BRAND HEISS Denkmalschutz unter Sicherheitsaspekten Die Sanierung des Forumsgebäudes der TU Braunschweig aus Sicht der Denkmalpflege Denkmal vs. Brandschutz Bei den Planungen zur Sanierung des Forumsgebäudes der Technischen Universität Braunschweig erwies sich vor allem die Vereinbarung der brandschutztechnischen Vorschriften mit den Belangen der Denkmalpflege als problematisch. Da das offene Treppenhaus als eines der wesentlichen architektonischen Merkmale den denkmalpflegerischen Wert des Gebäudes maßgeblich bestimmt und somit in seiner Gestaltung erhalten bleiben sollte, erlangte die Suche nach einer Lösung für das Problem der fehlenden Rettungswege zentralen Stellenwert. Schaffung von Rettungswegen Im Zuge des Planungsprozesses wurden zwei grundsätzliche Optionen untersucht: Zum einen die Schaffung der notwendigen Rettungswege in Form von Treppenhaus-Anbauten, zum anderen die Integration in das bestehende Gebäude. Da aufgrund der nicht ausreichenden Tragfähigkeit der Terrassenebene um das Forumsgebäude keine Anleiterung durch die Feuerwehr im Falle eines Brandes erfolgen konnte, mussten zwei bauliche Rettungswege geschaffen werden. Angesichts der massiven Beeinflussung des Gestaltungsbildes im Falle der Neuerrichtung zweier außenliegender Treppenhäuser erwies sich diese Option aus denkmalpflegerischer Sicht als nicht tragbar. Um sowohl das äußere Erscheinungsbild als auch das zentrale offene Treppenhaus in ihrer ursprünglichen Form erhalten zu können, wurden daher zwei Treppenhauskerne an den beiden Stirnseiten des Gebäudes als bauliche Rettungswege in den Grundriss integriert. Um innerhalb des Gebäudes Rauchabschnitte zu schaffen und eine Übertragung des Rauches über das offene Treppenhaus in andere Geschosse zu verhindern, wurden zudem in den Gebäudefluren Rauchschutztüren eingebaut. Brandlasten in den Fluren und Räumen Auch die Flurtrennwände, die aus holzbeplankten Schränken mit Oberlichtern bestanden, sowie die Bürotrennwände aus Gipsdielen entsprachen nicht den aktuellen Brandschutzvorschriften. Eine Lösung dieses Problems fand sich durch den Ersatz der Bürotrennwände durch Trockenbauwände. Die Flurtrennwände wurden unter Beachtung der brandschutztechnischen Vorschriften und Erhalt der Gestaltung mit Oberlichtern ebenfalls neu hergestellt. Weiterhin ist die Beplankung der Wände mit einem Holzfurnier, welches den Brandschutzanforderungen entspricht, vorgesehen. Erhalt von Erscheinungsbild oder Substanz Die Schilderung der vorgenommenen Baumaßnahmen macht deutlich, dass im Rahmen dieser Baumaßnahme weniger die Substanz des Ursprungsgebäudes als dessen gestalterische Erscheinung erhalten werden konnte. Die Problematik des Abwägens zwischen dem Erhalt der Gebäudesubstanz und somit typischen Bauweisen und dem Bewahren des architektonischen Erscheinungsbildes, d.h. der angestrebten Aussagekraft des Architekten, ist von besonderer Relevanz für den Umgang mit Denkmälern der Nachkriegsmoderne. Angesichts eines großen Bestandes an Gebäuden, die mit einer Vielzahl aktueller Brand-, Wärme- und Schallschutzvorschriften nicht vereinbar sind, stellt sich die Frage, unter welchen Kompromissen der am Planungsprozess Beteiligten der Erhalt und die Weiternutzung der Gebäude möglich ist. Außenansicht der sanierten Fassade Blick auf die zentrale offene Treppe Eines der neuen Treppenhäuser Blick aus dem EG über den Forumsplatz Sicht des Erbauers Der Architekt des Hochschulforums, Friedrich Wilhelm Kraemer, zeichnete sich unter anderem durch seine spezifische Auffassung gegenüber dem Bauen im Bestand aus. Mehrmals bediente er sich der Worte von Auguste Rodin: „Eine Kunst, die vom Leben erfüllt ist, restauriert nicht die Kunstdenkmäler der Vergangenheit, sie setzt sie fort.