Wochenmanager Gottfried Trepte und dem Kulturbüro des Rates der EKD.
Erinnerungen, zwanzig Kilogramm schwer
Eine Chronik als bündelndes Element
des Projektes »366+1, Kirche klingt 2012«
57
Jeden Tag ein Konzert auf einer Route durch Deutschland und
ein zusätzliches zur Auferstehung in der Osternacht – wenn so
viele Konzerte und musikalische Gottesdienste stattfinden, ist
Doppelseite zur Verfügung. Die Chronik, die in englisches Pferdeleder gebunden ist, wiegt über zwanzig Kilogramm.
Mit Grußworten von Bernd Neumann, MdB, Staatsminister
ein vereinendes, bündelndes Element nötig, das alles zusam-
bei der Bundeskanzlerin und Beauftragter der Bundesregierung
2012« war das gelungen. Das 69 x 37 Zentimeter große Buch be-
zender des Kuratoriums zur Vorbereitung des Reformationsju-
menhält. Mit der Chronik zum Projekt »366+1, Kirche klingt
wahrt die Erinnerungen, verschiedene Sätze der jeweiligen Leitlieder und Programme auf. Für jede Veranstaltung stand eine
für Kultur und Medien, von Dr. h.c. Nikolaus Schneider, Vorsitbiläums 2017, sowie Dr. Petra Bahr, Kulturbeauftragte des Rates
der EKD, und Klaus-Martin Bresgott, Initiator und Organisator
Noch leicht zu halten und
mit leeren Seiten präsentiert
Klaus-Martin Bresgott die
Chronik am 1. Januar in Augs­
burg, einige Monate ­später
wird in Gifhorn neu­gierig
durch das täglich schwerer
werdende Tagebuch des
P­rojektes geblättert.
58
Die Chronikeinträge der
­Konzerte Nr. 12 am 12. Januar
in Bamberg und Nr. 36 am
5. Februar in Mössingen (oben)
sowie von den Konzerten
Nr. 114 am 23. April in Herford
und Nr. 257 am 13. September
in Wolgast (unten).
des Projektes im Kulturbüro des Rates der EKD, wanderte sie
von »366+1, Kirche klingt 2012« zusätzlich unterstützte. Die
ganz Deutschland. Im Verlauf des Jahres wurde sie auf ­einer
von 366+1 Musikensembles aus allen Bundesländern und Lan-
vom 1. Januar bis 31. Dezember von Augsburg bis Zittau durch
Strecke von 21.097 Kilometern von Veranstalter zu Veranstalter
weitergereicht und reiste mit durch das Jahr und das Land. Über
die tägliche Weitergabe in den Konzerten entstand eine unmit-
telbare Bindung untereinander, die den Stafetten-Charakter
Chronik veröffentlicht gleichzeitig einen einmaligen Almanach
deskirchen.
Veranstaltungen
»Mit Lust und Liebe singen« – Die Reformation und ihre Lieder
Ausstellung in Gotha widmete sich den Gesangbüchern
und dem evangelisch-lutherischen Lied
städter Theologe und Hymnologe Johann Christoph Olearius im
60
frühen 18. Jahrhundert gelegt.
Viele besondere Schätze hatte die Schau zu bieten. Sie zeigte
in mehreren Themenkreisen die Geschichte des evangelisch-lutherischen Liedes vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Ausgestellt
waren unter anderem das erste evangelische Gesangbuch, das
so genannte »Achtliederbuch« von 1524 mit Texten von Martin
Luther und Paul Speratus. Prachtvolle Handschriften des »Gothaer Chorbuchs« von 1545 waren ebenfalls zu sehen. Das Werk
war einst von Luthers »Kantor« Johann Walter zusammengestellt worden.
Dass es auch Unterschiede in gar nicht weit entfernten Ge-
bieten gab, zeigten die Territorial-Gesangbücher der zahlreichen Thüringer Herrschaften, die sich im Kernland der Reformation als Bewahrer des »wahren« Luthertums verstanden. Das
Publikum bekam daneben auch Gesangbücher der katholischen
und reformierten Tradition aus dem 16. und 17. Jahrhundert zu
sehen.
Die Ausstellung veranschaulichte eindrucksvoll die stetig
Das Achtliederbuch (links)
und das Evangelische
­Gesang-Buch zählen ­
zu den Schätzen, die
die ­Aus­stellung bot.
wachsende Bedeutung der Gesangbücher, die seit dem 18. JahrGesangbücher über Gesangbücher – die gemeinsame Ausstellung der Forschungsbibliothek Gotha und der Stiftung Schloss
Friedenstein Gotha präsentierte vom 6. Mai bis 12. August auf
Schloss Friedenstein die ältesten, wertvollsten und schönsten
Werke aus der mehr als 3.000 Bände umfassenden Gesangbuchsammlung der Bibliothek. Den Grundstock dafür hatte der Arn-
hundert zu regelrechten Bestsellern in der protestantischen
Welt wurden. Öffentlich unter dem Arm getragen, waren sie Bekenntnis-, Gebet- und Gesangbuch in einem und symbolisierten
die identitätsstiftende Zugehörigkeit zur eigenen Gemeinde.
Die Gesangbuchsammlung der Forschungsbibliothek Gotha
– eine der größten ihrer Art in Deutschland – ist ein Teil der ba­
rocken Sammlung des ehemaligen Herzogtums Sachsen-­Gotha-
Altenburg auf Schloss Friedenstein. Hier werden auch ca. 8.000
61
Noten aus dem 17. bis 19. Jahrhundert aufbewahrt. Besonders
stolz sind die Kuratoren auf die etwa 130 musikalischen Handschriften (darunter Autographen) und Alte Drucke von Kompositionen der Musikerfamilie Bach – übrigens die größte Sammlung der Bachs in Thüringen. Hinzu kommt ein einmaliger Be-
stand an Handschriften, Alten Drucken, Korrespondenzen,
Tage­büchern und Nachlässen aus der Reformationszeit.
Die Forschungsbibliothek Gotha gehört seit 1999 zur Uni-
versität Erfurt. Sie nimmt heute den Rang einer Referenzsammlung für die Geschichte des mitteldeutschen Protestantismus
vom 16. bis 18. Jahrhundert ein. In den letzten Jahren wurde damit begonnen, die vielfältigen Bestände zu erschließen und zu
digitalisieren. Mit dem Ausbau der Bibliothek zu einer Forschungs- und Studienstätte für die Kulturgeschichte des Protestantismus in der Frühen Neuzeit sollen sie in den nächsten Jah-
ren einer stärkeren wissenschaftlichen Erforschung zugeführt
werden.
Zur Ausstellung »Mit Lust und Liebe singen« ist ein reich be-
bilderter und mit wissenschaftlichen Beiträgen versehener Begleitband erschienen.
Das Gothaer Chorbuch wird
in der Forschungsbibliothek
Gotha aufbewahrt.
Kirchenmusiktage zum Mitmachen
Bei der Cantionale 2012 sangen Chöre
aus ganz München
Bläser des Bezirksposauenenchors München den
62
Startschuss für die Cantionale 2012 (6. bis 8. Juli).
»Wir laden keine berühmten Chöre aus aller
Welt ein, die Cantionale, das sind Kirchenmusiktage zum Mitmachen«, sagte Gabriele März vom
Evangelisch-Lutherischen Dekanatsbezirk Mün-
chen. Evangelische Kirchenmusiker veranstalten
unter der Schirmherrschaft des Evangelisch-Lutherischen Dekanats München alle drei Jahre die Cantionale. Das Festival will das Profil der evangelischen Kirchenmusik in der Stadt München schärfen. Die Kirchenmusiktage werden in Teamwork
organisiert, jede Kirche ist dabei für die eigenen
Veranstaltungen zuständig.
Chöre aus ganz München machten mit. Work-
shops, Musik-Gottesdienste und Projekte zum
Mitsingen brachten das Wochenende zum Klin-
gen. Ein Höhepunkt in diesem Jahr war die »Nacht
Chöre aus ganz München
­waren bei der »Cantionale«
zu erleben.
der Kirchenmusik«. In vier Gotteshäusern der Stadt
erklangen zeitgleich Konzerte: Die Nacht der Chöre
Geschäftiges Treiben beherrschte die Münchner Stachus-Passa-
in Sankt Lukas, die Orgelnacht in Sankt Markus, die Gospelnacht
gewirr und Stiefelgeklapper. Mehrere Strophen von »Geh aus,
serkirche. Am 7. Juli fanden sich Kinderchöre in der Christuskirche
gen. Dann durchbrachen Trompetentöne fest und klar Stimmenmein Herz, und suche Freud« zündete Fröhlichkeit in der Ein-
kaufsmeile. Mit dem Paul-Gerhardt-Flashmob gaben unter der
Leitung von Kirchenmusikdirektor Andreas Hantke Mitglieder
des Chors der Christuskirche, der Kantatenchor München und
in Sankt Matthäus und die Nacht der Posaunenchöre in der Erlözur Kinder-Cantionale ein. Ebenfalls in der Christuskirche wurden die Kirchenmusiktage am Sonntagabend mit einem »CantionFinale« zum Mitsingen für alle beschlossen.
63
Zur Gospel-Nacht in St. Matthäus traten
viele Sängerinnen und Sänger auf.
Auf den musikalischen Spuren des Reformators
MDR KLASSIK bereicherte das Themenjahr
mit der Konzertreihe »Lutherorte« im Rahmen
des MDR MUSIKSOMMERS
die reiche Geschichte seiner Region in seine Pro-
64
grammatik aufgenommen hat«, betonte Carsten
Dufner, Leiter der Hauptabteilung MDR KLASSIK,
»das Jahresthema ›Reformation und Musik‹ war
für uns von daher ein willkommener Anlass, dar-
aus eine besondere Reihe zu kreieren.« Und dies
mit Vorteilen für alle Beteiligten, wie Oliver Jueterbock, Manager des MDR MUSIKSOMMERS, ergänzte: »Durch den Lutherweg haben wir sogar
einige neue bedeutende Spielorte ins Programm
aufnehmen können.«
Luther sagte über die Musik, sie sei »eine Gabe
und ein Geschenk Gottes; sie vertreibt den Teufel
und macht die Menschen fröhlich.« Dass diese Einschätzung des Reformators auch heute noch gilt,
konnte man an den Gesichtern der Konzertbesucher sehen. Verzaubert war das Publikum beispielsweise vom Gesang des international gefeierHelmuth Rilling führte die
h-Moll-Messe von Bach in der
Dresdner Frauenkirche auf.
ten Ensembles »The King’s Singers«. Die sechs Engländer interpretierten vor dem berühmten Refor-
Im Themenjahr »Reformation und Musik« stand Martin Luther
mationsaltar von Lucas Cranach d. Ä. in der Stadtkirche zu Wit-
MERS. Unter dem Titel »Lutherorte« erklangen an 14 Spielstät-
schen Calvinisten Jan Pieterszoon Sweelinck, Motetten von
im Zentrum einer neuen Konzertreihe des MDR MUSIKSOMten des Klassik-Festivals insgesamt 16 Konzerte entlang des Lu-
therwegs sowie in bedeutenden Predigt- und Lebensorten des
Reformators in ganz Mitteldeutschland. »Der MDR MUSIKSOMMER ist ein Festival, das in besonderer Weise schon immer
tenberg unter anderem Psalmvertonungen des niederländiHeinrich Schütz, polyphone Werke von William Byrd und Hans
Leo Hassler sowie Spirituals.
Schon das Eröffnungskonzert des MDR MUSIKSOMMERS
nahm direkt Bezug auf das besondere Jahr. Unter dem Motto
»Freiheit, die ich meine« wurde an den Reformator Martin Lu-
65
ther erinnert. Im Magdeburger Dom führten MDR SINFONIEORCHESTER, MDR RUNDFUNKCHOR und Solisten unter Chefdirigent Jun Märkl neben Werken von Claudio Monteverdi, Johann
Sebastian Bach, Nicolai Otto und Giuseppe Verdi auch die 2. Sinfonie von Felix Mendelssohn Bartholdy auf. Sie ist mit »Lobgesang« überschrieben und ein Auftragswerk zu den Feierlichkeiten des 400. Jahrestages des Buchdrucks. Gleichzeitig atmet das
Werk den Geist der Reformation, in dem sie den Sieg des Lichtes
über die Finsternis feiert.
Der kleine thüringische Ort Schmalkalden erlebte mit dem
Auftritt Helmuth Rillings, der Gächinger Kantorei und des Bach-
Collegiums Stuttgart in der Stadtkirche St. Georg ein musikali-
sches Großereignis: die Aufführung von Bachs h-Moll Messe. Sie
erklang in der gleichen Besetzung auch in der Dresdner Frauenkirche. Ebenfalls Alte Musik brachten in Lutherstadt Eisleben
Hermann Max, die Rheinische Kantorei und »Das kleine Konzert« dem Publikum nahe. Luthers besondere Beziehung zur Musik wurde dadurch hervorgehoben, dass das Programm auf bekannten Kirchenliedern des Reformators gründete.
