Preisschwankungen -Volatilität der AgrarpreiseSeit dem drastischen Absturz der in 2007/08 plötzlich in die Höhe geschossenen Agrarpreise ist der bislang nur wenig bekannte Begriff Volatilität bei Landwirten heute in aller Munde. Volatilität findet in der Wirtschaftswissenschaft als Maß für die Intensität der Schwankung von Parametern wie Preisen, Aktienkursen oder Zinsen Anwendung und drückt das damit verbundene Risiko aus. Je höher die Volatilität, umso stärker schlägt der Kurs nach oben und unten aus und desto riskanter aber auch chancenreicher ist das betreffende Produkt. Zur Analyse der Volatilität der Agrarpreise wie z.B. für Getreide oder Milch sind die jeweiligen Preisindizes geeignet. Für Landwirte sind Preisschwankungen nichts Neues. Typisches Beispiel ist der Schweinezyklus. So kennzeichnet denn auch den langfristigen Verlauf der Preise für landwirtschaftliche Produkte ein stetes Auf und Ab. Ganz anders verhält es sich dagegen beim Verlauf der Preise für landwirtschaftliche Betriebsmittel. Die Kosten der Agrarproduktion sind bis 2006 kontinuierlich und im Zuge des kurzfristigen Aufschwungs in 2007/08 überproportional gestiegen. Folge ist, dass unterm Strich immer weniger übrig bleibt. Die konträren Entwicklungen der Erlöse und Kosten für Agrarprodukte gehen sehr deutlich aus Grafik 1 hervor. Hier sind die Verläufe der Jahresgesamtindizes für landwirtschaftliche Produkte und für landwirtschaftliche Betriebsmittel von 1991 bis 2009 gegenübergestellt. Während es bei den Kosten für landwirtschaftliche Betriebsmittel nur nach oben geht, zeigt sich bei den Erlösen für landwirtschaftliche Produkte ein Auf und Ab, das im Preisauftrieb 2007/2008 die weitaus größte Schwankung bzw. Volatilität im Betrachtungszeitraum aufweist Die anhand des Gesamtindexes für landwirtschaftliche Produkte festzustellende größte Volatilität ist aber nicht bei allen Agrarprodukten, die in den Gesamtindex eingehen, gleich ausgefallen. Vielmehr streut die Volatilität bei den einzelnen Agrarprodukten ganz erheblich. Das Spektrum reicht von derartigen Kurssprüngen, die hier aus Platzgründen nicht mehr darstellbar sind, bis hin zu einer Nullvolatilität. Im Folgenden soll dargestellt werden, wie unterschiedlich volatil die Preise der wichtigsten pflanzlichen und tierischen Agrarprodukte in der Phase des 2007/08 stattgefundenen Preisauftriebs reagiert haben. Zunächst ist eine unterschiedliche Reaktion der Preise für pflanzliche und für tierische Produkte festzustellen. Grafik 2 zeigt anhand von Monatsindizes, dass die Preise für pflanzliche Produkte früher und wesentlich intensiver, aber auch weniger lange anhaltend reagiert haben als die für tierische Produkte. Während der Index für tierische Produkte im Januar 2007 noch unter 100 lag, lag der Index für pflanzliche Produkte bereits bei über 130. Und während die pflanzlichen Produkte die Marke von 150 Indexpunkten erreichen konnten, sind die tierischen nur bis auf knapp 125 gestiegen. Unterschiedlich verlief dann auch die Talfahrt. Sie war bei den meisten pflanzlichen Produkten Ende 2008 oberhalb des Preisniveaus aller landwirtschaftlichen Produkte ausgelaufen, wohingegen sie sich bei den tierischen Produkten in 2009 fortsetzte und unterhalb des Niveaus aller Produkte auslief. Kartoffelpreise am volatilsten In Grafik 3 sind die Verläufe der Monatsindizes von den wichtigsten pflanzlichen Produkten mit Ausnahme von Speisekartoffeln in der Zeit von Januar 2006 bis Dezember 2009 dargestellt sowie als Bezugsgröße der Gesamtindex landwirtschaftliche Produkte. Da