Kriminalprävention - ein interdisziplinär zu lösendes Thema

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Praxishinweis
Kriminalprävention - ein interdisziplinär zu lösendes Thema
Ein subjektives Sicherheitsempfinden und ein objektiv-erkennbar sicheres Umfeld machen einen
wesentlichen Bestandteil von Lebensqualität aus. Zwar hat Kriminalität immer komplexe Ursachen.
Doch gerade unbefriedigende räumliche Situationen können in sozialen Problemgebieten negative
Auswirkungen haben.
Ein zentraler Ansatzpunkt für soziale Stabilität in Quartieren ist die Entwicklung einer Nachbarschaftskultur. Dazu braucht es einerseits Menschen, die bereit sind, sich zu engagieren und dauerhaft Verantwortung zu übernehmen. Andererseits können aber auch gestalterische, bauliche und
technische Maßnahmen dazu beitragen, dieses Engagement zu wecken und zu unterstützen.
Studien zeigen, dass eine hohe Gestaltqualität in Städten, Siedlungen und im Lebensumfeld der
Menschen ausschlaggebend für die Zufriedenheit der Bewohner, für soziale Stabilität und Sicherheit
ist. Somit ist Kriminalprävention ein interdisziplinär zu lösendes Thema. Vertreter von Wohnungswirtschaft, Architektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung sowie Polizei müssen gemeinsam
für ein lebenswertes privates, halbprivates, halböffentliches und öffentliches Umfeld arbeiten. Dies
erkennen Kommunen und Bauherren mehr und mehr. So kommt es, dass gerade das Spezialwissen von Architekten und Stadtplanern zur sicherheitstauglichen Gestaltung öffentlicher und privater
Räume immer stärker nachgefragt wird.
1. Kriminologische Grundlagen
Seit den 80er Jahren beschäftigen sich Architektinnen und Architekten in Deutschland, Europa und
den USA ausführlich mit dem Thema Sicherheit in Städten und Quartieren. Sicherheit. Anlass waren
Überlegungen, in früheren Jahren entstandene Großsiedlung zu überplanen und die dahinter stehenden Planungs- und Wohnkonzepte zu überdenken. Im Ergebnis sind Planungsgrundsätze entstanden, die sich im Laufe der Jahrzehnte etabliert haben.
Einer der Pioniere auf dem Gebiet der raumbezogener Kriminalprävention ist der US-Architekt Oscar Newman. Auf der Grundlage des Programms für Sicherheit auf den Straßen 1986 („Safe Street
Act“) und vor dem Hintergrund der 1972 stattgefundenen Sprengung einiger hochgeschossiger
Wohnscheiben der Großsiedlung in St. Louis, Missouri, entwickelte er mehrere Planungsansätze für
ein sicheres Wohnumfeld. Seine Theorie: Sicherheit ist objektiv bewertbar und subjektiv erfahrbar.
Die Belebtheit öffentlicher und privater Räume besteht sowohl in der Durchmischung sozioökonomischer Gruppen als auch in der gemischten funktionalen Nutzung des Gebietes und führt zu
einer sozialen Kontrolle. Die Auswahl passender baulicher Maßnahmen kann diese scheinbar widersprüchlichen Bedürfnisse unterstützen.
Die vier Planungsansätze Newmans sind:
1. Territorialität
Eine Zonierung des Raumes schafft gegenüber Fremden Barrieren und erleichtert eine soziale
Kontrolle. Dabei wird von einem direkten Zusammenhang zwischen der menschlichen WahrnehSeite 1 von 8 – Praxishinweis „Kriminalprävention“
mung von Raumgestaltung und menschlichem Verhalten ausgegangen. Die Verantwortung der
Bewohner für den jeweiligen Raum wird gefördert und das Verhalten Fremder gelenkt.
2. Natürliche Überwachung / Wehrhaftigkei
Die Gestaltung von Gebäuden und Quartieren bspw. durch Ausrichtung von Fenstern zu von der
Nachbarschaft regelmäßig genutzten Orten und Räumen erleichtert die informelle soziale Kontrolle für die Wohnbevölkerung. So wird potenziellen Straftätern das Gefühl vermittelt, beobachtet
zu werden. Technische Sicherheit im Gebäude erhöht den Schutz zusätzlich. Technische Sicherungsmaßnahmen beim Neubau sollten zum Standard erhoben werden, da sie geringere Kosten
verursachen als ihre Nachrüstung.
