Schweizerische Gesellschaft für Marketing

Werbung
| 4. Februar 2016
Special
Marketing
Abheben
Die Trends des Jahres
Seite 6
David Sable
Der CEO der Werbeagentur
Y&R über «Digibabble» und
«Do it big or stay in bed». Seite 10
Andreas Messerli
Der VRP des Eventdienstleisters
Messerli Group über seine Vision
des Erlebnismarketings. Seite 18
W
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Sieger auf jedem Terrain.
Mit dem Allradantrieb 4MATIC.
SPECIAL MARKETING
Big Data ist noch nicht
wirklich so smart
IMPRESSUM
Der Magazin-Special
«Marketing» ist eine
redaktionelle Beilage
der «Handelszeitung».
Gesamtverantwortung
Norman C. Bandi
Redaktionelle Mitarbeit
Matthias Kiess, Anne Lise Kjaer,
Alina Leimbach, Ulrich H. Moser,
Catherine Purgly, Simon Rehsche,
Roger Schnegg, Oscar Todeschini,
Torsten Tomczak, Daniel Tschudy,
Dennis Vogt, Denise Weisflog
Chefredaktor Stefan Barmettler
Stv. Chefredaktor Marcel Speiser
Ressortleitung Norman C. Bandi
Stv. Ressortleitung
Roberto Stefano
Layout Roger Cavalli
Korrektorat Simone Abegg,
Urs Bochsler, Beat Koch
Adresse Redaktion
«Handelszeitung»
Förrlibuckstrasse 70
8021 Zürich
Telefon: 043 444 59 00
Fax: 043 444 59 30
Mail: [email protected]
Online: www.handelszeitung.ch
TITELBILD: MANUEL LOPEZ/FRESHFOCUS
Leitung Wirtschaftsmedien
Uli Rubner
Leitung Werbemarkt
Beniamino Esposito
Ringier AG
Kreuzstrasse 26
8008 Zürich
Telefon: 044 259 60 50
Fax: 044 259 68 94
Mail: [email protected]
Online: go4media.ch
Leitung Nutzermarkt
Jörg Tobuschat
Lesermarketing
Ringier Axel Springer Schweiz AG,
Förrlibuckstrasse 70, 8021 Zürich,
Telefon: 043 444 58 95, Mail:
[email protected]
Adresse Verlag
«Handelszeitung»
Förrlibuckstrasse 70
8021 Zürich
Telefon: 043 444 59 00
Mail: [email protected]
Druck
Swissprinters AG, Zofingen
Herausgeberin
Ringier Axel Springer Schweiz AG
Bekanntgabe von namhaften
Beteiligungen im Sinne von
Art. 322 StGB: Le Temps SA
Z
uerst möchte ich allen herzlich
danken, die mir Anfang Jahr zu
meiner neuen Stelle gratuliert
haben, obwohl ich sie gar nicht
gewechselt habe ... Wie viele
andere in den beiden betroffenen Verlagen
auch habe ich nur meine sozialen Profile
um unseren neuen gemeinsamen Arbeitgeber ergänzt: Ringier Axel Springer Schweiz.
Sofort poppt bei den LinkedIn-Kontakten
auf: «Congratulate XY on the new job.» Bei
Xing steht im E-Mail-Betreff: «XY hat einen
neuen Job.» Überraschenderweise lassen
die ersten Glückwünsche und Likes nicht
lange auf sich warten. Man fühlt sich zwar
gebauchpinselt, kann sich ein Kopfschütteln jedoch nicht verkneifen.
So smart, wie alle denken oder viele hoffen,
ist Big Data noch nicht wirklich. Der Algorithmus zieht einen falschen Schluss – und
schon hat man mehr Aufmerksamkeit, als
einem gebührt. Aberwitziger wird es, wenn
man Ende Januar eine LinkedIn-Benachrichtigung erhält: «Die neue Stelle von XY
und 260 weitere Veränderungen in Ihrem
Netzwerk.» Ich erfahre, dass sich ein Viertel
meiner Kontakte im vergangenen Jahr beruflich verändert hat. Ohne, dass ich es mit-
Norman C. Bandi
Ressortleiter
«Handelszeitung»
bekommen habe. So viele können es unmöglich gewesen sein. Insbesondere, wenn
ich die abgebildeten Gesichter im Newsletter anschaue. Meines Wissens sind die meisten von ihnen in der gleichen Funktion beim
gleichen Unternehmen tätig. Einige haben
höchstens zusätzliche Aufgaben übernommen. Ein paar wenige haben den Job verloren und andere sind in Rente gegangen. Was
will mir die Statistik also sagen?
Am aberwitzigsten ist, dass einem nach
Google-Recherchen auf beliebigen Websites automatisch vermeintlich passende
Anzeigen untergejubelt werden, wenn man
Journalist ist. Die wenigsten Themen interessieren privat respektive kommerziell.
Solche Big-Data-Trugschlüsse sind kein
Mehrwert, sondern semi-smart.
INHALT
Ulrich H. Moser Der
GfM-Präsident über die
Marketingagenda 2016
und ihre Highlights. 4
Anne Lise Kjaer Die
dänische Futuristin über
die acht Schlüsseltrends
des neuen Jahres. 6
Werbemarkt So hat
sich das Geschäft 2015
entwickelt und so sind
die Aussichten für 2016. 8
David Sable Der Global
CEO der Werbeagentur
Y&R erklärt, was er mit
«Digibabble» meint. 10
TITELBILD
Disruption Das Wort ist
24-jährig und wurde vom
TBWA\-Chairman JeanMarie Dru erfunden. 12
Drugstore Publicis bringt
ihr Startup-Konzept in die
Schweiz und kooperiert
mit dem Impact Hub. 16
Andreas Messerli Der
Verwaltungsratspräsident
der Messerli Group will an
die nationale Spitze. 18
Branding Alter Wein in
neuen Schläuchen – hinter
dem Relaunch von Rivella
steckt einiges mehr. 22
Da soll nochmal einer behaupten, die Schweiz werde im Ausland nicht positiv
wahrgenommen: Aufnahmen des Überflugs eines
Swiss-Airbus mit der Patrouille Suisse anlässlich der
Lauberhornrennen gingen
um die Welt und kamen
auf globalen Fernsehstationen. Das ist Marketing.
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
3
SPECIAL MARKETING
AGENDA 2016
So werden wir zu den
Gewinnern gehören
D
ie Schweizerische Gesellschaft
für Marketing (GfM) startete
das Jahr 2016 mit einem Referat von Anne Lise Kjaer zum
Thema «Postcards from the
Future». Die dänische Futuristin, Autorin
und Unternehmerin befasste sich damit,
wie Organisationen basierend auf den
«4P» – People, Planet Purpose, Profit –
Erfolgsstrategien entwickeln können. Sie
hat acht Trends identifiziert, die 2016 fürs
Marketing ausschlaggebend sein werden
(siehe Artikel auf Seite 6). Diese Trends sind
nicht radikal neu, zeigen aber, dass auch
langfristig gültige Veränderungen nur
langsam in den Köpfen der Marketingverantwortlichen ankommen.
Ulrich H. Moser
Präsident der
Schweizerischen
Gesellschaft für
Marketing (GfM)
Als Top-Priorität wurde «Understanding
Customers and the Customer Experience»
definiert. Das Thema ist aus Sicht des MSI
aus zwei Gründen wichtig. Einerseits vertritt
auch das MSI, dass der Kunde immer der
Hauptfokus aller Marketingbemühungen
sein sollte. Anderseits muss man sich dessen bewusst sein, dass sich die Bedürfnisse
und das Verhalten der Kunden in den vergangenen Jahren radikal verändert haben.
Die Verknüpfung von Marketing und Innovation ist das zentrale Thema der GfM im
laufenden Jahr. Eine echte Produkt- oder
Prozessinnovation soll nicht nur eine brilDas Thema Marketing Analytics ist die
lante technische Errungenschaft sein,
Nummer zwei auf der neuen MSI-Liste.
sondern muss durch die Unterstützung des
Dabei geht es um das Bestreben, ein umfasMarketings von den Kunden
sendes Wissen über unsere
akzeptiert und langfristig im
Kunden zu erhalten und es
Markt etabliert werden. Anwettbewerbsorientiert ein«Im Jahr des
lässlich der GfM Marketingzusetzen. In letzter Zeit hat
75-jährigen Bestehens sich das Machtverhältnis
Trend-Tagung am 16. März
2016 werden sich ausgewieweg von den Unternehmen
der GfM wollen
sene Experten aus Wissenin Richtung der Konsumenwir bewusst nach
schaft und Wirtschaft unter
ten verschoben. Mit Markevorne schauen.»
der Leitung von HSG-Proting Analytics schwingt das
fessor Torsten Tomczak mit
Pendel in die andere RichMarketing und Innovation
tung. Die Organisationen
beschäftigen sowie Tipps und Tricks für
können die Erkenntnisse nutzen, um: Infordie erfolgreiche Umsetzung in den Untermation über ihre Kunden zu gewinnen und
nehmen geben (siehe Artikel auf Seite 14).
nutzbringend zu verwenden; ihr Marketingbudget optimal zu nutzen; eine langfristige,
Im Jahr des 75-jährigen Bestehens der GfM
nachhaltige Steigerung des Kundenwerts
wollen wir bewusst nach vorne schauen und zu erzielen; und die richtigen Learnings aus
uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen.
Kampagnen mitzunehmen.
Die Marketingwelt bleibt dynamisch und
herausfordernd. Bekannte Buzzwords
Bei all diesen Bemühungen dürfen wir den
wie Disruption, Digital Transformation,
Kunden nicht aus unseren Augen und aus
Storytelling oder Social Marketing werden
unserem Sinn verlieren. Wenn der Mensch
uns auch in Zukunft beschäftigen.
im Zentrum (Customer Centricity) unserer
Marketingaktivitäten steht und wir unter
Das renommierte amerikanische Marketing
Kundenerfahrung (Customer Experience)
Science Institute (MSI) legt im Zweidie beiden Hauptaspekte Kundenerlebnis
Jahres-Rhythmus die Prioritäten für die
und Kundenvertrautheit verstehen, werden
Forschungsinitiativen im Marketing fest.
wir zu den Gewinnern gehören.
4
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
FAKTEN
Die Trends im
Marketingmix
E-Mails
158%
Um diesen Wert
erhöht sich die Durchklickrate bei
E-Mails mit Social Sharing Buttons.
Social Media
100%
Die Budgets für
Social Marketing werden sich in den
nächsten fünf Jahren verdoppeln.
Events
67%
Zwei Drittel der B2BContent-Marketeers finden Event
Marketing die effektivste Strategie.
Content
50%
Beinahe die Hälfte
der Unternehmen verfügen über
eine Content-Marketing-Strategie.
SEO
33%
Rund ein Drittel des
Verkehrs der organischen GoogleSuche geht zum allerersten Artikel.
SEO: SUCHMASCHINENOPTIMIERUNG
QUELLE: ADWEEK.COM
RARITÄTEN
«Aus dem Wunderland»
Raphael Tanner
«Absoluter Topwein
Portugals»
Peter Keller
«Gran Selezione –
die neue Spitzenklasse»
Jan Schwarzenbach
92 R. Parker *
94 R. Parker *
94+ A. Galloni**
Sardòn Duero
Quinta Sardonia, 75 cl
Douro DOC Poeira Nove
Grand Reserve, 75 cl
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*Parker-Punkte: die weltweit bekannteste 100-Punkte-Skala.Weine mit 90–95 PP werden als «hervorragend» bezeichnet.
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SPECIAL MARKETING
Acht Schlüssel
zur Zukunft
Trends 2016 Das 4P-Geschäftsmodell schafft eine Traktandenliste der
Verbesserung. Ausserdem fördert es disruptive Ideen in den Firmen.
ANNE LISE KJAER
A
ls Futuristin erinnere ich
meine Kunden immer daran,
dass die Zukunft nicht etwas
ist, auf das wir einfach zusteuern, sondern ein Szenario, das wir aktiv mitgestalten. Denn unsere
gegenwärtigen Aktionen beeinflussen unser
Geschäft von morgen.
Heute wird nur eine von fünf Marken als
relevant für das allgemeine Wohlergehen
erachtet. Dies zeigt den riesigen Graben
zwischen der Selbstwahrnehmung von
traditionellen, profitorientierten Organisationen und der Art und Weise, wie ihre
Produkte und Dienstleistungen von den
Stakeholdern bewertet werden. In einer
immer komplexer werdenden und wettbewerbsgetriebenen Welt ist eine konsequente 4P-Methode der Schlüssel zum
Erfolg. Sie bezieht neben Profit auch die
Menschen (People), den Planeten sowie
Ziel und Zweck (Purpose) mit ein.
Grosses P der Führung heisst Purpose
Wie man zielgetriebene Führung zum
fundamentalen Prinzip einer Organisation
und Geschäftsstrategie macht, beschreibe
ich in meinem neuen Buch «The Trend
Management Toolkit – a Practical Guide to
the Future». Bei der Kommunikation mit
internen und externen Stakeholdern sollten
vier Grundregeln beachtet werden:
Seien Sie ehrlich: Vier von fünf Menschen weltweit sind der Meinung, dass Chefs
transparent kommunizieren sollten, um Vertrauen aufzubauen. Ein offener Dialog mit
den Stakeholdern ist eine Strategie, die sich
auszahlen wird.
Agieren Sie authentisch: Clevere Organisationen wissen, dass das Wort Konsument veraltet ist. Deswegen schaffen sie
Gelegenheiten, um mit Menschen in Kontakt zu treten und ihnen dabei zu helfen,
bessere Entscheidungen zu treffen.
Zeigen Sie Engagement: Hier ist die
Teilnahme an der globalen Diskussion zur
6
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
Schaffung einer besseren Gesellschaft der
Schlüssel. Überlegen Sie sich, wie Ihre Firma
dieses Ziel erreichbarer machen kann.
Gestalten Sie mit: Leben Sie nicht nur
in der Gegenwart, sondern skizzieren Sie die
Zukunft, die Sie sich wünschen. Machen Sie
diese Vision Teil jeder Kommunikation und
laden Sie alle dazu ein, diese zu realisieren.
Digitale Transformation ist eine Reise
Um Ihren Botschaften auch Wirkung zu
verleihen, müssen Sie die neuen Einflüsse
kennen, denen unsere Gesellschaft unterliegt. Hier sind acht Schlüsseltrends, die
Sie im Jahr 2016 bei zukunftsgerichteten
Marketingstrategien unterstützen:
1.
Radikale Offenheit beginnt im Unternehmen: Ihr Ruf ist Ihr wertvollstes
Gut. Vertrauen können Sie aber nur aufbauen, wenn die Mitarbeitenden Ihre Ziele
kennen und sich so damit identifizieren, dass
sie als Markenbotschafter agieren. Dies ist
bei vielen Organisationen noch nicht der
Fall. Eine Studie aus dem Jahr 2012 mit rund
97 000 Menschen in 30 Ländern zeigt, dass
48 Prozent der Befragten die Firma, für die sie
tätig sind, nicht weiterempfehlen würden.
ANNE LISE KJAER
Eine Dänin
in London
Futuristin Die 1962 in Dänemark
geborene Futuristin, Autorin und
Unternehmerin Anne Lise Kjaer
hilft Organisationen dabei, nachhaltige und innovative Zukunftsstrategien zu entwerfen. Mit ihrer
Trendforschungsagentur Kjaer
Global mit Sitz in London berät sie
Unternehmen wie Sony, Nokia,
Swarovski, Ikea, Gap oder Toyota.
www.kjaer-global.com
2.
Die digitale Transformation ist eine
Reise, keine Destination: Es reicht
nicht, digitale Werkzeuge zu haben. Man
muss sie kreativ einsetzen, um das Leben
der Menschen positiv zu beeinflussen. Das
bedeutet schnelle und benutzerfreundliche
Multi-Channel-Plattformen, die Ihren Kunden einen greifbaren Nutzen bringen.
Ein gutes Beispiel ist die AR-App von
Ikea, die den Konsumenten hilft, ein Produkt daheim zu visualisieren. Statt Pläne
und Massband wird sogenannte Augmented Reality (AR) eingesetzt. Diese erweiterte
Realität ermöglicht es Nutzern, virtuelle Objekte beliebig zu platzieren, und unterstützt
sie dabei, ihre Einrichtung kreativ zu gestalten. Der Vorteil für Ikea liegt in der Reduktion von Retouren um 15 Prozent, weil die
Käufer besser kalkulieren können, ob etwas
in die Wohnung passt oder nicht.
3.
Urbanisierung als Treiber für positive
Veränderungen: Die Städte von morgen haben das Potenzial, lebende Organismen zu sein, die als intelligente und automatische Distributionsnetzwerke zwischen
Gebäuden, dem Transportsystem, Waren
und Dienstleistungen wirken und Menschen sofort mit Geschäften verlinken können. Dank Big Data hat ein Unternehmen
bereits heute unzählige Möglichkeiten, in
diese Sphäre einzudringen und sowohl
sein Image als auch seine Performance zu
fördern, indem es sich für das gemeinsame
Wohl einsetzt.
4.
Gemeinsamer Nutzen durch Smart
Living: Das Internet of Everything
(IoE) macht Konnektivität im grossen
Stil möglich – laut aktuellen Schätzungen
werden 2020 rund 50 Milliarden Geräte
miteinander verbunden sein. Smartphones,
Wearables, Consumer Devices und andere
smarte Objekte stehen im Hintergrund
bereits in einem stillen Dialog miteinander
und eröffnen uns ein ganz neues Verständnis des menschlichen Verhaltens. Sie bergen ein enormes Potenzial, um bedeutsame
SPECIAL MARKETING
Anne Lise Kjaer: «Stellen
Sie Purpose ins Zentrum
ihrer Marketingstrategie.»
HELENE SANDBERG
verändern. Im Hinblick auf endliche Ressourcen wächst das Interesse an einer
Kreislaufwirtschaft. Immer mehr Menschen
gewichten Zugang stärker als Besitz. Erfolgsgeschichten wie diejenigen von Airbnb
oder Zipcar markieren nur den Beginn
dieses Wandels. Es geht also darum, herauszufinden, wie man die Menschen unterstützen kann, ein besseres Leben zu leben,
weniger zu verbrauchen und Gemeinschaften zu bilden, die auf dem Teilen von Ressourcen basieren.
Erfahrungen und ein besseres Leben möglich zu machen.
5.
Gewinnen Sie Global Citizens für sich
und stärken Sie Ihren Einfluss: Unter
Global Citizens versteht man Mitglieder der
Generation Y, die die Welt ohne Grenzen betrachten. Diese mobil- und technikaffinen
Menschen sind wichtige Meinungsbildner,
weshalb sie Teil Ihrer Community sein sollten – sowohl als Kunden als auch als Mitarbeitende. Man schätzt, dass sie bis 2020
die Hälfte der globalen Arbeitnehmerschaft
stellen und praktisch alle internationalen
Posten besetzen werden. Der Zugang zu den
Global Citizens liegt in den 4P, denn mehr
als ein Drittel der Generation Y glaubt, dass
jede Firma darauf fokussieren sollte, die
Gesellschaft zu verbessern. Diese Gruppe
will wissen, warum sie etwas von Ihnen
kaufen oder für Sie arbeiten soll. Und dies
sollte Sie dazu motivieren, Ziel und Zweck
(Purpose) zum Herzstück Ihrer Unternehmensphilosophie zu machen.
6.
Betapreneurship heisst, Misserfolge
als Lernkurve zu sehen; Betapreneurship bedeutet, eine Kultur des Redesigns und
des Umdenkens zu begrüssen, in der Indivi-
duen und Organisationen Dinge verändern
können. Einer meiner liebsten disruptiven
Business Cases ist iFixit – ein globales
Online-Handbuch inklusive Community,
dessen Ziel es ist, die Welt zu reparieren, und
zwar ein Gerät nach dem anderen.
Diese Art des positiven Denkens ist typisch für ziel- und zweckgetriebene Unternehmen. 3M führte schon 1948 sein «15
percent time to think»-Programm ein. Eine
Regel, die seinen Forschern erlaubt, 15 Prozent des Arbeitstags für ein Hobby oder ein
Projekt ihrer Wahl zu nutzen. Das 20-Prozent-Programm von Google soll neben der
Kreativität auch das unternehmerische
Denken der Mitarbeitenden sowie die Zusammenarbeit begünstigen. Organisationen
müssen disruptive Innovation fördern, wenn
sie Erfolg haben wollen, denn neue, von
Menschen geführte Allianzen sind der Treibstoff, der Firmen in die Zukunft kapituliert.
7. Häufen Sie soziales Kapital an und
nutzen Sie Ressourcen vernünftig:
Das Geschäft sollte sich im Zentrum der
Gemeinschaft befinden, der es dient. Dies
bedeutet, dass neue Systeme und Innovationsmodelle geschaffen werden müssen,
die berücksichtigen, wie sich unsere Leben
8. Schliesslich geht es um das gute Leben: Obwohl traditionelle Arten des
Erfolgsmessens neu beurteilt werden, bleibt
das gute Leben unser Hauptziel. Alle hier
beschriebenen Trends gehen auf dieses fundamentale Prinzip zurück. Deshalb sollten
Firmen auf Erfahrungen des Wohlergehens
fokussieren und somit echte Werte und ein
nachhaltiges Erbe schaffen. Etwas ist klar:
Marken, die dank einer zielgerichteten Strategie und einer emphatischen Führung ihre
Versprechen an die internen und externen
Stakeholder halten können, sind bestens für
die Herausforderungen des zukünftigen Geschäftsumfelds gerüstet.
Nun die Punkte miteinander verbinden
Mit einem Mindset-Diagramm der Leute
von morgen lassen sich die acht vorgestellten Trends anschaulich verbinden und
die Haupttreiber zusammenfassen, welche
die digitalen Erfolgsstrategien der Zukunft
untermauern. Technology Optimizers und
Creative Collaborators sind Menschen, die
auf Zugang und Zusammenarbeit setzen,
während Global Sustainers und Inclusive
Visionaries auf Gemeinschaft und Engagement fokussieren.
Das beschriebene 4P-Geschäftsmodell
schafft eine Traktandenliste der Verbesserung, auf der Partizipation und Kollaboration
grossgeschrieben werden. Ausserdem fördert es disruptive Ideen, die neue Werte
schaffen und so nachhaltiges Wachstum
sicherstellen. Das ist befreiend.
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
7
SPECIAL MARKETING
Noch schlägt
offline online
Werbemarktstudie Trotz gedämpften Erwartungen der Schweizer
Konjunktur bewerten die Auftraggeber ihre Aussichten als positiv.
CATHERINE PURGLY
D
ie Forschungsstelle für Customer Insights der Universität
St. Gallen (FCI-HSG) hat zum
dritten Mal im Auftrag von
Leading Swiss Agencies (LSW)
in Zusammenarbeit mit dem Schweizer
Werbe-Auftraggeberverband (SWA) mehr
als 1700 Kommunikationsverantwortliche
angeschrieben und über ihre Erwartungen
für das laufende Jahr befragt.
110 Manager, das entspricht einer Rücklaufquote von 6,4 Prozent, haben geantwortet. Wegen der hohen Branchenvielfalt und
Expertise der Teilnehmer kann von einer
hohen Generalisierbarkeit und Qualität der
Daten für die Werbemarktstudie 2016 ausgegangen werden.
Zuversichtliche Werbeauftraggeber
Trotz dem starken Franken und der
schwierigen Konkurrenzsituation sind die
Unternehmen mehrheitlich gut aufgestellt
und schauen 2016 zuversichtlich entgegen.
54 Prozent der Befragten erwarten einen
leichten Anstieg der Umsatzentwicklung
und 39 Prozent einen ebensolchen Anstieg
bei der Gewinnentwicklung.
Die Komplexität und die gezielte Bespielung der Kommunikationskanäle machen
rund 60 Prozent der Werbeauftraggeber
nach wie vor zu schaffen: Wie kann ich das
alles koordinieren? Wie erreiche ich am
effektivsten mein Zielpublikum?
Die grösste Herausforderung
in der Marketingkommunikation
ist nach wie vor die Komplexität
der Kommunikationskanäle.
Mit der technischen Entwicklung Schritt
zu halten und dem starken Franken sowie
der Gleichgültigkeit der Kunden zu trotzen,
empfinden über 50 Prozent der Befragten
als grösste Herausforderung für die kommenden Monate.
Mehr als die Hälfte in klassische Kanäle
Gemäss Werbeauftraggeber flossen im
letzten Jahr 24 Prozent der gesamten Mediagelder in Printmedien (11 Prozent Tageszeitung, 8 Prozent Magazine und 5 Prozent
Wochenzeitung), 16 Prozent in TV, 9 Prozent
in Outdoor/Plakate und 1 Prozent in Kino.
Trotz dem Trend zu den digitalen Medien
sind immer noch 52 Prozent der Mediagelder 2015 in klassische Kanäle investiert
worden (siehe Grafik unten).
Die digitalen Medien legen weiter zu: 35
Prozent der Mediagelder – inklusive eigene
Websites – wurden in digitale Medien investiert: Am meisten in Online-Werbung mit
11 Prozent, in SEM mit 6 Prozent, in Social
Media mit 5 Prozent und in E-Mail-Marketing mit 4 Prozent.
Keine Budgetkürzungen für 2016
Bei 75 Prozent der Befragten ist das
Kommunikations- und Mediabudget 2016
keinen Kürzungen unterworfen. Rund die
Hälfte der Werbeauftraggeber melden keine
Veränderung und knapp ein Viertel der Befragten prognostizieren sogar einen Anstieg
ihrer Mediabudgets.
Ein Management Summary der Resultate
aus der Werbemarktstudie 2016 der Forschungsstelle für Customer Insights der
HSG wird bald auf leadingswissagencies.ch
und swa-asa.ch publiziert.
Catherine Purgly, Geschäftsführerin,
Leading Swiss Agencies (LSW), Zürich.
