Süsses und Fettiges für unsere Kinder

Werbung
Bern, Lausanne, Lugano, Juli 2012
Untersuchung über die Schweizer Fernseh-Lebensmittelwerbung, welche an Kinder
gerichtet ist - erste Resultate
Süsses und Fettiges für unsere Kinder
In der Schweiz – wie im übrigen Europa - leidet eins von fünf Kindern unter Übergewicht oder
Fettleibigkeit. 1 Als Erklärungsansatz kann die Rolle des Fernsehers herangezogen werden,
denn gemäss der europäischen IDEFICS Studie ernähren sich Kinder, die oft fernsehen, fettund zuckerhaltiger also solche, die einen mässigen Fernsehkonsum pflegen.2 Dazu trägt nicht
nur die Bewegungsarmut der Kinder bei, sondern auch der Inhalt der ausgestrahlten
Programme und Werbespots.
Das Fernsehen bildet einen integralen Bestandteil des Lebens der Kinder in der Schweiz. 60%
der Kinder schauen täglich fern. Gemäss den Untersuchungen von Mediapulse AG verbringen
Schweizer Kinder im Alter von 3 -14 Jahren je nach Sprachregion im Durchschnitt 69 bis 99
Minuten pro Tag vor dem Bildschirm (2009). Die Untersuchung von Mediapulse hat zudem
ergeben, dass die Kinder dabei nicht nur die für sie bestimmten Programme, sondern häufig
auch die Nachrichten oder die Wettervorhersage schauen, die am frühen Abend ausgestrahlt
wird.
18,5 Werbespots pro Fernsehstunde
Eine Forschungsgruppe um Peter Schulz vom Institute of Communication and Health ICH der
Universität Lugano hat 2006 die Werbesendungen auf den Kanälen des Schweizer Fernsehen
analysiert um herauszufinden, welche Lebensmittelwerbungen von Kindern gesehen werden
und welcher Typ Lebensmittel dabei präsentiert wird. Das Projekt wurde mit KIWI
(„Kinderwerbung im Fernsehen“) bezeichnet.
Fünf Jahre später hat die Allianz der Konsumentenschutz-Organisationen (ACSI, FRC und
SKS) die Werbesendungen erneut analysiert, um festzustellen, welche Veränderungen im
Werbeumfeld von Kindern stattgefunden haben. Die Studie KIWI 2 wurde mit der Unterstützung
von Simone Keller und Seraphina Zurbriggen vom ICH, Lugano, durchgeführt. Der detaillierte
Bericht wird im Herbst auf www.frc.ch publiziert.
Insgesamt wurden 12'393 Werbespots untersucht, die innerhalb von 671 Stunden
Fernsehprogramm ausgestrahlt wurden. Eine Stunde Fernsehprogramm enthielt demnach
durchschnittlich 18.5 Werbespots, welche während den Kindersendungen sowie einem Teil des
frühen Abendprogramms ausgestrahlt wurden. Während des Kinderprogramms wurden je nach
Fernsehkanal, Wochentag sowie Sendezeit zwischen 7.5 und 27 Werbespots pro Stunde
ausgestrahlt.
1
Body-Mass-Index von Kindern und Jugendlichen, MOSEB Ernährung & Bewegung in der Schweiz, Juni
2012 http://www.bag.admin.ch/shop/00012/00573/index.html?lang=de
2
Learnings on childhood obesity - sustaining healthy living after IDEFICS
http://www.ideficsstudy.eu/Idefics/
Fastfood und Fertigprodukte
Ein Viertel der Werbungen, die während dem Kinder-Programm gesendet werden, bewerben
Lebensmittel. In der Westschweiz ist es gar eine von drei Werbungen. Aufschlussreich war die
Analyse, welche Art von Lebensmitteln den Kindern während den Fernsehsendungen
schmackhaft gemacht wird.
Das Resultat ist bemerkenswert: Mehr als die Hälfte der Spots bewirbt Fast-Food und
Fertigprodukte. Bei den übrigen gezeigten Lebensmitteln handelt es sich vor allem um Snacks
und kalorienreiche Süssigkeiten (28.4%) sowie Milchprodukte (12%). Früchte und Gemüse
sind mit nur 0.2% Werbeanteil während den Kindersendungen quasi inexistent.
