Rödel, W. und R. Scheuer (2003) Mitteilungsblatt BAFF 42, Nr. 160, 115-122 Beobachtungen zur Beziehung von Redoxpotential und Keimwachstum (Teil 1) Findings on the relationship between redoxpotential and bacterial growth (part 1) W. RÖDEL und R. SCHEUER Zusammenfassung Die Praktikabilität der Hürdentechnologie ist derzeit noch dadurch eingeschränkt, dass kaum geeignete Verfahren zur Verfügung stehen, die Hürden quantitativ und qualitativ genau zu erfassen. Bisher beruht die Hürdentechnologie lediglich auf Erfahrungswerten. Unsere Untersuchungen zur Beziehung zwischen Redoxpotential und Keimwachstum sollen dazu beitragen, die für die mikrobiologische Stabilität von Lebensmitteln relevanten Hürden quantitativ zu erfassen. Im Gegensatz zur klassischen Lebensmittelmikrobiologie, die vor allem eine nachgelagerte Bestimmung von Keimzahlhöhen ermöglicht, erlaubt die Beobachtung von Redoxpotentialverläufen das aktuelle mikrobiologische Geschehen in einem Messsubstrat zu verfolgen. In der vorliegenden Studie wird über den Einfluss verschiedener Hürden auf die Keimvermehrung und die Redoxpotentialverläufe berichtet. Neben einer rein quantitativen Erfassung erlaubt die Beobachtung der Redoxpotentialverläufe auch eine genauere Interpretation der Wirkmechanismen bestimmter Hürden. Summary The practical use of the hurdle technology is at present hampered by the fact that valid procedures to determine hurdles in qualitative and quantitative terms are hardly available. Up to now, the hurdle technology is merely based on experience. It is the aim of our studies on the relationship between redox potential and microbial growth to contribute to a quantitative assessment of hurdles relevant for the microbiological stability of foodstuffs. Whereas the classical food microbiology primarily observes resulting final bacterial counts, the examination of the redox potential and its time course allows to follow actual microbiological processes in a substrate. The present study reports the influence of various hurdles on the microbial growth and time course of the redox potential. The examination of the time course of the redox potential furthermore can provide insight into the action mechanisms of certain hurdles. Schlüsselwörter Redoxpotential – Hürdentechnologie – Escherichia coli – Listeria innocua Key Words redox potential – hurdle technology – Escherichia coli – Listeria innocua Einleitung sind aber teilweise sehr traditionell. Zu nennen wären: Beachtung von Hygienemaßnahmen, der Wasseraktivitätswert (aW-Wert), der Säuregrad (pH-Wert), der Erhitzungsgrad und die Erhitzungsdauer (F-Wert), das Redoxpotential (der EhWert), der Einsatz von Konservierungsmitteln (z. B. Natriumnitrit), der Einsatz einer Konkurrenzflora (z. B. Milchsäurebakterien) sowie die Lagerungstemperatur und -zeit. Daneben gibt es modernere Dem Lebensmittelhersteller steht ein umfangreiches Instrumentarium von Methoden und technologischen Maßnahmen zur Verfügung, um die mikrobiologische Sicherheit seiner Erzeugnisse zu gewährleisten. Diese Methoden und Maßnahmen werden in der moderneren Terminologie als „Hürden“ bezeichnet (GOULD, 1995; LEISTNER, 1995, 1996). Die Verfahren 115 Rödel, W. und R. Scheuer (2003) Mitteilungsblatt BAFF 42, Nr. 160 Verfahren, die aber oft weniger erwünscht oder weniger praktikabel sind, wie die radioaktive Bestrahlung, die Anwendung hoher Drücke, gepulste elektrische Felder oder wechselnde magnetische Felder (BARBOSA-CÁNOVAS et al., 1998; KNORR, 1998). zelnen Hürden sowie Informationen zu deren Wechselwirkung zueinander. In der vorliegenden Studie wird über den Einfluss verschiedener Hürden auf die Keimvermehrung und die Redoxpotentialverläufe berichtet. Neben einer rein quantitativen Erfassung erlaubt die Beobachtung der Redoxpotentialverläufe auch eine genauere Interpretation der Wirkmechanismen bestimmter Hürden. Die einzelnen Hürden können sich gegenseitig ergänzen (LEISTNER, 1999). Soll beispielsweise ein Erzeugnis nur in geringerem Umfang erhitzt werden (Verminderung des F-Wertes) kann diese Maßnahme durch eine entsprechend erhöhte Salzzugabe (Verminderung des aW Wertes) kompensiert werden. So ist es möglich durch eine Kombination verschiedener Hürden ein Lebensmittel sicher zu machen, ohne die sensorische Qualität des Lebensmittels ungünstig zu beeinflussen (Hürdentechnologie). Material und Methoden Messanordnung. Das System zur kontinu- ierlichen Messung der Redoxpotentiale besteht aus Einstabmessketten (Fa. Schott, Typ Sa Pt 6140) und einer Datenerfassungsanlage (Fa. Ahlborn Mess- und Regeltechnik, Datenlogger® ALMEMO 2590-9 V5) zur Aufnahme und Speicherung der Messsignale (s. Abb. 1). Die Redoxelektroden steckten in passgenauen Messröhrchen. Jedes Messröhrchen war mit etwa 4 ml der entsprechend zubereiteten Nährbouillon befüllt. Eine eingehende Beschreibung der Methodik zur Redoxpotentialmessung wurde von uns bereits publiziert (RÖDEL und SCHEUER, 1998, 2003 ). Bisher stehen dem Produzenten dazu aber in der Regel lediglich Erfahrungswerte zur Verfügung. Quantitative Werte über die Höhe der Hürden und deren Bedeutung sowie ein besseres Verständnis des Zusammenwirkens der Hürden miteinander fehlen derzeit in der Praxis noch. Der Hersteller muss mit entsprechenden Sicherheiten arbeiten, um ein Risiko auszuschließen. Lebensmittel werden dadurch häufig in nicht notwendigem Maße konserviert und behandelt. Neun Messungen konnten simultan mit einem Messsystem vorgenommen werden. Vier Messsysteme mit insgesamt 36 Redoxelektroden wurden bei unseren Untersuchungen eingesetzt. Die Untersuchungen wurden in Messkammern mit konstant eingestellter Temperatur durchgeführt und waren als Doppelmessungen angelegt. Unsere Untersuchungen zur Beziehung zwischen Redoxpotential und Keimwachstum sollen dazu beigetragen, die für die mikrobiologische Stabilität von Lebensmitteln relevanten Hürden quantitativ zu erfassen. Im Gegensatz zur klassischen Lebensmittelmikrobiologie, die vor allem eine nachgelagerte Erfassung von Keimzahlhöhen ermöglicht, erlaubt die Beobachtung von Redoxpotentialverläufen, das aktuelle mikrobiologische Geschehen in einem Messsubstrat zu verfolgen. Durch diese zeitnahe und kontinuierliche Messung der mikrobiologischen Vorgänge sind Beobachtungen möglich, die einer klassischen Mikrobiologie verschlossen sind. Aufgrund der hohen Auflösung des Messverfahrens ergeben sich daraus quantifizierende Betrachtungen