Schornsteinfeger - M Sieber

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Eine Oper für Gross und Klein
Benjamin Brittens Oper „Der kleine Schornsteinfeger“ in der Lokremise
Etwas Skepsis war schon dabei, als ich die Lokremise betrat. Eine Oper von Kindern für Kinder – obwohl
im Konzept und Ansatz sicherlich beachtenswert, so wird sich die Durchführung bestimmt als recht
schwierig erweisen, dachte ich. Vage Erinnerungen von Kindertheater wurden wach und obwohl gerade
die Kinder den Stücken zu einem natürlich ungezwungenen Esprit verhelfen, so stellte ich es mir als
kompliziertes Unterfangen vor.
Die St.Galler Lokremise aber scheint gerade der perfekte Ort für dieses Experiment zu sein. Obwohl recht
karg in seiner Erscheinung, überraschen die grosszügigen Räume und Fenster mit einem angenehmen
Effekt. Sie bieten die Möglichkeit zum Gestalten – oftmals werden Bühnenbildner von irgendwelchen
lokalbedingten Umständen in ihrem künstlerischen Tun gehindert. Nicht aber in der Lokremise: Obwohl
der Bühnenraum spärlich eingerichtet wurde, waren die Effekte der jeweiligen Requisiten und Bühnenelemente umso grösser (Bühne: Peter Nolle). Die Plätze wurden eingenommen und der Auftakt rückte
näher. Doch ich wurde überrascht: Anstatt des üblichen Willkommensgruss, wurde uns mitgeteilt, die
Hauptdarsteller hätten Verspätung. Ziemlich unüblich, doch was sich zuerst als Malheure zeigte, entpuppte sich als geschickter Einstieg in die Oper von Benjamin Britten.
Das Thema des Schornsteinfegers verrät auch das Alter der Oper (Uraufführung: 1949). Das Stück greift
ein Thema auf, welches gerade im 18. und 19. Jahrhundert aktuell war. Zu dieser Zeit war es üblich, dass
kleine Kinder, meist Waisen, die Schornsteine von innen säubern mussten, weil es noch keine technischen Vorrichtungen gab und die erwachsenen Schornsteinfeger nicht in die schmalen Öffnungen passten. Die Arbeit war mühselig, dreckig und äusserst gefährlich. Diese Burschen wurden auch „Climbing
Boys“ genannt. Und zu eben dieser Zeit spielt die Oper von Benjamin Britten. Sie erzählt von einem kleinen Jungen namens Sam, der von seinem Vater an den brutalen Schornsteinfegermeister Black Bob verkauft wurde. Als Sam eines Tages in einem Schornstein stecken bleibt und um Hilfe ruft, eilen ihm Kinder
zur Hilfe. Die Kinder Juliet, Guy, Sophie, Jonny, Toni und Tina, um sie alle namentlich zu nennen, schliessen schnell Freundschaft mit dem kleinen Sam und beschliessen, ihn aus dieser misslichen Lage zu befreien.
Der kleine
Schornsteinfeger
Sam mit Black
Bob (David Maze)
und Clem (Nik
Kevin Koch)
Die Oper wird von kleinen musikalischen Werken begleitet, die obwohl kurz, sehr effektvoll waren. Auch
Mitsingen ist erlaubt! Die musikalische Leitung des Theaterjugendorchesters hatte Stéphane Fromageot,
der von Anfang an mit Leib und Seele dabei war. Sozusagen der Spiritus Rector, der die aus dem Spiel
gewonnene Leichtigkeit in ernsthafte und bewundernswerte Arbeit münden liess.
Die Kostüme wurden von Marion Steiner mit grosser Sorgfalt ausgewählt. Sie sind sowohl einfach als
auch überzeugend. Ich persönlich lege Wert darauf, dass das Bühnenbild in Harmonie mit den Kostümen
steht. Wenn dies nicht der Fall war, so störte mich dies während des ganzen Stückes. Doch Peter Nolle
(Bühne) und Marion Steiner leisteten ganze Arbeit. Die Artisten taten den Rest, um diese relativ einfache
Geschichte in eine grossartige Inszenierung zu verwandeln (Inszenierung: Ana Christine Haffter). Besonders zu erwähnen ist Leonie Huber alias Juliet Brook, deren Stimme für ihr zartes Alter recht beachtenswert schien. Ebenso die Leistung von Alison Trainer, die das Kindermädchen Mary spielte. Sie verkörperte
grossartig die warme und herzliche aber auch neckische Art, die man sich von einem Kindermädchen
wünscht, ganz zu schweigen von ihrer Stimme. Das ganze Team harmonierte in dieser Aufführung, was
man wirklich spürte. Alle Darsteller waren auf ihre Weise löblich, doch erstaunten vor allem die jüngsten
Darsteller. Der natürliche und unverfälschte Esprit dieser so jungen Artisten, zog sich durch das ganze
Stück und auch meine Zweifel musste ich zum Schluss ablegen. Das Stück überzeugt auf ganzer Linie. Ein
musikalisches Schauspiel auf hohem Niveau für Gross und Klein. Es amüsiert, animiert und regt an.
Auch wenn dieses Stück für die Kleinen gedacht ist, so darf das Werk von Benjamin Britten nicht unterschätzt werden. Es ist anspruchsvoll aber erlebbar zugleich, es bereitet dem Opernliebhaber als auch den
Kleinsten unter uns grosses Vergnügen. Auf jeden Fall sehenswert!
15.03.2011 – Madeleine Sieber, Gymnasium Untere Waid
weitere Infos: www.theatersg.ch/spielplan/der-kleine-schornsteinfeger
Alison Trainer
und Kinder
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