3. Imageförderung und Wertigkeit
Ästhetisch ansprechende und akzeptierte Gebäudeformen und Umfeldgestaltungen etwa mithilfe
wertvoller nachhaltiger Materialien, gut dimensionierter Räume oder heller, positiv stimmender
Oberflächen und Farben sollen eine Kriminalität fördernde Raumstruktur vermeiden. Dahinter
steht das Planungsziel "Wertigkeit durch gute Gestaltung“. Ein geschlossenes Siedlungsbild
führt zu einer positiven Außenwirkung und trägt zu einem Selbstbewusstsein der Nutzer bei. So
wird die Identifikation mit dem Umfeld gestärkt.
4. Milieuplanung
Die Maßstäblichkeit einer Siedlung kann die Bildung von Mini-Nachbarschaften fördern, etwa
durch das Verhältnis von möglichst wenig Haushalten pro Eingang, durch die Anordnung von
Gebäuden auf einen Bereich hoher sozialer Kontrolle, durch eine Ausrichtung der Fenster auf einen Nachbarschaftsbereich oder durch übersichtlich gestaltete Freiflächen und eine Zonierung
von halböffentlichen Übergangsbereichen. Dabei ist es förderlich, wenn die gestalterischen Milieus weitgehend mit den sozialen Milieus harmonieren.
1.1 Die städtebauliche Kriminalprävention in Deutschland
Seit den 1980er Jahren wurde auch in Deutschland die städtebauliche Kriminalprävention weiterentwickelt. Mit dem Wiederaufbau nach dem Krieg waren die Städte zunächst dem Prinzip der
Funktionstrennung von Wohnen, Arbeiten, Verkehr, Einkaufen und Erholung gefolgt. Auf diese Weise entstanden vielfach tagsüber unbelebte Wohngegenden oder abends menschenleere Einkaufsstraßen. Auch die Individualisierung der Gesellschaft führte zur Vernachlässigung des öffentlichen
Raumes. Insbesondere die Gleichstellungsbeauftragten der Städte und Gemeinden identifizierten in
den 1980er Jahren Angsträume im Wohnumfeld und zeigten die unzureichende Berücksichtigung
von Frauenbelangen im kommunalen Planungsalltag auf.
Seit Anfang der 1990er Jahre wurde das Thema Sicherheit verstärkt bei der Erarbeitung von Planungskriterien auf Bundes- und Länderebene berücksichtigt. Bei der Erneuerung bestehender
Stadtgebiete und der Planung von Siedlungserweiterungen sollten insbesondere die Bedürfnisse
und Alltagserfahrungen von Frauen stärkere Berücksichtigung finden. Vor dem Hintergrund dieser
Überlegungen bekam die Planung einer für alle Bevölkerungsgruppen sicheren Stadt einen höheren
Stellenwert. Beispielsweise wurde die Nutzungsmischung als städtebauliches Prinzip wiederentdeckt. Die Wiederbelebung des Stadtraums ist ein zentrales Ziel der Kriminalprävention, da die Anwesenheit anderer Menschen das Sicherheitsgefühl erhöht. Und gerade für Kinder sind einsehbare
Spielbereiche und Schulwege wichtig.
Grundsätzlich ist seit den 1990er Jahren die Kriminalprävention im Städtebau etabliert und folgt den
Handlungsansätzen,
 den Aufwand zu erhöhen, den ein Täter für eine kriminelle Handlung begehen muss,
 zugleich sein Risiko zu erhöhen, dass er beobachtet wird und
 den möglichen Ertrag einer Straftat zu vermindern.
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In Nordrhein-Westfalen existiert eine langjährige Kooperation zwischen Planungsbehörden und Polizeidienststellen zum Thema Kriminalprävention im Städtebau. Bereits 1994 hatte das damalige
Ministerium für Stadtentwicklung und Verkehr NRW den Kreisen und Gemeinden empfohlen, bei
städtebaulichen Planungen kriminalpräventiven Sachverstand einzubeziehen. Auch ein aktueller
Runderlass des Innenministeriums vom 23. Oktober 2006 zur polizeilichen Kriminalprävention berücksichtigt städtebauliche Aspekte.
Quellen:
Zentrale Geschäftsstelle Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (Hrsg.): Städtebau und Kriminalprävention – Eine Broschüre für die planerische Praxis, Stuttgart 2005.
Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Stadt und Sicherheit
im demografischen Wandel. Bericht über die Ergebnisse der Arbeitsgruppe (Entwurf), Düsseldorf
2009.
2. Die sichere Stadt
Eine lebenswerte Stadt bietet ihren Bewohnern Schutz und Entfaltungsmöglichkeiten. Die Lebendigkeit eines Gebietes verringert Kriminalität und erhöht das Sicherheitsgefühl der Bewohner. Eine
sichere und lebenswerte Stadt ist möglichst frei von Kriminalität und Gewalt. Verwahrlosung oder
unsoziales Verhalten in der Öffentlichkeit sowie Kriminalität erzeugen ein Unsicherheitsgefühl bei
den Bürgern und werden als Beeinträchtigung der Lebensqualität empfunden. Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung sind daher neben den Kriterien Funktionalität und Gestaltung grundlegende Leitmotive in den Kommunen.
Eine Vielzahl von Faktoren und deren Wechselwirkungen sind die Ursachen für die Entstehung von
Kriminalität. Die Schwerpunkte liegen zwar überwiegend im sozialen Bereich. Unbestritten ist aber,
dass zwischen dem räumlichen Umfeld, den Sozialstrukturen und dem individuellen Verhalten von
Menschen ein direkter Zusammenhang besteht. Städtebauliche Strukturen können Straftäter abschrecken oder anziehen und die Begehung von Delikten hemmen oder begünstigen. Sie wirken
sich so auf das Sicherheitsgefühl der Menschen aus.
Aus der Vergangenheit sind Beispiele bekannt, bei denen mangelnde Planung, monotone Strukturen, aber auch mangelnde Instandhaltung und Pflege zu einem allgemeinen Niedergang und Verfall
städtischer Gebiete beigetragen haben. Vielfach wurden inzwischen öffentliche Räume umgestaltet,
um die Möglichkeiten für strafbare Handlungen zu verringern. Die Revitalisierung der Innenstädte
durch Modernisierungsmaßnahmen, Wohnumfeldverbesserung, günstigere Verkehrsanbindungen
und Baulückenschließung wurden zum Gegenstand neuer Planungskonzepte.
Die Erkenntnis, dass Kriminalprävention eine städtebauliche Dimension aufweist, hat dazu geführt,
dass heute die Grundsätze der vorbeugenden Kriminalprävention bereits in der Planungsphase berücksichtigt werden müssen. So fordert das Baugesetzbuch, die Sicherheit der Bevölkerung bei der
Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB).
2.1 Planungsempfehlungen
Nachbarschaft und soziale Kontrolle sind wichtige Faktoren für die Sicherheit im städtischen Umfeld.
So vermeidet z.B. die Durchmischung von verschiedenen Nutzungen tageszeitliche „Leerstände“,
welche als Tatgelegenheit angesehen werden können. Gute Einsehbarkeit, helle Beleuchtung von
Straßen, Wegen und Plätzen und intelligent gesetzte Bepflanzungen können ein unbeobachtetes
Annähern an Personen und an Gebäude verhindern.
Auf der Grundlage eines Leitbildes für ein Umfeld, das Schutz und Barrieren bietet, entstand zunächst in den USA die „kriminalpräventive Siedlungsgestaltung“ („Crime Prevention Through En-
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vironmental Design“, kurz: CPTED). Der Kriminalität soll durch architektonische, freiraumplanerische
und städtebauliche Gestaltung von Siedlungen vorgebeugt werden.
Folgende gestalterischen Maßnahmen können Risiken verringern:
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Soziale Kontrolle ermöglichen (z. B. durch maßstäbliche, nicht zu großzügige Anlage öffentlicher Flächen und Plätze)
Angebote mit Aufenthaltsqualität in öffentlichen Straßen, Plätzen, Parks, Bahnhöfen etc.
schaffen
offene und gut einsehbare öffentliche Bereiche und Orientierung planen
Übersichtlichkeit im Außenbereich schaffen (z.B. durch geordnet platzierte Bäume und
Strauchbepflanzungen), auch um wildes Parken zu verhindern
Barrieren beseitigen
Vernetzung von Wohnen und Infrastruktur durch fußläufige kurze Verbindungen zwischen
Wohnbauten und öffentlichen Einrichtungen, ÖPNV-Haltestellen, Läden etc. erreichen
helle Gestaltung des Außenraums ermöglichen(z. B. durch entsprechende Beleuchtung von
Straßen, Wegen und Plätzen)
soziale Infrastruktureinrichtungen wie Treffpunkte, Läden, Cafés schaffen
robuste, Schutz und Aufenthaltsqualität bietende Stadtmöblierung in gut einsehbarer Platzierung planen
Wertigkeit durch gute Gestaltung in Form von wertvollen Materialien, gut dimensionierten
Räumen und hellen positiv stimmenden Oberflächen
vermeiden von Angsträumen als Prüfkriterium bei der Aufstellung von Bebauungs-, Vorhaben- und Erschließungs- sowie Masterplänen.
