Räp chunnt de scho wener wott

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BZGA V1
Seite 42
Schwarz
www.espace.ch
SHOWTIME
Zeitung im Espace Mittelland
Mittwoch, 18. August 2004
FILMHITS
N E U E C D VO N P V P
«Räp chunnt de
scho wener wott»
1. La mala educacion
Almodóvar präsentiert mit seinem neusten Film auch seinen
persönlichsten: Ein junger Regisseur wird mit seiner Vergangenheit, der ersten Liebe und
klösterlicher Züchtigung konfrontiert.
Regie Pedro Almodóvar. Mit Gael
Garcia Bernal, Fele Martinez.
Das Warten hat ein Ende: Nächste Woche veröffentlichen die
Berner Rapper PVP um Vorzeigesprechsänger Greis ihr seit Jahren
versprochenes Debütalbum «Eifach nüt».
Elchtest
Hohe Ansprüche, viel zu tun,
Termine, dies und das – die Frage
wurde bis heute nie erschöpfend
beantwortet. Egal, denn nächsten Montag hat das Warten ein
Ende: Das PVP-Debüt «Eifach
nüt» stellt sich im Elchtest den
über die Jahre gewachsenen
Erwartungshaltungen. Denn in
derselben Zeitspanne, in der
kein PVP-Album erschienen ist,
hat nicht nur Greis das vielleicht
beste schweizerdeutsche Rap-Album aller Zeiten gemacht: Die
befreundeten Wurzel 5, mit denen PVP den Grossstosstrupp
Chlyklass bilden, haben vor einem Jahr mit «Verdächtig» be-
reits ihr zweites überzeugendes
Album präsentiert.
Doch schon die erste Strophe
des ersten Tracks «Nüt» macht
klar, dass PVP die Steilstvorlage
mit allerhöchster Nonchalance
ersprinten wollen: «I gloub i gibe
ne Scheiss u trinke nume no Dosebier deheime / Nie dänkt i
würd so wärde / Findes irgendwie no geil und i chamers leischte / Rap chunnt de scho wener
wott / Immer irgendwie und wo
ume wi Gott / Dänkt mir chäme
nie use mit äm Album / Itz haut
doch / (…) / Z’Läbe isch hert wes
eim so liecht gmacht wird wi üs i
däm Biz / Es brücht wiedermau
es ‹Chrieg›.»
Nasentanz
Aufreizend lässig, fast schnoddrig und unverhohlen aggressiv
tanzen PVP im selbstdeklaratorischen Startsong allfälligen Mitbewerbern auf der Nase herum.
Das Selbstvertrauen, Grundlage
fürs Hervorbringen tauglicher
Rapmusik, ist mehr als intakt.
Auch in andern Tracks lassen
PVP diese Wir-sind-besser-undwir-müssen-das-gar-nicht-beweisen-Attitüde aufblitzen. Da
wird weder mit weltpolitischen
2. Shrek 2
Nach der Hochzeit kommt der
Shrek – oder jedenfalls der zweite Teil des Animationswunders
von Dreamworks. Shrek ist zwar
unter der Haube, doch das löst
nicht alle Probleme …
Botschaften, noch mit galoppierendem Sprachfluss, überschäumender Wortgewandheit oder
gar luzider Selbstironie geprotzt
– «Eifach nüt» fesselt durch seine
einnehmende Selbstverständlichkeit.
Regie Andrew Adamson, Kelly
Asbury. Mit den Stimmen von Mike
Myers, Eddie Murphy, Cameron Diaz.
3. Before Sunset
Eine Amour fou, die vor neun
Jahren in Wien entzündet wurde
und damals nur eine Nacht lang
dauerte, findet ihre Fortsetzung
in Paris. Ein Filmbijou mit herausragenden Dialogen.
Drehzahl
Auch die Soundspur kennt vom
ersten Song an keine falsche
Zurückhaltung: Die Strophen
von «Nüt» rollen, mit akustischer Gitarre und anderem Gerät
üppig instrumentiert, flott, der
Refrain rockt später gar mit
höchster Drehzahl. Sowieso fällt
beim ersten Durchhören des Albums erstmal die hohe musikalische Qualität der siebzehn
Songs auf. Griffige Samples, leitmotivisch eingängige Melodien,
kullernde Bässe, überraschende
Breaks und jede Menge forsche
Beats sorgen, gerade im Kopfhörer, für ein vorwärts drückendes
Klangbild, dass die Aggressivität
der Texte ideal transportiert. Verantwortet wurden die Tracks von
diversen schweizerischen Beatbastlern wie etwa dem Berner
Link, der bei Auftritten von PVP,
Wurzel 5 und Chlyklass hinter
den Plattentellern steht.
