Der ISLAM Vortrag im Rahmen der dienststelleninternen Fortbildung Thorsten Kruijer – Bundespolizeiakademie Fakten zum Islam → Islam (arab.): „Hingabe zu Gott“ ; Muslim: „Gottergebener“ → Jüngste der drei monotheistischen Weltreligionen (ab 610 n.Chr.) → Keine monolithische, weltweit einheitliche Ausprägung → Non-säkuläre Religion, in einigen Staaten Staatsreligion → Abrahamische- / Buch- / Offenbarungsreligion → diverse Glaubensrichtungen und Rechtsschulen → Kein religiöses Oberhaupt, keine einheitl. „islamische Kultur“ → Weltweit 1,8 Mrd. Muslime (v.a. Indonesien, Indien, Pakistan, Bangladesch) → In Deutschland ca. 4 Mio. Muslime (davon ca. 1,8 Mio. Türken) → ca. 85 % Sunniten, ca. 15 % Schiiten Europa zur Zeit Mohammeds (7. Jhdt. n. Chr.- Frühes Mittelalter) Svear Angelsachsen Kelten Gauten Friesen Franken Westgoten Sachsen Slawen Alle- Austrier mannen Südslawen Langobarden Awaren Byzantiner Perser Mauren / Sarazenen Araber Arabien zur Zeit Mohammeds (7.. Jhdt. n. Chr.) Vorislamische Kultur Tribale Beduinen- / Nomadenkultur auf der arabischen Halbinsel Heidnische Stammesreligionen → Götzenverehrung Zunehmend christliche und v.a. jüdische Prägung Arabiens Mekka → wohlhabendes Handels- und Religionszentrum Sozialwesen: Stamm – Sippe – Familie Feudalismus – Handel – Blutfede – Räuberei – Sklaverei Verquickung von Religion und Kommerz Biographie Mohammeds - Geburt 570 n.Chr. in Bakka (Mekka) - Stamm der „Quraisch“ , Sippe der „Haschimiten“ - Händlerfamilie, zweite Ebene der Oberschicht - Vater stirbt 570, vor der Geburt M´s - Mutter stirbt 576, M. kommt zu den Großeltern Mohammeds Mutter Amina kurz darauf zu seinem Onkel Abu Talib - Lehre und Tätigkeit als Kaufmann → Stellenwechsel - 595 Vermählung mit seiner Chefin Chadidscha (Khadija) - mehrere Kinder, doch nur Tochter Fatima überlebt - Aufstieg zum Karawanenführer und Kassenverwalter - ausgedehnte Handelsreisen auf der arab. Halbinsel Fatima, drei Frauen M´s - 610 erste Offenbarung auf dem Berg HIRA oberhalb von MEKKA im Alter von 40 Jahren - Erzengel Gabriel verkündet Mohammed „das reine Wort Gottes“ → LIES ! LIES ! LIES ! - zaghafter Beginn der Prophetie M´s - Erste Muslime: Ehefrau Chadidscha und Cousin Ali Ibn Abi Talib Biographie Mohammeds - 610 - 619 Prophetie, wachsende Anhängerschaft, aber auch wachsende Feindschaft mekkanischer Händlersippen → empfinden M. als Bedrohung - engste Gefährten: sein Onkel Abu Bakr Siddiq, Cousin Ali Ibn Abi Talib sowie Omar Ibn al-Chattab - 619 Tod Chadidschas + Abu Talibs - ab 619 gesellschaftlicher Ausschluss, Bedrohung M´s - 622 Hijjra: Auswanderung in die Oase „YAHTRIB“ - dort Wandlung vom Kaufmann zum Politiker, Diplomaten, Feldherrn und Religionsgründer - Missionierung („Daw´a“) bzw. Unterwerfung anderer Stämme (v.a. Juden) - Islam wird Staatsreligion, M. = Staats- / Religionsoberhaupt - erhebliche Ausdehnung des islamischen Einflussgebiets Biographie Mohammeds - ab 620 Heirat weiterer Frauen, darunter A´ischa bint Abu Bakr (6 Jahre alt) - Islam entwickelt sich zur „arabischen Religion“ - 630 triumphale Rückkehr nach Mekka mit einem „Heer der 10.000“ → Eroberung der Stadt - (Zwangs-) Islamisierung, Zerstörung der Götzenbildnisse in der Kaaba - Vereinigung des größten Teils der arabischen