Diese Forderungen stimmen mit dem traditionellen Planungsrepertoire von Architekten und Stadtplanern überein. Mit dem Katalog der Handlungsanweisungen - unter dem Gesichtspunkt der Kriminalprävention formuliert - werden wichtige Aspekte der Stadtplanung aufgegriffen, wie sie beispielsweise mit dem Begriff der "europäischen Stadt" verbunden sind.
Quelle:
Zentrale Geschäftsstelle Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (Hrsg.): Städtebau und Kriminalprävention – Eine Broschüre für die planerische Praxis, Stuttgart 2005.
3. Das sichere Wohnumfeld
Das Sicherheitsgefühl der Bewohner ist ein wichtiger Faktor für die die Akzeptanz und Attraktivität
einer Siedlung. In der öffentlichen Meinung wird die monotone Architektur einer hochgeschossigen
Großwohnsiedlung der 60er und 70er Jahre als eine Ursache für Unsicherheit angesehen. Auch
wenn nicht jede Großsiedlung Nachteile aufweist, kommen dort vielfach negative Faktoren zusammen: eine hohe Anzahl der Wohnungen, die an einen Eingang angeschlossen sind und zur Desorientierung führen, Anonymität der Freiflächen, Zugänge, eventuell Angsträume durch schlecht beleuchtete Wegeführungen, fehlende Läden und Treffpunkte, multiethnische Mischung und Armut
können die Grundlage für fehlende Sicherheit und Vandalismus bilden.
Nachkriegssiedlungen der 50er und 60er Jahre sowie Gartensiedlungen unterscheiden sich von den
Großwohnsiedlungen durch ihre zumeist älteren Nutzer, die mit der Siedlung „in die Jahre gekommen sind“. Hier empfiehlt es sich, bei einer anstehenden Sanierung einen höheren technischen
Sicherheitsstandard einzurichten. Die großzügigen Freiflächen und Übergänge vom Gebäude ins
Freie müssen den veränderten Anforderungen an Kommunikation und gegenseitiger Hilfe angepasst werden. Die Wohnumfeldanpassung ist so auch ein interdisziplinäres Arbeitsfeld. Die Landschaftsarchitektur bildet den qualitätsvollen Rahmen für eine dauerhafte Nutzung und Pflege durch
die Bewohner für Naturwahrnehmung, Nutzgärten, Freizeitgestaltung und „Urlaub zu Hause“. Die
Stadtplanung leistet unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung die Einbettung der
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Siedlung in ihr Quartier durch Verknüpfung interner und externer Wegebeziehungen, fußläufige barrierefreie Erschließung und Verbindung mit den Versorgungseinrichtungen.
Gründerzeitquartiere hingegen gewinnen durch ihre innerstädtische und gut infrastrukturell versorgte Lage wieder an Attraktivität und sind beliebt bei Familien mit Kindern sowie einer ökonomisch
aufstrebenden Schicht. Problematisch kann sein: Bei Sanierungsstau ist die Abwanderung dieser
Schichten zu befürchten, bei Luxussanierungen kann es zur Verdrängung der ursprünglichen Bewohnerschaft kommen. Eine gute Mischung der Bewohner lässt sich durch werterhaltende Maßnahmen der Gebäudesanierung und Rückbesinnung auf positive städtebauliche Ansätze der geschlossenen Innenhöfe und der städtebaulichen Nutzungsmischung in Erdgeschossen erzielen.