LSW
Ein Verband der
Auftragnehmer
Neuer Name Die 1935 gegründete
Leading Swiss Agencies (LSW) –
bis 2015 «bsw leading swiss agencies» – ist der Verband der führenden Kommunikationsagenturen der
Schweiz. Er zählt heute 75 Unternehmen respektive 7 Prozent aller
hierzulande domizilierten Auftragnehmer zu seinen Mitgliedern. Sie
verwalten etwa zwei Drittel aller
Werbebudgets, die von Kommunikationsagenturen betreut werden.
8
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
TV 16
Tageszeitung 11
Digital 11
Kino 1
Radio 2
E-Mail Marketing 4
Social Media 5
Wochenzeitung 5
Sponsoring 6
SEM 6
Direct Marketing 7
SEM: SUCHMASCHINENMARKETING
Mediainvestitionen
2015 in der Schweiz
(Anteil in Prozent)
Website 9
Outdoor/Plakate 9
Magazine 8
QUELLE: FCI-HSG, LSW, SWA
SPECIAL MARKETING
«Folge nicht
den Herden»
David Sable Der Konzernchef von Y&R über die digitale
Transformation, die für ihn Evolution statt Revolution ist.
INTERVIEW: NORMAN C. BANDI
DER DIGIBABBLE-WERBER
Was ist Ihre Verbindung zur Schweiz?
David Sable: Wir haben ein sehr erfolgreiches Büro in der Schweiz, das von Andreas
Widmer geführt wird. Sein Vater Bruno
Widmer, der einst für Y&R in Europa verantwortlich war, ist einer meiner guten Freunde
und Mentoren. Diese familiäre Verbindung
hat mich oft in die Schweiz geführt.
Name: David Sable
Funktion: Global CEO Y&R
Alter: 62
Wohnort: New York
Familie: Verheiratet, zwei Töchter
Wann waren Sie das erste Mal in Zürich?
Lange bevor ich die Widmers kannte. Wahrscheinlich zu Beginn der 1980er-Jahre. Und
aus geschäftlichen Gründen komme ich
nun mehrmals pro Jahr nach Zürich.
Haben Sie die Schweiz auch schon aus
privaten Gründen bereist?
Das wünschte ich. Ich war neben Zürich
zwar in Zermatt, Genf und Lausanne, aber
Ferien habe ich hier noch nie gemacht. Das
steht weit oben auf meiner Liste.
Jetzt waren Sie hier, um nach einem Besuch
des 46. World Economic Forum in Davos
als Keynote Speaker am 4. Worldwebforum
in Zürich aufzutreten. Wie kam es dazu?
Sie haben mich wieder eingeladen und diesmal habe ich zugesagt, da es an der Zeit war
und mich das Format interessierte. Von früheren Auftritten in Zürich weiss ich: Englisch als Sprache ist easy und das Publikum
ist immer smart und interessiert.
Ihr Eindruck vom Format?
Ich gehe an viele Konferenzen rund um den
Globus. Das Worldwebforum ist fabelhaft
und ohne Zweifel eine der besten Konferenzen, die ich je besucht habe. Die erste Session über Silicon Valley versus Switzerland
mit ihren Experten war verblüffend. Der
Vortrag des ehemaligen amerikanischen
Atom-U-Boot-Kommandanten David Marquet über Leadership war spektakulär. Zudem haben wir von Google und Uber gehört
oder über Virtual Reality gesprochen. Es war
10
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
Das Unternehmen Die heutige Y&R
mit Sitz in New York wurde 1923
von John Orr Young und Raymond
Rubicam gegründet. Aktuell zählt
das globale Werbeagentur-Netzwerk rund 6500 Mitarbeiter in über
190 Büros in 93 Ländern. Hierzulande ist Y&R in Zürich und Genf
präsent. Schwesterfirmen in der
Young & Rubicam Group sind unter
anderem Burson-Marsteller oder
Wunderman. Die Gruppe ihrerseits
ist seit 2000 Teil der britischen
WPP Group, des weltweit grössten
Kommunikationsnetzwerks.
«Wer etwas tut, der muss es so
gross und gut machen, wie er
nur kann. Mit dem Gefühl, wie
man die Welt verändern kann.»
ein toller Tag. Ich kann das Worldwebforum
jedem empfehlen. Die investierte Zeit lohnt
sich restlos.
Inwiefern?
Ich habe immer einen Stift und Papier
neben dem Bett für diese Ideen, die ich
mitten in der Nacht habe. Damit ich sie am
nächsten Morgen noch grösser und besser
machen kann. Bei Y&R nennen wir das
«resist the usual», geschrieben von einem
unserer Gründer in den 1920er-Jahren.
Auch wenn Sie auf der Bühne thematisch
nicht darauf eingegangen sind, angekündigt
wurde Ihre Rede unter dem Titel «Do it big
or stay in bed». Was verstehen Sie darunter?
Meine Sicht der Dinge ist: Wer etwas tut, der
muss es so gross und gut machen, wie er nur
kann. Wenn man nicht jeden Tag mit dem
Gefühl aufwacht, wie man die Welt heute
verändern kann, wieso sollte man sich die
Mühe machen, aufzustehen?
Das heisst?
Folge nicht den Herden, sondern denke und
handle anders. Ich sehe mich als jemanden,
der den technologischen Wandel begreifen
will und der Versuchung widersteht, zu
glauben, dass alles Disruption und Game
Change ist. Nicht alles verändert die Welt.
Das meiste hat es nicht getan. Das beste hat
Evolution kreiert. Nur wenig hat Revolution
kreiert.
SPECIAL MARKETING
David Sable: «Word of Mouth
ist nicht neu. Das ist Unsinn!»
grossen Stil muss man weiter zurückgehen.
Das war Gutenberg mit der Erfindung des
modernen Buchdrucks. Davor war das Wissen einer Minderheit vorbehalten. Meiner
Meinung nach war danach alles Evolution.
Nach Print folgten elektronisch und digital.
So einfach?
Das Gleiche gilt für Social Media. Persönliche Informationen haben wir schon immer
geteilt – neu können wir es einfach ständig,
überall und global in Echtzeit tun. Word of
Mouth ist nicht neu. Mund-zu-Mund-Propaganda ist keine Erfindung des digitalen
Zeitalters. Das ist Unsinn!
ZVG
Ist das nicht Haarspalterei?
Vielleicht. Letztlich geht es darum, dass wir
mit den neuen Technologien Informationen
grösser, besser und schneller teilen können,
um mehr Möglichkeiten zu kreieren. Das ist
aufregend. Wen interessiert es, ob das nun
Revolution oder Evolution ist? Ausser: Wer
versteht, dass es Evolution ist, der versteht
besser, was er damit anfangen kann. Macht
dies Sinn?
Trotzdem sprechen alle bei der digitalen
Transformation von Revolution.
Das finde ich ja nicht schlecht. Doch wenn
man die Geschichte betrachtet, dann ist
Fortschritt oft Entwicklung, sprich Evolution. Das muss man wissen, um zu lernen –
darum geht es im Leben. Das World Wide
Web etwa sehen viele als Revolution. Aber
worum ging es ursprünglich? Um das Teilen
von Informationen. Es war eine Erfindung
von Wissenschaftern für Wissenschafter, damit sie untereinander besser kommunizieren und kollaborieren konnten.
Den Game Change hat beim Start des
WWW jedoch niemand gesehen.
Ohne Zweifel. Doch es war bloss ein neuer
Weg, um Informationen zu teilen. Für die Revolution des Teilens von Informationen im
Kommt auf das Beispiel an.
Sprechen wir über Amazon – die vermeintlich gewaltigste Disruption im globalen
Retail Business. Was als Revolution gilt, ist
aber auch eine Evolution. Wenn Sie die Declaration of Purpose von Sears, Roebuck &
Co., eines der ersten amerikanischen Versandhäuser mit Warenkatalogen, von Ende
des 19. Jahrhunderts lesen, dann wird Sie
die Sprache überraschen, weil ihr das heutige Mission Statement von Amazon fast Wort
für Wort entspricht. Man konnte bei Sears,
Roebuck & Co. bestellen, was es in den Kaufhäusern nicht ab Lager gab. Und die disruptive Evolution von Amazon geht weiter: Sie
eröffnen jetzt Läden, weil sie ihre dezentralen Lager näher zu den regionalen Kunden
bringen wollen, um sie so schneller und
günstiger zu beliefern.
Der Zweck der Übung?
Es geht um die Bedürfnisse der Menschen,
für die es online und offline sinnvoll miteinander zu verknüpfen gilt. Ein anderes
Beispiel dafür: Ikeas Möbelgeschäft ist teils
physisch und teils digital. Über die Weihnachtszeit wurde ein Collection Shop an
der Oxford Street in London eröffnet. Man
bestellt die Dekoration im Internet und
kann sie in einem zentralen Laden abholen,
ohne dass man in einen der dezentralen
Märkte muss. Ich stelle mir vor, dass es ein
Test war, den man dieses Jahr auch in
Zürich sehen wird. Das ist brillant. Das ist
«resist the usual».
In diesem Zusammenhang sprechen Sie
von «Digibabble». Meinen Sie nicht eher
«Digibubble»?
Über die digitale Blase sprechen andere. Ich
spreche bewusst vom digitalen Plappern.
Doch das Plappern verursacht die Blase.
Worum geht es bei «Digibabble»?
Digital ist alles, aber nicht alles ist digital.
Bei der globalen Datenverführung ist alles
«first» – insbesondere bei Marketing und
Innovation. Dabei gehen die Menschen
meistens vergessen, die immer «first» sein
müssen, weil sie in den Fokus gehören, da
im «Digibabble» Marketing und Innovation
sonst nicht ankommen.
«Online und offline müssen
mehr verheiratet werden.
Digital wird physischer und
physisch wird smarter.»
Beispielsweise?
Niemand kauft mehr Musik und niemand
geht mehr ins Kino, weil die meisten Alben
und Filme praktisch gratis zu streamen sind.
Doch «free» ist kein Geschäftsmodell. Mit
«Digibabble» haben zwei aktuelle Fälle bewiesen, dass es auch heute noch anders
geht. Adele mit ihrem Album «25» und «Star
Wars» mit dem siebten Film «The Force
Awakens». Beide brechen weltweit alle Verkaufsrekorde, indem sie ihren grossartigen
Content nicht vorab preisgegeben, sondern
bewusst kostenpflichtig gehalten und die
Distributionskanäle kontrolliert haben.
Wie sehen Sie die Zukunft des Marketings?
Sie wird faszinierend. Das goldene Zeitalter
des Marketings steht uns erst bevor. Neben
Disruption und Game Change braucht es
weiterhin Kreativität und Storytelling. Man
muss weiterhin fähig sein, eine Marke mit
Konsumenten und Emotionen zu verlinken.
Was bedeutet das im digitalen Kontext?
Vor fünf Jahren waren nutzergenerierte
Inhalte unsere neue Währung. Diese wird
nun mehr und mehr durch nutzerzentrierte
Inhalte abgelöst – online und offline müssen
mehr verheiratet werden. Digital wird physischer und physisch wird smarter. Amazon
und Ikea sind zwei Belege dafür.
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
11
SPECIAL MARKETING
Mehr als ein Trend
Disruption Radikale Erneuerung durch Innovation wird in allen Branchen zur
Ambition. Disruption verkörpert wie kaum ein anderes Wort diesen Zeitgeist.
MATTHIAS KIESS UND SIMON REHSCHE
K
eine Fachtagung, Publikation,
und kaum ein Agenturbriefing
kommt heute ohne das Wort
Disruption aus. Es lässt Marketingherzen höher schlagen.
Die «FAZ» kürte es gar unlängst zum Wirtschaftswort des Jahres 2015.
Die Verwendung von Disruption geht
uns heute leicht von der Zunge und erzeugt
im Marketingjargon ausschliesslich positive
Assoziationen. Neuartige Konzepte, die im
Sturm ganze Branchen revolutionieren und
das Verhalten von Konsumenten auf den
Kopf stellen, scheinen zu jedem Zeitpunkt
und in jedem Bereich möglich. Airbnb, Uber
oder Tinder lassen grüssen. Disruptive Produktinnovationen und die dahinterstehenden Geschäftsmodelle brauchen in unserer
digitalisierten Welt meist kein Marketing.
Sie sind Marketing.
Wer Konsumenten zu grundlegender
Verhaltensänderung bringen will, hat mit
Verantwortungsübergabe und Autonomieangeboten, wie es scheint, die besten Kar-
ten. Selbstbedienbare Kassen und mobile nen rücken in ihrer Alltagsrealität schneller
Scanner definieren gerade unser Einkaufs- auseinander oder Gesellschaftsschichten
verhalten neu. Die wie Pilze aus dem Boden erleben eine neue Trennung aufgrund der
schiessenden Online-Reisebroker haben finanziellen Möglichkeiten.
uns schon vor Jahren gelehrt, dass wir keine
Fürs Marketing hat Disruption heute
Berater mehr brauchen. Und Smartphone- über den reinen Fortschritt in der AngebotsApps werden schon bald dazu führen, dass entwicklung eines Unternehmens hinaus
die Erfassung und Analyse unserer Gesund- eine weitaus grössere Bedeutung. Radikale
heitsdaten kaum mehr mit einem menschli- Verhaltensänderungen bedeuten für die sie
chen Arzt in Verbindung gebracht werden.
initiierenden Marken innerhalb einer KateDisruption und Innovation bereichern gorie häufig die einzige Möglichkeit zu
unser Leben und machen es
substanzieller Alleinstellung.
spannend. Das war schon imUnd sind damit existenziell.
mer so. Vom Buchdruck über
Weil diese Alleinstellung in
Disruption ist
die Industrialisierung zur Masunseren übersättigten Märksenherstellung von Autos liegt im Marketing nur
ten nämlich die wichtigste
es in der Natur der Geschichte, erfolgreich, wenn
Bedingung für erfolgreiche
dass Fortschritt unser Leben kein Selbstzweck
Vermarktung darstellt, ist die
verändert. Mit der Digitalimit dem Konventionellen breverfolgt wird.
sierung wird unser Alltag aber
chende Innovation – die Disin einer Geschwindigkeit verruption – ein sicherer Weg zu
ändert, mit der der disruptimehr Relevanz für Kunden.
ve Wandel verschiedener Lebensbereiche Und damit der direkte Weg zu Wettbewerbsunüberblickbar scheint. Kürzere Innova- vorteilen. Diese sind das universellste Martionszyklen bringen neben allen Vorteilen ketingziel. Und so erstaunt die Popularität
denn auch Herausforderungen. Generatio- des Konzepts Disruption wenig.
TBWA\
Begrifflichkeit urheberrechtlich geschützt
Erfinder Im Mai 1992 wurde
zur Aktivierung disruptiver
erstmals von Jean-Marie Dru,
Markenplattformen im Alltag
heute Chairman von TBWA\
von Konsumenten. Disruption
Worldwide, Disruption als
als Begrifflichkeit und Teil der
neuer Denkansatz postuliert,
DNA von TBWA\ ist inzwiund zwar in Form eines Inseschen in über 40 Ländern
rates im «Wall Street Journal».
urheberrechtlich geschützt.
Schon bald erfolgte eine
Vertiefung, unter anderem in
Auftritt Am 16. März 2016
Jean-Marie Dru:
verschiedenen Büchern von
erhalten Interessierte die
Chairman TBWA\.
Dru. Disruption ist seitdem der
Möglichkeit, an der GfM
Kern, die Philosophie und die
Marketing-Trend-Tagung im
Seele der Kreativagentur TBWA\.
Hotel The Dolder Grand in Zürich den
Begründer und Erfinder von Disruption,
Definition Disruption beschreibt den
Jean-Marie Dru, persönlich zu hören.
Bruch marktdefinierender Konventionen
zum Erreichen klar formulierter Visionen.
Agentur TBWA\Worldwide mit Hauptsitz
So entstehen analytisch fundierte, kreain New York wurde 1970 gegründet und
tive Strategien, die langfristig den Weg
ist heute ein weltweit aktives Agenturzum Wachstum zeigen. Disruption wurde
netzwerk mit über 11000 Mitarbeitenden,
zuletzt 2015 überarbeitet und beinhaltet
Präsenz in mehr als 90 Märkten und mit
neu auch fortlaufende Kreativprozesse
TBWA\Zürich auch in der Schweiz tätig.
12
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
Nährklima für fundamentalen Wandel
Der Zeitpunkt dieser Popularität lässt
sich nicht nur aufgrund der Notwendigkeit
konsequenten Fortschritts fürs Marketing
von meist – objektiv gesehen – austauschbaren Angeboten erklären. Die rasante, für den
Grossteil der Menschheit nicht verständliche Entwicklung digitaler Technologien, die
generelle Beschleunigung unseres Lebens,
aber auch das steigende Bewusstsein für
grundlegende Probleme des Daseins schaffen ein ideales Nährklima für die Akzeptanz
von und den Glauben an fundamentalen
Wandel. Veränderung und Fortschritt sind
deshalb nicht nur rationale Bedürfnisse.
Wer Verhaltensmuster verändert und radikal Neues in seinen Alltag integriert, bleibt
automatisch aktuell und meidet damit die
Gefahr, in einer unüberblickbaren Welt im
Gestern zu verbleiben. Konsumenten wollen und wünschen Neues heute vielmehr
aus einem emotionalen Grundbedürfnis als
aus funktionalem Bedürfnis. Konsumenten
wünschen sich die tägliche Disruption. Und
gutes Marketing beginnt bei Wünschen.
Mehr als nur der reale Innovationsprozess
verkörpert Disruption eine Denkhaltung
SPECIAL MARKETING
ZVG
Inserat «Wall Street Journal»: Jean-Marie Dru
thematisierte Disruption 1992 das erste Mal.
und Überzeugung, die mit der entsprechenden Konsequenz im Handeln Marken ihren
Platz im Leben von Menschen schafft.
Disruption wird nicht nur inflationär,
sondern häufig bagatellisierend verwendet.
Die ursprünglich dramatische Bedeutung
des Wortes, die im Bruch von Bestehendem
und demnach im Zerstörerischen liegt, wird
nicht immer ernst genommen. Disruption
tönt nach Silicon Valley, nach informellen
Meetings, nach Radikalität. Und ist deshalb
D
cool. Disruption
brachte bis zur
Verwe
Verwendung
im Marketingkontext ab
aber immer auch Unsicherheit. D
Denn jede radikale Veränderu birgt einen ungewissen
derung
Ausg
Ausgang
und ist deshalb eine
pote
potenzielle
Bedrohung für alE
les Etablierte.
V
Vergessen
geht neben der
gru
grundsätzlichen
Marketingbe
begeisterung
für alles Disru
ruptive
zuweilen auch, dass
di
disruptive
Lösungen meiste
tens
nicht aus rein wirtsschaftlichem Antrieb entsstehen, sondern aus dem
p
passionierten
Verfolgen
einer Überzeugung oder
einer Idee – wie dies im
Übrigen meistens bei erfolgreich vermarkteten
Erfindungen der Fall ist.
Prototypen disruptiver
kom
Innovationen kommen
oft aus risikoaffinen
und damit nicht m
misserfolgsscheuen Kleinbetrieben. Wer Disruption ernsthaft sucht,
wird also um eine konsequente Haltung, Investitionsbereitschaft und nicht zuletzt eine
grosse Portion Mut nicht herumkommen.
Nun ist wahre Disruption auch unter den
besten Bedingungen nicht immer planbar
und deshalb nicht an der Tagesordnung.
Weil Menschen Marken und deren Angebote gerade in intransparenten Märkten nicht
rational wahrnehmen, kann die relative
Seltenheit wahrer Disruption durchs richti-
ge Marketing kompensiert werden. Disruption muss nämlich nicht immer über reale
Innovation geschehen, sondern kann auch
durch werbliche Inszenierung als solche
positioniert werden. Es geht darum, mit disruptiver Kommunikation Marken und ihre
Angebote in einem neuartigen Kontext strategiekonform zu positionieren.
Der Wille nach Andersartigkeit
Die Perspektive darauf ist ausschlaggebender als das reale Angebot. Beispiele dafür gibt es zahlreiche: PlayStation vermarktete der Branchenkonvention folgend bis
vor einigen Jahren Konsolen an Kinder und
Jugendliche, bevor sich der Marke dank
einer disruptiven Neupositionierung die Erwachsenenwelt als weit dankbarerer Markt
erschloss. Oder Airbnb lässt nicht nur seine
offensichtlichen Vorteile sprechen, sondern
verteidigt die Einzigartigkeit gegen die grösser werdende, leistungsmässig nahezu identische Konkurrenz mit einer disruptiven
Positionierung. Airbnb will eine Welt ohne
Fremde, in der alle allen ihre Türen öffnen.
Disruption ist im Marketing aber nur
dann wirklich erfolgreich, wenn der Wille
nach Andersartigkeit nicht aus Selbstzweck
verfolgt wird. Disruption bringt nicht unkalkulierbare Zufallsprodukte hervor. Sie ist
vielmehr ein klarer Plan für eine definierte,
langfristig strategisch konsequente Markenführung und Markenaktivierung.
Matthias Kiess, CEO, und Simon Rehsche,
Head of Strategy, beide TBWA\Zürich.
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SPECIAL MARKETING
CUSTOMER INSIGHT
Basis innovativer Geschäftsmodelle
A
nno 2008 liess sich der NokiaCEO Olli-Pekka Kallasvuo bei
«Forbes» mit folgender Fehleinschätzung zitieren: «The
iPhone is a niche product.»
2007 erreichte Nokias Umsatz ein Allzeithoch von 74 Milliarden Dollar. Zu diesem
Zeitpunkt war man der unangefochtene
Herrscher in einem der globalen Zukunftsmärkte. Nur neun Jahre später spielt Nokia
in diesem Markt – ob als Unternehmen
oder Marke – nahezu keine Rolle mehr.
Derzeit heissen die Platzhirsche Apple,
Google, Samsung, Amazon, Facebook,
Zalando, Uber oder Airbnb. Diese Firmen
offerieren den Kunden voneinander
abweichende Leistungsspektren, die sich
einerseits ergänzen und anderseits im
Wettbewerb stehen. Vor allem aber richten
sie sich an dieselben Kunden, die daher
zunehmend die Freiheit besitzen, Sowohlals-auch-Kaufentscheidungen zu treffen,
und nicht zu Entweder-oder-Kaufentscheidungen gezwungen werden. Die Kunden
fragen sich zunehmend nicht mehr: Kaufe
ich bei Anbieter A oder B. Sondern: Wie
viele und welche Leistungsanteile beziehe
ich von den Anbietern A, B, C, D und Z, um
mein Bedürfnisprofil möglichst optimal
zufriedenzustellen. So versorgt sich beispielsweise ein Zürcher Banker mit Informationen und Unterhaltung, indem er
parallel Angebote von Google, Facebook,
Linkedin, «NZZ», SRG, «20 Minuten», Netflix, «Handelszeitung» oder Radio 1 nutzt.
Seine Mobilitätsbedürfnisse befriedigt er,
indem er auf Angebote von BMW, Tesla,
SBB, ZVV, Uber, klassischen Taxiunternehmen, Mobility oder Google zurückgreift.
Nokia sah sich vor allem im Wettbewerb
mit anderen Anbietern von Mobiltelefonen
und unterschätzte erstens den Substitutionswettbewerb und zweitens den Wettbewerb zwischen «Business-Ecosystems».
Welche Bedrohung von Substitutionsanbietern für etablierte Wettbewerber ausgeht, analysierte schon Joseph Schumpeter
in den 1940er-Jahren mit seinem makroökonomisch fundierten Konzept der
kreativen Zerstörung; später unterstrich
Theodore Levitt mit seiner Diagnose einer
«Marketing Myopia» und insbesondere
Michael Porter mit seinen Arbeiten zur
Wettbewerbsstrategie die disruptive Kraft
des Substitutionswettbewerbs.
Seit die digitale Revolution läuft, hat sich
die Lage erheblich verschärft. Innovationszyklen werden kürzer. Branchengrenzen
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MAS Marketing Management | Universität Basel
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SPECIAL MARKETING
Dennis Vogt
Managing Director,
Center for Innovation, Universität
St.Gallen (HSG)
erodieren schneller. Wertschöpfungsprozesse werden umfassender neu strukturiert. In immer mehr Branchen sehen sich
etablierte Wettbewerber – ähnlich wie
Nokia anno 2008 – mit Geschäftsmodellen
konfrontiert, die auf einzigartigen Customer Insights basieren, Teile bestehender
Wertschöpfungsketten neu definieren und
sich optimal in «Business-Ecosystems»
einpassen. Zurzeit definiert Airbnb die
Regeln im Tourismus und Uber die Wettbewerbsregeln im Transportmarkt neu.
Sowohl das, was «technologisch» möglich
sein wird, als auch das, was Kunden wollen,
lässt sich zunehmend höchst ungenügend
aus den Daten der Vergangenheit extra-
Torsten Tomczak
Director, Center
for Customer
Insight, Universität
St.Gallen (HSG)
polieren. Früher waren Unternehmen in
der Lage, verschiedene mehr oder weniger
trennscharfe Segmente zu identifizieren
und diese über Jahre mit standardisierten
und in Zeitsprüngen modifizierten Produkten zu beliefern. Kennzeichen des digitalen
Zeitalters ist es aber, dass laufend individualisierte «Produkte» kostengünstig von
wechselnden Koalitionen von Anbietern
kreiert werden. Vielmehr als für Startups,
die organisatorisch und kulturell flexibler
aufgestellt sind, stellt diese Entwicklung für
bestehende Firmen eine enorme Herausforderung dar. Bei Startups, die in der Regel
digitale Produkte anbieten oder durch die
Digitalisierung geprägte Geschäftsmodelle
betreiben, ist es zentraler Teil der Strategie,
sogenannte Beta-Versionen (Geschäftsmodelle, Produkte, Kommunikationsund Distributionskonzepte) auf den Markt
zu bringen und zu beobachten, wie die
Kunden darauf reagieren, um sich in einem
iterativen Prozess nach und nach an eine
(vorläufige) Alpha-Version heranzutasten.