Stämme im Islam Bau der 1. Moschee in Medina Mohammed zerstört die Götzenbildnisse an der Kaaba Mohammed mit seinem Heer der 10.000 Biographie Mohammeds - STAATsbildung – 1. islam. Gemeinwesen (Umma) - Vermählung M´s Tochter Fatima mit seinem Cousin Ali Ibn Abi Talib - 632 Abschiedswallfahrt M´s zur Kaaba und letzte Predigt auf dem Berg Arafat (Mekka), Rückkehr nach Medina - 8. Juni 632 Tod Mohammeds in Medina - Abu Bakr Siddiq wird zum ersten Kalifen bestimmt Mohammed mit Fatima und Ali 632 – 661 Kalifate der vier „rechtgeleiteten Kalifen“ Letzte Predigt auf dem Berg Arafat Mohammed auf dem Sterbebett Selbstverständnis des Islam „Er hat Euch als Religion anbefohlen, was Er Noah vorschrieb und was Wir Dir offenbarten und Abraham und Moses und Jesus auftrugen (...)“ (42 : 13) „Muhammad ist nur ein Gesandter, vor dem schon andere Gesandte dahingingen.“ (3 : 144) „(...) Muhammad ist Allahs Siegel der Propheten“ (33 : 40) Gesandter und das → Der Islam versteht sich als Fortsetzung der Vorgängerreligionen Judentum und Christentum → Mohammed wird als „besiegelnder“ Prophet und Nachfolger der Vorgänger-Propheten, u.a. Abraham, Ismael, Noah, Lot, Hiob, Mose, Aaron, Elia … und Jesus verehrt (6 : 83 – 89 sowie 23 : 44) Selbstverständnis des Islam „Ohr ihr Leute der Schrift ! (…) Der Messias Jesus, der Sohn der Maria, war ein Gesandter Allahs (…). So glaubt an Allah und seinen Gesandten und sprecht nicht: „Drei“. (…) Allah ist nur ein einziger Gott und hoch darüber erhaben, einen Sohn zu haben.“ (4 : 171) Botschaft des ethischen Monotheismus: → Ablehnung des christlichen Verständnisses der göttlichen Trinität als Polytheismus („Shirk“) → Glaube an Einheit und Einzigkeit Gottes („Tauwid“) → keine Verklärung Jesu´ als gottgleiche Figur („ein Gesandter“ → einer von mehreren Propheten) Islam. Glaubensgrundlagen (`Aqida) 2 : 177 1. Glaube an die Einheit und Einzigkeit Gottes (→ Tauwid) 2. Glaube an das Prophetentum Mohammeds und die Mission der vorhergehenden Propheten 3. Glaube an die göttlichen Offenbarungsbücher (Thora, Bibel, Psalmen, Koran) und das im Koran offenbarte „reine Wort Gottes“ 4. Glaube an Engel und Geister („Djinn“) 5. Glaube an die Vorherbestimmung („Qadar“) 6. Glaube an das Jüngste Gericht und die Auferstehung Islam. Glaubensgrundlagen 2 : 177 Islamische Kerntugenden: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Mitgefühl, Friedfertigkeit, Achtung vor dem Mitmenschen Keine Säkularität: Trennung von Glauben (Religion) und Tun (Politik, Recht, Gemeinwesen / Gesellschaft) ist unmöglich „Universelle Botschaft“ des Islam, also an alle Menschen gerichtet, zielt auf den Aufbau einer „gerechten Gesellschaft“ → Alle Menschen sind „pränatal“ bereits Muslime Der Islam als „vollkommene Religion“ → Toleranz ?! Koran al Qu´ran al karim „Und so haben Wir dir einen arabischen Koran geoffenbart, damit Du die Mutter der Städte (…) vor dem Tag der Versammlung warnst (…). Ein Teil wird sich im Paradies finden und ein Teil in der Flamme !“ (42 : 7) „Und dieses Buch, das Wir hinab sandten, ist gesegnet, es bestätigt das Frühere. Du sollst (mit ihm) die Mutter der Städte und wer rings um sie wohnt warnen.