1 Fall 4 Fall 4 (BGH GRUR 2007, 247 – Regenwaldprojekt I) Bei B handelt es sich um eine Brauerei, die von April bis Juli 2002 mit dem sog. „Krombacher Regenwaldprojekt" warb. In verschiedenen Werbesendungen, vor allem aber auch im nachfolgend abgedruckten Werbezettel verwendete sie dabei folgenden Text: „Schützen Sie 1 m² Regenwald. Die Krombacher Regenwald-Aktion läuft vom 01.05. bis 31.07.2002. In diesem Zeitraum wird mit jedem gekauften Kasten Krombacher 1 m² Regenwald in Dzanga Sangha nachhaltig geschützt. Dies stellt der WWF Deutschland sicher." K, eine konkurrierende Brauerei, stört sich an dieser Kampagne und hat beim örtlich zuständigen Landgericht eine einstweilige Verfügung beantragt. Mit Aussicht auf Erfolg? 2 3 Auszug aus der ZPO § 935 Einstweilige Verfügung bezüglich Streitgegenstand Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. § 940 Einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. 4 Lösungsskizze Fall 4 (1) Der Antrag des K auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO ist erfolgreich, wenn er zulässig und begründet ist. 1. Zulässigkeit a) Zuständigkeit nach §§ 13 f. UWG (+) b) Behauptung eines Verfügungsanspruchs K macht hier einen Anspruch gegen B geltend, der aus § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 3, 4 Nr. 1 UWG begründet sein könnte. c) Verfügungsgrund Eilbedürftigkeit: wird nach § 12 Abs. 2 UWG widerleglich vermutet. 2. Begründetheit Anspruch der K gegen B aus § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 3, 4 Nr. 1 UWG. a) Aktivlegitimation der B aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. b) Geschäftliche Handlung nach §§ 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG? 5 Lösungsskizze Fall 4 (2) b) Geschäftliche Handlung (Fortsetzung) Marktbezogenheit der Handlung oder Umweltengagement? Trotz der Staatszielbestimmung in Art. 20a GG, steht objektiv der Warenabsatz von B im Vordergrund. Beachte nämlich das von B hergestellte Junktim zwischen Warenbezug und Umweltschutz. 3. Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 UWG Problem: Eignung der geschäftlichen Handlung, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher durch unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen. Frage: Was ist unsachlicher Einfluss iSd. Norm? Systematisches Argument aus § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG = Fähigkeit des Verbrauchers zur informierten Entscheidung. Zweck des UWG als Marktordnungsrecht, dass sich der Wettbewerb an Leistungsmerkmalen orientieren soll. 6 Lösungsskizze Fall 4 (3) (b) Problem: Was ist unangemessen? Systematik des § 4 Nr. 1 UWG: Regelbeispiele Druck und auf menschenverachtende Weise usw. => Beim Verbraucher müssen die irrationalen Beweggründe (Angst, Verachtung) in ganz erheblicher Weise angestachelt werden. Beachte vor allem das Spürbarkeitserfordernis des § 3 Abs. 1 UWG. Es geht Erwägungsgrund auf 6 das zurück Erheblichkeisprinzip und kommt in als Wesentlichkeitskrtierium in Art. 5 Abs. 1 lit. b UGPRichtlinie vor. Anwendung auf den Fall: (1) Auch hier sollen sachfremde Momente (Umweltschutz) die Nachfrageentscheidung beeinflussen. Damit Entscheidung Verbrauchers von des wird die typischen Leistungskriterien wie Preis, Qualität usw. abgelenkt. (2) Diese sind aber wohl nicht unangemessen; denn sie erreichen nicht die Intensität der in § 4 Nr. 1 UWG genannten Regelbeispiele und sind nicht spürbar iSd. § 3 Abs. 1 UWG bei richtlinienkonformer Auslegung. 7 Lösungsskizze Fall 4 (4) (3) BGH Tz. 21: Ist den Fällen der grundsätzliche erlaubten Wertreklame vergleichbar (Werbung durch Zugabe einer Nebensache zu einer Hauptsache). Statt einer weiteren Nebensache gewährt der Unternehmer eine Leistung als Sponsor. Dies ist prinzipiell nicht untersagt, soweit die Grenze zu einer Manipulation der Verbraucher nicht überschritten ist. (4) Problem: Muss der Unternehmer den Verbrauchern mitteilen, in welcher Weise er sein Umweltsponsoring erbringt? (a) BGH Rn. 22 ff: Das UWG kennt kein allgemeines Transparenzgebot, sondern allenfalls das Irreführungsverbot des § 5 UWG als Grenze. Dieses ist etwa erreicht, wenn B überhaupt nicht einschlägig tätig wird. Unterhalb dieser Schwelle muss B aber nicht seine Vorgehensweise offenbaren. (b) Eigene Auffassung: Für dies Betrachtungsweise spricht wieder das Spürbarkeits- bzw- Erheblichkeitserfordernis des § 3 Abs. 1 UWG bei richtlinienkonformer Auslegung. B kommuniziert mit den Verbrauchern im Wege der Werbung. Dies bedeutet stets eine vergröbernde Darstellungsart, bei der Details nicht mitgeteilt werden können. Werbung ist kein Verkaufsprospekt iSd. Kapitalmarktrechts! 8 Lösungsskizze Fall 4 (5) (5) Zwischenergebnis: Der Grad der Beeinflussung erreicht die in § 4 Nr. 1 UWG vorausgesetzte Schwelle nicht. 4. Ergebnis: Der Anspruch besteht nicht. 