Jana Dietzsch Sanierung Forumsgebäude

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BRAND HEISS
Denkmalschutz
unter Sicherheitsaspekten
Die Sanierung des Forumsgebäudes der
TU Braunschweig aus Sicht der
Denkmalpflege
Denkmal vs. Brandschutz
Bei den Planungen zur Sanierung des Forumsgebäudes der Technischen Universität
Braunschweig erwies sich vor allem die Vereinbarung der brandschutztechnischen Vorschriften
mit den Belangen der Denkmalpflege als problematisch. Da das offene Treppenhaus als eines
der wesentlichen architektonischen Merkmale den denkmalpflegerischen Wert des Gebäudes
maßgeblich bestimmt und somit in seiner Gestaltung erhalten bleiben sollte, erlangte die Suche
nach einer Lösung für das Problem der fehlenden Rettungswege zentralen Stellenwert.
Schaffung von Rettungswegen
Im Zuge des Planungsprozesses wurden zwei grundsätzliche Optionen untersucht: Zum einen
die Schaffung der notwendigen Rettungswege in Form von Treppenhaus-Anbauten, zum
anderen die Integration in das bestehende Gebäude. Da aufgrund der nicht ausreichenden
Tragfähigkeit der Terrassenebene um das Forumsgebäude keine Anleiterung durch die
Feuerwehr im Falle eines Brandes erfolgen konnte, mussten zwei bauliche Rettungswege
geschaffen werden. Angesichts der massiven Beeinflussung des Gestaltungsbildes im Falle der
Neuerrichtung zweier außenliegender Treppenhäuser erwies sich diese Option aus
denkmalpflegerischer Sicht als nicht tragbar. Um sowohl das äußere Erscheinungsbild als auch
das zentrale offene Treppenhaus in ihrer ursprünglichen Form erhalten zu können, wurden daher
zwei Treppenhauskerne an den beiden Stirnseiten des Gebäudes als bauliche Rettungswege in
den Grundriss integriert. Um innerhalb des Gebäudes Rauchabschnitte zu schaffen und eine
Übertragung des Rauches über das offene Treppenhaus in andere Geschosse zu verhindern,
wurden zudem in den Gebäudefluren Rauchschutztüren eingebaut.
Brandlasten in den Fluren und Räumen
Auch die Flurtrennwände, die aus holzbeplankten Schränken mit Oberlichtern bestanden, sowie
die Bürotrennwände aus Gipsdielen entsprachen nicht den aktuellen Brandschutzvorschriften.
Eine Lösung dieses Problems fand sich durch den Ersatz der Bürotrennwände durch
Trockenbauwände. Die Flurtrennwände wurden unter Beachtung der brandschutztechnischen
Vorschriften und Erhalt der Gestaltung mit Oberlichtern ebenfalls neu hergestellt. Weiterhin ist
die Beplankung der Wände mit einem Holzfurnier, welches den Brandschutzanforderungen
entspricht, vorgesehen.
Erhalt von Erscheinungsbild oder Substanz
Die Schilderung der vorgenommenen Baumaßnahmen macht deutlich, dass im Rahmen dieser
Baumaßnahme weniger die Substanz des Ursprungsgebäudes als dessen gestalterische
Erscheinung erhalten werden konnte. Die Problematik des Abwägens zwischen dem Erhalt der
Gebäudesubstanz und somit typischen Bauweisen und dem Bewahren des architektonischen
Erscheinungsbildes, d.h. der angestrebten Aussagekraft des Architekten, ist von besonderer
Relevanz für den Umgang mit Denkmälern der Nachkriegsmoderne. Angesichts eines großen
Bestandes an Gebäuden, die mit einer Vielzahl aktueller Brand-, Wärme- und
Schallschutzvorschriften nicht vereinbar sind, stellt sich die Frage, unter welchen Kompromissen
der am Planungsprozess Beteiligten der Erhalt und die Weiternutzung der Gebäude möglich ist.
Außenansicht der sanierten Fassade
Blick auf die zentrale offene Treppe
Eines der neuen Treppenhäuser
Blick aus dem EG über den Forumsplatz
Sicht des Erbauers
Der Architekt des Hochschulforums, Friedrich Wilhelm Kraemer, zeichnete sich unter anderem
durch seine spezifische Auffassung gegenüber dem Bauen im Bestand aus. Mehrmals bediente
er sich der Worte von Auguste Rodin: „Eine Kunst, die vom Leben erfüllt ist, restauriert nicht die
Kunstdenkmäler der Vergangenheit, sie setzt sie fort.“ Dieses nachdrückliche Plädoyer gegen
das Rekonstruieren setzte er in der Praxis um, indem er bei der Sanierung historischer Gebäude
durch moderne, jedoch nicht kontrastierende sondern harmonierende Ergänzungen die
Wiederherstellung eines angenommenen Idealzustands anstrebte. Bezieht man diese Ansicht
Kraemers auf die aktuell durchgeführte Sanierung des Forumsgebäudes, so könnte man
mutmaßen, dass die durchgeführten Änderungen möglicherweise seiner Auffassung der
Fortsetzung von historischen Gebäuden entsprächen.
