Protokoll Musikgeschichte 1

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Protokoll Musikgeschichte 1 – Prof. Dr. Sabine Meine
21.01.2016 – Vorlesung Musikleben im 17. Jahrhundert I
Verfasst von Verena Carl, Fagott KA 1. Semester
Das Thema der heutigen Vorlesung war der Affektausdruck im sozialen Kontext des 17.
Jahrhunderts, behandelt anhand des Dreißigjährigen Krieges im deutschsprachigen Raum
und des Absolutismus in Frankreich. Im Vordergrund stand dabei die Bedeutung von Oper
und Konzert.
Als erstes wird eine Karte von Europa um 1610 gezeigt, auf denen Frankreich, Italien und
das Heilige Römische Reich Deutscher Nation mit roten Sternen markiert sind. Diese drei
Länder waren zu der Zeit in Bezug auf Musik von Interesse, insbesondere die Städte Paris,
Dresden, Kassel und Venedig.
In Kassel wirkt Heinrich Schütz (1585-1672) zu der Zeit als Organist am Hof des Landgrafen
Moritz von Hessen. Dieser ermöglicht ihm 1511 ein Stipendium für Kompositionsunterricht
bei Giovanni Gabrieli (1557-1612) in Venedig. Der Graf versprach sich dadurch die neuste
Musik und damit Ruhm für ihn und seinen Hof. Schütz reist also nach Venedig und hat bei
Gabrieli bis zu dessen Tod im Oktober 1512 Unterricht. Er komponiert dort sein
„Gesellenstück“, ein Buch bestehend aus 19 italienischsprachigen Madrigalen, das er
seinem Dienstherren Graf Moritz widmet. Daraus stammt auch das 5-stimmige Madrigal „O
primavera, gioventù del’anno“, das erste Musikbeispiel dieser Vorlesung.
Im Frühjahr 1613 kehrt Schütz nach Kassel zurück, wird aber aufgrund seines guten Rufes
und seiner Fertigkeiten sehr schnell nach Dresden abgeworben und wird dort 1617
Kapellmeister des Kurfürsten. Dort wirkt er bei sehr vielen bedeutenden Ereignissen mit, so
zum Beispiel als Komponist und Dirigent der Festmusik zur 100-Jahrfeier der Reformation.
Im Jahr 1627 schreibt er „Dafne“, die als erste deutsche Oper gilt, aber durch die Ereignisse
im Dreißigjährigen Krieg überschattet und vergessen wird.
1628 unternimmt Schütz seine zweite Venedig Reise, diesmal wird er von der Musik Claudio
Monteverdis (1567-1643) beeinflusst.
Aber die Auswirkungen des Krieges sind auch im Musikbereich zu spüren. Schütz beklagt
sich bei seinem Dienstherrn über die erzwungene Anpassung der Musik an die Umstände,
sie sei sogar mancherorts ganz verschwunden. Damit er aber trotz allem weiter komponieren
und auch aufführen kann, findet er einen Kompromiss: Er schreibt viele kleine Konzerte und
verfolgt dabei das Ziel „Bewegt und beeindruckt werden wie durch die Worte eines
Predigers“.
Hier lässt sich ein Bezug zur Kompositionsform der Seconda Pratica herstellen, die den
Textbezug in den Vordergrund stellt und mittels Bildhaftigkeit den Text in der Musik abbildet.
Schütz’ Musik enthält viele Symbole dieser Figuren- und Affektenlehre, auch wenn sie noch
nicht so festgelegt sind, wie später in der Opera seria.
Schütz sieht sich selbst durch die Benutzung dieser Tonsprache als ein „Musicus Poeticus“.
Gemeint ist damit eine Art Dichter, der seine Gefühle und Erregungszustände aber nicht in
Gedichten, sondern mittels der Affektenlehre in der Musik umsetzt. Die dazugehörigen
Musikbeispiele waren das Konzert „O lieber Herre Gott“ von 1636 und die zwischen 1647
und 1650 publizierte „Symphoniae sacrae“.
Nach dem Kriegsende 1648 veröffentlicht Schütz neben der Symphoniae sacrae noch
weitere geistliche Chormusik.
Als Fazit kann zu Heinrich Schütz gesagt werden, dass die italienische Musik durch ihn
einen sehr großen Einfluss im Römischen Reich Deutscher Nation erhielt und das obwohl
das Land durch den Krieg verwüstet wurde und in einigen Teilen zwischen fünfzig und
siebzig Prozent seiner Bevölkerung verlor.
Das Ausmaß des Krieges und das Leiden der Menschen veranschaulichen auch das Gedicht
„Tränen des Vaterlandes“ von Andreas Gryphius (1636) und der Schelmenroman „Der
abenteuerliche Simplicissimus“ von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1669). Der
Schelmenroman wurde auch als Oper vertont, daraus hörten wir einen Abschnitt.
Die Bilanz des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648): Das Römische Reich bleibt ein Verbund
aus Fürstentümern und die Religionsausübung ist abhängig von den unterschiedlichen
Herrschern. Die Nationalstaaten Niederlande, Schweden, England und vor allem Frankreich
gehen mit einer wirtschaftlichen Stärkung und dem Aufschwung des Bürgertums aus dem
Krieg hervor.
Dadurch wird Frankreich das stärkste Land Westeuropas. Mit der Bildung der
Nationalstaaten kommt der Absolutismus als Regierungsform.
Frankreich mit Ludwig XIV gilt dabei als das extremste Beispiel und wurde auch noch später
in der Vorlesung behandelt. Vorher wurde nochmal ein Blick nach Italien zur Entwicklung der
Oper geworfen, da diese in Frankreich ein absolutistisches Instrument war.
