Emotion zieht ein ins Berufsleben

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Samstag, 21. Jänner 2017 Nummer 21
Emotion zieht ein ins Berufsleben
Die berufliche Kommunikation befindet sich im Wandel, sind sich Experten einig. Auch das Bewusstsein der
Unternehmen dafür steigt. Davon profitieren vor allem Frauen. Doch die Realität hinkt der Forschung hinterher.
Von Martina Treu
Innsbruck, Götzens – „Jedes
Unternehmen ist ein eigenes
Universum. Von der Kultur
und den Bewertungsprinzipien, die darin herrschen, hängt
ab, wie kommuniziert wird“,
erklärt Anna Schneider, Universitäts-Assistentin am Institut für Organisation und Lernen der Universität Innsbruck.
In einem Start-up-Unternehmen werde stark auf der emotionalen Ebene kommuniziert,
während in einem traditionellen Industrieunternehmen oft
nach Hierarchie-Ebene gesprochen werden darf, erzählt
die Forscherin.
Letzterer Kommunikationsstil herrsche derzeit noch vor,
sagt Andrea Köck, Kommunikationsberaterin und Gründerin der Wifi-Rhetorik-Akademie. Meist werden lediglich
Anordnungen weitergegeben.
Auch durch die Digitalisierung
beschleunige sich die berufliche Kommunikation, werde
gleichzeitig aber immer unpersönlicher. Es werde kaum
überprüft, ob das Gegenüber
das Gesagte eigentlich verstanden habe.
Die Forschung bemerke aber
einen Trend zur Veränderung
in der Kommunikation. Grund
dafür sei eine Veränderung im
„
Emotion schlägt Information, sagt die
Gehirnforschung. Doch
derzeit schlägt digital
noch immer sozial.“
Andrea Köck, (Kommunikationsberaterin) Foto: Andrea Köck/Albert Plachel
schafter Hans J. Ladegaard die
Kommunikationsmuster und
Management-Stile von Frauen
und Männern in Führungspositionen.
„
Wird die Kommunikation von Frauen
als typisch weiblich
wahrgenommen, laufen
sie Gefahr, ihre Kompetenz zu unterlaufen.“
Anna Schneider (UniversitätsAssistentin, Institut für Organisation und Lernen)
Foto: Foto Holy
Je nach Kultur wird in Unternehmen anders kommuniziert. Doch der Trend entwickelt sich zum emotionalen Storytelling.
Werteverständnis der Unternehmen, erklärt Schneider.
Unternehmen legen demnach
einen immer stärkeren Fokus
auf die so genannte Arbeitgebermarke. Man suche nicht
mehr nur die richtigen Leute
für eine Stelle, sondern auch
für die Organisation. Wer lebt
dieselbenWerte wie das Unternehmen? Wer passt am besten
ins Team? Die Vermittlung dieser Werte kommunizieren Unternehmen immer mehr über
das Storytelling. „Dies ist eine
zutiefst menschliche Methode, Wissen, Werte und Traditionen auf einer emotionalen
Ebene weiterzugeben“, erklärt
Köck. „Eine Information wird
in eine Geschichte verpackt,
woran sich der Zuhörer emotional bindet.“
Darin liege der größte Wandel der beruflichen Kommunikation, der wiederum aus einer
Veränderung der Arbeitsbeziehung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer resultiere, erläutert Schneider.
Doch derzeit hinke man der
Forschung hinterher, meint
Köck. Noch immer gehe man
von einem rein rational denkenden Menschen aus, der
Informationen sammle, abwäge und dann entscheide.
„Fast täglich erhalten wir aber
neue Erkenntnisse durch bildgebende Verfahren in der Gehirnforschung. Darin zeigt
sich, dass die Machtverhältnisse im Gehirn genau umgekehrt sind“, erklärt Köck.
Nicht die Großhirnrinde, also
der logische Teil des Gehirns,
sei für Entscheidungen zuständig, sondern der emotionale Teil, der „Bauch“. Um
sich zu entscheiden, brauche
der Mensch ein gutes Gefühl,
das er beispielsweise über das
Storytelling erhalte. „Emotion
schlägt Information, sagt die
Gehirnforschung. Doch derzeit schlägt digital noch immer sozial“, schränkt Köck ein.
Immer mehr Kommunikation
passiere etwa über E-Mails.
Unternehmen wollen Mitarbeiter an sich binden. Dies habe positive und negative Auswirkungen, weiß Schneider. So
gebe ein klares Kommunikationskonstrukt Orientierung,
wie ich mich im Unternehmen
zu verhalten habe, dies könne
aber auch als Bevormundung
wahrgenommen werden.
Foto: iStock/Rawpixel
Der Wandel der beruflichen
Kommunikation zum wertebasierten, emotionalen Stil komme aber beispielsweise den
Frauen zugute, findet Köck.