Um auch in Zukunft im Wettbewerb zu
bestehen, benötigen viele etablierte Unternehmen einen neuen Zugang zum Thema
Kundenorientierung. Sie müssen Systeme
schaffen, die in Echtzeit aufdecken, wie
sie ihren Kunden einen Mehrwert bieten
können. Die Digitalisierung sowie die
Startup-Bewegung haben extrem ressourceneffiziente empirische Studiendesigns
hervorgebracht. Im Zentrum steht dabei
die permanente Generierung von Customer Insights mithilfe von experimentell
angelegten Studien. Schliesslich geht es
darum, das Verhalten der Kunden in realen
Entscheidungssituationen kontinuierlich
zu «tracken», um in einem permanenten
Prozess innovative Geschäftsmodelle
überarbeiten oder neu entwickeln und
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© UBS 2016. Alle Rechte vorbehalten.
SPECIAL MARKETING
Markenführung
revolutionieren
Drugstore Publicis bringt das Startup-Konzept in die
Schweiz und kooperiert mit dem Impact Hub Zürich.
ALINA LEIMBACH
D
as Viadukt, auf dem die Käferberglinie gen Oerlikon fährt,
ist eigentlich ein Relikt aus
dem 19. Jahrhundert. Doch
ausgerechnet hier tummeln
sich seit 2011 viele der innovativsten Köpfe
der Schweiz. Damals öffnete der Impact
Hub Zürich unter den steinernen Bögen seinen ersten Standort. Mehr als 500 StartupUnternehmer, Nichtregierungsorganisationen, Freischaffende und mittlerweile auch
Grossfirmen wie SIX oder Swisscom gehören allein hierzulande zur Community des
globalen Impact-Hub-Netzwerks.
Potenzial, welches das Projekt Drugstore
nutzen will. Das Konzept dafür stammt von
der weltweit tätigen Kommunikationsagentur Publicis – in London und Sydney gibt es
ähnliche Modelle bereits. In der Schweiz ist
der Impact Hub der lokale Kollaborationspartner. Das Angebot verbindet die Stärken
beider Seiten: Die Marken- und Werbeerfahrung von Publicis und das IT-Knowhow und den Innovationsgeist der StartupKöpfe des Impact Hub Zürich. Das Ergebnis
sollen innovative Produkte und Dienstleistungen, passend zur Markenstrategie, sein.
«Brand to Product»
Damit wagt sich Publicis auf neues
Terrain. Statt nur bestehende Produkte zu
bewerben und eine Marke gut zu positionieren, will sie mit dem Drugstore schon
die Produktentwicklung zum integralen
Bestandteil der Markenstrategie machen.
«Innovationen werden gebraucht, um
die Bedürfnisse einer digitaler werdenden
Gesellschaft zu befriedigen und Kunden zu
halten», erklärt Curdin Janett, CEO von Publicis Schweiz und Mastermind hinter dem
helvetischen Drugstore. Aus diesem Grund
versuchten viele Firmen in den letzten
Jahren von der frischen und innovativen
Startup-Kultur zu lernen. Das fange bei den
16
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
fast obligatorischen Studienreisen ins Silicon Valley oder in die Kreativ-Hotspots
Berlin und Tel Aviv an und höre mit der
Gründung von unternehmenseigenen «Innovationsabteilungen» auf, so der Werber
des Jahres 2015.
Doch selbst wenn sich Firmen an neuen
Services oder Dienstleistungen versuchten,
sei das nicht zwangsläufig erfolgreich. Denn
nicht immer passe die Innovation auch zur
Marke. «Einige Unternehmen vergessen auf
der Suche nach innovativen Produkten und
Services ihre eigene Herkunft ebenso wie
die Positionierung der Marke», hat Janett
«Unternehmen
vergessen auf
der Suche nach
Innovationen
ihre Herkunft.»
Curdin Janett
CEO Publicis Schweiz
beobachtet. Nur wenn beispielsweise eine
App eine sinnvolle Weiterentwicklung der
Kernmarke darstelle, werde sie positiv von
den Kunden wahrgenommen. «Innovation
der Innovation wegen funktioniert nicht.»
Genau hier kommt das Angebot Drugstore ins Spiel. Bei der Dienstleistung namens «Brand to Product» wird binnen fünf
Tagen ein Prototyp eines neuen Geschäfts-
Apotheke: Zunächst
wird eine klassische
Anamnese gemacht.
modells, Service oder Produkts entwickelt,
eben nicht nur mit Fokus auf Innovation,
sondern auf Marke und Kunden abgestimmt.
Wie in einer guten Apotheke wird im
Drugstore zunächst eine Anamnese gemacht. Nicht vom kränkelnden Patienten,
sondern von einem grossen, mittleren oder
auch kleinen Unternehmen. Und am besten, bevor dieses überhaupt beginnt, erste
Symptome wie Verluste von Marktanteilen
zu zeigen. Analysiert wird, was Kern der
Marke ist, wofür Kunden die Firma schätzen
und wohin das Unternehmen will.
«Lead the Change»
Von Anfang an sitzen die Software-Entwickler und Produktdesigner vom Impact
Hub Zürich mit am Tisch. Statt nebeneinander zu arbeiten, wird von den Erfahrungen
beider Seiten profitiert, um die Fehler mancher «Innovationsabteilung» zu vermeiden.
Aber profitiert auch der Junior-Partner,
der Impact Hub, davon? Oder werden hier
nur die Kreativressourcen der klugen Köpfe
genutzt, um Publicis und die Unternehmen
voranzubringen? Christoph Birkholz, Mitgründer und Chef des Impact Hub in Zürich,
sieht viele Vorteile in der Kollaboration:
«Unsere Mitglieder treffen im Drugstore
auf mittlere oder grössere Firmen, sprich
potenzielle Kunden oder Partner für die
Zukunft. Das ist sehr wertvoll für sie», erklärt
der Jungunternehmer. Ein Honorar gebe es
auch. Das sei aber eher eine nette Nebenerscheinung, weil die meisten Mitwirkenden
eigene Projekte vorantrieben.
Erste Kunden haben den Drugstore seit
Gründung vergangenen September schon
in Anspruch genommen. Curdin Janett ist
allerdings noch etwas zögerlich, wenn es
um konkrete Ergebnisse geht. «Wir haben
Konzepte entwickelt, die langfristig wirken
SPECIAL MARKETING
PUBLICIS
STEFFEN SCHMIDT/KEYSTONE
Nummer 1 im Land,
Nummer 3 der Welt
sollen», begründet er. Wer erste Resultate
haben wolle, solle in zwei, drei Jahren noch
einmal nachfragen. Das Rebranding von
Orange zu Salt und die Neupositionierung
von V-Zug basierten allerdings auf dem ersten Schritt im Drugstore-Konzept, fanden
aber andernorts statt. Es sieht eine spezielle
Markenkernanalyse gemäss der PublicisStrategie «Lead the Change» vor.
Durchaus Potenzial
Bei einer anderen Frage ist sich Janett
sicherer. Er ist überzeugt, dass der Drugstore Zukunft hat. Man stecke mitten in der
digitalen Transformation. «Neue Innovationen, digital und näher am Kunden, werden
gebraucht.» Genau das also, was man anbiete. «Und weil ich glaube, dass sich das
nicht mehr ändern wird, hat das Konzept
wohl nicht nur kurzfristig eine Chance.»
Auch Brian Rüeger, Leiter des Instituts
für Marketing Management an der Zürcher
Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur, meint, dass der
Drugstore Erfolg haben könnte: «Klassische
Markenführung ist seit mehreren Jahren am
Aussterben.» Die meisten Agenturen hätten
das begriffen. Doch der Sprung in die neue
Zeit sei nicht leicht. «Manchmal haben es
Neueintreter in den Agenturmarkt einfacher
als Alteingesessene, die der Vergangenheit
hinterherweinen», so der Fachmann.
Das Konzept Drugstore beurteilt er daher
positiv. «Es gibt einen grossen und wachsenden Bedarf nach schnell verfügbaren
Prototypen», sagt Rüeger. Allerdings fehlten Firmen oft die nötigen Kompetenzen,
Methoden oder Infrastrukturen. «Somit ist
Platz für neue Businessmodelle.» Gelinge es
Publicis, die völlig unterschiedlichen Welten
zusammenzubringen und Produktentwicklung als Teil des Kernmarketings zu positionieren, könne sich die Agentur für die Zukunft aufstellen, so der Marketingexperte.
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Gewinnt Trophäen, die wirklich zählen:
die Herzen der Kunden.
Das Schellen-Ursli Sortiment von SPAR begeistert mit seinen
sorgfältig ausgewählten, regionalen Produkten.
Produkte nicht in allen SPAR Märkten erhältlich.
Carigiet / Chönz, «Schellen-Ursli» Copyright © 1971 Orell Füssli Verlag AG
Global Das Produkt zum Kunden sprechen lassen und auf dessen einmalige
Stärke setzen. Das war bereits zur Firmengründung 1926 in Paris das Credo
der Publicis Groupe. Dieser Gedanke
des damals erst 20-jährigen Begründers Marcel Bleustein kam einer kleinen
Revolution in der Werbebranche gleich.
Heute ist das globale Kommunikationsnetzwerk mit mehr als 44000 Mitarbeitenden in über 100 Ländern vertreten.
National Die Kreativagentur Publicis
Schweiz mit Zentrale in Zürich ist die
grösste und eine der traditionsreichsten
Werbeagenturen im Land und Teil der
Publicis Groupe, des drittgrössten
Kommunikationsnetzwerks der Welt.
Sie bietet alle Disziplinen unter einem
Dach – von Markenentwicklung, klassischer Werbung, Dialogmarketing und
Design über digitale Kommunikation
bis hin zu Mediaplanung und Einkauf.
Kunden Detailhändler Coop, Fluggesellschaft Swiss oder Mobilfunknetzbetreiber Salt – sie alle greifen auf die
Expertise der Marketingfachleute
von Publicis Schweiz zurück. Egal ob
kleines, mittleres oder grosses Unternehmen, die Kreativagentur hat sich
auf die Fahne geschrieben, für alle
Branchen und Bedürfnisse eine massgeschneiderte Strategie zu entwickeln.
SPECIAL MARKETING
«Es braucht eine
neue Dachmarke»
INTERVIEW: DANIEL TSCHUDY
DER ERLEBNIS-MARKETEER
Die letzten 18 Monate hatten es für Andreas
Messerli in sich. Im Juli 2014 verstarb sein
Vater Andreas Peter Messerli in Alter von 82
Jahren. Dieser gründete 60 Jahre zuvor die
Andreas Messerli AG und führte sie mit kreativen Ideen und Weitblick in die Gegenwart.
Im Dezember 2014 übernahm die in Wetzikon ZH ansässige Messerli Group die Mehrheit an der AlphaBlue Event Management in
Uster ZH. Im September 2015 kaufte man
den Tontechniker Dr. W. A. Günther Media
Rent in Erlenbach ZH und löste damit in der
Schweizer Live-Communication-Szene einige Aufmerksamkeit aus. Als «Magic Moment Engineer» bezeichnete sich Andreas
Messerli einst und ist heute damit beschäftigt, seine Unternehmensgruppe (siehe Kasten rechts) zum wichtigsten Player des hiesigen Erlebnismarketings auszubauen.
Name: Andreas Messerli
Funktion: Verwaltungsratspräsident Messerli Group
Alter: 54
Familie: Verheiratet, ein Sohn
Die Messerli Group ist in den vergangenen
Monaten stark gewachsen. Folgt jetzt die
Zeit der Konsolidierung?
Andreas Messerli: Mit dem Status quo sind
wir sehr happy. Alles läuft rund. Wir können
im Erlebnismarketing endlich eine komplette Wertschöpfung anbieten. Bis anhin waren
wir ja eher ein B2B-Spezialist, aber das hat
sich mit den Übernahmen verändert. Wir
kommen immer mehr in den B2C-Bereich.
Ein gutes Beispiel dafür ist unser Engagement am diesjährigen Eidgenössischen
Schwing- und Älplerfest in Estavayer-le-Lac,
wo unsere Gruppe nun diverse Mandate hat.
Wir stellen Zelte auf, bauen Tribünen und
vertonen das ganze Festgelände.
Wie gross ist denn die Messerli-Gruppe?
Zu 100 Prozent gehören mir die Firmen
Fabrikatur, Konform, Hunziker, Expoformer
und Media Rent. Zudem habe ich Mehrheitsbeteiligungen unter anderem an den
Agenturen Angelini, Normholz, AlphaBlue
und Retailpartners. Insgesamt sind es rund
350 Festangestellte, die 2015 etwas über
18
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
Das Unternehmen Zur 2012 als
solche lancierte Messerli Group mit
Hauptsitz in Wetzikon ZH gehören
aktuell zehn Firmen: AlphaBlue
Event Management AG (gegründet
2001), Andreas Messerli AG (1954),
Angelini Design Gmbh (2005),
Dr. W. A. Günther Media Rent AG
(1933), Expoformer AG (1987),
Fabrikatur AG (2011), Hunziker AG
(1934), Konform AG (1997), Norm
Holz Bau AG (1958) und Retailpartners AG (1996). Rund 350 Festangestellte erwirtschafteten 2015
über 95 Millionen Franken.
95 Millionen Franken erwirtschaftet haben.
Wirklich interessant ist dabei, dass wir mit
mindestens einem unserer Büros bei jedem
der 150 grössten Unternehmen der Schweiz
vertreten sind. Das heisst, wir bedienen
heute alle hiesigen Konzerne in sämtlichen
relevanten Branchen.
Wollen denn grosse Firmenkunden wirklich
mit nur einem einzelnen Live-Communication-Gesamtanbieter arbeiten?
Das ist so. Natürlich gibt es intensive und
langatmige Ausschreibungen und Vertragsverhandlungen, aber Zeit ist Geld und die
Konzerne wollen nicht mehr einzelne
Dienstleistungen bei einzelnen Anbietern
einkaufen und dann separat handeln. Wir
bieten diese One-Stop-Strategie bewusst an.
Das bedeutet einen grossen Aufwand im
Pitching-Prozess, dafür aber effizienteres,
schnelleres Umsetzen im operativen Ablauf.
Konkret?
So konnten wir Grosskunden wie Swisscom
oder Geberit mit mehrjährigen Verträgen
an uns binden und betreuen diese Kunden
mit eigens aufgestellten Teams. Unsere
Eventlogistiker sind somit irgendwo in der
Schweiz praktisch täglich im Einsatz, zum
Beispiel auch für die UBS. Manchmal verwalten wir Räumlichkeiten, manchmal stellen wir temporäre Ausstellungen auf oder
manchmal organisieren wir einen Kundenevent. Früher versuchten wir einfach, regelmässig schöne Einzelaufträge zu erhalten.
Heute sind wir in kompakte und langfristige
Partnerschaften eingebunden.
Müssen denn die einzelnen UBS-Filialen
exklusiv mit der Messerli Group arbeiten?
Wir decken praktisch jede denkbare Dienstleistung im Erlebnismarketing ab. Aber
die einzelnen UBS-Abteilungen respektive
deren Verantwortliche können frei entscheiden, ob sie mit uns arbeiten wollen. Nur haben wir mit der Procurement-Abteilung ein
Tarifbuch ausgearbeitet, und so kann jeder
UBS-Verantwortliche aufgrund seines Projekts und seines vorhandenen Budgets aus
unserem Angebot auswählen. Das macht es
für ihn doch ziemlich einfach. Wenn also in
irgendeiner Berggemeinde eine Filiale eröffnet wird, ruft uns der zuständige Projektleiter an und bucht je nach Bedürfnis diverse
Leistungen bei uns. Zum Beispiel ein Empfangs-Counter, eine Hüpfburg für das Eröffnungsfest, Hostessen für den Event oder
auch Merchandising-Elemente.
Das Geschäft wird demnach in der
Dachgesellschaft zentral reingeholt?
Das mache ich zusammen mit unserem Verkaufsleiter Daniel Wyss. Die Neuanfragen
kommen bei uns rein und wir machen dann
die Triage. Was für eine Art Geschäft ist es?
Wer innerhalb der Gruppe kann es am besten betreuen respektive wer kann den Lead
übernehmen? So verteilen wir die neuen
Buchungen auf die passenden Spezialisten.
DANIEL TSCHUDY
Andreas Messerli Der Verwaltungsratspräsident der Messerli Group über die
stille Expansion und Diversifikation und den neuen Begriff Erlebnismarketing.
SPECIAL MARKETING
Andreas Messerli: «Weder der Name Messerli noch die Berufsbezeichnung Messebau sind für einen Konzernauftritt zeitgemäss.»
So einfach?
Was wir gleichzeitig auslösen wollen, ist ein
intensives Cross Selling. Das ist immer
schwierig, denn die einzelnen Vertreter
jeder unserer Agenturen sehen ihr eigenes
Tagesgeschäft als das Wichtigste an. Trotzdem können wir intern jährlich bereits rund
15 Millionen Franken an Aufträgen auslösen
und verteilen. Das Potenzial ist aber einiges
grösser und wir werden weiter versuchen,
jeden Kundenkontakt auszuleuchten. Das
heisst, nicht nur angefragte Aufträge bei der
Kontaktperson zu akquirieren, sondern bei
diesem Kunden dann alles zu recherchieren,
ob in anderen Abteilungen weitere uns unbekannte Projekte und Chancen bestehen.
Sind Sie stark genug im Kreativbereich?
Vielleicht hatten wir in der Vergangenheit
nicht das Image einer Eventagentur – auch
weil wir selber ja aus dem Hintergrund die
wichtigsten Schweizer Eventagenturen bedienten. Aber seit der Finanzkrise kommen
viele Unternehmen direkt zu uns, unterstützt durch ihre Purchasing-Bemühungen
wollen sie bei den Produzenten direkt einkaufen. Messerli wollte tatsächlich nie als
reine Eventagentur wahrgenommen werden, aber der Markt verlangt mittlerweile,
dass wir als Full-Service-Anbieter tätig sind.
Das geht Hand in Hand mit der Entwicklung
und den Übernahmen. Unser defensives
Auftreten gehört zur Vergangenheit und die
Branche hat das mit einer gewissen Verunsicherung mitbekommen. Man gesteht uns
heute eine zentrale Position im Schweizer
Live-Communication-Management zu.
Und das entspricht auch Ihren persönlichen
Ambitionen, nicht wahr?
Richtig. Denn nach den Übernahmen von
Media Rent und AlphaBlue gehören wir
zusammen mit der MCH Group – vormals
Messe Schweiz – zu den zwei grossen Players im Land. Immerhin erarbeiten wir bald
100 Millionen Franken im Jahr. Das zeigt
doch auch Qualität und Zuverlässigkeit, die
wir in langen Jahren erarbeitet haben.
«Zusammengefasst wollen
wir der absolute Spitzen-Player
im Erlebnismarketing
in der Schweiz sein.»
Was genau will die Messerli Group sein?
Zusammengefasst wollen wir der absolute
Spitzen-Player im Erlebnismarketing in der
Schweiz sein. Deshalb werden wir auch
noch in diesem Frühjahr ein neues Branding
bekanntgeben, denn weder der Name Messerli noch die Berufsbezeichnung Messebau
sind für einen Konzernauftritt zeitgemäss. Es
braucht eine neue Dachmarke – attraktiver
und verkaufsorientierter. Gleichzeitig wollen wir erreichen, dass jede unserer Firmen
erfolgreich ist und nicht nur die eine oder
die andere, je nach Lauf und Lust der Wirtschaft. Derzeit ist es etwa für die im Bereich
Messebau und Displays tätige Expoformer
schwierig, da sie halt sehr stark vom Exportgeschäft abhängig ist. Wenn also alle Ein-
heiten reibungslos arbeiten können, dann
kann auch die Gruppe erfolgreich unter
dem Sammelbegriff Erlebnismarketing weiterwachsen. Wir stellen Bühnen, wo sich
Menschen treffen – in Amerika heisst das
Storytelling Industry. Leider ist der Begriff
so in der Schweiz nicht anwendbar, deshalb
wählen wir Erlebnismarketing. Dazu brauchen wir auch die virtuelle Welt und entsprechende Werkzeuge. Und so haben wir
uns an der Schweizer Firma Zaak beteiligt,
einem kleinen Spezialisten aus dem Bereich neue und virtuelle Medien. Zaak hat
zum Ziel, zeitgenössische, spielerische und
kommunikative Lösungen zu erforschen,
zu entwickeln und bereitzustellen. Zaak ist
quasi unser Labor für Virtual Reality. Und
somit ein wichtiges Puzzleteil für unsere
Zukunft.
Wie wichtig ist das Auslandgeschäft noch?
Interessant ist, dass mein Vater damals mit
dem Messebau rund 75 Prozent seines Geschäfts im Ausland getätigt hat. Heute ist es
noch knapp ein Viertel. Wir haben uns mit
den neuen Dienstleistungen vorerst auf die
Schweiz konzentriert und wollten sicher
sein, dass wir unseren Stammkunden die
komplette Erlebnismarketing-Palette anbieten können. Im Ausland begnügen wir uns
mit passenden strategischen Partnern.
Ihre Zukunft?
Ich betreue keine eigenen Kunden mehr,
sondern kümmere mich mit meiner rechten
Hand Hugo Keller um Firmenphilosophie
und Unternehmensstrategie.
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
19
SPECIAL MARKETING
Ist dabei sein alles?
Leistungssport Erfolgreiche Athleten sind ein Gewinn für die
Wirtschaft. Umgekehrt werden sie oft unter Wert geschlagen.
dem Lebensbereich notwendig sind. Sie
lernen beispielsweise, fokussiert durchs
Leben zu gehen. Sich voll und ganz auf eine
Aufgabe konzentrieren zu können, ist in
einer Zeit, in der unzählige Einflüsse auf
uns einwirken, von unschätzbarem
Vorteil. Sporttalente lernen aber auch,
langfristig zu planen, mit Druck umzugehen, Verantwortung zu übernehmen und nach Niederlagen wieder
aufzustehen.
Alle diese Kompetenzen sind nicht
nur im Sport, sondern in allen Bereichen des Lebens gefragt. Junge Leistungssportler haben gute Chancen, zur
Elite von morgen unseres Landes zu gehören. Sie besitzen jene Eigenschaften, die es
braucht, um auch als Führungspersonen zu
reüssieren.
ROGER SCHNEGG
N
ur noch sechs Monate, dann
findet in Rio de Janeiro mit
den Olympischen Sommerspielen das grösste,
faszinierendste sowie
packendste Sportereignis unseres
Planeten statt. Und die Schweiz wird
mitfiebern und Roger Federer, Nicola
Spirig, Giulia Steingruber und allen
anderen Athletinnen und Athleten
der Schweizer Delegation die Daumen
drücken und mitjubeln, wenn sie olympisches Edelmetall gewinnen.
Auch vor und nach den Olympischen
Spielen begeistern und begleiten uns die
sportlichen Höchstleistungen. Schon fast
täglich freuen wir uns über die nationalen
und internationalen Erfolge von Schweizer
Athletinnen und Athleten. Die Wahl des
«Schweizer des Jahres» beweist eindrücklich, welch hohes Ansehen Sportler hierzulande geniessen. Seit Einführung der Wahl
im Jahr 2003 wurden mit Roger Federer
(2003), Peter Sauber (2005), Köbi Kuhn
(2006), Jörg Abderhalden (2007), Didier
Cuche (2011), Dario Cologna (2012) und
Stan Wawrinka (2013) bereits sieben Persönlichkeiten aus dem Sport mit dem Titel
«Schweizer des Jahres» ausgezeichnet.
Die nationale Popularität schlägt sich für
viele der Protagonisten finanziell jedoch
nicht nieder. Mehr als 40 Prozent der besten
Schweizer Sportler verdienen weniger als
14 000 Franken im Jahr. Das hat die SplissStudie 2013 von Hippolyt Kempf ergeben.
Gleichzeitig müssen Verbände und Vereine
für die Förderung von Sporttalenten um
jeden Rappen kämpfen.
Lebensschule Leistungssport
Warum aber soll die Öffentlichkeit Geld
für junge Athletinnen und Athleten ausgeben? Warum soll sie Mittel für den langen,
oft steinigen und extrem teuren Weg eines
Sportlers aufwenden, wenn es letztlich doch
nur die allerwenigsten Nachwuchshoffnungen bis ganz nach oben schaffen? Mit
solchen Fragen sieht sich Swiss Olympic als
Dachverband des Schweizer Sports konfrontiert, wenn wir für zusätzliche Mittel für
die Talentförderung und die Sportförderung
20
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
Die nationale Popularität der
erfolgreichen Sportler schlägt
sich für viele der Protagonisten
finanziell jedoch nicht nieder.
allgemein kämpfen. Die Antwort liegt auf
der Hand: Leistungssportler sind – unabhängig von ihrem internationalen Erfolg –
ein Gewinn für die Wirtschaft und die Gesellschaft unseres Landes. Die Investition in
den Leistungssport ist auch eine Investition
in die erfolgreiche Zukunft der Schweiz.
Was haben Heinz Karrer (Präsident
Economiesuisse), Jeannine Pilloud (Chefin
Personenverkehr SBB) und Urs Schaeppi
(CEO Swisscom) gemeinsam? Genau: Sie
alle haben Karriere in der Geschäftswelt
gemacht. Sie alle waren in jungen Jahren
aber auch erfolgreiche Sportler. Als Handballer (Karrer), Schwimmerin (Pilloud)
oder Skifahrer (Schaeppi) verschrieben sie
sich vor ihrer beruflichen Karriere dem
Leistungssport. Während dieses Lebensabschnitts eigneten sie sich jene Eigenschaften und Fähigkeiten an, die ihnen bis heute
Tag für Tag zugutekommen.
