Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?

Werbung
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Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?
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I. Konjunktur und Werbung................................. 2
II. Werbemärkte – global, national, regional........ 5
III. Werbende Firmen und Werbekrise.................. 9
IV. Lage der Medien als Werbeträger...................12
V. Perspektiven der Agenturen............................19
VI. Werbung und Konsumentenverhalten.............20
VII. Demographische Trends.................................23
Vortrag von
Volker Nickel
Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW)
Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft/IHK Bayern
München, 24. März 2004
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I.
Konjunktur und Werbung
Werbewirtschaft – das ist ein komplexes Gebilde von Dienstleistungen und
Effekten. Bereits die Kerndaten dieses Marktes lassen das ahnen.
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Basisdaten Werbewirtschaft 2003
Werbeinvestitionen in Deutschland......................29 Mrd €
Anteil am BIP.............................................................1,4 %
...davon
Netto in den Kassen der Medien...........19,5 Mrd €
Beschäftigte gesamt..............................................352.000
...davon
Kernbereich des Werbegeschäfts..............182.000
Zulieferbetriebe...........................................170.000
Arbeitslosenquote......................................................5,2 %
______________________________________________
Quelle: ZAW
Das Beziehungsgeflecht erinnert an die Quadratur des Kreises:
-
Die werbenden Firmen wollen effizient und effektiv ihre Waren und
Dienstleistungen in ihren Märkten anpreisen
-
Die Werbeagenturen gestalten diesen Kommunikationsprozess
-
Die Medien transportieren und profitieren davon
-
Und die Konsumenten sind in der nicht immer beneidenswerten Lage,
Vielfalt und Qualität, Preiswürdigkeit und Verfügbarkeit vor Augen geführt zu
bekommen.
Warum 'Quadratur des Kreises'? Unterschiedliche Interessen sind
miteinander verwoben. Und der ganze Prozess ist wiederum nur Teil des
Ganzen – Teil des Wirtschaftssystems. Es gibt Euphoriker, die meinen,
Werbung sei der Motor der Wirtschaft. Bescheidener formuliert ist es der
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unerlässliche Treibriemen. Er gibt der Wirtschaft Schwung. Fehlt er, bleibt er
stehen – der Markt, bilden sich Monopole, stirbt Wettbewerb ab und damit
Angebotsvielfalt, Preiswettbewerb, Innovationsdruck. Am Ende ist der
Verbraucher der Dumme. Richtig aber ist auch: Werbung ist mehr denn je
abhängig von Außeneinflüssen.
Die gegenwärtige konjunkturelle Lage lässt sich bei freundlichen Gedanken
nur als unscharf kennzeichnen. Prognosen verfallen schneller als das
Haltbarkeitsdatum von Frischkäse. Die Wirtschaftsexperten schätzen das
Wachstum in diesem Jahr für Deutschland unterschiedlich ein. Nationale
Institute korrigieren gegenwärtig mehr nach unten, der Internationale
Währungsfonds für Deutschland nach oben. Müßig darüber zu sinnieren.
Fakt ist: Die Produktion von Gütern schrumpft in Deutschland. Zwei Gründe
stechen hervor: Deutsche Firmen erschließen sich neue Märkte mit einer
Produktionsbasis am ausländischen Ort. Und sie nutzen Kostenvorteile in
Ländern mit niedrigeren Arbeitskosten.
Und erlauben Sie die Fußnote: Bundeskanzler Schröder bezeichnet solches
Verhalten als "unpatriotisch". Die Unternehmen als vaterlandslose Gesellen
also. Wir nähern uns in Deutschland einer gigantischen Kabarettveranstaltung.
Jammern und Politik betreiben nach dem Prinzip 'Haltet den Dieb' bewegt
indessen garnichts. Der Beitritt der zehn Kandidaten zur Europäischen Union
beispielsweise ist aus wirtschaftspolitischer Sicht als herausragendes Ereignis
des Jahres 2004 nicht als Bedrohung des Wirtschaftsstandorts Deutschland
einzuordnen, sondern aktiv als Chance anzugehen. Der Handel wächst. Mehr
Wettbewerb bedeutet von hier aus auch neue Märkte. Die EU-Gemeinde wird
von 370 auf 450 Mio Einwohner erweitert. Nur müssen in unserem Land die
Bedingungen verbessert werden, flexibilisiert werden, damit wir unsere
Konkurrenzfähigkeit zurückgewinnen. Denn gegenwärtig haben wir es mit einer
Lage zu tun, die ein Maschinenbauer aus Hückeswagen im Bergischen Land so
kennzeichnet: "Bis ich mit der Gewerkschaft klar bin, hat mein amerikanischer
Konkurrent bereits die ersten Maschinen beim Kunden aufgestellt."
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Bleiben wir für dieses Jahre realistisch. Von Aufschwung werden wir 2004
nicht reden können – also davon, dass die Wirtschaft schneller wächst, als das
Produktionspotenzial. Was aber drin steckt, ist eine moderate KonjunkturErholung.
Beispiel Dienstleistungen: Laut Studie des Zentrums für Europäische
Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim und des Verbandes Vereinte
Creditreform in Neuss erwartet die Mehrheit der Dienstleistungsunternehmen im
Jahr 2004 positive Effekte bei Umsatz und Ertrag.
Wie stark der Dienstleistungssektor geworden ist, wird am Beispiel Bayern
deutlich. In keinem anderen Bundesland hat sich die Wirtschaftsstruktur seit
Ende des Zweiten Weltkriegs so verändert wie hier. Aus einem stark agrarisch
geprägten Land ist ein moderner Industrie- und Dienstleistungsstandort
geworden.
Obwohl Bayern nach wie vor Deutschlands größter Nahrungsmittelproduzent
ist, trägt die Landwirtschaft nur noch 1 Prozent zur Wertschöpfung bei.
32 Prozent erwirtschaftet das produzierende Gewerbe in Bayern, aber 67
Prozent der Dienstleistungssektor.
