Um- und Neubauten im Ortsbild

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ARV Amt für Raumordnung und Vermessung
Um- und Neubauten im Ortsbild
ARV-STUDIE: Umnutzung und Verdichtungspotential in ländlichen Gemeinden
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ARV-STUDIE: Um- und Neubauten im Ortsbild
Einleitung
Schutzobjekte, schutzwürdige Ortsbilder und Nachverdichtung - ein Widerspruch?
Beschränkte Neubaumöglichkeiten im Ortsbild
und grosser Erneuerungsdruck auf Altbauten
bringen schützenswerte Einzelgebäude und
Ortsbilder in Bedrängnis. Die Zielsetzungen der
baulichen Erneuerung und diejenige des
Ortsbildschutzes und der Denkmalpflege müssen sich jedoch nicht ausschliessen. Die vorliegende Broschüre soll zu verschiedenen
Themen im Zusammenhang mit der Nachverdichtung eine Auswahl an Lösungsansätzen
bieten. Die ausgewählten Beispiele haben für
den Ortsbildschutz und die Denkmalpflege
unterschiedliche Bedeutungen; Von nicht eingestuft, über kommunal bis zu überkommunal
schützenswerte Ortsbilder und Einzelobjekte.
Die Einstufung sollte jedoch generell keine
Rolle spielen, da gute Architektur überall
erwünscht ist.
Nachverdichtung
Nachverdichtung bezeichnet das Nutzen leer
stehender Flächen und Gebäude im Bereich
bereits bestehender Bebauungen. Sie kann
durch innere Ausbauten, Aufstockungen,
Anbauten, die Füllung von Baulücken oder
dichtere Neubebauung geschehen. Bei historisch wertvollen Gebieten mit einzelnen
Schutzobjekten stellt sich dabei die Frage nach
dem Umgang mit der schützenswerten Substanz. Ortsbildschutz und Denkmalpflege stehen hier im Spannungsfeld zwischen Modernisierung und Bewahrung der Geschichte.
Grundlagen für die Nachverdichtung
Die Bau- und Zonenordnungen der Gemeinden
enthalten spezielle Gestaltungsvorschriften für
Um- und Neubauten. Diese Vorschriften basieren meist auf dem (veralteten) Grundgedanken,
dass die Integration von Neubauten gelingt,
wenn sie dem Formenvokabular der bestehenden Häuser angepasst sind. Massstab für die
Beurteilung ist demnach die «Ortsüblichkeit».
Die Vorschriften sind in manchen Fällen sehr
detailliert und definieren weitgehend die Gestaltung der Bauten, in anderen Fällen sind vage
Interpretationsspielräume formuliert.
Bei der praktischen Handhabung dieser
Gestaltungsvorschriften wird der spezifischen
Geschichte der einzelnen Gebäude des Dorfes
und seiner Weiterentwicklung oftmals zu wenig
Beachtung geschenkt. Die Möglichkeit, mit
einer sorgsamen, aktuellen Gestaltung auf den
gewachsenen Baubestand zu reagieren, bleibt
in vielen Fällen verwehrt.
Stand April 2010
Die nachfolgenden Beispiele zeigen eine
grosse Palette von Eingriffen an Gebäuden
auf, welche das Ortsbild bestimmen und auch
für sich genommen von besonderem Wert
sind. Gemeinsam ist ihnen die Lust zur differenzierten Auseinandersetzung mit den jeweiligen ortsbaulichen Gegebenheiten und spezifischen Charakteristiken der Bauten. Die
daraus abgeleiteten Lösungen sind entsprechend auf die angetroffene Situation abgestimmt – es sind keine Patentrezepte, die
sich nach Belieben auf andere Bauten übertragen lassen. Sie illustrieren die grosse
Bandbreite von Möglichkeiten, welche die
Gestaltungs-vorschriften des Planungs- und
Baugesetzes und der lokalen Bau- und
Zonenordnung offen lässt.