Ein Kind, welches dem beworbenen Speiseplan folgt, wird demnach grosse Mengen Fast-Food,
gefolgt von Süssigkeiten sowie ein bisschen Käse zu sich nehmen. Diese Ernährung steht im
Widerspruch zu den Empfehlungen der Schweizerischen Ernährungsgesellschaft, welche vor
allem den Verzehr von Früchten und Gemüsen sowie Getreide (nach Möglichkeit Vollkorn)
empfiehlt.
Beworbene Lebensmittel während
des Kinderprogramms
Früchte, Gemüse 0.2%
100.0
90.0
80.0
70.0
60.0
Milchprodukte
12.2%
Süssigkeiten,
Snacks,
Süssgetränke
28.4%
30.0
20.0
10.0
0.0
Öle, Fette 0.7%
Getränke 2.4%
Getreide, Hülsenfrüchte
3.3%
50.0
40.0
Fleisch, Fisch 0.5%
Milchprodukte 12.2%
Fast Food,
Fertiggerichte
52.3%
Süssigkeiten, Snacks,
Süssgetränke 28.4%
Fast Food, Fertiggerichte
52.3%
Beworbene Produktemarken während des
Kinderprogramms
Andere 12.9%
Rivella 2.2%
Diverse Käse 2.7%
Ferrero 4.1%
Migros 4.2%
McDonald's 49.9%
Bel 4.9%
Kellogg's 5.2%
Nestlé 13.9%%
Biene, Wolf und Co. unterstützen die Botschaften
Bei der Vermarktung der Produkte wird häufig auf Maskottchen (60% der Werbungen), wie etwa
die Biene aus der Kellogg’s Pops Werbung, dem Wolf der Cookie Crisps von Nestlé oder die
lebendige Kartonschachtel des Happy Meals gesetzt. Um den Verkauf weiter zu fördern, wird
den Kindern in zwei Dritteln der Fälle anschaulich gezeigt, dass man sich beim Verzehr der
Lebensmittel amüsiert. Um die Eltern zu überzeugen, wird zusätzlich einem Viertel der
beworbenen Lebensmittel eine gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben.
Die von den Kindern am häufigsten gesehene Marke ist McDonald’s mit 50% aller Werbespots.
Das Happy Meal, welches mit Spass und Party assoziiert wird, hat demnach gute Chancen,
einen breiten Bekanntheitsgrad unter den Kindern zu erlangen. Auf unsere Nachfrage hin hat
McDonald‘s sich geweigert, die Anzahl der verkauften gesunden „Meals“ offen zu legen. In den
Werbespots ist während rund zwei Sekunden die gesündere Variante des Happy Meals zu
sehen, welches anstelle von Pommes frites Gemüse als Beilage hat.
An zweiter Stelle findet sich die Marke Nestlé mit einem Anteil von 14%, gefolgt von Kellogg’s
mit einem solchen von 5.2%.
Anfänge, um die Werbung für Kinder zu beschränken
Sechs Lebensmittelkonzerne haben 2010 den „Swiss-Pledge“ lanciert. Im Rahmen dieses
Programms engagieren sich Coca Cola, Kellogg’s, Mars, Nestlé, Pepsico sowie Unilever für
eine Reduktion der Werbespots für ungesunde Lebensmittel während Fernsehsendungen,
deren Publikum mehr als 50% Kinder unter 12 Jahren zählt. Sie verzichten zudem auf Werbung
in Primarschulen. 2011 traten der Gruppe zusätzlich Danone, Intersnack, Kraft foods, Procter
and Gamble sowie Zweifel Pomy Chips AG bei.
Am ersten Januar 2012 wurde das Kriterium für die Zahl der Zuschauer unter 12 Jahren auf
35% gesenkt. Im Mai 2012 weiteten die Mitglieder-Firmen die Werbeeinschränkung zusätzlich
auf ihre Internetseiten aus.
Der „Swiss-Pledge“ ist die Schweizer Version des „EU-Pledge“, welcher in unseren
Nachbarländern durch dieselben und weitere Unternehmen in Kraft gesetzt wurde. Ferrero,
Burger King und McDonald’s sind zwar Mitglied des „EU-Pledge“, sie sind der Schweizer
Initiative aber noch nicht beigetreten.
Der „Swiss-Pledge“ gibt keine Definition vor, was unter einem „ungesunden“ Nahrungsmittel zu
verstehen ist. Dies definieren die einzelnen Firmen in ihren eigenständigen
Selbstverpflichtungen jeweils nach eigenen Ernährungskriterien. Bei Kellogg’s liegt die Grenze
zum Beispiel bei 200 kcal pro Portion, Nestlé gibt 175 Kcal an und Pepsico 150 Kcal.