Zurück zur Werbung: Welche Rolle kann Markt-Kommunikation bei der
Erholung der Wirtschaft spielen? Auch hier sollte man die Nähe zum wirklichen
Leben suchen. Was vermag Werbung – volkswirtschaftlich analysiert? Eine
ganze Menge Markt-Kommunikation kann Abschwungphasen einer
Volkswirtschaft nicht verhindern, aber durch intensiveren Einsatz der Werbung
dämpfen. Werbung ist auch nicht in der Lage, den Aufschwung zu bewirken, sie
kann ihn aber verstärken.
Gerade jetzt, gerade heute können die Unternehmer zeigen, was ihre
Qualität ausmacht. Investieren zum richtigen Zeitpunkt – auch in MarktKommunikation. Manche Firma, die jetzt unterlässt, statt zu unternehmen, kann
zurückfallen. Mut zur Zukunft heißt auch Mut zum Risiko – auch in der
Werbung.
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II.
Werbemärkte – global, national, regional
In welchem Zustand befinden sich die Werbemärkte – global, national und
regional? Es gehört zu den grauen Kapiteln dieser Branche, dass valide Daten
im Bereich der Werbemärkte nur punktuell aber kaum generell vorhanden sind.
Allein über den Begriff 'Werbeausgaben' oder 'Werbeinvestitionen' herrscht
babylonische Sprachverwirrung. Immerhin gibt es Anhaltspunkte für die Welt
und für Europa. Verfügbar sind Daten des britischen World Advertising
Research Center. Sie erscheinen allerdings mit einer Zeitverzögerung von
eineinhalb Jahren.
Danach sind die werbestärksten Staaten dieser Erde USA und Japan und an
dritter Position bereits China. Und dann erst Großbritannien und an fünfter
Position Deutschland.
Der Fokus auf Europa zeigt die Werbedominanz der Länder Großbritannien
und Deutschland. Abgeschlagen folgen dagegen Frankreich, Italien und
Spanien.
Die Prognose über das Werbegeschäft der Massenmedien und damit über
die Werbekonjunktur lässt zumindest für die kommenden Jahre in Europa
kontinuierliches Wachstum voraussagen, wenn man dem
Forschungsunternehmen Zenith Optimedia folgen will. Hervor sticht aber das im
Vergleich zur alten Welt ausgeprägte Werbewachstum im asiatisch-pazifischen
Raum. Es wird insbesondere beflügelt vom großen Newcomer in der
Weltwirtschaft, der Chinesischen Volksrepublik. Sie soll alleine im vergangenen
Jahr eine Steigerung der Werbeinvestitionen um 30 Prozent verzeichnet haben.
Auf sicherem Terrain bei den Daten über die monetäre Lage der
Investitionen in Werbung bewegen wir uns in Deutschland. Und dort ist fast
Dramatisches zu beobachten gewesen.
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Prognose Werbung in Massenmedien*)
2003
2004
2005
2006
Nordamerika
USA
Kanada
3,0
3,0
3,3
5,0
5,1
3,4
4,2
4,2
3,1
4,4
4,4
3,0
III.
Europa
1,8
3,7
3,8
4,2
Frankreich
Deutschland1)
Italien
Spanien
Großbritannien
1,0
-2,0
-0,2
0,9
1,1
2,1
1,5
3,0
3,3
3,2
2,6
3,0
3,6
3,9
2,9
3,0
4,5
4,2
4,1
2,9
Asiatisch-pazifischer Raum
Japan
5,1
0,8
5,1
1,5
5,7
1,9
6,3
2,0
Lateinamerika
2,5
0,6
2,7
3,1
Rest der Welt
11,0
10,8
9,5
8,6
3,4
4,7
4,5
4,8
Massenmedien gesamt
*) Betrifft die Massenmedien Zeitungen, Zeitschriften, TV, Radio, Kino, Outdoor und
Internet, Angaben in Prozent, währungsbedingt
Quelle: Zenith Optimedia, Stand Dezember 2003, 1) ZAW
Investitionen in Werbung
Deutschland
nominal / in Mrd Euro / gerundet
Investitionen in Werbung
Gesamt
Honorare, Werbemittelproduktion, Medien
davon
Einnahmen Werbeträger
Quelle: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW)
* geschätzt
Deutschland gesamt
Ergebnisse
1999
2000
2001
2002
2003*
31,44
+4,2%
33,21
+5,6%
31,46
-5,1%
29,62
-5,9%
29,03
-2,0 %
23,38
21,69
+7,1% -7,2%
20,07
-7,5%
19,45
-3,1%
21,83
+4,9%
Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?
Seite 7
Was ist geschehen? Alle hatten sich doch zu recht daran gewöhnt: Werbung
ist fast immer Wachstumsmarkt. Und das in berauschender Kontinuität –
Dekade auf Dekade. Allein in den neunziger Jahren sind die Investitionen der
Wirtschaft in ihrer Markt-Kommunikation um fast zwei Drittel auf 33 Mrd € im
Jahr 2000 explodiert. Dann aber die Wende. Werberezession, drei Jahre
hintereinander. Noch nie seit 1949 hat es in Deutschland einen derart langen
Abwärtstrend im Werbegeschäft gegeben. Mit herbem Verlust: In den drei
Jahren Werberezession zwischen 2001 und 2003 schrumpften die Investitionen
in Werbung um mehr als 4 Mrd € - also um fast 13 Prozent.
Noch deutlicher wird der Einbruch bei der Gegenüberstellung des
Bruttoinlandprodukts mit den gesamten Werbeinvestitionen und davon den
Netto-Werbeeinnahmen der Medien.