Ebenso fügten sich die beiden berühmten mitteldeutschen
Knabenchöre in das Programm ein. Der Thomanerchor unter
Christoph Biller sang sich in die Herzen vieler Zuhörer in der Johanneskirche in Saalfeld. In der Marktkirche zu Halle/Saale verlieh Roderich Kreile mit dem Dresdner Kreuzchor mehrstimmi-
gen Motetten und Chorälen von Bach, Schütz und anderen eine
besondere Atmosphäre.
Für ihre Darbietungen
e­rhielten Helmuth Rilling
und die vielen beteiligten
Künstler großen Applaus.
Orgel, Jazz und Salsa – das vertonte Leben Luthers
NDR Bigband und Lucas M. Schmid touren
mit »The Martin-Luther-Suite«
Gleichwohl wollte Schmid mit seinem Arran-
66
gement »The Martin-Luther-Suite – A Jazz Reformation« keine Botschaft verbreiten. »Die Botschaft ist die Musik selbst«, sagte er. Die Idee zum
zweistündigen Werk, in dem die NDR Bigband
Musik der Reformation mit modernen Jazzrhyth-
men verbindet, wurde bereits im Lutherjahr 1996
geboren. Die Debatten über den Reformator,
Schmids Interesse für Geschichte und seine Liebe
für die Bachschen Choräle waren die Bausteine,
aus denen sich schließlich das Stück entwickelte.
Zusätzliche Inspiration gab Schmid das Buch »Kul-
turgeschichte der Neuzeit« von Egon Friedell. Für
Friedell beruht der essentielle Unterschied zwi-
schen Luther und den anderen Erneuerern darauf,
dass er seine Reform lebte, während die anderen
Die NDR Bigband und
Lucas M. Schmid vertonten
das ­Leben Luthers.
Wer war Martin Luther? Goethe sah in ihm ein »Genie sehr be-
bloß lehrten.
Die kraftvolle und moderne Inszenierung zu Martin Luther
deutender Art«, Nietzsche bezeichnete ihn als einen »auf den
passte ganz besonders zum Themenjahr »Reformation und Mu-
ihn einen »Kämpfer für die Freiheit der Vernunft« und Friedrich
unterwegs, in Celle etwa oder Zweibrücken. Die Arrangements
Raum seiner Nagelschuhe beschränkten Bauern«, Schiller nannte
der Große sprach von einem »wütenden Mönch und barbari-
schen Schriftsteller«. Der Musiker Lucas M. Schmid sagte, Luther
sei ein gutes Beispiel dafür, dass man für eine Revolution keine
Waffen brauche: »Luther hat die Macht des Wortes genutzt.
Wenn man seinen Intellekt einsetzt, kann man viel bewegen.«
sik«. So waren die NDR Bigband und Lucas M. Schmid auch 2012
des Musikers und Komponisten wurden auch beim Eröffnungskonzert der Thüringer Jazzmeile in Jena gespielt, dort von der
hr-Bigband.
Sieben Luther-Choräle hat Schmid mit Eigenkompositionen
ergänzt, Elemente aus orchestralem Jazz, Tango Nuevo, Funk,
Salsa und Solo-Improvisationen eingefügt. Mit
67
emotionaler Wucht verfremdete er Kompositionen aus der Lutherzeit, thematisierte musikalisch
anspruchsvoll Luthers Auflehnung gegen die ka-
tholische Kirche, seine theologischen Gedanken
oder die Liebe zu Katharina von Bora. Schmid ar-
rangierte speziell für die NDR-Bigband, in der
hochkarätige Solisten spielen und die er als »sehr
innovativ« beschreibt. Expressiv und verstörend
etwa gab die Band den Einstieg in die Luther­
geschichte, das Gewitter von Stotternheim und
Luthers legendären Schwur an die Heilige Anna:
»Ich will ein Mönchlein werden.« Ruhigere Töne illustrierten dann das Ordensleben.
Die Arrangements der »Martin-Luther-Suite«
wurden als CD herausgegeben, in zwei Varianten.
Die erste spielt ausschließlich die Musik. Die
zweite enthält als Hörbuchversion zwischen den Musikstücken
Texte des Lutherexperten Dr. Wulff D. Rehfus. Er vermittelt Pers-
pektiven und Zusammenhänge aus verschiedenen Epochen. Es
liest der Fernseh-Sprecher Werner Schmidt.
Luthers Leben und Jazz –
­beides brachten Lucas M.
Schmid und die NDR Bigband
zusammen.
Wo Gott ganz nah ist
»Mit Herz, Mund und Händen«:
ZDF-Gottesdienste stellten Musik in den Mittelpunkt
Grimberghe. Die Musik ist auch gegenwärtig besonders wichtig
68
für die Kirchengemeinde. Ein Grund mehr, einen der ZDF-Gottesdienste in der niedersächsischen Stadt zu begehen (12. August). Unter dem Motto »Mit Herz, Mund und Händen« schlos-
sen sich die Veranstaltungen des öffentlich-rechtlichen Senders
an das Jahresthema der Lutherdekade an. Die Musik rückte in
den Mittelpunkt. »Eine Kirche als Kunstdenkmal zu besuchen
oder gemeinsam Kantaten und Gospels zu singen, ist für viele
ein erster Berührungspunkt mit dem christlichen Glauben. Andere finden ihn, wenn sie sich in christlichen Initiativen und
Hilfsprojekten sozial engagieren«, hieß es seitens des ZDF. In
Lemgo sprach die Journalistin, Hörfunkautorin und Prädikantin
Antje Borchers in ihrer Predigt über die Musik als »protestantisches Erbe«. Sie lud ein, in den Gesang einzustimmen, der dem
Leben Mut schenke.
Eine orientalische Note brachten die Töne im Gottesdienst
der Kreuzkirche Istanbul (15. Januar). Er stand unter dem
Auch im Themenjahr
­»Reformation und Musik«
übertrug das ZDF viele
G­ottesdienste. Einige von
ganz besonderen Orten.
Titel »Der Morgenstern ist aufgegangen«. Der in der Türkei beLemgo, Niedersachsen, Reformationszeit. Ein entsetzter
Schrei: »Sie singen – und zwar alle! Die Protestanten sind jetzt
auch bei uns!« So soll der Stadtdiener seinem Bürgermeister zugerufen haben. Tatsächlich sangen die Lemgoer Einwohner in einer Sprache, die sie verstanden, auf deutsch. Den Pfarrer, der ihnen zu konservativ war, sangen sie buchstäblich von der Kanzel.
»Sie erlebten eine starke Gemeinschaft im Singen«, sagte der
heutige Pfarrer der Sankt Nicolai-Kirche Rolf-Joachim Krohn-
kannte Musiker Azad Alizade spielte Oboe. Dazu gestaltete Dr.
Klaus Langrock Gemeindegesänge und Orgelstücke. Die Kirch-
gemeinde am Bosporus unterliegt einer hohen Fluktuation.
Viele Gemeindemitglieder leben nur für kurze Zeit in Istanbul.
Sie sind Lehrer an deutschsprachigen Schulen oder Mitarbeiter
großer Firmen und kehren nach einigen Jahren wieder nach
Hause zurück. Ursprünglich wurde die evangelische Gemeinde
in der Nähe des Taksim-Platzes Mitte des 19. Jahrhunderts von
deutschen Handwerkern und Kaufleuten gegründet, die nach Is-
tanbul kamen, weil sie Arbeit suchten. Pfarrerin Ursula August
sprach in ihrer Predigt über die Situation der Christen in der Tür-
Und wo ist Gott am nächsten? In Österreich! Pfarrer Magis-
ter Gerhard Rotter aus der Gemeinde Oberinntal bei Lan-
kei. Trotz eines Entgegenkommens der Regierung sei der Rechts-
deck erlebte es: »Herr Pfarrer, am Sonntag bin ich Gott mindes-
ungeklärt, sagte sie. »Gemeinsam mit anderen Konfessionen
schuhen und Stöcken und Rucksack an der Kirche vorbeizieht, hi-
status der evangelischen Gemeinden in der Türkei nach wie vor
und Religionen wollen wir der Stadt Bestes suchen«, bilanzierte
sie bezugnehmend auf eine Bibelstelle.
Der Zusammenhalt der Konfessionen bildete auch den Mit-
telpunkt des Gottesdienstes in der Baptistengemeinde
Kamp-Lintfort am Niederrhein (17. Juni). Gemeindemit-
glieder sind hier vor allem Bergleute. Auch Pastor André Carouge
fährt regelmäßig unter Tage. Er sagte: »Für unter Tage gilt: Alle
sind vor Kohle gleich. Und: Wir sind Kumpels. Wir arbeiten zu-
sammen, wir gehören zusammen und wir treten füreinander
ein. Über Tage sieht das anders aus. Da gibt es Unterschiede. Unterschiedliche Nationalitäten, unterschiedliche Religionen.
Doch auch über Tage wollen wir Kumpels sein. Miteinander le-
tens 1500 Meter näher als Sie. Sagt mir einer, der mit Wandernauf auf den Berg. Natürlich würde ich ihn viel lieber bei mir im
Gottesdienst sitzen sehen. Aber verstehen kann ich ihn schon«,
sagte er. Und so lud die Kirchgemeinde kurzerhand zu einer
Open-Air-Veranstaltung auf die Aifner-Alm (29.Juli) ein. Zu ei-
nem Gottesdienst inmitten blumenübersäter Wiesen und mit
Blick auf schroffe Felsen, bewaldete Höhen und Gletscher in der
Ferne. Ein Team der Kirchgemeinde Oberinntal bei Landeck
zeigte, wie Erfahrungen in den Bergen Mut in den Alltag bringen
können. Der ökumenische Chor Landeck und die Musikkapelle
Kauns brachten mit Instrumenten und Gesang die Klänge auf
den Berg.
Die ZDF-Gottesdienste werden aus verschiedenen Orten
ben, füreinander einstehen und miteinander glauben.« Die Ter-
Deutschlands, aber auch aus ganz Europa übertragen. Zahlrei-
leute, aufeinander zuzugehen und in intensiven Dialog zu tre-
werden das ganze Jahr über ausgestrahlt. Ein- bis zweimal im
roranschläge vom 11. September 2001 veranlassten die Bergten. Den Gottesdienst, der unter dem Thema Barmherzigkeit
stand, gestalteten Kumpel beider Konfessionen. Das Duo GezeitenKlang (Constanze Rolfink und Jürgen Gros) ließ mit außergewöhnlichen Instrumenten (Monochord, Shrutibox und Flöten)
himmlische Klänge ertönen. Daneben gab es Orgelstücke von
Friedhelm Höfken und Chormusik der Niederrheinischen Kantorei unter der Leitung von Werner Seuken.
che katholische, evangelische und ökumenische Gottesdienste
Jahr gestalten deutsche Gemeinden in anderen Ländern die Veranstaltungen. Zwei- bis dreimal jährlich findet ein ZDF-Gottesdienst in einer evangelischen Freikirche statt, einmal in einer orthodoxen Gemeinde.
Die ZDF-Gottesdienste gehören zu den ältesten Sendungen
im deutschen Fernsehen. Rund 700.000 Zuschauer verfolgen
nach Angaben des Senders regelmäßig die Übertragungen.
69
Klänge auf Reisen schicken
Zentrale Auftaktveranstaltung zum Themenjahr
in der Eisenacher Georgenkirche
70
»Die Vielfalt des Gotteslobes soll 2012 aus den Kirchen auf die
furcht in der Öffentlichkeit zu bekennen, sagte sie. Beispiele hier-
der Vorsitzende des Kuratoriums zur Vorbereitung auf das Re-
und der amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King. Jun-
Straßen unseres Landes getragen werden« – so formulierte es
formationsjubiläums 2017, Nikolaus Schneider, in seiner Festrede bei der Auftaktveranstaltung zum Themenjahr »Reformation und Musik« am Reformationstag 2011 in der Georgenkirche
zu Eisenach. »Das Motto gilt der friedlichen Reformation der
Musik, die in der Gegenwart nicht weniger wirkt als vor 500 Jahren«, betonte Schneider. Ohne musikalische Erfahrungen sei
eine Vergegenwärtigung der Reformation unvollkommen. Martin Luther selbst sei ohne seine Leidenschaft für die Musik und
seine klingende Wort-Ton-Bewegung nicht zu verstehen, sagte
für seien neben Martin Luther der Theologe Dietrich Bonhoeffer
kermann zeichnete auch einen gegenwärtigen Bezug zu Luthers
Botschaft: Angesichts der aktuellen Situation müsse die Stimme
erhoben werden gegen die Mär vom grenzenlosen Wachstum.
Darüber hinaus müssten Christen durch Wort und Tat aller Welt
sichtbar und verstehbar werden. Dazu gehöre, sich um Kranke sowie verfolgte und verachtete Menschen zu kümmern und gegen
die Vernichtung der Schöpfung ebenso einzutreten wie gegen
die menschenfeindliche Politik der Neonazis.
