Zum Aufsatz von Dr. Schulte

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„Jugendkultur“
Statement von Dr. Christian Schulte
für das DKV Berufsschulsymposion des Deutschen Katecheten-Vereins
von 6. bis 8. März 2008
im Kardinal Döpfner Haus, Freising
Das Thema „Jugendkultur“ kann man nicht in einem umfassenden Gesamtbild darstellen.
Dieses ist auch so von der Jugend an sich nicht gewollt, denn jeder Mensch möchte sich
selbst verwirklichen und das Feld finden, wo er sich zugehörig fühlt. Gerade Vertreter von
Jugendkulturen zeichnen sich dadurch aus, dass sie anders sind, sich von der Masse abgrenzen wollen und nicht mit anderen Gruppen zu vergleichen sind. So kann diese Einführung höchstens ein Versuch sein, über die einzelnen Richtungen kurz zu informieren und sie
unabhängig voneinander vorzustellen.
In Deutschland schließen sich etwa 20-25 % der Jugendlichen sogenannten "Szenen" an,
doch jeder zweite Jugendliche sympathisiert mit ihnen. Szeneangehörige, vor allem Musiker,
DJ´s und Mitarbeiter von Fanmagazinen, sind wichtige Trendsetter – Meinungsmacher ihrer
Generation.
Am Begin der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als die Popper- und PunkerGeneration neueren Bewegungen in einem neuen politischen und gesellschaftlichen Umfeld
wichen, entstanden vor allem zwei große Jugendgruppen, auf der einen Seite die „rechte
Szene“, auf der anderen Seite die "Gothics" . Die "Rechte Szene" speiste sich nach der
Wende vor allem aus Hooligans, Skinheads oder NPD-gelenkten Kameradschaften und ließ
sich auf mangelhafte Vergangenheitsbewältigung, die Defizite im sozialen Gefügen oder auf
die individuellen Biographien der Angehörigen dieser Szenen zurückführen.
Die Wurzeln der „Gothic-Szene“ reichen bis in die 70er Jahre zurück zur Gruppe "the cure"
und dem Sänger Robert Smith. Offensichtliche Provokation durch Todessymbolik sowie zur
Schau gestellte Melancholie vereint mit einem eher femininen Auftreten ist für diese Gruppe
prägend geworden. (In diesem Zusammenhang lässt sich – trotz des betonten Individualismus der Angehörigen der Szene - in der letzten Zeit häufiger eine Kontaktaufnahme untereinander in den sog. Selbstmordforen im Internet beobachten.)
Mitte der 90er Jahre trat eine weitere Jugendgruppe durch öffentliche Events - wie z.B. die
Loveparade - ins Licht der Öffentlichkeit, die sog. "Techno- bzw. Raver-Szene". Ausgehend
von Klängen des jüngst verstorbenen Komponisten Karl-Heinz Stockhausen und der Band
Kraftwerk wurde die Parole „Love, Peace and Happiness“ die Präsenz auf Partys und in
Clubs zum sinnstiftenden Merkmal für diese Gruppe. Für Außenstehende wurden die ausschweifenden Partys der Szene immer im Zusammenhang mit dem weit verbreiteten Ecstasykonsum in Zusammenhang gebracht. Die Einnahme der Droge erhöht die Ausschüttung
des körpereigenen Hormons Serotonin mit der Folge, dass der Konsument wird von Glücksgefühlen überschüttet wird und dies mit allen Menschen in der Umgebung teilen möchte.
Neben der von der Musik und dem großen Harmoniebedürfnis geprägten Szene drängte sich
hier erstmals eine weitgehende Prägung durch Kommerz und Konsum in den Vordergrund.
Diese Prägung hat inzwischen alle Formen der Jugendkulturen erreicht. Subkultur wurde so
zu einer Massenkultur. Sogar der "Punk- und Gothic-Stil" hat Eingang in die Kleiderschränke
der normalen Mittelschicht gefunden und wurde durch Modedesigner wie Vivienne Westwood bzw. Jean Paul Gaultier salonfähig. Auch Sportartikelfirmen wie "adidas" oder "puma"
konnten ihr sportliches Image mit Leistungsfähigkeit der Konsumenten verbinden. Sie wurden damit zu Symbolen und Signalen, mit denen sich der Träger schmückt. Gleiches gilt für
Modemarken wie z.B. Tommy Hilfiger. Ursprünglich ein Herrenausstatter für junge weiße
Mittelständler wurde Hilfiger durch große Beliebtheit bei schwarzen Arbeiterkindern zu deren
Prestige-Objekt. Als die Marke als Getto-Label etabliert war, konnte der Konzern in großem
Maßstab beginnen, auf dem großen Markt der weißen und asiatischen Jugendlichen der Mittelklasse Einzug zu halten, weil diese den "schwarzen Stil" der Ghetto-kids nachahmten.