Die einzigartigen Raum- und Wohnqualitäten,
welche das Bauen im gewachsenen Ortsbild
bieten kann, sind in den hier vorgestellten
Beispielen deutlich erkennbar. Im Ortsbild, in
wertvoller und geschützter Bausubstanz bietet sich die Chance, Unverwechselbares zu
schaffen: die gezeigten Beispiele mögen die
Bereitschaft und Freude am Bauen im
Ortsbild wecken!
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Möglichkeiten der Nachverdichtung
Innere Verdichtung durch Um- und Ausbau
Bei der inneren Verdichtung wird vorhandener
aber leer stehender Raum neu- oder umgenutzt.
Bei Wohnhäusern betrifft es meistens das
Dachgeschoss, bei ausgedienten Bauernhöfen
wird nach einer neuen Nutzung für die Ökonomiegebäude gesucht, bei Industriearealen werden die Produktionsstätten neu genutzt.
Der Umbau von Gebäuden stellt eine grosse
architektonische Herausforderung dar. Wie wird
ein Stall zu einem attraktiven Wohnraum? Wie
lassen sich in einer Scheune Arbeitsplätze einrichten? Aber auch: welche Art der Umnutzung
erträgt ein Gebäude? Die folgenden Beispiele
zeigen gelungene Neunutzungen, welche nach
Aussen vielleicht unauffällige, nach Innen aber
umso überraschendere Eindrücke bieten. Blick
aufs Detail statt in die Weite: ein gelungener
Umbau überliefert Substanz und Eigenheiten
des Ursprungsbaus und bietet einen direkten
Blick in die Geschichte des Gebäudes und der
Menschen, die es erbaut haben – unverwechselbar und individuell. Es zeigt sich bei vielen
Beispielen, je mehr ursprüngliche Substanz erhalten bleibt und in die neue Nutzung integriert
Einleitung
wird, desto überzeugender ist das Ergebnis.
Der sogenannte Geist des Hauses lebt weiter.
Ersatzbau
Ein Ersatzbau ist in der Regel materiell ein
Neubau, auch wenn gelegentlich Fragmente des
Vorgängerbaus bestehen bleiben oder wieder
verwendet werden. Der Ersatzbau darf in einem
gewissen Kontrast zu seiner Umgebung stehen,
aber auch er tradiert die Bauform seines Vorgängers. Je bedeutender die Situation im Ortsbild ist, desto zurückhaltender muss auf die Gestaltung des «neuen Altbaus» geachtet werden.
Der Geist des Dorfes muss genügend Freiraum
zur Entfaltung haben.
Neubau
Die Baulandreserven in den Kernzonen auszuschöpfen, wie es die kantonalen Richtlinien vorsehen, ist ein schwieriges Unterfangen. Die Bebauung der Baulandreserven in den Kernzonen
birgt Chancen aber auch Risiken für die Wohnund Lebensqualität. So wird einerseits wertvoller
Aussenraum beschnitten, aber andererseits
neuer Wohnraum geschaffen, ohne neue Flächen erschliessen zu müssen. Erste Priorität
dieser Nachverdichtung müssen ein respektvol-
ler Umgang und eine hohe Rücksichtnahme
auf die nächste Umgebung sein. Die Qualität
des Neubaus in der Kernzone liegt in seiner
Zurückhaltung unter Einbezug zeitgemässer
Architektur. Dies betrifft sowohl die Wahl der
Volumetrie als auch die Materialisierung des
Gebäudes.
Gestaltungskriterien
Bei Um-, Ersatz- und Neubauten in historisch
sensiblen Gebieten ist eine hohe Qualität der
Architektur Grundvoraussetzung für das Gelingen der Baute und deren Integration im
gewachsenen Ortsbild. Dies bedingt die Wahl
einer geeigneten Fachperson in diesem Bereich. Es ist hier keine extravagante Selbstdarstellung, aber auch keine «biedere» Angepasstheit gefragt. Die Integration der Baute in
das Ortsbild wird nicht alleine durch die richtige Wahl der Volumetrie und die Einhaltung der
Massstäblichkeit bestimmt, sondern die Beachtung und Gestaltung kleiner aber ebenso
wichtiger Details spielen dabei eine grosse
Rolle.