der ein- Vom Messgerät wurden die Redoxsignale an einen PC übermittelt und über eine Software (Fa. akrobit® software, AMR WinControl) graphisch weiterverarbeitet. Mikrobiolgische Methoden. Einzelne Char- gen der Nährbouillon wurden mit Escherichia coli Isolaten (Stämme: E 162, E 163, E 164 der Stammsammlung der Bundesanstalt für Fleischforschung) beimpft. Am häufigsten jedoch wurde das Listeria innocua Isolat Li 13 der Stammsammlung der Bundesanstalt für Fleischforschung für unsere Untersuchungen eingesetzt. Die 116 Rödel, W. und R. Scheuer (2003) Mitteilungsblatt BAFF 42, Nr. 160 Escherichia coli Stämme (E. coli) wurden in ein Medium aus Standard-I-Nährbouillon (Merck) überführt. Bei Listeria innocua lief die Untersuchung in einem Selektivmedium ab (Fraser-Bouillon und Supplement, Merck). selaktivität und damit das Milieu des Bakterienumfeldes. Kurz nach Verimpfung der Keime wird, abhängig von der Zielsetzung und Fragestellung der Untersuchung, eine Nullstellung der Messwerte aller Elektroden des Versuchs durchgeführt. So werden die Differenzen des mikrobiologischen Geschehens an den einzelnen Elektroden im weiteren Messverlauf klar erkennbar und rein messtechnische Elektrodenabweichungen ausgeglichen. Dieser Wert wird von uns als „Relatives Redoxpotential“ bezeichnet. Zur Keimzählung von E. coli und Listeria innocua wurde jeweils 1 ml der Nährbouillon entnommen und mit 9 ml physiologischer Kochsalzlösung gut vermischt. Nach Anlegen von Verdünnungsreihen wurden jeweils 0,1 ml der entsprechenden Verdünnungsstufe auf DHL-Agar (Merck) zur Bestimmung der E. coli Zahl und auf Palcam-Agar (Oxoid) zur Bestimmung der L. innocua Zahl aufgetragen. Der DHLAgar sowie der Palcam-Agar wurde bei 37 °C für 24 Stunden bebrütet. Einfluss der Anfangskeimdichte. In Abbil- dung 3 ist der Kurvenverlauf des Redoxpotentials in Abhängigkeit zur Anfangskeimdichte von 1 Million (log = 6), von 10 000 (log = 4) und von 100 (log = 2) E. coli Keimen pro ml in Standard IBouillon dargestellt. Der Versuch lief über 24 Stunden. Die Temperatur wurde konstant auf 37 °C gehalten. Der pH-Wert wurde mit einer Einstichelektrode (Fa. Mettler Toledo, Inlab 427) gemessen. Aus den Einzelwerten einer Zweifachmessung wurde der Mittelwert als pH-Wert der Untersuchung festgelegt. Der Wasseraktivitätswert wurde mit einem aW -Kryometer AWK-10 (Fa. NAGY) - ebenfalls über Doppelmessung - ermittelt (RÖDEL et al., 1989). Physikalisch-chemische Parameter. Der erste Abschnitt der Redoxpotentialkurve, der grundsätzlich die Stoffwechselvorgänge bzw. die Vermehrung von Mikroorganismen bis zu einer Keimzahlhöhe von etwa 1 bis 10 Millionen Keimen (log = 6 bis log = 7) repräsentiert, wird in seiner Länge und Steigung von Einflüssen geprägt, die auch die Keimvermehrung in irgendeiner Form beeinflussen. Ergebnisse Aufzeichnung der Rohdaten. In Abbildung 2 ist die graphische Direkt-Aufzeichnung der Redoxverläufe über mehrere Stunden zu sehen. Der gemessene Millivolt-Wert des Redoxpotentials ist auf der y-Achse und die Messzeit auf der x-Achse angegeben. Mit dieser kontinuierlichen Aufzeichnung der Redoxpotentialverläufe werden gewissermaßen in „Echtzeit“ die Signale aus dem direkten Umfeld der Mikroorganismen