die einzelnen Preisindizes für pflanzliche Produkte ganz erheblich geschwankt haben, wurde eine Indexskala von 50 bis 250 gewählt. Trotz dieser enormen Spannweite passen die Kartoffelindizes aber nicht in diese Darstellung hinein, weil sie um etwa 300 Indexpunkte besonders stark geschwankt haben und auf dem Höhepunkt ihres Preisauftriebs im Februar 2007 mit 498,7 beinahe bis zu einem Index von 500 (!) gestiegen sind. Der inzwischen wieder “beruhigte” Kartoffelindex liegt aktuell bei 190 und damit in etwa wieder in seiner Ausgangsposition. Getreide größter Verlierer bei pflanzlichen Produkten Die somit ohne Kartoffeln erstellte Grafik weist für die Preise der übrigen 6 wichtigsten pflanzlichen Produkte eine sehr unterschiedliche Volatilität aus. Die größte Volatilität - nach der bei Kartoffeln - ist beim Raps zu erkennen. Der Rapspreis stieg von etwa 115 Indexpunkten um gut 140 bis auf 257,5 an und liegt seit März 2009 mit 143 Indexpunkten deutlich und stabil über seinem Ausgangsniveau. Beim ebenfalls sehr volatilen Getreidepreis, der im März 2008 immerhin 206 Indexpunkten erreicht hatte, fällt die Kurve nach dem Höhenflug im Gegensatz zum Raps aber weiter und weiter nach unten und liegt heute mit nur noch 85 Indexpunkten wieder auf dem sehr niedrigen Ausgangsniveau weit unterhalb vom Preisniveau der gelb unterlegten landwirtschaftlichen Produkte insgesamt. Damit ist Getreide der größte Verlierer bei den pflanzlichen Produkten. Preise für Zuckerrüben und Baumschulerzeugnisse ohne Volatilität Weniger spektakulär sind die Kurvenverläufe von Obst und Gemüse. Die Preise beider Produkte haben in bescheideneren Spannweiten volatil reagiert und liegen heute bei stabiler Tendenz über dem jeweiligen Ausgangsniveau. Gar keine Volatilität hingegen zeigt sich für Baumschulerzeugnisse und auch für Zuckerrüben, deren Preise lediglich auf die Änderungen beim bisherigen Quotensystem reagiert haben. An diesen beiden Produkten ist der Preisauftrieb vorbeigegangen. Baumschulerzeugnisse tendieren absolut stabil auf ihrem Ausgangsniveau, Zuckerüben stabil auf dem preispolitisch nach unten veränderten Ausgangsniveau. Geflügel und vor allem Eier auf dem Weg nach oben Ein ganz anderes Bild vermitteln die Kurvenverläufe der tierischen Produkte in Grafik 4. Während die Preise für pflanzliche Produkte viel eher und tlw. sehr viel stärker angezogen haben, bewegen sich die Kurven der tierischen Produkte erst mit der Veränderung der wiederum gelb unterlegten Gesamtindizes und wesentlich flacher. Aus diesem recht engen Gewirr an Kurvenverläufen nimmt der Verlauf der Eierpreisindizes die günstigste Richtung. Der Index für Eier hat von 120 um 66 Indexpunkte auf 186 zugenommen und auf dem Weg nach oben auch noch ein Zwischenhoch durch den Preisauftrieb verbuchen können. Die Eierzeugung ist damit klarer Gesamtgewinner, hat aber mehr von der Produktverknappung aufgrund des Käfighaltungsverbots ab 2009 als vom Preisauftrieb profitiert. Der Hähnchenbzw. Jungmastgeflügelindex ist etwas unter dem Niveau der Eier ähnlich günstig verlaufen, aber am Ende der Skala wieder abgefallen. Danach kommt der Indexverlauf für Truthühner, der jedoch nach dem Anstieg schon etwas eher als der Hähnchenindex wieder abgefallen ist. Milch größter Verlierer bei tierischen Produkten Der Indexverlauf für Rinder spiegelt die geringste Volatilität bei den Preisen für tierische Produkten wider. Die Kurve folgt anfänglich dem Verlauf der gelb unterlegten Gesamtindizes, um dann etwas verspätet einen leichten Preisanstieg abzubilden und