Investitionen in Werbung 1994 bis 2003
Honorare/Gehälter + Werbemittelproduktion + Medienkosten
Jahr
BIP in Mrd
Euro
Werbeinvestitionen
in Mrd Euro
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003*
1698,36
1801,28
1833,75
1871,60
1929,40
1974,30
2025,53
2073,70
2110,40
2129,80
25,97
27,41
28,07
28,94
30,17
31,44
33,21
31,46
29,62
29,03
Davon NettoMedieneinnahmen
in Mrd Euro
17,38
18,61
19,07
19,79
20,81
21,83
23,37
21,69
20,07
19,45
Quelle: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft/Statistisches Bundesamt
*ZAW: geschätzt, Statistisches Bundesamt: nach ersten Berechnungen
Deutlich zu sehen ist, wie die Werbeinvestitionen signifikant unterhalb des
Bruttoinlandprodukts verliefen. Aber immerhin: Der Abwärtstrend hat sich
verlangsamt. Noch liegen die Erhebungen der Werbeumsätze für das Jahr 2003
nicht vor – gegenwärtig laufen die Betriebserhebungen. Wir gehen von einem
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Minus bei den Werbeinvestitionen von 2 Prozent aus und davon bei den
Medieneinnahmen aus dem Werbegeschäft von minus 3 Prozent.
Prognosen über das Jahr 2004 abzugeben wäre zwar keine Scharlatanerie
aber leichtfertig: Äußere und innere Einflussfaktoren sind zu ungewiss. Dass wir
aber auf eine gewisse Erholung zusteuern, die zwar noch keinen
durchgreifenden Aufschwung mit sich bringen wird, ist zumindest in Ansätzen
erkennbar. So vermittelt die Teilerhebung der Werbeeinnahmen der Medien
durch das Forschungsinstitut Nielsen Media Research (Hamburg) eine
Steigerung um 4 Prozent von Januar bis Februar im Vergleich zum Vorjahr.
Unter den 10 werbeintensivsten Branchen ist bei 8 eine klare Ausweitung der
Werbeetats zu beobachten – insbesondere bei den Massenmedien,
Handelsorganisationen, dem Telekommunikationssektor, den
Finanzdienstleistungen und Reisegesellschaften.
Das verdeutlicht den starken Stellenwert der Dienstleistungen. Sie entwickeln
sich zu einer wichtigen Größe bei der Erholung des deutschen Werbemarkts.
Mehr noch: Es ist absehbar, dass mit wachsender Bedeutung des Sektors
Dienstleistungen auch deren Investitionen in Werbung die Dynamik in der
Markt-Kommunikation prägen.
Die Gegenüberstellung von zwei Zahlen weist darauf hin. Nach Schätzungen
des ZAW betrugen die Werbeausgaben der Dienstleistungen in Deutschland im
Jahr 1999 rund 6,6 Mrd €. Anteil am gesamten Werbemarkt: rund 20 %. Fünf
Jahre weiter – trotz Werbekrise – beziffert sich dieser Wert bereits auf 8,5 Mrd
€. Der Marktanteil betrug damit im vergangenen Jahr bereits 29 %.
Aufschlussreich ist auch der Anteil Bayerns am gesamten Werbemarkt. Er
lässt sich zwar nicht definitiv erheben, aber verlässlich schätzen. Danach zeigt
der bayerische Werbemarkt auch im Werberezessionsjahr 2003 Wachstum –
zumindest im statistischen Schnitt von +3,3 %. Der Anteil Bayerns am
gesamten deutschen Werbemarkt betrug im vergangenen Jahr 10 %.
Angesichts des starken Dienstleistungssektors und dessen Werbedynamik hier
in Bayern ist mit weiterem Wachstum zu rechnen.
Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?
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III.
Werbende Firmen und Werbekrise
Für die Zukunft vor allem der Planung von Werbung wichtig sind die
Erfahrungen aus der Rezession.
Vermutlich wäre die Werbekrise nicht so stark ausgefallen, wenn mehr
Erkenntnisse über effektives betriebswirtschaftliches Werbeverhalten in
Krisenzeiten präsent gewesen wäre. Manch einer hat da nach dem Prinzip
agiert: Wenn andere Werbeetats abbauen, dann können wir das auch beruhigt
tun. Wie also als Unternehmen in der Werbekrise agieren – prozyklisch oder
antizyklisch?
Diese Fragen wird die Werbebranche aus zwei Gründen nicht loslassen:
Markt-Kommunikation muss sich künftig rascherem Wechsel des
Wirtschaftsverlaufs anpassen. Und: Nach der Krise ist vor der Krise.
In früheren rezessiven Phasen ist diese Auseinandersetzung weder auf der
Ebene von Werbepraktikern noch auf jener der Wissenschaft zu Ende geführt
worden. Deshalb fehlt es bis heute an fundierten Verhaltensempfehlungen. Der
wesentliche Grund für das Versäumnis liegt in einem positiven Umstand: Zu
schnell gewann die Werbekonjunktur wieder an Fahrt und verdeckte die
betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, Basismaterial für den Umgang mit der
Marktkommunikation in Krisenzeiten zu schaffen.
Patentrezepte gibt es nicht. Unternehmen müssen ihre Werbeetats an ihren
Marktzielen orientieren. In der zurückliegenden Werberezession hat aber
manche Firma gespürt: Der Verzicht auf Werbung kann der Aufbruch in den
Abbruch von Marktanteilen bedeuten. Wer in der Wettbewerbswirtschaft
untertaucht, überlässt sehr rasch der Konkurrenz den Markt – ob in der
Rezession, der Stagnation oder der Konjunktur.
Und eine weitere Erfahrung aus Werbekrisen gilt es festzuhalten: Wenn
der Werbemarkt lahmt, wird das Ende der sogenannten 'klassischen
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Werbung' vorausgesagt. So auch wieder jetzt. Nun spannen andere
Bereiche kommerzieller Kommunikation verbal ihre Muskeln.
Bereits ein flüchtiger Blick auf konkrete Daten zeigt die Wirklichkeit:
Tatsächlich sind die Investitionen in klassische Werbeträger allein im
neunziger Jahrzehnt von 20,2 Mrd € auf 33,2 Mrd € gewachsen, also um
fast zwei Drittel. Deutschland gehört ja unterdessen zur Spitzengruppe der
werbestärksten Länder der Erde.
Natürlich: Im allgemeinen Abschwung der deutschen Wirtschaft ist auch
der Werbemarkt geschrumpft. Aber sämtliche MarktKommunikationsinstrumente hatten unter der Krise zu leiden, wie die
rückläufigen Umsätze der einzelnen Gattungen ausweisen.