Einer, der sich die Friedensarbeit zum Lebensmotto gemacht
Schneider. Kulturstaatsminister Bernd Neumann hob hervor, die
hat, erhielt in der Georgenkirche Eisenach an diesem Tag eine
scheidenden Grundstein gelegt.
landeskirchenrat Harald Bretschneider die Martin-Luther-Me-
Reformation habe für die europäische Musikkultur einen entDas Programm zum Auftakt gestaltete sich vielfältig: Blä-
sermusik vom Schlossturm mit dem Eisenacher Posaunenchor,
ein Festkonzert mit dem Thüringischen Akademischen Sing-
kreis, dem Rundfunk-Jugendchor Wernigerode, dem Dresdner
Kammerchor und dem Steinmetz-Jazz-Quartett bildete den
klanglichen Rahmen.
Die Predigt beim Reformationsgottesdienst in der Georgen-
kirche hielt die mitteldeutsche Landesbischöfin Ilse Junkermann.
Sie sprach über biblische Botschaften und ihren Einfluss auf ge-
sellschaftliche Veränderungen: Die Bibel habe den Menschen
wiederholt Kraft gegeben, ihre Überzeugungen ohne Menschen-
Auszeichnung: Die EKD verlieh dem früheren sächsischen Oberdaille. Mit seinem Namen verbindet sich die in der DDR unterdrückte Kampagne »Schwerter zu Pflugscharen«. Kuratoriumsvorsitzender Nikolaus Schneider betonte, die kirchliche Friedensbewegung in der DDR habe die Wende im Herbst 1989 we-
sentlich vorbereitet. Zwar seien die von Bretschneider initiierten
Aufnäher »Schwerter zu Pflugscharen« in der DDR aus der Öffentlichkeit verdrängt worden. »Doch der Geist dieser Friedensvision war weiter lebendig«, betonte Schneider. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière sprach ebenfalls bei der Ehrung: Bretschneider habe gemeinsam mit anderen »die geistigen Mauern ein Stück eingerissen.«
Luther-Lieder in bunt
Thuringia Cantat präsentierte Texte
und Kompositionen des Reformators
Martin Luther persönlich kam beim Konzert im Achteckhaus
Höhepunkt war das Konzert, das am Ende des Wochenen-
Sondershausen vorbei – in Verkörperung eines Schauspielers,
des stand, und bei dem die Interpreten das Lutherzitat »Singen
es der wahre Luther gewesen, dann hätte es ihn sicherlich hoch
sor André Schmidt präsentierten die Sängerinnen und Sänger
der in das Gewand des Reformators geschlüpft war. Doch wäre
erfreut, seine eigenen Kompositionen und Texte zu hören.
Thuringia Cantat nennt sich das musikalisch und choreogra-
fisch bunte Chorprojekt, das 200 Mitglieder des Thüringer Sängerbundes gestalten. Sie geben Konzerte und nehmen an Workshops teil. Im Rahmen ihres Jahresthemas 2012 »Thüringen singt
Luther – und reist um die ganze Welt« hatten sie sich bei einem
zweitägigen Workshop in der Landesmusikakademie Sondershausen (4.bis 5. Februar) mit den Liedern des Reformators ausei-
nander gesetzt. Texte und Kompositionen Luthers erarbeiteten
sie in verschiedenen Vertonungen und Übersetzungen. Berücksichtigt wurden dabei Luthers Ansichten zur Kirchenmusik und
deren Auswirkung auf den späteren kompositorischen Umgang
mit Bibeltexten.
ist eine edle Kunst« beherzigten. Unter der Leitung von Profes-
ein epochal weitläufiges Programm. Die Stücke reichten vom
16. Jahrhundert bis heute, Klassisches war dabei, Popmusik und
weltliche Chorwerke a cappella sowie mit musikalischer Begleitung. Das Duo JANNA (Hanna Flock und Jo Rosenbrück), Studie-
rende der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar und Alex­
andra Ismer (Klavier, Universität Erfurt) begleiteten den Chor
in­strumental.
71
Evensong – durch die Nacht in eine neue Zeit
Auftakt-Veranstaltung des Saarlandes
zu »Evangelisch klingt«
72
Mit einem Evensong, einer
Andacht in der Abenddäm­
merung nach anglikanischer
Tradition, feierte die Evange­
lische Kirche im Saarland den
Auftakt zu »Evangelisch
klingt«.
»Wenn die ersten drei Sterne am Himmel sichtbar werden, be-
Der Vorsitzende des Kuratoriums zur Vorbereitung des Re-
ginnt in der Nacht eine neue Zeit. An dieser Schwelle kommen
formationsjubiläums 2017 und Ratsvorsitzender der Evangeli-
ren Frieden zu machen mit dem, was gewesen ist, und um sich
die Predigt und betonte darin die enge Verbundenheit zwischen
Christen zusammen, um den alten Tag zu verabschieden, um ihinnerlich zu reinigen für das was kommt.« So besagte es die Ankündigung aus dem Saarland. Mit einem Evensong, einer An-
dacht in der Abenddämmerung nach anglikanischer Tradition,
feierte die Evangelische Kirche im Saarland am 4. März den Auftakt zu »Evangelisch klingt« in der Saarbrücker Ludwigskirche.
schen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, sprach
Liebe – auch der Liebe Gottes – und Musik. Die Liebe in Worten
zu ergründen sei nicht möglich. Liebe sei weit mehr als Vernunft
und Verstand, sagte Schneider. »Wie die Liebe vermag es auch
die Musik, alle Sinne zu ergreifen und zu bewegen. Musik bringt
Liebe zum Erklingen und Liebe inspiriert die Musik zu immer
neuen Tönen.«
73
In der Andacht erklangen mehrchörige Motetten und Psalm-
vertonungen von Heinrich Schütz, Johann Pachelbel und Felix
Mendelssohn Bartholdy. Das Programm stand unter der musika-
lischen Leitung von Kirchenmusikdirektorin Annemarie Ruttloff.
dent des Kirchenkreises Saar-Ost, Gerhard Koepke, und der Superintendent des Kirchenkreises Saar-West, Christian Weyer,
verantwortlich.
Die Veranstaltungsreihe »Evangelisch klingt« war der Bei-
Die Kantorei Alt-Saarbrücken, die Evangelische Chorgemein-
trag des Saarlandes zum Themenjahr »Reformation und Musik«
enchor Saarbrücken, die Instrumentalensembles Heavenly
machten gleichzeitig das Projekt »366+1 Kirche klingt 2012« und
schaft an der Saar, der Kammerchor Sankt Johann, der OratoriWoods und Euro Brass sowie Professor Theo Brandmüller an der
Orgel wirkten mit. Für die Liturgie zeichneten der Superinten-
in der Lutherdekade. Zur Auftaktveranstaltung am 4. März
die Musikstafette der rheinischen Landeskirche, »S!ngen. Jede
Stimme zählt«, in Saarbrücken Halt.
In der Saarbrücker Ludwigs­
kirche erklangen mehr­
chörige Motetten und Psalm­
vertonungen von Schütz,
Pachelbel und Mendelssohn
Bartholdy.
Weil sie die Seelen fröhlich macht
Die Franckeschen Stiftungen zu Halle zeigten
protestantische Musikkultur seit Martin Luther
greifbar. Einflussreiche Gesangbücher aus fünf Jahrhunderten,
74
populäre Kirchenlieder und wertvolle Musikinstrumente, wegweisende Komponisten und ihre Werke, wichtige Gattungen
und Zentren protestantischer Kirchenmusik zeichneten ein reiches Bild protestantischer Musikkultur.
»Der Hallesche Pietismus mit seinen vielfältigen Initiativen
sah sich selbst in der Nachfolge Martin Luthers und kann als diejenige Bewegung gelten, die zentrale Forderungen der Reformation aufgegriffen und in wichtigen Punkten erfüllt oder auf gesellschaftlicher Basis fruchtbar gemacht hat«, sagte der Direktor
der Franckeschen Stiftungen, Dr. Thomas Müller-Bahlke. Entgegen der landläufigen Meinung von der allgemeinen Kunstfeindlichkeit des Pietismus habe die Musik hier in den Stiftungen einen hohen Stellenwert besessen und eine ganz besondere Ausprägung erfahren. So veröffentlichte Johann Anastasius Freylinghausen, Schwiegersohn August Hermann Franckes und desZur Ausstellungseröffnung
musizierten der Stadt­
singechor der Latina und
Instrumentalisten.
Luther selbst spielte Laute und liebte die Musik als ein Geschenk
Gottes und »weil sie die Seelen fröhlich macht«. Das Zitat diente
gleichsam zur Namensgebung der Jahresausstellung, die vom
sen Nachfolger im Direktorenamt, 1704 eine umfassende
Sammlung von Kirchenliedern, die sich sehr schnell und auch international verbreitete.
Die Ausstellung umfasste ein weitreichendes Spektrum pro-
22. April bis 23. September im historischen Waisenhaus der Fran-
testantischer Musikgeschichte. Original-Notenblätter von Jo-
war eine Singbewegung«, sagte Kuratorin Cordula Timm-Hart-
Kompositionsweisen der beiden Tonkünstler. Den Wandel der
ckeschen Stiftungen zu Halle gezeigt wurde. »Die Reformation
mann. 200 Exponate von 40 Leihgebern aus Deutschland, Polen,
Schweden und den USA machten in sieben Themenräumen die
Entwicklung kirchenmusikalischen Lebens über rund 500 Jahre
hannes Brahms und Max Reger belegten die unterschiedlichen
kirchlichen Instrumentenwelt dokumentierten verschiedene
Exponate, zum Beispiel eine Laute aus dem 17. Jahrhundert oder
die Hausmusikorgel aus dem Jahr 1938.
Das älteste Exponat der Ausstellung ent-
75
stammt dem Jahr 1415, eine Abschrift des Augustinischen Traktats »De musica«. Zu den wertvollsten
Stücken zählte das Erfurter Enchiridion von 1524,
­eines der ersten evangelischen Gesangbücher,
das bereits 18 Lieder von Martin Luther enthält. In
seiner ersten Ausgabe existiert einzig dieses
Exem­plar. Zu einem Publikumsliebling geriet die
Hallenser Harfenuhr die mittels eines CembaloWerkes zur vollen Stunden pietistische Choräle
zierpt, wechselweise »Dir Jehova will ich singen«
und »Lobe den Herren, den mächtigen König der
Ehren.«
Zudem machten die Kuratoren Cordula Timm-
Hartmann und Claus Veltmann die Ausstellung
auf den 300 Quadratmetern im historischen Waisenhaus nicht nur sichtbar, sondern auch hörbar –
ergänzt wurde dieses umfassende Panorama kirchenmusikali-
schen Lebens durch zahlreiche Hörstationen, unter anderem auf
nachgebauten Kirchenbänken. Zu hören waren unter anderem
Lautenmusik wie Martin Luther sie einst spielte oder die geistli-
che Musik verschiedener Epochen: Georg Philipp Telemann, Paul
Gerhard, Heinrich Schütz oder ein moderner Gospel Flashmob.
Verschiedene Konzerte und Vorträge mit Musik begleiteten
die Jahresausstellung und beleuchteten die einzelnen Epochen
näher.
Zweihundert Exponate
zeigte die Ausstellung in den
­Franckeschen Stiftungen.
Das Thema: Protestantische
Musikkultur.
Luthers Taufkirche im neuen Gewand
Als »Zentrum Taufe« rückt in der Petri-Pauli-Kirche
das »Ja-Wort-Gottes« in den Mittelpunkt
11. November 1483 getauft worden sein. Vier Täuf-
76
linge, die am 29. April den göttlichen Segen empfingen, standen nun in enger Verbindung damit.
Denn sie wurden im Rahmen eines Festgottesdienstes getauft: Die Kirche öffnete ihre Pforten
neu als »Zentrum Taufe«.
»Die Taufe soll wieder mehr ins Bewusstsein
geholt werden. Wir wollten Gemeindekirche blei-
ben, aber auch neue Zielgruppen hereinholen«,
sagte Pfarrerin Simone Carstens-Kant zur Eröffnung. Neben der alltäglichen Gemeindearbeit bietet das neue »Zentrum Taufe« den Besuchern
Tauf­erinnerungsgottesdienste,
und Glaubensseminare.