schließlich wieder auf das alte Niveau abzufallen. Die volatilste und zugleich negativste Reaktion zeigt dagegen der Milchpreis. Der Anstieg ab Mai 2007 von 95 auf 140 Indexpunkte war zwar heftig, aber nur von kurzer Dauer. Im November/Dezember 2008 war bereits das alte Milchpreisniveau wieder erreicht und die Talfahrt setzte sich dann noch bis Juli 2009 auf ein absolutes Preistief von 73,3 fort. Erst seither steigt die Kurve wieder ganz langsam an, allerdings ohne bislang das ohnehin schon sehr niedrige Ausgangsniveau wieder erreicht zu haben. Einen sehr interessanten Verlauf zeigt dann noch die Kurve der Schweineindizes. Das Besondere daran ist, dass sich die Kurve im Rhythmus des Schweinezyklus durch den Betrachtungszeitraum schwingt und gerade in der Zeit des allgemeinen Preisauftriebs nicht wie alle anderen Kurven nach oben, sondern genau umgekehrt und sogar sehr deutlich nach unten bewegt hat. Als wäre diese Entwicklung nicht schon unglücklich genug, kam für die Schweineproduzenten noch hinzu, dass die Kosten für Futtermittel in dieser Zeit dem allgemeinen Preisauftrieb gefolgt waren und sie dadurch große Verluste hinnehmen mussten. Grafik 5 zeigt eindrucksvoll, dass sich die Indizes für Schweine und Futtermittel in 2007/2008 um mehr als 60 (!) Punkte auseinander bewegt haben. Fazit Auf den Preisauftrieb 2007/08 haben in erster Linie die Preise der klassischen Produkte Kartoffeln, Raps, Getreide und Milch stark volatil reagiert, während der Schweinepreis unabhängig von dem Ereignis und dessen zeitlichen Abfolge wie schon seit jeher in seinem eigenen zyklischen Rhythmus erheblich geschwankt hat. Die Geflügel- und vor allem Eierpreise sind dagegen bei nur leichten Schwankungen ihrem Aufwärtstrend gefolgt und nach der Hausse auch nicht abgestürzt. Und einige andere Produktpreise wiederum haben nur sehr gering oder gar nicht volatil reagiert. Bei der Abschätzung der daraus resultierenden Risiken und Chancen sollten Landwirte auch immer die Entwicklung der Betriebsmittelkosten berücksichtigen. Grafik 1 zeigt, dass die Betriebsmittelkosten von 90 bis zu einem Indexstand von 140 gestiegen und dabei den Erzeugerpreisen vorausgeeilt sind. Sie haben sich erst in 2009 wieder etwas verringert. Rainer Schütte LWK Niedersachsen Grafik 1: Entw icklung der Preise für landw irtschaftliche Produkte und Betriebsmittel nach Preisindizes 150,0 140,0 130,0 120,0 110,0 100,0 90,0 Landw. Produkte insgesamt Landw. Bet riebsmit tel insgesamt 2009 2007 2005 2003 2001 1999 1997 1995 1993 1991 80,0 Quelle: Destatis Grafik 2: Volatilität der Preise für pflanzliche und tierische Produkte 250 200 150 100 50 2006 2007 Land w irt schaf t liche Pr o d ukt e insg esamt Tierische Produkte zusammen 2008 2009 Pflanzliche Produkte zusammen Quelle: Destatis Grafik 3: Volatilität der Preise der w ichtigsten pflanzlichen Produkte 250 200 150 100 Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez 50 2006 2007 Land w ir t schaf t liche Pr o d ukt e i nsg esamt Zuckerrüben Gemüse zusammen Raps 250 2008 2009 Getreide zusammen Obst zusammen Baumschulerzeugnisse zusammen Quelle: Destatis Grafik 4: Volatilität der Preise der w ichtigsten tierischen Produkte 200 150 100 50 2006 2007 Land wi r t schaf t l i che Pr o d ukt e i nsg esamt Schweine Truthühner Eier zusammen 2008 Rinder zusammen Jungmastgef lügel M ilch 2009 Quelle: Destatis Grafik 5: Volatilität der Preise für Schw eine und Futterm ittel für Schw eine 250 200 150 100 50 2006 Landw. Produkte insg. 2007 2008 Schweine 2009 M ischfut t ermit el Quelle: Destatis