“ (6 : 92) Qur´ân = (arab.) Vortrag / Lesung / Rezitation(stext) → primäre Grundlage und ranghöchste Quelle des Islam → eines der bedeutendsten literarischen Werke der Menschheit Koran al Qu´ran al karim Offenbarungen Allahs an Mohammed durch Erzengel Gabriel Offenbarungen 610 – 632, schriftlich verfasst im Jahr 653 114 Sûra (Suren = Kapitel), ca. 6.200 Âyât (Verse) Gliederung nicht chronologisch, sondern nach Länge d. Suren Nicht narrativ (wie die Bibel), sondern imperativ formuliert Original in alt-arabischer Sprache → linguistisches Kunstwerk Darf nur von „Reinen“ (= in rituell reinem Zustand) berührt werden Europa → erste Übersetzung arabisch – latein.: Spanien 1143; erster Druck: Basel 1543; volkssprachliche Übersetzungen aus dem Lateinischen: italienisch 1547, deutsch 1616, holländisch 1641; erste Übersetzung arabisch - deutsch 1772 Koran Bedeutung für die frommen Muslime Offenbarte Wahrheit Gottes → „Gottes reines Wort“ Diese Wahrheit darf nicht angezweifelt werden, der Offenbarungstext ist „vollkommen“ und nicht veränderbar Der Koran gilt wörtlich, jede Aussage d. Textes ist gleich wichtig Eine historisch-kritische Interpretation des Koran ist unzulässig Selbst eine Übersetzung des arabischen Urtextes ist problematisch, da diese den Text zwangsläufig verfälscht Der Koran ist eine in allen Lebensbereichen strikt einzuhaltende Anleitung für ein „gottgefälliges Leben“ → „Rechtleitung“ Im Islam ist das Wort Gottes Buch geworden ! Sunna und Hadith Zweitwichtigste Quelle religiöser Normen des Islam „Sunna“: (arab.) „beschreitbarer Weg“, „Heilige Gewohnheit“ Prophetische Tradition → Überlieferung der Worte, Handlungen und des konkludenten Einverständnisses Mohammeds Vorbild und Äußerungen der „vier rechtgeleiteten Kalifen“ bestätigen nach Mohammeds Tod religiöse, politische und rechtliche Normen als legitime Elemente der „Sunna“ Die Anweisungen / Verordnungen / Wertungen des Propheten und seiner Gefährten sowie Berichte über das Vorbild der „ersten Generationen der Muslime“ wurden bis Ende des 9. Jhtds. n. Chr. zu einer Sammlung zusammen getragen → der „Hadith“ / die „Hadithen“ (arab.: „Erzählung, Gesagtes“) Grundpflichten der Muslime Die „fünf Säulen des Islam“ 1. Shahâda: Ableisten des Glaubensbekenntnisses Hajj 2. Saum: Fasten im Monat Ramadan 3. Hajj: Pilgerfahrt nach Mekka Salât 4. Salât: täglich fünfmaliges, rituelles Gebet 5. Zakât: jährliche Entrichtung einer Armensteuer (Almosen) Zakât Grundpflichten der Muslime Shahâda Das islamische Glaubensbekenntnis: „Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer Gott und ich bezeuge, dass Mohammed sein Diener und Gesandter ist“ (schiitischer Zusatz: „und Ali ist der Freund Gottes“) Ausdehnung des Kalifats 622 - 750 bis 632 bis 661 bis 750 bis 750 Heutige Ausbreitung des Islam Kaaba und Hajj „Siehe, das erste für die Menschheit errichtete Haus war das in Bakka (…). In ihm sind klare Zeichen: die Stätte Abrahams (…). Und der Menschen Pflicht gegenüber Allah ist die Pilgerfahrt zum Hause, wer immer dazu in der Lage ist.