Leistungssport ist eine Lebensschule, die
überdurchschnittlich viel Eigeninitiative,
Einsatz, Disziplin und Durchhaltewillen
erfordert. Auf ihrem Weg erwerben Sporttalente unzählige Kompetenzen, die in je-
Vorbilder für die Gesellschaft
Der Leistungssport hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark entwickelt.
Athletinnen und Athleten stehen mehr
denn je im Rampenlicht und übernehmen
auf und neben dem Sportplatz auch eine
Botschafts- und Vorbildfunktion. Einerseits
repräsentieren sie mit ihren Erfolgen ihr
Herkunftsland als leistungsstark, sympathisch, dynamisch und sportlich und verleihen damit einem ganzen Land ein positives
Image. Anderseits leben und vermitteln sie
die olympischen Werte «Höchstleistung,
Respekt und Freundschaft». Sie animieren
Jugendliche und Erwachsene zur aktiven
Bewegung und bauen Brücken zwischen
verschiedenen Alters- und Gesellschaftsschichten.
In dieser Rolle als Botschafter und Vorbilder beleben Spitzensportler unsere Gesellschaft nachhaltig und auf positive Weise.
Und bringen sie buchstäblich in Bewegung.
Grund genug, dass wir die jungen Athletinnen und Athleten auf ihrem Weg so unterstützen und fördern, wie sie es verdienen.
Egal, ob sie am Schluss tatsächlich in die
Fussstapfen von Roger Federer und Giulia
Steingruber treten oder ob sie das, was sie
im Sport gelernt haben, im Berufsleben und
für unsere Gesellschaft einsetzen.
Roger Schnegg, Direktor, Swiss Olympic, Ittigen – war
als Volleyballspieler Mitglied der Nationalmannschaft.
26. GfM
Marketing-Trend-Tagung
MARKETING & INNOVATION
Mittwoch, 16. März 2016, von 9 bis 17 Uhr
The Dolder Grand in Zürich
Referenten
Prof. Dr. Torsten Tomczak, Christoph Brand, Dr. Erich Joachimsthaler,
Rasoul Jalali, Monica Glisenti, Jean-Marie Dru, Dr. Caspar Coppetti,
Dr. Jens Wegmann, Howard H. Yu, Stefanie Turber, Philipp Riederle
Tagungsgebühr
690 Fr. für GfM-Mitglieder
890 Fr. für Nicht-GfM-Mitglieder
Anmeldung: www.marketing-trend-tagung.ch
SPECIAL MARKETING
Rivella reloaded
Branding Der neue Auftritt der Getränke-Kultmarke
stammt vom Auslandschweizer Yves Béhar, einem der
gefragtesten Designer der Welt. Das Resultat ist...
RIVELLA
Schweizer Inspiration aus Kalifornien
Firma Die international tätige Rivella mit
Sitz in Rothrist AG stellt seit über 60 Jahren Getränke her. Namensgeberin ist das
gleichnamige Erfrischungsgetränk, das
1952 von Firmengründer Robert Barth
kreiert wurde. Zu den weiteren Produkten
gehören das Erfrischungsgetränk Passaia
oder die Michel-Fruchtsäfte. Pro Jahr
werden über 100 Millionen Liter abgesetzt, davon mehr als 80 Millionen Liter
im Heimmarkt. 2014 setzte Rivella mit
267 Mitarbeitenden rund 140 Millionen
Franken um. Rivella engagiert sich seit
mehreren Jahrzehnten für den Spitzenund Breitensport und unterstützt jährlich
Hunderte von Veranstaltungen.
22
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
Design Yves Béhar (49) stammt aus Lausanne und gilt als einer der gefragtesten
Designer der Welt. Er ist Gründer und CEO
der Agentur Fuse Project in San Francisco.
2013 gestaltete er den neuen, einheitlichen Auftritt sämtlicher Nivea-Produkte.
Béhar studierte Industriedesign am Art
Center College of Design in Tour-de-Peilz
VD und wechselte nach einem Jahr in das
Mutterhaus im kalifornischen Passadena,
wo er das Studium als BSc of Industrial
Design abschloss. Vor der Selbstständigkeit arbeitete er für die Agenturen Frogdesign und Lunar Design, die für Firmen
wie Apple, Hewlett-Packard und Silicon
Graphics Produkte entwickelten.
W
enn immer Yves Béhar
als jugendlicher Marathonläufer die Ziellinie
überquerte, befand sich
in der Nähe ein RivellaStand. Der in Lausanne geborene Designer,
der seit 20 Jahren in den USA lebt, verbindet
die Schweizer Getränkemarke mit etlichen
Kindheitserinnerungen. «Ich weiss noch,
wie ich immer unser Skiteam angefeuert
habe, das von Rivella gesponsert wurde. Der
Brand war überall präsent», sagt Béhar.
Als er angefragt wurde, den Auftritt von
Rivella zu erneuern, musste er nicht lange
überlegen. «Natürlich war ich überrascht,
dass das Unternehmen auf jemanden zukam, der in Kalifornien tätig ist. Ich fand das
extrem mutig», sagt er. Für seine Firma Fuse
Project sei es jedoch wichtig, hyperlokale
Marken und Familienbetriebe zu unterstützen. «Wir Schweizer haben schon fast
patriotische Gefühle für das Getränk. Rivella
ist Teil der Schweizer Kultur», sagt Béhar.
DOMINIK BAUR/PHOTOPRESS
Yves Béhar: «Ich erhoffe mir, dass die Leute das Produkt sofort als Rivella erkennen.»
DENISE WEISFLOG
Mehr Interpretations-Spielraum
Für ihn habe sich vor allem die Frage
gestellt, wie man eine so traditionelle Marke
modernisiere und in die Zukunft transportiere. «Die Schweiz hat sich in den letzten
Jahrzehnten stark gewandelt und weiterentwickelt. Von aussen betrachtet ist das wahrscheinlich einfacher zu erkennen, als wenn
man im Land selbst lebt», meint Béhar.
Es habe ihn daher gereizt, mit Rivella zusammenzuarbeiten und es darin zu unterstützen, die Art und Weise, wie sich die
Schweiz und seine Einwohner verändert
hätten, im Rebranding zu reflektieren.
Dabei achtete der Designer darauf, die
ikonischen, traditionellen Elemente des
Rivella-Auftritts beizubehalten. «Es ging mir
nicht darum, die Marke von ihren Wurzeln
zu trennen, sondern darum, das Schweizerkreuz und die Berggipfel zu nehmen und sie
in etwas zu transformieren, das die Konsumenten neu und individuell interpretieren können», erklärt Béhar. Wenn man die
Schweizer Symbole eins zu eins übernehme,
könne man nichts anderes daraus lesen. In
einer Kultur, die dynamischer, heterogener
und jünger sei als in der Vergangenheit,
brauche es jedoch mehr Deutungsspielraum.
«Die Emotionen, die Rivella hervorruft, sind
immer noch da, aber die Leute haben die
Freiheit zu entscheiden, was die Marke für
sie bedeutet», sagt Béhar.
Er ist der Meinung, dass eine Marke
offen, inklusive und couragiert sein muss.
Die Tatsache, dass Rivella sich gegen grosse,
SPECIAL MARKETING
multinationale Brands behaupten muss,
hat Béhar beflügelt. «Es war aufregend zu
sehen, dass wir Rivella schneller weiterentwickeln konnten, als es den Getränkegiganten mit ihren eigenen Marken gelang.»
Schliesslich müsse ein kleines, lokales Unternehmen eine Vorreiterrolle einnehmen
und innovativ sein. Einfach nur die Mitbewerber zu imitieren, reiche nicht aus.
...modern, dynamisch, jugendlich
Für die Idee und Umsetzung des neuen
Rivella-Auftritts brauchten Béhar und sein
Team eineinhalb Jahre. Weil die MultiDisziplin-Agentur Fuse Project auch den
Industrialisierungspart übernahm, reisten
die Designer mehrmals in die Schweiz an
den Produktionsstandort von Rivella.
Das Resultat ist ein Design, das die moderne Schweiz widerspiegelt. Ein abstraktes
Kreuzsymbol auf der Etikette erinnert an
die Schweizerfahne, die Textur der Flasche
symbolisiert mit ausgeprägten, diagonalen
Linien die Berge und sorgt für einen festen
Griff. Die beiden Designs gehen nahtlos
«Ich war überrascht, dass das
Unternehmen auf jemanden
zukam, der in Kalifornien tätig
ist. Ich fand das extrem mutig.»
ineinander über und wirken als Einheit. Um
diesen Effekt zu erreichen, muss das Label,
das aus blickdichten, halbdurchsichtigen
und transparenten Konturstanzungen besteht, perfekt ausgeschnitten und in der
Produktion exakt auf der Flasche platziert
werden. Dafür war eine eigene Innovation
notwendig. Für den Rivella-Schriftzug entwickelte Fuse Project eine ganz neue Typologie. «Ich erhoffe mir, dass die Leute das
Produkt sofort als Rivella erkennen und
nach wie vor Emotionen mit dem Getränk
verbinden. Nur dass es jetzt neu und frisch
daherkommt», sagt Béhar.
Die Rebranding-Inspiration hat sich der
Designer im täglichen Leben geholt. Seine
Herangehensweise sei nicht stil-, sondern
eher ideenbasiert. «Wenn wir ein Grundkonzept haben, wenden wir es auf verschiedene Kanäle an. Im Falle von Rivella auf das
Brand- und Industriedesign», erklärt Béhar.
Dass das Schweizer Kultgetränk nicht nach
Kalifornien exportiert wird, bedauert er ein
wenig. Denn schliesslich liebt er seit seiner
Kindheit Rivella Rot – das Original.
«Die Kosten des Relaunchs sind erheblich»
Was bezwecken Sie mit dem Rebranding?
Andrys Aardema: Rivella ist eine Traditionsmarke, die breit in der Schweiz
verankert ist. Um sie für die Zukunft
fit zu halten, müssen wir sie jedoch
modernisieren, dynamischer gestalten
und insbesondere verjüngen, um die
Zielgruppe der 15- bis 29-Jährigen
wieder anzusprechen. Ziel des Auftritts
ist es, einen Schritt nach vorne zu tun,
sodass auch die Jungen ein Rivella mit
Stolz in der Hand halten und letztlich
mehr davon trinken.
Dass die junge Zielgruppe fehlt, spürt
Rivella am Getränkeausstoss, der seit
mehreren Jahren rückläufig ist.
Für die vergangenen zwei Jahre gilt das
nicht. Die Erfrischungsgetränkeindustrie
ist allgemein unter Druck. Grund dafür
sind ein erhöhtes Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung und verschiedene
politische Vorstösse, die den Zuckergehalt von Getränken reduzieren wollen.
Dennoch konnte Rivella wachsen. Während die Kategorie Erfrischungsgetränke
als Gesamtes um 3 Prozent zurückging,
haben wir hierzulande wert- und volumenmässig Marktanteile gewonnen.
Das lag aber nicht nur am heissen
Sommer des vergangenen Jahres?
Zu einem gewissen Grad hilft es uns,
dass wir uns stark für den Sport engagieren und unsere Getränke weniger
der gesamte Aussenauftritt inklusive
Zelten und Lastwagen neu gebrandet.
Andrys Aardema
Leiter Marketing
Schweiz und
Mitglied der
Geschäftsleitung,
Rivella, Rothrist
Zucker enthalten als diejenigen unserer
Hauptkonkurrenten. Unser Wachstum
ist aber vor allem innovationsgetrieben.
Vor zwei Jahren lancierten wir die Submarke Cliq mit Pfirsich und Rhabarber,
letztes Jahr überarbeiteten wir Rivella
Grün, das neu Rivella Grüntee heisst.
Nun wollen wir mit der Gesamtmarke
wachsen. Dabei ist das Redesign ein
wichtiger Teil des Ganzen, denn wie eine
Marke daherkommt, ist elementar. Zusätzlich dazu wird es jedoch auch eine
neue Kommunikationskampagne geben,
die die Leute emotional ansprechen soll.
Wie teuer war das Rebranding?
Das darf ich nicht verraten, aber die Kosten sind erheblich. Es ging ja nicht nur
darum, einen neuen Designer zu engagieren, es brauchte auch neue Blasformen für die PET-Flaschen, neue Etikettiermaschinen, neue Glasflaschen und
einen neuen Harassenpark. Zudem wird
Weshalb haben Sie Yves Béhar mit der
Konzeption und Umsetzung beauftragt?
Ich hatte in der Vergangenheit bereits
Kontakt mit Fuse Project und nur positive Erfahrungen gemacht. Wir haben
uns verschiedene nationale und internationale Agenturen angeschaut. Dass
wir uns für Yves Béhar entschieden
haben, lag an drei Faktoren. Erstens
versteht er es, Traditionsmarken so zu
modernisieren, dass man sie wieder
erkennt. Das hat man am Case von Nivea
gesehen. Zweitens vereint Fuse Project
Industriedesign mit grafischem Design
auf einzigartige Weise. Drittens hat Yves
Béhar einen Link zur Schweiz. Er versteht das Land, die Marke, die Heritage.
Das gab für uns den Ausschlag.
Welche Ziele verfolgt Rivella dieses Jahr?
Unser Relaunch umfasst neben dem
neuen Design auch eine neue Werbekampagne. Diesen gut umzusetzen, ist
das Hauptziel. In der Kommunikation
werden neue Dinge ausprobiert, die
digitalen Kanäle werden wichtiger.
Und während die meisten unserer
Mitbewerber versuchen, ihre Marktanteile zu halten, will Rivella in Zukunft
ganz klar wachsen.
INTERVIEW: DENISE WEISFLOG
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
23
SPECIAL MARKETING
Markenführung Glaubwürdigkeit führt zum
Erfolg – jedoch nur, wenn sie gut designt ist.
OSCAR TODESCHINI
M
itarbeitende, Produkte,
Services, Kunden, Marketing, Kommunikation –
die Wahrnehmung einer
Marke wird heute durch
eine Vielzahl von Faktoren geprägt. Alles
rückt näher zusammen, ist dichter getaktet
und weltweit für jedermann mit Internetanschluss zugänglich. Mit dieser zunehmenden Dichte kommt der Markenführung
eine neue Bedeutung zu. Die Feinabstimmung der Signale, die sie aussendet, wird
immer wichtiger. Und komplexer.
Bis weit in die 1990er-Jahre hinein war in
Unternehmen von Branding noch wenig die
Rede. Das Schlagwort lautete Corporate
Identity, kurz CI. In der Theorie verstand
man darunter die Synchronisierung von
Erscheinungsbild, Kommunikation, Verhalten und Kultur des Unternehmens. In der
Praxis lag der Schwerpunkt eines CI-Projekts jedoch meistens auf dem CD, also
dem Corporate Design, sprich dem Erscheinungsbild des Unternehmens. Ein Hauptgrund dafür war, dass sehr viele Disziplinen
in unterschiedlichsten Verantwortungsbereichen zu orchestrieren waren. Ein «echtes» CI-Projekt war weitgreifend und musste
ganz oben angesiedelt sein, was wiederum
voraussetzte, dass sich das Management der
Bedeutung von Corporate Identity bewusst
war. Doch das war nur selten der Fall und
entsprechend fehlten oft auch das nötige
Fachwissen und die Ressourcen in der Organisation. So kam es, dass man gerne von CI
sprach, damit aber häufig das CD meinte –
und dies zuweilen heute noch tut.
Jeder Touchpoint prägt das Markenbild
Um die Jahrtausendwende herum begann der Begriff Corporate Branding den
Begriff Corporate Identity abzulösen. Damit
verbunden war eine Veränderung des Verständnisses und des Herangehens an die
Thematik. Corporate Identity war ein eher
24
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
nüchtern-funktionales Konzept, das sich in
der Praxis primär an der rigiden Durchsetzung der definierten Designrichtlinien orientierte. Corporate Branding dagegen hat
sich zu einem Ansatz entwickelt, der die
ganzheitliche Gestaltung der Beziehung
zwischen Unternehmen und ihren Stakeholdern zum Ziel hat. Die Marke ist dabei
nicht mehr nur ein Puzzleteil, sondern
Marke und Unternehmen sind das Puzzle,
in dem alles ineinandergreift: Unternehmensstrategie, Markenpositionierung und
-identität, Kultur und Verhalten, Design und
Kommunikation.
Mit diesem neuen Verständnis ist auch
die Markenführung in Unternehmen anspruchsvoller geworden – sie ist heute eine
zentrale Aufgabe der Geschäftsführung. Es
gilt, eine langfristige Optik einzunehmen
und sich gleichzeitig kurzfristig und kreativ
in der Gegenwart zu behaupten. Dies mittels einer Vielzahl von Touchpoints, die man
steuern muss, die aber im Gegensatz zu
SNK
Damit Brands
besser werden
Agentur Die 1996 in Basel gegründete SNK Identities mit Hauptsitz
in Zürich ist eine der führenden
Branding-Agenturen der Schweiz.
Das Credo lautet: «Wir sind überzeugt, dass Marken besser werden,
wenn sie das kreative und intelligente Zusammenspiel von Purpose, Design, Kommunikation und
Leadership verstehen und für sich
nutzen. Mit dieser Haltung begleiten und unterstützen wir Unternehmen dabei, ihre Marken besser zu
machen und so langfristig erfolgreicher zu werden.» Oder zusammengefasst: «Be a better Brand.»
ENNIO LEANZA/KEYSTONE
Branding im
Dichtestress
früher – soziale Medien lassen grüssen – nur
noch bedingt unter der eigenen Kontrolle
stehen. Jeder dieser Berührungspunkte
prägt das Markenbild direkt oder indirekt.
Deshalb sollten alle Touchpoints inhaltlich,
konzeptionell und formal konsistent und
auf die langfristigen Ziele abgestimmt sein.
Gleichzeitig muss stets genügend Freiraum
für die alltägliche «Bespielung» der Marke
gewährleistet sein. Eine schwierige Balance.
Lange hiess das Patentrezept dafür Einheitlichkeit im Erscheinungsbild, heute ist eher
Einheitlichkeit in der Haltung gefragt. Eine
flexible medien- sowie kanalgerechte Interpretation der Marke ist zwingend geworden.
Zahlreiche kleine wie grosse Marken
umgeben sich bereits mit einem attraktiven
Markenkleid und sind durchaus schön anzuschauen. Doch bei näherer Auseinandersetzung stellt man fest, wie oberflächlich
und blutleer viele von ihnen inhaltlich sind.
Oder auch, wie gross der Gap ist zwischen
Versprechen und Realität. Dabei sind die
Inhalte für den Erfolg einer Marke mehr und
mehr von essenzieller Bedeutung. Denn die
Kunden haben längst gemerkt, dass nicht
alles Gold ist, was glänzt. Sie sind anspruchsvoller und kritischer geworden, sie können
sich schnell und einfach Informationen
beschaffen, sie vergleichen und tauschen
sich untereinander aus – weltweit.
Via soziale Medien verbreiten sich gute
wie auch schlechte Informationen sofort.
Die Konsequenz: Wer als Marke nicht das
tut, was er verspricht, hat ein Problem. Da
nützt kein noch so schöner grüner, roter
oder andersfarbiger Anstrich. Konsequentes, ehrliches Engagement für etwas Grösseres ist gefragt. Denn das ist es, was Kunden
und Mitarbeitende vermehrt suchen: Unternehmen und Marken, die für etwas stehen,
an etwas glauben und die Sinn stiften. Marken, die nicht nur (mehr und mehr austauschbare) Produkte und Dienstleistungen
verkaufen, sondern Identifikationsmöglichkeiten mit gemeinsamen Zielen, Wertvorstellungen und Ansichten anbieten. Damit
SPECIAL MARKETING
Street Parade: Mit
der zunehmenden
Dichte kommt der
Markenführung eine
neue Bedeutung zu.
ist das Unternehmen in der Pflicht, es muss
Verantwortung übernehmen – und die Marke ist die Projektionsfläche dafür.
Grosse Chance für kleine Unternehmen
Die Basis für sinnstiftende Marken bilden mehr denn je eine klare Positionierung
und eine starke Vision, die gleichzeitig zieht
und treibt. Doch damit tun sich die Unternehmen schwer. Viele Visionen lassen einen
visionären Charakter vermissen und beschreiben lediglich (mehr oder weniger
prägnant) unternehmensstrategische Ziele.
Allzu häufig werden Vision und Positionierung kurzfristigen markt- oder unternehmensinternen Gegebenheiten angepasst.
Dabei gehören diese markenstrategischen
Grundlagen eigentlich in einen Safe, zu dem
nur der Verwaltungsrat Zugang hat. Er muss
den Inhalt beschützen und die Marke gegen
kurzfristige Begehrlichkeiten verteidigen.
CEO kommen und gehen, die Marke bleibt.
Selbstverständlich: Man muss die Marke
aktualisieren und neu interpretieren dürfen,
denn auch die Welt, die Wertvorstellungen
und das Wettbewerbsumfeld verändern sich
unentwegt. Für diese Aktualisierung ist das
Management verantwortlich. Doch die Ent-
Positionierung, Vision
und Marke gehören in einen
Safe, zu dem nur der
Verwaltungsrat Zugang hat.
scheidungshoheit muss beim Verwaltungsrat liegen. Die Grundpfeiler der Marke dürfen nicht leichtfertig angetastet werden.
Die Markendichte erhöht sich stetig – sowohl gefühlt als auch real. Jedes Jahr werden
Tausende neue Marken registriert und lanciert. In diesem intensiven Wettbewerbsumfeld und bei den oben beschriebenen
Entwicklungen reichen oberflächliche Differenzierungsansätze nicht mehr aus. Und
einfach an der Lautstärke zu drehen und die
Marktpräsenz zu verstärken, wird ebenfalls
nicht mehr zu nachhaltigem Erfolg führen.
Vielmehr gilt es, bewusster und selektiver
zu agieren – weniger tun, dies aber richtig
und im Einklang mit der Marke. Gerade hier
liegt die Chance für kleine Unternehmen
mit begrenzten Investitionsmöglichkeiten.
Wer eine gute Idee mit einer glaubwürdigen
und relevanten Markenstrategie verbindet,
wer diese stringent umsetzt und eine konsistente Erlebbarkeit über alle Touchpoints
gewährleistet, wird positiv wahrgenommen.
Auch im Zeitalter von Globalisierung und
Digitalisierung. So gesehen ist Branding im
heutigen Dichtestress wiederum einfach.
Aber es bedingt in jedem Fall ein hohes
Mass an Konsequenz und Ehrlichkeit – mit
sich selbst und seinen Stakeholdern.
Oscar Todeschini, Partner, SNK Identities, Zürich.
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SPECIAL MARKETING
NEWS
` MARKETING INSIGHT DES MONATS
` GfK AUDIENCE PROFILES
GfM lanciert neues Weiterbildungsformat
Online-Ads kontrollieren
Erklärvideo Neu präsentiert die Gesellschaft für Marketing (GfM) jeden
Monat online einen wichtigen Fachbegriff, der in einem animierten
Video in wenigen Minuten erklärt
wird. Dafür arbeitet die Referenz und
Plattform für marktorientierte Unternehmensführung mit dem Schweizer
Startup Explain-it in Forch ZH zusammen. Folgende Themen stehen
auf der Agenda für das erste Quartal:
«Marketing & Innovation» im Januar,
«Customer Experience» im Februar
und «Kernaufgaben des Marketings»
Analyse Mit Audience Profiles bietet das
Marktforschungsinstitut GfK den Unternehmen ein Tool an, mit dem man in Echtzeit die
soziodemografische Struktur der erreichten
Personen analysieren kann. Die wichtigsten
Key Performance Indicators (KPI) der Leistung werden dabei in einem Online-Dashboard optisch aufbereitet, sodass die Kampagne effizient auf einen Blick ausgewertet
werden kann.
Neben der
Kontrolle
des Targeting
lassen sich
ebenso der
Reichweitenaufbau und
die Verteilung
der Durchschnittskontakte pro Format ausweisen. Diese Analysestufe ist für die Kampagnenbeurteilung unerlässlich und trägt nicht zuletzt
auch zur Kampagnenoptimierung bei, da für
jede Platzierung sichtbar wird, wie viele Kontakte angefallen sind. Mit Delivery Control,
einem Zusatzmodul von Audience Profiles,
kann man fast in Echtzeit verfolgen, wie viele
Prozent der ausgelieferten Ad Impressions
je Platzierung tatsächlich sichtbar waren.
Darüber hinaus wird angezeigt, wie lange
eine Anzeige durchschnittlich sichtbar war.
im März. Das Weiterbildungsformat
ist im Web unter folgendem Link zu
finden: www.gfm.ch/de/forschung/
marketing-insight-des-monats.
` GfM MARKETING-TREND-TAGUNG
Schlüsselfaktoren für Unternehmenserfolg
Treffpunkt Die 26. GfM MarketingTrend-Tagung am 16. März 2016 von
9 bis 17 Uhr im Hotel The Dolder
Grand in Zürich dreht sich um «Marketing & Innovation», so lautet das
neue Jahresmotto der Gesellschaft
für Marketing (GfM). Dabei sollen
Schlüsselfaktoren für den Unternehmenserfolg ergründet werden. Auf
der Bühne präsentierne dies unter
anderem Torsten Tomczak (HSG),
Erich Joachimsthaler (Vivaldi Partners), Rasoul Jalali (Uber), Monica
Glisenti (Migros), Jean-Marie Dru
(TBWA\) oder Caspar Coppetti (On).
Die Tagungsgebühr inklusive Getränke, Lunch und Apéro beträgt 690
Franken für GfM-Mitglieder und 890
Franken für Nichtmitglieder. Link:
marketing-trend-tagung.ch.