Pro & Contra des Sanierungsergebnisses
Dennoch ist es als kritisch zu beurteilen, dass ein Großteil der ursprünglichen Bausubstanz
ersetzt und mit dem Einbau der zwei Treppenhauskerne an den Stirnseiten ein erheblicher
Eingriff in den Gebäudeaufbau vorgenommen wurde. Betrachtet man zusätzlich die
Maßnahmen, die aufgrund des Wärmeschutzes an der Fassade vorgenommen wurden, muss
festgestellt werden, dass von dem baulichen Erbe wenig in seiner ursprünglichen Form erhalten
werden konnte. Positiv ist jedoch festzuhalten, dass das äußere Erscheinungsbild der Fassade
mit seiner gerasterten Struktur sowie das offene Treppenhaus und die grundsätzliche Gestaltung
der Räume mit einer zum Teil verbesserten Bausubstanz viele Jahre weiterbestehen können.
Durch die vorgenommene Sanierung ist zudem die zukünftige Weiternutzung des Gebäudes
durch zentrale Funktionen der Universität gesichert. Somit wird das architektonische Erbe
Friedrich Wilhelm Kraemers an dessen jahrzehntelanger Wirkungsstätte, der Universität und
Stadt Braunschweig, zumindest in seinem Erscheinungsbild weiterbestehen.
„Wenn man nichts weiter wüßte von einem
Land und sähe bloß Bauten wie diese, so
müßte man denken: hier hausen freie,
ausgeglichene, kühl und klar denkende,
unverkrampft lockere, musische, glückliche
Menschen. Nun, was nicht ist, kann noch
werden; was daran fehlt, kann noch
kommen. Und wenn es nicht kommen sollte,
am Architekten jedenfalls hat es dann nicht
gelegen.“
Erhart Kästner über das Hochschulforum
(Kraemer, 1962)
Grundriss eines Regelgeschosses
(Gebäudemanagement TU BS, 2015)
Ausgangssituation
Im Zuge der Bombardierung Deutschlands während des Zweiten Weltkrieges wurde die Stadt
Braunschweig zu großen Teilen zerstört. Dies betraf auch den Campus der damaligen
Technischen Hochschule: Rund um das ebenfalls zerstörte, aus dem 19. Jahrhundert
stammende Hauptgebäude der Universität befand sich ein „Trümmergelände“ (Kraemer,
1962), welches in der Nachkriegszeit zum Mittelpunkt einer Aufgabe der Architekturstudenten
unter der Leitung des damaligen Professors für Gebäudelehre und Entwerfen von
Hochbauten, Friedrich Wilhelm Kraemer, wurde. Sein Ziel war es, ein Ensemble zu entwerfen,
welches die Hochschule als „Gemeinschaftsleistung menschlichen Ingeniums“ darstellt. Die
Ergebnisse dieser studentischen Aufgabe dienten einige Jahre später als Basis für den Bau des
Hochschulforums der Technischen Universität Braunschweig, welches sich aus dem
Auditorium Maximum, der Universitätsbibliothek sowie dem Forumsgebäude zusammensetzt.
Diese drei um den Forumsplatz angeordneten Gebäude der Nachkriegsmoderne stehen seit
2001 als Baudenkmal unter Denkmalschutz und bilden mit dem historischen Hauptgebäude
das Zentrum des studentischen Lebens der TU Braunschweig.
Baulicher Hintergrund
Die Errichtung des Hochschulforums erfolgte in mehreren Teilabschnitten zwischen den
Jahren 1959 und 1971 in Gestalt von drei quaderförmigen Baukörpern, die über eine
Terrassenebene miteinander verbunden sind. Dadurch entstehen im Erdgeschossbereich der
Gebäude Kolonnaden, die den Forumsplatz rahmen. Das Ensemble aus Universitätsbibliothek,
dem Auditorium Maximum sowie u.a. dem Präsidium im Forumsgebäude vereint im
Zusammenspiel mit dem historischen Hauptgebäude wesentliche Funktionen der Universität
an einem zentralen Ort, steht jedoch gestalterisch in einem bewussten Kontrast zu dem
Neorenaissance-Bau. Vor allem das Forumsgebäude, welches dem Altgebäude direkt
gegenüber angeordnet ist, wurde als Stahlbetonskelettbau mit einer streng gerasterten
Fassade aus horizontalen Fensterbändern sowie einer Verkleidung aus weißen
Betonwerksteinplatten realisiert und erinnert damit an Bauten Mies van der Rohes, den der
Architekt Friedrich Wilhelm Kraemer überaus wertschätzte.