9 Fall 5 (BGH WRP 2014, 164 – Runes of Magic I). Bei K handelt es sich um eine qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG. Sie geht gegen den Provider B vor, der ein Online-Fanatasierollenspiel im Internet unter der Bezeichnung „Runes of Magic“ betreibt. Während die Software zur Spielteilnahme von den Spielern kostenlos heruntergeladen werden kann, zahlen diese für die Ausstattung ihrer Spielfiguren. Dabei wirbt B wie folgt: „Pimp deinen Charakter-Woche Ist Dein Charakter bereit für kommende Abenteuer und entsprechend gerüstet? Es warten tausende von Gefahren in der weiten Welt von Taborea auf Dich und Deinen Charakter. Ohne die entsprechende Vorbereitung kann die nächste Ecke im Dungeon der letzte Schritt gewesen sein! Diese Woche hast Du erneut die Chance Deinen Charakter aufzumotzen! Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung&Waffen das gewisse ‚Etwas’! Vom Montag, den 20. April 17:00 bis Freitag, den 24. April 17:00 hat du die Chance, Deinen Charakter aufzuwerten!“ Die unterstrichene Zeile ist mit einem Link unterlegt. Wird dieser betätigt, gelangt der Nutzer zu einer Seite, auf der die Ausrüstungsgegenstände und die für diese geforderten Preise gelistet sind. Hier kann auch der Bestellvorgang eingeleitet werden. K verlangt von B Unterlassung dieser Werbung. Zu Recht? 10 Fall 5 (1) I. Unterlassungsanspruch K gegen B aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 3 iVm. Nr. 28 SL UWG, § 4 Nr. 2 UWG. 1. Aktivlegitimation des K § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG 2. Geschäftliche Handlung des K nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 UWG 3. Verstoß gegen § 3 Abs. 3 iVm. Nr. 28 SL? a) In eine Werbung einbezogene Aufforderung an Kinder aa) Kinder Problem: Was sind Kinder? Minderjährige bis zur Vollendung des 14. Lebensjahrs (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 JSchG) oder alle nicht volljährigen Werbeadressaten? BGH: offen gelassen, da beide Personengruppen hier erfasst (Rn. 19). Ausschlaggebend (eigene Ansicht): (1) § 3 Abs. 3 Satz 3 UWG. Kinder sind eine aufgrund Alters besonders schutzbedürftige Gruppe von Verbrauchern. (2) Wie die Regelungen über die Geschäftsfähigkeit zeigen (§§ 106 bis 113 BGB zeigen), wird unwiderleglich vermutet, dass diese bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu einer fehlerfreien Willensbildung nicht in der Lage sind. Problem: Nationalstaatliches Argument! Vollharmonisierung nach Art. 3 Abs. 1 UGP-RL. 11 Fall 5 (2) (3) Aber bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres aus ähnlichen Sachüberlegungen heraus keine informierte Entscheidung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG zu erwarten. bb) Werbung Absatzfördernder Maßnahme (Art. 2 lit. a Werberichtlinie) Problem: Äußerung zielt nicht unmittelbar auf Warenabsatz, sondern leitet zu Kunden zum Verkaufsort. Muss aber auch erfasst werden; systematisches Argument aus Nr. 28 SL zweiter Halbsatz: Die Verleitung zur Aufforderung der Eltern genügt ja ebenfalls. cc) an Kinder Zweck des Tatbestandsmerkmals: Werbung würde praktisch unmöglich, wenn das weitreichende Verbot der Nr. 28 SL auch Anwendung auf Werbung fände, die auch erreicht => an Kinder gerichtet Entscheidend: Warte der Betroffenen nach § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG. BGH (Rn. 19): Vor allem die sprachlichen Wendungen: -) Ständige Anrede mit „Du“ -) Verwendung kindertypischer Begrifflichkeiten -) in der Kindersprache verwendeter Anglizismen. Hinweis: An dieser Stelle geht die Entscheidung sehr weit und wurde zu Recht kritisiert 12 Fall 5 (3) b) Unmittelbarkeit der Aufforderung zum Erwerb Problem: Von der Aufforderung gelangt der Adressat nur durch Betätigung des Links zur Verkaufsseite. Ist dies noch unmittelbar? BGH: Unterschied Ummittelbarkeit-Mittelbarkeit = Bei mittelbaren Aufforderungen ergibt sich der Appellcharakter erst aus den Umständen und es ist ein zusätzlicher vom Adressaten gedanklich zu vollziehender weiterer Schritt zwischen Aufforderung und Enstehung des Erwerbsentschlusses erforderlich (Rn. 25). Ergebnis: Die Distanz über eine Link schadet nicht = Unmittelbarkeit (Rn. 29 bis 31) Eigene Ansicht (Oechsler): Ausgangspunkt ist § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG und damit die altersbedingte Entscheidungsschwäche der Kinder. Diese beruht auf impulsiven, nicht immer verstandesgesteuerten Verhalten. ! Eine informierte Entscheidung wird verhindert, wenn der Abstand zwischen Werbeappell und Nachfrageentscheidung zu gering ist. Denn dann besteht die Gefahr einer unüberlegten, impulsiven Entscheidung des Kindes. 4. Ergebnis: Verstoß gegen § 3 Abs. 3 iVm. Nr. 28 SL liegt vor. 13 Fall 5 (4) 5. Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 UWG besteht. Auch ist noch keine Verjährung nach § 11 UWG eingetreten. 6. Gesamtergebnis: Der Anspruch besteht. II. Unterlassungsanspruch K gegen B aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 2 UWG BGH Rn. 33: § 4 Nr. 1 und 2 UWG sind nicht zu prüfen, wenn bereits ein Verstoß gegen Nr. 28 vorliegt (Verdrängt durch Spezialnorm, Gesetzeskonkurrenz) 14