“ Ka´ba = (arab.) Würfel Hajj = Pilgerfahrt (Sure 3, Verse 96 / 97) Ka´ba / große Moschee Mekka → Zentralheiligtum der islamischen Welt und Wallfahrtszentrum in Mekka → Mittelpunkt der „Großen Moschee“ → Bereits in vorislamischer Zeit als religiöser Ort genutzt (Götzenverehrung) → der Legende nach im Auftrag Allahs „erbaut“ bzw. „gereinigt“ von Abraham und Ismael (2 : 125 – 127) (3 : 96 – 97) Kaaba und Hajj Hajj dreiteiliger schwarzer Stein (Meteorit) Schari´a „Shari´a“ (arab.): „Der breite Weg“ (… zur Quelle / Tränke) Nicht kodifizierte, islamische Glaubens- und Rechtsordnung → Gesamtheit aller auf ein gottgefälliges (Zusammen-) Leben bezogener Vorschriften Allahs Regelt Privat- (u.a. Zivil-, Erb-, Ehe-), Öffentliches und Strafrecht, religiöse Pflichten und Ritus sowie individuelle und gemeinschaftliche Pflichten des sozialen Lebens Normenhierarchische Rechtsquellen der Sharia: → Primäre Rechtsquellen: Koran und Sunna (Hadithe) → Sekundäre Rechtsquellen: Konsens der Gelehrten zu strittigen Lebens- / Rechtsfragen und Analogieschluss (Sunniten) bzw. „Ejtihad“ = indiv. Rechtsfindung (Schiiten) Umma „Ihr seid die beste Gemeinde, die unter den Menschen hervor gebracht wurde; ihr gebietet das Rechte, verbietet das Verwerfliche und glaubt an Gott. Und wenn die Leute der Schrift geglaubt hätten, wahrlich, es wäre gut für sie gewesen. Unter ihnen sind Gläubige, aber die Mehrzahl von ihnen sind Frevler.“ (3 : 110) → „Umma“ (arab.): „Gemeinschaft“, „Volk“ → Weltweite Gemeinschaft der Muslime („Rechtgläubigen“, „Rechtgeleiteten“), aber auch lokale islamische Gemeinde → unter Mohammed und seinen ersten Nachfolgern („vier rechtgeleitete Kalifen“) noch einig und geschlossen → seit dem „Schisma“ (656 - 661) gespalten in zwei Lager („Sunna“ und „Schia“) sowie zahlreiche Strömungen Schisma 656 - 661 Aufspaltung der „Umma“ in die „Sunna“ und die „Schi´at Ali“ (arab.: Partei Alis), kurz „Schia“ ; → Grund: Streit um die Nachfolge Mohammeds als rechtmäßiger Führer der „Umma“ („Kalif“ = Nachfolger) „Sunniten“ erkennen Abu Bakr sowie dessen drei Nachfolger Omar, Osman und Ali als legitime Nachfolger (arab.: „Kalif“) des Propheten an → „rechtgeleitete Kalifen“ „Schiiten“ erkennen Mohammeds Vetter und Schwiegersohn Ali Ibn Abi Talib (→ 4. „rechtgeleiteter Kalif“) als einzig legitimen Nachfolger des Propheten und „1. Imam“ an ; ausschließlich dessen direkte Nachkommen werden als „Imame“ (= religiöse Führer der „Umma“) anerkannt Islamische Rechtsschulen Islam und Staat Demokratie und Islam ? kompatibel ? Säkularität → religiöse Zurücknahme Verfasste Volkssouveränität Parlamentarische Gesetzgebung (Grundgesetz / FDGO) Gewaltenteilung → Judikative Überprüfung staatl. Machtausübung Menschen- und Grundrechte, Minderheitenschutz Individuelle Rechte und Freiheiten → Bürgertum Religionsfreiheit → Religion ist Privatangelegenheit Staat = Garant von Schutz und Freiheit Immanente Verbindung von Religion und Staat → religiöse Expansion Absolute, universelle Gottessouveränität Von Gott geoffenbarte Gesetzgebung (Qu´ran → Schari´a) Religiöse Überprüfung staatlicher Machtausübung (Gottesherrschaft) Religionszugehörigkeit entscheidet über rechtlichen Status der Menschen Gehorsam, unsouveräne Unterordnung, „Entsubjektivierung“ Konversion wird als Sünde bestraft Staat = Garant d. Durchsetzung d. Religion Kontakt Thorsten Kruijer Fachkoordinator Kriminalitätsbekämpfung Lehrbereich Aus- und Fortbildung Bundespolizeiakademie Ratzeburger Landstraße 4 23562 Lübeck Tel. 0451 / 49055 - 6300 Mail: [email protected]