aufgenommen. Alle Geschehnisse, die das umgebende Milieu beeinflussen, teilen sich der Redoxelektrode unmittelbar mit. Durch die ständige Teilung der Mikroorganismen verändert sich auch laufend das sie umgebende Milieu in seiner Zusammensetzung und zwar in Abhängigkeit zur Menge und Art der gebildeten Stoffwechselprodukte. Alle hemmenden und begünstigenden Faktoren beeinflussen direkt diese Stoffwech- Ganz offensichtlich sind erst mehr als 10 Millionen Keime bzw. deren stark reduzierende Stoffwechselprodukte in der Lage, das Redoxpotential um bis zu 700 mV abzusenken (zweiter Abschnitt der Redoxpotentialkurve). Dieser Redoxpotentialabfall kann relativ schnell erfolgen und repräsentiert die Stoffwechselvorgänge von mehr als 10 Millionen Keimen bis hin zur maximal erreichbaren Keimdichte, im vorliegenden Beispiel von mehr als 1 Milliarde (log = 9) Keimen. Der dritte Abschnitt der Kurve entspricht mehr oder weniger der stationären Phase der Mikroorganismen, die dann in eine Absterbephase übergeht. In diesen beiden Phasen reduziert sich der Stoffwechsel der Keime offensichtlich derart, dass die 117 Rödel, W. und R. Scheuer (2003) Mitteilungsblatt BAFF 42, Nr. 160 zeitlichen Verzögerung von 6 bis 7 Stunden erreicht. Die Kurven zeigen im Verlauf keinen stetigen Abfall, sondern einen deutlichen Einknick mit Plateaubildung. Dieser Kurvenverlauf ist nach unserer Auffassung durch eine Reaktion der Keime auf den starken Redoxpotentialabfall hervorgerufen. Der Einfluss, den das Redoxpotential selbst auf den Verlauf des Redoxpotentiales hat, wird weiter unten gesondert beschrieben werden. Redoxpotentialkurve nicht weiter absinkt, sondern langsam ansteigt. Die Redoxpotentialkurven zeigen deutliche Unterschiede in Abhängigkeit zur Inokulationsdichte zu Beginn der Messung. Während bei 100 Keimen die Redoxpotentialkurve erst nach 7 Stunden abfällt, kann bei einer Inokulationsdichte von 1 Million Keimen der Abfall des Redoxpotentialwertes bereits nach 3 Stunden festgestellt werden. Die Kurve für 10 000 Keime liegt etwa dazwischen. Dieses Ergebnis ist nicht unerwartet. Bei geringer Keimdichte dauert es in der Regel länger, bis eine entsprechende Keimhöhe erreicht ist und das Redoxpotential in entsprechender Weise beeinflusst werden kann. Der Redoxpotentialverlauf lässt gut erkennen, wie verringerte Temperaturen die Teilungsgeschwindigkeit der Bakterien herabsetzen und dadurch erst zeitverzögert hohe Keimdichten erreicht werden können. Einfluss der Wasseraktivität. Geht man von einer sehr geringen Bakteriendichte aus, wie im vorliegenden Beispiel von 10 Listerien pro ml (s. Abb. 6), kann der enge Zusammenhang zwischen den Stoffwechselvorgängen der Bakterien und dem Verlauf des Redoxpotentials demonstriert werden. Die farbigen Strich-Punktkurven zeigen die Keimdichten der Listerien in Abhängigkeit zum aw-Wert des Nährsubstrates, die übrigen Kurven farbzugeordnet die jeweiligen Redoxpotentiale. Anhand von Abbildung 6 wird der enge Zusammenhang von Bakterienwachstum und dem messbaren Redoxsignal besonders deutlich. Ein Wasseraktivitätwert von 0,942 führt zu einer völligen Wachstumsblockade von Listeria innocua innerhalb der beobachteten drei Versuchstage. Die vollständige