Hélène Grimaud 20 UHR /KULTURZENTRUM SAALBAU HOMBURG/ WWW.HOMBURGER-MEISTERKONZERTE.DE alles... fließt Luciano Berio: Wasserklavier Toru Takemitsu: Rain Tree Sketch II Gabriel Fauré: Barcarolle Nr. 5 fis-Moll Maurice Ravel: Jeux d’eau Isaac Albéniz: Almeria Franz Liszt: Les jeux d’eau à la Villa d’Este Leos Janácek: Im Nebel Nr. 1 Claude Debussy: La cathédrale engloutie Johannes Brahms: Sonate Nr. 2 fis-Moll op.2 © Mat Hennek/DG Einführung Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer im „Homburger Meisterkonzert“ der ganz besonderen Art heute Abend. Es muss der großen Pianistin Hélène Grimaud sicher unbändigen Spaß bereiten, zum übergreifenden Motto der Saison „alles... fließt“ für Sie vorwiegend kurze Klavierstücke zu spielen, in denen es nur so rauscht, strömt, tropft, gurgelt, oder in Fontänen aufschießt. Einige Anmerkungen dazu möchten Ihnen das Zuhören erleichtern. LUCIANO BERIO (1923-2003) Wasserklavier (1965) Berio kennt man als einen der Hauptvertreter der musikalischen Postmoderne nach Anton von Webern, auch als Meister der elektronischen Musik. In der gemächlich dahin fließenden, von Wassertropfen begleiteten Studie „Wasserklavier“ bedient er sich jedoch einer anrührend tonalen Sprache. Sie mag in den motivischen Anleihen aus den „Drei Intermezzi“ op. 117 von Johannes Brahms und aus den „Vier Impromptus“ op. 142 von Franz Schubert begründet sein. TORU TAKEMITSU (1930-1996) Rain Tree Sketch II (Regenbaum-Skizze II; 1992) – In Memoriam Olivier Messiaen Eine ähnlich impressive, nach innen wirkende Klangsprache wie Berio verwendet der große japanische Komponist Takemitsu in seiner „Regenbaum-Skizze“. Als Autodidakt ist er natürlich von der asiatisch-japanischen Musik angeregt, aber auch von Strawinsky und Gershwin, dem die Synthese von klassischer Tradition und Jazz so genial gelang. Fasziniert war Takemitsu auch vom Mystizismus eines Olivier Messiaen, der aus dem tief verwurzelten christlichen Glauben des großen französischen Meisters heraus wahre Klangkathedralen schuf. Als Messiaen 1992 im Alter von 84 Jahren starb, entstand Takemitsus „Rain Tree Sketch“ zu seinem ehrenden Andenken. GABRIEL FAURÉ (1845-1924) Barcarolle Nr. 5 fis-Moll (Allegretto moderato) op. 66 (1894) Die wohl berühmteste Barkarole erklingt im 2. Akt von „Hoffmanns Erzählungen“ von Jaques Offenbach. Die Szene spielt auf einer Gondel im nächtlichen Venedig, wo in „Eine Nacht in Venedig“ die nicht weniger berühmte Barkarole von Johann Strauß d. J. ebenfalls ihren verführerischen Zauber ausübt wie vor zwei Monaten erst mit dem Tenor Jevgenij Taruntsov im Neujahrskonzert des Homburger Sinfonieorchesters. Die ursprünglich improvisierten Gesänge der venezianischen Gondolieri zum wiegenden Schlag ihrer Ruder hielten Anfang des 18. Jahrhunderts Einzug in die Kunstmusik, vor allem in die Oper. Mit den Romantikern Mendelssohn, Chopin und Liszt wurden Barkarolen auf das Klavier übertragen und so eine wahre Mode, so sehr, dass Gabriel Fauré gleich 13 davon komponierte. Ähnlich wie seine 13 Nocturnes, so begleiten auch Faurés Barcarolles pour piano zwischen 1880 und 1921 den wichtigsten Abschnitt seines schöpferischen Lebens und erlauben Einblicke in seine stilistische Entwicklung. Sind die ersten vier noch sehr den traditionellen Vorbildern verpflichtet, so weist unsere fünfte in fis-Moll op. 66 schon sehr individuelle Züge auf und markiert den Beginn seiner mittleren Schaffenszeit. Sie ist mit sieben Minuten Spieldauer nicht nur die längste, sondern auch die musikalisch