WALKRINGEN: Rhythmus, Gefühl und viel Freude 06.01.2011 Am Abschlusskonzert der Rüttihubeliade erfreuten TangoKlänge aus aller Welt das Publikum. Das Ensemble rund um Karel Boeschoten begeisterte mit Rhythmus, Gefühl und Freude an der Musik. skw. Mal melancholisch wehmütig, dann wieder temperamentvoll rassig – das Programm am 30. Dezember im Rüttihubelbad in Walkringen bot für jeden Geschmack etwas. Kompositionen aus Südamerika, aber auch aus Frankreich, der Schweiz oder Boeschotens Heimat Holland gaben einen Einblick in die Vielfalt des TangoTanzes. Neben bekannteren wie «La Cumparsita» von Gerardo Matos Rodriguez oder «El Chocio» von Angel Gregorio Villoldo ertönten auch von Jürg Luchsinger neu arrangierte Tangos von Astor Piazzolla oder Igor Stravinsky. «Nicht nur zum Tanzen» stand auf dem Programm, aber trotzdem begannen sich die Füsse der Zuhörer unwillkürlich im Takt zu bewegen, und in Gedanken sah man Tänzer im packenden Rhythmus über die Bühne gleiten. Familiäre Atmosphäre Jürg Luchsinger am Akkordeon, Gabriel Barbalau am Kontrabass, Ditta Rohmann am Cello, Benjamin Engeli am Klavier und Karel Boeschoten an der Violine harmonierten dabei vorzüglich. Das Zusammenspiel der Musiker, ob als Ensemble oder in den Duetten, erfreute Auge und Ohr und liess den Funken zum Publikum überspringen. Kein steifer Vortrag, sondern echte Freude an der Musik konnte man an diesem Abend erleben und in Erinnerung behalten. Karel Boeschoten gab zu den Tangos eine kurze Einführung zu Komponist oder Besonderheiten. So erzählte er zum Beispiel vom leider unbekannten Schweizer Komponisten Alfred Siegrist, oder schwärmte vom «schleimigen Schlussteil» im «Olé Guapa» von Malando. Das Publikum zeigte sich begeistert von der familiären Atmosphäre und wollte am Schluss die Künstler fast nicht von der Bühne lassen. Karel Boeschoten dankte schliesslich dem Rüttihubelbad für die Gastfreundschaft in den vergangenen Tagen. Die 8. Rüttihubeliade sei mit diesem Konzert zwar nun beendet, er freue sich aber auf ein Wiedersehen im nächsten Dezember. Und wenn man das Publikum beobachtete, konnte man leicht feststellen, dass wohl viele Besucherinnen und Besucher diese Vorfreude teilen. Utopie der Vergangenheit 23.12.2010 von Marianne Mühlemann Ein blutjunges Schweizer Klaviertrio spielt «Shiraz», die Hommage eines persischen Komponisten an die iranische Kulturstadt. Die Entdeckung im Programm der 5. Rüttihubeliade. Patrick Demenga. Gérard Wyss. Barry Guy. Rachel Kolly d’Alba. Vital Julian Frey. Karel Boeschoten. Benjamin Engeli. Andrea Kollé . . . Illuster sind die Interpreten der Rüttihubeliade, die in der Altjahrswoche über die Bühne geht. Beim Überfliegen des Programms bleibt man an einem Namen hängen. Wie ein Fremdkörper steht er da, eingeklemmt zwischen Brahms und Haydn: Behzad Ranjbaran. Sein Beitrag ans Kammermusikfest heisst «Shiraz». Eine musikalische Hommage eines Weinliebhabers an die rote Edeltraube? So ist es nicht. Hinter «Shiraz» verbirgt sich kein australischer Rebensaft, sondern eine Partitur. Ihr Schöpfer ist Behzad Ranjbaran, geboren 1955. Wer ist dieser Komponist, der hier – anders als in den USA – völlig unbekannt ist? Wie klingt seine Musik? Wiedersehen mit Venzago Als Professor an der renommierten Julliard School in New York lebt der Komponist seit den 1970er-Jahren in den Vereinigten Staaten. Seine Kammermusikwerke, Sinfonien und Instrumentalkonzerte (sie sind auch auf Youtube und CD zu finden) wurden von namhaften Interpreten aufgeführt. Staunend nimmt man die Liste zur Kenntnis. Sie liest sich wie ein Who’s who aktueller Klassikstars. Der Cellist Yo-Yo Ma, die Sopranistin