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bis zum 30. April 2016
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Pilatus Flugzeugwerke – Marketingpreisträger 2015
Swisscom – Marketingpreisträger 2014
Mobility – Marketingpreisträger 2013
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| 4. Februar 2016
Special
Marketing
Abheben
Die Trends des Jahres
Seite 6
David Sable
Der CEO der Werbeagentur
Y&R über «Digibabble» und
«Do it big or stay in bed». Seite 10
Andreas Messerli
Der VRP des Eventdienstleisters
Messerli Group über seine Vision
des Erlebnismarketings. Seite 18
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<wm>10CFWLKw4DQQzFTpTRS_KSzDSwWrZaUJUvqYp7f9QPK7BkYO97x8CP63bct1srlBRfxMyOFcMqKruWjwJmQ60MmhelU5OJv0XIjAmc30agYnWqi7soPkJGWozX4_kGrUtxSHoAAAA=</wm>
Sieger auf jedem Terrain.
Mit dem Allradantrieb 4MATIC.
SPECIAL MARKETING
Big Data ist noch nicht
wirklich so smart
IMPRESSUM
Der Magazin-Special
«Marketing» ist eine
redaktionelle Beilage
der «Handelszeitung».
Gesamtverantwortung
Norman C. Bandi
Redaktionelle Mitarbeit
Matthias Kiess, Anne Lise Kjaer,
Alina Leimbach, Ulrich H. Moser,
Catherine Purgly, Simon Rehsche,
Roger Schnegg, Oscar Todeschini,
Torsten Tomczak, Daniel Tschudy,
Dennis Vogt, Denise Weisflog
Chefredaktor Stefan Barmettler
Stv. Chefredaktor Marcel Speiser
Ressortleitung Norman C. Bandi
Stv. Ressortleitung
Roberto Stefano
Layout Roger Cavalli
Korrektorat Simone Abegg,
Urs Bochsler, Beat Koch
Adresse Redaktion
«Handelszeitung»
Förrlibuckstrasse 70
8021 Zürich
Telefon: 043 444 59 00
Fax: 043 444 59 30
Mail: [email protected]
Online: www.handelszeitung.ch
TITELBILD: MANUEL LOPEZ/FRESHFOCUS
Leitung Wirtschaftsmedien
Uli Rubner
Leitung Werbemarkt
Beniamino Esposito
Ringier AG
Kreuzstrasse 26
8008 Zürich
Telefon: 044 259 60 50
Fax: 044 259 68 94
Mail: [email protected]
Online: go4media.ch
Leitung Nutzermarkt
Jörg Tobuschat
Lesermarketing
Ringier Axel Springer Schweiz AG,
Förrlibuckstrasse 70, 8021 Zürich,
Telefon: 043 444 58 95, Mail:
[email protected]
Adresse Verlag
«Handelszeitung»
Förrlibuckstrasse 70
8021 Zürich
Telefon: 043 444 59 00
Mail: [email protected]
Druck
Swissprinters AG, Zofingen
Herausgeberin
Ringier Axel Springer Schweiz AG
Bekanntgabe von namhaften
Beteiligungen im Sinne von
Art. 322 StGB: Le Temps SA
Z
uerst möchte ich allen herzlich
danken, die mir Anfang Jahr zu
meiner neuen Stelle gratuliert
haben, obwohl ich sie gar nicht
gewechselt habe ... Wie viele
andere in den beiden betroffenen Verlagen
auch habe ich nur meine sozialen Profile
um unseren neuen gemeinsamen Arbeitgeber ergänzt: Ringier Axel Springer Schweiz.
Sofort poppt bei den LinkedIn-Kontakten
auf: «Congratulate XY on the new job.» Bei
Xing steht im E-Mail-Betreff: «XY hat einen
neuen Job.» Überraschenderweise lassen
die ersten Glückwünsche und Likes nicht
lange auf sich warten. Man fühlt sich zwar
gebauchpinselt, kann sich ein Kopfschütteln jedoch nicht verkneifen.
So smart, wie alle denken oder viele hoffen,
ist Big Data noch nicht wirklich. Der Algorithmus zieht einen falschen Schluss – und
schon hat man mehr Aufmerksamkeit, als
einem gebührt. Aberwitziger wird es, wenn
man Ende Januar eine LinkedIn-Benachrichtigung erhält: «Die neue Stelle von XY
und 260 weitere Veränderungen in Ihrem
Netzwerk.» Ich erfahre, dass sich ein Viertel
meiner Kontakte im vergangenen Jahr beruflich verändert hat. Ohne, dass ich es mit-
Norman C. Bandi
Ressortleiter
«Handelszeitung»
bekommen habe. So viele können es unmöglich gewesen sein. Insbesondere, wenn
ich die abgebildeten Gesichter im Newsletter anschaue. Meines Wissens sind die meisten von ihnen in der gleichen Funktion beim
gleichen Unternehmen tätig. Einige haben
höchstens zusätzliche Aufgaben übernommen. Ein paar wenige haben den Job verloren und andere sind in Rente gegangen. Was
will mir die Statistik also sagen?
Am aberwitzigsten ist, dass einem nach
Google-Recherchen auf beliebigen Websites automatisch vermeintlich passende
Anzeigen untergejubelt werden, wenn man
Journalist ist. Die wenigsten Themen interessieren privat respektive kommerziell.
Solche Big-Data-Trugschlüsse sind kein
Mehrwert, sondern semi-smart.
INHALT
Ulrich H. Moser Der
GfM-Präsident über die
Marketingagenda 2016
und ihre Highlights. 4
Anne Lise Kjaer Die
dänische Futuristin über
die acht Schlüsseltrends
des neuen Jahres. 6
Werbemarkt So hat
sich das Geschäft 2015
entwickelt und so sind
die Aussichten für 2016. 8
David Sable Der Global
CEO der Werbeagentur
Y&R erklärt, was er mit
«Digibabble» meint. 10
TITELBILD
Disruption Das Wort ist
24-jährig und wurde vom
TBWA\-Chairman JeanMarie Dru erfunden. 12
Drugstore Publicis bringt
ihr Startup-Konzept in die
Schweiz und kooperiert
mit dem Impact Hub. 16
Andreas Messerli Der
Verwaltungsratspräsident
der Messerli Group will an
die nationale Spitze. 18
Branding Alter Wein in
neuen Schläuchen – hinter
dem Relaunch von Rivella
steckt einiges mehr. 22
Da soll nochmal einer behaupten, die Schweiz werde im Ausland nicht positiv
wahrgenommen: Aufnahmen des Überflugs eines
Swiss-Airbus mit der Patrouille Suisse anlässlich der
Lauberhornrennen gingen
um die Welt und kamen
auf globalen Fernsehstationen. Das ist Marketing.
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
3
SPECIAL MARKETING
AGENDA 2016
So werden wir zu den
Gewinnern gehören
D
ie Schweizerische Gesellschaft
für Marketing (GfM) startete
das Jahr 2016 mit einem Referat von Anne Lise Kjaer zum
Thema «Postcards from the
Future». Die dänische Futuristin, Autorin
und Unternehmerin befasste sich damit,
wie Organisationen basierend auf den
«4P» – People, Planet Purpose, Profit –
Erfolgsstrategien entwickeln können. Sie
hat acht Trends identifiziert, die 2016 fürs
Marketing ausschlaggebend sein werden
(siehe Artikel auf Seite 6). Diese Trends sind
nicht radikal neu, zeigen aber, dass auch
langfristig gültige Veränderungen nur
langsam in den Köpfen der Marketingverantwortlichen ankommen.
Ulrich H. Moser
Präsident der
Schweizerischen
Gesellschaft für
Marketing (GfM)
Als Top-Priorität wurde «Understanding
Customers and the Customer Experience»
definiert. Das Thema ist aus Sicht des MSI
aus zwei Gründen wichtig. Einerseits vertritt
auch das MSI, dass der Kunde immer der
Hauptfokus aller Marketingbemühungen
sein sollte. Anderseits muss man sich dessen bewusst sein, dass sich die Bedürfnisse
und das Verhalten der Kunden in den vergangenen Jahren radikal verändert haben.
Die Verknüpfung von Marketing und Innovation ist das zentrale Thema der GfM im
laufenden Jahr. Eine echte Produkt- oder
Prozessinnovation soll nicht nur eine brilDas Thema Marketing Analytics ist die
lante technische Errungenschaft sein,
Nummer zwei auf der neuen MSI-Liste.
sondern muss durch die Unterstützung des
Dabei geht es um das Bestreben, ein umfasMarketings von den Kunden
sendes Wissen über unsere
akzeptiert und langfristig im
Kunden zu erhalten und es
Markt etabliert werden. Anwettbewerbsorientiert ein«Im Jahr des
lässlich der GfM Marketingzusetzen. In letzter Zeit hat
75-jährigen Bestehens sich das Machtverhältnis
Trend-Tagung am 16. März
2016 werden sich ausgewieweg von den Unternehmen
der GfM wollen
sene Experten aus Wissenin Richtung der Konsumenwir bewusst nach
schaft und Wirtschaft unter
ten verschoben. Mit Markevorne schauen.»
der Leitung von HSG-Proting Analytics schwingt das
fessor Torsten Tomczak mit
Pendel in die andere RichMarketing und Innovation
tung. Die Organisationen
beschäftigen sowie Tipps und Tricks für
können die Erkenntnisse nutzen, um: Infordie erfolgreiche Umsetzung in den Untermation über ihre Kunden zu gewinnen und
nehmen geben (siehe Artikel auf Seite 14).
nutzbringend zu verwenden; ihr Marketingbudget optimal zu nutzen; eine langfristige,
Im Jahr des 75-jährigen Bestehens der GfM
nachhaltige Steigerung des Kundenwerts
wollen wir bewusst nach vorne schauen und zu erzielen; und die richtigen Learnings aus
uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen.
Kampagnen mitzunehmen.
Die Marketingwelt bleibt dynamisch und
herausfordernd. Bekannte Buzzwords
Bei all diesen Bemühungen dürfen wir den
wie Disruption, Digital Transformation,
Kunden nicht aus unseren Augen und aus
Storytelling oder Social Marketing werden
unserem Sinn verlieren. Wenn der Mensch
uns auch in Zukunft beschäftigen.
im Zentrum (Customer Centricity) unserer
Marketingaktivitäten steht und wir unter
Das renommierte amerikanische Marketing
Kundenerfahrung (Customer Experience)
Science Institute (MSI) legt im Zweidie beiden Hauptaspekte Kundenerlebnis
Jahres-Rhythmus die Prioritäten für die
und Kundenvertrautheit verstehen, werden
Forschungsinitiativen im Marketing fest.
wir zu den Gewinnern gehören.
4
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
FAKTEN
Die Trends im
Marketingmix
E-Mails
158%
Um diesen Wert
erhöht sich die Durchklickrate bei
E-Mails mit Social Sharing Buttons.
Social Media
100%
Die Budgets für
Social Marketing werden sich in den
nächsten fünf Jahren verdoppeln.
Events
67%
Zwei Drittel der B2BContent-Marketeers finden Event
Marketing die effektivste Strategie.
Content
50%
Beinahe die Hälfte
der Unternehmen verfügen über
eine Content-Marketing-Strategie.
SEO
33%
Rund ein Drittel des
Verkehrs der organischen GoogleSuche geht zum allerersten Artikel.
SEO: SUCHMASCHINENOPTIMIERUNG
QUELLE: ADWEEK.COM
RARITÄTEN
«Aus dem Wunderland»
Raphael Tanner
«Absoluter Topwein
Portugals»
Peter Keller
«Gran Selezione –
die neue Spitzenklasse»
Jan Schwarzenbach
92 R. Parker *
94 R. Parker *
94+ A. Galloni**
Sardòn Duero
Quinta Sardonia, 75 cl
Douro DOC Poeira Nove
Grand Reserve, 75 cl
Chianti Classico
Castello di Fonterutoli, 75 cl
42.50
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Erleben Sie die faszinierende Welt der Weinraritäten auf mondovino.ch/raritaeten
*Parker-Punkte: die weltweit bekannteste 100-Punkte-Skala.Weine mit 90–95 PP werden als «hervorragend» bezeichnet.
**Galloni-Punkte: Antonio Galloni ist einer der führenden Weinkritiker, der nach der 100-Punkte-Skala bewertet.
(10 cl = 5.86)
SPECIAL MARKETING
Acht Schlüssel
zur Zukunft
Trends 2016 Das 4P-Geschäftsmodell schafft eine Traktandenliste der
Verbesserung. Ausserdem fördert es disruptive Ideen in den Firmen.
ANNE LISE KJAER
A
ls Futuristin erinnere ich
meine Kunden immer daran,
dass die Zukunft nicht etwas
ist, auf das wir einfach zusteuern, sondern ein Szenario, das wir aktiv mitgestalten. Denn unsere
gegenwärtigen Aktionen beeinflussen unser
Geschäft von morgen.
Heute wird nur eine von fünf Marken als
relevant für das allgemeine Wohlergehen
erachtet. Dies zeigt den riesigen Graben
zwischen der Selbstwahrnehmung von
traditionellen, profitorientierten Organisationen und der Art und Weise, wie ihre
Produkte und Dienstleistungen von den
Stakeholdern bewertet werden. In einer
immer komplexer werdenden und wettbewerbsgetriebenen Welt ist eine konsequente 4P-Methode der Schlüssel zum
Erfolg. Sie bezieht neben Profit auch die
Menschen (People), den Planeten sowie
Ziel und Zweck (Purpose) mit ein.
Grosses P der Führung heisst Purpose
Wie man zielgetriebene Führung zum
fundamentalen Prinzip einer Organisation
und Geschäftsstrategie macht, beschreibe
ich in meinem neuen Buch «The Trend
Management Toolkit – a Practical Guide to
the Future». Bei der Kommunikation mit
internen und externen Stakeholdern sollten
vier Grundregeln beachtet werden:
Seien Sie ehrlich: Vier von fünf Menschen weltweit sind der Meinung, dass Chefs
transparent kommunizieren sollten, um Vertrauen aufzubauen. Ein offener Dialog mit
den Stakeholdern ist eine Strategie, die sich
auszahlen wird.
Agieren Sie authentisch: Clevere Organisationen wissen, dass das Wort Konsument veraltet ist. Deswegen schaffen sie
Gelegenheiten, um mit Menschen in Kontakt zu treten und ihnen dabei zu helfen,
bessere Entscheidungen zu treffen.
Zeigen Sie Engagement: Hier ist die
Teilnahme an der globalen Diskussion zur
6
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
Schaffung einer besseren Gesellschaft der
Schlüssel. Überlegen Sie sich, wie Ihre Firma
dieses Ziel erreichbarer machen kann.
Gestalten Sie mit: Leben Sie nicht nur
in der Gegenwart, sondern skizzieren Sie die
Zukunft, die Sie sich wünschen. Machen Sie
diese Vision Teil jeder Kommunikation und
laden Sie alle dazu ein, diese zu realisieren.
Digitale Transformation ist eine Reise
Um Ihren Botschaften auch Wirkung zu
verleihen, müssen Sie die neuen Einflüsse
kennen, denen unsere Gesellschaft unterliegt. Hier sind acht Schlüsseltrends, die
Sie im Jahr 2016 bei zukunftsgerichteten
Marketingstrategien unterstützen:
1.
Radikale Offenheit beginnt im Unternehmen: Ihr Ruf ist Ihr wertvollstes
Gut. Vertrauen können Sie aber nur aufbauen, wenn die Mitarbeitenden Ihre Ziele
kennen und sich so damit identifizieren, dass
sie als Markenbotschafter agieren. Dies ist
bei vielen Organisationen noch nicht der
Fall. Eine Studie aus dem Jahr 2012 mit rund
97 000 Menschen in 30 Ländern zeigt, dass
48 Prozent der Befragten die Firma, für die sie
tätig sind, nicht weiterempfehlen würden.
ANNE LISE KJAER
Eine Dänin
in London
Futuristin Die 1962 in Dänemark
geborene Futuristin, Autorin und
Unternehmerin Anne Lise Kjaer
hilft Organisationen dabei, nachhaltige und innovative Zukunftsstrategien zu entwerfen. Mit ihrer
Trendforschungsagentur Kjaer
Global mit Sitz in London berät sie
Unternehmen wie Sony, Nokia,
Swarovski, Ikea, Gap oder Toyota.
www.kjaer-global.com
2.
Die digitale Transformation ist eine
Reise, keine Destination: Es reicht
nicht, digitale Werkzeuge zu haben. Man
muss sie kreativ einsetzen, um das Leben
der Menschen positiv zu beeinflussen. Das
bedeutet schnelle und benutzerfreundliche
Multi-Channel-Plattformen, die Ihren Kunden einen greifbaren Nutzen bringen.
Ein gutes Beispiel ist die AR-App von
Ikea, die den Konsumenten hilft, ein Produkt daheim zu visualisieren. Statt Pläne
und Massband wird sogenannte Augmented Reality (AR) eingesetzt. Diese erweiterte
Realität ermöglicht es Nutzern, virtuelle Objekte beliebig zu platzieren, und unterstützt
sie dabei, ihre Einrichtung kreativ zu gestalten. Der Vorteil für Ikea liegt in der Reduktion von Retouren um 15 Prozent, weil die
Käufer besser kalkulieren können, ob etwas
in die Wohnung passt oder nicht.
3.
Urbanisierung als Treiber für positive
Veränderungen: Die Städte von morgen haben das Potenzial, lebende Organismen zu sein, die als intelligente und automatische Distributionsnetzwerke zwischen
Gebäuden, dem Transportsystem, Waren
und Dienstleistungen wirken und Menschen sofort mit Geschäften verlinken können. Dank Big Data hat ein Unternehmen
bereits heute unzählige Möglichkeiten, in
diese Sphäre einzudringen und sowohl
sein Image als auch seine Performance zu
fördern, indem es sich für das gemeinsame
Wohl einsetzt.
4.
Gemeinsamer Nutzen durch Smart
Living: Das Internet of Everything
(IoE) macht Konnektivität im grossen
Stil möglich – laut aktuellen Schätzungen
werden 2020 rund 50 Milliarden Geräte
miteinander verbunden sein. Smartphones,
Wearables, Consumer Devices und andere
smarte Objekte stehen im Hintergrund
bereits in einem stillen Dialog miteinander
und eröffnen uns ein ganz neues Verständnis des menschlichen Verhaltens. Sie bergen ein enormes Potenzial, um bedeutsame
SPECIAL MARKETING
Anne Lise Kjaer: «Stellen
Sie Purpose ins Zentrum
ihrer Marketingstrategie.»
HELENE SANDBERG
verändern. Im Hinblick auf endliche Ressourcen wächst das Interesse an einer
Kreislaufwirtschaft. Immer mehr Menschen
gewichten Zugang stärker als Besitz. Erfolgsgeschichten wie diejenigen von Airbnb
oder Zipcar markieren nur den Beginn
dieses Wandels. Es geht also darum, herauszufinden, wie man die Menschen unterstützen kann, ein besseres Leben zu leben,
weniger zu verbrauchen und Gemeinschaften zu bilden, die auf dem Teilen von Ressourcen basieren.
Erfahrungen und ein besseres Leben möglich zu machen.
5.
Gewinnen Sie Global Citizens für sich
und stärken Sie Ihren Einfluss: Unter
Global Citizens versteht man Mitglieder der
Generation Y, die die Welt ohne Grenzen betrachten. Diese mobil- und technikaffinen
Menschen sind wichtige Meinungsbildner,
weshalb sie Teil Ihrer Community sein sollten – sowohl als Kunden als auch als Mitarbeitende. Man schätzt, dass sie bis 2020
die Hälfte der globalen Arbeitnehmerschaft
stellen und praktisch alle internationalen
Posten besetzen werden. Der Zugang zu den
Global Citizens liegt in den 4P, denn mehr
als ein Drittel der Generation Y glaubt, dass
jede Firma darauf fokussieren sollte, die
Gesellschaft zu verbessern. Diese Gruppe
will wissen, warum sie etwas von Ihnen
kaufen oder für Sie arbeiten soll. Und dies
sollte Sie dazu motivieren, Ziel und Zweck
(Purpose) zum Herzstück Ihrer Unternehmensphilosophie zu machen.
6.
Betapreneurship heisst, Misserfolge
als Lernkurve zu sehen; Betapreneurship bedeutet, eine Kultur des Redesigns und
des Umdenkens zu begrüssen, in der Indivi-
duen und Organisationen Dinge verändern
können. Einer meiner liebsten disruptiven
Business Cases ist iFixit – ein globales
Online-Handbuch inklusive Community,
dessen Ziel es ist, die Welt zu reparieren, und
zwar ein Gerät nach dem anderen.
Diese Art des positiven Denkens ist typisch für ziel- und zweckgetriebene Unternehmen. 3M führte schon 1948 sein «15
percent time to think»-Programm ein. Eine
Regel, die seinen Forschern erlaubt, 15 Prozent des Arbeitstags für ein Hobby oder ein
Projekt ihrer Wahl zu nutzen. Das 20-Prozent-Programm von Google soll neben der
Kreativität auch das unternehmerische
Denken der Mitarbeitenden sowie die Zusammenarbeit begünstigen. Organisationen
müssen disruptive Innovation fördern, wenn
sie Erfolg haben wollen, denn neue, von
Menschen geführte Allianzen sind der Treibstoff, der Firmen in die Zukunft kapituliert.
7. Häufen Sie soziales Kapital an und
nutzen Sie Ressourcen vernünftig:
Das Geschäft sollte sich im Zentrum der
Gemeinschaft befinden, der es dient. Dies
bedeutet, dass neue Systeme und Innovationsmodelle geschaffen werden müssen,
die berücksichtigen, wie sich unsere Leben
8. Schliesslich geht es um das gute Leben: Obwohl traditionelle Arten des
Erfolgsmessens neu beurteilt werden, bleibt
das gute Leben unser Hauptziel. Alle hier
beschriebenen Trends gehen auf dieses fundamentale Prinzip zurück. Deshalb sollten
Firmen auf Erfahrungen des Wohlergehens
fokussieren und somit echte Werte und ein
nachhaltiges Erbe schaffen. Etwas ist klar:
Marken, die dank einer zielgerichteten Strategie und einer emphatischen Führung ihre
Versprechen an die internen und externen
Stakeholder halten können, sind bestens für
die Herausforderungen des zukünftigen Geschäftsumfelds gerüstet.
Nun die Punkte miteinander verbinden
Mit einem Mindset-Diagramm der Leute
von morgen lassen sich die acht vorgestellten Trends anschaulich verbinden und
die Haupttreiber zusammenfassen, welche
die digitalen Erfolgsstrategien der Zukunft
untermauern. Technology Optimizers und
Creative Collaborators sind Menschen, die
auf Zugang und Zusammenarbeit setzen,
während Global Sustainers und Inclusive
Visionaries auf Gemeinschaft und Engagement fokussieren.
Das beschriebene 4P-Geschäftsmodell
schafft eine Traktandenliste der Verbesserung, auf der Partizipation und Kollaboration
grossgeschrieben werden. Ausserdem fördert es disruptive Ideen, die neue Werte
schaffen und so nachhaltiges Wachstum
sicherstellen. Das ist befreiend.
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
7
SPECIAL MARKETING
Noch schlägt
offline online
Werbemarktstudie Trotz gedämpften Erwartungen der Schweizer
Konjunktur bewerten die Auftraggeber ihre Aussichten als positiv.
CATHERINE PURGLY
D
ie Forschungsstelle für Customer Insights der Universität
St. Gallen (FCI-HSG) hat zum
dritten Mal im Auftrag von
Leading Swiss Agencies (LSW)
in Zusammenarbeit mit dem Schweizer
Werbe-Auftraggeberverband (SWA) mehr
als 1700 Kommunikationsverantwortliche
angeschrieben und über ihre Erwartungen
für das laufende Jahr befragt.
110 Manager, das entspricht einer Rücklaufquote von 6,4 Prozent, haben geantwortet. Wegen der hohen Branchenvielfalt und
Expertise der Teilnehmer kann von einer
hohen Generalisierbarkeit und Qualität der
Daten für die Werbemarktstudie 2016 ausgegangen werden.
Zuversichtliche Werbeauftraggeber
Trotz dem starken Franken und der
schwierigen Konkurrenzsituation sind die
Unternehmen mehrheitlich gut aufgestellt
und schauen 2016 zuversichtlich entgegen.
54 Prozent der Befragten erwarten einen
leichten Anstieg der Umsatzentwicklung
und 39 Prozent einen ebensolchen Anstieg
bei der Gewinnentwicklung.
Die Komplexität und die gezielte Bespielung der Kommunikationskanäle machen
rund 60 Prozent der Werbeauftraggeber
nach wie vor zu schaffen: Wie kann ich das
alles koordinieren? Wie erreiche ich am
effektivsten mein Zielpublikum?
Die grösste Herausforderung
in der Marketingkommunikation
ist nach wie vor die Komplexität
der Kommunikationskanäle.
Mit der technischen Entwicklung Schritt
zu halten und dem starken Franken sowie
der Gleichgültigkeit der Kunden zu trotzen,
empfinden über 50 Prozent der Befragten
als grösste Herausforderung für die kommenden Monate.
Mehr als die Hälfte in klassische Kanäle
Gemäss Werbeauftraggeber flossen im
letzten Jahr 24 Prozent der gesamten Mediagelder in Printmedien (11 Prozent Tageszeitung, 8 Prozent Magazine und 5 Prozent
Wochenzeitung), 16 Prozent in TV, 9 Prozent
in Outdoor/Plakate und 1 Prozent in Kino.
Trotz dem Trend zu den digitalen Medien
sind immer noch 52 Prozent der Mediagelder 2015 in klassische Kanäle investiert
worden (siehe Grafik unten).
Die digitalen Medien legen weiter zu: 35
Prozent der Mediagelder – inklusive eigene
Websites – wurden in digitale Medien investiert: Am meisten in Online-Werbung mit
11 Prozent, in SEM mit 6 Prozent, in Social
Media mit 5 Prozent und in E-Mail-Marketing mit 4 Prozent.
Keine Budgetkürzungen für 2016
Bei 75 Prozent der Befragten ist das
Kommunikations- und Mediabudget 2016
keinen Kürzungen unterworfen. Rund die
Hälfte der Werbeauftraggeber melden keine
Veränderung und knapp ein Viertel der Befragten prognostizieren sogar einen Anstieg
ihrer Mediabudgets.