Grundriss eines Regelgeschosses
(Kraemer, Sieverts & Partner, 1983)
Innenansichten des Forumsgebäudes
(o.: Kraemer, 1962; u.: Heidersberger, 1960)
Der Architekt Friedrich Wilhelm Kraemer
Dass das Ensemble des Hochschulforums mit dem Forumsgebäude im Mittelpunkt den Status
als Denkmal erhalten hat, ist nicht allein auf seine gestalterische Werte zurückzuführen, die
„als eine architektonische Meisterleistung der Nachkriegszeit gelten“ können (JessenKlingenberg, 2007) und seit der Erbauung kaum wesentliche Veränderungen erfahren haben.
Erheblichen Einfluss auf die Entscheidung der Unterschutzstellung hatte auch die Bedeutung
der Person Friedrich Wilhelm Kraemers für die Technische Universität und Stadt Braunschweig
sowie deren städtebauliche Entwicklung. Kraemer, der Architektur in Braunschweig und Wien
studierte, leitete ab 1946 knapp 30 Jahre lang die Professur für Gebäudelehre und
Hochbauten an der TU Braunschweig und war in dieser Zeit nicht nur an der Errichtung bzw.
Sanierung zahlreicher Bauten in Braunschweig beteiligt, sondern wirkte ebenso maßgeblich
bei dem Wiederaufbau der Stadt in der Nachkriegszeit mit. Unter anderem ein Streben nach
der Verknüpfung von Tradition und Moderne vereinte Kraemer mit der Architekturauffassung
mehrerer Braunschweiger Universitätskollegen, darunter Dieter Oesterlen, Walter Henn und
Johannes Göderitz, und führte zu einem Lehrkonzept, dass unter dem Begriff der
„Braunschweiger Schule“ Bekanntheit erlangte. Sein Wirken und Einfluss in der Region
machten Kraemer zu eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Braunschweiger Zeit- und
Wissenschaftsgeschichte, seine prägenden Arbeiten in anderen Städten Deutschlands zu
einem der führenden deutschen Architekten der Nachkriegszeit.
Ausgangspunkt der Baumaßnahme
Nach Jahrzehnten ohne größere Veränderungen an dem Ensemble der drei Gebäude des
Hochschulforums erhöhten immer schärfere Wärme-, Schall- und Brandschutzvorschriften,
aber auch altersbedingte Mängel die Notwendigkeit von Sanierungsmaßnahmen. Nach den
Teilsanierungen der Universitätsbibliothek und des Auditorium Maximums in den Jahren 2010
und 2011 wurde nach langwierigen Planungsprozessen 2013 mit der Sanierung des
Forumsgebäudes begonnen. Diese hatte vor allem aus brandschutztechnischen Gründen eine
hohe Relevanz: als einziger Flucht- und Rettungsweg diente bis dahin das zentrale, offene
Treppenhaus, welches den prägenden Mittelpunkt des Gebäudes darstellt. Im Falle eines
Brandes hätte sich der Rauch ungehindert darüber in alle Geschosse verteilen können und
somit eine Flucht bzw. Rettung der Nutzer stark erschwert. Weiterhin waren die
Flurtrennwände in allen Geschossen mit Holzfurnier beplankt und stellten somit eine
Brandlast dar. Auch die in die Flurtrennwände eingelassenen Oberlichter konnten die
Brandschutz-Vorschriften nicht erfüllen. Zu diesen schwerwiegenden Brandschutz-Mängeln,
die eine Weiternutzung unverantwortlich erschienen ließen, gesellten sich energetisch
Mängel, die vor allem die Fassade betrafen. Die nach den technischen Vorschriften
vorzunehmenden Maßnahmen deuteten daher bereits auf schwerwiegende Eingriffe in die
Substanz und Erscheinung des Gebäudes hin, sodass ein hoher Abstimmungsbedarf zwischen
der Denkmalpflege und dem Bauherr bestand.
JANA DIETZSCH
T U B RAUNSCHWEIG
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