Dr. Simon Schären Geplante Neuregelung des Vertriebs kollektiver Kapitalanlagen Neudefinition des Begriffs der öffentlichen Werbung und Einschränkung von Privatplatzierungen Eine laufende Teilrevision des Kollektivanlagengesetzes (KAG) steht im Zeichen der Anpassung des schweizerischen Kollektivanlagenrechts an den Stand aktueller internationaler Regulierung. Im Vordergrund steht dabei die Herstellung der Kompatibilität des KAG mit der im EU-Raum neu geschaffenen AIFM-Richtlinie, die sich an Verwalter alternativer Anlagen richtet. In der juristischen und politischen Diskussion wenig beachtet, aber nicht von geringerer Relevanz sind indessen auch die Reformen, die der gegenwärtige Entwurf im Bereich der öffentlichen Werbung und dem Vertrieb ausländischer kollektiver Kapitalanlagen in oder von der Schweiz aus mit sich bringt. Rechtsgebiet(e): Bankrecht; Kapitalmarktrecht; Beiträge Zitiervorschlag: Simon Schären, Geplante Neuregelung des Vertriebs kollektiver Kapitalanlagen, in: Jusletter 5. März 2012 ISSN 1424-7410, www.jusletter.ch, Weblaw AG, [email protected], T +41 31 380 57 77 Simon Schären, Geplante Neuregelung des Vertriebs kollektiver Kapitalanlagen, in: Jusletter 5. März 2012 Inhaltsübersicht I. Einleitung und Hintergrund II. Von der «öffentlichen Werbung» zum «Vertrieb» 1. Funktion und Begriff der öffentlichen Werbung im KAG 1.1.Ausgangslage 1.2.Werbung 1.3.Öffentlichkeit 1.4. Funktion der öffentlichen Werbung de lege lata 2. Neueinführung des Begriffs «Vertrieb» 2.1. Begriff des Vertriebs 2.2. Vertrieb an qualifizierte Anleger III. Vertrieb ausländischer kollektiver Kapitalanlagen an qualifizierte Anleger 1. Regulatorischer Rahmen de lege lata 2. Geplante Neuerungen 3. Analyse und Würdigung IV. Fazit und Ausblick I. Teilrevision steht aus den genannten Gründen daher die Einführung einer Bewilligungspflicht für Vermögensverwalter ausländischer und schweizerischer kollektiver Kapitalanlagen (Art. 13 Abs. 2 lit. f E-KAG). Im Gegensatz dazu sieht das geltende Recht in Art. 13 Abs. 4 KAG lediglich eine freiwillige Unterstellungsmöglichkeit für Vermögensverwalter ausländischer kollektiver Kapitalanlagen vor. Die materielle Gleichwertigkeit der Bewilligungsvoraussetzungen und übrigen Aufsichtsvorschriften mit den Bestimmungen der AIFMRL wird sodann vorwiegend auf der Stufe der Kollektivanlageverordnung (KKV7) sicherzustellen sein. [Rz 2] Obgleich die Teilrevision offensichtlich im Zeichen der Anpassung des KAG an die Anforderungen der AIFMRL und anderer «internationaler Standards» steht, stellt der Gesetzesentwurf in Wahrheit zusätzlich auch eine grundlegende Revision des Vertriebskonzepts des schweizerischen Kollektivanlagenrechts dar8. Wie im vorliegenden Beitrag im Detail darzulegen sein wird, soll nach dem Gesetzesentwurf nicht nur der Begriff der öffentlichen Werbung im Allgemeinen, sondern auch das Regime zum Vertrieb von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen an qualifizierte Anleger neu geordnet werden. Dieser Ansatz erstaunt, da die Regeln des Vertriebs von kollektiven Kapitalanlagen in der Schweiz oder von der Schweiz aus keinen direkten Zusammenhang zur AIFM-RL oder sonstigen neuartigen «internationalen Standards» haben, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG am 1. Januar 2007 nicht schon existiert hätten. Wie noch zu zeigen sein wird, kommen die vorgeschlagenen Änderungen des Vertriebsregimes zudem in materieller Hinsicht einem kollektivanlagenrechtlichen Systembruch gleich. Einleitung und Hintergrund [Rz 1] Am 6. Juli 2011 hat das eidgenössische Finanzdepartement (EFD) eine