3.1 Planungsempfehlungen
Nachfolgend beschriebene Maßnahmen sind Bausteine, die jeweils in den beschriebenen Siedlungstypen unterschiedlich gebündelt zum Einsatz kommen können:
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Soziale Kontrolle, z. B. durch maßstäbliche, nicht zu großzügige Anlage halböffentlicher Flächen und Plätze ermöglichen
Angebote mit Aufenthaltsqualität und Kommunikationsmöglichkeiten an den Schnittstellen
zwischen Außen- und Innenraum von Gebäuden (wie z. B. Balkonen, Eingängen, Vorplätzen, Überdachungen) schaffen
Übersichtlichkeit im Außenbereich (z.B. durch geordnet platzierte Bäume und Strauchbepflanzungen schaffen) um auch wildes Parken zu verhindern
eindeutige Gestaltung mit Orientierungshilfen für das Auffinden unterschiedlicher Funktionen
wie Gehen, Sitzen, Gärtnern, Spielen, Fahren, Parken, Müllsammel- und Fahrrad-Stellplätze,
Motorradbastelplätze etc,
helle Gestaltung des Außenraums (z. B. durch entsprechende Beleuchtung der Wege); offene und gut einsehbare öffentliche Treppenaufgänge, Eingangszonen, Fahrstühle planen
Grundstücksgrenzen, z.B. durch Zäune, Mauern oder Hecken deutlich markieren, ohne jedoch unübersichtliche Nischen mit Versteckmöglichkeiten zu schaffen
Überschaubarkeit des Wohnumfeldes durch die Bauweise von Gebäuden planen, (z. B.
durch exponierte Eingangssituationen)
Blickbeziehungen von Wohnungen und anderen Aufenthaltsräumen auf Parkplätze, Straßen,
Gassen, Fußwegen und Eingänge durch entsprechende Anordnung der Fenster vorsehen
Inwertsetzen von Architektur und Städtebau unter Beteiligung der Nutzer und Bewohner, sodass diese sich mit dem Quartier und seinem Erscheinungsbild identifizieren können
Beschränken der Wohnungsanzahlen pro Haus und Beschränken der Geschosse pro Haus
Mindestabstand von Leuchten, Dauerbeleuchtung, Bewegungsmelder an Eingängen vorsehen
Terrassen- und Mietergärten zur Erhöhung von Verantwortung und sozialer Kontrolle planen
große bzw. gut aus der Entfernung und auch im Dunkeln erkennbare und auffindbare Hausnummern und Straßenschilder für optimale Orientierung gestalten
einladendes Vordach und eine funktionale (und funktionierende) Adressenbeleuchtung vorsehen
Dezentrale abschließbare Müllsammelplätze in Haustürnähe zur Erhöhung der sozialen Kontrolle und Pflegebereitschaft planen
Treppenhaus als Ort der nachbarschaftlichen Begegnung und Hilfe gestalten
Mietergarten mit direktem Zugang vom Balkon als Erweiterung der Wohnung und Qualitätssteigerung berücksichtigen
Hauseingang als beliebten Ort für spontane nachbarschaftliche Gespräche gestalten und
Aufenthaltsbereiche für verschiedene Altersgruppen schaffen
4. Das sichere Gebäude
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Einfamilienhausgebiete sind in der Regel reine Wohngebiete mit Konzentration der Bewohner auf
den Schutz und die Abschirmung ihres Eigentums. Strukturen mit zu vielen Einfamilienhäusern sind
dabei städtebaulich nicht sinnvoll und sollten mit anderen Nutzungen wie Parks, verdichteten Teilbereichen und Infrastruktureinrichtungen durchmischt werden.
Zonierungen zwischen öffentlichen, halböffentlichen und privaten Räumen reduzieren sich auf die
Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Raum. Städtebauliche integrative Rahmenbedingungen konzentrieren sich somit auf die Verkehrsberuhigung und Straßenführung z.B. als Sackgassen, Anlieger- oder Spielstraßen. Beispielsweise kann eine Platzgestaltung mit Aufenthaltsqualität im Zusammenhang mit Wendehämmern Grundlage einer entstehenden Kommunikation unter
Nachbarn bilden.
Die kriminalpräventiven Maßnahmen konzentrieren sich damit auf die Inwertsetzung durch gute architektonische Gestaltung und technische Haussicherung, der hier besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll.
4.1 Planungsempfehlungen
Gute Einsehbarkeit, helle Beleuchtung für die Wegeführung im Wohnumfeld und intelligent gesetzte
Bepflanzungen verhindern ein unbeobachtetes Eindringen auf private Grundstücke und ein unbeobachtetes Annähern an Gebäude. Wesentlich ist es, dass auch die Rückseiten von Gebäuden, in
der Regel die Gartenseite zumindest partiell eingesehen werden kann.