anspruchsvollste der Werkreihe. MAURICE RAVEL (1875-1937) Jeux d’eau (1901) Faurés Meisterschüler Maurice Ravel hatte die „Wasserspiele der Villa d’Este“ von Franz Liszt sehr genau studiert, als er im November 1901 ein ähnliches Werk vollendete. Er selbst bemerkte dazu in seiner Autobiographie: „Die Jeux d’eau stehen am Ursprung aller pianistischen Erneuerungen, die man in meinem Werk hat bemerken wollen. Dieses Stück, inspiriert vom Geräusch des Wassers und der musikalischen Laute von Springbrunnen, Kaskaden und Bächen, ist nach Art eines Sonatensatzes auf zwei Themen gebaut, ohne sich jedoch dem klassischen tonalen Schema zu unterwerfen.“ Das Werk hat bei Zeitzeugen einen ungeheuren Eindruck hinterlassen, wenn Ravel es selbst spielte. In der Anhäufung technischer Finessen und im Aushören des Instrumentes ließ er Liszts Modell sowohl erahnen als auch weit hinter sich. Seinen Noten hat Ravel ein von Henri de Régnier stammendes Motto vorangestellt: „Dieu fluvial riant de l’eau qui le chatouille“ (Der Flussgott über das Wasser lachend, das ihn kitzelt). Er widmete sie „à mon cher maître Gabriel Fauré“. Die beiden befreundeten Komponisten sind uns in Begleitung ihres Ahnherrn Camille Saint-Saëns erst jüngst im unvergesslichen Meisterkonzert des TRIO VIVENTE begegnet. ISAAC ALBÉNIZ (1860-1909) Almeria (1907), aus: „Iberia“ – Doce nuevas impresiones (12 Neue Impressionen 1905-1908) Kaum ein anderer spanischer Komponist hat den Städten und Regionen seiner Heimat so klangvoll gehuldigt wie Isaac Albéniz. Eine einzige Liebeserklärung des gebürtigen Katalanen an den spanischen Süden ist der 12-teilige Klavierzyklus „Iberia“, der später von anderen Komponisten auch für großes Orchester, für Gitarre und andere Instrumente bearbeitet wurde. Das fünfte Stück in „Iberia“ ist mit „Almeria“ überschrieben. Wie ihre trutzige Maurenfestung Alcazaba, so ist auch der Name der vom Mittelmeer umspülten Hafenstadt arabischen Ursprungs und leitet sich von „al-Mariyya“ (Spiegel des Meeres) ab. Wie die anderen elf Iberia-Impressionen so ist auch „Almeria“ dreiteilig und umschließt an zentraler Stelle eine „Copla“, deren sehnsüchtige Liedweise die Küstenbewohner in und um Almeria charakterisiert. FRANZ LISZT (1811-1886) Les jeux d’eau à la Villa d’Este (1877), aus: Annés de pèlerinage – Troisième année (1870-1877) Die genannte Villa d’Este entstand aus einem ehemaligen Benediktinerkloster im 16. Jahrhundert unter Kardinal Ippolito II d’Este, einem Sohn der Lucrezia Borgia und Statthalter in Tivoli. Jahrhunderte lang im Besitz der Borgias verfiel sie mehr und mehr und wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von dem mit Franz Liszt befreundeten Kardinal Gustav von Hohenlohe-Schillingsfürst erworben, der Villa und Park zu dem Kleinod zurück verwandelte, das heute noch tausende von Touristen anlockt. Der alternde Komponist hielt sich oft und gerne in der Villa und im ausgedehnten Park des päpstlichen „Großalmoseniers“ 32 km östlich von Rom auf, wo unter den sieben überwiegend religiösen oder meditativen Klavierstücken des späten 3. Bandes seiner Pilgerjahre jene schillernde Wassermusik entstand, die die französischen Impressionisten aufhorchen ließ. Aber der Nachhall von Kaskaden und Fontänen, von Sonnen- und Schattenreflexen in den Parkbäumen in glitzerndem Triller- und Laufwerk umhüllt dennoch einen meditativen Grundgedanken. Liszt, der 1865 in Rom die niederen Priesterweihen empfing, zitierte in einer Fußnote die vom Evangelisten Johannes im 4. Kapitel überlieferten Worte Jesu gegenüber einer Samariterin: „Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird in Ewigkeit nicht mehr dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm zu einer Quelle von Wasser werden, das ins ewige Leben sprudelt.