Regie Richard Linklater. Mit Julie
Delpy, Ethan Hawke.
4. Super Size Me
Hamburger essen, bis die Körperfunktionen leiden: Der USRegisseur hat in einem Selbstversuch einen Monat lang nur
Fastfood verzehrt. Mit beängstigenden Folgen …
zvg
Äh, eine Frage. Wenn einer vier
Monate für ein Album braucht,
wieso brauchen vier für dasselbe
mehr als vier Jahre, wenn der
Einzelne einer dieser vier ist …?
So oder ähnlich wird oft und gerne gefragt, seit der Berner Rapper
Greis Anfang 2003 in Schnelle
sein furioses Debütalbum «Eis»
ausgespuckt hat, während seine
Gruppe PVP seit beinahe unendlich an einem in regelmässigen
Abständen angekündigten Album herumkaut.
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Strotzen statt protzen: Wer so viel Selbstvertrauen hat wie Greis
(hinten links) und seine PVP-Komplizen, muss sich nicht beweisen.
Auch wenn «Eifach nüt», diese
hundertprozentige Rap-Platte,
aus Mangel an Crossover-Potential den kommerziellen Erfolg
des Greis-Debüts kaum wiederholen kann: Der PVP-Erstling ist
eine weitere bemerkenswerte
Leistung aus dem Berner Chlyklass-Universum – das Warten
hat sich gelohnt. A propos Warten: Irgendwo auf «Eifach nüt»
rappt irgendeiner irgendetwas
von einem Chlyklass-Album, das
irgendwann erscheinen soll. Wie
lange das wohl noch dauert? Immerhin sind die noch einmal ein
paar mehr als vier …
Regie Morgan Spurlock. Mit Morgan
Spurlock.
5. Muxmäuschenstill
Herr Mux will die Welt verbessern: Der Psychopath «erzieht»
moralisch fehlbare Mitmenschen mit drastischen Massnahmen. Bitterböse deutsche
Gesellschaftssatire.
Adrian Zurbriggen
CD: PVP, «Eifach nüt», Musikvertrieb. Erscheint am 23. August. Auftritte: 26. 8.,
21 Uhr, Chop Records Bern; 10. 9., 22 Uhr,
Dachstock Reitschule Bern (Plattentaufe).
Regie Marcus Mittermeier. Mit
Henrik Stahlberg, Fritz Roth.
D E B Ü T VO N Y E R B A B U E N A
6. Young Adam
Alles beginnt mit einer Leiche
im Wasser: unmoralischer,
stimmungsvoller Thriller und
faszinierendes Kammerspiel zugleich. Hervorragend gespielt –
das Beste, was Grossbritannien
im Moment zu bieten hat.
Regie David Mackenzie. Mit Ewan
McGregor, Tilda Swinton, Peter Mullan.
7. Fahrenheit 9/11
Der Propagandist Michael Moore geht mit dem Filmer Michael
Moore durch: Undifferenziert
polemisiert der Dokumentarfilmer gegen die Wiederwahl von
George W. Bush. Dabei bleibt
der Witz auf der Strecke. Der Erfolg ist ihm trotzdem sicher.
zvg
Regie Michael Moore.
«Ich wollte eine Supergruppe zusammenstellen»: Produzent und Multiinstrumentalist Andres Levin (3. von links) posiert mit seiner Multikultitruppe Yerba Buena.
Ein Alien als Botschafter New Yorks
Starproduzent Andres Levin wollte zurück auf die Bühne, gründete
Yerba Buena und landete mit «Guajira» einen Sommerhit.
Die Klasse und Vielfalt der Musiker, mit denen Andres Levin seit
seinem Umzug von Caracas nach
New York gearbeitet hat, beeindruckt: Das Spektrum reicht von
David Byrne, K.D. Lang und Tina
Turner über Marisa Monte, Caetano Veloso und Carlinhos
Brown bis zu Me’Shell Ndegeocello, Chaka Khan, Macy Gray
und D’Angelo. «Für mich ist es
ganz natürlich, mich immer wieder mit Musikstilen zu beschäftigen, die ich nicht so gut kenne»,
erklärt der 34-Jährige. «Fünf oder
sechs Heavy-Metal-Alben pro
Jahr zu produzieren würde mich
wahnsinnig machen!»