Aus den CPTED-Grundsätzen („Crime Prevention Through Environmental Design“) und anderen
Empfehlungen treffen speziell hier auch folgende Aspekte zu:
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Deutliche Markierungen von Grundstücksgrenzen (z.B. durch Zäune, Mauern oder Hecken,
ohne jedoch unübersichtliche Nischen mit Versteckmöglichkeiten)
helle Gestaltung des Außenraums, z. B. durch entsprechende Beleuchtung
Wertigkeit der Fassadengestaltung
Kontrollierter Zugang durch die Gestaltung der Eingangsbereiche
Verhinderung des Zugangs für Unbefugte durch die Gestaltung von Balkonen, Dächern und
anderen Teilen der Gebäudekonstruktion
Vermeidung möglicher Einstiegshilfen wie Mülltonnen oder Leitern am Haus
Ausreichende Beleuchtung innerhalb des Gebäudes
Ausstattung der Fenster und Türen mit geprüfter Sicherheitstechnik
4.2 Technische Prävention
In Einfamilienhäusern führt der einfachste Weg für Einbrecher über die Terrassen- oder Balkontüren
und Fenster, während die Zahl von Einbrüchen über die Hauseingangstüre zurückgeht. Manche
Täter scheuen selbst nicht, über gut einsehbare Fenster im Frontbereich eines Hauses eindringen
zu wollen.
Auch in Mehrfamilienhäusern bevorzugen die Täter ganz besonders in den Erdgeschosswohnungen
Terrassen- und Balkontüren, dann folgen die Fenster. Zum Einbruch in den Obergeschossen wird
oft ein Weg über vorhandene Einstiegshilfen wie Mülltonnen, Pergolen oder Garagenanbauten gesucht.
Immerhin sind ca. 45 % aller versuchten Wohnungseinbrüche an vorhandenen Sicherungen gescheitert. Sicherheitstechnik gehört neben einer funktionierenden Nachbarschaft und der Bereitschaft, im Einzelfall Zivilcourage aufzubringen und Hilfe zu leisten, zu einer effektiven Kriminalprävention. Neben Zivilcourage im Fall einer kriminellen Handlung gegen eine Person oder ein Objekt
sind auch die Übernahme gemeinschaftlicher Verantwortung für die eigene Umgebung durch Mitgestaltung in der Vorbereitung, die Funktionalität durch nutzerorientierte Planung und der Objektschutz
durch geplante Robustheit in der Ausführung von wesentlicher Bedeutung.
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4.3 Standards für technische Sicherungsmaßnahmen im privaten Wohnbereich
Gute Sicherungstechnik zu überwinden kostet den Täter Zeit, zwingt zu ungewollter Lärmentwicklung und erhöht das Entdeckungsrisiko. Wohnungseinbrecher scheitern häufig an mechanischer
Sicherungstechnik wie z. B. widerstandsfähigen Türen, d.h. Türen mit Einbruch hemmenden Komponenten (Schutzbeschlägen, entsprechenden Schließblechen und Schlössern, Mehrfachverriegelungen), Türen mit speziellen Zusatzsicherungen, wie z. B. Querriegelschlössern oder Fenstern /
Fenstertüren mit Zusatzsicherungen.
Bei der Beurteilung sind zwei wesentliche Gesichtspunkte zu beachten: die Verwendung von geprüften und zertifizierten Sicherungen bei Neu- oder Umbauten bzw. die Verwendung entsprechender
Nachrüstprodukte und die Montage durch geschulte Fachbetriebe. Die Qualität einer mechanischen
Sicherungseinrichtung hängt nicht nur vom Produkt, sondern in gleichem Maße auch von ihrem
fachgerechten Einbau ab. Es ist allerdings zu empfehlen, die Wahl der Maßnahmen mit unabhängigen Fachleuten, also Architekten oder der Polizei zu besprechen. Nicht jede Maßnahme ist grundsätzlich an jeder Stelle sinnvoll.
4.4 Sicherungsmaßnahmen im Neubau
Bei Neu- und Umbauten im privaten Wohnbereich wird grundsätzlich der Einbau geprüfter Einbruch
hemmender Fenster, Fenstertüren, Türen etc. mindestens der Widerstandsklasse (WK) 2 nach DIN
V ENV 1627 "Fenster, Türen, Abschlüsse - Einbruchhemmung - Anforderungen und Klassifizierung"
empfohlen, um einen guten Einbruchschutz zu erhalten.