Themenwochen
Die Umbauarbeiten an der Petri-Pauli-Kirche
dauerten mehr als ein Jahr und kosteten knapp
Hier wurde Martin Luther
getauft: Die Petri-Pauli-­
Kirche zu ­Eisleben wurde
deshalb neu eröffnet als
»Zentrum Taufe«.
zwei Millionen Euro. Entwickelt wurde die Neuge-
Eines ist gewiss: Täufer und Täuflinge werden bei Ganzkörper-
staltung vom Berliner Architekturbüro AFF-Architekten. Blick-
tragen. Denn die Sache mit der gestreiften Badehose soll dort
nierten Kirche bildet. Mit über zwei Metern Durchmesser und
taufen in der Petri-Pauli-Kirche Eisleben blickdichte Gewänder
nicht passieren. Pfarrerin und Leiterin des neuen »Zentrums
Taufe«, Simone Carstens-Kant, erinnerte sich an den Gottesdienst einer Baptistengemeinde. Die bunte Badehose des Pfarrers war unter dem durchsichtigen Talar deutlich zu sehen. »Das
fang ist ein gewaltiges Taufbecken, das den Mittelpunkt der saeiner Tiefe von 70 Zentimetern bietet es die Möglichkeit zur
Ganzkörpertaufe – in Anlehnung an Jesus von Nazareth, der im
Jordan getauft worden sein soll.
Die Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsju-
hat die Würde schon etwas gestört«, sagte die Pfarrerin.
biläum 2017, Margot Käßmann, hielt die Predigt im Festgottes-
ren Tradition: Hier soll der Überlieferung nach Martin Luther am
der heutigen Zeit fest: »Taufe ist ein Akt der Freiheit, der Freude,
Die Petri-Pauli-Kirche zu Eisleben folgt einer ganz besonde-
dienst. Sie stellte eine Veränderung hinsichtlich der Taufpraxis in
der Zugehörigkeit. Die Taufe eines Säuglings ist
77
keine Zwangstaufe, sondern Eltern nehmen ihre
Kinder hinein in die Gemeinschaft, die für sie
selbst die entscheidende Lebensorientierung darstellt.« Käßmann betonte, der Missionsgedanke
entwickle in unseren Breitengraden offensichtlich
ganz neue Dimensionen: »Brachten früher Eltern
ihre Kinder zur Taufe, so bringen heute immer öfter Kinder ihre Eltern zur Taufe. Eine steigende Zahl
von Grundschulkindern möchte sich taufen lassen,
nachdem sie im Schulunterricht oder der Kirchengemeinde vom Glauben gehört haben.«
Superintendent Falko Schilling rückte in sei-
ner Festrede die Bedeutung der Petri-Pauli-Kirche
als Ort der Taufe in den Mittelpunkt: »Mit dieser
Kirche, der Taufkirche Martin Luthers, und dem
»Zentrum Taufe« sollen viele Menschen etwas
verbinden, das sie persönlich berührt, sie im Leben begleitet und stärkt«, sagte er.
Das Taufbecken ist groß und
in den Boden eingelassen.
Damit sind Ganzkörper­
taufen möglich.
Tausende Worte und tausende Klänge
Tagung der Evangelischen Akademie Rheinland
über die Bedeutung der Musik im Gottesdienst
78
Kann Musik mehr bewirken als Worte? Spricht Musik viel mehr
in seinem Vortrag. In seiner wissenschaftlichen Arbeit beschäf-
Wort und Musik stand im Mittelpunkt der 7. Ökumenischen Be-
Musik für Theologie, Verkündigung und gemeindliche Arbeit zu
als Worte können? Das spannungsreiche Verhältnis zwischen
gleittagung des Predigtpreis-Wettbewerbs der Evangelischen
Akademie im Rheinland. Mit »Mehr als tausend Worte … Zum
Verständnis von Wort und Verkündigungsgeschehen« knüpften
die Veranstalter in Bonn an das Thema des Jahres »Reformation
und Musik« an. »Musik ist ein Geschenk, eine Gabe Gottes« – so
schrieb Luther selbst. Eine der Leitfragen auf der Tagung lautete:
Wie können Wort und Musik noch besser zusammenwirken und
so Synergien zum Aufbau der Gemeinde freisetzen? Landespfarrer und Studienleiter Peter Mörbel sagte dazu: »Über Grundsatzfragen hinaus bieten wir ganz praktische Anregungen zum
tigt er sich immer wieder mit den Möglichkeiten, die U- und Enutzen. In seinem Vortrag zielte er auf die besondere Bedeutung
der Musik für den Gottesdienst ab. Dieser bestünde in seiner
hörbaren Dimension aus tausenden Worten und tausenden
Klängen. Wort und Musik könne man nicht trennen, da jeder
Mensch beide Bestandteile durch seine Prägung unterschiedlich
wahrnehme. Schroeter-Wittke weiter: »Wort und Predigt unter-
halten, indem sie vorübergehend Halt bieten, irritieren und dazu
bewegen, immer wieder einen neuen Anfang und Aufbruch ins
Leben zu wagen.«
Zusätzlich zu den Vorträgen der namhaften Musikwissen-
konstruktiven Umgang mit der Vielfalt der Musikstile und zei-
schaftler und Theologen vertieften Workshops drei Aspekte des
Referent Monsignore Professor Dr. Wolfgang Bretschneider
schen Bach und Beats« die Einsatzmöglichkeiten von Musik im
gen Auswahlkriterien.«
aus Bonn nahm Stellung aus katholischer Sicht zur These »Das
Herz des Gottesdienstes schlägt in der Musik«. Musik sei nicht
einfach ein beliebiges Werkzeug, um einen Gottesdienst festli-
cher zu gestalten, sondern gehöre als wichtiger, unverzichtbarer
Bestandteil zum Gottesdienst. Sie spreche den Menschen viel
Themas. Pfarrerin Gudrun Mawick stellte unter dem Titel »ZwiPredigtgeschehen vor. Zum Tagungsthema sagte sie: »In den
Texten und Predigten würden die Menschen oft als Sünder und
Unmündige in den Blick genommen (…)«. Dazu bilde die Musik
im Gottesdienst oft ein Gegengewicht.
Im Workshop »Singen als Quelle der Spiritualität« führte der
stärker an und wecke schneller Emotionen … denn in der Musik
Kantor des Kirchenkreises Wied, Thomas Schmidt, die Teilneh-
»Wirklich mehr als tausend Worte?«, fragte Dr. Harald
Anhand einzelner Lieder und unterschiedlicher liturgischer Li-
sei eine Gottesbegegnung schneller erfahrbar.
Schroeter-Wittke, Professor für Didaktik der Evangelischen Reli-
gionslehre und Kirchengeschichte an der Universität Paderborn
mer auf die Spuren der ganzheitlichen Dimension von Musik.
nien lud er zu Experimenten ein. In »Kirchenmusik und Verkündigung in der Region« stellte der Leiter der Kantorei Barmen-Ge-
79
marke, Wolfgang Kläsener, Gottesdienste in besonderer Gestalt
seit 2000 jährlich am Buß- und Bettag vergeben. Mit dem Preis
stimmt wurden.
den Kirchen fördern. 2012 wurden Bischof i. R. Dr. Walter Klaiber
und zu besonderen Anlässen vor, die wesentlich von Musik beAls Fazit blieb, das Spannungsverhältnis zwischen Musik
und Wort als Chance wahrzunehmen, Menschen mit unterschiedlichen Prägungen ansprechen zu können. Der ökumenische Predigtpreis, in dessen Rahmen die Tagung stattfand, wird
will der VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft die Redekunst in
(Preisträger »Lebenswerk 2012«) und Prof. Dr. Reinhard Feiter
(Preisträger »Beste Predigt« und »Beste Predigt zum Pfingstfest«) ausgezeichnet.
Kann Musik mehr bewirken
als Worte? Spricht Musik viel
mehr als Worte können?
In der Evangelischen Akade­
mie im Rheinland wurde
­darüber diskutiert.
Die Ergebnisse wurden in
­einem ­Tagungsband zusam­
mengefasst.
Wenn Engel lachen
Theater Zauberwort aus Oberursel
präsentierte die Liebesgeschichte
der Katharina von Bora
Wittenberg, im Jahr 1524: Die ent-
80
torin, Gelehrte, Richterin, Brauerin« , so soll Martin Luther einst
um Unterstützung in einer Liebes-
nahm das Publikum mit in das Jahr 1524. Ihr schauspielerischer
bittet den Reformator Martin Luther
angelegenheit. Und plötzlich wird
aus der Begegnung der beiden ein
lustvoller Ausflug in die vielschichti-
gen Facetten der Liebe, ins Zentrum
der Reformation und in die Sehn-
süchte einer neuen Zeit. Mit dem
Kammermusical »Wenn Engel lachen – die Lebensgeschichte der Ka-
tharina von Bora« schickten Autor
Fabian Vogt (Theater Zauberwort)
und Künstlerin Miriam Küllmer-Vogt
Die Künstlerin Miriam
Küllmer-­Vogt begeisterte
das Publikum als Katharina
von Bora – Luthers Frau.
»Geliebter Herr Käthe! Du, mein Morgenstern, meine Dok-
laufene Nonne Katharina von Bora
mit seiner Katharina geturtelt haben. Miriam Küllmer-Vogt
Facettenreichtum beeindruckte ebenso wie ihr Gesang. Sie ließ
auf der Bühne gleich mehrere Personen lebendig werden, führte
als entlaufene Nonne Katharina von Bora Diskussionen mit Professor Luther, für den ihr Herz zunächst gar nicht schlug. Vielmehr brauchte sie seine Hilfe in einer Liebesangelegenheit. Un-
sterblich hatte sie sich in den Nürnberger Patriziersohn Hieronymus Baumgartner verguckt. Mutig bat sie Martin Luther, dessen
Familie einen Brief zu schreiben. Im Gegenzug versprach sie, bei
ihrer Freundin Ava ein gutes Wort für Luther einzulegen. In Ava
hatte sich der Reformator nämlich seinerseits verliebt.
Die Handlung um Luther und die Frauen fußte auf biblischer
die Zuschauer auf eine Reise in die
Grundlage: »Nun aber bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung, aber die
Die Bühnenkulisse war schlicht – ein Stuhl, eine Staffelei,
lische Musik gliederten die Geschichte. Original Lutherzitate
Reformationszeit.
eine brennende Kerze. Umso beeindruckender wirkte die Dar-
bietung der Künstlerin Miriam Küllmer-Vogt. Deutschlandweit
hatte sie das Publikum schon in ihrer Rolle als Elisabeth von Thüringen im Kammermusical »Der Teufel und die Heilige« begeistert. Nun mimte sie in einer One-Man-Show, musikalisch begleitet vom Pianisten Peter Krausch, die Katharina von Bora.
Liebe ist die größte unter ihnen.« Kraftvolle und auch melancho-
verdeutlichten, wie der Reformator mit den verkommenen
kirchlichen Gegebenheiten gründlich aufräumte.
»Wenn Engel lachen« tourte 2012 durch mehrere deutsche
Städte und ist noch bis Januar 2014 an vielen Orten zu sehen.
Der Mensch zwischen Himmel und Hölle
Eine Ausstellung in der Sankt Nikolai-Kirche Jüterbog
widmete sich den Anfängen der Reformation
Wer in der Sankt Nikolai-Kirche in Jüterbog zum Altar gehen
Glaubensvorstellungen der Men-
schattengleich, bläkte seine Fratze vom sandfarbenen Back-
zum Beispiel verdeutlicht auf typi-
wollte, kam um den Teufel nicht herum. Ein schwarzes Bildnis,
steinfußboden. »Will man die Reformation verstehen, muss
man sich zuallererst mit der Lebenswelt der Menschen im Mittelalter beschäftigen«, sagte Kuratorin Olivia Franke. Zusammen mit dem Pfarrer Sankt Nikolais, Bernhard Gutsche, hatte sie
die Ausstellung »Jenseits – Himmelswege vor und nach der Reformation«(23. Juni 2012 bis 30. April 2013) konzipiert. Die Jüterboger Kirche stand dabei im Mittelpunkt. »Wir haben mit dieser
Kirche einen ganz bedeutenden und oft übersehenen Kunstschatz aus Luthers Zeiten«, sagte Franke.
Die Ausstellung war der erste große Beitrag, den Jüterbog
zur Lutherdekade lieferte. Eine Reihe weiterer Veranstaltungen
ist in Planung. Die Jüterboger Kirchengemeinde Sankt Nikolai
sche Weise den mühevollen Aufstieg
in die ersehnte Himmelswelt. So
zeigt der um 1600 entstandene
Holzschnitt den Kampf des tugend-
haften Menschen gegen die inneren
und äußeren Mächte, die personifiziert dargestellt sind. »Armut, Krank-
heit, Wollust und Tod versuchen den
christlichen Ritter von der Himmelsleiter herabzuziehen«, heißt es in einem erklärenden Text.
Auch die Darstellung Christi the-
will dabei einen Kontrapunkt zu Wittenberg setzen. Während
matisierte die Ausstellung. Zu sehen
liegt, richten die Brandenburger Veranstalter ihr Augenmerk da-
standener Himmelfahrts-Christus an einer modernen Himmel-
dort der Schwerpunkt auf Luther und den Folgen seines Wirkens
rauf, wie es zur Reformation kommen konnte. »Man muss wissen, wie der damalige Mensch sich Himmel und Hölle, das Jenseits und sein Leben auf der Erde vorstellte und lebte, um zu ver-
stehen, wie die Reformation überhaupt entstehen konnte«,
sagte Kuratorin Franke.