Stagnation der Keimzahlhöhe (die schwarze Punkt-Strichlinie am unteren Rand der Abbildung) ist auch an dem unverändert waagerechten Verlauf der Redoxpotentialkurve (die schwarze durchgezogene Kurve) zu erkennen. Bei Listeria innocua zeigt sich ein sehr ähnliches Bild (s. Abb. 4). In Abbildung 4 ist zusätzlich auf der rechten Achse die Keimdichte mit angegeben. An der schwarzen Redoxpotentialkurve für die Anfangskeimdichte von 10 Keimen pro ml ist zu entnehmen, dass erst eine Keimdichte von mehr als 107 Keimen pro ml eine starke Absenkung des Redoxpotentials auslöst. Diese starke Stoffwechselaktivität der Bakterien zeigt sich in diesem Beispiel erst nach 24 Stunden. Die im 24-Stunden Rhythmus ermittelten Keimzahlhöhen sind im oberen Teil durch die farbigen Punktkurven dargestellt. Sie werden durch die farblich entsprechenden Redoxpotentialkurven gut differenziert wiedergegeben. Unterschiedliche Anfangskeimdichten beeinflussen somit sehr deutlich den Verlauf des Redoxpotentials. Durch die von der Anfangskeimdichte abhängigen Zeit bis zum Erreichen der Keimzahl von etwa 10 Millionen ergibt sich hier ebenfalls eine parallel versetzte Kurvenschar. Durch die unterschiedlichen Keimdichten von 107, 105, 103 und 10 sind die Redoxpotentialkurven bis hin zu 21 Stunden zeitversetzt. Vergleicht man den Verlauf der rot markierten Redoxkurven mit der grün markierten Redoxkurve (Abb. 6), so geht daraus hervor, dass eine aw-Reduzierung von 0,98 auf 0,97 eine Verschiebung des Kurvenverlaufes um ca. 7 Stunden hervorruft, reduziert man auf einen aw 0,955, das wäre die blau markierte Redoxkurve, sogar um mehr als 28 Stunden. Es wird auch an diesem Beispiel deutlich, dass mit einer Die beiden Redoxpotentialkurven für 37 °C (rot markiert) und für 22 °C (grün markiert) divergieren zu Beginn der Messung bereits um ca. 2 Stunden (s. Abb. 5). Die höchste 8 Keimdichte von 10 Keimen pro ml wird bei der niedrigeren Temperatur mit einer Einfluss der Temperatur. 118 Rödel, W. und R. Scheuer (2003) Mitteilungsblatt BAFF 42, Nr. 160 der Stoffwechselaktivität einer maximalen Endkeimzahl von fast 1 Milliarde Listerien pro ml resultiert. Redoxmessung, auch ohne eine Keimzählung, die sehr genaue quantitative Erfassung der Hürde Wasseraktivität möglich ist. Die Redoxmessung gibt nicht nur eine zeitnahe Erfassung der mikrobiologischen Geschehnisse wieder. Sie stellt auch eine der Keimzahlmessung zumindest ebenbürtige Methode dar, Hürden in einem Nährmedium exakt quantitativ zu bestimmen. Wird der pH-Wert bei sonst gleichen Bedingungen auf 6,0 abgesenkt, verlängert sich sich die Adaptierungsphase von 3 auf ca. 4 Stunden. Diese Verzögerung wird aber offensichtlich durch einen zusätzlichen Vermehrungschub kompensiert (in der Abb. 8 mit einem Pfeil markiert), so dass fast gleichzeitig mit der Kurve für pH 7,0 das Minimum der jeweiligen Redoxkurve durchlaufen wird. Es entspricht einer Keimdichte etwa 560 Millionen Keimen (log = 8,75). Im letzten Diagramm wurden die elektrischen Signale ausgehend von etwa 10 Listerien pro ml Bouillon verfolgt. In Abbildung 7 handelt es sich nun um die Aufzeichnung der Signale von Listerien, ausgehend von etwas weniger als 4 Millionen Keimen. Aus dieser