Vernehmlassung zur Teilrevision des Kollektivanlagengesetzes (KAG1) eröffnet, die bis zum 7. Oktober 2011 dauerte2. Die Teilrevision des noch jungen KAG erfolgt vor dem Hintergrund der Anpassung des schweizerischen Rechtsrahmens an die internationalen Entwicklungen im Bereich der Regulierung von kollektiven Kapitalanlagen. Dies gilt besonders mit Blick auf die inzwischen in Kraft getretene Richtlinie über Manager alternativer Anlagen (AIFM-RL3), deren Regelungsgegenstand die Verwalter von «alternative investment funds» (AIF) ist. Anpassungen des Rechtsrahmens drängten sich auf, weil die Schweiz – aus Sicht der EU ein Drittstaat – den Zugang zum europäischen Markt sicherstellen musste4. Dabei galt es in gesetzgebungstechnischer Hinsicht insbesondere zu gewährleisten, dass eine Delegation der Vermögensverwaltung von in der Europäischen Union (EU) domizilierten AIF an schweizerische Vermögensverwalter und Fondsleitungen nicht an einer aus europäischer Sicht inäquivalenten Aufsicht durch das schweizerische Recht scheiterte5. Weiter musste gewährleistet werden, dass in der Schweiz domizilierte oder verwaltete AIF in der EU vertrieben werden können6. Im Zentrum der 1 Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen vom 23. Juni 2006 (SR. 951.31). 2 Vgl. die Vernehmlassungsvorlage zur Teilrevision des Kollektivanlagengesetzes vom 6. Juli 2011 sowie den erläuternden Bericht des EFD vom 6. Juli 2011 zur Änderung des Kollektivanlagengesetzes (KAG), online: ‹http://www.efd.admin.ch/dokumentation/gesetzgebung/00571/02278/ index.html?lang=de›. Die Vernehmlassungsergebnisse sind am 11. Januar 2012 veröffentlicht worden und online abrufbar unter: ‹http://www.news. admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/25331.pdf›. 3 [Rz 3] Im vorliegenden Beitrag soll die geplante Neuordnung des Vertriebs kollektiver Kapitalanlagen im Einzelnen dargelegt und kritisch gewürdigt werden. Erläuterungsbericht (Fn 2), 8 ff. 5 Erläuterungsbericht (Fn 2), 9 ff. 6 Erläuterungsbericht (Fn 2), 8. Von der «öffentlichen Werbung» zum «Vertrieb» 1. Funktion und Begriff der öffentlichen Werbung im KAG 1.1.Ausgangslage [Rz 4] Dem Begriff der öffentlichen Werbung liegt gemäss Art. 3 Satz 1 KAG folgende Legaldefinition zugrunde: «Als öffentliche Werbung im Sinne dieses Gesetzes gilt Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 (ABl. L 174/1). 4 II. 2 7 Verordnung über die kollektiven Kapitalanlagen vom 22. November 2006 (SR. 951.311). 8 Vgl. zur Regulierung des Vertriebs kollektiver Kapitalanlagen gemäss KAG eingehend S imon S chären , Unterstellungsfragen im Rahmen der Genehmigungs- und Bewilligungspflicht gemäss Kollektivanlagengesetz, Diss. BE 2010 = Schweizer Schriften zum Finanzmarktrecht, Bd. 99, Zürich/Basel/ Genf 2011, 201 ff., 271 ff. Simon Schären, Geplante Neuregelung des Vertriebs kollektiver Kapitalanlagen, in: Jusletter 5. März 2012 jede Werbung, die sich an das Publikum richtet. Nicht als Werbung zu qualifizieren ist namentlich die von beaufsichtigten Finanzintermediären erstellte Publikation von Preisen, Kursen und Inventarwerten. Die Werbung gilt als nicht öffentlich, wenn sie sich ausschliesslich an qualifizierte Anleger gemäss Artikel 10 Absatz 3 richtet». Rechtsprechung kann sich die Werbung indessen entgegen der Auslegung der FINMA auch im nichtöffentlichen Bereich bewegen, wenn sie sich an einen eng begrenzten Kreis von (nichtqualifizierten) Anlegern richtet12. Der Anlegerkreis muss dabei sowohl (i) in qualitativer Hinsicht (der Anleger hat eine enge, vorbestehende Beziehung zum Emittenten oder zum Produkt) als auch (ii) in quantitativer Hinsicht begrenzt sein (geringe Anzahl von Adressaten). Umstritten ist, ob Art. 3 KAG Raum lässt für die Kontaktierung einer Höchstanlegerzahl im Rahmen einer sogenannten Safe Harbour Rule, wonach die Bewerbung einer geringen Zahl von Anlegern (z.B. 20 oder 100) in keinem Fall öffentliche Werbung darstellt13. [Rz 5] Der Begriff der öffentlichen Werbung gemäss obiger Legaldefinition zerfällt in die Tatbestandsmerkmale (i) Werbung und (ii) Öffentlichkeit, welche nachfolgend im Einzelnen erörtert werden. 