Zu all diesen Fragen stehen Ihnen die jeweiligen Abteilungen von Ortsbildschutz und Denkmalpflege beratend zur Seite.
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ARV-STUDIE: Um- und Neubauten im Ortsbild
Inhaltsverzeichnis
UMBAUTEN
5
Hettlingen, Mitteldorfstrasse 1a und 2a, Tabakscheune und Vielzweckbauernhaus – Abbruch bewilligt und trotzdem erhalten
9
Knonau, Chamerstrasse, Schlossscheune – Lauschige Loggien hinter Scheunenjalousien
13
Fällanden, Maurstrasse 30, Vielzweckbauernhaus – Zenital-Licht im Tenn – Kochen im ehemaligen Stall
17
Wetzikon, Kantonsschulstrasse 6, Ökonomiegebäude Gubelmann – Augen auf für eine neue Nutzung
21
Marthalen, Oberdorf 17, Vielzweckbauernhaus – Licht durch das Scheunentor und Essen neben der 500-jährigen «heiligen Wand»
25
Unterstammheim, Hauptstrasse 5, Vielzweckbauernhaus «im Flösch» – Mehrzweckhalle als Aufenthaltsraum – Boxen und Velofahren im «Heustock»
29
Berg am Irchel, Hauptstrasse 2, Vielzweckbauernhaus – Wohnen in Scheune und Glaskubus
33
Schlatt, Kirchgasse 10, Vielzweckbauernhaus – Wohnen im Schopfanbau und Ferien im alten Wohnteil
37
Kappel am Albis, Uerzlikon, Oberdorfstrasse 38, ehem. Bauernhaus – Aus dem Winterschlaf erwacht
41
Eglisau, Tössriederenstrasse 82, Stallscheune – Wohnen in der Scheune statt Schlafen im Stroh
45
Hombrechtikon, Rütistrasse 47, «Brändlischeune» – Sanfte Umnutzung
49
Wald, Jonastrasse, Umnutzung Textilindustrieareal Bleiche/Lindenhof – Unternehmergeist ohne Abbruch
DACHAUSBAUTEN
53
Oberstammheim, Hauptstrasse 76, Bürgerhaus «Alte Kanzlei» – Neue Feuerstelle in alter Rauchkammer
57
Laufen-Uhwiesen, Uhwiesen, Dorfstrasse 32, ehemaliges Bauern- und Handwerkerhaus – Dachraum mit Panoramafenster
61
Männedorf, Alte Landstrasse 230/232, Pächterhaus zur Villa Liebegg – Kulturschüür
ERSATZBAUTEN
65
Zürich, Witikon, Berghaldenstrasse 76, Ersatzbau für Stallscheune – Ersatzbau … und trotzdem Heuaufzug im Treppenhaus
69
Meilen, Winkelstrasse 15, Ehem. Gerberwohnhaus, «Ergänzungsbau» – Ergänzunsgbau als Schutzmassnahme
73
Eglisau, Burgstrasse 18, Ersatzbau für Stallscheune – Nach Abbruch ... Ergänzung im Ortsbild
NEUBAUTEN
77
Eglisau, Tössriederen, Laubistrasse 15, Wohnhaus – Rücksicht statt Anbiederung
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Wetzikon, Kantonsschulstrasse 6, Ökonomiegebäude Gubelmann UMBAUTEN
Wetzikon
Ökonomiegebäude
Augen auf für eine neue Nutzung
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Ortsbild
Zwischen der in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs gelegenen Villa und dem zugehörigen Ökonomiegebäude
bildet der Park eine wertvolle grüne Oase im verkehrsbelasteten Zentrum. Im Rahmen eines Gestaltungsplans wurde das schützenswerte Areal einer Gesamtbetrachtung unterzogen. Auf dieser Basis konnte im
Parkbereich zwischen den historischen Gebäuden
sorgsam ein Neubau platziert werden. Der grössere Teil
der Parkfläche mit dem alten Baumbestand blieb so als
unbebaute Erholungsfläche erhalten und die Villa konnte fachgerecht restauriert werden. Die Neunutzung des
Ökonomiegebäudes erforderte am Äussern lediglich
das Aufschlagen der Tore und ursprünglich fest verschlossenen Jalousien vor den Lüftungsöffnungen. Das
Oblichtband auf dem Längsfirst tritt zurückhaltend als
gezielt eingefügtes, neues Element in Erscheinung.