Die Unentbehrlichkeit der Werbung in klassischen Medien zeigte sich
selbst im tiefroten Werbejahr 2002: Von den 50 werbestärksten Branchen
investierten 26 zum Teil erheblich mehr in Werbung.
Der Anfang vom Ende der sogenannten 'klassischen Werbung' sähe
anders aus. Es gilt hier die babylonische Sprachverwirrung zu klären.
Denn die Aktivitäten in Sachen Markt-Kommunikation einzuteilen
zwischen 'klassischer Werbung' und der Dachvokabel 'Below the line' ist
ein überflüssiger semantischer Streit.
Was kann 'klassisch' sein an einem Markt, der sich ständig modern
halten muss in Wort, Bild und Schrift, in Ton und Tonlage – immer dem
aktuellen gesellschaftlichen Zustand so körpernah wie möglich? Es geht
gar nicht um 'klassische Werbung', sondern um zeitgerechte Werbung in
klassischen Werbeträgern – überwiegend also in Massenmedien.
Ebenso ist die Fachvokabel 'Below the line' eher ein Fördermittel für die
Begriffsverwirrung in der Werbebranche. Gehört dazu die Werbung per
Post oder nur Sponsoring, Event-Marketing, Werbeartikel,
Telefonmarketing und sogenannte Ambientwerbung?
Tatsächlich handelt es sich bei diesen Disziplinen um verschiedene
Kommunikationsarten außerhalb der Werbung in klassischen Medien, die
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sie aber mit unterschiedlichen Effekten und Qualitäten hervorragend
flankieren und stützen können.
Auf europäischer Ebene wurde der umfassende Begriff "Kommerzielle
Kommunikation" als Sammelbezeichnung für diesen Bereich
unternehmerischen Handelns eingeführt. Er entspricht den modernen
Verhältnissen. Denn unterdessen enthält auch die massenmediale
Werbung zahlreiche Kommunikationsvarianten: Telefonnummern,
Rückantworten wie Postkarten oder Coupons, Internet-Adressen,
Veranstaltungshinweise.
Ebenso wächst der Trend in der Markt- Kommunikation zum integrierten
Einsatz von Werbemitteln. Zum Beispiel weist eine Produktanzeige auf ein
Event hin oder TV-Sponsoring unterstützt die Markenwerbung mit
klassischen Werbemitteln wie Anzeigen oder Spots.
Es besteht kein Zweifel daran, dass neben massenmedialer Werbung
auch andere Instrumente der kommerziellen Kommunikation an
Bedeutung gewonnen haben, wie insbesondere Sponsoring. Dies ist ein
betriebswirtschaftlich folgerichtiger Reflex auf die Individualisierung der
Gesellschaft.
Die Möglichkeiten der kommerziellen Kommunikation sind dadurch
vielfältiger geworden, was zur Steigerung der Effizienz und
Kostensenkung beiträgt – vorausgesetzt es wird professionell und
betriebswirtschaftlich geplant.
Daraus resultieren konkrete Chancen, dem jahrelangen Wortgeklingel
um "Integrierte Kommunikation" in den Märkten Taten folgen zu lassen.
Die Zeit war betriebswirtschaftlich nie so günstig dafür, wie gerade jetzt.
Aber es gibt Defizite. Mitarbeiter sind für die Integration nicht
ausgebildet, es fehlen Controlling-Instrumente. Die Suche nach optimalen
Strukturen und Methoden dauert an. Auch das Zusammenspiel mit
Werbung in klassischen Werbeträgern ist systematisch nicht erfasst und
geschweige denn entwickelt. Das ist eine Management-Aufgabe von hoher
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Priorität im gesamten Triangel der Markt-Kommunikationsarbeit – also bei
werbenden Unternehmen, Agenturen und Medien.
Gerade aus diesem Zusammenhang heraus bleibt es auch in Zukunft
dabei: Massenprodukte brauchen aus Gründen der Effizienz und
Effektivität Massenmedien. Sie werden aber immer stärker mit anderen
Mitteln der Kommunikation verzahnt beziehungsweise in
Kommunikationsziele eingebunden.
Schluss also damit, die eine Gattung kommerzieller Kommunikation
gegen die andere ausspielen zu wollen. Das ist antiquiert und nicht
zukunftsorientiert.
Dramatisiert aus der Werbekrise heraus zeigt sich auch die Debatte um die
Zukunft der Markenartikel. Der Kunde wende sich immer stärker von den
Herstellermarken ab und den Handelsmarken zu.
Neu ist das Ganze keineswegs. Den hybriden Kunden gibt es seit mehr als
15 Jahren. Dennoch zeigt sich Konstanz: Die Konsumgütermärkte werden nach
wie vor zu annähernd 80 Prozent von Marken dominiert. Der Mensch ändert
sich in seiner Struktur nicht – in seinen Wünschen, Bedürfnissen und
Sehnsüchten. Deshalb haben Marken Zukunft. Und: Ohne Werbung hätten sie
keine.
IV.
Lage der Medien als Werbeträger
Besonders bedeutsam ist das Thema Werbung nicht nur für die
werbungtreibenden Firmen als Instrument ihrer Absatzpolitik, sondern vor allem
auch für die Medien. Sie profitieren an jedem Werbe-Euro mit 66 Cent – also
mit zwei Dritteln. Die beständige Werbekonjunktur der vergangenen Jahrzehnte
hat in Deutschland zu einem weltweit einzigartigen quantitativen und
qualitativen Entwicklungsschub bei den Medien geführt und damit auch zu
einem modernen System der Werbeträger.
Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?
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Das machen bereits wenige Zahlen deutlich. Vor 20 Jahren gab es erst
10 TV-Programme, jetzt sind es 143 bundesweit, regional und lokal.
Sie strahlen heute jährlich 2,5 Mio TV-Spots aus. Die Veranstalter bieten
den werbenden Firmen mehr als 200.000 Schaltmöglichkeiten von
Werbung an.