1.2.Werbung 1.4. [Rz 6] Als Werbung wird dabei grundsätzlich jede Tätigkeit qualifiziert, die darauf abzielt, «direkt oder indirekt auf eine kollektive Kapitalanlage aufmerksam zu machen und diese abzusetzen und zu vertreiben.9» Keine Werbung in diesem Sinne liegt daher vor, wenn die Initiative zum Erwerb eines Anteils an einer kollektiven Kapitalanlage nicht vom Emittenten oder Vertriebsträger sondern vom Anleger selber ausgeht10. Funktion der öffentlichen Werbung de lege lata [Rz 10] Die öffentliche Werbung i.S.v. Art. 3 KAG stellt zunächst bei den Vertriebsträgern gemäss Art. 19 KAG ein Unterstellungskriterium dar, von dem die Bewilligungspflicht gemäss KAG abhängt14. Bei den internen Sondervermögen gemäss Art. 4 KAG stellt die öffentliche Werbung sodann ein Abgrenzungsmerkmal gegenüber den vertraglichen Anlagefonds (Art. 25 ff. KAG) dar15. Ausländische kollektive Kapitalanlagen i.S.v. Art. 119 KAG unterstehen dem KAG schliesslich nur, wenn dafür öffentliche Werbung gemacht wird (Art. 2 Abs. 4 KAG i.V.m. Art. 120 KAG). [Rz 7] Eine weitere Einschränkung des Anwendungsbereichs des Begriffs der Werbung ergibt sich schliesslich aus Art. 3 Satz 2 KAG, wonach die von beaufsichtigten Finanzintermediären erstellte Publikation von Preisen, Kursen und Inventarwerten nicht als Werbung zu qualifizieren ist. Die Publikation von Preisen, Kursen, Inventarwerten und Steuerdaten in den Medien von in der Schweiz nicht zum öffentlichen Vertrieb zugelassenen ausländischen kollektiven Kapitalanlagen stellt gemäss Art. 3 Abs. 2 KKV ebenfalls keine Werbung dar, sofern die Publikation keine Kontaktangaben enthält. [Rz 11] Keinen Einfluss auf die Genehmigungs- oder Bewilligungspflicht hat die öffentliche Werbung schliesslich bei den schweizerischen kollektiven Kapitalanlagen. Hier führt bereits das Verwalten oder Aufbewahren und nicht erst der Vertrieb zu einer Unterstellung unter das KAG16. 2. Neueinführung des Begriffs «Vertrieb» 1.3.Öffentlichkeit 2.1. [Rz 8] Werden ausschliesslich qualifizierte Anleger im Sinne von Art. 10 Abs. 3 KAG kontaktiert, liegt keine Öffentlichkeit vor (Art. 10 Abs. 3 Satz 3 KAG). Art. 3 der Kollektivanlagenverordnung (KKV) ergänzt die erwähnte Einschränkung indessen dahingehend, dass qualifizierte Anleger einzig mit den für diesen Markt üblichen Werbemitteln kontaktiert werden dürfen. Daher kommen als Werbemittel einzig die persönliche Kontaktaufnahme oder sogenannte «Road-shows» in Frage11. [Rz 12] Gemäss Art. 3 E-KAG soll der Tatbestand der öffentlichen Werbung neu ersetzt werden mit dem Begriff des Vertriebs. Konkret soll Art. Art. 3 E-KAG folgenden Wortlaut haben: «Als Vertrieb im Sinne dieses Gesetzes gilt jedes Anbieten von und Werben für kollektive Kapitalanlagen. Nicht als Vertrieb zu qualifizieren ist namentlich die [Rz 9] Die FINMA stellte sich in ihrem Rundschreiben 2008/8, öffentliche Werbung vom 20. November 2008, Rn. 9 auf den Standpunkt, Werbung im Sinne von Art. 3 KAG sei immer öffentlich, sofern nicht ausschliesslich qualifizierte Anleger kontaktiert werden. Nach neuester bundesgerichtlicher 9 R ené B ösch , Kommentar zu Art. 3 KAG, in Watter/Vogt/Bösch/Rayroux/ Winzeler (Hrsg.), Basler Kommentar zum Kollektivanlagengesetz, Basel 2009, N 12. 