Renée Fleming oder der Pianist Jean-Yves Thibaudet – sie alle haben Ranjbaran gespielt. Oder uraufgeführt, wie Mario Venzago, der Chefdirigent des Berner Symphonieorchesters: Er dirigierte das Indianapolis Symphony Orchestra, als der Cellist Joshua Bell Ranjbarans Violinkonzert uraufführte. «Ich würde gerne wieder mit Mario Venzago zusammenarbeiten», sagt Ranjbaran. Und freut sich, dass durch einen zufälligen Noten-Austausch unter Musikern die Partitur seines Trios den Weg über den grossen Teich in die Schweiz gefunden hat. Die kleine Kammermusik trägt impressionistische Züge. In den drei Stimmen für Violine, Violoncello und Klavier sind Melodien und rhythmische Muster aus der persischen Musik verarbeitet, fliessende Melodien von kalligrafischer Schönheit. Ranjbaran bringt die «mystischen Gespräche» zwischen den Instrumenten mit der Poesie von Hafez (1319– 1389) und Saadi (1190–1283) in Verbindung, den grossen Dichtern, die in Shiraz begraben liegen. Wie von selbst entspinnt sich in der expressiven Musik ein Dialog zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Unabhängig mit 14 Er habe das Glück gehabt, in einer kulturell offen denkenden Familie aufzuwachsen, sagt Ranjbaran. Als 9-Jähriger bekam er am Teheraner Konservatorium den ersten Geigenunterricht und begeisterte sich für die westlichen Komponisten. Als 14-Jähriger verfügte er bereits über ein festes Einkommen als freischaffender Geiger, das ihn finanziell unabhängig machte, «ein Umstand, von dem meine Eltern beeindruckt waren», erinnert er sich. Mit 17 kamen erste Engagements als Musiklehrer dazu. Zur Vertiefung seiner musikalischen Ausbildung liess er sich 1974 in den USA nieder. Nach Abschluss des Konservatoriums doktorierte er an der Indiana University. Das «Shiraz»-Trio komponierte er 2006, nachdem er nach vielen Jahren erstmals wieder verschiedene Städte des Iran bereist hatte. Shiraz, die Kulturstadt im südlichen Zagrosgebirge des Iran, nach welcher der Komponist sein Stück benannt hat, ist bis heute berühmt für seine Dichter, für seine Rosen und spektakuläre Gartenanlagen. Wovon man offiziell nicht mehr spricht, ist ein Kulturfestival, das zwischen 1967 und 1977 in Shiraz stattfand. Es war das erste und einzige Festival für moderne Kunst im Iran. Im «kollektiven Gedächtnis» seiner Generation klinge diese Zeit noch nach, sagt Behzad Ranjbaran. Dass das interkulturelle Experiment wegen der islamischen Revolution vorzeitig ein Ende gefunden habe, bedauert er. Damals trafen sich in Shiraz die europäischen und amerikanischen Avantgardisten aus den Bereichen Musik, Theater und Tanz. Alle kamen, von Iannis Xenakis, Peter Brook, John Cage bis Karlheinz Stockhausen, Maurice Béjart und Merce Cunningham. Ein Ziel der Veranstalter sei es gewesen, Künstler aus der Dritten Welt mit Exponenten der Avantgarde zusammenzubringen. So trafen in der iranischen Stadt der indische Sitarspieler Ustad Vilayat Khan und Yehudi Menuhin aufeinander, klassisch-persische Klänge und die Musik balinesischer Gamelan-Orchester und Elektronik. Die junge Pianistin Martha Argerich spielte da und Arthur Rubinstein – begleitet vom Orchester des iranischen Fernsehens. Eine Vergangenheit, die aus heutiger Sicht utopisch anmutet. Das Gagliano-Trio Behzad Ranjbaran möchte dabei sein, wenn «Shiraz» bei der Rüttihubeliade als Schweizer Erstaufführung erklingt. Wie er selber dürften für das Publikum im Rüttihubelbad bei Walkringen auch die drei Musiker, die sein Kammertrio einstudiert haben, eine Entdeckung werden. Die drei jungen Talente (alle mit Jahrgang 1989) haben sich erst 2009 zum Gagliano-Trio zusammengeschlossen. Die Geigerin