Untersuchung ergeben sich folgende bemerkenswerte Beobachtungen: Aus der Grafik ist zu erkennen, dass bei dieser Keimdichte alle messbaren Vorgänge, verglichen mit denen bei geringeren Keimzahlen (Abb. 6), in viel kürzerer Zeit auftreten und dass bei dieser hohen Ausgangs-Keimdichte die Wachstums-Blockade bedingt durch die aw-Hürde von 0,942 bereits schon nach etwa 13 Stunden überwunden wird. Dies zeigen sowohl die gemessenen elektrischen Signale als auch die ermittelten Keimdichten. Innerhalb von 24 Stunden haben die Listerien von 4,4 Millionen auf etwa 10 Millionen Keime zugenommen. Auch hier ist wieder eine Plateaubildung innerhalb des starken Abfalls vor allem bei der Redoxpotentialkurve (pH = 6,0) zu beobachten. Die pH-Senkung um eine Einheit führt somit zu deutlich veränderten Potentialverläufen. Beobachtungen derartiger Abstufungen würden mit Keimzählungen nur schwer interpretierbar sein. Auch in der Abschätzung der pH-WertHürde zeigt die Potentialmessung einen deutlichen Vorteil gegenüber einer klassischen Keimzahlmessung. Im Vergleich dazu wird, wie in Abbildung 9 gezeigt, die Adaptierungsphase um etwa 2 bzw. 3 Stunden verlängert, wenn eine zusätzliche Hürde, wie im vorliegenden Fall ein aw-Wert von 0,953, hinzukommt. Ansonsten laufen beide Redoxkurven grundsätzlich ähnlich wie in Abbildung 8, jedoch viel flacher. Die Endkeimzahl ist nun um eine Zehnerpotenz verringert. Die Differenz zwischen beiden Kurvenverläufen aufgrund des pH-Unterschiedes ist deutlich erkennbar. Diese letztgenannte Beobachtung ist deshalb recht interessant, da ganz offensichtlich die Effektivität einer Hürde auch von der Ausgangskeimdichte abhängig ist. Hürden stellen somit keine fixierten Grenzen für das Wachstum einer Keimart dar und sind streng genommen erst definiert durch die Angabe der Ausgangskeimdichte. Die Kombination des pH-Einflusses mit einer zusätzlichen Hürde, wie z. B. die Wasseraktivität, verringert im Resultat, verglichen mit der ursprünglichen Wasseraktivität von 0,979, die Keimdichte innerhalb von 24 Stunden für beide geprüften pHWerte um 500 bis 800 Millionen Keime. Einfluss des Säuregrades. Bei einem pH- Wert von 7,0 sinkt das Redoxpotential (s. in Abb. 8 die rote Kurve) in einer Nährbouillon bei einer Anfangskeimdichte von log = 6,8 nach einer 3-stündigen Anpassungsphase innerhalb der nächsten 6 Stunden um mehr als 500 mV auf einen minimalen Redoxpotentialwert ab, der aus (wird fortgesetzt) 119 Rödel, W. und R. Scheuer (2003) Mitteilungsblatt BAFF 42, Nr. 160 Messung Abb. 1: Messanordnung zur Erfassung der Redoxpotentialwerte 7 PC-Aufzeichnung Vers17g_Rö_Ansatz2_pH6 0 - aw0,978 6 - aw0,941 mV 300 1 - aw0,978 7 - aw0,941 2 - aw0,968 8 - Temp. 3 - aw0,968 4 - aw0,951 5 - aw0,951 45 °C 44 200 43 100 42 0 41 -100 40 -200 39 -300 38 -400 37 -500 36 -600 20.01.2003 12:00h 18:00h 0:00h 6:00h 35 Zeit Messfrequenz: 4/Stunde Abb. 2: Aufzeichnung der rohen Messdaten 8 Anfangs-Keimdichte 100 Relatives Redoxpotential E [mV] Inoculumdichte: 106; 104; 102 Keime /ml 0 Escherichia coli (EHEC) -100 -200 -300 -400 -500 -600 -700 Endkeimdichte/ml nach 24 h: 109; 109; 109 -800 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Stunden Standard I - Bouillon aw 0,993; pH 7,0; Temp. 37°C Messfrequenz: 4/h 11 120 Abb. 3: Einfluss der Anfangskeimdichte von Escherichia coli auf die Redoxpotentialverläufe Rödel, W. und R. Scheuer (2003) Mitteilungsblatt BAFF 42, Nr. 160 Anfangs-Keimdichte . . Redoxpotential E [mV] 300 200 . . . . 