Die Kirche birgt eine Vielzahl an Kunstwerken aus der Zeit
kurz vor und kurz nach der Reformation, die Zeugnis über die
81
schen ablegen. Das Bild der Leiter
war beispielsweise ein um 1500 ent-
fahrtswinde. Traditionell wurde am Tag der Auferstehung eine
Christusfigur durch ein Loch in der Kirchendecke gezogen. Nach-
dem es verschwunden war, ließ man eine brennende Satans­
puppe herab, Oblaten, Rosinen und andere Süßigkeiten regne-
ten auf die Kirchgemeinde. In direkter lutherischer Tradition
steht der Emporenbildzyklus von Sankt Nikolai, den die Ausstellung ebenfalls zeigte. Insgesamt 75 Tafeln an der Emporenbrüs-
Christus im Elend heißt
diese um 1520 entstandene
Eichenholzplastik, die
die Kirche Sankt Nikolai in
Jüterbog zeigt.
Veranstalter schrieben: »Das Heilsein stand im starken Kontrast
82
zu der erlebten Welt, in der nichts wirklich heil war, in der kein
Tag ohne Wunden und Schmerz verging. Ziel der Sehnsucht war
das Jenseits – die andere Seite von Gottes Schöpfung (…). Meist
›Himmel‹ genannt, oder ›Paradies‹ oder ›Gottes Freudesaal‹.
Wie komme ich da hin? Wo geht der Weg lang?«
Parallel zur Ausstellung übertrugen Jugendliche aus ver-
schiedenen Schulen in einem Kunstprojekt die mittelalterliche
Auffassung, »das Bedrohliche darstellen, um es abzuwehren«, in
die Gegenwart. Als Bedrohung machten sie Krieg, Umweltzerstörung, Gesundheitswahn und Überwachungsmentalität aus.
In Zusammenarbeit mit Studenten und jungen Lehrern in den
Stuckateurstechniken entstanden die Skulpturen: Der Soldat,
der Tankkanister, die Spritze, die Überwachungskamera. Die Arbeiten wurden auf den Kirchtürmen von Sankt Nikolai ausgestellt.
Christus im Grab nannte ein
Künstler seine Plastik, die er
um 1420 aus Lindenholz
­fertigte. Wahrscheinlich war
sie Teil eines heiligen Grabes.
Jüterbog ist in besonderer Weise mit den Ereignissen rund
tung versinnbildlichen die Schöpfung der Welt bis zum Pfingst­
um die Reformation verbunden. Vor 500 Jahren verkaufte hier
Calender und Passional« an, das 1522 erschien. Es beinhaltet bib-
Zahlreiche Menschen pilgerten zwischen Wittenberg und Jüter-
ereignis. Der Zyklus lehnt sich an Luthers »Betbüchlein mit dem
lische Erzählungen vom Sündenfall bis zur Erlösung. 50 Holzschnitte illustrieren den Text. Innerhalb weniger Jahrzehnte erschienen zahlreiche Ausgaben des »Passionals« mit Holzschnitten verschiedener Künstler.
Die Sehnsucht nach dem Heil trieb die Menschen, so lautete
die Botschaft der Ausstellung. Die Reformationszeit und auch
das Jahrhundert davor war von dieser Sehnsucht beherrscht. Die
der Dominikanermönch Johann Tetzel päpstliche Ablassbriefe.
bog, um einen der begehrten Freikaufscheine für den Himmel zu
ergattern. 2012 wurde der Luther-Tetzel-Weg eingeweiht, der
auf Initiative des Jüterboger Pfarrers Bernhard Gutsche entstand. Die 40 Kilometer lange Radstrecke verknüpft die beiden
historisch bedeutenden Städte Wittenberg und Jüterbog. Ein
Pilgerweg, der die Reformationsbewegung und ihre Zeit nachvollziehbar macht.
Die vertonte Hölle auf Erden
CD mit dem Soundtrack zu Luthers Pilgerreise
von 1511 erschienen
Hätte Martin Luther einen mp3-Player gehabt, wäre er auf sei-
Eingespielt hat die CD das Con-
ner Pilgerreise nach Rom gut unterhalten worden. Wahrschein-
certo Romano. Das kleine, aber feine
gelaufen, die das Label Christophorus am 20. September auf ei-
Sängern, Flöten, Laute, Gitarre, Dul-
lich wäre auf der Rückreise nach Deutschland genau die Musik
ner CD veröffentlichte: »Der Klang der Ewigen Stadt anno 1511«,
wie das Album »Luther in Rom« im Untertitel genannt wird.
Martin Luther hatte keinen mp3-Player. Aber die Lieder,
Tänze, Suiten und Messen, die auf der vorgelegten Aufnahme
zusammengefasst sind, hat er mit einiger Wahrscheinlichkeit
auf seiner einzigen Auslandsreise, die ihn in die Ewige Stadt
führte, gehört. Denn in Rom wurde musiziert: Nicht nur in den
Kirchen, auch in Palästen, auf Straßen und Gassen. Höchst unterschiedliche Stücke erklangen dort – von lateinischer Sakralmusik bis zu folkloristischen Songs. Sie alle sind auf der CD vereint und bilden trotz ihrer Unterschiede eine Einheit, die der Kritiker Bernhard Morbach im Kulturradio des RBB lobt: »Das
Klang­erlebnis ist wirklich einzigartig!«
Für Luther war Rom bei seiner Ankunft »eine Hölle auf Er-
den«. Die Prunkbauten der Antike waren in miserablem Zustand
und der Barock mit seiner ausladenden Schönheit in der Architektur stand erst noch bevor. Rom also, so wird geschätzt, war zu
Luthers Besuch wirklich eine eher heruntergekommene Stadt.
Eine Stadt jedoch mit vielfältiger Musik. Der Dirigent der Aufnahme, Alessandro Quarta, schätzt: »Der geübte Sänger und
Lautenist Martin Luther dürfte all diese Melodien nicht so leicht
vergessen haben.«
83
Ensemble mit fünf Sängerinnen und
zian – einem Vorgänger des Fagotts
– Posaunen, Orgel und Schlagwerk
hat sich ganz und gar auf die Musik
aus Kirchen, Palästen und Gassen
eingelassen. »Durch ihre Verwurze-
lung in der Musikkultur des Landes
sind nur sie offenbar dazu in der
Lage, das ›Ur-Italienische‹, das alle
heterogenen Stile übergreift, aufzuspüren und musikalisch so zu entfalten, dass einem wirklich eine ›Klanglandschaft‹ vor Ohren steht, in der
die Vielheit der Eindrücke schließlich
zu einem Gesamtbild verschmilzt«, so Bernhard Morbach weiter.
Der Hörer ahnt: So hat Rom am Beginn des 16. Jahrhunderts geklungen. Und das kann Luthers »Soundtrack« für Rom gewesen
sein.
Das Concerto Romano hat
den Soundtrack zu Luthers
Pilgerreise auf CD eingespielt.
»Luther in Brass« – Worms’ Töne für den Reformator
Positive Bilanz nach dem ersten Blechbläserfestival
in der Stadt
84
Eine musikalische Hommage an den
Brass und der A-cappella-Band Maybebob am frühen Samstag-
Worms mit dem Blechbläserfestival
ballstadion zur Konzertbühne, spielten eigens für das Festival
Reformator zeichnete die Stadt
»Luther in Brass«. Vom 31. August bis
1. September tönten und klangen Posaunen, Trompeten, Hörner und Tuben in der Stadt. Über die Veranstaltungspremiere zog der Kulturkoordi-
komponierte Werke angelehnt an Martin Luther und seine Choräle, ließen daneben alte und moderne, schnelle und langsame,
kirchliche und weltliche Stücke von Madonna bis Rammstein erklingen.
Für die Blechbläser – ein Großteil von ihnen kam aus der Pfalz,
nator der Stadt, Volker Gallé, positive
Rheinhessen, Hessen und dem Rheinland – standen in diesen Ta-
was hätten sie nicht erwartet: nicht
begegneten sich bei einem Bläserfestival in Rheinland-Pfalz
Bilanz: »Viele sagten danach, so eteine solche Qualität und Modernität
der Ensembles aus dem kirchlichen
Raum, nicht solche außergewöhnli-
chen Programme, nicht eine solch
gegenwärtige Wirkungskraft von
Lutherchorälen.«
Der Evangelische Posaunen­
chor Neckarsteinach spielte
am Wormser Lutherdenkmal.
abend in der EWR-Arena. Einen Abend lang machten sie das Fuß-
Die Stadt Worms, die Posaunen-
gen neue musikalische Erfahrungen im Vordergrund. Erstmals
kirchliche Posaunenchöre, Musikschulen und freie Ensembles.
Musikalisch forderte dies eine Umstellung. Evangelische Posau-
nenchöre lesen ihre Notensätze traditionell aus C-Partituren,
Blechbläser weltlicher Verbände nutzen transponierte Stimmen.
Eigens für das Festival entstand deshalb ein Bläserheft, das die
verschiedenen Noten-Lesarten berücksichtigt.
Mitinitiator Volker Gallé betonte, das Festival sei ein sinnvol-
chorverbände und der Kultursommer Rheinland-Pfalz e.V. als
ler Baustein in der städtischen Positionierung als Lutherstadt:
bot auf: zahlreiche Konzerte, ein Turmblasen, ein Nachtschwär-
und Touristen erlebbar.« Der Verein Kultursommer Rheinland-
Veranstalter warteten mit einem vielfältigen musikalische Angemer-Programm, im Rathaus die Tagung »Ein neues Lied wir heben an« über Luthers Wirkung als Liederdichter. Das Festival-
Highlight gleichermaßen für Besucher als auch für die Teilnehmer war ein gemeinsames Open-Air-Konzert aller 400 Blechblä-
ser zusammen mit dem österreichischen Star-Ensemble Mnozil
»Durch das Festivalformat wird die Lutherdekade für Bewohner
Pfalz e.V. wertete die Veranstaltung als gelungenen Beitrag zum
Kultursommer-Motto von 2012 »Gott und die Welt«. Besonderer
Dank galt Bernd Neumann, Staatsminister für Kultur und Medien, für die Förderung aus Bundesmitteln im Rahmen der Lutherdekade.
Klingende Beispiele von Bühnen und Emporen
IN GANZ DEUTSCHLAND GAB ES AM REFORMATIONSTAG
VIELE FESTKONZERTE
Wie könnte man das Themenjahr »Reformation und Musik« bes-
Getreu Luthers Ausspruch: »Musik vertreibt den Teufel und
ser feiern als mit Konzerten? Klingende Beispiele künden am
macht die Menschen fröhlich« fand auch in Wittenberg ein Kon-
Tag ist der Reformationstag. Im Jahr 2012 wurden da nicht nur
erklangen nicht nur klassische Werke. Unter dem Titel »In missa
besten von der Verbindung von Ereignis und Kunst. Ein perfekter
Gottesdienste deutschlandweit gefeiert. Sänger und Instrumentalisten standen überall auf den Bühnen, vor Altären und
auf Orgelemporen, um gemeinsam zu musizieren.
Ganz unterschiedliche Prägungen hatten die Konzerte. Mal
stand klassisches Repertoire von Bach, Mozart oder Mendelssohn auf dem Programm, mal auch Musik aus dem 20. Jahrhundert und der Gegenwart.
In der Stadtkirche in Pößneck, in der seit 2008 regelmäßig
zert statt, das die Besucher in die Kirche strömen ließ. Auch hier
motion« konnte das Publikum neben dem Kyrie und Gloria aus
Bachs h-moll-Messe auch die »Suite Liturgique« des französischen Komponisten André Jolivet hören. Geschrieben 1942, vereint Jolivet hier eine französische Suite im Barockstil mit vier Gesängen, die aus der katholischen Messe inspiriert sind. Ein bewe-
gendes Klangexperiment mit der Wittenberger Kantorei und
dem Orchester St. Marien, das die Zuhörer staunen ließ.
In Luthers Geburtsstadt Eisleben, in Köthen oder im kleinen
Konzerte zum Reformationstag stattfinden, erlebte das Publi-
Ort Gorenzen im Südharz sowie in vielen anderen Kirchen
»Ein feste Burg ist unser Gott« von Andreas Willscher erklang
tesdiensten am Nachmittag oder Abend gesungen und musiziert
kum im Themenjahr zur Musik eine Uraufführung. Das Stück
erstmals öffentlich. Das zeitgenössische Werk, das Worte von
Martin Luther, Karl May und der Bibel verbindet, wurde vom Pu-
blikum gefeiert. Ebenso waren die Zuhörer von den Interpreten
– vom Chor der Kantorei Pößneck, der Russischen Kammerphil-
harmonie St. Petersburg sowie von den Solisten Marie Friederike
Schöder (Sopran), Utta Meyer (Alt), Jens Schmiedeke (Tenor)
und Heiko Mauschel (Bass) – angetan. Kontrastreich zur zeitgenössischen Komposition hatte Kantor Hartmut Siebmann noch
die Bach-Kantate »Erschallet, ihr Lieder« und das »Laudate Dominum« von Wolfgang Amadeus Mozart gesetzt.