Weitere Schritte müssen folgen
Die Studien der Universität Lugano 2006 und diejenige der Allianz der KonsumentenschutzOrganisationen zeigen eindrücklich, dass noch heute die Werbespots für ungesunde
Lebensmittel im Fernsehen zahlreich sind und gesunde Lebensmittel nach wie vor kaum
vorkommen. Die Kinder benötigen die Unterstützung der Eltern und der Schule, um zu lernen,
wie sie zwischen der Kindersendung und der Werbung unterscheiden können. Zudem ist es
notwendig, dass sie lernen, die Werbeaussagen zu relativieren.
Das freiwillige Engagement der unterzeichnenden Unternehmen hat eine positive Tendenz im
Bereich der Lebensmittelwerbung eingeläutet. Es bleibt allerdings immer noch viel zu tun.
Zahlreiche Unternehmen, welche den „Swiss-Pledge“ unterzeichnet haben, haben in der
untersuchten Zeitperiode keine Werbung gesendet. Da der untersuchte Zeitraum allerdings
lediglich ein Zehntel des Jahres umfasst, kann keine gültige Aussage über das ganze Jahr
gemacht werden.
Von den „Swiss-Pledge“-Unternehmen, welche während dem Untersuchungszeitraum Werbung
gesendet haben, haben sich zum Beispiel Danone, Pepsico und Procter & Gamble an ihre
Verpflichtung gehalten und keine Werbung im Kinderprogramm gesendet.
Im Falle von Kellogg’s und Nestlé ist das Resultat etwas weniger eindeutig. Sie halten sich an
die Pledge-Vereinbarung, haben aber sehr grosszügige Kriterien, welche Produkte noch als
gesund gelten: Alle gezuckerten Cerealien auf dem Schweizer Markt fallen bei Kellogg’s und
Nestlé in die Kategorie der gesunden Lebensmittel, selbst wenn darin mehr als ein Drittel
Zucker enthalten ist.
In England wäre keiner der Werbespots von Kellogg’s oder Nestlé während einer
Kindersendung zugelassen worden. Weder die Cerealien, die Joghurts noch eine DessertCrème erfüllen die Standards der britischen Food Standards Agency (FSA), welche von der
britischen Ofcom (Independent regulator and competition authority for the UK communications
industries) angewendet werden, um „ungesunde“ Lebensmittelwerbungen während dem
Kinderprogramm zu begrenzen.
Um dem Engagement der Swiss Pledge-Mitglieder Glaubwürdigkeit zu verleihen, müssten die
Kriterien von externen und unabhängigen Experten definiert werden.
Dies ist beispielsweise in Grossbritannien der Fall, wo das System der Food Standards Agency
zur Anwendung kommt. Das europäische Projekt „Standards for Marketing“ (StanMark) hat vor
kurzem die Notwendigkeit einer solchen Institution bewiesen. Diese Standards müssen von
internationalen Übereinkommen begleitet werden, damit es zu einer grenzübergreifenden
Wirkung kommt und in der globalisierten Medienwelt auch angewendet wird. Gegenwärtig sind
unsere europäischen Nachbarn dabei, diese Möglichkeit zu prüfen. Es macht Sinn, dass sich
die Schweiz diesen Bestrebungen anschliesst.
Forderungen der Allianz der Konsumentenschutz-Organisationen
Etliche Unternehmen, welche sehr offensiv Werbung betreiben, haben noch keine Schritte
unternommen, um ihre Werbung für Kinder zu reduzieren. Die Allianz verlangt, dass
McDonald’s, Burger King und Ferrero ebenfalls dem „Swiss-Pledge“ beitreten und dessen
Vorgaben einhalten.
Die Allianz ermutigt die nationalen Anbieter, Migros und Coop, ihr soziales Engagement unter
Beweis zu stellen und sich für eine den Kindern gegenüber verantwortliche Werbung
einzusetzen.
Die Allianz verlangt weiter dass die Werbebotschaften für Früchte und Gemüse in allen TVProgrammen präsent und vor allem auch in Kindersendungen enthalten sein sollen.
Die Allianz verlangt, dass der aktuelle „Swiss-Pledge“ glaubwürdiger wird durch
Ernährungskriterien, welche von unabhängigen und neutralen Experten definiert und durch ein
unabhängiges Monitoring überwacht werden.
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