Ein Management Summary der Resultate
aus der Werbemarktstudie 2016 der Forschungsstelle für Customer Insights der
HSG wird bald auf leadingswissagencies.ch
und swa-asa.ch publiziert.
Catherine Purgly, Geschäftsführerin,
Leading Swiss Agencies (LSW), Zürich.
LSW
Ein Verband der
Auftragnehmer
Neuer Name Die 1935 gegründete
Leading Swiss Agencies (LSW) –
bis 2015 «bsw leading swiss agencies» – ist der Verband der führenden Kommunikationsagenturen der
Schweiz. Er zählt heute 75 Unternehmen respektive 7 Prozent aller
hierzulande domizilierten Auftragnehmer zu seinen Mitgliedern. Sie
verwalten etwa zwei Drittel aller
Werbebudgets, die von Kommunikationsagenturen betreut werden.
8
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
TV 16
Tageszeitung 11
Digital 11
Kino 1
Radio 2
E-Mail Marketing 4
Social Media 5
Wochenzeitung 5
Sponsoring 6
SEM 6
Direct Marketing 7
SEM: SUCHMASCHINENMARKETING
Mediainvestitionen
2015 in der Schweiz
(Anteil in Prozent)
Website 9
Outdoor/Plakate 9
Magazine 8
QUELLE: FCI-HSG, LSW, SWA
SPECIAL MARKETING
«Folge nicht
den Herden»
David Sable Der Konzernchef von Y&R über die digitale
Transformation, die für ihn Evolution statt Revolution ist.
INTERVIEW: NORMAN C. BANDI
DER DIGIBABBLE-WERBER
Was ist Ihre Verbindung zur Schweiz?
David Sable: Wir haben ein sehr erfolgreiches Büro in der Schweiz, das von Andreas
Widmer geführt wird. Sein Vater Bruno
Widmer, der einst für Y&R in Europa verantwortlich war, ist einer meiner guten Freunde
und Mentoren. Diese familiäre Verbindung
hat mich oft in die Schweiz geführt.
Name: David Sable
Funktion: Global CEO Y&R
Alter: 62
Wohnort: New York
Familie: Verheiratet, zwei Töchter
Wann waren Sie das erste Mal in Zürich?
Lange bevor ich die Widmers kannte. Wahrscheinlich zu Beginn der 1980er-Jahre. Und
aus geschäftlichen Gründen komme ich
nun mehrmals pro Jahr nach Zürich.
Haben Sie die Schweiz auch schon aus
privaten Gründen bereist?
Das wünschte ich. Ich war neben Zürich
zwar in Zermatt, Genf und Lausanne, aber
Ferien habe ich hier noch nie gemacht. Das
steht weit oben auf meiner Liste.
Jetzt waren Sie hier, um nach einem Besuch
des 46. World Economic Forum in Davos
als Keynote Speaker am 4. Worldwebforum
in Zürich aufzutreten. Wie kam es dazu?
Sie haben mich wieder eingeladen und diesmal habe ich zugesagt, da es an der Zeit war
und mich das Format interessierte. Von früheren Auftritten in Zürich weiss ich: Englisch als Sprache ist easy und das Publikum
ist immer smart und interessiert.
Ihr Eindruck vom Format?
Ich gehe an viele Konferenzen rund um den
Globus. Das Worldwebforum ist fabelhaft
und ohne Zweifel eine der besten Konferenzen, die ich je besucht habe. Die erste Session über Silicon Valley versus Switzerland
mit ihren Experten war verblüffend. Der
Vortrag des ehemaligen amerikanischen
Atom-U-Boot-Kommandanten David Marquet über Leadership war spektakulär. Zudem haben wir von Google und Uber gehört
oder über Virtual Reality gesprochen. Es war
10
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
Das Unternehmen Die heutige Y&R
mit Sitz in New York wurde 1923
von John Orr Young und Raymond
Rubicam gegründet. Aktuell zählt
das globale Werbeagentur-Netzwerk rund 6500 Mitarbeiter in über
190 Büros in 93 Ländern. Hierzulande ist Y&R in Zürich und Genf
präsent. Schwesterfirmen in der
Young & Rubicam Group sind unter
anderem Burson-Marsteller oder
Wunderman. Die Gruppe ihrerseits
ist seit 2000 Teil der britischen
WPP Group, des weltweit grössten
Kommunikationsnetzwerks.
«Wer etwas tut, der muss es so
gross und gut machen, wie er
nur kann. Mit dem Gefühl, wie
man die Welt verändern kann.»
ein toller Tag. Ich kann das Worldwebforum
jedem empfehlen. Die investierte Zeit lohnt
sich restlos.
Inwiefern?
Ich habe immer einen Stift und Papier
neben dem Bett für diese Ideen, die ich
mitten in der Nacht habe. Damit ich sie am
nächsten Morgen noch grösser und besser
machen kann. Bei Y&R nennen wir das
«resist the usual», geschrieben von einem
unserer Gründer in den 1920er-Jahren.
Auch wenn Sie auf der Bühne thematisch
nicht darauf eingegangen sind, angekündigt
wurde Ihre Rede unter dem Titel «Do it big
or stay in bed». Was verstehen Sie darunter?
Meine Sicht der Dinge ist: Wer etwas tut, der
muss es so gross und gut machen, wie er nur
kann. Wenn man nicht jeden Tag mit dem
Gefühl aufwacht, wie man die Welt heute
verändern kann, wieso sollte man sich die
Mühe machen, aufzustehen?
Das heisst?
Folge nicht den Herden, sondern denke und
handle anders. Ich sehe mich als jemanden,
der den technologischen Wandel begreifen
will und der Versuchung widersteht, zu
glauben, dass alles Disruption und Game
Change ist. Nicht alles verändert die Welt.
Das meiste hat es nicht getan. Das beste hat
Evolution kreiert. Nur wenig hat Revolution
kreiert.
SPECIAL MARKETING
David Sable: «Word of Mouth
ist nicht neu. Das ist Unsinn!»
grossen Stil muss man weiter zurückgehen.
Das war Gutenberg mit der Erfindung des
modernen Buchdrucks. Davor war das Wissen einer Minderheit vorbehalten. Meiner
Meinung nach war danach alles Evolution.
Nach Print folgten elektronisch und digital.
So einfach?
Das Gleiche gilt für Social Media. Persönliche Informationen haben wir schon immer
geteilt – neu können wir es einfach ständig,
überall und global in Echtzeit tun. Word of
Mouth ist nicht neu. Mund-zu-Mund-Propaganda ist keine Erfindung des digitalen
Zeitalters. Das ist Unsinn!
ZVG
Ist das nicht Haarspalterei?
Vielleicht. Letztlich geht es darum, dass wir
mit den neuen Technologien Informationen
grösser, besser und schneller teilen können,
um mehr Möglichkeiten zu kreieren. Das ist
aufregend. Wen interessiert es, ob das nun
Revolution oder Evolution ist? Ausser: Wer
versteht, dass es Evolution ist, der versteht
besser, was er damit anfangen kann. Macht
dies Sinn?
Trotzdem sprechen alle bei der digitalen
Transformation von Revolution.
Das finde ich ja nicht schlecht. Doch wenn
man die Geschichte betrachtet, dann ist
Fortschritt oft Entwicklung, sprich Evolution. Das muss man wissen, um zu lernen –
darum geht es im Leben. Das World Wide
Web etwa sehen viele als Revolution. Aber
worum ging es ursprünglich? Um das Teilen
von Informationen. Es war eine Erfindung
von Wissenschaftern für Wissenschafter, damit sie untereinander besser kommunizieren und kollaborieren konnten.
Den Game Change hat beim Start des
WWW jedoch niemand gesehen.
Ohne Zweifel. Doch es war bloss ein neuer
Weg, um Informationen zu teilen. Für die Revolution des Teilens von Informationen im
Kommt auf das Beispiel an.
Sprechen wir über Amazon – die vermeintlich gewaltigste Disruption im globalen
Retail Business. Was als Revolution gilt, ist
aber auch eine Evolution. Wenn Sie die Declaration of Purpose von Sears, Roebuck &
Co., eines der ersten amerikanischen Versandhäuser mit Warenkatalogen, von Ende
des 19. Jahrhunderts lesen, dann wird Sie
die Sprache überraschen, weil ihr das heutige Mission Statement von Amazon fast Wort
für Wort entspricht. Man konnte bei Sears,
Roebuck & Co. bestellen, was es in den Kaufhäusern nicht ab Lager gab. Und die disruptive Evolution von Amazon geht weiter: Sie
eröffnen jetzt Läden, weil sie ihre dezentralen Lager näher zu den regionalen Kunden
bringen wollen, um sie so schneller und
günstiger zu beliefern.
Der Zweck der Übung?
Es geht um die Bedürfnisse der Menschen,
für die es online und offline sinnvoll miteinander zu verknüpfen gilt. Ein anderes
Beispiel dafür: Ikeas Möbelgeschäft ist teils
physisch und teils digital. Über die Weihnachtszeit wurde ein Collection Shop an
der Oxford Street in London eröffnet. Man
bestellt die Dekoration im Internet und
kann sie in einem zentralen Laden abholen,
ohne dass man in einen der dezentralen
Märkte muss. Ich stelle mir vor, dass es ein
Test war, den man dieses Jahr auch in
Zürich sehen wird. Das ist brillant. Das ist
«resist the usual».
In diesem Zusammenhang sprechen Sie
von «Digibabble». Meinen Sie nicht eher
«Digibubble»?
Über die digitale Blase sprechen andere. Ich
spreche bewusst vom digitalen Plappern.
Doch das Plappern verursacht die Blase.
Worum geht es bei «Digibabble»?
Digital ist alles, aber nicht alles ist digital.
Bei der globalen Datenverführung ist alles
«first» – insbesondere bei Marketing und
Innovation. Dabei gehen die Menschen
meistens vergessen, die immer «first» sein
müssen, weil sie in den Fokus gehören, da
im «Digibabble» Marketing und Innovation
sonst nicht ankommen.
«Online und offline müssen
mehr verheiratet werden.
Digital wird physischer und
physisch wird smarter.»
Beispielsweise?
Niemand kauft mehr Musik und niemand
geht mehr ins Kino, weil die meisten Alben
und Filme praktisch gratis zu streamen sind.
Doch «free» ist kein Geschäftsmodell. Mit
«Digibabble» haben zwei aktuelle Fälle bewiesen, dass es auch heute noch anders
geht. Adele mit ihrem Album «25» und «Star
Wars» mit dem siebten Film «The Force
Awakens». Beide brechen weltweit alle Verkaufsrekorde, indem sie ihren grossartigen
Content nicht vorab preisgegeben, sondern
bewusst kostenpflichtig gehalten und die
Distributionskanäle kontrolliert haben.
Wie sehen Sie die Zukunft des Marketings?
Sie wird faszinierend. Das goldene Zeitalter
des Marketings steht uns erst bevor. Neben
Disruption und Game Change braucht es
weiterhin Kreativität und Storytelling. Man
muss weiterhin fähig sein, eine Marke mit
Konsumenten und Emotionen zu verlinken.
Was bedeutet das im digitalen Kontext?
Vor fünf Jahren waren nutzergenerierte
Inhalte unsere neue Währung. Diese wird
nun mehr und mehr durch nutzerzentrierte
Inhalte abgelöst – online und offline müssen
mehr verheiratet werden. Digital wird physischer und physisch wird smarter. Amazon
und Ikea sind zwei Belege dafür.
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
11
SPECIAL MARKETING
Mehr als ein Trend
Disruption Radikale Erneuerung durch Innovation wird in allen Branchen zur
Ambition. Disruption verkörpert wie kaum ein anderes Wort diesen Zeitgeist.
MATTHIAS KIESS UND SIMON REHSCHE
K
eine Fachtagung, Publikation,
und kaum ein Agenturbriefing
kommt heute ohne das Wort
Disruption aus. Es lässt Marketingherzen höher schlagen.
Die «FAZ» kürte es gar unlängst zum Wirtschaftswort des Jahres 2015.
Die Verwendung von Disruption geht
uns heute leicht von der Zunge und erzeugt
im Marketingjargon ausschliesslich positive
Assoziationen. Neuartige Konzepte, die im
Sturm ganze Branchen revolutionieren und
das Verhalten von Konsumenten auf den
Kopf stellen, scheinen zu jedem Zeitpunkt
und in jedem Bereich möglich. Airbnb, Uber
oder Tinder lassen grüssen. Disruptive Produktinnovationen und die dahinterstehenden Geschäftsmodelle brauchen in unserer
digitalisierten Welt meist kein Marketing.
Sie sind Marketing.
Wer Konsumenten zu grundlegender
Verhaltensänderung bringen will, hat mit
Verantwortungsübergabe und Autonomieangeboten, wie es scheint, die besten Kar-
ten. Selbstbedienbare Kassen und mobile nen rücken in ihrer Alltagsrealität schneller
Scanner definieren gerade unser Einkaufs- auseinander oder Gesellschaftsschichten
verhalten neu. Die wie Pilze aus dem Boden erleben eine neue Trennung aufgrund der
schiessenden Online-Reisebroker haben finanziellen Möglichkeiten.
uns schon vor Jahren gelehrt, dass wir keine
Fürs Marketing hat Disruption heute
Berater mehr brauchen. Und Smartphone- über den reinen Fortschritt in der AngebotsApps werden schon bald dazu führen, dass entwicklung eines Unternehmens hinaus
die Erfassung und Analyse unserer Gesund- eine weitaus grössere Bedeutung. Radikale
heitsdaten kaum mehr mit einem menschli- Verhaltensänderungen bedeuten für die sie
chen Arzt in Verbindung gebracht werden.
initiierenden Marken innerhalb einer KateDisruption und Innovation bereichern gorie häufig die einzige Möglichkeit zu
unser Leben und machen es
substanzieller Alleinstellung.
spannend. Das war schon imUnd sind damit existenziell.
mer so. Vom Buchdruck über
Weil diese Alleinstellung in
Disruption ist
die Industrialisierung zur Masunseren übersättigten Märksenherstellung von Autos liegt im Marketing nur
ten nämlich die wichtigste
es in der Natur der Geschichte, erfolgreich, wenn
Bedingung für erfolgreiche
dass Fortschritt unser Leben kein Selbstzweck
Vermarktung darstellt, ist die
verändert. Mit der Digitalimit dem Konventionellen breverfolgt wird.
sierung wird unser Alltag aber
chende Innovation – die Disin einer Geschwindigkeit verruption – ein sicherer Weg zu
ändert, mit der der disruptimehr Relevanz für Kunden.
ve Wandel verschiedener Lebensbereiche Und damit der direkte Weg zu Wettbewerbsunüberblickbar scheint. Kürzere Innova- vorteilen. Diese sind das universellste Martionszyklen bringen neben allen Vorteilen ketingziel. Und so erstaunt die Popularität
denn auch Herausforderungen. Generatio- des Konzepts Disruption wenig.
TBWA\
Begrifflichkeit urheberrechtlich geschützt
Erfinder Im Mai 1992 wurde
zur Aktivierung disruptiver
erstmals von Jean-Marie Dru,
Markenplattformen im Alltag
heute Chairman von TBWA\
von Konsumenten. Disruption
Worldwide, Disruption als
als Begrifflichkeit und Teil der
neuer Denkansatz postuliert,
DNA von TBWA\ ist inzwiund zwar in Form eines Inseschen in über 40 Ländern
rates im «Wall Street Journal».
urheberrechtlich geschützt.
Schon bald erfolgte eine
Vertiefung, unter anderem in
Auftritt Am 16. März 2016
Jean-Marie Dru:
verschiedenen Büchern von
erhalten Interessierte die
Chairman TBWA\.
Dru. Disruption ist seitdem der
Möglichkeit, an der GfM
Kern, die Philosophie und die
Marketing-Trend-Tagung im
Seele der Kreativagentur TBWA\.
Hotel The Dolder Grand in Zürich den
Begründer und Erfinder von Disruption,
Definition Disruption beschreibt den
Jean-Marie Dru, persönlich zu hören.
Bruch marktdefinierender Konventionen
zum Erreichen klar formulierter Visionen.
Agentur TBWA\Worldwide mit Hauptsitz
So entstehen analytisch fundierte, kreain New York wurde 1970 gegründet und
tive Strategien, die langfristig den Weg
ist heute ein weltweit aktives Agenturzum Wachstum zeigen. Disruption wurde
netzwerk mit über 11000 Mitarbeitenden,
zuletzt 2015 überarbeitet und beinhaltet
Präsenz in mehr als 90 Märkten und mit
neu auch fortlaufende Kreativprozesse
TBWA\Zürich auch in der Schweiz tätig.
12
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
Nährklima für fundamentalen Wandel
Der Zeitpunkt dieser Popularität lässt
sich nicht nur aufgrund der Notwendigkeit
konsequenten Fortschritts fürs Marketing
von meist – objektiv gesehen – austauschbaren Angeboten erklären. Die rasante, für den
Grossteil der Menschheit nicht verständliche Entwicklung digitaler Technologien, die
generelle Beschleunigung unseres Lebens,
aber auch das steigende Bewusstsein für
grundlegende Probleme des Daseins schaffen ein ideales Nährklima für die Akzeptanz
von und den Glauben an fundamentalen
Wandel. Veränderung und Fortschritt sind
deshalb nicht nur rationale Bedürfnisse.
Wer Verhaltensmuster verändert und radikal Neues in seinen Alltag integriert, bleibt
automatisch aktuell und meidet damit die
Gefahr, in einer unüberblickbaren Welt im
Gestern zu verbleiben. Konsumenten wollen und wünschen Neues heute vielmehr
aus einem emotionalen Grundbedürfnis als
aus funktionalem Bedürfnis. Konsumenten
wünschen sich die tägliche Disruption. Und
gutes Marketing beginnt bei Wünschen.
Mehr als nur der reale Innovationsprozess
verkörpert Disruption eine Denkhaltung
SPECIAL MARKETING
ZVG
Inserat «Wall Street Journal»: Jean-Marie Dru
thematisierte Disruption 1992 das erste Mal.
und Überzeugung, die mit der entsprechenden Konsequenz im Handeln Marken ihren
Platz im Leben von Menschen schafft.
Disruption wird nicht nur inflationär,
sondern häufig bagatellisierend verwendet.
Die ursprünglich dramatische Bedeutung
des Wortes, die im Bruch von Bestehendem
und demnach im Zerstörerischen liegt, wird
nicht immer ernst genommen. Disruption
tönt nach Silicon Valley, nach informellen
Meetings, nach Radikalität. Und ist deshalb
D
cool. Disruption
brachte bis zur
Verwe
Verwendung
im Marketingkontext ab
aber immer auch Unsicherheit. D
Denn jede radikale Veränderu birgt einen ungewissen
derung
Ausg
Ausgang
und ist deshalb eine
pote
potenzielle
Bedrohung für alE
les Etablierte.
V
Vergessen
geht neben der
gru
grundsätzlichen
Marketingbe
begeisterung
für alles Disru
ruptive
zuweilen auch, dass
di
disruptive
Lösungen meiste
tens
nicht aus rein wirtsschaftlichem Antrieb entsstehen, sondern aus dem
p
passionierten
Verfolgen
einer Überzeugung oder
einer Idee – wie dies im
Übrigen meistens bei erfolgreich vermarkteten
Erfindungen der Fall ist.
Prototypen disruptiver
kom
Innovationen kommen
oft aus risikoaffinen
und damit nicht m
misserfolgsscheuen Kleinbetrieben. Wer Disruption ernsthaft sucht,
wird also um eine konsequente Haltung, Investitionsbereitschaft und nicht zuletzt eine
grosse Portion Mut nicht herumkommen.
Nun ist wahre Disruption auch unter den
besten Bedingungen nicht immer planbar
und deshalb nicht an der Tagesordnung.
Weil Menschen Marken und deren Angebote gerade in intransparenten Märkten nicht
rational wahrnehmen, kann die relative
Seltenheit wahrer Disruption durchs richti-
ge Marketing kompensiert werden. Disruption muss nämlich nicht immer über reale
Innovation geschehen, sondern kann auch
durch werbliche Inszenierung als solche
positioniert werden. Es geht darum, mit disruptiver Kommunikation Marken und ihre
Angebote in einem neuartigen Kontext strategiekonform zu positionieren.
Der Wille nach Andersartigkeit
Die Perspektive darauf ist ausschlaggebender als das reale Angebot. Beispiele dafür gibt es zahlreiche: PlayStation vermarktete der Branchenkonvention folgend bis
vor einigen Jahren Konsolen an Kinder und
Jugendliche, bevor sich der Marke dank
einer disruptiven Neupositionierung die Erwachsenenwelt als weit dankbarerer Markt
erschloss. Oder Airbnb lässt nicht nur seine
offensichtlichen Vorteile sprechen, sondern
verteidigt die Einzigartigkeit gegen die grösser werdende, leistungsmässig nahezu identische Konkurrenz mit einer disruptiven
Positionierung. Airbnb will eine Welt ohne
Fremde, in der alle allen ihre Türen öffnen.
Disruption ist im Marketing aber nur
dann wirklich erfolgreich, wenn der Wille
nach Andersartigkeit nicht aus Selbstzweck
verfolgt wird. Disruption bringt nicht unkalkulierbare Zufallsprodukte hervor. Sie ist
vielmehr ein klarer Plan für eine definierte,
langfristig strategisch konsequente Markenführung und Markenaktivierung.
Matthias Kiess, CEO, und Simon Rehsche,
Head of Strategy, beide TBWA\Zürich.
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SPECIAL MARKETING
CUSTOMER INSIGHT
Basis innovativer Geschäftsmodelle
A
nno 2008 liess sich der NokiaCEO Olli-Pekka Kallasvuo bei
«Forbes» mit folgender Fehleinschätzung zitieren: «The
iPhone is a niche product.»
2007 erreichte Nokias Umsatz ein Allzeithoch von 74 Milliarden Dollar. Zu diesem
Zeitpunkt war man der unangefochtene
Herrscher in einem der globalen Zukunftsmärkte. Nur neun Jahre später spielt Nokia
in diesem Markt – ob als Unternehmen
oder Marke – nahezu keine Rolle mehr.
Derzeit heissen die Platzhirsche Apple,
Google, Samsung, Amazon, Facebook,
Zalando, Uber oder Airbnb. Diese Firmen
offerieren den Kunden voneinander
abweichende Leistungsspektren, die sich
einerseits ergänzen und anderseits im
Wettbewerb stehen. Vor allem aber richten
sie sich an dieselben Kunden, die daher
zunehmend die Freiheit besitzen, Sowohlals-auch-Kaufentscheidungen zu treffen,
und nicht zu Entweder-oder-Kaufentscheidungen gezwungen werden. Die Kunden
fragen sich zunehmend nicht mehr: Kaufe
ich bei Anbieter A oder B. Sondern: Wie
viele und welche Leistungsanteile beziehe
ich von den Anbietern A, B, C, D und Z, um
mein Bedürfnisprofil möglichst optimal
zufriedenzustellen. So versorgt sich beispielsweise ein Zürcher Banker mit Informationen und Unterhaltung, indem er
parallel Angebote von Google, Facebook,
Linkedin, «NZZ», SRG, «20 Minuten», Netflix, «Handelszeitung» oder Radio 1 nutzt.
Seine Mobilitätsbedürfnisse befriedigt er,
indem er auf Angebote von BMW, Tesla,
SBB, ZVV, Uber, klassischen Taxiunternehmen, Mobility oder Google zurückgreift.
Nokia sah sich vor allem im Wettbewerb
mit anderen Anbietern von Mobiltelefonen
und unterschätzte erstens den Substitutionswettbewerb und zweitens den Wettbewerb zwischen «Business-Ecosystems».
Welche Bedrohung von Substitutionsanbietern für etablierte Wettbewerber ausgeht, analysierte schon Joseph Schumpeter
in den 1940er-Jahren mit seinem makroökonomisch fundierten Konzept der
kreativen Zerstörung; später unterstrich
Theodore Levitt mit seiner Diagnose einer
«Marketing Myopia» und insbesondere
Michael Porter mit seinen Arbeiten zur
Wettbewerbsstrategie die disruptive Kraft
des Substitutionswettbewerbs.
Seit die digitale Revolution läuft, hat sich
die Lage erheblich verschärft. Innovationszyklen werden kürzer. Branchengrenzen
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SPECIAL MARKETING
Dennis Vogt
Managing Director,
Center for Innovation, Universität
St.Gallen (HSG)
erodieren schneller. Wertschöpfungsprozesse werden umfassender neu strukturiert. In immer mehr Branchen sehen sich
etablierte Wettbewerber – ähnlich wie
Nokia anno 2008 – mit Geschäftsmodellen
konfrontiert, die auf einzigartigen Customer Insights basieren, Teile bestehender
Wertschöpfungsketten neu definieren und
sich optimal in «Business-Ecosystems»
einpassen. Zurzeit definiert Airbnb die
Regeln im Tourismus und Uber die Wettbewerbsregeln im Transportmarkt neu.
Sowohl das, was «technologisch» möglich
sein wird, als auch das, was Kunden wollen,
lässt sich zunehmend höchst ungenügend
aus den Daten der Vergangenheit extra-
Torsten Tomczak
Director, Center
for Customer
Insight, Universität
St.Gallen (HSG)
polieren. Früher waren Unternehmen in
der Lage, verschiedene mehr oder weniger
trennscharfe Segmente zu identifizieren
und diese über Jahre mit standardisierten
und in Zeitsprüngen modifizierten Produkten zu beliefern. Kennzeichen des digitalen
Zeitalters ist es aber, dass laufend individualisierte «Produkte» kostengünstig von
wechselnden Koalitionen von Anbietern
kreiert werden. Vielmehr als für Startups,
die organisatorisch und kulturell flexibler
aufgestellt sind, stellt diese Entwicklung für
bestehende Firmen eine enorme Herausforderung dar. Bei Startups, die in der Regel
digitale Produkte anbieten oder durch die
Digitalisierung geprägte Geschäftsmodelle
betreiben, ist es zentraler Teil der Strategie,
sogenannte Beta-Versionen (Geschäftsmodelle, Produkte, Kommunikationsund Distributionskonzepte) auf den Markt
zu bringen und zu beobachten, wie die
Kunden darauf reagieren, um sich in einem
iterativen Prozess nach und nach an eine
(vorläufige) Alpha-Version heranzutasten.