Deutschlands wurde ebenfalls nach den morgendlichen Festgot– getreu dem reformatorischen Gedanken, dass mit Musik und
vor allem mit Kirchenliedern der Glaube weitergetragen wird.
85
Luthers Lieder für die Gegenwart
Chemnitzer Kirchenprojekt erweckt die
musikalische Botschaft des Reformators
»Woran denken Sie, wenn Sie den
86
tin Luther. Zwischen Reformationsfest und Ewigkeitssonntag
lisch-Lutherischen Kirchenbezirk vor
punkt in Predigt, musikalischer Darbietung und beim Gesang.
rer Stephan Brenner vom Evangedem Start des Chemnitzer Projekts.
Die Bibelübersetzung, die Erneuerung der Kirche, die Kritik gegenüber
dem Bauernkrieg – all das steht für
den Namen Luther. Aber, so Brenner
weiter: »Was auch zu Martin Luther
gehört und manchem gar nicht so
bewusst ist: Er hat Liedtexte geschrieben und etlichen auch die Melodie gegeben. So hat er einen wich-
tigen Beitrag dazu geleistet, dass die
Reformation der Kirche nicht nur aus
gesprochenen und geschriebenen
Worten, sondern auch aus gesungenen Liedern hervorgegangen ist.«
Für sein Projekt zum Themenjahr
»Reformation und Musik« hatte sich
Die Jakobikirche war einer der
Orte in ganz Chemnitz, an dem
evangelische Kirchen­lieder von
Martin Luther im Mittelpunkt
standen. Hier begann das Projekt
»Mit Lust und Liebe singen –
­Luther – Lieder – Gottesdienste«.
36 Lieder im Evangelischen Gesangbuch stammen von Mar-
Namen Luther hören?«, fragte Pfar-
der Evangelisch-lutherische Kirchen-
bezirk Chemnitz ein Zitat des Reformators auf die Fahnen geschrieben. »Mit Lust und Liebe singen – Luther – Lieder – Gottesdienste« hieß die Aktion und mit Lust und Liebe trug sie die Lieder Luthers in die Kirchen der Stadt.
wurden einige von ihnen zum jeweiligen GottesdienstmittelDen Auftakt gab am Reformationsfest in der Stadt- und Marktkirche Sankt Jakobi und der Trinitatiskirche Chemnitz–Hilbersdorf das Lied »Nun freut euch, lieben Christen g’mein«. Abschließend stand am Ewigkeitssonntag in der Sankt Petrikirche das
Lied »Mit Fried und Freud fahr ich dahin« im Mittelpunkt des
Gottesdienstes. Liedpredigt und Musik befassten sich mit dem
zentralen biblischen Text zum Thema Sterben und Ewigkeit.
Dazu gab es Orgelwerke von Johann Sebastian Bach und die Motette »Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen« von Jo-
hannes Brahms. Die Sankt Jacobikirche Chemnitz Einsiedel
machte sich »Vater unser im Himmelreich« zum Thema. Dazu erklangen verschiedene Vater-Unser-Vertonungen. Andere Got-
tesdienste in weiteren Kirchen befassten sich unter anderem
mit »Ein feste Burg ist unser Gott«, »Verleih uns Frieden gnädiglich« und »Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort«.
Die Botschaft des Projektes fasste Pfarrer Stephan Brenner
zusammen: »Die von Luther stammenden Worte und Klänge
sind auch in unserer modernen Welt zu hören. Man muss nur auf
Empfang gehen.«
Der Klang von Luthers Liedern
Das Nürnberger Festival »Musik und
­R eformation« belebte die Töne des
16. Jahrhunderts
Luthers Lieder sind als Erbe der Reformation nicht mehr wegzu-
87
denken. Aber wie klang Musik im 16. Jahrhundert? Und: wie
hörte sich die Reformation in den Gotteshäusern des Landes an?
Das Nürnberger Festival »Musik und Reformation« ließ längst
verklungene Töne wieder aufleben.
Ein glücklicher Fund von Pia Praetorius, Kantorin der Kirche
Sankt Egidien, bildete einen Baustein für das Festival. Vor einigen Jahren war sie zufällig auf die »Egidienchorbücher« gesto-
ßen. Jahrhundertelang hatten die Schätze in drei verschiedenen
Archiven geschlummert: Sechs im Germanischen Nationalmuseum, elf im Landeskirchlichen Archiv, zwei weitere in der
Staatsbibliothek Berlin. »Die Bücher sind ein wahnsinniger Fundus, der alles enthält, was man damals in den Kirchen gesungen
hat«, sagte die Kantorin. Messen und Vespern, einstimmige
Werke, schlichte akkordische Mehrstimmigkeit, kunstvolle Figuralmusik, eigene Kompositionen und Werke ausländischer Meister – der damalige Egidienkantor Friedrich Lindner hatte in den
Büchern Ende des 16. Jahrhunderts seine Arbeit dokumentiert.
Das Festival »Musik und Reformation« orientierte sich in­
­Teilen an den Aufzeichnungen Lindners, tourte auch darüber
­hinaus durch die musikalische Landschaft jener Zeit. Schließlich
lautete das Thema: »Ein Jahrhundert Musikgeschichte in einer
Woche erleben«.
machen, welche Auswirkungen der Glaubenswandel auf den
reichsten Städten des Heiligen Römischen Reiches. 1525 be-
cherchearbeiten wurden für alle vier Konzerte Programme kon-
Im 16. Jahrhundert zählte Nürnberg zu den größten und
kannte sich Nürnberg als erste deutsche Großstadt zum protes-
tantischen Glauben. Die vier Festivalkonzerte sollten erlebbar
Umgang mit der Musik in der Stadt hatte. In aufwändigen Rezipiert, die in den Jahren 1500, 1525, 1550 und 1580 genau so hätten erklingen können.
Ein Jahrhundert Musik­
geschichte um die Zeit der
Reformation konnten
­Besucher in einer Woche in
Nürnberg erleben.
88
Als erste deutsche Großstadt
bekannte sich Nürnberg zum
evangelischen Glauben. Das
änderte auch den Umgang
mit der Musik. Die Konzerte
im Jahr 2012 machten das
deutlich. Dort gab es nicht
nur Musik zu hören, sondern
auch beeindruckende Licht­
installationen zu sehen.
Im ersten Konzert gaben Werke von Josquin Desprez und ein
Qualität musiziert«, sagte Praetorius. Das Programm bot Werke
vom »Vorabend der Reformation«. Der Bamberger Erzbischof
ser, Leonhard Lechner und Hans Leo Hassler.
formationsjahr 1525 geht in Nürnberg mit den Bemühungen des
mierte Instrumentalisten und ortsansässige Chöre wie der Egi-
und Orgel aus der Kirche zu verbannen. Musikalisch wurde das
historischen Instrumenten der jeweiligen Zeit besetzt – Krumm-
Magnificat des Nürnberger Meisters Conrad Rein Impressionen
Ludwig Schick sprach die Lesung zum Konzert auf Latein. Das Re-
Stadtreformators Andreas Osiander einher, Mehrstimmigkeit
Jahr mit einer einstimmigen gregorianischen Vesper und – als
Brücke in die Gegenwart – einem Auftragswerk des Berliner
Komponisten Hans Schanderl inszeniert. Die beiden weiteren
Konzerte widmeten sich dem Aufblühen der Nürnberger Musik-
kultur. »Hier wurde ein internationales Repertoire von höchster
von Ludwig Senfl, dem Nürnberger Meister Wilhelm BreitengraBeim Festival spielten und sangen international renom-
dienchor oder schola cantorum nürnberg. Jedes Konzert war mit
horn, Spinett oder kleine Orgeln wie Regal oder Portativ. Die Tradition, Alte Musik mit zeitgenössischer Kunst zu verbinden,
setzte Sankt Egidien auch beim Festival »Musik und Reformation« fort. Der Berliner Künstler Hans Fründt entwarf dafür die
Bühne und eine Lichtskulptur.
»Ein Schulmeister muss singen können«
Schüler interpretierten Luther beim
­LISA-Musikwettbewerb
Musik und Bildung gehörten für Luther zusammen. Berühmt
89
sein Zitat: »Man muß Musicam zur noht wegen in Schulen be-
halten. Ein Schulmeister muß singen können, sonst sehe ich ihn
nicht an.« In Anlehnung daran hatte das Landesinstitut für
Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt (LISA) einen
Schüler-Musikwettbewerb für die 5. bis 12. Klasse passend zum
Themenjahr der Reformationsdekade ausgeschrieben. »Ein
neues Lied heben wir an«: Das Motto geriet zur Motivation für
Schüler und Lehrer, sich mit dem Reformator und seiner Zeit auseinanderzusetzen. Ein Workshop im Vorfeld bereitete interessierte Pädagogen auf das Thema vor. Das Land Sachsen-Anhalt
und die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt förderten das Projekt.
Eine Jury prüfte die eingereichten Beiträge, sieben Schul-
klassen wurden zur Wettbewerbspräsentation zum LISA nach
Halle eingeladen. »Musicam habe ich allzeit lieb gehabt. Wer
Wie funktioniert ein besseres Miteinander?«, lauteten die Fra-
einst Martin Luther. Und die Schülerinnen und Schüler zeigten
Bandprojekt »Zusammen Trommeln« gehörte zu jenen, die sich
diese Kunst kann, der ist guter Art, zu Allem geschickt«, befand
auf der Bühne ihre Liebe zu klingenden Tönen und zum Gesang
auf verschiedene Art. Junge Mädchen in Jeans trommelten,
Mönche mit Kerzen in der Hand präsentierten Gospel-Songs.
Man sah Engel in strahlenden Gewändern und Weise aus dem
Morgenland, die funkelnde Kronen auf den Häuptern trugen.
Intensiv hatten sich die jungen Menschen mit den Themen
Luther und Bibel befasst. Einige beschäftigte Luthers Wille zur
Veränderung. Sie übertrugen die Botschaften des Reformators
in die Gegenwart. »Welche schulischen Regeln sind notwendig?
gen. Die Band der Sekundarschule Süd-Ost Bernburg und das
diese Fragen stellten. Oder auch der Chor der Sekundarschule
H. Brunsberg Tangermünde mit dem »Luther Lied«. Ein Kurzmu-
sical von der Idee bis zur Präsentation hatten die Zehntklässler
des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Zeitz entwickelt. Sie ga-
ben auf der Bühne in Halle »Luther zwischen Tannenbaum und
Weihnachtsbraten.«
Die Fünft- bis Zehntklässler der Sekundarschule Seeland-
schule Nachterstedt brachten einen Luther-Rap mit nach Halle,
der unter der Leitung von zwei Schülern der 10. Klasse entstan-
Schüler aus Sachsen-Anhalt
setzten sich mit Martin Luther
und der Bibel auseinander.
Wichtig war dabei auch die
Musik.
90
Weise aus dem Morgenland,
singende Engel oder Mönche
mit Kerzen. Die Jugendlichen
setzten Luthers Botschaft
kreativ auf der Bühne um.
den war. Ein Junge vom Hildebrand-Gymnasium Stendal kom-
bracht. Die zweiten Plätze in den Kategorien »Projekt« und
Gospel-Chor der 10. Klasse. Sie hatten sich im Musik- und Reli-
und die Sekundarschule Seelandschule Nachterstedt. Den drit-
ponierte die Melodie und schuf die Instrumentierung für den
gionsunterricht mit Luthers Liedern und Texten beschäftigt
und »Ein feste Burg ist unser Gott« interpretiert. Für ihren Auftritt wurden die Schüler des Stendaler Gymnasiums gemeinsam mit der Sekundarschule H. Brunsberg mit dem ersten Platz
»Band« gingen an das Geschwister-Scholl-Gymnasium Zeitz
ten Platz teilten sich in den Kategorien »Projekt« und »Band«
die Sekundarschule Wanzleben und die Sekundarschule SüdOst Bernburg.
Tosenden Applaus gab es – selbstredend. Aber auch eine
in der Kategorie »Chor« ausgezeichnet. Die Sekundarschule
stimmungsvolle Preisverleihung mit dem LISA-Präsidenten
Sie hatten eine »Spielszene mit Musik« auf die Bühnen ge-
zwischen 500 und 1.000 Euro.
Schulzentrum Stadt Könnern siegte in der Kategorie »Projekt«.
Dr. Siegfried Eisenmann. Die Schulklassen erhielten Preisgelder
Der verschwenderische Reichtum Gottes
Hildesheimer Gottesklang-Fest schwelgte in
der Vielfalt der kirchenmusikalischen Töne
Überraschend, bunt und mitreißend: Mit dem Gottesklang-Fest
91
in Hildesheim trugen die Veranstalter der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover und des Michaelisklosters Hildesheim Kirchenmusik auf Straßen und Plätze der Stadt.