10 B ösch (Fn 9), N 13 zu Art. 3 KAG. 11 FINMA-Rundschreiben 2008/8 vom 20. November 2008, Rn. 10. Begriff des Vertriebs 3 12 BGE 137 II 284 ff., E. 5.3.1.; vgl. zum Urteil S imon S chären , Das Bundesgericht konkretisiert den Begriff der öffentlichen Werbung im Sinne des KAG, GesKR 2/2011, 267 ff. Bemerkenswert und rechtsstaatlich bedenklich ist, dass die FINMA das Rundschreiben 2008/8 (offenbar bewusst) bis heute nicht an die Vorgaben der erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung angepasst hat. 13 BSK KAG-B ösch (Fn 9), N 31 f. zu Art. 3 m.w.H. 14 S chären (Fn 8), 249, 291. 15 S chären (Fn 8), 249. 16 Dies ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 KAG und aus Art. 2 Abs. 4 KAG e contrario. Simon Schären, Geplante Neuregelung des Vertriebs kollektiver Kapitalanlagen, in: Jusletter 5. März 2012 Publikation durch beaufsichtigte Finanzintermediäre von Preisen, Kursen und Inventarwerten.» [Rz 15] Gemäss Art. 10 Abs. 4 E-KAG, Einleitungssatz, soll dem Bundesrat schliesslich die Kompetenz eingeräumt werden, die Eignung von Anlegern als qualifizierte Anleger auf dem Verordnungsweg von weiteren Voraussetzungen, wie namentlich der fachlichen Qualifikation, abhängig zu machen. Dies wird insbesondere damit begründet, dass bei der Kategorie der vermögenden Privatperson (Art. 10 Abs. 3 lit. e KAG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 KKV) das Abstellen auf die Vermögensverhältnisse allein (Finanzanlagen von 2 Mio. CHF) nicht überzeugend sei. Auch vermögende Privatpersonen würden nämlich häufig auf den Beizug eines Beraters verzichten, obwohl sie keine Fachkenntnisse im Hinblick auf eine bestimmte Geschäftsart besitzen22. Daher soll dem Bundesrat die Einführung weiterer Erfordernisse analog zum MiFID-Standard23 bzw. zur EU-Prospektrichtlinie24 ermöglicht werden25. [Rz 13] Gemäss Erläuterungsbericht gilt als Vertrieb «jedes Anbieten, d.h. das effektive Angebot zum Vertragsabschluss, als auch jedes Werben, d.h. die Verwendung von Werbemitteln jeder Art, deren Inhalt dazu dient, bestimmte Fonds anzubieten oder zu vertreiben.17» Mit der Neufassung von Art. 3 KAG sollte insbesondere der durch die erwähnte bundesgerichtliche Rechtsprechung geschaffene Spielraum zum nichtöffentlichen Anbieten von Anteilen an kollektiven Kapitalanlagen im Rahmen eines qualitativ und quantitativ begrenzten Anlegerkreises beseitigt werden18. Die Differenzierung zwischen öffentlicher und nichtöffentlicher Werbung soll demnach aufgegeben werden. De lege ferenda wäre also auch in Fällen von tatbestandsmässigem Vertrieb auszugehen, in denen eine begrenzte Zahl von Anlegern kontaktiert wird, die zudem eine besonders enge, vorbestehende Beziehung zum emittierten Produkt bzw. zum Emittenten aufweisen. Erst recht bliebe nach der Neufassung von Art. 3 KAG kein Raum mehr zur Annahme einer Safe Harbour Rule, wonach Angebote an z.B. 20 Anleger per se keinen Vertrieb darstellen19. Immerhin wird man auch im Rahmen des neuen Rechts voraussetzen dürfen, dass die fragliche Vertriebshandlung ein Angebot zum Vertragsschluss darstellt, was all jene Fälle ausschliesst, in denen die Initiative zum Vertragsschluss vom Anleger und nicht vom Vertriebsträger oder Emittenten ausgeht20. 