Bei den Hörfunkprogrammen schoss das Angebot von 12 auf 302. Die
Anzahl der Publikumszeitschriften verdreifachte sich in diesen zwei
Dekaden auf heute 832 Titel. Und selbst die Tageszeitungen trotzten allen
elektronischen Verführungen des Publikums mit einer Titelanzahl von
heute 381 gegenüber 407 vor zwei Jahrzehnten.
Für die kommerzielle Kommunikation ist wesentlich in diesem
Zusammenhang die Frage, ob die Vielfalt auch durch entsprechende Nutzung
durch die Bürger und damit auch durch die Umworbenen honoriert wird.
Mediennutzung in und außerhalb der Freizeit
1)
2)
BRD gesamt , Mo-So , in Min./Tag
1970
1974
1980
1985
1990
1995
2000
22
13
26
47
101
12
146
68
21
17
37
75
114
12
167
99
22
17
44
92
114
11
174
112
17
16
57
98
110
12
178
117
16
13
63
110
123
14
196
125
17
13
58
105
142
18
211
126
14
15
45
162
162
23
6
7
276
225
Mediennutzung und Freizeit
Zeitung lesen in der Freizeit
Zeitung lesen außerhalb der Freizeit
Radio hören in der Freizeit
Radio hören außerhalb der Freizeit
Fernsehen in der Freizeit
Fernsehen außerhalb der Freizeit
Internetnutzung in der Freizeit
Internetnutzung außerhalb der Freizeit
3)
Mediennutzung in der Freizeit gesamt
3)
Mediennutzung außerhalb der Freizeitgesamt
1)
Bis einschließlich 1990 nur alte Bundesländer
Der Sonntag wurde erst ab 1990 in die Erhebung aufgenommen.
3)
Bei gleichzeitiger Nutzung von zwei Medien wurde für diesen Summenwert nur jeweils ein Medium gezählt.
2)
Quelle: Berg, Klaus/Christa-Maria Ridder (Hrsg.): Massenkommunikation VI. Eine Langzeitstudie zur Mediennutzung
und Medienbewertung 1964-2000. Schriftenreihe Media Perspektiven, band 16. Baden-Baden 2002.
Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?
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Der Blick auf die Mediennutzung bestätigt den Erfolg des
Dienstleistungsangebots der Medien. So stieg die Beschäftigung mit den
Medien in den vergangenen drei Dekaden enorm an:
-
In der Freizeit verdoppelte sich fast die Mediennutzung.
-
Außerhalb der Freizeit verdreifachte sie sich gar.
Rückt man noch ein wenig näher an ausgewählte Mediengattungen heran,
dann werden interessante Trends deutlich.
-
Die Beschäftigung mit der Zeitung in der Freizeit hat sich nach ihrem Hoch
in den siebziger Jahren eingepegelt. Dagegen ist die Leseintensität
außerhalb der Freizeit wieder gestiegen.
-
Umgekehrt beim Radiohören: In der Freizeit entwickelt sich die Nutzung
zurück während der Anstieg außerhalb der Freizeit signifikant ist.
-
Und erst das Fernsehen: Alle kritischen bis hin zu bösartigen Attacken auf
das TV-Angebot haben die Attraktivität des Mediums als
Freizeitbeschäftigung nicht gebrochen. Vielmehr ist die Beliebtheit noch
angestiegen. Außerhalb der Freizeit hat das Medium indessen kaum eine
Bedeutung.
-
Die Internetnutzung lässt sich über einen so großen Zeitraum nicht
betrachten – weil es dieses Medium so lange noch nicht gibt. Immerhin zeigt
die Grafik eine deutlich ansteigende Tendenz in der Nutzung.
Die Werberezession aber hat Spuren gezogen. Sie führt zu der Frage:
Schrumpft der Markt der Medien, schrumpft der Markt der Werbeträger? Aus
der aktuellen Situation heraus lässt sich ein Gemisch filtern, das aus
konjunkturellen, strukturellen und technischen Fragezeichen für die Zukunft der
Medienlandschaft besteht. Der Problemdruck bei den Pressemedien wirkt
gegenwärtig stärker als bei den elektronischen Werbeträgern TV und Hörfunk.
Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?
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Auch die quantitative Betrachtung der Medienstruktur – und damit auch die
Struktur der Werbeträger in Deutschland – ist aufschlussreich.
Werbeträger in Deutschland
Mediengruppe
Tageszeitungen
Wochenzeitungen
Anzeigenblätter
Publikumszeitschriften
Fachzeitschriften
Kundenzeitschriften
Telekommunikationsverzeichnisse
Massendrucksachen/
Infopost
TV-Programme
bundesweit, landesweit, regional u. lokal
Hörfunkprogramme
bundesweit, landesweit, regional u. lokal
Online-Angebote
Außenwerbung
Kino (Leinwände)
Anzahl
1998
398
27
1 331
809
1 080
72
2003
381
27
1267*
832
1 075
92
Veränderung
Prozent
- 4,3
- 4,8
+ 2,8
- 0,5
+ 27,8
131
206
+ 57,3
34,3 Mio
40,5 Mio
+ 18,1
-
-
-
4,4 Mrd
6,6 Mrd
+50,0
98
143*
+ 45,9
224
302
+34,8
95
380
+ 300,0
419 645*) 407 104
4 435
4 868
+ 9,8
Auflage
1998
29,7 Mio
2,3 Mio
88,2 Mio
142,5 Mio
26,4 Mio
52,7 Mio
2003
27,0 Mio
2,2 Mio
80,7 Mio*
139,4 Mio
24,6 Mio
57,1 Mio
Veränderung
Prozent
- 9,1
- 4,3
- 7,0
- 2,2
- 6,8
+ 8,3
34,0 Mio
36,0 Mio
angemeldete TV-Geräte
38,2 Mio
40,1 Mio
angemeldete HörfunkGeräte
2,1 Mrd
56,1 Mrd
Seitenkontakte
148,9 Mio 149,0 Mio
Kinobesucher
*nach vorläufigen Schätzungen
Quelle: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW)
Wachstum und Ansätze von Schrumpf-Prozessen sind erkennbar –
insbesondere bei den Pressemedien. Bei ihnen schlägt nach dem
Vereinigungsboom die allgemeine wirtschaftliche Lage teils heftig durch –
insbesondere bei den Auflagen. Bis auf die Kundenzeitschriften gerieten sie in
den vergangenen fünf Jahren ins quantitative Minus.