Die Begeisterung über das erste landes­kirchenweite Musik-
fest am 9. Juni war bei den Beteiligten spürbar. Eckhard Gorka,
Landessuper­intendent im Sprengel Hildesheim-Göttingen
schwärmte: »So hat man Hildesheim noch nicht gesehen: Kirchenmusik an gewohnten und ungewohnten Orten, Konzerte,
Gottesdienste, Performances für Jung und Alt und dann als Abschlusskonzert noch eine Premiere. Ich freue mich drauf.« Der Pro-
jektkoordinator des Festes im Michaeliskloster Hildesheim, HansJoachim Rolf, bezeichnete das Fest als »echtes« Highlight. »Wir
bringen ganz unterschiedliche Arten von Kirchenmusik zusammen: Orgel, Gospel, Blechbläser und Jazzformationen, Kammerchöre und vieles mehr. Das führt zu ganz neuen Hörerlebnissen.«
Landesbischof Ralf Meister sprach in seiner Predigt beim Er-
öffnungsgottesdienst inspiriert von Harry Belafonte über die
suchern einen Tag voller Inspiration. Schöne Töne erklangen in
Jeder muss sein eigenes Lied finden. Unsere Lieder sind ver-
hätten. Beispielsweise begrüßte der Handglockenchor Hanno-
Bedeutung von Musik. Seine Kernbotschaft: »Sing your song.
Hildesheim an Orten, an denen die Zuhörer sie nicht erwartet
schieden. (…) Aber mit den Liedern findet jeder seinen eigenen
ver die Besucher in der Arneken Galerie, einem großen Einkaufs-
derer eher zurückhaltend und leise, der dritte singt alleine
Innehalten.
Ton im Leben. Da wird einer offensiv oder widerständig, ein anschon gleich mehrstimmig. Jeder singt sein Lied.«
Rund 1.000 Musikerinnen und Musiker bezeugten in 40 Kon-
zerten, Performances und Workshops, wie faszinierend und vielfältig Kirchenmusik sein kann. Sie schenkten den rund 2.000 Be-
zentrum, mit meditativen Klängen und schenkte Momente zum
Alte Choräle aus neuer Perspektive brachte die begehbare
Blechbläserinstallation eines 20-köpfigen Ensembles in die
Fußgängerzone. Mutige Zuhörer berauschten sich inmitten der
Musiker an den Klängen.
Bunt und mitreißend sangen
viele Chöre beim Hildes­
heimer Gottesklang-Fest.
Dort waren auch Gospelund Jazzformationen zu
­erleben. Sie alle vereinigten
verschiedene Arten der
­Kirchenmusik.
Barock, Orgel- und mittel-
92
alterliche Instrumente erklangen in den Kirchen der
Stadt. Die Workshops erzählten von African Gospel, Orgelspiel oder historischen Tänzen. Sogar zu ei-
ner Tango-Messe wurde
eingeladen.
Am Abend dann die
Uraufführung des Werkes
»Sound of Messiah« von
Lothar Krist in der Sparkas-
sen-Arena Hildesheim. Die
Hannover Bigband, Kir-
chenchöre und Musiker
Landesbischof Ralf Meister
(rechts) sprach in seiner
P­redigt über die Bedeutung
von Musik. Seine Kernbot­
schaft: »Jeder muss sein
­eigenes Lied finden.«
aus Posaunenchören ver-
Auf dem Andreasplatz lud dagegen eine interaktive Perfor-
band hier New-Orleans-Jazz, orientalische Skalen und moder-
nen, ein Hornist in den Ästen einer Platane, eine Trompeterin,
sammen: »Mein Gott, was für einen verschwenderischen Reich-
mance zum Mitmachen ein: Ein Tuba-Spieler, barfuß im Brundie lässig die Beine aus einem Fenster baumeln ließ. Der Zug einer Posaune war in einem anderen Fenster sichtbar. Über elekt-
ronische Signale konnten Passanten die Bläser-Improvisation in
Gang setzen.
Laut und leise, modern und traditionell, stimmungsvoll,
sphärisch oder exotisch – so tönte auch der Nachmittag in
­Hildesheim: Naturinstrumente gab es im Klanggarten. Jazz und
nen Gospel. Landessuperintendent Eckhard Gorka fasste zutum hast du über deiner Kirche ausgeschüttet.«
Gottesklang -»Das Fest« fand im Rahmen der Aktion »366+1
Kirche klingt 2012« statt.
Wer erfand den Weihnachtsbaum?
Heinrich-Schütz-Haus Bad Köstritz holte­
Luther in die Weihnachtsausstellung
Dass Martin Luther der Erfinder des Weihnachtsbaumes ist, erzählen wohl nur Legenden. Angeblich bat Luthers Lieblingstöchterchen den Vater um ein eigenes Krippenspiel. Bunte Anekdo-
verfolgen lässt. In Bachs WeihnachtsoratoDie Schau erzählte Legenden und Fakten
ten beschreiben den Ablauf der Aufführung, zeichnen beispiel-
rund um Weihnachten. Daneben brachte die
nem Berg Geschenke. Auch das Lied »Vom Himmel hoch« soll
Bunte, das sich klassischerweise erwarten
weise ein Bild des Reformators von Kindern umringt und mit eierstmals erklungen sein.
Grund genug für Friederike Böcher, Museumsleiterin des
Heinrich-Schütz-Hauses Bad Köstritz, den Liedanfang als Titel
für die Weihnachtsausstellung zu nutzen: »Vom Himmel hoch,
Weihnachtsausstellung auch jenes fröhliche
lässt: Ein beeindruckendes Panorama aus
Weihnachtskleinigkeiten wie Spieluhren, Adventskalendern oder Büchern.
Das ganze Jahr über begleiten das Hein-
da komm ich her – Mit Martin Luther unterm Weihnachtsbaum«
rich-Schütz-Haus Ausstellungen. Ständig zu
sik« den Reformator und Weihnachten zusammen. Einen zentra-
ten Musikers erzählt, der 1585 in Bad Köstritz
brachte im Rahmen des Themenjahres »Reformation und Mulen Platz in der Schau nahm ein 1842 in der Werkstatt von C.A.
Schwerdgeburth entstandener Kupferstich ein. Er entstand als
Frontspitz für den Band von Karl Reinthaler als »das klassische
Weihnachtsbild.« Zu sehen war die Lutherstube in Wittenberg,
Luther sitzt, seine Kinder stehen um den Tisch. »Mit dieser Darstellung wurde Martin Luther zum Erfinder des Weihnachtsbaums und im Umfeld auch des Weihnachtsbaumschmuckes,
den er selber anfertigte«, erzählte Friederike Böcher.
Eine zentrale Stellung nahm auch das Lied »Vom Himmel
hoch, da komm ich her« ein. »Luther dichtete seinen Text wohl
1535 auf die damals geläufige Melodie ›Ich komm aus fremden
Landen her‹. Erst 1539 erdachte er die heute so bekannte und
plastische Melodie«, sagte Böcher. Die Ausstellung zeigte eben-
falls, wie sich das Choralthema durch Epochen und Musikstile
93
rium etwa taucht es gleich dreimal auf.
sehen ist jene, die über das Leben des berühmgeboren wurde. Heinrich Schütz gilt als bedeutender Komponist des Frühbarock.
Martin Luther und der Weih­
nachtsbaum war Thema einer
Ausstellung im HeinrichSchütz-Haus in Bad Köstritz.
Die Stadtkirche als Wohnzimmer
WeiSSenfels verwandelte den dritten Mitteldeutschen
­Kirchentagskongress in einen Kirchentag der Hausmusik
94
Die Kirche wurde zum Wohn­
zimmer: Im Themenjahr
»­Reformation und Musik«
wurde es beim Mitteldeut­
schen Kirchenkongress ganz
privat: Schließlich gilt der
Reformator als Erfinder der
Hausmusik.
Der dritte Mitteldeutsche Kirchentagskongress in Weißenfels
haben uns überlegt, wenn Luther in der Gegenwart leben
sik« ein ganz Besonderer werden. Und so schlugen die Veranstal-
Geschäftsführerin des Landesausschusses der Kirchenprovinz
(5. bis 7. Oktober) sollte im Themenjahr »Reformation und Muter »Mit Herzenslust den süßen Ton« an und luden unter diesem
Motto zu einem Kirchentag der Hausmusik ein. Martin Luther
schließlich gilt als einer der Erfinder der Hausmusik.
Ein Handwerker aus der Gegend wurde mit dem Bau einer
wohnlichen Kulisse betraut, die Stadtkirche Sankt Marien für
die Konzerte kurzerhand in ein Wohnzimmer verwandelt. »Wir
würde, was würde er dann für Hausmusik spielen«, sagte die
Sachsen-Anhalt des Deutschen Evangelischen Kirchentages,
Annette Hildebrandt. Und erklärte damit das breite musika­
lische Repertoire, das auch moderne Musikstücke enthielt. Berücksichtigt wurden verschiedene Genres, wie romantische
Kammermusik, traditionelle Madrigale, Weltmusik oder Pop.
Neben Konzerten mit dem Duo Drugan, dem Thüringischen
95
Akademischen Singkreis und der Kantorei Maria Magdalenen
Reinbek sowie einem Festgottesdienst füllten Workshops das
Wochenende. Zeitweise probten und musizierten an dem Wo-
chenende rund 200 Leute in 15 Gruppen in den Workshops »Klas-
sische Hausmusik«, »Chormusik zum Hausgebrauch«, »Rock und
Pop« und »Weltmusik«. Teilnehmer mussten mindestens ein
Jahr Unterricht an einem Instrument vorweisen. Unterstützung
gaben Profimusiker wie Ulrike Bassenge von der Berliner Staatskapelle, Kantor Gerhard Noetzel oder Maja von Kriegstein, Do-
zentin an der Universität der Künste in Berlin. Die Ergebnisse der
Proben wurden dann am Sonntagabend in einem dreistündigen
öffentlichen Konzert in der Wohnzimmerkulisse von Sankt Marien vorgestellt. Der Weißenfelser Pfarrer Martin Schmelzer studierte ein Lied aus dem Film »Schwarze Katze, weißer Kater« ein.
Er bezeichnete die Hausmusiktage als eine »sehr intensive Erfahrung«.
Landesbischöfin Ilse Junkermann hielt die Predigt im Fest-
nach einem Umbau gut eine Woche später angesetzt war. Den
gelische Kirche in zwei Dimensionen zusammengehörten. In ih-
schen Evangelischen Kirchentages, Lothar Tautz, freute, dass die
gottesdienst. Sie sprach darüber, dass Hausmusik und die evanrem Ursprung sei sie direkt mit Martin Luther verbunden. Junkermann weiter: »Die Musik war ein wesentliches Medium, um
die Botschaft des Evangeliums zu verbreiten.«
Eine Stadtführung durch Weißenfels bot einen exklusiven
Blick in das Heinrich-Schütz-Haus, dessen Wiedereröffnung
Vorsitzenden des Landesausschusses Sachsen-Anhalt des DeutTermine so nahe beieinander lagen: »Das ist ein Zufall, ein schöner Zufall. Aber so wird deutlich, dass Weißenfels eine große
Musiktradition besitzt, die gepflegt wird.«
Öffentliche Konzerte fanden
in einer Wohnzimmerkulisse
in der Stadtkirche St. Marien
statt.
Neue mitteldeutsche Kirchenmusik
Thomas Buchholz erhielt ersten Preis
beim Kompositionswettbewerb der EKD
96
Seine Auseinandersetzung mit den Kirchenliedern Martin Lu-
Stephan Dorgerloh, Kultusminister des Landes Sachsen-­
thers hatte die Jury einfach überzeugt. Deshalb erhielt der Kom-
Anhalt und Vorsitzender des Lenkungsausschusses zur Vorbe-
wettbewerbes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
tor Prof. Wolfgang Kupke, Präsident des Landesmusikrates
ponist Thomas Buchholz den ersten Preis des Kompositionszum Themenjahr »Reformation und Musik«. Ausgeschrieben
hatten ihn die Geschäftstelle der EKD »Luther 2017 – 500 Jahre
Reformation« in Lutherstadt Wittenberg gemeinsam mit dem
Landesmusikrat Sachsen-Anhalt, dem Sächsischen Musikrat
und dem Landesmusikrat Thüringen.
Thomas Buchholz hatte sich mit seinem Werk »Feste Burg«
dem Luther-Lied »Ein feste Burg ist unser Gott« auf seine ganz
persönliche Art genähert. Sein Werk ist eine Kantate für Alt
Solo, Sprecher, Blockflötenquartett, Posaunenchor, Frauenchor,
reitung auf das Reformationsjubiläum, und KirchenmusikdirekSachsen-Anhalt e.V., zeigten sich erfreut über die Entscheidung,
den mit 6.000 Euro dotierten Preis an Thomas Buchholz zu vergeben. Die Tradition mitteldeutscher evangelischer Kirchenmusik finde mit einer solchen Komposition eine lebendige Fortsetzung in Sachsen-Anhalt, sagten sie. Neben Thomas Buchholz erhielten der Musikstudent Stephan Langenberg aus Ober-
hausen und der Leipziger Komponist Günter Neubert einen
zweiten Preis.