2.2. III. Vertrieb ausländischer kollektiver Kapitalanlagen an qualifizierte Anleger 1. Regulatorischer Rahmen de lege lata [Rz 16] Ausländische kollektive Kapitalanlagen im Sinne von Art. 119 KAG zeichnen sich in räumlicher Hinsicht dadurch aus, dass sie sowohl Sitz und Hauptverwaltung im Ausland haben26. Wie oben bereits erwähnt wurde, ist der Begriff der kollektiven Kapitalanlage gemäss Art. 7 Abs. 1 KAG in sachlicher Hinsicht grundsätzlich auch massgebend für den Tatbestand der ausländischen kollektiven Kapitalanlage gemäss Art. 119 KAG27. Die erörterten Tatbestandsmerkmale (i) Vermögen, (ii) Kapitalanlage, (iii) Gemeinschaftlichkeit der Anlagetätigkeit, (iv) Fremdverwaltung und (v) gleichmässige Befriedigung der Anlegerbedürfnisse sind demnach auch bei einer ausländischen kollektiven Kapitalanlage vorauszusetzen. Vertrieb an qualifizierte Anleger [Rz 14] Nach der Neufassung von Art. 3 E-KAG soll Satz 3 von Art. 3 KAG gestrichen werden, wonach Werbung an qualifizierte Anleger per se nicht den Tatbestand der öffentlichen Werbung erfüllt. Neu stellt grundsätzlich auch der exklusive Vertrieb an qualifizierte Anleger einen tatbestandsmässigen Vertrieb dar. Einschränkungen enthält der Entwurf immerhin für den Vertrieb strukturierter Produkte i.S.v. Art. 5 KAG und den Vertrieb ausländischer kollektiver Kapitalanlagen gemäss Art. 119 KAG. Beim exklusiven Vertrieb strukturierter Produkte an qualifizierte Anleger entfällt die Prospektpflicht und das Produkt muss auch nicht zwingend von einem regulierten Finanzintermediär ausgegeben, garantiert oder vertrieben werden (Art. 5 Abs. 1 E-KAG e contrario). Der Vertrieb ausländischer kollektiver Kapitalanlagen führt sodann nicht zu einer Genehmigungspflicht, sondern einzig zur Pflicht, einen Vertreter in der Schweiz zu bestellen (Art. 120 Abs. 1 E-KAG e contrario und Art. 123 Abs. 1 lit. b E-KAG)21. [Rz 17] Im Gegensatz zu den schweizerischen kollektiven Kapitalanlagen gibt das KAG indessen die Organisationsform für ausländische kollektive Kapitalanlagen nicht explizit vor. Genehmigungsfähig sind gemäss Art. 119 Abs. 1 KAG zunächst offene kollektive Kapitalanlagen in vertragsrechtlicher (lit. a) bzw. gesellschaftsrechtlicher Ausgestaltung (lit. b). Gemäss Art. 119 Abs. 2 KAG sind sodann auch geschlossene kollektive Kapitalanlagen genehmigungsfähig, wobei 22 Erläuterungsbericht (Fn 2), 18. 23 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente (ABl. L 145). 24 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist (ABl. L 345). 17 Erläuterungsbericht (Fn 2), 17. 18 Erläuterungsbericht (Fn 2), 13; vgl. zur entsprechenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung oben, II.1.3. 19 Vgl. dazu oben, II.1.3. 25 Erläuterungsbericht (Fn 2), 18. 20 Vgl. zur diesbezüglichen Rechtslage de lege lata oben, II.1.2. 26 S chären (Fn 8), 48 ff., 51 21 Vgl. zur Pflicht zur Bestellung eines Vertreters unten, 2 und 3. 27 S chären (Fn 8), 206 ff. 4 Simon Schären, Geplante Neuregelung des Vertriebs kollektiver Kapitalanlagen, in: Jusletter 5. März 2012 der Gesetzeswortlaut hier ausschliesslich gesellschaftsrechtliche Formen erwähnt28. Bei offenen ausländischen kollektiven Kapitalanlagen im Sinne von Art. 119 Abs. 1 lit. a und b KAG muss grundsätzlich analog zu Art. 8 Abs. 2 KAG ein jederzeitiges Recht auf Rückgabe der Anteile bestehen29. Dies gilt auch im Rahmen der vertraglichen Variante der offenen kollektiven Kapitalanlage, obwohl der Wortlaut von Art. 119 Abs. 1 lit. a KAG das jederzeitige Rückgaberecht nicht erwähnt30. [Rz 21] Die Pflicht zur Bestellung eines Vertreters soll gewährleisten, dass auch qualifizierte Anleger in der Schweiz eine Kontaktstelle haben33. [Rz 22] Im Gegensatz zum geltenden Recht muss der Vertreter ausländischer kollektiver Kapitalanlagen nach der