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Wetzikon, Kantonsschulstrasse 6, Ökonomiegebäude Gubelmann UMBAUTEN
Zum Gebäude
Das 1898 erbaute Ökonomiegebäude gehörte zum
parallel zum Industriebetrieb geführten Landwirtschaftsbetrieb der Familie Gubelmann. Das Ensemble mit der
um gut 20 Jahre älteren Villa und dem baumbestandenen Park wurde schon vor mehr als 30 Jahren als
Baudenkmal von überkommunaler Bedeutung erkannt.
Die aussergewöhnlich grossvolumige Scheune wendet
sich mit der zu einem veritablen Kopfbau erweiterten
Schmalseite dem Park der Villa zu. Die Symmetrie dieser Schaufassade mit dem steilen Quergiebel reflektiert
dabei die rationale innere Grundrissordnung mit dem
zentralen Mittelgang. Die Sichtbacksteinbauweise im
Erdgeschoss und die bretterverschalte Holzkonstruktion
im Obergeschoss zeichnen den Bau als Ökonomiegebäude aus, das mit schöner Bauzier im Schweizer Holzstil den repräsentativen Anspruch seiner Bauherrschaft
zur Schau trägt.
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Wetzikon, Kantonsschulstrasse 6, Ökonomiegebäude Gubelmann UMBAUTEN
Neue Architekturelemente
Die durch das Aufklappen von Fensterjalousien und
Zurückrollen von Toren freigelegten, ursprünglichen
Wandöffnungen sind mit grosszügigen Verglasungen
versehen, die sich als Gestaltungselemente der neuen
Nutzung zeigen. Während die Dachflächen des repräsentativ in Erscheinung tretenden Kopfbaus unangetastet blieben, wurde dem First des dahinter liegenden
Längstraktes ein neues Oblicht aufgesetzt. Das neue
Element tritt als präziser, auf die spezifische örtliche
Situation abgestimmter Eingriff in Erscheinung, der in
der Gesamtwirkung des Gebäudes dennoch untergeordnet bleibt und die Dachkonstruktion intakt lässt.
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Wetzikon, Kantonsschulstrasse 6, Ökonomiegebäude Gubelmann UMBAUTEN
Raumqualität
Ein grosses Gebäudevolumen, grosszügig genutzt:
Dass sich mit einem Architekturbüro und einem Gastronomiebetrieb lediglich zwei Nutzer die Flächen der ehemaligen Stallscheune teilen, ist für alle ein Gewinn. Ein
solch imposanter Dachraum macht das Konzept des
Grossraumbüros zur Attraktion, einen spannungsvollen
Kundenzugang gab’s mit der Hocheinfahrt geschenkt.
Der Geschossboden trennt die Büros vom Restaurant
im Erdgeschoss, wo die Lust an der Auseinandersetzung mit den gegebenen Raumstrukturen ein erfolgreiches Gastronomiekonzept zu generieren vermochte.
So selbstverständlich das Zusammenwirken der Stärken
des Gebäudes mit denjenigen seiner Nutzer heute wirkt
– der Weg dazu erforderte Geduld. Die Bereitschaft zur
Gesamtbetrachtung des Areals trug dabei wesentlich
zum Erfolg bei.
Architekt: meierpartner architekten eth sia ag
(Peter J. Meier), Wetzikon
Bauherrschaft: Suzy Gubelmann-Kull, Wetzikon
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