Die Oper wechselt vom gewaltigen Spektakel eines Mäzens am Hofe zu einer etwas
schmaleren, durch das eingeführte Eintrittskartensystem zum Geschäft gewordenen und frei
zugänglichen Aufführung in der Stadt. In Venedig entstehen auf diese Weise viele Theater
und die jeweiligen „Impresari“ (=Theatermanager) sind für den reibungslosen Ablauf der
Produktionen und Aufführungen zuständig. In Venedigs erstem Opernhaus, dem Teatro San
Cassian findet 1641 die Uraufführung von „La Didone“ statt. Diese Opera seria von
Francesco Cavalli (1602-1676) und Giovanni Francesco Busenello (1598-1659) hat eine
kleine Besetzung, praktisch für den schmalen Bühnenraum und ist ein Beispiel für die Da
capo Arie (als Hörbeispiel das „Lamento d’Ecuba“).
Merkmale der Opera Seria: ernste Themen unter anderem aus der Mythologie, ein
prächtiges Bühnengeschehen und herausstechende Gesangspartien. Am Anfang steht die
Sinfonia (=Ouvertüre, die nichts mit der Oper zu tun haben muss), die Handlung wird in
Secco-Rezitativen und Accompagnati erzählt, gefolgt von Arien der verschiedenen Sänger
und zwischendurch Chöre und verschiedene Ensembles.
Wie Schütz ist Cavalli ein Schüler von Monteverdi. Er wird 1602 in Venedig geboren und ist
ab 1640 2. Organist der Basilika San Marco. 1641 komponiert er „La Didone“ als die erste
von dreißig Opern und 1646 wird er aufgrund seiner Erfolge und seines guten, schon
international gewordenen Rufes nach Paris eingeladen, wo er am Königshof eine seiner
Opern aufführt. Danach kehrt er wieder nach Venedig zurück und übernimmt 1668 die
Kapellmeisterstelle, das höchste Amt an San Marco.
Doch 1660 wird er erneut nach Paris gerufen. Diesmal soll er für die Hochzeit von Ludwig
XIV und Maria Theresia von Spanien eine Oper komponieren. Er trifft dort aber auf einen
Rivalen: Jean-Baptiste Lully. Der Italiener ist als Geiger seit 1653 in Paris beschäftigt und hat
am Hof eine steile Karriere gemacht. Kardinal Mazarin, der sehr an Cavalli und seinen Opern
interessiert war, stirbt und so ist Cavalli dem Machtkampf mit Lully ohne Verstärkung
ausgeliefert. Denn Lully sieht in Cavalli große Konkurrenz und möchte den italienischen
Einfluss an „seinem“ Hof verdrängen. Er kann den König erfolgreich dazu überreden, nicht
auf die italienische Oper zu setzen. Das war damals so üblich, doch Lully wollte für
Frankreich etwas Eigenes haben. Er nimmt sich Cavallis Oper, die vor allem vom
Sologesang geprägt wird und gestaltet sie nach seinem Geschmack um, indem er Chöre und
Ballette einfügt. Dies sind zwei wichtige Merkmale, die dann die französische Oper prägen.
Cavalli ist also eine wichtige Station auf dem Weg zur französischen Oper („Tragédie
lyrique“).
König Ludwig XIV eröffnet Akademien, mit denen er unter anderem auch die Oper
monopolisieren lässt. Die Musik-Akademie (gegründet 1671) bestimmt darüber, wer was darf
und vergibt Privilegien. So bekommt Lully 1672 das Monopol für die Oper und darf fortan als
Einziger Opern komponieren und aufführen.
Der Einfluss der Tragödie als nationale Gattung ist in Frankreich sehr groß und das will man
für die Oper nutzen. Daher sorgt die Akademie dafür, dass die führenden Dichter
Frankreichs mit Lully zusammenarbeiten. Die Befürworter der Oper sind der Meinung, dass
sie noch besser sei als die Tragödie, weil sie das nicht Darstellbare, Unaussprechliche
ausdrücken und dem Zuhörer vorführen könne.
Eine Tragödie besteht immer aus einem Prolog und fünf Akten, die Thematik stammt aus der
Antike und der Mythologie. Es stehen meistens männliche Helden im Vordergrund, oft an die
Mythologie angelehnt und es gibt immer einen Bezug zum König.
Die französische Oper ist folgendermaßen aufgebaut: zuerst kommt die Ouvertüre (langsam,
schnell, langsam), dann der Prolog, in dem der König gelobt wird. Danach folgen die
Rezitative und Arien, in denen der Text und nicht die Sänger im Vordergrund stehen und
zwischendurch die Ensembles mit Chören und Ballett und Instrumentalstücken. Die Tragédie
lyrique ist lyrischer als die italienische Oper und die Konzentration liegt auf der schlüssigen
Handlung, der Textverständlichkeit und der Textlogik, während in Italien das Libretto erstmal
eher unwichtig war. Deswegen ist der Gesang auch fast ausschließlich syllabisch angelegt,
wodurch das Ganze rationeller und distanzierter wirkt als in der italienischen Oper. Wie in
der Tragödie ist die Thematik an die Mythologie angelehnt und die männlichen Helden sind
im Grunde immer ein Abbild des Königs.
1678 war die erste französische Oper fertig: „Psyché“ von Pierre Corneille, Philippe Quinaud
(Libretto) und Jean-Baptiste Lully (Musik) wird im Theater der Académie Royale de Musique
uraufgeführt.
Als Beispiele hörten wir die Ouvertüre, das Récit de Flora, ein Chorstück und ein Menuett.
Fazit: Die Tragédie lyrique ist eines der vielen Machtinstrumente der Herrschaft von Ludwig
XIV., das so fest in Frankreich verwurzelt ist, dass es auch nach Ludwigs Tod als Gattung
noch weiter besteht.
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