“ Dieses nachdrückliche Plädoyer gegen das Rekonstruieren setzte er in der Praxis um, indem er bei der Sanierung historischer Gebäude durch moderne, jedoch nicht kontrastierende sondern harmonierende Ergänzungen die Wiederherstellung eines angenommenen Idealzustands anstrebte. Bezieht man diese Ansicht Kraemers auf die aktuell durchgeführte Sanierung des Forumsgebäudes, so könnte man mutmaßen, dass die durchgeführten Änderungen möglicherweise seiner Auffassung der Fortsetzung von historischen Gebäuden entsprächen. Pro & Contra des Sanierungsergebnisses Dennoch ist es als kritisch zu beurteilen, dass ein Großteil der ursprünglichen Bausubstanz ersetzt und mit dem Einbau der zwei Treppenhauskerne an den Stirnseiten ein erheblicher Eingriff in den Gebäudeaufbau vorgenommen wurde. Betrachtet man zusätzlich die Maßnahmen, die aufgrund des Wärmeschutzes an der Fassade vorgenommen wurden, muss festgestellt werden, dass von dem baulichen Erbe wenig in seiner ursprünglichen Form erhalten werden konnte. Positiv ist jedoch festzuhalten, dass das äußere Erscheinungsbild der Fassade mit seiner gerasterten Struktur sowie das offene Treppenhaus und die grundsätzliche Gestaltung der Räume mit einer zum Teil verbesserten Bausubstanz viele Jahre weiterbestehen können. Durch die vorgenommene Sanierung ist zudem die zukünftige Weiternutzung des Gebäudes durch zentrale Funktionen der Universität gesichert. Somit wird das architektonische Erbe Friedrich Wilhelm Kraemers an dessen jahrzehntelanger Wirkungsstätte, der Universität und Stadt Braunschweig, zumindest in seinem Erscheinungsbild weiterbestehen. „Wenn man nichts weiter wüßte von einem Land und sähe bloß Bauten wie diese, so müßte man denken: hier hausen freie, ausgeglichene, kühl und klar denkende, unverkrampft lockere, musische, glückliche Menschen. Nun, was nicht ist, kann noch werden; was daran fehlt, kann noch kommen. Und wenn es nicht kommen sollte, am Architekten jedenfalls hat es dann nicht gelegen.“ Erhart Kästner über das Hochschulforum (Kraemer, 1962) Grundriss eines Regelgeschosses (Gebäudemanagement TU BS, 2015) Ausgangssituation Im Zuge der Bombardierung Deutschlands während des Zweiten Weltkrieges wurde die Stadt Braunschweig zu großen Teilen zerstört. Dies betraf auch den Campus der damaligen Technischen Hochschule: Rund um das ebenfalls zerstörte, aus dem 19. Jahrhundert stammende Hauptgebäude der Universität befand sich ein „Trümmergelände“ (Kraemer, 1962), welches in der Nachkriegszeit zum Mittelpunkt einer Aufgabe der Architekturstudenten unter der Leitung des damaligen Professors für Gebäudelehre und Entwerfen von Hochbauten, Friedrich Wilhelm Kraemer, wurde. Sein Ziel war es, ein Ensemble zu entwerfen, welches die Hochschule als „Gemeinschaftsleistung menschlichen Ingeniums“ darstellt. Die Ergebnisse dieser studentischen Aufgabe dienten einige Jahre später als Basis für den Bau des Hochschulforums der Technischen Universität Braunschweig, welches sich aus dem Auditorium Maximum, der Universitätsbibliothek sowie dem Forumsgebäude zusammensetzt. Diese drei um den Forumsplatz angeordneten Gebäude der Nachkriegsmoderne stehen seit 2001 als Baudenkmal unter Denkmalschutz und bilden mit dem historischen Hauptgebäude das Zentrum des studentischen Lebens der TU Braunschweig. Baulicher Hintergrund Die Errichtung des Hochschulforums erfolgte in mehreren Teilabschnitten zwischen den Jahren 1959 und 1971 in Gestalt von drei quaderförmigen Baukörpern, die über eine Terrassenebene miteinander verbunden sind. Dadurch entstehen im Erdgeschossbereich der Gebäude Kolonnaden, die den Forumsplatz rahmen. Das Ensemble aus Universitätsbibliothek, dem Auditorium Maximum sowie u.a. dem Präsidium im Forumsgebäude vereint im Zusammenspiel mit dem historischen Hauptgebäude wesentliche Funktionen der Universität