Fokussieren wir den Blick auf Tageszeitungen, Zeitschriften, Fernsehen
und Internet:
+ 5,9
+5,0
+ 2571,4
+ 0,1
Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?
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Die Tageszeitungen als monetär werbestärkste Mediengattung haben
allein in den Jahren 2001 und 2002 rund 1,6 Mrd € verloren und damit am
deutlichsten von allen Medien. Dies zeigt der Abstand zum Verlustträger
Nr. 2, dem Werbeträger Fernsehen mit 0,7 Mrd € Minus bei den NettoWerbeeinnahmen.
Im Jahr 2003 ist bei den Tageszeitungen der Anzeigenumfang um 6
Prozent zurückgegangen – im Stellenmarkt bis zu 50 Prozent. Die
Finanzreserven der meisten Verlage sind nach drei Krisenjahren stark
vermindert.
Wie kann die Lage stabilisiert werden? Offen bleibt die Frage, wie es
den Zeitungen gelingt, ihre Internet-Angebote vom Kostenverursacher in
einen Erlösbringer zumindest teilweise umzuwandeln.
Auch wird über Kundenbindungssysteme nachgedacht, wie es in
Österreich die Vorarlberger Nachrichten getan haben: Sie bieten ihren
Abonnenten beispielsweise Vorzugstarife für Strom, Eintrittskarten für
Kulturveranstaltungen oder Unfall-Versicherungen, was dem einzelnen
Abonnenten unter dem Strich eine Netto-Ersparnis von 100 € im Jahr
bringt. Solche Angebote aber könnten den Verlust der journalistischen
Integrität bedeuten. Die Hoffnung auf Konjunktur aber ist keine
ausreichende Marketingpolitik. Damit allein lässt sich die Zukunft nicht
meistern. Entsprechend richten sich die Verlage mit ihren MarketingKonzepten darauf ein.
Die Publikumszeitschriften schlossen das Jahr 2003 mit einem
bemerkenswert geringen Verlust an Anzeigenseiten von -0,3 Prozent ab.
In der Branche spricht man von einer Stabilisierung der Umsätze im
Werbegeschäft mit positiven Erwartungen für 2004. Die Auflagen ziehen
immerhin wieder leicht an. Die Anzahl neuer Titel wächst sogar im
Abgleich zu den vom Markt genommenen Zeitschriften.
Und der Werbeträger Fernsehen? Dass der Boom der TV-Werbung
nicht grenzenlos sein wird, hatten wenige Rufer in der Wüste bereits Mitte
Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?
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der neunziger Jahre vorausgesagt. Nun ist der Knick da. Erstmals seit
Aufkommen des Privaten Fernsehens schreiben TV-Sender rote Zahlen im
Werbegeschäft. Auch wenn sich jetzt dort nun eine gewisse Erholung
anfängt bemerkbar zu machen, mündet die Zukunft nicht unbedingt in
Wohlgefallen. Denn über den Fernsehsendern kreisen Fragezeichen.
Das Herausragende sind die Folgen der Digitaltechnik. In Kürze werden
TV-Geräte mit Festplatten-Recordern auf den Markt kommen –
sogenannte Persönliche Videorecorder – kurz "PVR" genannt. Sie könnten
sich als die größte Bedrohung der konventionellen Art der Fernsehnutzung
entwickeln.
Mit einem "PVR" kann man Fernsehprogramme aufnehmen und mit
kurzer Zeitverzögerung anschauen. Dabei lassen sich mit einer schnellen
Vorwärtstaste Werbeblöcke bequem überspringen. Das heißt, man kann
die Programme fast live sehen – aber ohne Werbung.
Wenn auch die Mediennutzung der Amerikaner nicht 1:1 auf
Deutschland übertragbar ist, so sind doch Testergebnisse interessant.
Danach sehen zwei Drittel der Teilnehmer, die mit einem PVR
ausgestattet sind, populäre Prime-Time-Programme zeitverzögert; davon
blenden drei Viertel die Werbeblöcke aus. Für die klassische Spotwerbung
könnten sich daraus existenzielle Gefahren entwickeln.
Inwieweit neue Möglichkeiten interaktiver Werbung durch die
Möglichkeit des Rückkanals TV-Werbung attraktiver machen können, ist
ebenso offen, wie noch ungelöste technische Fragen. Nicht nur
unzureichend ausgestattete Set-Top-Boxen, sondern auch kaum
abgestimmte Geschäftsmodelle und nicht ausgebaute rückkanalfähige
Kabelnetze sind vorerst Bremsfaktoren.
Realitätssinn tut auch in Sachen Internet not. Dieses Werbemedium
darf in seiner Vielgestaltigkeit nicht unterschätzt werden.
Wer jetzt das www als Werbeträger abschreibt, verhält sich genau so
Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?
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verhängnisvoll, wie jene, die es zum allein seligmachenden
Kommunikationsinstrument des neuen Jahrhunderts ausgerufen hatten.
Der Marktanteil am Werbegeschäft liegt immer noch auf niedrigem
Niveau. Allerdings mit kontinuierlichem Wachstum. Gegenwärtig macht die
Online-Werbung mit einem Volumen von 227 Mio € noch weniger als 2
Prozent am Werbemarkt aus.
Weil das Internet für Konsumenten und Unternehmen aber immer
stärker zu einem selbstverständlichen Bestandteil des täglichen Lebens
wird, wächst organisch dessen Bedeutung auch für die MarktKommunikationspolitik der Firmen. Gegenwärtig nutzt die Hälfte der
Deutschen das Internet. Und dahinter steckt Dynamik.
Der ZAW rechnet damit, dass der Anteil des Werbeträgers Internet bei
den Netto-Werbeeinnahmen bis zum Jahr 2006 die
5-Prozent-Marke erreicht haben wird.