100 0 -100 -200 -300 -400 -500 -600 . . log KBE L. innocua Listeria innocua 10 8 6 4 2 Anfangskeimdichte/ml: ca. 107; 105; 103 und 101 0 5 10 15 20 . Redox von log=1 KBE von log=1 25 30 35 0 40 45 Stunden . . Redoxpotential- und Keimzahlverlauf Redox von log=3 Redox von log=5 KBE von log=3 KBE von log=5 50 55 60 65 70 . Redox von log=7 KBE von log=7 Abb. 4: Einfluss der Anfangskeimichte von Listeria innocua auf die Redoxpotentialverläufe Fraser-Selektivnährbouillon aw 0,979; pH 7,0; Temp. 37°C Messfrequenz: 4/h 12 Temperatur 0 Relatives Redoxpotential E [mV] Anfangskeimdichte (37°C und 22°C): log= 7,6 -100 ca. 2 h -200 -300 -400 ca. 6 - 7 h Keimdichte nach 24 h: (37°C) log= 8,2; (22°C) log= 8,6 -500 Redoxpotentialverlauf bei 37°C bei 22°C -600 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Stunden Abb. 5: Einfluss der Temperatur auf die Redoxpotentialverläufe Fraser-Selektivnährbouillon aw 0,979; pH 6,0; Temp. 37°/ 22°C Messfrequenz: 4/h 14 Wasseraktivität 300 Redoxpotential E [mV] 200 100 0 -100 -200 -300 -400 -500 . -600 0 . . . . . . 6 10 9 8 7 6 5 4 . . Anfangskeimdichte: log= 1 3 .. log KBE L.innocua 3 2 1 0 9 12 15 18 21 24 27 30 33 36 39 42 45 48 51 54 57 60 63 66 69 72 . . . . Stunden 0,98 0,97 0,955 0,942 Redox-/Keimzahlverlauf KBE bei 0,98 KBE bei 0,97 KBE bei 0.955 KBE bei 0,942 Fraser-Selektivnährbouillon aw 0,980/0,970/0,955/0,942; pH 7,2; Temp. 37° Messfrequenz: 4/h 17 121 Abb. 6: Einfluss der Wasseraktivität auf die Redoxpotentialverläufe bei niedrigen Keimzahlen Rödel, W. und R. Scheuer (2003) Mitteilungsblatt BAFF 42, Nr. 160 Wasseraktivität 300 Redoxpotential E [mV] log KBE L. innocua . . . 200 100 0 -100 -200 -300 -400 -500 -600 . 9,5 8,5 7,5 Anfangskeimdichte: log= 6,6 0 3 6 9 12 15 18 . . . . 21 6,5 24 Stunden 0,98 0,97 0,955 0,942 Redox-/Keimzahlverlauf KBE bei 0,98 KBE bei 0,97 KBE bei 0,955 KBE bei 0,942 Fraser-Selektivnährbouillon aw 0,980/0,970/0,955/0,942; pH 7,2; Temp. 37° Messfrequenz: 4/h Abb. 7: Einfluss der Wasseraktivität auf die Redoxpotentialverläufe bei hohen Keimzahlen 18 Säuregrad (pH) 0 Relatives Redoxpotential E [mV] Anfangskeimdichte: log= 6,8 -100 -200 bei einem aw 0,979 -300 -400 -500 -600 Keimdichte nach 24 h: log= 8,95 bzw. = 8,75 -700 Redoxverlauf bei pH 7,0 bei pH 6,0 -800 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 Stunden Abb. 8: Einfluss des pH-Wertes auf die Redoxpotentialverläufe bei aw = 0,979 Fraser-Selektivnährbouillon aw 0,979; pH 7,0; 6.0; Temp. 37° Messfrequenz: 4/h 20 Säuregrad (pH) 0 Relatives Redoxpotential E [mV] Anfangskeimdichte: log= 6,8 -100 -200 bei einem aw 0,953 -300 -400 -500 -600 -700 Redoxverlauf bei pH 7,0 bei pH 6,0 -800 0 1 2 3 4 5 Keimdichte nach 24 h: log= 7,7 bzw.= 7,67 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 Abb. 9: Einfluss des pH-Wertes auf die Redoxpotentialverläufe bei aw = 0,953 Stunden Fraser-Selektivnährbouillon aw 0,953; pH 7,0; 6.0; Temp. 37° Messfrequenz: 4/h 21 122