Mittlerweile ist die Mode von Skatern, Sprayern, Streetballern, Bikern und Freestylern soweit
kommerzialisiert, dass hier sogar im Bereich der Jugendkulturen mit den "Adbusters" sich
Jugendliche gefunden haben, die massiv gegen Werbung angehen.
Eine nach wie vor große Anziehungskraft auf Jugendliche übt der Rap bzw. HipHop aus, der
als wesentliche Neuerung die Ablösung von Bands und der echten Musik durch Discjokeys
und Soundfragmente bedeutet. Es war die HipHop-Kultur, die zum ersten Mal den "DJ" als
eigentlichen Musiker in den Mittelpunkt stellte, der die Musik anderer nur als Ausgangsmaterial nahm, um mit Hilfe zweier Plattenspieler ein neues Kunststück zu kreieren.
Die Wurzeln des HipHops sind sehr alt und eng mit der Geschichte der Sklaverei in den Vereinigten Staaten verbunden. HipHop und Rap wurden vor allem durch die unmissverständlichen Botschaften von Ausbruchsversuchen aus einem Leben im sozialen Abseits, von Ausgrenzung und Armut gespeist. Bezeichnend ist der Begriff "Ganster-Rap" geworden, ein
Genre des Rap, das gewaltorientiert und klischeehaft das Lebensumfeld eines Mitgliedes
einer Jugend-Gang in den Blick nimmt. Traditionelle Männlichkeit, Respekt und Ehre spielten
hier eine zentrale Rolle. Materieller Hedonismus und die offensive Präsentation von Statussymbolen signalisierten dem Konsumenten der Musik, dass hier ein sozialer und finanzieller
Aufstieg geschafft wurde, der für ihn ebenso erreichbar sei.
Seit einigen Jahren nun ist diese Form der Jugendkultur auch in Deutschland angekommen.
Zuerst waren es Einwandererjugendliche, die sich vor allem mit der unmissverständlichen
Botschaft identifizierten. Rap und HipHop bot die Chance, sprachlos belassenen MigrantenJugendlichen eine Stimme und den an den Rand der Gesellschaft Gedrängten Selbstbewusstsein zu geben. Ein Beispiel für deutschen HipHop-Rap liefert der eigentlich aus der
Mittelschicht kommende Künstler "Bushido", der bewusst in seinen Liedern mit der Botschaft
des sozialen Außenseitertums spielt und das Image des exotisch-coolen Gangster-Rappers
kultiviert.
Mittlerweile hat sich das eher negative Image des Rap gewandelt, von der schwarzen Bürgerrechtsbewegung und den Straßenkämpfen hin zu einer Kultur der Deeskalation. Im
HipHip dominieren die Texte und die Botschaft. Wer sich Respekt erwerben will, tut dies
nicht mit Gewalt, sondern mit Worten. Rap und HipHop bedeuten daher heute die Freude an
der Kommunikation und der Übermittlung von Botschaften. Auch wurde die HipHopMusikszene entschärft, damit sie für den Markt der weißen Mittelschicht akzeptabel und konsumierbar wurde. Ab Ende der 90er Jahre betraten daher auch unzählige deutschstämmige
Jugendliche aus der Mittelschicht die Szene, die zu keiner an den Rand gedrängten ethnischen oder sozialen Minderheit gehörten und dementsprechend auch andere Themen in
ihren Raps aufgriffen. Im Mittelpunkt der Musik standen die eigenen Gefühlswelten und die
Auseinendersetzungen mit der ihnen eigenen Umwelt.
Hier zeigte sich die Wandlung des HipHop-Raps: Entscheidend ist nicht mehr die eigene
marginalisierte gesellschaftliche Position, sondern die Originalität der eigenen Kunst und die
Fähigkeit, mit Sprache und Musik professionell umzugehen.
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