Signalkraft hat auch die Umsatzentwicklung im Versandhandel. Dort hat
sich das Umsatzvolumen im Internet gegenüber dem Jahr 2000
verdreifacht und erreicht nun 3,6 Mrd €. Im Vergleich zum gesamten
Versandhandelsumsatz von mehr als 21 Mrd € beträgt das
Verkaufsvolumen über Online-Shops bereits 17 Prozent.
An Boden gewinnt auch die Handy-Werbung. Der Versandhändler Otto,
weltweit der Marktführer, erwartet, dass in den nächsten Jahren jede dritte
elektronisch eingehende Bestellung per Mobiltelefon aufgegeben wird.
Marktforschungsinstitute rechnen damit, dass in den nächsten drei Jahren
der mobile Vertriebskanal von derzeit 240 Mio € Umsatz auf 6,3 Mrd €
ansteigen wird. Auf dem Handy steht also viel Optimismus drauf. Aber es
sind auch erhebliche Möglichkeiten drin – vor allem für die MarktKommunikation.
Coca Cola hat bei einer ersten sieben Wochen dauernden SMSKampagne 5,9 Mio Rückkontakte erhalten. Das sind Einübungen und
Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?
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Generieren von Erfahrungen. Sie deuten aber auf ein gewisses neues
Werbepotential hin.
Wachstum gleichfalls bei der Werbung in Computerspielen – ein Genre,
das unter dem Etikett "Advergaming" noch sehr jung ist und bisher kaum
über Studien zur Marktgröße oder Werbewirkung verfügt. Aber es wird
getestet, was der Euro hergibt. Aus gutem Grund: Mittlerweise geben die
deutschen Kunden mehr Geld für Computer- und Videospiele aus, als für
Kinokarten – kaum vorstellbar, dass solch ein Riesenmarkt werbefreie
Zone bliebe.
Wie also sieht die Zukunft der Werbeträger aus?
Der Medienmarkt schrumpft nicht insgesamt, aber punktuell. Langfristig
verlieren die gedruckten Medien etwas an Boden, ebenso leicht die klassische
TV-Werbung. Andere Werbeformen, vor allem im Fernsehen, und weitere
Kommunikationskanäle bauen sich auf. Für die angestammten Medien wird es
darauf ankommen, sich den quantitativen Veränderungen anzupassen – durch
neue Marketingideen, durch Diversifikation der angebotenen Leistungen und
durch Kooperationen.
V.
Perspektiven der Agenturen
Und wie gestalten sich die Perspektiven der Agenturen? Der Begriff
Werbeagenturen ist nicht geschützt. In Deutschland sind unter dieser
Bezeichnung im Handelsregister rund 2.300 Firmen eingetragen. Die 150 im
Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) zusammengeschlossenen
Unternehmen repräsentieren nach dessen Angaben etwa 80 Prozent des
betreuten Werbevolumens.
Die Werberezession haben die Agenturen noch recht gut überstanden – vor
allem durch Einsparungen bei den Kosten (Personal, Reisen, Mieten etc.). Mehr
betriebswirtschaftliche Schlankheitskuren gehen kaum. Aber qualitative
Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?
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Fortschritte sind punktuell noch möglich – durch weitere Optimierung der
Abläufe innerhalb von Agenturen (Teamzusammensetzung, Kunden- und
Kreativ-Briefing, schlankes Management).
Zur einer größeren Insolvenzwelle bei den Agenturen würde es nur dann
kommen, wenn die Werberezession anhielte. Mittelfristig ist dies nicht
absehbar. Ähnlich wie in den siebziger Jahren ist es auch nicht zu befürchten,
dass die großen Agenturen die Kleinen 'fressen'. Kleinere Leistungsträger
werden weiter existieren – wenn sie sich spezialisiert haben und kooperative
Netze aufbauen (Verknüpfungen mit Medienhäusern, Druckereien, anderen
Agenturen).
Größere Agenturen werden sich wieder verstärkt auf Wachstum durch
Leistung, anstatt durch Zukauf konzentrieren – wenn sie im noch härter
gewordenen Wettbewerb bestehen wollen.
Werbende Firmen müssen auch in diesem Bereich ihrer
Geschäftsbeziehungen berücksichtigen, dass sie ihren eigenen Kostendruck
nicht 1:1 an die Agenturen weiterreichen sollten. Das würde auf die
Personalkosten der Werbeagenturen durchschlagen und dort zum Abbau guter
Werbefachkräfte führen. Die Leistung müsste sinken. Werbung aber ist eine
Investition in die Zukunft eines werbenden Unternehmens. Auch wenn die
eigenen Kosten drücken, wird eine Firma aus der Produktionsmaschine kein
Zahnrad herausbrechen. Das gilt auch für die Markt-Kommunikation.
VI.
Werbung und Konsumentenverhalten
Und das Beziehungsgeflecht Werbung und Konsumenten? Bundeskanzler
und Bundesfinanzminister bemühen sich mit Eifer zur Zeit um die Bürger als
Verbraucher: "Tun Sie etwas Sinnvolles für die Gesellschaft: Gehen Sie
einkaufen!" – Aufforderung des Bundesfinanzministeriums auf seiner
Homepage.
Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?
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Es liegt nicht am mangelnden Geld, dass Kaufwünsche unterdrückt werden.
Tatsächlich ist es Mangel an Zukunftsvertrauen – ein stark hausgemachtes
Phänomen also. Das verfügbare Einkommen ist so hoch wie nie. Seit 1991
nimmt es durchschnittlich um 3 Prozent im Jahr zu, während der Preisindex nur
um 2 Prozent steigt. Auch sind die Deutschen beim Sparen weltmeisterlich. Bei
ihnen liegen 8,35 Billiarden € auf der hohen Kante – ein Spitzenwert.
Die anhaltend starke Arbeitslosigkeit hat zwar Einfluss auf den gedämpften
Konsum. Entscheidend aber ist die Angst der Beschäftigten vor Arbeitslosigkeit.