Zwar finde sie in ihren Seminaren immer wieder Frauen,
deren Kommunikation stärker im männlich konnotierten
Bereich zu finden sei und umgekehrt, doch meist umschreiben und verniedlichen Frauen
ihre Aussagen mehr, während
Männer stärker Klartext sprechen und Ziele durchsetzen
möchten.
Frauen sprechen bei Erfolgen häufig in derWir-Form, bei
Fehlern oft in der Ich-Form,
erklärt Schneider.
In seiner Studie von 2011
„Doing power at work“ untersuchte der dänische Wissen-
Überraschendes Ergebnis war, so Schneider, dass es
kaum Unterschiede gab. Doch
obwohl die Frauen und Männer ähnlich kommunizierten,
wurde dies aber sehr wohl anders wahrgenommen. Männer hätten keine Probleme,
ihre Autorität zu beweisen,
die Frauen wurden von ihren
männlichen Kollegen häufiger
in Frage gestellt. „Dies stellt
Frauen vor eine paradoxe Herausforderung. Denn eine
starke Führung wird demnach
noch immer mit dem männlichen Rollenverständnis konnotiert. Wird die Kommunikation von Frauen als typisch
weiblich wahrgenommen, laufen sie Gefahr, ihre Kompetenz
zu unterlaufen.“
Doch auch hier komme den
Frauen die Entwicklung in
der Berufswelt zugute, findet
Schneider. Durch vielseitigere
Arbeitskontexte und ein neues Rollenverständnis könnten
sich Männer und Frauen beider Stile bedienen und an die
jeweilige Situation anpassen.
Eine Sprache ohne Worte
Gestik, Mimik und Co. nehmen zwei Drittel der Kommunikation ein, sagt Minu Ghedina, Sprechtrainerin in Innsbruck.
Was kann man sich unter
nonverbaler Kommunikation vorstellen?
Minu Ghedina: Dabei handelt es sich um die zwischenmenschliche Kommunikation
ohne Worte wie Gestik, Mimik, Augenkontakt, aber auch
der Klang der Stimme und der
Geruch. Unabhängig davon,
ob jemand spricht oder nicht.
Treffen zwei Menschen das
erste Mal aufeinander, läuft
sofort ein Raster ab, wo das
Gegenüber eingeordnet wird.
Kulturbedingt können zwei
Menschen aber auch eine
unterschiedliche nonverbale
Sprache sprechen.
Welche Elemente der nonverbalen Kommunikation
sind im Berufsleben besonders wichtig?
Ghedina: Im Berufsleben ist
besonders wichtig, was jemand anhat. Wer in einer bestimmten Position ist, kann
gewisse Dinge nicht tragen.
Beispielsweise trägt ja der
Lehrer nicht dasselbe wie der
Schüler. In bestimmten Berufen möchte man eine gewisse
Seriosität ausstrahlen. Die
Körperhaltung, Gestik und
Mimik sind ebenfalls entscheidende Aspekte, wie ich
auf mein Gegenüber wirke.
Genauso sagt mir ein gewisses Verhalten etwas über das
Gegenüber aus.
Treten Männer und Frauen
auf der nonverbalen Ebene
unterschiedlich auf?
Ghedina: Auf jeden Fall. Die
Körperhaltung eines Mannes unterscheidet sich deut-
lich von der einer Frau. Auch
wenn sich ein Mann setzt,
nimmt er, oft unbewusst,
den ganzen Stuhl und den
Raum für sich ein. Frauen
bewegen sich anders, weicher. Die Wirkung hängt aber
ganz von der Persönlichkeit
ab. Bin ich als Frau wenig
selbstbewusst und ein Mann
„ergreift“ den Raum für sich,
gehe ich automatisch einen
Schritt zurück. Bin ich aber
selber selbstbewusst, stört
mich das wenig.
Bei der nonverbalen Kommunikation kann man aber
nie nur einen Punkt herausgreifen im Sinne von „Weil der
so sitzt, ist der so“. Beispielsweise überspielen Männer
durch ihr Verhalten oft auch
eine Unsicherheit. Gleichzei-
tig bedeuten verschlossene
Arme nicht gleich Verschlossenheit, vielleicht ist er einfach nur entspannt.
Kann ich nonverbale Kommunikation trainieren?
Ghedina: In Workshops machen wir Übungen zur Körperhaltung, wie gehe ich, wie
stehe ich. Durch eigene und
fremde Beobachtung kann
man lernen, wie man auftritt und wirkt. Eine gewisse
Körperspannung strahlt Präsenz aus, sollte aber nicht
in Anspannung übergehen.
Dennoch sollte man immer
authentisch bleiben. Es gibt
keine allgemeingültigen Regeln.
Dieses Interview führte
Martina Treu
Die nonverbale Kommunikation nimmt einen großen Teil im Gespräch ein.
Dieser ist wichtiger, als viele denken.
Foto: iStock/g-stockstudio
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