Vernehmlassungsvorlage nachweisen, dass «die Vermögensverwaltung und die Verwahrung hinsichtlich Organisation und Anlegerrechte den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechen» (Art. 124 Abs. 3 lit. a E-KAG). Ausserdem muss der Vertreter gewährleisten, dass die Bezeichnung der ausländischen kollektiven Kapitalanlage nicht zu Täuschung oder Verwechslung Anlass geben (Art. 124 Abs. 3 lit. b EKAG). Gemäss Begleitbericht rechtfertige eine Übertragung dieser Aufgaben an einen Vertreter, dass beim Vertrieb ausländischer kollektiver Kapitalanlagen an qualifizierte Anleger auf eine Genehmigungspflicht verzichtet werden könne34. [Rz 18] De lege lata sind ausländische kollektive Kapitalanlagen nur genehmigungspflichtig, wenn sie in oder von der Schweiz aus öffentlich vertrieben werden (Art. 2 Abs. 4 i.V.m. Art. 120 Abs. 1 KAG). Massgebend ist der Begriff der öffentlichen Werbung gemäss Art. 3 KAG. Private Placements, die sich ausschliesslich an qualifizierte Anleger gemäss Art. 10 Abs. 3 KAG richten, sind gemäss schweizerischem Recht demnach ohne Beachtung regulatorischer Anforderungen möglich31. 2. [Rz 23] Zu beachten ist schliesslich, dass der Vertrieb ausländischer kollektiver Kapitalanlagen an qualifizierte Anleger gemäss E-KAG zusätzlich dadurch eingeschränkt werden soll, dass Anleger, die mit einem regulierten Finanzintermediär einen schriftlichen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen haben (Art. 10 Abs. 3 lit. f KAG), künftig nicht mehr als qualifizierte Anleger gelten. Diese Einschränkung des Begriffs des qualifizierten Anlegers wird damit begründet, dass eine Ausnahme für Anleger, die mit einem Finanzintermediär einen schriftlichen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen haben, nicht mehr internationalem Standard entspreche35. Geplante Neuerungen [Rz 19] Als zentrale Neuerung im Zusammenhang mit dem Vertrieb kollektiver Kapitalanlagen an qualifizierte Anleger ist zunächst erneut darauf hinzuweisen, dass der Begriff der öffentlichen Werbung gemäss Art. 3 E-KAG durch den Begriff des Vertriebs ersetzt wird, wodurch die Möglichkeit eines genehmigungsfreien Private Placements an einen qualitativ und quantitativ «begrenzten Kreis» entfällt32. [Rz 20] Obgleich der Begriff des Vertriebs gemäss Art. 3 EKAG grundsätzlich auch den Vertrieb an qualifizierte Anleger umfasst, besteht eine Genehmigungspflicht auch nach der Revisionsvorlage einzig beim Vertrieb an Publikumsanleger (Art. 120 Abs. 1 E-KAG e contrario). Demgegenüber stellt der E-KAG folgende Erfordernisse auf, die auch beim exklusiven Vertrieb kollektiver Kapitalanlagen an qualifizierte Anleger gelten. Ausländische kollektive Kapitalanlagen dürfen in der Schweiz oder von der Schweiz aus gemäss Art. 123 Abs. 1 E-KAG nur vertrieben werden, sofern: 3. Analyse und Würdigung [Rz 24] Nach den Ausführungen im Begleitbericht sollen die Pflichten des Vertreters gemäss Art. 124 Abs. 3 E-KAG eine Art Ersatz für die Genehmigungsvoraussetzungen gemäss Art. 120 KAG darstellen, die beim Vertrieb ausländischer kollektiver Kapitalanlagen an qualifizierte Anleger nicht zur Anwendung kommen36. Im Vordergrund steht dabei der Nachweis, dass die Vermögensverwaltung und die Verwahrung hinsichtlich Organisation und Anlegerrechte den Bestimmungen des KAG entsprechen (Art. 124 Abs. 3 lit. a E-KAG). Dieses Erfordernis entspricht exakt Art. 120 Abs. 2 lit. b KAG, der Teil der Genehmigungsvoraussetzungen beim öffentlichen Vertrieb von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen bildet. Entsprechend wird Art. 124 Abs. 3 lit. a EKAG auch analog zu Art. 