“ LEOS JANÁCEK (1854-1928) Im Nebel, Nr. 1 „Andante“ Des-Dur (1912) Nach Meereswellen, Regenfäden in Trauerweiden und sprudelnden Wasserspielen in Parkanlagen berührt unsere Pianistin hier eine ganz andere Erscheinungsform von Wasser, nämlich den Nebel. Vier 1912 entstandene Klavierstücke hat der tschechische Meister Janácek mit „V mlhách“ (Im Nebel) überschrieben, ihnen aber keine weiteren Programme mitgegeben. Es ging ihm damals seelisch und körperlich nicht gut, so dass er Gründe dazu lieber in nebelhaftes Vergessen tauchte. Wie die drei nachfolgenden Geschwisterwerke, so umkreist auch das erste Stück in DesDur die Todesahnungen eines übersensiblen und reizbaren Komponistengemüts. Ein zartes Legato in sanfter Bewegung am Beginn und selbst der kantable Seitengedanke in Moll wirken elegisch. Doch die stille Nachdenklichkeit wird durch heftige Gemütsausbrüche und Umschwünge bis in den Fortissimobereich förmlich zerrissen, bevor sich die Nebel des Beginns wieder über das psychodramatische Geschehen legen. CLAUDE DEBUSSY (1862-1918) La cathédrale engloutie; aus: Préludes. Premier livre (1909/10) Die fast um den ganzen Globus verbreitete Vineta-Sage hat auch in der Bretagne eine Variante hervorgebracht, auf die sich das 10. Präludium des 1. Bandes von Debussys „Préludes“ bezieht. Bei Douarnenez erzählt man sich nicht nur die Sage von „Tristan und Isolde“, sondern auch die Legende von der im Meer versunkenen Stadt Ys, die unermesslich reich gewesen sei, aber für den Hochmut ihrer Bewohner bestraft wurde. So stellt es auch Edouard Lalo in seiner 1886 vollendeten Oper „Le Roi d’Ys“ dar. Auf dem Meeresgrund harre die Stadt ihrer Erlösung. Nur manchmal in der Morgensonne und bei spiegelglatter Meeresoberfläche tauche sie aus der Tiefe der Jahrhunderte auf. Dann läuteten die Glocken ihrer „Versunkenen Kathedrale“ und man höre die Gesänge der Priester, bevor die Vision wieder in die Meerestiefe zurück sinke. Es ist faszinierend, wie Debussy den visionären Vorgang aus einer motivischen Urzelle mit nur drei Tönen C-D-G entwickelte. Das Glockengeläut, Orgelklänge, der choralartige Priestergesang und die alles umgebende magische Wasserwelt beanspruchen alle sieben Oktaven der Klaviatur, bevor die Erscheinung wieder in die anfängliche Ruhe zurück sinkt. JOHANNES BRAHMS (1833-1897) Sonate Nr. 2 fis-Moll op. 2 (1852) 4 Sätze: 1. Allegro non troppo ma energico; 2. Andante con espressione; 3. Scherzo: Allegro; 4. Finale: Introduzione. Sostenuto – Allegro non troppo e rubato Die drei Klaviersonaten des jungen Brahms sind dicht aufeinander in den Jahren 1852 und 1853 entstanden. Trotz der höheren Opuszahl ist unsere fis-Moll-Sonate op. 2 im November 1852 noch vor der C-Dur-Sonate op. 1 entstanden, deren Vollendung sich danach bis ins Jahr 1853 hinzog, bevor dann im Oktober gleich der dritte Geniestreich mit der häufig gespielten f-Moll-Sonate op. 5 folgte. Als der 19jährige Johannes Brahms 1852 in Weimar Franz Liszt besuchte, spielte er dem international gefeierten Pianisten und Komponisten u. a. auch seinen Sonatenerstling in fis-Moll aus dem Gedächtnis heraus vor, denn die Niederschrift war noch nicht weit gediehen. Liszt erkannte sogleich das Genie in dem jugendlichen Kollegen und Tendenzen zur Monothematik, wie er sie gerade in seiner eigenen