Um auch in Zukunft im Wettbewerb zu
bestehen, benötigen viele etablierte Unternehmen einen neuen Zugang zum Thema
Kundenorientierung. Sie müssen Systeme
schaffen, die in Echtzeit aufdecken, wie
sie ihren Kunden einen Mehrwert bieten
können. Die Digitalisierung sowie die
Startup-Bewegung haben extrem ressourceneffiziente empirische Studiendesigns
hervorgebracht. Im Zentrum steht dabei
die permanente Generierung von Customer Insights mithilfe von experimentell
angelegten Studien. Schliesslich geht es
darum, das Verhalten der Kunden in realen
Entscheidungssituationen kontinuierlich
zu «tracken», um in einem permanenten
Prozess innovative Geschäftsmodelle
überarbeiten oder neu entwickeln und
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© UBS 2016. Alle Rechte vorbehalten.
SPECIAL MARKETING
Markenführung
revolutionieren
Drugstore Publicis bringt das Startup-Konzept in die
Schweiz und kooperiert mit dem Impact Hub Zürich.
ALINA LEIMBACH
D
as Viadukt, auf dem die Käferberglinie gen Oerlikon fährt,
ist eigentlich ein Relikt aus
dem 19. Jahrhundert. Doch
ausgerechnet hier tummeln
sich seit 2011 viele der innovativsten Köpfe
der Schweiz. Damals öffnete der Impact
Hub Zürich unter den steinernen Bögen seinen ersten Standort. Mehr als 500 StartupUnternehmer, Nichtregierungsorganisationen, Freischaffende und mittlerweile auch
Grossfirmen wie SIX oder Swisscom gehören allein hierzulande zur Community des
globalen Impact-Hub-Netzwerks.
Potenzial, welches das Projekt Drugstore
nutzen will. Das Konzept dafür stammt von
der weltweit tätigen Kommunikationsagentur Publicis – in London und Sydney gibt es
ähnliche Modelle bereits. In der Schweiz ist
der Impact Hub der lokale Kollaborationspartner. Das Angebot verbindet die Stärken
beider Seiten: Die Marken- und Werbeerfahrung von Publicis und das IT-Knowhow und den Innovationsgeist der StartupKöpfe des Impact Hub Zürich. Das Ergebnis
sollen innovative Produkte und Dienstleistungen, passend zur Markenstrategie, sein.
«Brand to Product»
Damit wagt sich Publicis auf neues
Terrain. Statt nur bestehende Produkte zu
bewerben und eine Marke gut zu positionieren, will sie mit dem Drugstore schon
die Produktentwicklung zum integralen
Bestandteil der Markenstrategie machen.
«Innovationen werden gebraucht, um
die Bedürfnisse einer digitaler werdenden
Gesellschaft zu befriedigen und Kunden zu
halten», erklärt Curdin Janett, CEO von Publicis Schweiz und Mastermind hinter dem
helvetischen Drugstore. Aus diesem Grund
versuchten viele Firmen in den letzten
Jahren von der frischen und innovativen
Startup-Kultur zu lernen. Das fange bei den
16
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
fast obligatorischen Studienreisen ins Silicon Valley oder in die Kreativ-Hotspots
Berlin und Tel Aviv an und höre mit der
Gründung von unternehmenseigenen «Innovationsabteilungen» auf, so der Werber
des Jahres 2015.
Doch selbst wenn sich Firmen an neuen
Services oder Dienstleistungen versuchten,
sei das nicht zwangsläufig erfolgreich. Denn
nicht immer passe die Innovation auch zur
Marke. «Einige Unternehmen vergessen auf
der Suche nach innovativen Produkten und
Services ihre eigene Herkunft ebenso wie
die Positionierung der Marke», hat Janett
«Unternehmen
vergessen auf
der Suche nach
Innovationen
ihre Herkunft.»
Curdin Janett
CEO Publicis Schweiz
beobachtet. Nur wenn beispielsweise eine
App eine sinnvolle Weiterentwicklung der
Kernmarke darstelle, werde sie positiv von
den Kunden wahrgenommen. «Innovation
der Innovation wegen funktioniert nicht.»
Genau hier kommt das Angebot Drugstore ins Spiel. Bei der Dienstleistung namens «Brand to Product» wird binnen fünf
Tagen ein Prototyp eines neuen Geschäfts-
Apotheke: Zunächst
wird eine klassische
Anamnese gemacht.
modells, Service oder Produkts entwickelt,
eben nicht nur mit Fokus auf Innovation,
sondern auf Marke und Kunden abgestimmt.
Wie in einer guten Apotheke wird im
Drugstore zunächst eine Anamnese gemacht. Nicht vom kränkelnden Patienten,
sondern von einem grossen, mittleren oder
auch kleinen Unternehmen. Und am besten, bevor dieses überhaupt beginnt, erste
Symptome wie Verluste von Marktanteilen
zu zeigen. Analysiert wird, was Kern der
Marke ist, wofür Kunden die Firma schätzen
und wohin das Unternehmen will.
«Lead the Change»
Von Anfang an sitzen die Software-Entwickler und Produktdesigner vom Impact
Hub Zürich mit am Tisch. Statt nebeneinander zu arbeiten, wird von den Erfahrungen
beider Seiten profitiert, um die Fehler mancher «Innovationsabteilung» zu vermeiden.
Aber profitiert auch der Junior-Partner,
der Impact Hub, davon? Oder werden hier
nur die Kreativressourcen der klugen Köpfe
genutzt, um Publicis und die Unternehmen
voranzubringen? Christoph Birkholz, Mitgründer und Chef des Impact Hub in Zürich,
sieht viele Vorteile in der Kollaboration:
«Unsere Mitglieder treffen im Drugstore
auf mittlere oder grössere Firmen, sprich
potenzielle Kunden oder Partner für die
Zukunft. Das ist sehr wertvoll für sie», erklärt
der Jungunternehmer. Ein Honorar gebe es
auch. Das sei aber eher eine nette Nebenerscheinung, weil die meisten Mitwirkenden
eigene Projekte vorantrieben.
Erste Kunden haben den Drugstore seit
Gründung vergangenen September schon
in Anspruch genommen. Curdin Janett ist
allerdings noch etwas zögerlich, wenn es
um konkrete Ergebnisse geht. «Wir haben
Konzepte entwickelt, die langfristig wirken
SPECIAL MARKETING
PUBLICIS
STEFFEN SCHMIDT/KEYSTONE
Nummer 1 im Land,
Nummer 3 der Welt
sollen», begründet er. Wer erste Resultate
haben wolle, solle in zwei, drei Jahren noch
einmal nachfragen. Das Rebranding von
Orange zu Salt und die Neupositionierung
von V-Zug basierten allerdings auf dem ersten Schritt im Drugstore-Konzept, fanden
aber andernorts statt. Es sieht eine spezielle
Markenkernanalyse gemäss der PublicisStrategie «Lead the Change» vor.
Durchaus Potenzial
Bei einer anderen Frage ist sich Janett
sicherer. Er ist überzeugt, dass der Drugstore Zukunft hat. Man stecke mitten in der
digitalen Transformation. «Neue Innovationen, digital und näher am Kunden, werden
gebraucht.» Genau das also, was man anbiete. «Und weil ich glaube, dass sich das
nicht mehr ändern wird, hat das Konzept
wohl nicht nur kurzfristig eine Chance.»
Auch Brian Rüeger, Leiter des Instituts
für Marketing Management an der Zürcher
Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur, meint, dass der
Drugstore Erfolg haben könnte: «Klassische
Markenführung ist seit mehreren Jahren am
Aussterben.» Die meisten Agenturen hätten
das begriffen. Doch der Sprung in die neue
Zeit sei nicht leicht. «Manchmal haben es
Neueintreter in den Agenturmarkt einfacher
als Alteingesessene, die der Vergangenheit
hinterherweinen», so der Fachmann.
Das Konzept Drugstore beurteilt er daher
positiv. «Es gibt einen grossen und wachsenden Bedarf nach schnell verfügbaren
Prototypen», sagt Rüeger. Allerdings fehlten Firmen oft die nötigen Kompetenzen,
Methoden oder Infrastrukturen. «Somit ist
Platz für neue Businessmodelle.» Gelinge es
Publicis, die völlig unterschiedlichen Welten
zusammenzubringen und Produktentwicklung als Teil des Kernmarketings zu positionieren, könne sich die Agentur für die Zukunft aufstellen, so der Marketingexperte.
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Gewinnt Trophäen, die wirklich zählen:
die Herzen der Kunden.
Das Schellen-Ursli Sortiment von SPAR begeistert mit seinen
sorgfältig ausgewählten, regionalen Produkten.
Produkte nicht in allen SPAR Märkten erhältlich.
Carigiet / Chönz, «Schellen-Ursli» Copyright © 1971 Orell Füssli Verlag AG
Global Das Produkt zum Kunden sprechen lassen und auf dessen einmalige
Stärke setzen. Das war bereits zur Firmengründung 1926 in Paris das Credo
der Publicis Groupe. Dieser Gedanke
des damals erst 20-jährigen Begründers Marcel Bleustein kam einer kleinen
Revolution in der Werbebranche gleich.
Heute ist das globale Kommunikationsnetzwerk mit mehr als 44000 Mitarbeitenden in über 100 Ländern vertreten.
National Die Kreativagentur Publicis
Schweiz mit Zentrale in Zürich ist die
grösste und eine der traditionsreichsten
Werbeagenturen im Land und Teil der
Publicis Groupe, des drittgrössten
Kommunikationsnetzwerks der Welt.
Sie bietet alle Disziplinen unter einem
Dach – von Markenentwicklung, klassischer Werbung, Dialogmarketing und
Design über digitale Kommunikation
bis hin zu Mediaplanung und Einkauf.
Kunden Detailhändler Coop, Fluggesellschaft Swiss oder Mobilfunknetzbetreiber Salt – sie alle greifen auf die
Expertise der Marketingfachleute
von Publicis Schweiz zurück. Egal ob
kleines, mittleres oder grosses Unternehmen, die Kreativagentur hat sich
auf die Fahne geschrieben, für alle
Branchen und Bedürfnisse eine massgeschneiderte Strategie zu entwickeln.
SPECIAL MARKETING
«Es braucht eine
neue Dachmarke»
INTERVIEW: DANIEL TSCHUDY
DER ERLEBNIS-MARKETEER
Die letzten 18 Monate hatten es für Andreas
Messerli in sich. Im Juli 2014 verstarb sein
Vater Andreas Peter Messerli in Alter von 82
Jahren. Dieser gründete 60 Jahre zuvor die
Andreas Messerli AG und führte sie mit kreativen Ideen und Weitblick in die Gegenwart.
Im Dezember 2014 übernahm die in Wetzikon ZH ansässige Messerli Group die Mehrheit an der AlphaBlue Event Management in
Uster ZH. Im September 2015 kaufte man
den Tontechniker Dr. W. A. Günther Media
Rent in Erlenbach ZH und löste damit in der
Schweizer Live-Communication-Szene einige Aufmerksamkeit aus. Als «Magic Moment Engineer» bezeichnete sich Andreas
Messerli einst und ist heute damit beschäftigt, seine Unternehmensgruppe (siehe Kasten rechts) zum wichtigsten Player des hiesigen Erlebnismarketings auszubauen.
Name: Andreas Messerli
Funktion: Verwaltungsratspräsident Messerli Group
Alter: 54
Familie: Verheiratet, ein Sohn
Die Messerli Group ist in den vergangenen
Monaten stark gewachsen. Folgt jetzt die
Zeit der Konsolidierung?
Andreas Messerli: Mit dem Status quo sind
wir sehr happy. Alles läuft rund. Wir können
im Erlebnismarketing endlich eine komplette Wertschöpfung anbieten. Bis anhin waren
wir ja eher ein B2B-Spezialist, aber das hat
sich mit den Übernahmen verändert. Wir
kommen immer mehr in den B2C-Bereich.
Ein gutes Beispiel dafür ist unser Engagement am diesjährigen Eidgenössischen
Schwing- und Älplerfest in Estavayer-le-Lac,
wo unsere Gruppe nun diverse Mandate hat.
Wir stellen Zelte auf, bauen Tribünen und
vertonen das ganze Festgelände.
Wie gross ist denn die Messerli-Gruppe?
Zu 100 Prozent gehören mir die Firmen
Fabrikatur, Konform, Hunziker, Expoformer
und Media Rent. Zudem habe ich Mehrheitsbeteiligungen unter anderem an den
Agenturen Angelini, Normholz, AlphaBlue
und Retailpartners. Insgesamt sind es rund
350 Festangestellte, die 2015 etwas über
18
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
Das Unternehmen Zur 2012 als
solche lancierte Messerli Group mit
Hauptsitz in Wetzikon ZH gehören
aktuell zehn Firmen: AlphaBlue
Event Management AG (gegründet
2001), Andreas Messerli AG (1954),
Angelini Design Gmbh (2005),
Dr. W. A. Günther Media Rent AG
(1933), Expoformer AG (1987),
Fabrikatur AG (2011), Hunziker AG
(1934), Konform AG (1997), Norm
Holz Bau AG (1958) und Retailpartners AG (1996). Rund 350 Festangestellte erwirtschafteten 2015
über 95 Millionen Franken.
95 Millionen Franken erwirtschaftet haben.
Wirklich interessant ist dabei, dass wir mit
mindestens einem unserer Büros bei jedem
der 150 grössten Unternehmen der Schweiz
vertreten sind. Das heisst, wir bedienen
heute alle hiesigen Konzerne in sämtlichen
relevanten Branchen.
Wollen denn grosse Firmenkunden wirklich
mit nur einem einzelnen Live-Communication-Gesamtanbieter arbeiten?
Das ist so. Natürlich gibt es intensive und
langatmige Ausschreibungen und Vertragsverhandlungen, aber Zeit ist Geld und die
Konzerne wollen nicht mehr einzelne
Dienstleistungen bei einzelnen Anbietern
einkaufen und dann separat handeln. Wir
bieten diese One-Stop-Strategie bewusst an.
Das bedeutet einen grossen Aufwand im
Pitching-Prozess, dafür aber effizienteres,
schnelleres Umsetzen im operativen Ablauf.
Konkret?
So konnten wir Grosskunden wie Swisscom
oder Geberit mit mehrjährigen Verträgen
an uns binden und betreuen diese Kunden
mit eigens aufgestellten Teams. Unsere
Eventlogistiker sind somit irgendwo in der
Schweiz praktisch täglich im Einsatz, zum
Beispiel auch für die UBS. Manchmal verwalten wir Räumlichkeiten, manchmal stellen wir temporäre Ausstellungen auf oder
manchmal organisieren wir einen Kundenevent. Früher versuchten wir einfach, regelmässig schöne Einzelaufträge zu erhalten.
Heute sind wir in kompakte und langfristige
Partnerschaften eingebunden.
Müssen denn die einzelnen UBS-Filialen
exklusiv mit der Messerli Group arbeiten?
Wir decken praktisch jede denkbare Dienstleistung im Erlebnismarketing ab. Aber
die einzelnen UBS-Abteilungen respektive
deren Verantwortliche können frei entscheiden, ob sie mit uns arbeiten wollen. Nur haben wir mit der Procurement-Abteilung ein
Tarifbuch ausgearbeitet, und so kann jeder
UBS-Verantwortliche aufgrund seines Projekts und seines vorhandenen Budgets aus
unserem Angebot auswählen. Das macht es
für ihn doch ziemlich einfach. Wenn also in
irgendeiner Berggemeinde eine Filiale eröffnet wird, ruft uns der zuständige Projektleiter an und bucht je nach Bedürfnis diverse
Leistungen bei uns. Zum Beispiel ein Empfangs-Counter, eine Hüpfburg für das Eröffnungsfest, Hostessen für den Event oder
auch Merchandising-Elemente.
Das Geschäft wird demnach in der
Dachgesellschaft zentral reingeholt?
Das mache ich zusammen mit unserem Verkaufsleiter Daniel Wyss. Die Neuanfragen
kommen bei uns rein und wir machen dann
die Triage. Was für eine Art Geschäft ist es?
Wer innerhalb der Gruppe kann es am besten betreuen respektive wer kann den Lead
übernehmen? So verteilen wir die neuen
Buchungen auf die passenden Spezialisten.
DANIEL TSCHUDY
Andreas Messerli Der Verwaltungsratspräsident der Messerli Group über die
stille Expansion und Diversifikation und den neuen Begriff Erlebnismarketing.
SPECIAL MARKETING
Andreas Messerli: «Weder der Name Messerli noch die Berufsbezeichnung Messebau sind für einen Konzernauftritt zeitgemäss.»
So einfach?
Was wir gleichzeitig auslösen wollen, ist ein
intensives Cross Selling. Das ist immer
schwierig, denn die einzelnen Vertreter
jeder unserer Agenturen sehen ihr eigenes
Tagesgeschäft als das Wichtigste an. Trotzdem können wir intern jährlich bereits rund
15 Millionen Franken an Aufträgen auslösen
und verteilen. Das Potenzial ist aber einiges
grösser und wir werden weiter versuchen,
jeden Kundenkontakt auszuleuchten. Das
heisst, nicht nur angefragte Aufträge bei der
Kontaktperson zu akquirieren, sondern bei
diesem Kunden dann alles zu recherchieren,
ob in anderen Abteilungen weitere uns unbekannte Projekte und Chancen bestehen.
Sind Sie stark genug im Kreativbereich?
Vielleicht hatten wir in der Vergangenheit
nicht das Image einer Eventagentur – auch
weil wir selber ja aus dem Hintergrund die
wichtigsten Schweizer Eventagenturen bedienten. Aber seit der Finanzkrise kommen
viele Unternehmen direkt zu uns, unterstützt durch ihre Purchasing-Bemühungen
wollen sie bei den Produzenten direkt einkaufen. Messerli wollte tatsächlich nie als
reine Eventagentur wahrgenommen werden, aber der Markt verlangt mittlerweile,
dass wir als Full-Service-Anbieter tätig sind.
Das geht Hand in Hand mit der Entwicklung
und den Übernahmen. Unser defensives
Auftreten gehört zur Vergangenheit und die
Branche hat das mit einer gewissen Verunsicherung mitbekommen. Man gesteht uns
heute eine zentrale Position im Schweizer
Live-Communication-Management zu.
Und das entspricht auch Ihren persönlichen
Ambitionen, nicht wahr?
Richtig. Denn nach den Übernahmen von
Media Rent und AlphaBlue gehören wir
zusammen mit der MCH Group – vormals
Messe Schweiz – zu den zwei grossen Players im Land. Immerhin erarbeiten wir bald
100 Millionen Franken im Jahr. Das zeigt
doch auch Qualität und Zuverlässigkeit, die
wir in langen Jahren erarbeitet haben.
«Zusammengefasst wollen
wir der absolute Spitzen-Player
im Erlebnismarketing
in der Schweiz sein.»
Was genau will die Messerli Group sein?
Zusammengefasst wollen wir der absolute
Spitzen-Player im Erlebnismarketing in der
Schweiz sein. Deshalb werden wir auch
noch in diesem Frühjahr ein neues Branding
bekanntgeben, denn weder der Name Messerli noch die Berufsbezeichnung Messebau
sind für einen Konzernauftritt zeitgemäss. Es
braucht eine neue Dachmarke – attraktiver
und verkaufsorientierter. Gleichzeitig wollen wir erreichen, dass jede unserer Firmen
erfolgreich ist und nicht nur die eine oder
die andere, je nach Lauf und Lust der Wirtschaft. Derzeit ist es etwa für die im Bereich
Messebau und Displays tätige Expoformer
schwierig, da sie halt sehr stark vom Exportgeschäft abhängig ist. Wenn also alle Ein-
heiten reibungslos arbeiten können, dann
kann auch die Gruppe erfolgreich unter
dem Sammelbegriff Erlebnismarketing weiterwachsen. Wir stellen Bühnen, wo sich
Menschen treffen – in Amerika heisst das
Storytelling Industry. Leider ist der Begriff
so in der Schweiz nicht anwendbar, deshalb
wählen wir Erlebnismarketing. Dazu brauchen wir auch die virtuelle Welt und entsprechende Werkzeuge. Und so haben wir
uns an der Schweizer Firma Zaak beteiligt,
einem kleinen Spezialisten aus dem Bereich neue und virtuelle Medien. Zaak hat
zum Ziel, zeitgenössische, spielerische und
kommunikative Lösungen zu erforschen,
zu entwickeln und bereitzustellen. Zaak ist
quasi unser Labor für Virtual Reality. Und
somit ein wichtiges Puzzleteil für unsere
Zukunft.
Wie wichtig ist das Auslandgeschäft noch?
Interessant ist, dass mein Vater damals mit
dem Messebau rund 75 Prozent seines Geschäfts im Ausland getätigt hat. Heute ist es
noch knapp ein Viertel. Wir haben uns mit
den neuen Dienstleistungen vorerst auf die
Schweiz konzentriert und wollten sicher
sein, dass wir unseren Stammkunden die
komplette Erlebnismarketing-Palette anbieten können. Im Ausland begnügen wir uns
mit passenden strategischen Partnern.
Ihre Zukunft?
Ich betreue keine eigenen Kunden mehr,
sondern kümmere mich mit meiner rechten
Hand Hugo Keller um Firmenphilosophie
und Unternehmensstrategie.
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
19
SPECIAL MARKETING
Ist dabei sein alles?
Leistungssport Erfolgreiche Athleten sind ein Gewinn für die
Wirtschaft. Umgekehrt werden sie oft unter Wert geschlagen.
dem Lebensbereich notwendig sind. Sie
lernen beispielsweise, fokussiert durchs
Leben zu gehen. Sich voll und ganz auf eine
Aufgabe konzentrieren zu können, ist in
einer Zeit, in der unzählige Einflüsse auf
uns einwirken, von unschätzbarem
Vorteil. Sporttalente lernen aber auch,
langfristig zu planen, mit Druck umzugehen, Verantwortung zu übernehmen und nach Niederlagen wieder
aufzustehen.
Alle diese Kompetenzen sind nicht
nur im Sport, sondern in allen Bereichen des Lebens gefragt. Junge Leistungssportler haben gute Chancen, zur
Elite von morgen unseres Landes zu gehören. Sie besitzen jene Eigenschaften, die es
braucht, um auch als Führungspersonen zu
reüssieren.
ROGER SCHNEGG
N
ur noch sechs Monate, dann
findet in Rio de Janeiro mit
den Olympischen Sommerspielen das grösste,
faszinierendste sowie
packendste Sportereignis unseres
Planeten statt. Und die Schweiz wird
mitfiebern und Roger Federer, Nicola
Spirig, Giulia Steingruber und allen
anderen Athletinnen und Athleten
der Schweizer Delegation die Daumen
drücken und mitjubeln, wenn sie olympisches Edelmetall gewinnen.
Auch vor und nach den Olympischen
Spielen begeistern und begleiten uns die
sportlichen Höchstleistungen. Schon fast
täglich freuen wir uns über die nationalen
und internationalen Erfolge von Schweizer
Athletinnen und Athleten. Die Wahl des
«Schweizer des Jahres» beweist eindrücklich, welch hohes Ansehen Sportler hierzulande geniessen. Seit Einführung der Wahl
im Jahr 2003 wurden mit Roger Federer
(2003), Peter Sauber (2005), Köbi Kuhn
(2006), Jörg Abderhalden (2007), Didier
Cuche (2011), Dario Cologna (2012) und
Stan Wawrinka (2013) bereits sieben Persönlichkeiten aus dem Sport mit dem Titel
«Schweizer des Jahres» ausgezeichnet.
Die nationale Popularität schlägt sich für
viele der Protagonisten finanziell jedoch
nicht nieder. Mehr als 40 Prozent der besten
Schweizer Sportler verdienen weniger als
14 000 Franken im Jahr. Das hat die SplissStudie 2013 von Hippolyt Kempf ergeben.
Gleichzeitig müssen Verbände und Vereine
für die Förderung von Sporttalenten um
jeden Rappen kämpfen.
Lebensschule Leistungssport
Warum aber soll die Öffentlichkeit Geld
für junge Athletinnen und Athleten ausgeben? Warum soll sie Mittel für den langen,
oft steinigen und extrem teuren Weg eines
Sportlers aufwenden, wenn es letztlich doch
nur die allerwenigsten Nachwuchshoffnungen bis ganz nach oben schaffen? Mit
solchen Fragen sieht sich Swiss Olympic als
Dachverband des Schweizer Sports konfrontiert, wenn wir für zusätzliche Mittel für
die Talentförderung und die Sportförderung
20
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
Die nationale Popularität der
erfolgreichen Sportler schlägt
sich für viele der Protagonisten
finanziell jedoch nicht nieder.
allgemein kämpfen. Die Antwort liegt auf
der Hand: Leistungssportler sind – unabhängig von ihrem internationalen Erfolg –
ein Gewinn für die Wirtschaft und die Gesellschaft unseres Landes. Die Investition in
den Leistungssport ist auch eine Investition
in die erfolgreiche Zukunft der Schweiz.
Was haben Heinz Karrer (Präsident
Economiesuisse), Jeannine Pilloud (Chefin
Personenverkehr SBB) und Urs Schaeppi
(CEO Swisscom) gemeinsam? Genau: Sie
alle haben Karriere in der Geschäftswelt
gemacht. Sie alle waren in jungen Jahren
aber auch erfolgreiche Sportler. Als Handballer (Karrer), Schwimmerin (Pilloud)
oder Skifahrer (Schaeppi) verschrieben sie
sich vor ihrer beruflichen Karriere dem
Leistungssport. Während dieses Lebensabschnitts eigneten sie sich jene Eigenschaften und Fähigkeiten an, die ihnen bis heute
Tag für Tag zugutekommen.