Romaine Bolinger, der Cellist Payam Taghadossi und der Pianist Alexander Boeschoten haben sich an der Zürcher Hochschule der Künste kennen gelernt und hier mit ihrem Debüt-Konzert für Aufsehen gesorgt. Im Sommer bereits machten sie ihre erste Europatournee. Ranjbarans Cellokonzert hat der Cellist des Trios übrigens bereits vor einigen Jahren gespielt. Es hat seine Neugier auf das Kammermusikstück geweckt. Neue Musik zu erarbeiten, sei eine Herausforderung. Je moderner und schwieriger ein Stück zu lesen ist, umso aufwendiger werde die Probenarbeit. «Shiraz» biete diesbezüglich wenig Probleme. Da sind sich die drei Solisten einig. Weniger jedenfalls als Brahms’ anspruchsvolles «Zigeunertrio», op. 8, das – neben Haydn – auf dem Programm stehen wird. Es ist ein Jugendwerk voller feuriger Musizierlust. Ein Stück – blühend wie ein persischer Garten. Das Gagliano-Trio spielt «Shiraz» am 28. Dezember 2010, 16 Uhr. Tägliche Kammerkonzerte (div. Besetzungen) vom 26. bis 30. Dezember (16 und 20 Uhr). Das Kinderkonzert am 27. Dezember beginnt um 15 Uhr. (Der Bund) Berner Kulturagenda Rüttihubelbad Walkringen Eine Art Familientreffen im malerischen Rüttihubelbad Von Beat Glur Die 8. Rüttihubeliade bringt zum Jahresende Kammermusik von der Klassik bis zur Moderne ins Rüttihubelbad. Neun Konzerte an fünf Tagen versprechen hochkarätige Instrumentalisten und weihnachtliche Stimmen. Wer noch nie da war, sollte sich den Ort auf seine Ausflugsagenda setzen. Er ist einmalig schön gelegen, der Blick schier atemberaubend: Das Rüttihubelbad, eine Gruppe stattlicher Herrschaftshäuser, auf einer kleinen Anhöhe, in Walkringen bei Worb. In der Altjahrswoche, den Tagen nach Weihnachten und vor Silvester, wenn viele Kulturveranstalter ihre Häuser schliessen, weil die Menschen im Skiurlaub oder in den Badeferien sind, wird das Rüttihubelbad zum Mittelpunkt eines hochkarätigen Musikfestivals. Spannendes Musizieren mit Stammgästen 2003 hat die in Bern lebende Starviolinistin Patricia Kopatchinskaja das internationale Kammermusikfestival Rüttihubeliade gegründet. Seither treffen sich, wenn die Tage kurz und die Nächte kalt sind, jedes Jahr existierende oder ad hoc für das Festival zusammengestellte Kammermusikformationen zum spannenden Musizieren und Improvisieren. «Die Rüttihubeliade ist heute so etwas wie ein grosses Familientreffen», sagt Karel Boeschoten, der 2006 die künstlerische Leitung des Festivals übernommen hat. «Wir haben viele Stammgäste, wie den Violinisten Thomas Füri, den Akkordeonisten Jürg Luchsinger oder den Pianisten Benjamin Engeli.» Zusammen mit Luchsinger und Engeli sowie Mitmusikern bestreitet Boeschoten, selber ein versierter und weitgereister Violinist, den Schlussabend des Festivals, ein Tangofest, «nicht nur zum Tanzen», sondern auch zum Zuhören. Eröffnet wird die Rüttihubeliade erstmals mit einem Chorkonzert: Der Jugendchor der Oper Zürich singt Weihnachtslieder von Bruch, Britten und Lutoslawski, zu Harfe und Klavier, und mit der Sopranistin Ekaterina Levental als Ehrengast. Das traditionelle Familienkonzert wird diesmal vom Zürcher Bläserquintett bestritten: Gespielt und erzählt wird das Märchen «Die Bremer Stadtmusikanten» der Gebrüder Grimm, mit Jolanda Steiner als Erzählerin. «Neue Werke sind mir wichtig» Höhepunkte des Programms sind etwa die Doppel-Duos für Harfe und Flöte, also zwei Harfen und zwei Flöten im Zusammenspiel mit Musik von Komponisten wie Berlioz, Bizet, Chopin oder Debussy. Die «Night of the Violin» präsentiert mit Rachel Kolly d’Alba eine «kommende Stargeigerin», wie Boeschoten betont, dessen eigene Komposition «Esplanade» an diesem Abend zur