124 Abs. 2 lit. b KAG auszulegen sein37. Der Nachweis, dass die Vermögensverwaltung und • eine Vereinbarung über Zusammenarbeit und Informationsaustausch zwischen der FINMA und sämtlichen relevanten ausländischen Aufsichtsbehörden besteht (lit. a); und • die Fondsleitung bzw. die Gesellschaft vorgängig einen Vertreter beauftragt haben (lit. b). Die Zulässigkeit von vertragsrechtlichen Formen ist in der Lehre umstritten: Befürwortend S tephanie C omtesse /J oel F ischer /E ric S tupp, Kommentar zu Art. 119 KAG, in Watter/Vogt/Bösch/Rayroux/Winzeler (Hrsg.), Basler Kommentar zum Kollektivanlagengesetz, Basel 2009, N 63 f.; ablehnend S chären (Fn 8), 220 f. 33 Erläuterungsbericht (Fn 2), 29. 34 Erläuterungsbericht (Fn 2), 29. 35 29 BSK KAG-C omtesse /F ischer /S tupp (Fn 28), N 47 ff. zu Art. 119. Erläuterungsbericht (Fn 2), 18. 36 30 BSK KAG-C omtesse /F ischer /S tupp (Fn 28), N 39 zu Art. 119. Erläuterungsbericht (Fn 2), 29. 37 31 Art. 2 Abs. 4 KAG e contrario. 32 Vgl. dazu oben, II.1.3. FINMA-Wegleitung für die Gesuche betreffend die Genehmigung der massgebenden Dokumente ausländischer kollektiver Kapitalanlagen, die nicht EU-kompatibel sind, und die Änderungen der massgebenden Dokumente 28 5 Simon Schären, Geplante Neuregelung des Vertriebs kollektiver Kapitalanlagen, in: Jusletter 5. März 2012 die Verwahrung hinsichtlich Organisation und Anlegerrechte den Bestimmungen des KAG entsprechen, wird indessen kaum gelingen, wenn die ausländische kollektive Kapitalanlage in ihrem Sitzstaat gar nicht reguliert ist und keinerlei Anlegerschutzbestimmungen bestehen. Insbesondere könnten kollektive Kapitalanlagen aus Offshore-Zentren wie den Cayman Islands etc. in der Schweiz im Gegensatz zum geltenden Recht auch nicht mehr im Rahmen eines Private Placements vertrieben werden, das sich explizit an qualifizierte Anleger richtet. [Rz 25] Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Vertrieb von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen an qualifizierte Anleger faktisch nur noch zulässig wäre, wenn im entsprechenden Sitzstaat eine mit dem KAG-Standard vergleichbare Regulierung bestände. Dies käme allerdings einer Abschaffung des Private Placements ausländischer kollektiver Kapitalanagen im Rahmen des KAG gleich. IV. Fazit und Ausblick [Rz 26] Obgleich die laufende Teilrevision überwiegend vor dem Hintergrund der Anpassungen des KAG an die AIFM-RL und den damit einhergehenden Regulierungen im Bereich der Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen betrachtet und gewürdigt wird, enthält der E-KAG darüber hinaus eine weitgehende Neuordnung der Vertriebsregeln, die mit bewährten Prinzipien des Kollektivanlagenrechts bricht. Zum einen soll der Begriff der öffentlichen Werbung gemäss Art. 3 KAG durch den – viel weiteren – Begriff des Vertriebs ersetzt werden und zum anderen soll der Vertrieb ausländischer kollektiver Kapitalanlagen an ausschliesslich qualifizierte Anleger reguliert werden. Sollte der Gesetzesentwurf in der aktuellen Form Gesetz werden, würden Private Placements von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen, wie sie heute im Rahmen des geltenden Rechts üblich sind, faktisch verunmöglicht. Es bleibt daher zu hoffen, dass die bundesrätliche Botschaft, die bald erscheinen soll, einige Verbesserungen mit sich bringen wird. Dr. iur. Simon Schären ist Rechtsanwalt/Associate bei Homburger AG, Zürich ([email protected]). * * * ausländischer kollektiver Kapitalanlagen, Ausgabe vom 17. Januar 2012, 6 ff. (‹http://www.finma.ch/d/beaufsichtigte/kapitalanlagen/Documents/ wl-non-ucits-d.pdf›). 6