Vor zweieinhalb Jahren kam
Levin die Idee, ein Album zu machen, auf denen die verschiedenen Musikstile verschmelzen,
die auf New Yorks Strassen zu
hören sind. «Es sollte nicht nur
ein Studio-Projekt werden. Ich
wollte eine Supergruppe zusammenstellen und mit ihr auch auf
Tournee gehen.» So entstand
Yerba Buena.
Würzige Musikkräuter
Da Bassist Sebastian Steinberg
der einzige geborene New Yorker
ist und Bandleader Levin den
Spitznamen «El Presidente» hat,
wurde die erste CD «President
Alien» getauft. Die heisse Scheibe ist mit verschiedensten lateinamerikanischen Kräutern
wie Son, Cumbia und Soca sowie
Afro-Beats, Soul und Hip-Hop
gewürzt und bringt das Blut der
Zuhörerinnen und Zuhörer zum
Pulsieren. «Guajira (I Love U 2
Much)», in den USA und Spanien
bereits ein Sommerhit und in
der Schweiz auf dem Weg dazu,
ist der grösste dieser Aufsteller:
rhythmisch mitreissend und
doch leichtfüssig, mit wundervollem Yoruba-Gesang, coolem
Rap, eingängigem Chor-Refrain
und kunstvollen InstrumentalOrnamenten.
Levin bezeichnet den Song
über ein Mädchen vom Land, das
in die Stadt fährt und dort unterschiedlichen Charakteren begegnet, als lustiges Liebeslied, aber
auch als Hymne auf die Frauen,
denen man(n) im Leben begegnet – wie Mutter, Schwester und
Geliebte. «Besonders verehre ich
meine Grossmutter, die mit
ihrem Mann vor Hitler aus Berlin
nach Argentinien flüchtete und
mir in meiner Kindheit trotzdem
Deutsch beibringen wollte», erzählt Levin, dessen Eltern ihrerseits Ende der Sechzigerjahre vor
der Militärdiktatur nach Venezuela emigrierten. «Im Gegensatz
zu meinem Bruder hatte ich nur
das Englischlernen und die Musik im Kopf», bedauert Levin, der
auch einen deutschen Pass be-
sitzt, heute. Damals machten
seine Prioritäten jedoch Sinn, da
er 1989 – mit 19 Jahren – allein
auszog, um die USA zu erobern.
Wohnhafter Fremder
«Wenn ich in Caracas geblieben
wäre, würde ich jetzt vermutlich
in irgendeiner Calypso-Band
statt mit den besten Musikern
der Welt spielen», meint Levin.
Andererseits gilt er in diesem
Land nach 15 Jahren und trotz
seiner Beiträge zur amerikanischen Musikkultur gemäss seiner Green Card noch immer als
«Resident Alien» (wohnhafter
Fremder), der nur auf seiner CD
zum Präsident werden kann.
8. The Brown Bunny
Faszinierender Selbstfindungstrip eines liebeskranken Egomanen – Vincent Gallo made by
Vincent Gallo. Ein Film, den man
liebt – oder hasst.
Regie Vincent Gallo. Mit Vincent
Gallo, Chloë Sevigny, Cheryl Tiegs.
9. Eternal Sunshine of the
Spotless Mind
Wie man schlechte Erinnerungen los wird: Charlie Kaufmann,
Star unter den US-Drehbuchautoren, schrieb eine Geschichte,
die nur im Film möglich ist.
Regie Michel Gondry. Mit Kate
Winslet, Jim Carrey.
10. Nicotina
Der argentinisch-mexikanische
Regisseur kennt offensichtlich
Tarantinos «Pulp Fiction», hat
sich aber zu einer eigenständigen und gelungenen Gangsterkomödie inspirieren lassen.
Regie Hugo Rodríguez. Mit Diego
Luna, Lucas Crespi, Jesus Ochoa.
Reinhold Hönle, Berlin
CD: Yerba Buena, «President Alien», Sony.
Zusammengestellt von Madeleine
Corbat und Adrian Zurbriggen.
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