Der Indikator für die Anschaffungsneigung liegt deshalb auf historisch niedrigem
Niveau. Erst wenn sich die Nebel lichten, wenn Planungssicherheit für die
Bürger geschaffen ist, wird sich die Verkrampfung beim privaten Verbrauch in
Deutschland lösen.
Gegenwärtig hat es die Wirtschaft also nicht mit Konsumunlust zu tun,
sondern mit der Regentschaft des Prinzips 'Vorsicht'. "Kaufen für das
Vaterland" ist aus Sicht des einzelnen privaten Haushalts keine rationale
Verhaltensweise.
Und dennoch: Werbung lohnt. Die Bürger haben das Kaufen nicht eingestellt.
Für den Kampf um Marktanteile gibt es keine Atempause. Dieses Prinzip wird
deutlich auch in rückläufigen Märkten wie im Wirtschaftsbereich alkoholische
Getränke. Dort sind in den letzten 15 Jahren die Investitionen in Werbung
immer stärker gestiegen, während der Konsum abgesackt ist.
Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?
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Werbung trifft auf positives Meinungsklima
Grundgesamtheit deutsche Bevölkerung ab 14 Jahre / 31 424 Fälle der Stichprobe
repräsentieren 64,4 Mio Personen
Einstellung zur Werbung
(Feststellungen, Meinungen:
stimme voll zu, weitgehend zu)
Verbraucher
2000
Verbraucher
2001
Verbraucher
2002
Verbraucher
2003
Angaben in Prozent
Werbung gibt manchmal recht
nützliche Hinweise über neue
Produkte
50,5
52,1
53,3
53,3
Werbung ist eigentlich ganz
hilfreich für den Verbraucher
43,2
43,9
44,2
44,5
Werbung ist meist recht
unterhaltsam
38,1
37,3
36,4
36,2
Ich sehe mir eigentlich ganz gern
Fernsehwerbung an
36,8
35,8
33,9
33,7
Werbung im Fernsehen halte ich
für recht informativ
42,1
42,4
42,3
41,9
Ich sehe mir eigentlich ganz gern
Anzeigen in Zeitschriften an
41,1
40,9
40,0
40,1
Anzeigen in Zeitschriften halte
ich für recht informativ
53,1
53,7
53,7
51,2
Quelle: VerbraucherAnalyse 2000, 2001, 2002 und 2003, Auftraggeber: Verlagsgruppe
Bauer und Axel Springer Verlag AG (beide Hamburg), genaue Methodenbeschreibung
im jeweiligen Code Plan
Der Ackerboden für Markt-Kommunikation ist ohnehin gesund: Werbung trifft
seit Dekaden auf ein positives Meinungsklima. Selbst in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten – mit Tendenzen starker Verunsicherung in der Bevölkerung
über die individuelle Zukunft – zeigen sich nur geringfügige Schwankungen bei
der Einstellung der Bürger zur Werbung der Unternehmen.
Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?
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VII.
Demographische Trends
Entscheidend für die Zukunft von Wirtschaft und Werbung wird sich die
emographische Evolution auswirken. Auf den Punkt gebracht: Drastische
Zunahme älterer Bürger, Abnahme der Jüngeren. Dieser Effekt zeigt sich in den
kommenden Jahren und Jahrzehnten mit wachsender Geschwindigkeit.
Demographische Evolution: Mehr Alte, weniger Junge
Auf 100 Einwohner in Deutschland kommen
...im Jahr
2001
2010
2020
2030
2040
2050
Jünger als 20
38
34
33
35
34
34
60 und älter
44
46
54
69
71
77
Quelle: Statistisches Bundesamt 2003
Alternde Gesellschaften sind nur dann wachstumsschwach, wenn alles so
bleibt, wie es ist – insbesondere beim Angebot von Waren und Dienstleistungen
sowie deren Spiegelbild, die Werbung.
Der demographische Wandel birgt enorme Möglichkeiten der Wertschöpfung.
So will zum Beispiele ein großer Teil der älteren Bevölkerung schon heute
wohnortnah versorgt werden, ihre Freizeit aktiv gestalten und ihr starkes
Sicherheitsbedürfnis befriedigen. Ältere Menschen wollen länger leben und
brauchen eine spezifische Ernährung. Sie essen nicht mehr als bisher, aber sie
sind bereit, für spezielle Lebensmittel mit gesundheitlichem Zusatznutzen mehr
Geld auszugeben – Lebensmittel, die eine längere Entwicklungszeit brauchen
und teilweise sogar klinisch getestet werden müssen. Oder die Architekten und
Planer: Unterdessen vergibt das Deutsche Institut für Normung an Architekten
eine Zertifizierung zum "Fachplaner barrierefreies Bauen".
Werbewirtschaft – Aktie mit Kursgewinn?
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Die Wandlung der Gesellschaft von der Jugendkultur zur Altenkultur hat
längst eingesetzt. Sie ist spiegelbildlich bereits heute in der Werbung
analysierbar. Wer diese Metamorphose unternehmerisch zu nutzen weiß – also
im Angebot von Waren und Dienstleistungen und mit psychologisch orientierter
Markt-Kommunikation – wird zu den Gewinnern gehören.
VIII.
...und alles mit einem Satz
Natürlich: Die Zukunft des Werbemarkts wird nicht nur von ökonomischen
Faktoren bestimmt. Vor manchen Erfolg hat der Liebe Gott auch die Politik
gesetzt. Vor allem auf europäischer Ebene liegt vieles im Argen. Dort gilt es, mit
aller Kraft um die Werbefreiheit zu kämpfen.
Summa summarum beantwortet sich aber die Frage, ob "Die
Werbewirtschaft – eine Aktie mit Kursgewinn?" ist auf der Grundlage dieser
kleinen Skizze mit einem Satz: Probleme schaffen Chancen.
Rückfragen: Volker Nickel, Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW)
Postadresse: 10873 Berlin, Telefon (030) 59 00 99-715, Telefax (030) 59 00 99-722
E-Mail: [email protected], Online-Service: www.zaw.de
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