Uraufführung kommt. «Mir ist ganz wichtig, dass auch neue Werke gespielt werden», erklärt Boeschoten. «Wir haben noch drei weitere Uraufführungen und eine Schweizer Erstaufführung im Programm.» In der «Hommage an den Kontrabass» etwa, welche die drei Kontrabassisten Barry Guy, Duncan McTier und Gabriel Barbalau zusammenbringt, sind Werke von Beethoven, aber auch von Guy und Barbalau zu hören. Patrick Demenga spielt Traditionelleres Wers traditioneller mag, ist gut bedient an dem vom Cellisten Patrick Demenga gestalteten Abend mit Brahms, Debussy und Schostakowitsch oder dem Programm «Von der Klassik zur Romantik» mit Kammermusik von Beethoven und Schubert bis Brahms. Familienkonzert an der Rüttihubeliade WALKRINGEN: Die Instrumente röhrten, bellten, miauten und kreischten 30.12.2010 Wer kennt es nicht, das Märchen von den Bremer Stadtmusikanten? Musikalisch dargeboten wurde das von Franz Tischhauser komponierte Werk von Mitgliedern des Zürcher Bläserquintetts. Ein lebendiges, unterhaltsames Familienkonzert war gewährleistet. Jürg Streit Tischhauser komponierte nach dem Original (1982/83) für Bläserquartett und Klavier im Jahre 1996 eine Alternativfassung, bei der ein Erzähler oder eine Erzählerin hinzu gefügt wurde. So wird das Werk, welches vorher als selbsterklärende Programmmusik wirken musste, für die Kinder verständlicher. Jedem Tier sein Instrument Die Tiere erhielten ihr Blasinstrument eindeutig zugeteilt. Durch das einzelne, nacheinander erfolgte Auftreten konnte jedermann jederzeit beobachten, wer sich in seiner «Tonart» zu Worte meldete. Als Esel etablierte sich Urs Dengler (Fagott), als Hund Heinrich Mätzener (Klarinette), als Katze Franziska von OoyenMüller (Oboe) und als Hahn Andrea Kollé (Flöte). Die Möglichkeiten der Instrumente wurden voll ausgeschöpft und ihnen zum Teil überraschende, ungewohnte Töne entlockt. Hie und da wurden sie sogar zerlegt und mit nur einem Teil davon gespielt. Ein melodiöses Tiergeschrei Jolanda Steiner zeigte sich als einfühlsame, nie chargierte Erzählerin, Alexander Boeschoten verkörperte am Klavier die Räuberbande, und zur noch besseren Verständlichkeit wurden Dias mit den Tieren projiziert. Die oft sehr kurzen Einsätze, rhythmische Klippen und schnellen Übergänge erforderten von den Musikern viel Geschick. Wenn sich alle zum Tutti zusammenfügten, entstand ein Tiergeschrei, das aber immer noch recht melodiös, oft auch tänzerisch daher kam. Das Quintett fügte sich nahtlos mit der Erzählerin zusammen, spielte engagiert, technisch selbstredend perfekt, so dass eine rundum gelungene Interpretation entstehen konnte. Durch die kluge Mischung von Sprache, Bild und Ton war die Geschichte wohl auch für diejenigen nachvollziehbar, die das Märchen nicht oder nicht genau kannten. Den Ausführenden gelang es jedenfalls, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Es herrschte eine Stunde lang volle Aufmerksamkeit und eine überraschende Ruhe, die bei so vielen anwesenden Kindern nicht selbstverständlich ist. Den Klang in den Ohren Am Schluss durften alle eine kleine Weihnachtskugel aus den Schatztruhen der Räuberbande mit nach Hause nehmen. Sichtbar waren dann nur noch die am Bühnenrand aufgestellten Stofftiere, während in den Ohren sicher noch bei vielen Kindern und Erwachsenen das röhrende Fagott des Esels, die bellende Klarinette des Hundes, die miauende Oboe der Katze, die kreischende Flöte des Hahns und die kraftvollen Akkorde der Räuberbande nachklangen. Die diesjährige Rüttihubeliade wird heute Donnerstag, 30. Dezember, um 16 Uhr mit dem Thema «Kontrabass» und um 20 Uhr mit «Tango» abgeschlossen. www.ruettihubelbad.ch