Leistungssport ist eine Lebensschule, die
überdurchschnittlich viel Eigeninitiative,
Einsatz, Disziplin und Durchhaltewillen
erfordert. Auf ihrem Weg erwerben Sporttalente unzählige Kompetenzen, die in je-
Vorbilder für die Gesellschaft
Der Leistungssport hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark entwickelt.
Athletinnen und Athleten stehen mehr
denn je im Rampenlicht und übernehmen
auf und neben dem Sportplatz auch eine
Botschafts- und Vorbildfunktion. Einerseits
repräsentieren sie mit ihren Erfolgen ihr
Herkunftsland als leistungsstark, sympathisch, dynamisch und sportlich und verleihen damit einem ganzen Land ein positives
Image. Anderseits leben und vermitteln sie
die olympischen Werte «Höchstleistung,
Respekt und Freundschaft». Sie animieren
Jugendliche und Erwachsene zur aktiven
Bewegung und bauen Brücken zwischen
verschiedenen Alters- und Gesellschaftsschichten.
In dieser Rolle als Botschafter und Vorbilder beleben Spitzensportler unsere Gesellschaft nachhaltig und auf positive Weise.
Und bringen sie buchstäblich in Bewegung.
Grund genug, dass wir die jungen Athletinnen und Athleten auf ihrem Weg so unterstützen und fördern, wie sie es verdienen.
Egal, ob sie am Schluss tatsächlich in die
Fussstapfen von Roger Federer und Giulia
Steingruber treten oder ob sie das, was sie
im Sport gelernt haben, im Berufsleben und
für unsere Gesellschaft einsetzen.
Roger Schnegg, Direktor, Swiss Olympic, Ittigen – war
als Volleyballspieler Mitglied der Nationalmannschaft.
26. GfM
Marketing-Trend-Tagung
MARKETING & INNOVATION
Mittwoch, 16. März 2016, von 9 bis 17 Uhr
The Dolder Grand in Zürich
Referenten
Prof. Dr. Torsten Tomczak, Christoph Brand, Dr. Erich Joachimsthaler,
Rasoul Jalali, Monica Glisenti, Jean-Marie Dru, Dr. Caspar Coppetti,
Dr. Jens Wegmann, Howard H. Yu, Stefanie Turber, Philipp Riederle
Tagungsgebühr
690 Fr. für GfM-Mitglieder
890 Fr. für Nicht-GfM-Mitglieder
Anmeldung: www.marketing-trend-tagung.ch
SPECIAL MARKETING
Rivella reloaded
Branding Der neue Auftritt der Getränke-Kultmarke
stammt vom Auslandschweizer Yves Béhar, einem der
gefragtesten Designer der Welt. Das Resultat ist...
RIVELLA
Schweizer Inspiration aus Kalifornien
Firma Die international tätige Rivella mit
Sitz in Rothrist AG stellt seit über 60 Jahren Getränke her. Namensgeberin ist das
gleichnamige Erfrischungsgetränk, das
1952 von Firmengründer Robert Barth
kreiert wurde. Zu den weiteren Produkten
gehören das Erfrischungsgetränk Passaia
oder die Michel-Fruchtsäfte. Pro Jahr
werden über 100 Millionen Liter abgesetzt, davon mehr als 80 Millionen Liter
im Heimmarkt. 2014 setzte Rivella mit
267 Mitarbeitenden rund 140 Millionen
Franken um. Rivella engagiert sich seit
mehreren Jahrzehnten für den Spitzenund Breitensport und unterstützt jährlich
Hunderte von Veranstaltungen.
22
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
Design Yves Béhar (49) stammt aus Lausanne und gilt als einer der gefragtesten
Designer der Welt. Er ist Gründer und CEO
der Agentur Fuse Project in San Francisco.
2013 gestaltete er den neuen, einheitlichen Auftritt sämtlicher Nivea-Produkte.
Béhar studierte Industriedesign am Art
Center College of Design in Tour-de-Peilz
VD und wechselte nach einem Jahr in das
Mutterhaus im kalifornischen Passadena,
wo er das Studium als BSc of Industrial
Design abschloss. Vor der Selbstständigkeit arbeitete er für die Agenturen Frogdesign und Lunar Design, die für Firmen
wie Apple, Hewlett-Packard und Silicon
Graphics Produkte entwickelten.
W
enn immer Yves Béhar
als jugendlicher Marathonläufer die Ziellinie
überquerte, befand sich
in der Nähe ein RivellaStand. Der in Lausanne geborene Designer,
der seit 20 Jahren in den USA lebt, verbindet
die Schweizer Getränkemarke mit etlichen
Kindheitserinnerungen. «Ich weiss noch,
wie ich immer unser Skiteam angefeuert
habe, das von Rivella gesponsert wurde. Der
Brand war überall präsent», sagt Béhar.
Als er angefragt wurde, den Auftritt von
Rivella zu erneuern, musste er nicht lange
überlegen. «Natürlich war ich überrascht,
dass das Unternehmen auf jemanden zukam, der in Kalifornien tätig ist. Ich fand das
extrem mutig», sagt er. Für seine Firma Fuse
Project sei es jedoch wichtig, hyperlokale
Marken und Familienbetriebe zu unterstützen. «Wir Schweizer haben schon fast
patriotische Gefühle für das Getränk. Rivella
ist Teil der Schweizer Kultur», sagt Béhar.
DOMINIK BAUR/PHOTOPRESS
Yves Béhar: «Ich erhoffe mir, dass die Leute das Produkt sofort als Rivella erkennen.»
DENISE WEISFLOG
Mehr Interpretations-Spielraum
Für ihn habe sich vor allem die Frage
gestellt, wie man eine so traditionelle Marke
modernisiere und in die Zukunft transportiere. «Die Schweiz hat sich in den letzten
Jahrzehnten stark gewandelt und weiterentwickelt. Von aussen betrachtet ist das wahrscheinlich einfacher zu erkennen, als wenn
man im Land selbst lebt», meint Béhar.
Es habe ihn daher gereizt, mit Rivella zusammenzuarbeiten und es darin zu unterstützen, die Art und Weise, wie sich die
Schweiz und seine Einwohner verändert
hätten, im Rebranding zu reflektieren.
Dabei achtete der Designer darauf, die
ikonischen, traditionellen Elemente des
Rivella-Auftritts beizubehalten. «Es ging mir
nicht darum, die Marke von ihren Wurzeln
zu trennen, sondern darum, das Schweizerkreuz und die Berggipfel zu nehmen und sie
in etwas zu transformieren, das die Konsumenten neu und individuell interpretieren können», erklärt Béhar. Wenn man die
Schweizer Symbole eins zu eins übernehme,
könne man nichts anderes daraus lesen. In
einer Kultur, die dynamischer, heterogener
und jünger sei als in der Vergangenheit,
brauche es jedoch mehr Deutungsspielraum.
«Die Emotionen, die Rivella hervorruft, sind
immer noch da, aber die Leute haben die
Freiheit zu entscheiden, was die Marke für
sie bedeutet», sagt Béhar.
Er ist der Meinung, dass eine Marke
offen, inklusive und couragiert sein muss.
Die Tatsache, dass Rivella sich gegen grosse,
SPECIAL MARKETING
multinationale Brands behaupten muss,
hat Béhar beflügelt. «Es war aufregend zu
sehen, dass wir Rivella schneller weiterentwickeln konnten, als es den Getränkegiganten mit ihren eigenen Marken gelang.»
Schliesslich müsse ein kleines, lokales Unternehmen eine Vorreiterrolle einnehmen
und innovativ sein. Einfach nur die Mitbewerber zu imitieren, reiche nicht aus.
...modern, dynamisch, jugendlich
Für die Idee und Umsetzung des neuen
Rivella-Auftritts brauchten Béhar und sein
Team eineinhalb Jahre. Weil die MultiDisziplin-Agentur Fuse Project auch den
Industrialisierungspart übernahm, reisten
die Designer mehrmals in die Schweiz an
den Produktionsstandort von Rivella.
Das Resultat ist ein Design, das die moderne Schweiz widerspiegelt. Ein abstraktes
Kreuzsymbol auf der Etikette erinnert an
die Schweizerfahne, die Textur der Flasche
symbolisiert mit ausgeprägten, diagonalen
Linien die Berge und sorgt für einen festen
Griff. Die beiden Designs gehen nahtlos
«Ich war überrascht, dass das
Unternehmen auf jemanden
zukam, der in Kalifornien tätig
ist. Ich fand das extrem mutig.»
ineinander über und wirken als Einheit. Um
diesen Effekt zu erreichen, muss das Label,
das aus blickdichten, halbdurchsichtigen
und transparenten Konturstanzungen besteht, perfekt ausgeschnitten und in der
Produktion exakt auf der Flasche platziert
werden. Dafür war eine eigene Innovation
notwendig. Für den Rivella-Schriftzug entwickelte Fuse Project eine ganz neue Typologie. «Ich erhoffe mir, dass die Leute das
Produkt sofort als Rivella erkennen und
nach wie vor Emotionen mit dem Getränk
verbinden. Nur dass es jetzt neu und frisch
daherkommt», sagt Béhar.
Die Rebranding-Inspiration hat sich der
Designer im täglichen Leben geholt. Seine
Herangehensweise sei nicht stil-, sondern
eher ideenbasiert. «Wenn wir ein Grundkonzept haben, wenden wir es auf verschiedene Kanäle an. Im Falle von Rivella auf das
Brand- und Industriedesign», erklärt Béhar.
Dass das Schweizer Kultgetränk nicht nach
Kalifornien exportiert wird, bedauert er ein
wenig. Denn schliesslich liebt er seit seiner
Kindheit Rivella Rot – das Original.
«Die Kosten des Relaunchs sind erheblich»
Was bezwecken Sie mit dem Rebranding?
Andrys Aardema: Rivella ist eine Traditionsmarke, die breit in der Schweiz
verankert ist. Um sie für die Zukunft
fit zu halten, müssen wir sie jedoch
modernisieren, dynamischer gestalten
und insbesondere verjüngen, um die
Zielgruppe der 15- bis 29-Jährigen
wieder anzusprechen. Ziel des Auftritts
ist es, einen Schritt nach vorne zu tun,
sodass auch die Jungen ein Rivella mit
Stolz in der Hand halten und letztlich
mehr davon trinken.
Dass die junge Zielgruppe fehlt, spürt
Rivella am Getränkeausstoss, der seit
mehreren Jahren rückläufig ist.
Für die vergangenen zwei Jahre gilt das
nicht. Die Erfrischungsgetränkeindustrie
ist allgemein unter Druck. Grund dafür
sind ein erhöhtes Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung und verschiedene
politische Vorstösse, die den Zuckergehalt von Getränken reduzieren wollen.
Dennoch konnte Rivella wachsen. Während die Kategorie Erfrischungsgetränke
als Gesamtes um 3 Prozent zurückging,
haben wir hierzulande wert- und volumenmässig Marktanteile gewonnen.
Das lag aber nicht nur am heissen
Sommer des vergangenen Jahres?
Zu einem gewissen Grad hilft es uns,
dass wir uns stark für den Sport engagieren und unsere Getränke weniger
der gesamte Aussenauftritt inklusive
Zelten und Lastwagen neu gebrandet.
Andrys Aardema
Leiter Marketing
Schweiz und
Mitglied der
Geschäftsleitung,
Rivella, Rothrist
Zucker enthalten als diejenigen unserer
Hauptkonkurrenten. Unser Wachstum
ist aber vor allem innovationsgetrieben.
Vor zwei Jahren lancierten wir die Submarke Cliq mit Pfirsich und Rhabarber,
letztes Jahr überarbeiteten wir Rivella
Grün, das neu Rivella Grüntee heisst.
Nun wollen wir mit der Gesamtmarke
wachsen. Dabei ist das Redesign ein
wichtiger Teil des Ganzen, denn wie eine
Marke daherkommt, ist elementar. Zusätzlich dazu wird es jedoch auch eine
neue Kommunikationskampagne geben,
die die Leute emotional ansprechen soll.
Wie teuer war das Rebranding?
Das darf ich nicht verraten, aber die Kosten sind erheblich. Es ging ja nicht nur
darum, einen neuen Designer zu engagieren, es brauchte auch neue Blasformen für die PET-Flaschen, neue Etikettiermaschinen, neue Glasflaschen und
einen neuen Harassenpark. Zudem wird
Weshalb haben Sie Yves Béhar mit der
Konzeption und Umsetzung beauftragt?
Ich hatte in der Vergangenheit bereits
Kontakt mit Fuse Project und nur positive Erfahrungen gemacht. Wir haben
uns verschiedene nationale und internationale Agenturen angeschaut. Dass
wir uns für Yves Béhar entschieden
haben, lag an drei Faktoren. Erstens
versteht er es, Traditionsmarken so zu
modernisieren, dass man sie wieder
erkennt. Das hat man am Case von Nivea
gesehen. Zweitens vereint Fuse Project
Industriedesign mit grafischem Design
auf einzigartige Weise. Drittens hat Yves
Béhar einen Link zur Schweiz. Er versteht das Land, die Marke, die Heritage.
Das gab für uns den Ausschlag.
Welche Ziele verfolgt Rivella dieses Jahr?
Unser Relaunch umfasst neben dem
neuen Design auch eine neue Werbekampagne. Diesen gut umzusetzen, ist
das Hauptziel. In der Kommunikation
werden neue Dinge ausprobiert, die
digitalen Kanäle werden wichtiger.
Und während die meisten unserer
Mitbewerber versuchen, ihre Marktanteile zu halten, will Rivella in Zukunft
ganz klar wachsen.
INTERVIEW: DENISE WEISFLOG
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
23
SPECIAL MARKETING
Markenführung Glaubwürdigkeit führt zum
Erfolg – jedoch nur, wenn sie gut designt ist.
OSCAR TODESCHINI
M
itarbeitende, Produkte,
Services, Kunden, Marketing, Kommunikation –
die Wahrnehmung einer
Marke wird heute durch
eine Vielzahl von Faktoren geprägt. Alles
rückt näher zusammen, ist dichter getaktet
und weltweit für jedermann mit Internetanschluss zugänglich. Mit dieser zunehmenden Dichte kommt der Markenführung
eine neue Bedeutung zu. Die Feinabstimmung der Signale, die sie aussendet, wird
immer wichtiger. Und komplexer.
Bis weit in die 1990er-Jahre hinein war in
Unternehmen von Branding noch wenig die
Rede. Das Schlagwort lautete Corporate
Identity, kurz CI. In der Theorie verstand
man darunter die Synchronisierung von
Erscheinungsbild, Kommunikation, Verhalten und Kultur des Unternehmens. In der
Praxis lag der Schwerpunkt eines CI-Projekts jedoch meistens auf dem CD, also
dem Corporate Design, sprich dem Erscheinungsbild des Unternehmens. Ein Hauptgrund dafür war, dass sehr viele Disziplinen
in unterschiedlichsten Verantwortungsbereichen zu orchestrieren waren. Ein «echtes» CI-Projekt war weitgreifend und musste
ganz oben angesiedelt sein, was wiederum
voraussetzte, dass sich das Management der
Bedeutung von Corporate Identity bewusst
war. Doch das war nur selten der Fall und
entsprechend fehlten oft auch das nötige
Fachwissen und die Ressourcen in der Organisation. So kam es, dass man gerne von CI
sprach, damit aber häufig das CD meinte –
und dies zuweilen heute noch tut.
Jeder Touchpoint prägt das Markenbild
Um die Jahrtausendwende herum begann der Begriff Corporate Branding den
Begriff Corporate Identity abzulösen. Damit
verbunden war eine Veränderung des Verständnisses und des Herangehens an die
Thematik. Corporate Identity war ein eher
24
HANDELSZEITUNG | Nr. 5 | 2016
nüchtern-funktionales Konzept, das sich in
der Praxis primär an der rigiden Durchsetzung der definierten Designrichtlinien orientierte. Corporate Branding dagegen hat
sich zu einem Ansatz entwickelt, der die
ganzheitliche Gestaltung der Beziehung
zwischen Unternehmen und ihren Stakeholdern zum Ziel hat. Die Marke ist dabei
nicht mehr nur ein Puzzleteil, sondern
Marke und Unternehmen sind das Puzzle,
in dem alles ineinandergreift: Unternehmensstrategie, Markenpositionierung und
-identität, Kultur und Verhalten, Design und
Kommunikation.
Mit diesem neuen Verständnis ist auch
die Markenführung in Unternehmen anspruchsvoller geworden – sie ist heute eine
zentrale Aufgabe der Geschäftsführung. Es
gilt, eine langfristige Optik einzunehmen
und sich gleichzeitig kurzfristig und kreativ
in der Gegenwart zu behaupten. Dies mittels einer Vielzahl von Touchpoints, die man
steuern muss, die aber im Gegensatz zu
SNK
Damit Brands
besser werden
Agentur Die 1996 in Basel gegründete SNK Identities mit Hauptsitz
in Zürich ist eine der führenden
Branding-Agenturen der Schweiz.
Das Credo lautet: «Wir sind überzeugt, dass Marken besser werden,
wenn sie das kreative und intelligente Zusammenspiel von Purpose, Design, Kommunikation und
Leadership verstehen und für sich
nutzen. Mit dieser Haltung begleiten und unterstützen wir Unternehmen dabei, ihre Marken besser zu
machen und so langfristig erfolgreicher zu werden.» Oder zusammengefasst: «Be a better Brand.»
ENNIO LEANZA/KEYSTONE
Branding im
Dichtestress
früher – soziale Medien lassen grüssen – nur
noch bedingt unter der eigenen Kontrolle
stehen. Jeder dieser Berührungspunkte
prägt das Markenbild direkt oder indirekt.
Deshalb sollten alle Touchpoints inhaltlich,
konzeptionell und formal konsistent und
auf die langfristigen Ziele abgestimmt sein.
Gleichzeitig muss stets genügend Freiraum
für die alltägliche «Bespielung» der Marke
gewährleistet sein. Eine schwierige Balance.
Lange hiess das Patentrezept dafür Einheitlichkeit im Erscheinungsbild, heute ist eher
Einheitlichkeit in der Haltung gefragt. Eine
flexible medien- sowie kanalgerechte Interpretation der Marke ist zwingend geworden.
Zahlreiche kleine wie grosse Marken
umgeben sich bereits mit einem attraktiven
Markenkleid und sind durchaus schön anzuschauen. Doch bei näherer Auseinandersetzung stellt man fest, wie oberflächlich
und blutleer viele von ihnen inhaltlich sind.
Oder auch, wie gross der Gap ist zwischen
Versprechen und Realität. Dabei sind die
Inhalte für den Erfolg einer Marke mehr und
mehr von essenzieller Bedeutung. Denn die
Kunden haben längst gemerkt, dass nicht
alles Gold ist, was glänzt. Sie sind anspruchsvoller und kritischer geworden, sie können
sich schnell und einfach Informationen
beschaffen, sie vergleichen und tauschen
sich untereinander aus – weltweit.
Via soziale Medien verbreiten sich gute
wie auch schlechte Informationen sofort.
Die Konsequenz: Wer als Marke nicht das
tut, was er verspricht, hat ein Problem. Da
nützt kein noch so schöner grüner, roter
oder andersfarbiger Anstrich. Konsequentes, ehrliches Engagement für etwas Grösseres ist gefragt. Denn das ist es, was Kunden
und Mitarbeitende vermehrt suchen: Unternehmen und Marken, die für etwas stehen,
an etwas glauben und die Sinn stiften. Marken, die nicht nur (mehr und mehr austauschbare) Produkte und Dienstleistungen
verkaufen, sondern Identifikationsmöglichkeiten mit gemeinsamen Zielen, Wertvorstellungen und Ansichten anbieten. Damit
SPECIAL MARKETING
Street Parade: Mit
der zunehmenden
Dichte kommt der
Markenführung eine
neue Bedeutung zu.
ist das Unternehmen in der Pflicht, es muss
Verantwortung übernehmen – und die Marke ist die Projektionsfläche dafür.
Grosse Chance für kleine Unternehmen
Die Basis für sinnstiftende Marken bilden mehr denn je eine klare Positionierung
und eine starke Vision, die gleichzeitig zieht
und treibt. Doch damit tun sich die Unternehmen schwer. Viele Visionen lassen einen
visionären Charakter vermissen und beschreiben lediglich (mehr oder weniger
prägnant) unternehmensstrategische Ziele.
Allzu häufig werden Vision und Positionierung kurzfristigen markt- oder unternehmensinternen Gegebenheiten angepasst.
Dabei gehören diese markenstrategischen
Grundlagen eigentlich in einen Safe, zu dem
nur der Verwaltungsrat Zugang hat. Er muss
den Inhalt beschützen und die Marke gegen
kurzfristige Begehrlichkeiten verteidigen.
CEO kommen und gehen, die Marke bleibt.
Selbstverständlich: Man muss die Marke
aktualisieren und neu interpretieren dürfen,
denn auch die Welt, die Wertvorstellungen
und das Wettbewerbsumfeld verändern sich
unentwegt. Für diese Aktualisierung ist das
Management verantwortlich. Doch die Ent-
Positionierung, Vision
und Marke gehören in einen
Safe, zu dem nur der
Verwaltungsrat Zugang hat.
scheidungshoheit muss beim Verwaltungsrat liegen. Die Grundpfeiler der Marke dürfen nicht leichtfertig angetastet werden.
Die Markendichte erhöht sich stetig – sowohl gefühlt als auch real. Jedes Jahr werden
Tausende neue Marken registriert und lanciert. In diesem intensiven Wettbewerbsumfeld und bei den oben beschriebenen
Entwicklungen reichen oberflächliche Differenzierungsansätze nicht mehr aus. Und
einfach an der Lautstärke zu drehen und die
Marktpräsenz zu verstärken, wird ebenfalls
nicht mehr zu nachhaltigem Erfolg führen.
Vielmehr gilt es, bewusster und selektiver
zu agieren – weniger tun, dies aber richtig
und im Einklang mit der Marke. Gerade hier
liegt die Chance für kleine Unternehmen
mit begrenzten Investitionsmöglichkeiten.
Wer eine gute Idee mit einer glaubwürdigen
und relevanten Markenstrategie verbindet,
wer diese stringent umsetzt und eine konsistente Erlebbarkeit über alle Touchpoints
gewährleistet, wird positiv wahrgenommen.
Auch im Zeitalter von Globalisierung und
Digitalisierung. So gesehen ist Branding im
heutigen Dichtestress wiederum einfach.
Aber es bedingt in jedem Fall ein hohes
Mass an Konsequenz und Ehrlichkeit – mit
sich selbst und seinen Stakeholdern.
Oscar Todeschini, Partner, SNK Identities, Zürich.
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SPECIAL MARKETING
NEWS
` MARKETING INSIGHT DES MONATS
` GfK AUDIENCE PROFILES
GfM lanciert neues Weiterbildungsformat
Online-Ads kontrollieren
Erklärvideo Neu präsentiert die Gesellschaft für Marketing (GfM) jeden
Monat online einen wichtigen Fachbegriff, der in einem animierten
Video in wenigen Minuten erklärt
wird. Dafür arbeitet die Referenz und
Plattform für marktorientierte Unternehmensführung mit dem Schweizer
Startup Explain-it in Forch ZH zusammen. Folgende Themen stehen
auf der Agenda für das erste Quartal:
«Marketing & Innovation» im Januar,
«Customer Experience» im Februar
und «Kernaufgaben des Marketings»
Analyse Mit Audience Profiles bietet das
Marktforschungsinstitut GfK den Unternehmen ein Tool an, mit dem man in Echtzeit die
soziodemografische Struktur der erreichten
Personen analysieren kann. Die wichtigsten
Key Performance Indicators (KPI) der Leistung werden dabei in einem Online-Dashboard optisch aufbereitet, sodass die Kampagne effizient auf einen Blick ausgewertet
werden kann.
Neben der
Kontrolle
des Targeting
lassen sich
ebenso der
Reichweitenaufbau und
die Verteilung
der Durchschnittskontakte pro Format ausweisen. Diese Analysestufe ist für die Kampagnenbeurteilung unerlässlich und trägt nicht zuletzt
auch zur Kampagnenoptimierung bei, da für
jede Platzierung sichtbar wird, wie viele Kontakte angefallen sind. Mit Delivery Control,
einem Zusatzmodul von Audience Profiles,
kann man fast in Echtzeit verfolgen, wie viele
Prozent der ausgelieferten Ad Impressions
je Platzierung tatsächlich sichtbar waren.
Darüber hinaus wird angezeigt, wie lange
eine Anzeige durchschnittlich sichtbar war.
im März. Das Weiterbildungsformat
ist im Web unter folgendem Link zu
finden: www.gfm.ch/de/forschung/
marketing-insight-des-monats.
` GfM MARKETING-TREND-TAGUNG
Schlüsselfaktoren für Unternehmenserfolg
Treffpunkt Die 26. GfM MarketingTrend-Tagung am 16. März 2016 von
9 bis 17 Uhr im Hotel The Dolder
Grand in Zürich dreht sich um «Marketing & Innovation», so lautet das
neue Jahresmotto der Gesellschaft
für Marketing (GfM). Dabei sollen
Schlüsselfaktoren für den Unternehmenserfolg ergründet werden. Auf
der Bühne präsentierne dies unter
anderem Torsten Tomczak (HSG),
Erich Joachimsthaler (Vivaldi Partners), Rasoul Jalali (Uber), Monica
Glisenti (Migros), Jean-Marie Dru
(TBWA\) oder Caspar Coppetti (On).
Die Tagungsgebühr inklusive Getränke, Lunch und Apéro beträgt 690
Franken für GfM-Mitglieder und 890
Franken für Nichtmitglieder. Link:
marketing-trend-tagung.ch.
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