an einem zentralen Ort, steht jedoch gestalterisch in einem bewussten Kontrast zu dem Neorenaissance-Bau. Vor allem das Forumsgebäude, welches dem Altgebäude direkt gegenüber angeordnet ist, wurde als Stahlbetonskelettbau mit einer streng gerasterten Fassade aus horizontalen Fensterbändern sowie einer Verkleidung aus weißen Betonwerksteinplatten realisiert und erinnert damit an Bauten Mies van der Rohes, den der Architekt Friedrich Wilhelm Kraemer überaus wertschätzte. Grundriss eines Regelgeschosses (Kraemer, Sieverts & Partner, 1983) Innenansichten des Forumsgebäudes (o.: Kraemer, 1962; u.: Heidersberger, 1960) Der Architekt Friedrich Wilhelm Kraemer Dass das Ensemble des Hochschulforums mit dem Forumsgebäude im Mittelpunkt den Status als Denkmal erhalten hat, ist nicht allein auf seine gestalterische Werte zurückzuführen, die „als eine architektonische Meisterleistung der Nachkriegszeit gelten“ können (JessenKlingenberg, 2007) und seit der Erbauung kaum wesentliche Veränderungen erfahren haben. Erheblichen Einfluss auf die Entscheidung der Unterschutzstellung hatte auch die Bedeutung der Person Friedrich Wilhelm Kraemers für die Technische Universität und Stadt Braunschweig sowie deren städtebauliche Entwicklung. Kraemer, der Architektur in Braunschweig und Wien studierte, leitete ab 1946 knapp 30 Jahre lang die Professur für Gebäudelehre und Hochbauten an der TU Braunschweig und war in dieser Zeit nicht nur an der Errichtung bzw. Sanierung zahlreicher Bauten in Braunschweig beteiligt, sondern wirkte ebenso maßgeblich bei dem Wiederaufbau der Stadt in der Nachkriegszeit mit. Unter anderem ein Streben nach der Verknüpfung von Tradition und Moderne vereinte Kraemer mit der Architekturauffassung mehrerer Braunschweiger Universitätskollegen, darunter Dieter Oesterlen, Walter Henn und Johannes Göderitz, und führte zu einem Lehrkonzept, dass unter dem Begriff der „Braunschweiger Schule“ Bekanntheit erlangte. Sein Wirken und Einfluss in der Region machten Kraemer zu eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Braunschweiger Zeit- und Wissenschaftsgeschichte, seine prägenden Arbeiten in anderen Städten Deutschlands zu einem der führenden deutschen Architekten der Nachkriegszeit. Ausgangspunkt der Baumaßnahme Nach Jahrzehnten ohne größere Veränderungen an dem Ensemble der drei Gebäude des Hochschulforums erhöhten immer schärfere Wärme-, Schall- und Brandschutzvorschriften, aber auch altersbedingte Mängel die Notwendigkeit von Sanierungsmaßnahmen. Nach den Teilsanierungen der Universitätsbibliothek und des Auditorium Maximums in den Jahren 2010 und 2011 wurde nach langwierigen Planungsprozessen 2013 mit der Sanierung des Forumsgebäudes begonnen. Diese hatte vor allem aus brandschutztechnischen Gründen eine hohe Relevanz: als einziger Flucht- und Rettungsweg diente bis dahin das zentrale, offene Treppenhaus, welches den prägenden Mittelpunkt des Gebäudes darstellt. Im Falle eines Brandes hätte sich der Rauch ungehindert darüber in alle Geschosse verteilen können und somit eine Flucht bzw. Rettung der Nutzer stark erschwert. Weiterhin waren die Flurtrennwände in allen Geschossen mit Holzfurnier beplankt und stellten somit eine Brandlast dar. Auch die in die Flurtrennwände eingelassenen Oberlichter konnten die Brandschutz-Vorschriften nicht erfüllen. Zu diesen schwerwiegenden Brandschutz-Mängeln, die eine Weiternutzung unverantwortlich erschienen ließen, gesellten sich energetisch Mängel, die vor allem die Fassade betrafen. Die nach den technischen Vorschriften vorzunehmenden Maßnahmen deuteten daher bereits auf schwerwiegende Eingriffe in die Substanz und Erscheinung des Gebäudes hin, sodass ein hoher Abstimmungsbedarf zwischen der Denkmalpflege und dem Bauherr bestand. JANA DIETZSCH T U B RAUNSCHWEIG