h-Moll-Sonate verwirklichte. Er wollte Brahms für die Ideen der „Neudeutschen Schule“ gewinnen, scheiterte aber an der norddeutschen, wortkargen Zurückhaltung des gebürtigen Hamburgers. Als Robert Schumann ein Jahr später die Klaviersonaten von Brahms hörte und in dem berühmten Artikel „Neue Bahnen“ rezensierte, begrüßte er das junge Genie, „an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten“ und beschrieb die Sonatenwerke als „verschleierte Sinfonien“ und als Zeugnisse eines jugendlich drängenden Gestaltungswillens, der romantisch subjektive Empfindungen in die große klassische Form zu zwingen sucht. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, lassen wir uns wie Liszt und Schumann vom improvisatorischen Überschwang des jungen Brahms in seinen schnellen Ecksätzen, vor allem von den „hinunter stürzenden Wogen“ (Schumann) aus Oktav- und Akkordkaskaden à la Liszt mitreißen und erfreuen wir uns im langsamen Satz am Zauber der eingewobenen Winterklage des Minnesängers Kraft von Toggenburg: „Mir ist leide, dass der Winter beide, Wald und auch die Heide hat gemacht kahl.“ Am Beginn eines neuen Meisterkonzertfrühlings wünsche ich Ihnen dazu wieder ein ungetrübtes Hörvergnügen, Ihr Paul O. Krick Vita Hélène Grimaud 1969 in Aix-en-Provence geboren, studierte sie bei Jacqueline Courtin am dortigen Konservatorium und anschließend bei Pierre Barbizet in Marseille. Im Alter von nur 13 Jahren wurde sie am Pariser Conservatoire angenommen, wo sie schon drei Jahre später 1985 den ersten Preis im Fach Klavier erhielt. Weiteren Unterricht nahm sie dann bei György Sándor und Leon Fleisher. 1987 gab sie ihr erfolgreiches erstes Recital in Tokio und im selben Jahr lud Daniel Barenboim sie ein, mit dem Orchestre de Paris aufzutreten. Dies war der Beginn von Grimauds glanzvoller Karriere, gekennzeichnet durch Konzerte mit nahezu allen internationalen Spitzenorchestern und berühmten Dirigenten. Ihre Aufnahmen wurden von der Kritik gepriesen und erhielten zahlreiche Auszeichnungen wie Cannes Classical Recording of the Year, Choc du Monde de la musique, Diapason d’or, Grand Prix du disque, Record Academy Prize (Tokio), Midem Classic Award und Echo-Preis. Zwischen ihrem Debüt mit den Berliner Philharmonikern unter Claudio Abbado im Jahr 1995 und ihrem ersten Auftritt mit den New Yorker Philharmonikern unter Kurt Masur 1999 – zwei der vielen gefeierten Meilensteine ihrer Karriere – debütierte Grimaud noch in einem völlig anderen Bereich: Sie gründete das Wolf Conservation Center in Upper New York State. Bei all ihren unterschiedlichen Aktivitäten ist es jedoch ihr gedankenvolles, einfühlsames und ausdrucksstarkes Musizieren, mit dem Hélène Grimaud am besten die Gefühle der Menschen erreicht. Ihre tiefe Hingabe zur Musik, im Konzertsaal wie auch bei ihren Aufnahmen, spiegelt sich in der Fülle ihrer Aktivitäten als Umweltschützerin und Schriftstellerin wider und wird noch verstärkt. Vorschau © Nancy Horowitz «Meister von morgen» Magda Amara + Harriet Krijgh 30.04.2015 - 20 Uhr - Kulturzentrum Saalbau - Homburg Johannes Brahms: Sonate für Violoncello und Klavier Nr. 1 e-Moll, op. 38 Ludwig van Beethoven: Sieben Variationen über „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ aus Mozarts „Die Zauberflöte“ Sergej Rachmaninoff: Sonate für Violoncello und Klavier in g-Moll op.19 Infos und Kartenvorverkauf: Homburger Kulturgesellschaft gGmbH—Rathaus—Am Forum 5—66424 Homburg—06841-101168—homburg.de— ticket-regional.de—homburger-meisterkonzerte.de Änderungen vorbehalten