Der aus Eisenach stammende Thomas Buchholz ist künstle-
Kinderchor, gemischten Chor, Orgel und elektroakustisches Zu-
rischer Leiter der Halleschen Musiktage und Vorsitzender des
rium des Gemeindemusizierens. »Feste Burg« verarbeitet Lu-
ßerdem unterrichtet er Komposition am Staatlichen Komitas-
spiel – mit wenigen Ergänzungen das klassische Instrumentathers Text, greift aber in der zweiten Strophe nicht auf die
Worte des Reformators, sondern eines Nachgeborenen zurück:
Heiner Müllers Gedicht »Ich bin der Engel der Verzweiflung« hat
Thomas Buchholz in sein Werk aufgenommen und lässt die Zei-
len singen. Uraufgeführt wurde es im Rahmen des Konzertes
»Engel und Dämonen« beim »Impuls – Festival für Neue Musik«. Die Altistin Annette Markert sang dort von der zerstören-
den Macht des Menschen. Trotz moderner Spieltechniken sei
»Feste Burg« ein gut hörbares, manchmal überraschend traditionelles Werk, so ein Kritiker zur Uraufführung.
Landesverbandes Sachsen-Anhalt Deutscher Komponisten. Au-
Konservatorium Eriwan in Armenien und an der Hochschule für
Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« Leipzig.
Gesang für das Herz Europas
»Jesu, meine Freude« – Der Rundfunk-Jugendchor
­Wernigerode gab zwei Konzerte in Brüssel
Sie kamen, sie sangen und sie hinterließen Begeisterung. Die
97
Sängerinnen und Sänger des Rundfunk-Jugendchores Wernige-
rode brachten unter der Leitung von Peter Habermann Musik
von Schütz, Mendelssohn Bartholdy, Luther und Monteverdi in
das Herz Europas. Zwei Konzerte gaben sie in Brüssel, eines da-
von direkt im Europäischen Parlament. Die Konzertreihe »Jesu,
meine Freude« (9.und 10. Juli) fand anlässlich der Lutherdekade
statt.
»Den besten Jugendchor (…) zu Gast zu haben, ist mir eine
große Ehre«, freute sich Europaabgeordneter und Schirmherr
Dr. Horst Schnellhardt (EVP/CDU). »Die aufgeführten Stücke
von einem ergreifenden Requiem bis hin zu schwungvollen
Volksliedern gingen richtig unter die Haut! Es ist immer wieder
schön, zu sehen, wie Musik die Menschen über alle Grenzen hin-
gendchor« ausgezeichnet. Film- und Tonproduktionen erreich-
der Landesvertretung Niedersachsen, Ulrike Kunert, sprach dem
besuchen das Landesgymnasium für Musik in Wernigerode,
weg verbindet«, betonte der Sachsen-Anhalter. Die Delegierte
Chor ein »großes Kompliment« aus und bezeichnete das Konzert
als »berückend«.
Der Rundfunk-Jugendchor Wernigerode blickt auf eine
ten auch den japanischen Markt. Die Sängerinnen und Sänger
Sachsen-Anhalt, und geben internationale Konzerte unter anderem in Japan, Vietnam, Italien und den USA.
In Brüssel konnten die Jugendlichen bei einer Führung durch
60-jährige Geschichte zurück und gilt im Bereich der gemisch-
das EU-Parlament hinter die Kulissen europäischer Politik bli-
ble. Unverwechselbares Markenzeichen sind die Interpretatio-
treter des Chors Mitglieder des Brüsseler Chors und des Orches-
ten Jugendchöre als international anerkanntes Spitzenensemnen von deutschem und internationalem Volksliedgut und zeitgenössischer Chormusik. Beim Deutschen Chorwettbewerb,
dem Leistungsvergleich der Chor-Elite Deutschlands, belegte
das Ensemble seit 1990 stets den ersten Platz. Bei internationalen Wettbewerben wurde es schon oft als »Bester Deutscher Ju-
cken. In der Landesvertretung Sachsen-Anhalt trafen dann Verters »Chapelle des Minimes«. In deren Kirche gaben die Gäste
aus Deutschland dann auch das zweite Konzert. Neben Schütz
und Mendelssohn Bartholdy sangen die Jugendlichen moderne
Interpretationen wie »Lux aurumque« von Eric Whitacre (*1970)
und »Peace I leave with you« von Knut Nystedt (*1915).
Der Rundfunk-Jugendchor
Wernigerode gastierte mit
zwei Konzerten in Brüssel.
Eine Veranstaltung fand
im EU-Parlament statt und
wurde begeistert aufgenom­
men. »Die Stücke gingen
richtig unter die Haut«, so
ein Abgeordneter.
Von Szeged nach Lutherstadt Wittenberg
Ungarischer Pfarrer erlebte als Resident
ein Jahr lang Luther-Historie zum Anfassen
98
Etwas später als geplant, aber sehr glücklich kam Gyula Makovi-
tigte er sich mit der ehemaligen ungarischen Bibliothek (Biblio-
Jahr nach Wittenberg kommen wollen. Durch die Geburt meines
gen von Exilantenliteratur, die eine abenteuerliche Geschichte
czky in Sachsen-Anhalt an. »Eigentlich hatte ich schon vor einem
Sohnes vor etwa eineinhalb Jahren ist der Terminkalender aber
völlig durcheinander geraten. Mathias war zu diesem Zeitpunkt
einfach noch zu klein. Meinen Aufenthalt konnte ich aber zeitlich nach hinten schieben.«
theka Nationis Hungariae), eine der bedeutendsten Sammlunhat. Makoviczky bilanzierte: »Die Ergebnisse können sowohl für
die historisch-theologische Forschung in Ungarn, als auch für die
ungarisch-sprachige Fachliteratur von großem Nutzen sein.«
Internationale Projekte begleitete er umfassend. So infor-
Ein Jahr lang gab es für den 40-jährigen Pfarrer als Internati-
mierte er beispielsweise beim Evangelischen Jugendkirchentag
Anfassen vor Ort. Mit seiner Familie, Frau Sofia und dem kleinen
rischen Protestantischen Gemeinde in Berlin ungarische Gottes-
onalen Residenten Historie um Luther und die Reformation zum
Sohn, lebte er mitten in der Stadt. Er beschrieb: »Blicke ich aus
dem Fenster, sehe ich den belebten Marktplatz. Die Stadt gefällt
mir sehr gut. Ich kenne Wittenberg. Vor acht Jahren war ich
schon einmal für zwei Wochen hier, um ein Seminar der Kirchengeschichte zu besuchen.«
Deutschland war Makoviczky nicht fremd. Im fränkischen
Erlangen hatte er zwei Semester evangelische Theologie mit
Schwerpunkt Kirchengeschichte studiert. Seine Ziele für das
Deutschland-Jahr 2012 hat der aus Szeged stammende Resident
umgesetzt. Seine Schwerpunkte lagen auf der wissenschaft­
lichen Forschung, internationalen Projekten und einer Buch­
übersetzung ins Ungarische. Die Übersetzung von Heiko Augus-
tin Obermans »Luther, Mensch zwischen Gott und Teufel« hat er
in Deutschland zu einem Drittel geschafft. Sein Ziel: »Das Buch
sollte in jedem Fall noch vor 2017 erscheinen.«
Auch mit den Ergebnissen seiner wissenschaftlichen For-
schungsarbeit ist Makoviczky zufrieden. In Wittenberg beschäf-
am Balaton über die Lutherdekade. Er hielt als Pfarrer der Ungadienste. Als Mitglied im Vorbereitungsteam des Konfirmandentreffens empfing er Gäste aus ganz Europa. Besonders freute
ihn, dass auch die Konfirmanden seiner Heimatgemeinde mit
dabei waren. Mit internationalen Gästen führte Makoviczky
theologische Diskussionen und Dialoge, zeigte ihnen Witten-
berg und informierte umfassend über die Lutherdekade. Auch
die Nachfrage aus Ungarn sei sehr groß gewesen, erzählte der
Resident: »Ich habe mehrere Gruppen aus Ungarn gehabt, Gemeindegruppen, Mitarbeiter der Kirchenzeitung, Touristen. Un-
garischen Gruppen, die nach Wittenberg reisen wollen, werde
ich auch in Zukunft helfen, damit sie sich hier wohlfühlen.« In
seinem Heimatland leben vergleichsweise wenig Protestanten:
»Das Land hat knapp über zehn Millionen Einwohner. Rund
100.000 von ihnen bezeichnen sich als evangelisch, vielleicht
sind es sogar noch weniger.«
Auch außerhalb des Residenten-Programms bietet sich
­Makoviczky als Kontaktperson für die Evangelische Kirche in
Deutschland an. »Ich will die Menschen auf das Erbe der Reformation und dessen Wirkung neugierig machen. Ich möchte,
dass Menschen miteinander in Kontakt kommen und neue Beziehungen aufbauen«, sagte er.
Der 40-Jährige Ungar ist der dritte Teilnehmer des internati-
onalen Residentenprogramms der EKD. Jedes Jahr werden ein
oder zwei Theologen aus einer Partnerkirche für sechs bis zwölf
Monate in die Lutherstadt Wittenberg eingeladen. Im Laufe der
Lutherdekade soll dadurch ein internationales Netzwerk mit
mindestens zehn Residenten wachsen. Damit will die EKD die
große Tragweite der Reformation verdeutlichen. Denn – wie es
im Untertitel von Eric Tills Films »Luther« (2003) heißt: »Er veränderte die Welt für immer.«
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Impressum
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verantwortlich für den inhalt
Staatliche Geschäftsstelle »Luther 2017«
Collegienstraße 62 c
06886 Lutherstadt Wittenberg
Tel. +49 (0)3491 466-112
Fax +49 (0)3491 466-281
und
Geschäftsstelle der EKD
»Luther 2017 – 500 Jahre Reformation«
Markt 26
06886 Lutherstadt Wittenberg
Tel. +49 (0)3491 50 52 700
Fax +49 (0)3491 50 52 729
mitarbeiterinnen
Stefan Zowislo | Geschäftsführer der Staatlichen Geschäftsstelle »Luther 2017«
Astrid Mühlmann | stellvertretende Geschäftsführerin der Staatlichen
Geschäftsstelle »Luther 2017«
Anja Czubera | Projektmitarbeiterin der Staatlichen Geschäftsstelle »Luther 2017«
Markus Scherer | Projektmitarbeiter der Staatlichen Geschäftsstelle »Luther 2017«
Susanne Koschig | Projektassistentin der Staatlichen Geschäftsstelle »Luther 2017«
Michael Wegner | geschäftsführender Direktor der Geschäftsstelle der EKD
Jan von Campenhausen | stellvertretender Direktor der Geschäftsstelle der EKD
Heike Obermark | Projektassistentin der Geschäftsstelle der EKD
projektleitung
Astrid Mühlmann
Redaktion
wortmanufactur – Stefan Reisner, Andrea Schartner
»366+1 Kirche klingt 2012« Klaus-Martin Bresgott, Kulturbüro des Rates der EKD
gestaltung
nordsonne identity, Berlin
druck
Druckerei Mahnert GmbH,
Aschersleben
abbildungsnachweise
Titelbild gettyimages 6-15 Matthias Knoch, Leipzig 18, 19, 20 ThULB Jena 21 Bachhaus Eisenach/Ingo Bracke 22 Martin Jehnichen 25 Engelbert Dudek 27, 28 Luther-Gesellschaft 29 Thomas Ziegler 30 Patricia Reese 31 Johann-Walter-Kantorei Torgau 32-58 EKDkultur/Andreas Schoelzel 59, 64, 65 MDR/Christiane Höhne 60, 61 Universitäts- und Forschungsbibliothek
Erfurt, Gotha 62, 63 Verband für christliche Popularmusik in Bayern 66 Steven Haberland 67 Thomas Schloemann 68 ZDF/Kai-Uwe Wärner 72, 73 EKDkultur/Andreas Schoelzel 74, 75 Thomas Meinicke 76, 77 Jürgen Lukascheck 79 Deimel und Wittmar 80 Isolde Schlageter 81, 82 Bernhard Gutsche 83 Label Christophorus 84 Rudolf Uhrig 86 Malik Ouada 87 Stefan Mattausch 88 Elisabeth Hau 89, 90 LISA Halle 91, 92 Wiebke Ostermeier, lichtemomente.net 93 Heinrich-Schütz-Haus
Bad Köstritz 94, 95 Tobias Bassenge 97 Rundfunk-Jugendchor Wernigerode
dieses jahrbuch wurde hergestellt
mit freundlicher unterstützung durch
den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM),
die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD),
das Land Rheinland-Pfalz, den Freistaat Sachsen, das Land Sachsen-Anhalt,
den Freistaat Thüringen, das Land Brandenburg, den Freistaat Bayern und
das Land Hessen
Titelbild: Johann Sebastian Bach
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