Bauteile der Widerstandsklasse (WK) 1 weisen lediglich einen Grundschutz gegen Aufbruchversuche mit körperlicher Gewalt auf wie z. B. Gegentreten, Gegenspringen, Schulterwurf, aber nicht in
ausreichendem Maße gegen den Einsatz von Hebelwerkzeugen. Sie bieten sich daher nur dort an,
wo sie außerhalb jeder Erreichbarkeit für einen Täter in oberen Geschossen eines Wohnhauses
liegen.
4.5 Sicherungsprodukte im Bereich der Nachrüstung
Sollen bestehende Gebäude nachgerüstet werden, kann ebenfalls auf geprüfte und zertifizierte Produkte zurückgegriffen werden. Die Einbruchsicherheit von Türen und Fenstern mit Standardbeschlägen kann durch ein Nachrüsten mit Zusatzsicherungen auf der Griff-, Schloss- und Bandseite
erhöht werden. Der Widerstand von Fenstern, Fenstertüren und Türen gegen Einbruch sollte soweit
erhöht werden, dass das Überwinden bzw. "Aufhebeln" mit einfachen Hebelwerkzeugen wie
Schraubendrehern erschwert wird. Außerdem kann der Schutz mithilfe feststehender und beweglicher Gitter, Vorsatzgitter, Gitterrostsicherungen sowie vergleichbarer Schutzsysteme erhöht werden.
5. Normen und Vorschriften
Planungsnormen
 DIN EN 14383-1
Vorbeugende Kriminalitätsbekämpfung
 DIN V EN 14383-2
Vorbeugende Kriminalitätsbekämpfung
(zurückgezogen)
 DIN CEN/TS 14383-3
Vorbeugende Kriminalitätsbekämpfung
 DIN CEN/TS 14383-4
Vorbeugende Kriminalitätsbekämpfung
rogebäude
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- Stadt- und Gebäudeplanung - Teil 1: Begriffe
- Stadt- und Gebäudeplanung - Teil 2: Stadtplanung
- Stadt- und Gebäudeplanung- Teil 3: Wohnungen
- Stadt- und Gebäudeplanung - Teil 4: Laden und Bü-
Ausschreibung und Vergabe
VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen - Teil C:
Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV)
Verschiedene ATV-Normen aus Teil C der VOB sehen ausdrücklich vor, Angaben zur Sicherheit in
die Leistungsbeschreibung aufzunehmen, z. B.
 DIN 18 357
Beschlagarbeiten
 DIN 18 358
Rollladenarbeiten
 DIN 18 361
Verglasungsarbeiten
Produktnormen
 DIN V EN 1627
Fenster, Türen, Abschlüsse - Einbruchhemmung - Anforderungen und Klassifizierung
 DIN 18104-1
Einbruchhemmende Nachrüstprodukte - Teil 1: Aufschraubbare Nachrüstprodukte für Fenster und Türen; Anforderungen und Prüfverfahren
 DIN 18104-2
Einbruchhemmende Nachrüstprodukte – Teil 2: Anforderungen und Prüfverfahren für im Falz
eingelassene Nachrüstprodukte für Fenster und Türen
 DIN 18106
Einbruchhemmende Gitter - Anforderungen und Prüfverfahren
 DIN EN 50131-1; VDE 0830-2-1
Alarmanlagen - Einbruch- und Überfallmeldeanlagen - Teil 1: Systemanforderungen
 DIN EN 50130 Beiblatt 1; VDE 0830-1 Beiblatt 1
Alarmanlagen - Leitfaden für Einrichtungen von Alarmanlagen zur Erreichung der Übereinstimmung mit EG-Richtlinien
 DIN EN 356
Glas im Bauwesen - Sicherheitssonderverglasung - Prüfverfahren und Klasseneinteilung des
Widerstandes gegen manuellen Angriff
 DIN EN 1063
Glas im Bauwesen - Sicherheitssonderverglasung - Prüfverfahren und Klasseneinteilung für
den Widerstand gegen Beschuss
 DIN EN 13541
Glas im Bauwesen - Sicherheitssonderverglasung - Prüfverfahren und Klasseneinteilung des
Widerstandes gegen Sprengwirkung
Weitere Informationen
Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
Zollhof 1
40221 Düsseldorf
Tel: (0211) 49 67 - 0
Fax: (0211) 49 67 - 99
E-Mail: [email protected]
Internet: www.aknw.de
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